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N R .

7 A U S 7, 7 M I L L I A R D E N - São Paulo
Maysa lebt ganz im
Norden von Brasiliens
Hauptstadt, in der
Favela Brasilândia.

Maysa
Für viele ist diese
Adresse ein Stigma

250 m

reißt die
Mauern
ein
Maysa Leite Martins ist 15 Jahre
alt und hat ein großes Ziel: Die
Brasilianerin will Supermodel
werden und so ihrer Familie helfen.
Dagegen spricht: Sie ist arm und
schwarz. Dafür spricht: Sie ist klug
und kämpferisch

Text: Jan Christoph Wiechmann


Fotos: Luisa Dörr

M AY S A L E I T E M A R T I N S
-
São Paulo, Brasilien

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- Armut
Rund 300 000
Menschen leben
in Brasilândia.
Der Stadtteil ist
berühmt als Kulisse
für ­Seifenopern,
berüchtigt für Elend
und Drogenkriege

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- Heimat
Schon der Gang zum
Bäcker am Morgen
birgt Gefahren für
Maysa und ihre
sechs Jahre jüngere
Schwester (hier im
Jahr 2015). Sie haben
gelernt, mit der
Angst zu leben, und
doch nur einen
Wunsch: die Favela
zu verlassen

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- Ruhm
Ein wenig Aufmerk-
samkeit wird Maysa
bereits zuteil, für
einen Modelwett-
bewerb produziert
die populäre Fern-
sehshow »GUGU«
im Jahr 2017 eine
Homestory über sie

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H
für Unpünktlichkeit und Bildungslosigkeit. Für - Stolz
frühe Schwangerschaften, für schlechte Haut und Maysa liebt ihren
schlampige Sprache. Ein Ausschlusskriterium, so Afro genauso wie
ihren dunklen Teint.
wie eine Vorstrafe.
Sie will sich nicht
Ihr Weg führt vorbei an Autowracks, in denen
den üblichen Konven-
sich Obdachlose eingenistet haben. An Dro­gen­dea­ tionen unterwerfen,
lern in Maysas Alter, die das schnelle Geld wählen. schon gar nicht
An Schlaglöchern, so tief, dass Kinder in ihnen Ver- »weißen« Schönheits-
stecken spielen. Doch mit jedem Kilometer hinein idealen
in die Stadt wird der Straßenbelag glatter, werden
die Fabriken größer, die Hochhäuser schicker.
„Es ist eine andere Welt“, sagt Maysa. „So nah –
HEUTE SOLL ES klappen. Heute soll der Durch- BRASILIEN und doch Lichtjahre entfernt.“
bruch endlich gelingen. Nach sieben Jahren, nach Drei Stunden später betritt sie diese Welt, ein
unzähligen Castings, Fotoshootings, Agenturbe- Einwohner Konferenzhotel aus Marmor und Glas, kalt wie ein
suchen, falschen Versprechen, Tränen. „Es ist an 211 Millionen Kühlhaus. An der Außenfassade wächst ein Garten.
der Zeit“, sagt Maysa. „Ich bin jetzt 15.“ Am Eingang warten Fotografen. Über ihnen hängt
Noch ist es dunkel in Brasilândia, ihrem Armen- BIP pro Kopf* in Schwarz und Weiß ein großes Plakat: „OS.FW.
viertel im Norden São Paulos. Ein Sonntagmorgen 15 602 $ Osasco Fashion Week.“
(Deutschland:
im Mai, 25 Grad, Spätherbst in Brasilien. Die Fa- Es ist der letzte Tag der einwöchigen Moden-
50 425 $)
vela ist eine von Hunderten in der 20-Millionen-­ schau. Maysa ist für fünf Einsätze auf dem Lauf-
Metropole – und eine der berüchtigtsten. Kulisse Lebenserwartung steg gebucht. Es ist aber vor allem der Tag der Ent-
für Seifenopern und Polizeiserien, Synonym für 75 Jahre scheidung: Aus ursprünglich 2500 Models werden
Drogenkriege und Elend dieser Krisenjahre. von den Veranstaltern fünf ausgewählt. Sie sollen
Andere Leute mögen ihre Favela einen Slum »Weiße« die Mode Brasiliens international vertreten. Sie
nennen. Maysa nennt sie Heimat. 47,7 % sollen Schulungen bekommen, Dermatologen an
*Internationale Dollar, kaufkraftbereinigt

