Sie sind auf Seite 1von 2

AUF EINEN BLICK

Plenum – Juli 2022

Fragestunde: Ehrgeizigere Ziele der EU im


Bereich der biologischen Vielfalt im Vorfeld der
COP 15
Das Parlament wird seine Aufsichtsbefugnisse in der wiederaufgenommenen „Fragestunde“ während der Juli-
Tagung nutzen, um die Kommission im Vorfeld der 15 Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des
Übereinkommens der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (COP 15) zu den Zielen der EU zu
befragen. Die Kommission hat am 22. Juni 2022 zwei zentrale Legislativvorschläge zur EU-Biodiversitätsstrategie für
2030 vorgelegt: ein EU-Gesetz zur Wiederherstellung der Natur und neue Vorschriften für die nachhaltige
Verwendung von Pestiziden. Die Strategie ist der Beitrag der EU zu den internationalen Verhandlungen über den
Rahmen für die biologische Vielfalt für die Zeit nach 2020, der auf der COP 15 angenommen werden soll.
Hintergrund
Die biologische Vielfalt – die Vielfalt des Lebens auf der Erde – ist ausschlaggebend für Produkte und Dienstleistungen, die
für das Leben der Menschen von grundlegender Bedeutung sind, wie Lebensmittel, Brennstoffe und Arzneimittel, die
Bestäubung von Kulturpflanzen, die Regulierung des Klimas, die Filtrierung von Wasser und Luft und die Minderung des
Katastrophenrisikos. Die Natur ist jedoch stark belastet, und die meisten Indikatoren für Ökosysteme und biologische Vielfalt
deuten weltweit auf einen raschen Rückgang hin. Die Hauptursachen für den Verlust an biologischer Vielfalt sind
Veränderungen der Land- und Meeresnutzung, der Raubbau an den natürlichen Ressourcen, der Klimawandel, die
Umweltverschmutzung und die Invasion gebietsfremder Arten.
Auf ihrer 15. Tagung sollen sich die 196 Vertragsparteien des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, darunter die
EU und ihre Mitgliedstaaten, auf einen neuen Rahmen für die biologische Vielfalt einigen, der Erhaltungs- und
Wiederherstellungsziele für die nächsten zehn Jahre enthält. Keines der 20 Ziele für die biologische Vielfalt, die von der
internationalen Gemeinschaft für die vergangenen zehn Jahre beschlossen wurden, wurde vollständig erreicht, weshalb die
Anstrengungen verstärkt werden müssen, um den besorgniserregenden Rückgang der biologischen Vielfalt ein Ende zu
setzen. Aktuelle Analysen, auf die in dem Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen vom Februar
2022 hingewiesen wurde, haben ergeben, dass etwa 30 bis 50 % der Landflächen, Süßgewässer und Ozeane (einschließlich
der naturnahen Ökosysteme) wirksam und auf gerechte Weise erhalten werden müssen, wenn die Widerstandsfähigkeit der
biologischen Vielfalt und die Ökosystemleistungen erhalten bleiben sollen. In einer Studie vom Juni 2022 schätzten
Wissenschaftler, dass mindestens 44 % der Landfläche auf der Erde Gegenstand von Erhaltungsmaßnahmen sein müssen
(von der Ausweisung von Schutzgebieten bis hin zur Festlegung von Landnutzungsstrategien), damit die biologische Vielfalt
geschützt wird, wobei es große geografische Unterschiede gibt, die größtenteils der Verteilung der biologischen Vielfalt
entsprechen.
Die COP 15 unter dem Vorsitz Chinas war ursprünglich für Oktober 2020 angesetzt, musste aber aufgrund der COVID-19-
Pandemie mehrmals verschoben werden. Nun soll sie vom 5. bis 17. Dezember 2022 in Montreal (Kanada) stattfinden. Im
März 2022 kamen die Regierungen 15 Tage lang zu Verhandlungen in Genf zusammen, um Fortschritte bei der Ausarbeitung
des Rahmens für die biologische Vielfalt zu erzielen, dessen erster Entwurf im Juli 2021 veröffentlicht wurde. Insbesondere
im Zusammenhang mit zusätzlichen Finanzierungsanträgen kamen dabei spezifische Probleme auf. Die Verhandlungsführer
trafen sich erneut vom 21. bis 26. Juni 2022 in Nairobi (Kenia).

