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Abstract
The paper here presented focuses on the commentary of Paolo Fedeli and Ir-
ma Ciccarelli on the fourth book of Horace’s odes, a detailed and thorough
work which turns out to be of great value considering the fact that, probably
because of the presence of political poems, the fourth book of Horace’s odes,
together with the Carmen Saeculare, has so far been one of the least regard-
ed and commented of Horace’s works. Taking the cue from Fedeli’s introduc-
tion, this paper examines some still discussed and often underestimated aspects
of the fourth book of Horace’s odes, such as the architecture of the book, erot-
ic poetry, and most of all the relationship between art and politics in Horace
and in other artists in more recent times.
1 Seine Appendices zu Properz (S. 276 ff.) und Horaz (S. 305 f.) in Sappho und Simonides,
Berlin 1913, gehören bis heute zu dem wichtigsten Abhandlungen zur augusteischen Dich-
tung.
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sammlung beginnen muss. Das vierte Odenbuch – wie noch mehr das
Carmen Saeculare – hat überhaupt weit weniger Aufmerksamkeit er-
fahren als andere Teile des horazischen Werkes. Auch kleinere lemma-
tisierte Einzelkommentare, wie es sie – neben den großen Kommenta-
ren Brinks5 und Watsons6 (Oxford 2003) – etwa zu den Epoden7, den
Episteln8 oder den Satiren9 längst gibt, sind zu letzteren beiden Wer-
ken nicht vorgelegt worden. Und Putnam’s Monographien10 können
kein Ersatz dafür sein, obwohl gerade seine relativ neue Arbeit zum
Carmen Saeculare mit seiner schönen Interpretation des Gedichts
mehr als verdienstlich ist.
Der hier vorliegende Kommentar zum vierten Odenbuch schließt
an eine lange Erfahrung mit der Kommentierung augusteischer Dich-
tung des einen Koautors, Paolo Fedeli, an. F. ist nicht nur inzwischen
der Verfasser der modernen Standardkommentare zum gesamten
Werk des Properz, auch in der Horazkommentierung hatte er vor al-
lem durch seinen Kommentar zu Satiren (der ausführlichste Kom-
mentar bis heute) bereits Wichtiges geleistet, von seinen anderen Ver-
diensten um die Interpretation der augusteischen Dichtung ganz zu
schweigen. Es ist überflüssig, die allbekannten Qualitäten der Arbei-
ten F.s hier auszubreiten, ich habe seine Leistung als Kommentator
anderswo bereits kurz gewürdigt und in einen größeren Kontext ge-
stellt11. Ebenso scheint es mir besonders in diesem Rahmen und ange-
sichts der Sorgfältigkeit und Gediegenheit dieses Werks wenig sinn-
voll, hier eine Liste der Stellen im Einzelkommentar zu geben, wo ich
u.U. eine etwas andere Auffassung vertreten oder anders gewichten
würde. Über das im Kommentar gesammelte Parallelenmaterial hin-
aus wesentlich Neues zu bieten, dazu wäre ich angesichts der Lei-
stung von F.-C. ohnehin kaum in der Lage, und was immer ich zu
12 Neben BECKER vgl. dazu H.-C. GÜNTHER, Die Ästhetik der augusteischen Dichtung, eine
Ästhetik des Verzichts: Überlegungen zum Spätwerk des Horaz, Leiden-Boston 2010.
H.-C. GÜNTHER, Überlegungen zu Horaz im Ausgang von dem Kommentar zum… 617
13 Den Liebesgedichte des vierten Buches räumt Fraenkel nur neun Seiten (S. 410-418) ein.
Den größten Raum nimmt 4,1 in Anspruch; allerdings sagt Fraenkel mit seinen wenigen
Worten immer noch mehr als manche Monographie.
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Es ist freilich nötig, hier etwas weiter auszuholen, und ich muss
zunächst einige allgemeine Gesichtspunkte zu bedenken geben, die
sich aber dann für Horazens viertes Odenbuch auszahlen werden. Die
Anordnung der Gedichte in augusteischen Gedichtbüchern ist ein no-
torisches Problem. Einerseits kann keinerlei Zweifel bestehen, dass
augusteische Gedichtbücher vom Dichter mit Vorbedacht angeordnet
sind, und gewisse allgemein beachtete Grundsätze lassen sich durch-
aus feststellen: zumeist eine dezimale oder zumindest durch fünf teil-
bare Zahl von Gedichten16, Rahmung durch programmatische, aufein-
ander bezogene Anfangs- und Schlussgedichte17 und exakte Zweitei-
lung des Buches, u.U. mit einem zweiten programmatischem Gedicht
zu Beginn der zweiten Hälfte18. Strittig ist immer wieder, wie präzise
sich ein mit voller Absicht vom Dichter erstrebtes Schema festmachen
lässt, und noch mehr die Frage, ob gegebenenfalls numerische Ent-
sprechungen intendiert sind. Vor allem Letzteres wird regelmäßig als
Phantasieprodukt philologischer Überinterpretation abgetan, doch
beweist das erste Properzbuch, wo die von Skutsch (und Courtney19)
nachgewiesene numerische Proportion keinesfalls Zufall sein kann,
dass derartiges in augusteischen Gedichtbüchern vorkommt20.
Ich denke, es ist hilfreich, sich klarzumachen, dass wir bei der Zu-
sammenstellung von Büchern aus mehreren Einheiten mit zwei – sich
teilweise durchaus überlappenden – Verfahrensweisen zu rechnen ha-
ben, die wir beide bei den augusteischen Dichtern finden können. Es
macht einen grundsätzlichen Unterschied, ob Gedichte von Anfang
an mit Blick auf eine größere Struktur geplant sind21 oder zunächst
als Einzelkompositionen verfasste Gedichte später sinnvoll angeord-
16 Echte Ausnahmen sind nur Horazens zweites Satirenbuch (8 Gedichte), die Epoden (17)
und Oden I (38, dazu s. unten). Tibulls zweites Buch (6 Gedichte) ist zweifelsohne unvoll-
ständig erhalten. Properzens zweites und drittes Buch können aufgrund der Überlieferungs-
lage nicht herangezogen werden, zu seinem ersten und vierten Buch s. unten.
17 Besonders deutlich Tibull I; auch Vergils Bucolica oder Horaz, C. 1,1 und 3,30.
18 E.g. Vergils Bucolica oder Horaz, Oden II; im Epos (nach Apollonius’ Vorbild) natürlich
Georgica und die Aeneis.
19 S. SKUTSCH, The Structure of the Propertian Monobiblos, «CPh» 58, 1963, S. 238 f.;
E. COURTNEY, The Structure of Propertius Book I and Some Textual Consequences, «Phoe-
nix» 22, 1968, S. 250 ff.
20 Vgl. dazu meine Quaestiones Propertianae, Leiden – New York – Köln 1997, S. 133 ff.
21 Dies gilt m.E. für das Elegienbuch des Tibull und des Properz (abgesehen vielleicht von
seinem vierten).
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net werden. Nun mag es durchaus sein, dass ein Dichter, sobald er es
ins Auge fasste, zunächst selbständig verfasste Gedichte in einem
Buch sinnvoll anzuordnen, weitere Gedichte schreibt, die eben dem
Zweck dienen, sich mit den bereits verfassten zu einem sinnvollen
Buchganzen zusammenzuschließen. Zumindest das Einleitungs-, zu-
meist auch das Schlussgedicht werden in der Regel so entstanden sein.
Zudem mögen Gedichte auch durchaus für die Publikation im Buch-
ganzen überarbeitet werden, um irgendwelchen Ansprüchen der
Buchstruktur besser zu genügen.
Ein gutes Beispiel für die möglichen Resultate einer solchen Vor-
gehensweise ist die erste Odensammlung des Horaz. Sie besteht ganz
offenkundig aus einer großen Zahl von über viele Jahre hin einzeln
verfassten Gedichten (zumindest wohl von 34 v. Chr. bis 23 v. Chr.22).
Die Zahl war zu groß, um in einem Buche Platz zu finden. Es ist nur
allzu offenkundig, dass besonders Buch II, bis zu einem gewissen
Grade auch Buch III eine kohärentere Struktur als I besitzt23. Buch
III weißt immerhin noch eine Dezimalzahl von Gedichten (30) auf
und besitzt einen klar als solchen gekennzeichneten Einleitungszyklus
sowie ein eigens für diesen Zweck verfasstes Schlussgedicht (in Bezug
freilich zum Eröffnungsgedicht der gesamten Sammlung). 3,16 (Mae-
cenas gewidmet) könnte man Eröffnungsgedicht einer zweiten Hälfte
betrachten.