Es ist Zeit zum Aufstehen, 5 Uhr früh. Maysa die Seite, Psychologen, Ernährungsberater, Eng-
teilt Zimmer und Bett mit ihrer Mutter Ana Paula, »Mischlinge« lischlehrer. Die professionelle Begleitung für eine
46, und ihrer neunjährigen, schwer kranken Schwes­ 43,1 % Zukunft in Paris, New York, Mailand.
ter Luana. Nebenan im Zimmer leben zwei Tanten Maysa trägt einen grauen Hosenanzug, der um
und ein Onkel und gelegentlich weitere Verwand- »Schwarze« ihren zarten Körper schlingert wie ein loses Tuch.
te. Es ist eine kleine Hütte, aber immerhin aus Stein 7,6 % Sie verschwindet in der Maske, ein Paradies aus
und Beton, es ist der Familiensitz. Hun­derten von Cremes, Bürsten, Lippenstiften,
Heute stehen alle mit ihr auf. Es ist Maysas gro- Make-­up. Doch da erwartet sie das nächste Hin­
ßer Tag. Während ihre Freundinnen noch auf Par- der­nis: Es handelt sich um Schminke und Haar-
tys sind, macht sie schon Frühgymnastik. Während spray für weiße Mädchen. Für glatte Haare. Für
ihre Freundinnen Drinks mixen und Ham­burger die Welt der Gisele Bündchen. Maysas Haare sind
verdrücken, trinkt Maysa Wasser und isst Bana- kraus, so richtig kraus – Haare, für die Brasilianer
nen. Viel Kalzium, Magnesium, gegen mögliche Worte übrig haben wie hart, wild, unzähmbar.
Krämpfe auf dem Laufsteg. Ihre Haut ist dunkel, so richtig dunkel; die Bezeich-
Die Sonne geht auf über den Hügeln der Stadt. nungen dafür lauten: verbrannt, zartbitter, negrid.
São Paulo liegt golden unter ihr wie ein großes Sie sagt: „Ich liebe meinen dunklen Teint. Ich
Versprechen. Die Arbeitermetropole. Ohne An- lie­be meinen großen Afro. Ich bin alles oder nichts.
fang und Ende. Ziel von Migranten aus dem gan- Ich bin Maysa.“
zen Land. Diese brummende, klotzige, dampfende Sie spricht ihren Namen genüsslich aus: Maysa
Stadt, die in der Tat niemals schläft. Leite Martins. Ein Name wie ein Song, findet sie. Sie
Mit den ersten Sonnenstrahlen machen sich re­det melodisch wie eine Radiomoderatorin. Sie
Maysa und ihre Mutter auf den Weg in den Vor­ort denkt schnell. Lacht laut. Sie blickt lange und in­
Osasco, Brasiliens Zentrum der Mode, zur Fa­shion ten­­siv, als versuche sie ihre Gegenüber zu durch­
Week. Es sind nur 20 Kilometer, aber drei Stun- drin­gen.
den per Bahn und Bus im dichten Verkehr – das „Maysa ist eine beängstigend starke Persönlich-
Schicksal aller Pendler aus den Favelas. keit“, sagt ihr Vater, der Polizist Paulo Roberto
Für Maysa und viele Bewohner ist der Begriff Leite. „Sie ist unheimlich weit“, sagt ihre Mutter,
ein Stigma. Favela beschreibt nicht nur eine Her- die Verwaltungsangestellte Ana Paula Martins.
kunft – es ist für viele Arbeitgeber auch Synonym „Fünf Jahre reifer als andere ihres Alters.“

