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Interview von David Chadwick (D) und Bob Halpern (B) mit Joshu Sasaki (J) von 1969

B: Warum sind Sie nach Amerika gekommen?

J: Dr. Harmon wollte Zen studieren und schrieb an den Myoshinji-Tempel in Kioto, der mich dazu
berief, hierher zu reisen.

B: Wann war das?

J: 1962. Der Brief kam 1961. Bis dahin hatte ich nie daran gedacht, in die USA zu gehen. Außerdem
war der Tempel, dem ich angehörte, sehr arm. Myoshinji meinte jedoch, ich würde hier von Nutzen
sein. Es ist der Haupttempel meiner Rinzai-Schule. Ein weiterer bedeutender Tempel ist zum Beispiel
der Ryutakuji.

D: Könnte Roshi [der Ehrentitel für Sasaki] die Entwicklung seiner Zen-Gruppe beschreiben, wie sie
begann und wie sie dieses Gebäude erwarb?

J: Es begann vor siebeneinhalb Jahren. Kannst du siebeneinhalb Jahre lang jeden Tag eine Stunde
Zazen praktizieren? So einfach war das in etwa. Ich hatte sechs Monate nachgedacht, ehe ich in die
USA ging, zumal ich kein Englisch konnte. Im Juli 1962 kam ich an. In meinem linken Robenärmel
trug ich ein Wörterbuch für Japanisch-Englisch, im rechten Ärmel eines für Englisch-Japanisch. Ich
versuchte mir schon in Japan so viel wie möglich anzueignen. Dadurch, dass ich Tokio dann um neun
Uhr verließ und am selben Tag um sechs Uhr hier ankam, gewann ich drei Stunden für mein Leben.
Dr. Harmon und Frau Gladys Wisebart, meine beiden Unterstützer, begrüßten mich zusammen mit
drei weiteren Personen. So sehr ich mich auch bemühte, ich bekam kein „How do you do?“ heraus. Ich
verlor allen Mut, weil die Amerikaner im Vergleich zu mir so exzellentes Englisch sprachen. Bei
meiner Ankunft hatte ich Zweifel, und mein nur zögerliches Erlernen der englischen Sprache
entspricht wohl dem Zögern der Amerikaner, sich Zen anzueignen. Da es zu spät zum Umkehren war,
dachte ich: „Ich werde mein Bestes geben. Vielleicht kann ich mich mit ein paar von ihnen
anfreunden.“ Ich bezog eine kleine Hütte, die meine Sponsoren in Gardena angemietet hatten.
Zunächst irritierten mich viele Dinge, wie ich zum Beispiel meine Post nach Japan schicken konnte. In
den ersten beiden Jahren besuchte mich Dr. Harmon täglich, beantwortete meine Fragen und half aus.
Dass ihr nun hier sein und mir Fragen stellen könnt, ist ebenfalls ihm zu verdanken.

Am 17. November jenes Jahres bekam ich Magenschmerzen. Bis dahin hatte ich nur die Haltung und
Übung des Zazen gelehrt. Aus diesem Grund und wegen meiner plötzlichen Erkrankung schien ich
viele Schüler zu verlieren. Darum begann ich im Dezember mit der Praxis des Sanzen [Vieraugen-
Gespräch im Rahmen der Koan-Schulung].Mit m einen geringen Englischkenntnissen versuchte ich in
den folgenden eineinhalb Jahren meine Ideen zu vermitteln, doch ich war darin sehr begrenzt. Wenn
ich mich recht entsinne, kommen aus dieser Phase heute noch zu mir: Dr. Harmon, George Dunichin
und Ron Olsen. Später stießen andere wie Steve Sanford dazu … Steve Sanhill. Ohne Marketing und
den Versuch, die Leute zu erreichen, tauchten doch innerhalb von drei Jahren viele, viele
unterschiedliche Menschen auf und begannen mit der Zen-Praxis. Einer der Nachbarn beschwerte sich,
es sei nicht gut, da ein Zen-Zentrum zu betreiben, denn der Autoverkehr hatte zugenommen und stellte
eine Gefahr für die Kinder der Gegend dar. Die Hippie-artige Erscheinung vieler Übender war auch
keine Hilfe. Ich versuchte die Nachbarn zu besänftigen, indem ich die Schüler bat, anderswo zu
parken. Doch an ihrem Erscheinungsbild konnte ich nichts ändern, denn Zen heißt jeden willkommen.
Nach kurzer Zeit gab es eine Beschwerde im Stadtrat und ein Staatsanwalt forderte uns zur Räumung
auf. Zwar ließen sie uns noch ein Weilchen in Ruhe, doch schließlich mussten wir an einen Ort
umziehen, der der Stadt selbst gehörte, ein Gemeinschaftszentrum von Gardena. Später stellte uns Dr.
Harmon sein Medizinzentrum für gut ein Jahr zur Verfügung. Dann trafen wir uns sonntags anderthalb
Jahre lang im Gedächtnispark und an den Wochenenden auch in den leer stehenden Büroräumen von
Dr. Harmons Klinik, dank seines Wohlwollens. Eins kam zum anderen, bis auch die Bewohner der
Klinik sich über unsere Rezitationen und Glockenklänge beschwerten, also zogen wir 1968 hierher in
die Cimarron Street (Los Angeles).