Es ist längst nachgewiesen, dass die Gedichte des ersten Buches in
der Regel älter sind als die des zweiten und dritten24. Insbesondere
diejenigen des zweiten dürften angesichts ihrer relativ großen thema-
tischen Einheitlichkeit zum guten Teil ungefähr in denselben Zeit-
raum gehören. Es scheint so gewesen zu sein, dass Horaz zu einem
bestimmten Zeitpunkt begann, bei der Abfassung von so manchem
Gedicht bereits an den Platz des Gedichtes in einem bestimmten
Buch, d.h. besonders Buch II, aber auch III zu denken. Selbstver-
ständlich wurden dabei auch ältere passende Gedichte integriert,
bzw. Horaz verfasste Gedichte, die älteres Material sinnvoll im Buch-
ganzen unterbringen konnten. Ziemlich deutlich hat dies ja bereits
22 S. N.-H. zu Buch I (1970) S. xxvii ff. und NISBET in: S. HARRISON (ed.), The Cambridge
Companion to Horace, Cambridge 2007, S. 12-14.
23 Das Wichtigste in N.-H. zu Buch II (1978) S. 5 f. und N.-R., S. xxviii zu Buch III.
24 S. N.-H. (1970) xxviii. G.O. HUTCHINSONs The Publication and Individuality of Hora-
ce’s Odes Books 1-3, «CQ» 52, 2002, S. 517 ff.) weiter reichende Hypothese lehnen N.-R.
und NISBET (in HARRISON, The Cambridge Companion cit.S. 13 f.) zu Recht ab.
H.-C. GÜNTHER, Überlegungen zu Horaz im Ausgang von dem Kommentar zum… 621
25 Wiederabgedruckt in R. HEINZE, Vom Geist des Römertums, Darmstadt 1960, S. 190 ff.;
vgl. auch SYNDIKUS, op. cit. II S. 3 ff. und id. in: G. DAVIS, A Companion to Horace, Oxford
2010, S. 193 ff.
26 Die Frage, ob 1,38 nur durch seine Stellung am Buchende programmatische Bedeutung
erhält oder nicht, ist heiß umstritten. Ich würde denken, man kann vielleicht sagen: es erhält
dadurch eine gewisse programmatische Bedeutung, dass die Schlusserwartung auf eine pro-
grammatische Aussage ostentativ durch dieses kurze und unscheinbare Gedicht frustriert
wird.
27 Die sog. Paradeoden, dazu M. LOWRIE, A Parade of Lyric Predecessors: Horace C. 1.12-
1.18, «Phoenix» 49, 1995, S. 33-48.
28 Zum Konsulat des Adressaten, L. Sestius, s. N.-H. (1970), S. xxxvi und 68.
29 S. SYNDIKUS, op. cit., I, S. 80 f.
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30 Zählt man die Paradeoden (1-9) als Einheit, die quasi einem Gedicht entspricht, so erhält
man in Buch I übrigens eine Zahl von 30 Einheiten. Ich vermute, das ist von Horaz so ge-
wollt.
31 Abweichend von F. sehe ich das Verfahren des Einleitungszyklusses auch im vierten Pro-
perzbuch. M.E. entspricht nicht Prop. 4,1 als ganzes C. 4,1; nein: Prop. 4,1A und B entspre-
chen C. 4,1 und 2. Mit der Teilung von Prop. 4,1 enthält das vierte Properzbuch zumindest
eine Zahl von 12 Gedichten statt der äußerst seltsamen Elfzahl. Prop. 4,6 ist dann nicht,
wie F. annimmt, die Mitte, sondern die Einleitung zur zweiten Hälfte. Vgl. GÜNTHER in:
H.C. GÜNTHER (ed.), Brill’s Companion to Propertius, Leiden – Boston 2006, S. 354 ff. Ich
bleibe bei meiner Ansicht, dass Jachmann mit seiner Teilung nach V. 66 Recht hat.
32 Ich akzeptiere somit nicht die Mittelposition von C. 4,8; nicht 4,8, eher das wesentlich
umfangreichere Gedicht 4,9 steht an hervorgehobener Stelle, s.u.
H.-C. GÜNTHER, Überlegungen zu Horaz im Ausgang von dem Kommentar zum… 623
33 Bei den Römeroden findet sich durchaus Vergleichbares; in der ersten Hälfte stehen zwei
im Umfang ganz unterschiedliche, aber doch deutlich längere Gedichte um ein kurzes Ge-
dicht in der Mitte: 48 : 32 : 72. Das lange Schlussgedicht der ersten Hälfte trifft auf das noch
längere Einleitungsgedicht des zweiten Teils, der in absteigender Reihe verläuft: 80 : 56 : 48.
Die extakte Symmetrie 3,1/ 6 dürfte gewollt sein. 3,1 ist mit Rücksicht auf 3,6 verfasst.
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38 Ich knüpfe an das an, was ich in dem in Die Ästhetik cit. (besonders S. 142 ff.) ausgeführt
habe.
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ohne daß man dabei aufgehört hätte, den Dichtern des Altertums ein
Recht auf eine Haltung zuzubilligen, um derentwillen man geneigt
schien, den Neueren scheel anzusehen. Wohin hätte man auch kom-
men sollen, wenn man aus der ohnehin spärlichen dichterischen
Überlieferung der Griechen und Lateiner alles hätte verbannen wol-
len, das irgendwie nach Politik schmeckte. Wir lassen diesen Mangel
an Folgerichtigkeit auf sich beruhen. Die Geschichte wimmelt von
Beispielen ähnlich widerspruchsvoller Verfahren»39. Heute wird man
sagen müssen, dass man begonnen hat, – folgerichtigerweise – auch
den Augusteern das Recht auf einen politischen Standpunkt zu be-
streiten. Selbst wer sich nicht zu der absurden und indiskutablen An-
nahme einer Art von Kryptodissidententum versteigt, tut die politi-
sche Dichtung etwa des Horaz als ohne innere Beteiligung geschrie-
bene Pflichtübung ab oder behauptet rundweg, dass die Frage nach
der politischen Einstellung des Dichters nicht zu beantworten oder
überhaupt irrelevant sei. Seltsamerweise sind dann derartige Behaup-
tungen doch immer wieder von mehr oder weniger expliziter Kritik
oder einer Beurteilung der politischen Dichtung Horazens von einem
überlegenen Standpunkt aus begleitet.
Es ist kein Zufall, wenn F. in seiner Diskussion zumeist angelsäch-
sische Forschung erwähnt. Dabei tritt nicht deutlich genug heraus,
dass die – heute kaum noch recht ernst genommene – Position Fraen-
kels so anders ist, weil Fraenkel einem völlig anderen Milieu ent-
stammte. Fraenkel mit seiner Hochschätzung der patriotischen Lyrik
des vierten Odenbuches schließt sich nahtlos und explizit an die von
Wilamowitz in seiner Appendix zu Sappho und Simonides vertretene
Einschätzung des vierten Odenbuches an40. Letztere ordnet sich naht-
los in die Tradition der deutschen Forschung des zweiten Kaiserrei-
ches und der unmittelbaren Folgezeit ein, einer Forschung, die von
Personen einer intellektuellen Elite getragen wurde, für die national-
staatliche Werte des neunzehnten Jahrhunderts eine Selbstverständ-
lichkeit waren. Zwar ist der erste Weltkrieg und die damit einherge-
hende geistig-moralische Krise an Intellektuellen des Niveaus von Wi-
lamowitz, Fraenkel oder auch anderen keineswegs spurlos vorüberge-
gangen, wie eine simplizistische moderne Beurteilung oft zu implizie-
ren scheint, doch muss man sich klarmachen, dass die geistigen Vor-
39 Wieder abgedruckt in: H. OPPERMANN (ed.), Wege zu Horaz, Darmstadt 1972, S. 37 ff.
40 Ich habe die betreffenden Äußerungen von Wilamowitz in Die Ästhetik cit., S. 155 zitiert.
H.-C. GÜNTHER, Überlegungen zu Horaz im Ausgang von dem Kommentar zum… 627
41 Fraenkels Bild der römischen Kultur ist von Überzeugungen geprägt, wie sie etwa in
Heinzes Rektoratsrede (abgedruckt in HEINZE, Vom Geist cit., S. 9 ff.) zum Ausdruck kom-
men. Wer zu einem differenzierten Verständnis von Heinzes Schlussworten bereit und in der
Lage ist, wird unschwer erkennen, dass sie nichts mit der Vereinnahmung der Antike durch
machtbesessene Diktatoren und Imperialisten zu tun haben, sie bedeuten genau das Gegen-
teil. Wie sie auch weit von der billigen Pseudohumanismus unserer Tage entfernt sind, der
die Antike immer noch zum Modell der modernen Pseudoaufklärung und Liberalität macht.
Wer diesen “Diskurs” kennt, kann Heinze um sein lebendiges Verständnis der Antike und
des Römischen nur beneiden. Fraenkel jedenfalls hatte eine einzigartige Sensibilität, Hora-
zens politische Überzeugungen und Befindlichkeit zu verstehen. Fraenkel hat – in einer
durchaus dem Lebensweg Horazens vergleichbaren Weise – das Scheitern seiner tief emp-
fundenen politischen Überzeugungen erleben müssen, und zwar so, dass er plötzlich inner-
halb der Gemeinschaft, zu der er gehörte und gehören wollte, zum Außenseiter wurde, ein
Außenseiter, der Horaz von seiner Herkunft her immer war. Wer die Befindlichkeit der jü-
dischen Gelehrten, die vor dem Weltkrieg aus Deutschland vertrieben wurden, verstehen
will, kann einiges in E. MENSCHINGs Nugae zur Philologiegeschtichte, Berlin 1990-2004,
oder, noch besser, in F. LEOs Kriegerinnerungen an 1870-71, Berlin 1914, lesen.