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»Meine Generation Sie baute das Haus schließlich mit 64 kurz vor
ihrem Tod, jenes, in dem die Familie heute lebt.
ist anders. Wir Maysas Mutter Ana Paula, das jüngste dieser
sechs Kinder, hatte schon einen anderen Traum.
­wollen ein Leben Sie wollte raus aus der stereotypen Ecke der schwar­
zen Dienstmädchen. Sie wollte ein festes Einkom­
- Krönung
Mit 12 Jahren wird
ohne Machismo men, einen Schreibtischjob in der weißen Welt.
Tatsächlich absolvierte sie die Schule und erhielt
Maysa Miss São
Paulo – in der
und Homophobie« eine Stelle in der Verwaltung eines Ingenieursun­
ternehmens. Sie verwirklichte ihren Traum mit 44.
Ka­te­gorie »Schwar- Und nun ist sie dran, Maysa, gerade mal 15, eben­
M AY S A L E I T E M A R T I N S
ze Schönheit«.
so schwarz wie die Oma, ebenso ehrgeizig wie die
Auch ihre kleine
Mutter, aber noch forscher, selbstbewusster. „Ich
Schwester Luana
reiht sich unter die will in fünf Jahren in Europa sein.“
Siege­rinnen Maysa sagt das ohne jede Arroganz. Eher nüch­
tern, als Fakt.
In 50 Jahren von der kleinen Hütte in Cam­pi­nas
bis nach Paris. Sie sieht es als generationsüber­
greifenden Traum. Als Abschluss eines Zirkels.
Es ist genau diese Kombination, die sie an die­ Als späte Rache an der Sklaverei.
sen Punkt führte, glaubt Maysa selbst: Charakter­ Die Frage ist: Wie realistisch ist das?
stärke und Reife. Als Maysa von ihren Plänen erzählt, liegt sie
In Brasilien ist Modeln noch immer der große auf dem Sofa ihres Hauses im Viertel Jardim Dos
Traum vieler Mädchen, vor allem in der Unter­ - Geschwister Fran­cos, einem Teil ihrer Favela Brasilândia. Es
schicht. So wie Jungen Fußballprofis werden wol­ Eine Schwester zu ist ein anderer Tag, Monate vor dem Showdown
bekommen war
len. Die Chancen, es als Supermodel zu schaffen, in ­Osasco. Ihre dünnen Beine baumeln über der
Maysas inniger
ste­hen bei etwa eins zu einer Million, besagt die abgewetzten Lehne, die nassen Haare sind in ein
Wunsch. Jetzt hat
Sta­tistik. Für ein schwarzes Supermodel liegen sie sie große Angst Handtuch gebunden. Im Fernsehen läuft – unter­
bei eins zu hundert Millionen, glaubt Maysa. um Luana: Das brochen von kleinen Stromausfällen – die Sei­
Drei Stunden später hat sie ihren ersten Auf­ Mädchen ist an fenoper „Auf der anderen Seite des Paradieses“,
tritt auf dem Laufsteg. Die Kollektion eines lokalen Sichelzellenanämie
Designers. Sie trägt weiße Strümpfe bis über die erkrankt
Knie, einen kurzen schwarzen Lederrock und ein
weißes Top. Ihr Blick ist bestimmt, fast drohend.
Ihr Gang wechselt zwischen großer Spannung und
entspannten Schwüngen. Sie legt so viel Verve in
die Schritte, dass ihr Afro bebt.
Die Zuschauer sagen danach Sätze wie: „Die
Schwar­ze sticht hervor. Das Talent ist unverkenn­
bar. Sie hat das gewisse Etwas. Das Funkeln.“ Aber
das sind die Laien. Entscheidend sind an­dere: die
Industrie. Die Agenturen. Der ganze Ap­pa­­rat, der
die Mädchen nach Marketinggesetzen bewertet.

W
E N N E S S I C H M A Y S A genau über­
legt, begann ihr Traum vor 50 Jahren
in einer Hütte in der Industriestadt
Campinas. Ihre Großmutter Sebastia­
na, Analphabetin, Nachfahrin von Sklaven aus
Westafrika, verließ ihre kleine Hütte, um in São
Paulo als Migrantin nach Arbeit zu suchen und ihre
sechs Kinder durchzubringen. Ihr großer Traum
war es, einen Job zu ergattern als Dienstmädchen
in den Häusern der Weißen – und irgendwann mal
ein eigenes Haus zu besitzen.