Wenn ich ein bisschen zu der frühen Phase 1962 zurückkehren darf … Damals begann die Zengruppe
als Verein. Ich hielt es für angebracht, unsere Übungsstätte als Zen-Zentrum der Vereinigten Staaten
zu bezeichnen. Ich glaube, seitdem hat niemand eine solche Bezeichnung verwendet. (…) Als wir an
unseren jetzigen Ort umzogen, nannten wir uns Rinzaiji-Vereinigung und dies hier das Cimarron Zen-
Zentrum des Rinzaiji.

Seit wir hier sind, gab es nur noch wenige Beschwerden. Auch hatte keiner etwas dagegen, dass ich in
den Vereinigten Staaten war. Bitte nehmt meine Aussagen an.

B: Können wir weitere Fragen stellen? Welche Pläne haben Sie für das Zentrum hier?

J: Keine. Es mögen einfach Leute herkommen und Zazen praktizieren. Falls es zu viele werden, will
ich mich damit beizeiten auseinandersetzen. Da Zen kein Geschäft für mich ist, liegt mein Interesse
ausschließlich im Lehren, nicht darin, Tempel zu errichten oder auszuweiten. Selbst ein Zentrum in
der Größe von diesem hier ist an sich nicht nötig. Nur weil es so viele Schüler gibt, wurde es
notwendig.

B: Wo die Schülerzahl nun zunimmt, wollen Sie da einen Priester als Assistenten haben oder sonst
jemanden, vielleicht aus dem Myoshinji in Japan?

J: Im Moment nicht. Selbst wenn ein Japaner käme, würde es lange dauern, bis er mir wirklich helfen
könnte. Mir erscheint es sinnvoller, jemanden von hier zu wählen. Sollte jemand aus Japan sich
entschließen, hier Zen zu üben, ist das etwas anderes. Ich denke auch nicht an Nachfolger aus Japan.

D: Ich habe von Justin Stone gehört, dass einer von Ihren Schülern einen Tempel als Lehrer gründet.
Oder wird der Roshi dort Lehrer sein und jener Mann den Tempel organisieren?

J: Es stimmt, ich plane, einem meiner Schüler als Lehrer seine eigene Übungsstätte anzuvertrauen.
Dafür werde ich ihn ausbilden.

D: Hat Roshi in Japan Nachfolger, die hier lehren könnten?

J: Im Shozu-an, dem Tempel auf dem Land, keine.

D: Welche Art von Praxis gibt es dort? Üben alle Schüler Koan? Ist das Voraussetzung?

J: Es scheint zwei Typen von Schülern zu geben, und ich behandle sie entsprechend. Die einen sind
nur am historischen Zen und seinen Methoden interessiert, die anderen an der tatsächlichen Übung
und Praxis. Letzteren werde ich Koan geben, und sie müssen mir dann natürlich im Sanzen begegnen.
Versteht ihr? Wer nur daran interessiert ist, Vorträge zu hören und Sutren zu rezitieren, kann mit den
indischen Praktizierenden verglichen werden. Wahre Zenübung beinhaltet Sanzen und Koan. Hört
einer nur meine Reden und chantet Sutren, wird das nie die wahre Zenpraxis befördern. Du musst den
Meister im Sanzen mit deinem Koan konfrontieren. Darum habe ich eine gewisse Abneigung gegen
dieses Akademische und die „Zen-Neugierde“. Wärt ihr bloß Journalisten von der Tagespresse, würde
ich euch das nicht erzählen, lasst mich darum fragen: Seid ihr Akademiker, Journalisten oder wahre
Schüler? Ihr könntet in einer Stunde tot sein, ich möchte also eine richtige Antwort von euch.