628 Paideia LXVI (2011)
45 So Walter JENS in: W. JENS, W. VITZTHUM, Dichter und Staat: über Geist und Macht in
Deutschland, Berlin-New York 1991.
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46 S. H.-C. GÜNTHER, Giorgos Seferis: Ein Dichter der griechischen Gegenwart und Vergan-
genheit, Würzburg 2003 und (mit A. KERKHECKER), Der Dichter Konstantinos Kavafis,
Neuhausen 2008.
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tiert und belastet, dass er kaum noch etwas sagt. Ich würde vorschla-
gen, im Bezug auf politische Dichtung einfach davon zu reden, ob
letztere die politische Überzeugung eines Dichters widerspiegelt oder
nicht. Und diese Frage ist ohne jeden Zweifel von Belang; das zeigt
sich schon daran, dass die Gründe für die Geringschätzung von Hora-
zens politischer Dichtung eben auf Annahmen beruhen wie entweder
der, er habe sich ohne echte Überzeugung an ein politisches Regime
verkauft hat, oder etwa, er habe dummerweise an das falsche Regime
geglaubt, oder er hatte nicht genug Zivilcourage, dem Druck von oben
zu widerstehen. Und auch N.-H. fällen, obwohl sie “sincerity” für ir-
relevant erklären, Negativurteile über politische Gedichte Horazens
mit Begründungen, die letztlich darauf hinauslaufen, Horaz für poli-
tisch naiv, undifferenziert, nicht unabhängig, also servil zu halten.
Um hier weiterzukommen, ist es wichtig, sich klar zu machen, in
welcher Hinsicht die Frage der persönlichen Überzeugung des Dicht-
ers uns interessiert. Nun, einer der größten Panegyriker der europäi-
schen Dichtung, Vincenzo Monti, hat sich schon zu Lebzeiten den
Vorwurf gefallen lassen müssen, er habe sich allzu leicht jedem Gön-
ner bzw. jedem Regime angeboten und so der Reihe nach für höchst
antagonistischste politische Zwecke hochstilisierte Dichtung ohne in-
nere Anteilnahme und somit ohne echten Gehalt verfasst. Und dieses
Odium haftet ihm bis heute an und hat ihn fast völlig in Vergessenheit
geraten lassen. Freilich hat Leopardi, dessen Urteil zu dieser Entwick-
lung wesentlich beigetragen hat, mit seinem berühmten Diktum,
Monti sei eher ein Dichter des Ohrs und der Vorstellung als des Her-
zens50 eher eine treffende Beschreibung von Montis dichterischer Ei-
genart gegeben, als ein negatives Qualitätsurteil gefällt. Monti kann
man tatsächlich nur goutieren, wenn man einen Sinn entwickelt für ei-
ne Dichtung, die keinerlei Gehalt aufweist, der für irgendeinen Rezi-
pienten je von Relevanz sein wird bzw. ihn je irgendeine innere An-
teilnahme empfinden lassen kann, außer für denjenigen, für den sie
verfasst wurde; und das, obwohl diese Dichtung in ihrer hochstilisier-
ten Art eben vorgibt, einen hoch bedeutenden Inhalt zu haben.
Entweder man hat für diese Ästhetik, diese bloß implizite, nie ex-
plizite Inkongruenz zwischen Form und Gehalt einen Sinn, oder man
geht an Monti vorbei – wie heute die meisten. Nimmt man dagegen
engagierte Dichtung etwa eines Byron oder Petöfi, dann mag selbst
den der politischen Sache des betreffenden Dichters ganz Fernstehen-
den immer noch das intensive emotionale Engagement des Dichters
berühren, wenn er nicht überhaupt für die in dieser Dichtung auf-
scheinenden Ideale jenseits ihrer konkreten geschichtlichen Ausfor-
mung Sympathie oder Bewunderung empfindet. Ob Horaz an die von
ihm in seinen politischen Gedichten verkündeten Ideale geglaubt hat
oder nicht, ist somit sehr wohl von Belang, und dass ein Mann mit
Horazens Biographie keine Dichtung im Stile Montis geschrieben hat,
versteht sich eigentlich von selbst. Nicht zuletzt bestätigt es auch die
Rezeption: Montis Werk verweigert sich politischer Vereinnahmung
und dem politischen Missbrauch durch Folgegenerationen genauso
wie romantischem Publikumsgeschmack.
Es geht also nicht darum, ob ein Dichter ein guter Mensch ist,
oder zunächst nicht einmal darum, ob er eine differenzierte, durch-
dachte oder gar persönlich-individuelle Haltung in seiner Dichtung
verrät. Es ist eher gleichgültig, ob Horaz in seiner Dichtung eine de-
zidiert persönliche Meinung zum Ausdruck bringt oder einfach ein
Propagandist eines Regimes ist. Es geht nicht darum, Fraenkel gegen
Syme auszuspielen oder umgekehrt. Horaz gegen den Vorwurf des
staatlichen Propagandisten zu verteidigen, wie Brink es tut, ist ebenso
überflüssig, wie es mehr als billig ist, ihn, sofern er Parteigänger des
Regimes war, als schlechten Menschen und seine Dichtung, sofern sie
politisch ist, als nolens volens geleisteten Tribut minderer Qualität ab-
zutun. Wer da eines besseren belehrt werden muss, sollte einmal Hor-
azens Carmen Saeculare oder die Augustuspanegyrik mit auf besagte
Weise abgepressten Tributen vergleichen: gleichgültig wie man die
Qualität dieses Gedichtes einschätzt, dass Horaz auf die Ausarbeitung
nicht weniger Mühe verwendet hat als auf den Rest der Odendich-
tung, haben nicht zuletzt Putnam und Barchiesi in neuerer Zeit ge-
zeigt. Man stelle dann die Olympische Hymne von Richard Strauss
für 1934 daneben; kaum jemand wird behaupten, dass der bekennen-
de gelangweilte Sportverächter auf diese Partitur auch nur annähernd
dieselbe Mühe verwendet hat wie auf seine anderen Kompositionen.
Syme freilich ist an den Irrungen derjenigen, die unter Bezug auf
sein Buch die augusteischen Dichter schlechtgemacht oder unnötig
reinzuwaschen versucht haben, unschuldig. Im Gegenteil, Syme hat
ohne Zweifel Recht: Augustus war ein rücksichtsloser Machtpolitiker,
der wenn überhaupt nur wenige Skrupel kannte; das würde ich schon
H.-C. GÜNTHER, Überlegungen zu Horaz im Ausgang von dem Kommentar zum… 637
52 Der Stilwandel von den futuristischen Anfängen im Stile der ROSTA-Plakate zum stali-
nistischen Klassizismus lässt sich in der sowjetischen Plakatkunst auf einer äußerst nützli-
chen Internetseite (www.russianposter.ru), wo man die Plakate in chronologischer Reihenfol-
ge nach Jahren geordnet durchsehen kann. Schlägt man die Künstlerliste nach, kann man zu-
dem nachvollziehen, wie derselbe Künstler seinen Stil zur rechten Zeit umstellt (ein gutes
Beispiel ist etwa einer der Begründer der sowjetischen Plakatkunst, V. N. Deni(sov), dem
selbst in den 40er Jahren immerhin noch witzige Plakate gelangen, die Qualität seiner Ar-
beiten aus den 20er Jahren sucht man allerdings vergebens).
H.-C. GÜNTHER, Überlegungen zu Horaz im Ausgang von dem Kommentar zum… 639
53 Um diese Autonomie der Dichtung, der Kunst bei Monti, die völlige Emanzipation des
Inhalts von der Form zu verstehen, könnte man ein Beispiel aus der Musik heranziehen und
etwa an Bachs weltliche Kantaten zu höfischen Anlässen denken. Die Musik dazu war Bach
immerhin gut genug, um sie in den Parodien im Weihnachtsoratorium oder der Mat-
thäuspassion zu verwenden. Die Musik ist dabei gegenüber dem unterlegten Text so “auto-
nom”, dass Bach z. B. die Musik zu Durch die vom Eifer entflammten Waffen (aus Preise
dein Glücke, gesegnetes Sachsen, BWV 215, zur Krönung Augusts III zum König von Polen
im Jahre 1734) für die Arie Erleucht auch meine finsteren Sinne im Weihnachtsoratorium
verwenden konnte. Hitler allerdings lies zu seinem Geburtstag nicht BWV 215, sondern
Beethovens neunte Symphonie aufführen.