Schutz der biologischen Vielfalt in der EU


Der EU-Rahmen für den Naturschutz beruht auf zwei zentralen Rechtsvorschriften: der Vogelschutzrichtlinie und der
Habitat-Richtlinie. Mit ihnen sollen Arten und Lebensräume geschützt werden, die für die EU von Bedeutung sind, und sie
bilden die Grundlage für das Natura-2000-Netz von Schutzgebieten. Süßwasser- und Meeresökosysteme unterliegen
speziellen Schutzmaßnahmen im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, mit
denen dafür gesorgt werden soll, dass wieder ein guter Erhaltungszustand dieser Ökosysteme erreicht wird. Diese Richtlinien
werden durch Rechtsvorschriften ergänzt, mit denen konkrete Belastungen wie die Verschmutzung durch Nährstoffe
und/oder andere Chemikalien aus der Landwirtschaft, Haushalten und der Industrie oder Abfälle im Meer angegangen
werden sollen. Eine spezielle Verordnung betrifft die negativen Auswirkungen invasiver gebietsfremder Arten auf die
heimische biologische Vielfalt. Trotz dieses Rechtsrahmens und verschiedener Strategien und Aktionspläne ergibt sich aus
der 2020 von der Europäischen Umweltagentur durchgeführten Bewertung des Zustands der Natur, dass das Gesamtbild
nach wie vor düster und der Erhaltungszustand der meisten geschützten Arten und Lebensräume ungünstig ist.