B: Wir sind hierhergekommen, weil es hier einen Buddha gibt.


J: Ich bin kein Buddha. Ihr müsst wissen, dass historisch das Basso-Zen … Also Basso war ein
Schüler des Sechsten Patriarchen. Man fragte ihn: „Was ist ein Buddha?“, und Basso erwiderte: „Nicht
Geist, nicht Buddha.“ Ich mag Leute nicht, die hier nach Buddha suchen. Ihr hängt euch an Buddha
auf, aber ihr müsst euch selbst von solchen Vorstellungen befreien. Ihr seid gefangen vom Wort
Buddha. So könnt ihr bloß ein gläubiger Zenschüler sein. Ihr müsst hingegen frei werden, Buddha
anzunehmen oder wegzuwerfen. So sieht der einzig wahre Zenschüler aus. Maitreya Buddha sagte:
„Ich bin ein Diener der Menschheit.“ Wer ist nun dieser Diener? Die Haltung sollte sein, weder
Buddha oder Gott zu verneinen noch zu bestätigen, also frei von solchem Verständnis zu sein. Das ist
in den USA schwierig. Die Leute hier brauchen ein Symbol wie den errettenden Gott oder einen
Buddha. Darum scheint es, als seid auch ihr hierhergekommen, um den Buddha zu finden, genau wie
Christen, die nach Gott suchen. Dies ist einer der Gründe, warum mein Zen so streng auf andere wirkt
und womöglich fünfzig Jahre brauchen wird, um hier Wurzeln zu schlagen. Es ist im Allgemeinen für
amerikanische Schüler recht schwer, diesen Gedanken zu begreifen. Mir scheint, ich kann gegenwärtig
und auch in der Folgezeit nur erwarten, dass die Zenlehre von einigen angenommen wird. Daneben
scheint auch die Meditation nur auf gewisse Weise voranzukommen. Was ich in Amerika lernte ist die
Schwierigkeit, die die meisten haben, viel weiter zu gehen als das, was ich gerade beschrieben habe.
Ich schaue diesem Jahr deshalb vielleicht etwas kleinlaut entgegen. Zwar könnte aus meinem
Bemühen ein wahrer erwachter Zenlehrer erstehen. Doch solange ihr von jemandem aus Japan
abhängig seid, wird euer Zen schwach bleiben.

B: Wollen Sie die japanische Unterscheidung in Priester und Laien beibehalten?

J: Ich habe diesen Ort bewusst Zen-Zentrum und nicht Zen-Tempel – mit all der damit verbundenen
Hierarchie – genannt, um diesen Unterschied aufzuheben, zwischen Priestern und Laien wie zwischen
Männern und Frauen. Sogar Katzen und Hunde können eintreten und Zen praktizieren. Ich heiße
alle willkommen, besonders Hippies. Allerdings mag die Zeit kommen, wo das Tempelsystem auch in
Amerika nötig wird; dann werde ich mich damit auseinandersetzen. Die Zen-Hierarchie werde ich
nicht in die USA übertragen, jedoch Übungen und Einschränkungen, die ich für hilfreich halte.

D: Zum Beispiel?

J: Das werdet ihr sofort verstehen, wenn ihr zu einem einwöchigen Sesshin herkommt.

D: Roshi, wollen Sie, dass einige Ihrer Schüler zum Studium nach Japan gehen?

J: Außer um die körperlichen und historischen Zen-Methoden Japans zu erlernen, sehe ich darin keine
Notwendigkeit. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind einige Zen-Übungen in japanischen Tempeln im
Niedergang begriffen, ein akademischer Zugang ist aber weiterhin möglich. Nachdem jemand hier die
Grundlagen erworben hat, könnte es freilich interessant sein, einmal die Praxis in Japan zu
beobachten. Ohne eine solche Grundlage würde man in Japan nur irritiert sein.

D: Ich habe nur noch eine Frage notiert, sie betrifft meine Neugierde, warum der Roshi nach New
York will, was es in Vancouver gibt und sonstwo abseits dieses Zentrums.