640 Paideia LXVI (2011)
Autonomie bewusst auf, stellt sich als Künstler in den Dienst einer
Sache, und wenn er dies tut, dann fordert er den Rezipienten selbst
dazu auf, diese Sache für bedeutender zu halten als seine Kunst, und
so wurde die Dichtung Horazens entweder vereinnahmt54 oder, von
demjenigen, der ihre politischen Inhalte nicht mag, abgelehnt – dieje-
nige Montis nur von demjenigen, der Dichtung ohne großen Inhalt
hohl findet und es bedauert, dass er nicht mehr von seinem Herz hin-
ein gegeben hat, weil er einer Ästhetik anhängt, die emotionales En-
gagement von einem Künstler fordert. Manch einer macht sich das
freilich nicht klar und verurteilt die Dichtung von Horaz und Monti
gleichermaßen, weil er sie für schlechte Menschen hält. Die Auffas-
sung, ein guter Dichter müsse ein guter Mensch sein, kann man natür-
lich vertreten, ich bezweifle allerdings, dass viele von Horazens Kriti-
kern diese platonische Ansicht ernsthaft bis in die letzte Konsequenz
vertreten wollen. Ich meinerseits habe für Horazens Ansicht mehr
übrig, dass seine künstlerische Betätigung dem Dichter zumindest ei-
ne Chance gibt, ein nicht ganz so schlechter Mensch zu sein, wie er es
sonst wäre.
Jedenfalls, das Konzept einer Autonomie von Kunst ist eine kom-
plexere Sache, als es zunächst scheint. In einem Kontext, wo Kunst,
wie in der griechischen Antike, zunächst wie selbstverständlich eine
gesellschaftliche Funktion hat, stellt sich diese Frage explizit zunächst
gar nicht. Freilich konnte sich in einer bestimmten geschichtlichen Si-
tuation und in einem besonderen Ambiente, wie es der Ptolemäerhof
bot, eine ganz besondere Sensibilität dafür entwickeln, dass Kunst ih-
re ganz eigenen Gesetze hat und etwas ist, das vorzüglich um seiner
selbst willen, in seinem eigenen Recht der Aufmerksamkeit wert ist55.
Solange Kunst freilich auf diese förderlichen Bedingungen trifft, wo
sie wie selbstverständlich in ihrem Wert als solche anerkannt wird,
stellt sich die Frage der Autonomie nicht. Andererseits ist selbstver-
ständlich auch dort, wo Kunst vorzüglich im Rahmen ihrer gesell-
54 Bekanntermaßen lässt sich engagierte Dichtung auch, so spezifisch zeitgebunden sie sein
mag, in analogen geschichtlichen Situationen wiederverwenden; Schönberg hat z.B. im zwei-
ten Weltkrieg Byron’s Ode an Napoleon vertont.
55 Die besonderen Bedingungen am Ptolemäerhof, welche die Entstehung der alexandrini-
schen Dichtung ermöglichten, hat A. KERKHECKER in seinem Aufsatz Mouséwn ™n talár¨
– Dichter und Dichtung am Ptolemäerhof, «A&A» 43, 1997, S. 124-144 herausgearbeitet. Er
leistet zugleich einen wichtigen Beitrag zu einem differenzierten Umgang mit den oft mis-
sbrauchten Terminus “Hofdichtung”.
H.-C. GÜNTHER, Überlegungen zu Horaz im Ausgang von dem Kommentar zum… 641
57 S. H.-C. GÜNTHER, Pindar, Kallimachos und Horaz: (Hor. C. IV 2), «SIFC» 17 (serie 3),
1999, S. 143 ff.; Die Ästhetik cit., S. 26 ff.
H.-C. GÜNTHER, Überlegungen zu Horaz im Ausgang von dem Kommentar zum… 643
Lebemann des “Wein, Weib und Gesang” hinein und wundern uns
dann, warum es auch politische Gedichte gibt? Warum lesen wir nicht
in Horazens carpe-diem auch den Horaz der Römeroden hinein? Der
“Epikureer” Horaz, der Dichter des carpe-diem ist nicht nur eine allzu
grobe Verkürzung, ist nicht nur weniger als der halbe Horaz: wer Hor-
azens politische Dichtung nicht ernst nimmt oder nicht versteht, ver-
steht von seinem carpe-diem auch herzlich wenig.
Die Antithese “öffentlich vs. privat” ist gerade für die Augustusge-
dichte des vierten Buches bedeutsam. 4,2 ist eines der am meisten mis-
sverstandenen Horazgedichte. Verführt wurde man durch die Notiz
Suetons, die für die Interpretation nichts hergibt59 . Das Gedicht
spricht nirgends davon, dass irgendjemand Horaz dazu aufgefordert
habe, über Augustus zu dichten. Das Gegenteil ist der Fall: Horaz
spricht davon wie er über Augustus dichten will und wie nicht. Er
spricht von seinen Schwierigkeiten als Dichter oder seinen Grenzen
und von seinen Fähigkeiten. Er entwickelt diesen Gedanken in Aus-
einandersetzung mit einem Gegenüber, dem er andere dichterische
Fähigkeiten attestiert. Referenzpunkt ist die Dichtung Pindars, d.h.
der Dichter, der für panegyrische Lyrik zuständig ist und den Horaz
in der ersten Odensammlung prominent rezipiert hat. Horaz spricht
von der Schwierigkeit, pindarisch zu dichten; es Pindar gleichzutun
(aemulari), das ist unmöglich. Weder will er das tun, noch rät er es
Iullus an. Freilich, er distanziert sich in einem, in dem wesentlichen
Punkt deutlicher von Pindar, als er es Iullus zubilligt: Pindars Dich-
tung ist bei weitem zu groß für Horaz, Iullus ist schon etwas mehr
Fähigkeit zu erhabener Dichtung zuzutrauen.
Allerdings, sich an Pindar irgendwie zu orientieren, das hat Horaz
nicht als unmöglich abgetan. Das wäre auch abwegig, er selbst hat ja
pindarisierende Dichtung bereits geschaffen. Und dass er einst – zu-
mindest manchmal – gar hoch hinauswollte, das hat Horaz in einem
programmatischen Schlussgedicht, 2,20, selbst zugegeben. 4,2 klingt
unmissverständlich daran an. Das muss man im Hinterkopf behalten.
In 4,2 geht es um zwei Dinge: Horaz sagt, 1) pindarisch zu dichten ist
schwierig, besonders mit Pindar hinsichtlich Erhabenheit als Panegy-
riker zu konkurrieren, ist sehr heikel, schier unmöglich. Daraus folgt:
2) Horaz will über Augustus keine Panegyrik mit dem Anspruch pin-
darischer Erhabenheit schreiben, sondern anders, und zwar so, wie es
gleichzutun, das wollen sie nicht; sie geben sich ganz explizit als
Schaustücke, sozusagen als “Etüden” im Stile Pindars – nicht mehr
Czernyetüden wie epod. 10, viel eher Chopin- oder Godowskyetü-
den. Der sich seiner Andersartigkeit voll bewusst gewordene Dichter
kann sich jetzt ganz frei auf eine Pindaradaption seiner Art einlassen.
Pindaradaption taugt aber nicht mehr zum Ausdruck eines existentiell
gefühlten Inhalts, der jetzt ein anderer ist als noch in den Römeroden.
Jetzt hat Horaz eine neue Form gefunden. Vorgeprägt ist sie in
C. 3,1460. Augustus ist der Garant des privaten Glücks des Dichters.
Das ist ein anderes Verhältnis zwischen Dichter und Herrsche als das-
jenige in 3,4. Es scheint zunächst viel bescheidener: der Horaz von 4,5
und 4,15 ist nur noch einer von vielen. Aber hinter dieser Beschei-
denheit steckt mehr.
In 3,4 trafen sich Dichter und Herrscher im überweltlichen Be-
reich des Musischen; der von den Musen begnadete Dichter Horaz
trifft auf den Herrscher als Garanten der göttlichen Ordnung. In 4,5
und 4,15 trifft der Privatmann, der Mensch Horaz den Herrscher.
Dieser Privatmann maßt sich keine Sonderrolle an, aber er hat sie
doch, denn wer anderer als der Dichter könnte dieses “private” Ver-
hältnis von Bürger und Herrscher dem Herrscher gegenüber zum
Ausdruck bringen. Und der Augustus des vierten Odenbuches, er ist
nicht mehr nur der Garant des nur privaten Glücks des Dichters al-
lein, er ist Garant des privaten Glücks eines jeden römischen Bürgers,
des Glücks des Ganzen. Der Dichter Horaz besitzt das Privileg, als
Privatmann von diesem Glück zum Herrscher sprechen, und er besitz
es in besonderem Maße.
Die Augustusgedichte des vierten Odenbuches sprechen mit einer
Wärme, die zum Persönlichsten gehört, was Horaz in seiner Dichtung
hat ausdrücken wollen. Fast noch mehr als die Liebesdichtung des
vierten Odenbuches gehen sie weit über das hinaus, was Horaz sich in
der ersten Odensammlung an persönlichem Gefühlsausdruck erlaubt
hätte. Horaz stand Augustus wie kein anderer Dichter persönlich na-
he; C. 4,5 und 15, und noch mehr die Augustusepistel, sind Ausdruck
einer höchst ungewöhnlichen menschlichen Beziehung zwischen zwei
Personen über eine ungeheure soziale Kluft hinweg. Wer diese Bezie-
hung in das Schema vorgegebener sozialer Institutionen pressen will,
verfehlt sie, mehr noch als er ohnehin jede echte menschliche Bezie-
als jemanden aus, der schon mit 40 für die Liebe zu alt ist. Vor allem
aber übernimmt er in 1,23 und 2,5 die anakreontische Rolle des um
die Liebe eines zu jungen Mädchens werbenden Liebhabers. In 2,5
spricht er im Vorbeigehen auch tatsächlich, und jetzt nicht ironisch
wie in 2,4, direkt davon, er spricht davon, dass er sein Alter fühlt, ge-
rade im Vergleich mit dem jungen Mädchen, um das er wirbt. Und die
Pose, die Horaz in 1,5 einnimmt, lehnt sich deutlich an ein Epigramm
Philodems (AP 5,112) an, wo die renuntiatio amoris durchaus mit
dem fortgerückten Alter des Sprechers verbunden ist.