EPRS | Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments


Autor: Vivienne Halleux, Wissenschaftlicher Dienst für die Mitglieder DE
PE 733.559 – Juni 2022
EPRS Fragestunde: Ehrgeizigere Ziele der EU im Bereich der biologischen
Vielfalt im Vorfeld der COP 15
Ein wesentliches Element des europäischen Grünen Deals, die im Mai 2020 angenommene EU-Biodiversitätsstrategie für
2030, umfasst mehr als hundert Maßnahmen, Verpflichtungen und Zielvorgaben. Darin wurde unter anderem
vorgeschlagen, das derzeitige Netz rechtlich geschützter Gebiete auf mindestens 30 % der Landfläche der EU und 30 % der
Meere der EU auszuweiten, wobei mindestens ein Drittel unter strengen Schutz zu stellen ist, rechtsverbindliche Ziele für
die Wiederherstellung der Natur in der EU festzulegen, um geschädigte Ökosysteme wiederherzustellen, weniger und
ungefährlichere Pestizide einzusetzen und einen neuen europäischen Governance-Rahmen für die biologische Vielfalt
einzuführen, um die Umsetzung der Verpflichtungen in Bezug auf die biologische Vielfalt auf verschiedenen Ebenen zu
steuern und einen Überwachungs- und Überprüfungsmechanismus anzuwenden. Die Strategie dient auch dazu, die
Umsetzung und Durchsetzung des EU-Umweltrechts zu verbessern und jährlich aus verschiedenen Quellen, darunter EU-
Fonds sowie nationale und private Mittel, 20 Mrd. EUR für die biologische Vielfalt zu mobilisieren. Auf internationaler Ebene
wird die EU entsprechend ihrem Ansatz für die Bekämpfung des Klimawandels bei den Verhandlungen über den Rahmen
für die biologische Vielfalt für die Zeit nach 2020 mit gutem Beispiel vorangehen. Sie wird auf globale Ziele für 2030 im
Einklang mit den Zielen in der Biodiversitätsstrategie für 2030 und auf einen wesentlich stärkeren Umsetzungs-,
Überwachungs- und Überprüfungsprozess drängen.
Einhaltung der Verpflichtungen
Der Überwachungs-, Berichterstattungs- und Überprüfungsmechanismus, der von der Kommission als Teil des in der EU-
Biodiversitätsstrategie angekündigten neuen Governance-Rahmens für die biologische Vielfalt eingerichtet wurde, umfasst
einen Action Tracker und ein Dashboard, über die die Fortschritte bei der Verwirklichung der quantifizierten Zielvorgaben
für 2030 verfolgt werden können. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments waren beinahe ein Viertel der in der EU-
Biodiversitätsstrategie vorgesehenen Maßnahmen abgeschlossen, darunter unter anderem die Veröffentlichung der EU-
Waldstrategie und der EU-Bodenstrategien für 2030 und die Vorlage von Legislativvorschlägen wie der Verordnung über
entwaldungsfreie Produkte und der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit,
die derzeit von den beiden gesetzgebenden Organen geprüft werden.
Am 22. Juni 2022 – ein paar Monate später als geplant – legte die Kommission zwei zentrale Elemente der
Biodiversitätsstrategie vor. Der Vorschlag für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur enthält mehrere verbindliche
Wiederherstellungsziele und Verpflichtungen für viele verschiedene Ökosysteme, von Wäldern und landwirtschaftlichen
Flächen über städtische Gebiete bis hin zu Flüssen und Meereslebensräumen, und ergänzt die bestehenden
Rechtsvorschriften. Diese Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur sollten bis 2030 für mindestens 20 % der Landfläche
und Meeresgebiete der EU und bis 2050 für alle Ökosysteme gelten, die wiederhergestellt werden müssen. Zur Umsetzung
der vorgeschlagenen Verordnung müssten die Mitgliedstaaten Pläne zur Wiederherstellung der Natur ausarbeiten, die von
der Kommission geprüft würden. Das vorgeschlagene Gesetz zur Wiederherstellung der Natur enthält das konkrete Ziel, den
Rückgang der Bestäuberpopulationen bis 2030 umzukehren.
Der Vorschlag für eine Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden würde die Richtlinie 2009/128/EG
ersetzen und enthält rechtsverbindliche Ziele für die Verringerung des Einsatzes von chemischen Pestiziden und des damit
verbundenen Risikos sowie des Einsatzes der gefährlichsten Pestizide auf Ebene der EU um 50 % bis 2030, die mit der
Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ der EU im Einklang stehen. Um das EU-weite Ziel gemeinsam zu erreichen, würden die
Mitgliedstaaten über eine gewisse Flexibilität bei der Festlegung ihrer eigenen verbindlichen nationalen Reduktionsziele
innerhalb festgelegter Parameter verfügen, sodass sie den nationalen Gegebenheiten, einschließlich des historischen
Fortschritts und der Intensität des Pestizideinsatzes, Rechnung tragen können. Mit dem Vorschlag würde der Einsatz aller
Pestizide in zu schützenden Gebieten (und innerhalb eines Radius von drei Metern um diese Gebiete) verboten.
Standpunkt des Europäischen Parlaments
Das Europäische Parlament unterstützt nachdrücklich das Ziel, mindestens 30 % der Meeresgebiete und Landfläche der EU
zu schützen. Dieses Ziel sollte verbindlich sein und im Einklang mit wissenschaftlich fundierten Kriterien und den
Erfordernissen der biologischen Vielfalt umgesetzt werden. Das Parlament hat die Zusage der Kommission, verbindliche
Wiederherstellungsziele festzulegen, begrüßt und ein allgemeines Wiederherstellungsziel von mindestens 30 % der
Landfläche und Meeresgebiete der EU sowie ökosystem-, lebensraum- und artenspezifische Ziele auf Ebene der EU und der
Mitgliedstaaten gefordert. Das Parlament hat die Kommission ferner aufgefordert, 2022 nach einer umfassenden
Folgenabschätzung einen Vorschlag für einen rechtsverbindlichen Governance-Rahmen für die biologische Vielfalt
vorzulegen. Dieses „Biodiversitätsgesetz“ sollte den Weg bis 2050 aufzeigen und eine Reihe von Zielen enthalten, darunter
die Ziele für 2030 und die auf der COP 15 eingegangenen Verpflichtungen. Ferner sollte ein Überwachungsmechanismus
mit geeigneten Indikatoren für Schutzgebiete und Gebiete außerhalb von Schutzgebieten eingerichtet werden. Zum Schutz
von Bestäubern hat sich das Parlament dafür ausgesprochen, im Anschluss an eine angemessene Folgenabschätzung EU-
weite verbindliche Ziele für die Verringerung von Pestiziden in die überarbeitete Richtlinie über die nachhaltige
Verwendung von Pestiziden aufzunehmen. Es hat auch ein Ziel für die Wiederherstellung von Bestäubern gefordert.

Dieses Dokument wurde für die Mitglieder und Bediensteten des Europäischen Parlaments erarbeitet und soll ihnen als Hintergrundmaterial für
ihre parlamentarische Arbeit dienen. Die Verantwortung für den Inhalt dieses Dokuments liegt ausschließlich bei dessen Verfasser/n. Die darin
vertretenen Auffassungen entsprechen nicht unbedingt dem offiziellen Standpunkt des Europäischen Parlaments. Nachdruck und Übersetzung –
außer zu kommerziellen Zwecken – mit Quellenangabe gestattet, sofern das Europäische Parlament vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar
übermittelt wird. © Europäische Union, 2022.
eprs@ep.europa.eu http://www.eprs.ep.parl.union.eu (intranet) http://www.europarl.europa.eu/thinktank (internet) http://epthinktank.eu (blog)

Das könnte Ihnen auch gefallen