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die Szene einer Hochzeit zwischen einer schwar­ Piercing, keine Shorts tragen, keine engen Blusen.
zen Frau und einem weißen Mann. Die Serie ist Sie ist eine kleine Soldatin. Sie ist das Gegenteil
Brasiliens großes Gesprächsthema dieser Tage. von favelada, ein Adjektiv, das Brasilianer gern als
Weiß heiratet Schwarz. Keiner würde sagen: Schimpfwort einsetzen.
Schwarz heiratet Weiß.
In Brasilien sind novelas oft die Speerspitze
­gesellschaftlicher Veränderungen – für die Durch­ Maysa macht, was sie will
setzung von Schwu­len­rechten, die Homoehe, die
Akzeptanz „gemischtrassischer“ Beziehungen. Sie Ihre zweite Tante Maria Alice kommt hinzu. Sie
sind Erziehungsanstalten des Volkes, Testballons kümmert sich um Maysas Schwester Luana, die
für Toleranz. an Sichelzellenanämie erkrankt ist. Sie bringt das
„Kommt in der Realität kaum vor“, sagt Maysas Mittagessen: Reis, Bohnen, gebratene Eier. Das Üb­
Tante Margarita über die Hochzeit. „Meine Gene­ liche. Für viel mehr reicht es nicht.
ration ist anders“, entgegnet Maysa. „Wir sind of­ Eine Ernährungsberaterin der Modelagentur
fener, wir können alle Mauern einreißen.“ hat Maysa geraten, viel Salat zu essen, nur weißes
„Ich sage ihr, sie soll erst mal ordentlich spre­ Fleisch, keine Feijoada, das Nationalgericht, Boh­
chen“, sagt Tante Margarita. „Kein Ghettoslang. neneintopf mit Speck.
Nur dann hat sie eine Chance in der Welt der Wei­ „Wir haben nicht das Geld dafür“, sagt Maysa.
ßen. Der Nachbar hat schon gesagt, für eine Schwar­ „Ich versuche, Brause zu vermeiden, Hamburger,
ze drückt sie sich sehr gewählt aus.“ ich passe beim Sport auf, um keine Verletzungen
„Das ist Rassismus“, erwidert Maysa. „Ich spre­ und Narben zu bekommen. Aber ich lasse mich
che, wie ich will. Ich muss mich nicht einer Kon­ nicht bevormunden.“
vention anpassen.“ Ihre Mutter Ana Paula fügt hinzu: „Meine Toch­
Weil ihr Vater 20 Jahre lang Militärpolizist war, ter wächst noch. Sie ist ohnehin sehr dünn. Ich
geht Maysa auf eine Schule des Militärs. Sie darf sage zu Maysa: ‚Kein Druck. Mach das Modeln nur,
dort nicht fluchen. Darf kein Tattoo haben, kein solange es dir Spaß macht.‘ In der Modewelt gibt

- Nachwuchs
Bei der Wahl - Fürsorge
zur Young Miss Im August 2015
São Paulo im bringt Maysa ihrer
Jahr 2015 wartet es fanatische Eltern. Vor Kurzem war Maysa auf Schwester das Ihr Patenonkel Walter Martins kommt zu Be­
Maysa (Mitte einem Fotoshooting mit transparenten Blusen. Zähneputzen bei. such, ein ergrauter Mann mit tiefer Stimme. Er ist
hinten) zusammen Das ist für Mädchen in der Pubertät nicht einfach. Die Mutter der der Patriarch der Familie. Er bezahlt die Repara­
mit den anderen Ich habe erlebt, wie eine Mutter ihre Tochter an­ bei­den kommt spät turen am Haus und sieht sich als Förderer von
Mädchen auf brüllte, sie solle sich nicht so anstellen.“ heim: Der Arbeits- Maysas Karriere. Er durfte als Erster in der Fami­
Anweisungen. weg der Sekretärin lie studieren und wurde Beamter bei der Bahn.