Völlig neu ist dieses Motiv bei Horaz somit nicht. Und in 4,10
nimmt Horaz ja auch das Motiv der gealterten Frau, die ihre Jahre im
Spiegel sieht, auf und wendet es auf den Mann an. Den Spiegel finden
wir auch im Grabepigramm der gealterten Prostituierten, die ihren
Spiegel im Tempel aufhängt, um ihrem Gewerbe Adieu zu sagen (AP
6,1). Horazens Liebesdichtung ist bereits in der ersten Odensamm-
lung implizit die des gealterten Mannes; dies scheint mir einer der be-
zeichnendsten Züge von Horazens Liebesdichtung zu sein. Das Al-
tersmotiv kommt somit in Buch IV nicht unvermittelt. Unvermittelt
ist nur die Tatsache, dass es in allen vier Liebesgedichten, 4,1, 10, 11
und 13, so explizit, geradezu plakativ ausgesprochen wird. Aber diese
Explizitheit und Direktheit des Gefühlt, das ist es, was die Liebes-
dichtung des vierten Odenbuches auszeichnet. So rekurriert Horaz ja
auch nur hier, in 4,1 und 13, explizit und mit verhaltener Wehmut auf
persönliche Erfahrung, auf die sonst nur in den Episteln mit demsel-
ben Hauch einer von Horaz sonst dezidiert vermiedenen Sentimenta-
lität erwähnte Cinara. Und 4,13 gibt den Eindruck, dass auch die be-
reits in C. 3,10 erwähnte Lyce einer realen Person in Horazens Leben
entspricht; in 3,10 würde man das nicht vermuten.
In der ersten Odensammlung war die Liebe des reifen Mannes im-
mer auch die Liebe des Lebensklugen, die Liebe, die auf große Ge-
fühle verzichtet. Das ist die programmatische Überraschung von 4,1:
der alte Mann, explizit alt wie nie zuvor, bekennt sich zu leiden-
schaftlicher Liebe, bekennt sich dazu, eine Liebe, die den Elegiker, der
bisher Horazens Gegenbild war, fast überbietet und die dazu noch ge-
nau im falschen Alter kommt – und überraschenderweise ist es in 4,1
dann auch noch die Liebe zu einem Knaben. Homoerotische Liebe
spielte bisher eine eher marginale Rolle61 . Die Liebesdichtung des
61 Was die sexuelle Orientierung Horazens und anderer augusteischer Dichter anbelangt,
denke ich, man sollte die Evidenz für das nehmen, was sie ist: Wenn Properz nur von he-
H.-C. GÜNTHER, Überlegungen zu Horaz im Ausgang von dem Kommentar zum… 651
terosexueller Liebe spricht, Horaz und Tibull dagegen auch von homoerotischer, dann dürf-
ten die beiden letzeren bisexuell gewesen sein, wobei gerade bei Horaz ganz offenkundig die
Präferenz zum Heterosexuellen ging. Dabei kann man es bewenden lassen.
62 R. NISBET in HARRISONs Cambrige Companion cit., S. 21. Nisbet meint auch, Horace sei
«hedonistic to an extent that his modern admirers are reluctant to admit». Wirklich? Ich le-
se nur immer wieder, wie hedonistisch er gewesen sein soll, habe aber mehr und mehr das
Gefühl, dass nicht nur die Bewohner unserer modernen Spaßgesellschaft viel hedonistischer
sind (bzw. etwas ganz anderes darunter verstehen) als Horaz, sondern wahrscheinlich auch
ich selbst. Ich glaube eher, Jasper GRIFFIN trifft mit seiner Bemerkung den Nagel auf den
Kopf: «The private life of the Latin love poets [und dasjenige von Horaz auch] will have
borne little resembance to that of a modern scholar» (Latin Poets and Roman Life, London
1995, S. 17) – im Guten wie im Bösen.
652 Paideia LXVI (2011)
63 Hans Peter Syndikus weist mich brieflich zu Recht darauf hin, dass man Vergleichbares in
der Antike allenfalls bei – Horazens Vorbild – Sappho findet. Aber Sappho versteht man
heute genauso wenig wie Horaz; allerdings gibt es dazu immerhin die großartige Monogra-
phie von D. PAGE, Sappho and Alcaeus, Oxford 1955, über die noch niemand hinausgekom-
men ist. Es geht weder darum, ob Sappho ein Mädchenpensionat leitete oder eher an Kaffe-
kränzchen emanzipierter Damen teilnahm, noch wie ihre Beziehungen zu den in ihren Ge-
dichten auftauchenden Frauen überhaupt konkret in der Wirklichkeit aussahen. Bemerkens-
wert ist, dass Sappho – ganz im Gegensatz zu dem, was man sonst aus der Antike gewohnt
ist – eine ungeheuer starke und eindeutig erotische emotionale Intensität zum Ausdruck
bringt, ohne je unmissverständlich erotische Handlungen zu beschreiben.
H.-C. GÜNTHER, Überlegungen zu Horaz im Ausgang von dem Kommentar zum… 653
Abstract
The commentary on Horace’s fourth book of Odes by Paolo Fedeli and Ir-
ma Ciccarelli will be welcomed by all students of Horatian lyric for the
amplitude of its coverage and for the balance of its judgment in the many
and varied issues which confront commentators. The only serious criticism
to be advanced in the following pages is that amplitude comes at a price
which a wider scholarly readership may not be so ready to pay. Annotation
is not presented in the traditional form of the lemmatized commentary,
but in a more discursive format which makes rapid consultation for any
particular word or phrase difficult. Technical discussion of syntax or lexical
usage is often dismembered, rather than covered comprehensively in one
place, and once and for all; the index does not always help in the recovery
of valuable discussion of such matters. On balance however the funds of
learning poured out in abundance upon this once neglected book of poems
will amply repay the effort required by the reader.
that authors keep in view the appropriate goals and guidelines). But
without such more or less well defined target audiences whose needs
are always to be kept in view, most commentators are left to deter-
mine for themselves just what the scope of the work is to be. So the
place to start before studying the commentary of Paolo Fedeli and Ir-
ma Ciccarelli on the fourth book of Horace’s odes is Fedeli’s review
essay on R.G.M. NISBET, Niall RUDD, A Commentary on Horace:
Odes. Book III, Oxford 2004 in «ExClass» 13, 2009, pp. 11-26, in
which he sketches his own ideal of the commentator’s task.
Much as Fedeli appreciates the profound learning of Nisbet-Rudd,
he expressed regret at the lack of sustained literary interpretation
(pp. 21-25), and so he focused by way of example on their treatment
of the Bandusian spring ode (carm. 3,13). He missed any reference to
a symbolic interpretation of the immortal spring, and offered the sort
of “reading” he would like a commentator to provide, on pp. 23-24.
Now, before discussing his own interpretation, let us step back from
this enunciation of the ideal, and look instead at the practicalities of
commenting in this “maximal” way.
The primary consideration is scale: Nisbet-Rudd’s book is 389
pages long, whereas Fedeli-Ciccarelli’s commentary on the fourth
book stretches to 706 pages (actually the size of the type is different,
the Italian volume being the more comfortable to read). It is also to
be remembered that there are fifteen poems in Book IV of the odes,
half as many as there are in the third book. A further consideration is
that the poems in the first three books of lyrics have probably at-
tracted a larger amount of interpretation than those in the last book,
and that interpretation of them is likely to be more varied and con-
tentious. H. P. Syndikus has produced the sort of readings which
Fedeli commends (p. 21, n.19, of his review), but the scale on which
he does this should also be taken into account: his analyses of the four
books require two volumes, and his interpretation of the poems of the
third book fills over 250 pages of fairly small type. The question I am
about to ask is obvious: how much longer would Nisbet-Rudd’s com-
mentary had to have been to satisfy Fedeli’s agenda? Over a thousand
pages? But even at that, would such a book really fulfil the pro-
gramme set out by Fedeli on p. 22, in bringing to bear on classical
texts the best approaches to literary analysis of modernists and yet
appealing to the common reader? In short, is a commentary the right
vehicle for this sort of interpretation? My own view is that it is not,
and this view is not mine alone.