J: Ich wurde von Leuten in Vancouver und New York darum gebeten. Außerdem würde der Roshi
gerne die Möglichkeiten für Zen-Führungspersonen in den USA ausloten. Roshi will nicht auf Los
Angeles beschränkt sein. Den Kaliforniern scheint Moos auf den Köpfen zu wachsen … Wegen dieser
Aussage dürften sie wütend auf mich werden.

D: Wie steht es um Dr. Harmon? Ist er gestorben?

Übersetzer: Er war eine halbe Stunde vor eurer Ankunft hier.


B: Wollen Sie in L.A. bleiben?

J: Ein Zen-Meister denkt nicht über solche Dinge nach. Ich könnte in ein paar Stunden tot sein. Wenn
ihr hingegen einen Tempel für mich errichtet und mich einladet, werde ich sicher dorthin gehen.

D: Wenn er in ein paar Stunden stirbt, was wird dann aus diesem Zen-Zentrum?

J: Solche Dinge bekümmern mich nicht im Geringsten. Für ein paar Dinge habe ich vorgesorgt, falls
es zu einem Notfall kommt. Ich denke, die Schüler hier werden einen anderen Roshi anfordern. Einer
sagte mal: Ich warte händeringend auf den ersten amerikanischen Roshi.

B: Können Sie dazu etwas beitragen außer zu warten? Was tun Sie sonst noch?

J: Ich lehre Zazen. Ich denke rund um die Uhr daran, WIE ich die Menschen zu erwachten
Zenschülern machen kann, ob nun, indem ich sie schlage, an ihren Nasen ziehe oder sie antreibe. Ich
habe gerade erst mein Hirn durchkämmt nach Mitteln, solche Schüler zu erzeugen.

D: Gibt es noch besondere Probleme unter amerikanischen Adepten, die Sie zuvor nicht erwähnt
haben, als es ums Anhaften an Buddha oder Gott ging?

J: Das westliche Hirn ist gut darin, Daten zu sammeln und logisch diese Daten zu manipulieren, was
zu einer Trennung von Subjekt und Objekt führt. So kommt es zu Wundern auf dem Gebiet der
Wissenschaft. Die Geburt von Psychologie und Philosophie geht auf den westlichen Geist zurück, der
sich unmittelbar ein Ziel setzt. Zen hingegen kennt kein solches Objekt oder Ziel. Selbst ein Koan ist
kein Ziel, kein Problem. Manche halten es dafür, sogar einige Zenlehrer. Wenn ich sage, Gott oder
Buddha sind formlos, farblos und geräuschlos, kann das nicht zu irgendeinem Problem gemacht
werden. Und etwas, das man eigentlich nicht in ein Problem verwandeln kann, wird nur zu einem
solchen, damit du dich selbst offenbaren kannst. Dies ist die Zen-Übung. Offenkundig hat sich Zen
ohne dieses grundlegende Verständnis in den USA verbreitet und wurde so popularisiert. Im
Unterschied zu anderen Übungen oder religiösem Denken ist Zen etwas Aktives. Ohne Aktivität gibt
es kein Zen. Zwar kennt Zen auch Psychologie und Philosophie, doch die Aktivität und Praxis des Zen
ist vorrangig. Wenn ich also sage, ihr seid eins mit Gott und nie von ihm getrennt, dann klingt das
psychologisch oder philosophisch und kann zu einem Studienthema im Buddhismus werden. Doch
wenn ihr eins mit Gott seid, wie verwirklicht ihr dies durch die Praxis des Zen? Nur einer angenehmen
Rede zu lauschen oder dem regelmäßigen Schlagen des Zen-Holzfisches (mokugyo) ist keine Zen-
Aktivität. Hingegen völlig frei zu sein von den Problemen von Leben und Tod und sich in der eigenen
wahren Natur zu manifestieren … Wohlbefinden und Euphorie kann man auch erlangen, indem man
ein gutes Unterhaltungsprogramm einschaltet, einige indische Praktiken oder moderne Formen des
Buddhismus studiert. Zen beschränkt sich nicht darauf. Im Shin-Buddhismus wie im Zen geht es um
die Erfahrung des Erwachens (satori), was sich vom christlichen Glauben unterscheidet. Diese
Unterscheidung muss sorgfältig getroffen werden.