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Mitmachen darf N A P A U L A ist eine kleine Frau mit war­ dauert bis zu „Wenn es eine schaffen kann, dann Maysa“, sagt er.
jede Schülerin drei Stunden – ­
mer Stim­me und Engelsgeduld, die sich „Aber sie wird immer besser sein müssen als die
im Alter von pro Strecke
acht bis zwölf
als die ältere Freundin ihrer Tochter ver­ weißen Models. Brasilien ist sehr rassistisch. Das
steht. Mit ihrem Gehalt schleppt sie drei wird sich nicht ändern.“
Ge­schwister und ihre beiden Kinder durch, von Maysa entgegnet: „Die Mode ist dazu da, Tabus
Maysas Vater lebt sie getrennt. zu brechen. Wenn nicht in der Mode, wo sonst?“
Den Mar­tins ergeht es wie so vielen Brasilia­ „Sie wäre Vorbild für Millionen schwarzer Mäd­
nern in diesen Jahren der Krise: Tanten und On­ chen“, sagt er. „Nicht nur wegen der Hautfarbe.
kel sind arbeitslos. Sie kochen, putzen, bügeln ge­ Auch wegen der Herkunft.“
gen etwas Geld und passen auf die Nichten auf. In Momenten wie diesen klingt Maysas Traum
Es ist ein Solidarpakt aus Not und Liebe. wie ein großes Gemeinschaftsprojekt. Wie ein Ge­
Doch nun ist auch Maysas Mutter von Ar­beits­ sellschaftsauftrag. Sie ist mehr als die große Hoff­
losigkeit bedroht. Die neuen Inhaber des Inge­ nung der Familie. Sie ist der Fixpunkt, das Expe­
nieursunternehmens – Chinesen – entlassen ge­ riment, die Erlösung. Vielleicht etwas viel.
rade viele der Angestellten. „Ich brauche den Die Frage scheint weniger: Kann sie ihren Traum
Erfolg schon deswegen“, sagt Maysa, „falls hier al­ verwirklichen? Eher: Wird die Gesellschaft es zu­
les zu­sam­men­bricht.“ lassen?

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- Finale
Maysa betet, bevor
sie bei der Wahl zur
Young Miss São Paulo
ein letztes Mal die
Bühne betritt. Sie
weiß: Modeln ist ein
nervenzehrender
Marathon

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­ esuche sind sie zu hören. Es ist der Hintergrund­
B
klang von Maysas Leben. Die ständige Angst vor
»In den sozialen
den balas perdidas – Querschlägern, die noch aus
drei Kilometer Entfernung tödlich sein können.
­Medien gab es ras­sis­­
Ihre Tante Margarita, eine stämmige Frau mit
kurzen Haaren, ist die „Obermutter“ im Haus, ei­ne
tische Sprüche über
Art Aufseherin. „Ich sage zu Maysa: Geh nicht vor
die Tür. Das ist zu gefährlich.“
meinen TV-Auftritt«
„Ich halte mich nicht daran“, erwidert Maysa. M AY S A L E I T E M A R T I N S
„Ich weiß mich zu verteidigen.“
Sie verlässt das Haus und schlendert durch die
Gassen, um Getränke für den Besuch ihrer Freun­
de zu kaufen. Sie mag ihr Viertel. Wo andere her­ - Verwandlung
un­tergekommene Hütten wahrnehmen, sieht sie Vor ihrem Fernseh-
auftritt kommt ­
das Glück eines Zuhauses. Wo andere den Krach
für die 14-jährige
anprangern, sieht sie Leben. Das Wort Slum, findet Rua Nicolau Dorati –, aber eher Außenseiterin als
Maysa die Anprobe.
sie, wird zu leicht vergeben. In der Show »GUGU« Stolz des Viertels. Sie geht nicht auf die berüchtig­
Automatisch fällt Maysa in ihren Laufstegstil. gewinnt sie nicht ten Funk-Feste – organisiert von den Banden, aus­
Sie ist allseits bekannt – das junge Model aus der nur Modelvertrag gestattet mit reichlich Drogen und Alkohol. Sie
und -kurs, sondern geht auch nicht in die zahlreichen evangelischen
auch Schulgeld Kirchen – das Kontrastprogramm, wo sie mit
Keuschheitsgelübden auf die Bedrohungen re­
agieren. „Ich bin hier eher Exotin“, sagt Maysa.
Ein Mädchen mit Freunden in der Modelwelt und
anderen Subkulturen São Paulos: Schwule, Punks,
Transgender, Sprayer.
Sie gehört nicht in die eine Welt, weil ihre Haut­
farbe zu schwarz ist. Und nicht in die andere, weil
ihr Verhalten zu weiß ist.
Ihre Freunde kommen vorbei, 20 Teenager. Sie
- Familie
»So bin ich,
räumen das Wohnzimmer frei und studieren die
Tanz-Choreografie für ihre Feier zum 15. Geburts­