R. MAYER, Horatian Heroics 657
can only suppose that the authors felt that lemmata interrupted the
flow of their discursive comment, and they abandoned them in favour
of the essay-style comment. But this makes consultation onerous, and
it has to be remembered that few commentaries are read straight
through, and they are usually consulted for a particular piece of in-
formation. But even if one reads a commentary from beginning to
end, there will be cross-references, «rinvii» (a matter to which I will
next turn), and the reader who wants to follow them up will be irked
at the lack of clear signposting which the lemmata could have provid-
ed. The difficulty is aggravated in this case, since Fedeli-Ciccarelli
have composed their unlemmatized commentary by stanzas; for in-
stance, on p. 212, after the introduction to the fourth poem, the com-
mentary begins on the first sixteen lines (four stanzas), so the annota-
tion on this block of text extends as far as p. 223. The reader who
simply wants to find a particular piece of information about a word
or phrase in those first sixteen lines has to hunt for it over nearly ten
unlemmatized pages. Now to be fair, the individual paragraphs often
have an early keyword, printed in italic (but not also in boldface,
“grassetto”) that provides some guidance; for instance on p. 219 we
are clearly at line 9 (the word paventem appears), and then further
down the page mox shows where we are. But the absence of such a
clear signpost as the lemma, preferably in boldface, much reduces the
“user-friendliness” of this work. The same problem confronts the
reader of A.R. DYCK’s recent Cambridge green-and-yellow commen-
tary on Cicero, Pro Sexto Roscio (2010). I have taken the matter up
with one of the senior editors, Professor Kenney, and he agrees with
me that this was a blunder, which should not be repeated. Commen-
taries are tools for use, and long practice has identified lemmata as an
indispensable feature; to abandon them was risky, and, as a reader, I
saw no advantage in it.
As promised in the previous paragraph I turn now to the issue of
cross-references («rinvii»), since, like the use of lemmata, it too is
something of a technical matter, how one organizes and presents the
comment. Practices clearly differ, but my own is to comment on a
particular feature of lexical or syntactical or prosodical usage at its
first occurrence, and to offer once and for all any information that I
believe the reader needs in order to understand the feature under dis-
cussion. Later occurrences of the feature in the same text or work can
also be listed, but when they are encountered in due course, there
R. MAYER, Horatian Heroics 661
troduce «un concetto di giustizia che appare fuori luogo», but the
word probably here means “moral rectitude” (see OLD 10), and that
is perfectly in harmony with the context. It is also odd that she offers
no discussion of Shackleton Bailey’s proposal to read roborat, taking
cultus as singular; this reading is accepted by Niall RUDD in his re-
edition of the Loeb (2004). The most problematic textual issue in the
whole book is notoriously in the eighth poem, and I offer some very
tentative reflections on Fedeli’s discussion.
The historical blunder starting at around carm. 4,8,15 is a real puz-
zle. But granted that it is egregious, why should it be supposed that
an unknown interpolator, capable of composing in this metre, would
make the mistake. To put it another way: if anyone could make the
mistake, then Horace himself could. What, moreover, was the motive
for the alleged interpolation? Fedeli sees on pp. 388-389 that Calabrae
Pierides refers to Ennius, but what was the point of introducing him
specifically if there was no foregoing reference to Hannibal and Scipio
(the wrong one, admittedly)? To put that another way: if we move
straight from 15A to 19B, what is the connecting link? How do we
get from public inscriptions to Ennius in particular, rather than to po-
etry in general? As regards the language of the alleged interpolation,
at line 19 the word lucratus does not strike me as an interpolator’s
choice, since it is unusual and imaginative (OLD 1b offers some sim-
ilar locutions in good authors). One would expect banality or at least
normality. I feel that on p. 387 the coherence of the train of thought
is misunderstood (assuming that we regard the coherence as likely to
be cogent in the first place—there are for instance similar problems of
coherence in the interpretation of carm. 1,6). Horace is saying that
neither a bare record of great deeds (13-15A), nor the deeds them-
selves, considered simply as events which may be forgotten (15B-
19A), more vividly proclaim the praiseworthy feats (laudes) of a gen-
eral than the poetic record. The latter idea is developed in the next
poem: there were pretty adulteresses before Helen, but we know
nothing of them. The fact of their glamorous intrigues is not enough,
they need to be the subject of song to be remembered. In conclusion,
I have a feeling that in dealing with the admittedly vexed textual is-
sues in this eighth poem, Systemzwang has come into play: since four
lines have been expelled two more have to go for the “lex
Meinekiana” to be upheld. The two designated for the chop, line 28
(see p. 394, with the reason for interpolation on p. 395) and line 33,
666 Paideia LXVI (2011)
4,5,25: no note on the poetic use of paueo as transitive (see OLD 2).
4,5,28: Hiberia too is poetic diction.
4,6,39-40: prosperam frugum. The note on p. 381 is undernourished.
The genitive with this adjective is unusual (first here, if ThlL X
2,2213,6 is to be believed); it may even be designed to evoke fertil-
is frugum in carm. saec. 29. This sort of genitive might also have
been noted at carm. 4, 8, 5 diues artium (see KÜHNER-STEGMANN
I 441-442). Such syntax is poetic.
4,9,29 disto + dative: it might have been said that this construction is
a graecism.
4,9,49 callet + infinitive: it is fair enough to refer us to ThlL on pp.
445-446, but it could nonetheless be said that the construction is
largely poetic.
4,9,50 peius: it is not noted on p. 446 that the usage is colloquial, as
Mayer observed on epist. 1,17,30.
4,10,4: on p. 460 the anastrophe of et is not duly noted (and so it will
not be noted in any of the indices).
4,11,5 crinis religata: should not the use of the “retained” accusative
with the passive past participle, as in carm. 2,11,24, be at least not-
ed on p. 477, since it is after all poetic style?
In general of course the commentary provides entirely reliable in-
formation and shows balanced judgment in assessing the plausibility
of alternative interpretations. I have noted only two clear blunders, as
follows:
4,1,17 quandoque cannot mean “et quando”, as is claimed on p. 103,
since the line begins with et.
4,9,7 –que et: something has gone badly wrong with the note on
p. 416. This is not an example of the archaic and poetic combina-
tion which replicates the Greek te kaí (for that see the virtual rep-
etition of this note on line 35, p. 439, and cfr. carm. 4,14,46, where
there ought to be a back-reference). Here –que only connects Ceae
to Pindaricae; et adds Alcaeus, then -ue tacks on Stesichorus. We
have an elegant variation of connectives, but nothing more artifi-
cial than that.
The commentary alerts the reader to a fair number of passages
which are hard to explain. It will therefore not be surprising that in
only a few cases the explanations offered by Fedeli and Ciccarelli
R. MAYER, Horatian Heroics 669
Abstract
The first part of this work deals with the structure of the Book IV of the
Horace’s Odes, the relationship between the Poet and Augustus, the judging
criteria in the political content poetry. The second part discusses questions
arising in commenting a text: commentary amplitude, lemmatisation or
“running-commentary”; the commentator’s voice presence; the commentary
and its audience; the future of the commentary.
Premessa
La poesia d’amore
La poesia politica
Nel giudizio sulla poesia politica del IV libro delle odi oraziane, so
bene di essermi schierato su posizioni che da quelle di Fraenkel deci-
samente mi allontanano. Vorrei, però, cogliere l’occasione che qui mi
viene generosamente offerta per chiarire il mio pensiero e per ribadire
che, in realtà, anche il mio giudizio sulla poesia politica del IV libro è
ampiamente positivo e, per quanto riguarda l’aspetto formale di tale
poesia, addirittura encomiastico.
Preliminare a un giudizio sul ruolo e sul valore della poesia politi-
ca di Orazio è una corretta definizione dei suoi sinceri, affettuosi e di-
sinteressati rapporti di amicizia col principe: se va rifiutato per motivi
cronologici il legame, instaurato nella biografia oraziana di Svetonio
(De poetis p. 116,38-43 Rostagni), fra origine del libro e pressioni
esercitate da Augusto perché il poeta celebrasse i successi militari di
Druso e Tiberio (poi cantati nei carmi 4 e 14), alla luce delle preziose
notizie che il biografo ci fornisce altrove sui rapporti di amicizia fra
Augusto e Orazio c’è da pensare che, in ogni caso, una parte di verità
si nasconda anche in quella che l’impossibile cronologia ci spinge a ri-
fiutare: si sarà trattato di un amichevole invito, privo di rapporti con
l’origine del nuovo libro di poesia lirica, piuttosto che di un interven-
to deciso e imperioso (a questo proposito, ritengo di aver accordato
un peso eccessivo, a p. 53 della mia introduzione, ai verbi appartenen-
ti alla sfera delle costrizioni che Svetonio applica al rapporto fra prin-
cipe e poeta: quanto scrive Günther è molto importante per capire il
senso e il valore dell’amicizia che univa Orazio ad Augusto). Parlare
di pressioni, quindi, è illogico, perché Augusto non aveva alcun biso-
gno di usare le maniere forti col poeta allora a lui più vicino, e per
questo stesso motivo non va esagerato il peso che di solito si accorda
all’onore concesso a Orazio nel 17 a.C., in occasione dei ludi saecula-
res. Gli elogi che Orazio rivolge al principe, dunque, non sono frutto
di un animo servile né hanno un intento adulatorio: queste sono le ar-
mi di chi da un tale atteggiamento intende ricavare benefici materiali.