D: Wie steht es mit dem Studium der Sutren, hält der Roshi es für wichtig?

J: Zen muss alles umfassen, auch das Lesen und Studieren der Sutren. Zen lässt nichts außen vor und
ist nicht einseitig.

D: Ist ein bisschen Journalismus okay?

J: Auch das musst du integrieren, aber auch an einem Punkt anlangen, wo du dich mit dir selbst
konfrontierst und den Sinn dessen erkennst, worüber ich den ganzen Abend sprach. Dann wird auch
dein Sutrenrezitieren nur die Tatsache bestätigen, dass du dich selbst manifestierst. Es nimmt so eine
ganz andere Bedeutung an.

D: Wurden hier schon Sutren ins Englische übersetzt?

J: Da es von keinerlei Bedeutung ist, geht es nicht um eine spezifische Sprache. Bedeutungen
hineinzulesen oder sie übersetzen zu wollen bedeutet, die Mittel nicht zu verstehen, mit denen du dich
selbst manifestieren kannst. Ein Sutra laut und ohne Bedeutung vorzutragen ist eine gute Übung.
Ebenfalls eine gute Zenübung ist, die Stimmen von Tieren mit lauter Stimme nachzuahmen.

Es ist besser, nicht zu verstehen, was man da liest. Wenn du rezitierst: Kan ji zai bo – ohne dass es
eine Bedeutung hat, dann ist es gut. Das Chanten soll den Glauben erzeugen, dass man sich selbst
durch das Sutra manifestiert. Selbst wenn du es nicht völlig verstehst: Ob du eine Mahlzeit zubereitest
oder anderes tust, glaube fest daran, dass du dich dabei genauso offenbarst wie beim Rezitieren von
Sutren.

Auch wenn es wichtig ist, sich selbst zu manifestieren, muss man in der säkularen Welt noch sein
Geld verdienen. Dort beginnt die umfangreichere Zen-Praxis. Man erkennt, dass man mit anderen als
soziales Wesen verbunden ist. Ein Problem der Zen-Praxis ist, dass man dabei von der Welt sozialer
Verantwortung abgeschnitten sein kann. Nun muss man sich in Beziehung zur Welt sozialer Wesen
manifestieren, wobei einige Zenlehren den Gesetzen dieser Welt entgegenzustehen scheinen. Ein
tieferes Verständnis führt dazu, dass es keine Disharmonie zwischen Zen-Ideen und der äußeren Welt
gibt. Da das Selbst (Ego) nicht existiert, kannst du im Einklang mit jeder Situation und mit jeder
Umgebung wirken. Ein Zen-Adept sollte auch die Notwendigkeit für Änderungen in der
Gesellschaft erkennen und kreativ daran mitwirken. Statt sich in eine einsame Klause in den
Bergen zurückzuziehen, sollte er oder sie die Gesellschaft durchkämmen, um ihre Irrtümer
aufzudecken. Darum denke ich, dass die Hippie-Bewegung ihr Gutes hat, denn viele Gewohnheiten
der amerikanischen Gesellschaft verlangen nach einer Änderung. Widerstand um des Widerstands
willen begrüße ich nicht.

B: Denken Sie, dass die Zen-Praxis in Amerika sich verbessern lässt, wenn Schüler verschiedene
Lehrer in Amerika aufsuchen?

J: Das hängt vom Schüler ab und davon, was du mit „verbessern“ meinst. Manchmal wird den
Schülern bei anderen Lehrern sehr vieles klar, und häufig kehren sie dann hierher zurück. Manchmal
erkennen Menschen, die kein Verständnis haben und einem Lehrer zuhören, der ebenfalls nichts
begriffen hat, dass es ihnen beiden an Verständnis mangelt … Ein Schüler der Mittelschule kann nun
mal nicht Philosophie und Psychologie durchschauen. Solange einer nicht tief verwurzelt ist und die
Grundlagen des Zen erfasst hat, könnte ihn das Aufsuchen anderer Lehrer in Verwirrung stürzen.

Wenn ihr vielleicht ein bisschen zwölf Jahre alten Scotch hättet, würde mich das nun beleben.