Proprio in nome dello schietto legame di affettuosa amicizia Augusto
poteva rimproverare Orazio in modo bonario, perché di lui non ave-
va parlato nel I libro delle epistole, e Orazio poteva permettersi di ri-
cordarlo nei suoi versi.
Anche se in una encomiastica celebrazione riesce sempre difficile
individuare il limite fra l’ammirazione sincera e l’adulazione, e anche
678 Paideia LXVI (2011)
mente la poesia politica di Orazio nel IV libro delle odi: però conti-
nuo a ritenere discutibile che dall’abbandono del ruolo di vates della
comunità la poesia di Orazio abbia acquistato vigore; mi chiedo, so-
prattutto, come mai l’affinità con Augusto, costantemente preoccupa-
to non solo del giudizio dei contemporanei ma anche di quello dei
posteri, non abbia indotto Orazio, ugualmente pensoso del futuro
della sua poesia, a riflettere sul senso che la sua celebrazione del prin-
cipe avrebbe potuto assumere in epoche lontane dalla sua.
Tutto ciò, beninteso, non ha nulla a che vedere col giudizio che in
merito alla validità della poesia politica del IV libro si può esprimere:
un giudizio che va formulato evitando termini abusati, come ‘since-
rità’ e ‘spontaneità’, che non hanno gran senso, perché l’ispirazione
deve essere sempre assistita dalla tecnica, dalla capacità di rendere
grandi e significativi motivi apparentemente banali, dalla forza evoca-
trice delle immagini, dall’uso accorto e sapiente del lessico, dall’e-
spressività dei giochi fonici. Io credo che sia tutto questo che concor-
re a definire la perfezione di un’opera poetica, e che, nel caso di Ora-
zio, ci consente di capire che egli è stato uno straordinario cantore,
anche nella poesia politica: spetta al commentatore il compito di far
comprendere al lettore, non solo a quello dotto, ma anche a quello co-
mune, le ragioni della sua grandezza.
Günther ha scelto quale suo compito quello di guidare il lettore
lungo le vie che conducono a un giusto apprezzamento della poesia
politica di Orazio, ed è pienamente riuscito nel suo intento. Il lettore
rimane libero di esprimere il suo personale giudizio, ma il merito di
Günther consiste nell’avergli aperto una via, finora ingombra di pre-
giudizi di varia natura. Identico è il compito che spetta al commenta-
tore, come si avrà modo di vedere nella discussione del punto di vista
di Mayer: ma deve essere chiaro sin d’ora che quando parlo del ‘letto-
re comune’ tengo presente quella che è la mia stessa condizione in al-
tri campi. Nel campo della musica, ad esempio, in cui alla superba
competenza di Günther in quella classica posso solo contrapporre la
mia dilettantesca passione per il jazz. Se è lecito parlare di se stessi e
dei propri gusti, allora confesso di essere un patito di Bill Evans e di
prediligere su tutte la sua esecuzione, negli ultimi mesi di vita, di Your
Story: se, però, mi si chiedesse il motivo di tale preferenza, non saprei
spiegarlo, a causa della totale assenza in me di una formazione musi-
cale, e non è escluso che il mio giudizio sia legato alle sensazioni e al-
le emozioni provate quando per la prima volta ho ascoltato l’esecu-
682 Paideia LXVI (2011)
Fervido cultore del sommo Carlo Emilio (Gadda, ‘of course’) fin
da quando ho raggiunto l’età della ragione, ho sempre considerato
Giorgio Manganelli, e con lui Alberto Arbasino, i suoi unici eredi: era
inevitabile, quindi, che dovendo ragionar di commenti, di chiosatori e
di lettori mi sentissi di nuovo attratto dalle pagine del Nuovo com-
mento di Manganelli, la cui ardita prosa dell’occhiello offrirà ai com-
mentatori del futuro una non facile materia di riflessione. Nessun
contesto, però, mi è parso più adatto a introdurre una discussione sul
modo di commentare di quello in cui Manganelli caratterizza il pro-
gressivo, appassionato, delirante addentrarsi del commentatore nel la-
birinto del testo. Ai lettori del presente le sue parole – nelle mie in-
tenzioni – dovrebbero far capire che, sì, il mio discorso sul commen-
to vuol essere serio, ma che si sforzerà di non sembrarlo sempre, per
non divenire barboso e indigesto.
Il mio dialogo con Mayer intende restare un civile e, almeno per
me, stimolante confronto, lontano dalle dispute clamorose fra rissose
comari o da quelle scoppiettanti cagnare, non prive di pirotecnici
scambi di epiteti, che – indizio di accademici rancori – si accendono al-
l’improvviso, e perdurano con spietata pervicacia, tra filologi che c’im-
maginavamo democraticamente pensosi delle sorti dei nostri studi: e
invece, col loro scalmanato gridare ai quattro venti che hanno ragione,
ci fanno capire che continuano a vivere nell’empireo di aurei secoli or-
mai lontani, mentre sarebbe meglio che scendessero sulla terra e se la
smettessero di offendere i nostri delicati padiglioni auricolari.
Niente risse, quindi: i problemi del commentare sono troppo im-
portanti per consentirlo. Per stemperare, tuttavia, la gravità della di-
scussione e soprattutto per evitare che ci si prenda troppo sul serio,
mi sembra opportuno che almeno con un minimo d’ironia si guardi al
nostro mestiere e a noi stessi che lo esercitiamo: proprio come ci inse-
gna Giorgio Manganelli. Ergo, quel suo libretto secondo me straordi-
nario farà da filo conduttore della seconda e pervasiva sezione del mio
discorso. A questa decisione si accompagna la segreta e, diciamolo pu-
re, perfida speranza che, nel leggere l’immaginifica prosa di Manga-
nelli, ci si convinca che di un testo – antico o moderno che esso sia –
nulla, ma proprio nulla va disinvoltamente trascurato, e che l’interpre-
tazione generale e complessiva di un contesto è in ogni caso prelimi-
nare alle chiose grammatico-lessicali che, invece, monopolizzano l’in-
teresse di non pochi commentatori. Non starò qui a rispondere pun-
tigliosamente alle puntigliose osservazioni, che su singole interpreta-
684 Paideia LXVI (2011)
L’ampiezza di un commento
«Capitò appunto tra le mie mani uno di codesti commenti [...], ap-
petto agli altri di inaudita estensione, al punto che, per ciascuna pagi-
na, del testo non capivano più di due o tre righe, e quelle rade e spa-
ziate, mentre, in calce, si dipanavano le viscere di un commento luci-
damente microscopico. Muovendo da una singola parola, assai meno,
una lettera dubbia, una imprevista, inconsueta maiuscola, una inter-
punzione inquietante come oscuramente sensata, una varia, bicefala
lezione, prendevano le mosse diligenti, esaurienti trattatelli; dalla ma-
gra fonte di un esile fiato traevano al lettore informativi torrenti, eru-
dite inondazioni, oculate frane di miniaturati messaggi; e questo ap-
punto mi affascinava» (MANGANELLI 1969, p. 64).
Che cosa è indispensabile commentare e che cosa si può tranquilla-
mente trascurare? L’argomento è nobile, ma Mayer lo considera in rap-
porto con un altro, che altrettanto nobile non è: quali devono essere le
dimensioni di un commento? In questo campo – come in altri – le idee
di Mayer non sono mutate nel tempo: già nel 1986, recensendo in
«CR» 36, pp. 50-51 il commento di Harm-Jan VAN DAM al II libro
delle Silvae di Stazio (Leiden 1984), egli aveva accusato l’autore di aver
impiegato per Stazio un numero di pagine (oltre 500) che sarebbe sta-
to giusto dedicare all’Agamennone di Eschilo piuttosto che a carmi
dell’epoca flavia. Anche in quella occasione aveva espresso il suo fermo
convincimento che libri del genere possono essere consultati solo da
pochi specialisti, ai quali molto si può risparmiare perché molto cono-
scono, aveva deprecato la sostituzione del commento per lemmi con
quello per sezioni di senso e si era dedicato alla caccia delle citazioni e
dei rinvii, fatalmente ripetuti in un ampio commento. Nihil sub sole
novi, 25 anni dopo: ma sui singoli punti si avrà modo di ritornare.
Considerate le premesse, c’era da attendersi che Mayer facesse i
suoi bravi calcoli numerici anche nel caso del commento al IV libro
delle Odi di Orazio, meritandosi così di diritto l’iscrizione all’albo dei
P. FEDELI, I dubbi e i ripensamenti di un commentatore 685
Il commentatore grammaticale-sintattico
Chiosare le chiose?
caso con un secco rinvio a Mart. 7,96,2 per la iunctura. Nulla, di con-
tro, s’incontrava nel mio commento a proposito del v. 2: di conse-
guenza sia l’assorto lettore sia il frettoloso consultatore avrebbero
pensato che d’importante in quel distico c’era solo hospes in compa-
gnia di maxima Roma; tutto il resto non era ritenuto degno di consi-
derazione. Non si può dire che la situazione sia migliorata sensibil-
mente nei più recenti commenti.
A tanti anni di distanza, libero ormai dai vincoli della lemmatizza-
zione, dalla frammentazione che essa produce e dalla concisione talo-
ra telegrafica che impone al commentatore, mi rendo conto dei van-
taggi di un commento che, se fornisce loci similes, non si limita a elen-
carli, ma fa capire il significato della loro presenza, e che, oltre ad ap-
profondire l’analisi del lessico properziano, consente al lettore d’in-
tendere pienamente il senso del distico di apertura del IV libro. Se un
compito spetta qui al commentatore, esso consiste primariamente nel
mettere il lettore in grado di comprendere la grandiosità del movi-
mento di apertura e del gesto, reso ancor più evidente dal deittico, con
cui il poeta mostra all’hospes il panorama della Roma augustea. In tal
modo la monumentale Roma di Augusto, tanto diversa da quella del-
le origini, si offre allo sguardo nella sua imponente grandezza, che
equivale anche a potenza (maxima), mentre l’indefinito quodcumque
completa l’indicazione fornita dal deittico e comunica un’idea di am-
piezza e di totalità. Il gesto risulta grandioso anche perché assume le
stesse cadenze – ben ravvisate da Hutchinson – della presentazione lu-
creziana del mondo visibile (1,542) ed è impreziosito dal ricorso agli
omeoteleuti e all’assonanza (vidES hospES ...MAxiMA RoMA).
Sarà anche opportuno chiarire al lettore che in hospes non si sente
solo l’eco di modelli epigrammatici, ma c’è una confluenza di model-
li, dal Callimaco delle nozze di Arsinoe (392 Pf.) all’apostrofe iniziale
del carme catulliano del phaselus (4,1) e al Virgilio dell’VIII libro del-
l’Eneide: lì, in particolare, col vocativo hospes Troiane dapprima
Evandro si era rivolto ad Enea (v. 188) e poi, nel mostrargli la spelon-
ca che un tempo era stata la dimora di Caco, aveva accompagnato le
sue parole con l’identico gesto (v. 190 hanc aspice rupem); successiva-
mente, apostrofandolo come hospes, gli aveva mostrato il luogo in cui
sarebbe sorta Roma. Se, come di solito avviene con i carmi introdutti-
vi, l’elegia incipitaria è stata scritta nella fase conclusiva della compo-
sizione del libro di poesia, pochi anni, probabilmente solo quattro, so-
no trascorsi dalla morte di Virgilio: si può pensare, quindi, che l’allu-
700 Paideia LXVI (2011)
«Il lettore, c’è da scommetterlo, avrà già capito: questa sleale, soper-
chiante superiorità del testo ne è anche – come negarlo? – il fascino ele-
gante, losco, insinuante. Non oseremo affermare sia possibile amarlo:
ma certo tutti, o molti di noi, vorremmo una volta nella vita ci venisse
accordato l’onore di cenare con lui, prendere quanto meno un frettolo-
so caffé, sorbire un liquore di marca» (MANGANELLI 1969, p. 13).
Come si è già detto, i sostenitori del commento tradizionale obiet-
tano che i lemmi consentono ai lettori d’individuare subito i problemi
che a loro interessano. Ciò dipende dal tipo di lettore a cui essi si ri-
feriscono, ma che in ogni caso è ben diverso dal lettore creativo a cui
Roland Barthes auspicava di destinare il suo commento di Sarrasine,
allorché criticava il fatto che nei commenti non solo gli si neghi la
possibilità di «accedere pienamente all’incanto del significante, alla vo-
luttà della scrittura», ma gli si lasci solo «la povera libertà di ricevere
o di respingere un testo» (BARTHES 1973, p. 11).
Qui tocchiamo l’ultimo punto, quello dei potenziali lettori di un
commento. Si può essere d’accordo con MOST 1999, p. IX, quando af-
ferma che «the commentators’ choice of the kind of commentary they
are doing (...) ought to depend upon their vision of the kind of reader
(...) for whom they are writing» e deplora che «all too often, it does
not seem to do so». Però dei potenziali lettori di un commento Mayer
704 Paideia LXVI (2011)
traccia un quadro a dir poco desolante, per di più limitato alla realtà
anglosassone: come se i commenti fossero destinati a circolare solo in
Inghilterra. Si va dagli studenti che sono tartassati dagli esami e, quin-
di, hanno ben altro a cui pensare, agli aspiranti filologi del tutto igna-
ri della lingua italiana (e forse sarebbe bene convincerli a studiarla se
non intendono fermarsi al livello di aspiranti); infausta Cassandra,
Mayer profetizza che per questo motivo costoro non si avvicineranno
mai non solo al commento al IV delle Odi di Orazio ma a qualsivo-
glia libro scritto in una lingua diversa dall’inglese.
Al culmine della climax stanno gli studiosi veri, presso i quali sa-
rebbe lecito attendersi un successo maggiore. Speranza inutile di ven-
dere qualche copia in più, perché il docente universitario anglosasso-
ne, assicura Mayer, «who must be actively engaged in some research
project, will only tackle a book of this size» se lavora su Orazio, ad-
dirittura solo se lavora sul IV libro delle Odi. Il lettore ‘mordi e fug-
gi’ di Mayer assomiglia molto al turista frettoloso, che per non perder
tempo fotografa un particolare e si disinteressa del contesto in cui è
inserito. Perché mai, si domanda con l’aria di chi la sa lunga, chi tiene
un corso su Terenzio e conduce ricerche su Sallustio e magari deve an-
che occuparsi di questioni amministrative dovrebbe sentirsi attratto da
un commento del genere? Parrebbe di sognare, se ciò non nascondes-
se una ben più triste realtà: tutti, studenti e docenti – lo veniamo a sa-
pere più in là – stanno ormai perdendo il senso della lingua, e s’intui-
sce che ne è causa prima la mancanza di quei Maestri che, invece, co-
me ammette Mayer, a lui sono stati capaci d’insegnarla.
C’è da chiedersi, a questo punto, perché mai a Oxford e a Cam-
bridge si continuino a pubblicare commenti scientifici, quasi sempre
egregi. Qui da noi, nel nostro pur sciagurato e disastrato paese, mi
sembra che la situazione non sia a tal punto tragica: ma non è questo
il punto importante. Proprio la realtà rappresentata a tinte fosche da
chi di essa è testimone diretto, lungi dal persuadere a proseguire sulla
via dei gloriosi commenti ottocenteschi – che si rivolgevano a molti e
molto competenti lettori, mentre ora troverebbero solo pochi e sem-
pre meno interessati fruitori – dovrebbe stimolare a creare qualcosa di
nuovo e, nel campo che ci riguarda, a esperimentare un tipo diverso di
commento, al quale non si debbano accostare solo due o tre ‘speciali-
sti’ (in realtà sempre meno dotti), ma possano avvicinarsi senza diffi-
denza e timore anche tutti coloro che specialisti non sono. Non credo
che un simile rispetto della tradizione, che s’identifica con un’epoca in
P. FEDELI, I dubbi e i ripensamenti di un commentatore 705
La lettura assistita
Quale futuro?
sempre più solo per singoli problemi. C’è di che munirsi di un bel
corno napoletano antiiettatura, nella speranza che almeno le bibliote-
che universitarie non si comportino allo stesso modo. Niente paura! I
commenti non faranno arricchire né gli editori né i commentatori, ma
di essi ci sarà sempre bisogno, perché i classici hanno una inesausta e
inesauribile vitalità e «noi li studiamo perché questi testi continuano
ad agire nella mente delle persone, non c’è altra ragione. (...) Quando
si parla di classici s’intende soprattutto autori che vengono ristampati
e letti, anche se da una minoranza» (PONTIGGIA 2004, p. 123).
Molto dipende, non c’è dubbio, dall’autore che si commenta: esi-
stono autori per i quali è difficile prevedere un particolare interesse
negli anni a venire, autori che sono destinati a rimanere pasto preliba-
to degli specialisti. Ma a un autore come Orazio, che ha attraversato e
continuerà ad attraversare i secoli, e in particolare al suo IV libro del-
le Odi, che offre al lettore quale motivo di riflessione il tema, di pe-
renne attualità, del rapporto fra intellettuali e potere – magistralmente
discusso qui da Hans-Christian Günther – si può essere certi che ac-
canto ai lettori dotti non mancheranno mai i lettori comuni. L’am-
piezza del commento è l’ovvia conseguenza della decisione di non pri-
vilegiare solo il materiale erudito prediletto dagli specialisti, ma, nel-
l’interpretare un testo di grande spessore, di tenere presente anche un
pubblico più vasto, al quale – non solo oggi, ma anche in futuro – è
necessario parlare in modo chiaro, senza dare nulla per scontato.
ci con una sensibilità che, se non ripudia l’antico, accetta anche quan-
to di valido c’è nel moderno e si sforza di percorrere vie diverse da
quelle abituali, tutto ciò non è, forse, una fatica vana.
Non me ne voglia, quindi, Mayer se giudico più costruttiva ed
equilibrata della sua la conclusione a cui giunge la Fantham: «each ge-
neration will need new commentaries and we must work to foster
new kinds of commentary to meet those needs» (FANTHAM 2002,
p. 419).
Bibliografia