B: Roshi, wir kommen aus dem Tassajara Zen-Zentrum [San Francisco, unter der damaligen Leitung
von Shunryu Suzuki], um Ihnen Fragen zu stellen. Sollte unsere Einstellung so sein wie in den Sanzen
mit Ihnen?

J: Das macht für mich keinen großen Unterschied. Ich kenne euch nicht gut genug. Womöglich seid
ihr keine Zen-Schüler. Andererseits könnte dies auch einer Konfrontation im Sanzen gleichkommen.
Wie seht ihr es?

B: Dies ist Sanzen.


J: Das ist deine Meinung? Sehr gut. Ich bin sehr nachsichtig mit Menschen, die nicht alles verstehen,
aber bei dir habe ich den Eindruck, dass du ein bisschen Gegenwind verträgst. Ich könnte dich mit
einem Stock schlagen. Ich bin freundlicher zu denen, die ohne Wissen kommen und sich nicht zu
Autoritäten bekennen. Sobald sie Anzeichen einer fortgeschrittenen Stufe in ihrer Rede und ihrer
Haltung zeigen, werde ich harscher.

D: Sag ihm, er kann mit uns gerne ruppig umgehen, obwohl wir Zen nicht verstehen.

J: Heute Nacht will ich meine Hände nicht verletzen. Wenn ich glaube, dass ihr geschlagen werden
müsst, werde ich es aber trotz Schmerzen tun. Wenn ich überzeugt wäre, euch mit ein paar guten
Hieben zu richtig guten Zenschülern zu befördern, würde ich nicht zögern. Ein Schüler hat mal meine
Nase so gepackt …, aber dann tauchte er nie wieder auf. Ah, Roshi hat die Nase des Schülers auch
verdreht.

D: Sind Sie nicht müde, Roshi?

J: Ich schlafe schon die ganze Zeit. Macht euch um irgendeine Müdigkeit in mir keine Gedanken,
mit euch kann ich noch im Dämmerzustand reden.

B: Wollen Sie hier eine eher klösterliche Praxis einführen? Ich meine vierundzwanzig Stunden unter
strengen Klosterregeln.

J: Dies ist ein Zen-Zentrum und jeder ist willkommen … Laien. Man kann hier nicht von einem
Kloster sprechen. Nur während der einwöchigen Sesshin beachten wir eine recht strenge Disziplin.
Wir haben gerade zwischen dem 21. und 28. Dezember eines beendet, mit fünf Sanzen und einem
Teisho (Vortrag) pro Tag. Ich habe mich jeden Tag elf Stunden lang bemüht, die Zenschüler mussten
noch länger sitzen. Dann gibt es noch drei Mahlzeiten und Tee. Weder rasieren wir uns noch baden
wir in dieser Zeit.

D: Wenn ein Schüler mit dem Wunsch zu studieren hierherkommt, gibt es dann in der Nähe
Unterkünfte oder muss er selbst eine Wohnung finden und dann zum Zazen kommen? Wie sieht es mit
der Verpflegung aus? Wie groß ist die Bandbreite der Angebote für Berufstätige bis hin zu
Arbeitslosen?

J: Nur die Mönche wohnen und essen hier, sechs ernsthafte Schüler, die Zen-Priester werden wollen.
Wir haben auch keine Wohnungen von Baugenossenschaften, es fehlt uns an Mitteln, so dass ich viele,
die hier bleiben wollten, wegschicken musste.

D: Darf man auf Stühlen Zazen machen?

J: Anfänger und alte Menschen ja, andere sitzen im halben oder vollen Lotus und sollen sich nicht
bewegen.

B: Beraten Sie die Schüler bezüglich anderer Tätigkeiten außerhalb des Zentrums, betreffs ihrer Arbeit
oder Essgewohnheiten, oder lehren Sie nur Sanzen und das Wesentliche der Praxis?

J: All meine Anstrengung gilt der rechten Zazen-Praxis. Ich will nur Zen lehren und die Zenübung
verbessern. Heute früh kam ein Schüler zu mir, nachdem er einen Disput mit seiner Gattin hatte, und
wollte Rat. Ich schlug lediglich vor, weiter zu streiten bis eine Lösung erreicht wäre.

D: Wird hier vegetarisch gegessen?


J: Während der Sesshin ja, doch sonst haben wir abends Schwein und Huhn. Ich bin nur für das
spirituelle Training zuständig …

[Hier bricht die Vorlage ab].

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