M
gratuliert mir«:
A Y S A H A T N I E in rosaroten Farben Unter diesem der Flug wurde nicht bezahlt, es gab keine Unter­ tag ein, die so wichtige festa de debutantes, in La­
vom Modelleben geträumt wie andere Motto feiert Maysa kunft, kein Essen und kein Honorar, nicht mal teinamerika bekannt als quinceañera. Maysa tanzt
Mädchen. Vielleicht liegt es daran, dass ihren 13. Geburts- eine Decke zum Schlafen. barfuß. Sie trägt ein Kostüm, das sie selbst zuge­
ihr jedes Jahr der Durchbruch prophezeit tag mit zwei „Das war Ausbeutung“, erinnert sich Ana Paula. schnitten hat. Sie gibt die Kommandos, zeigt den
wur­de, der nie kam. Als sie acht Jahre alt war, wur­ Tanten, einem „Eher eine Lektion“, sagt Maysa. „Es nimmt ei­ anderen die Schritte zu Beyoncés Songs.
de sie im Shoppingzentrum von einem Scout auf Onkel und ihrer nem die Naivität.“ Das sind ihre Ikonen: Naomi Campbell für Black
ihr hübsches Gesicht angesprochen. Aber ihre Mutter Ana Paula, Im vergangenen Jahr nahm Maysa an einer Fern­ ­Power auf dem Laufsteg. Beyoncé für Black P ­ ower
Mutter hatte nicht das Geld, um sie an dem Schön­ die Schwester sehshow teil und wurde mit ihrer heiteren Art ei­ im Leben.
­Luana trägt. Alle
heitswettbewerb teilnehmen zu lassen. nem breiteren Publikum bekannt. Sie erhielt viel Maysas Freundinnen, fast alle aus der Mittel­
sechs teilen sich
Da merkte Maysa, dass Modeln wenig mit Träu­ eine kleine Hütte Zuspruch, aber auch rassistische Kommentare auf klasse, sagen: „Sie war schon immer so. Sie ist die
men zu tun hat, sondern mit Investitionen. Facebook, die ihre Mutter bis heute versteckt, weil geborene Anführerin. Sie hat eine natürliche Au­
Danach sparten sie ein Jahr lang, um professio­ sie so verletzend sind. torität. Wenn es eine schaffen kann, dann Maysa.“
nelle Fotos machen zu können, und gaben diese Der große Traum, so stellte sich in den sieben Die große Frage ist nur: Wie erfährt die Welt
an Agenturen. Maysa wurde daraufhin eingeladen Jah­ren des Modelns heraus, ist ein unendlicher von ihr?
zum Wettbewerb „Miss São Paulo“. Sie trat in der Hürdenlauf.

S
Unterkategorie „Miss Schwarze Schönheit“ an, als „Mir ist klar, dass es nicht leicht ist“, sagt Maysa. I L V I O P O M P E U H Ä L T sich für Maysas
wäre sie eine andere Sorte Mensch. Da begriff sie, „Es ist vor allem harte Arbeit. Und eine Schule fürs Entdecker. Ein ehemaliges Model, groß,
dass es in ihrem Traum nicht nur um Geld geht, Leben. Ich will es nicht missen.“ breite Schultern, eine Haut, die er zimt­
sondern auch um die Hautfarbe. Es sind Sätze, für die sie fünf Jahre zu jung ist. farben nennt. Er war der erste schwarze
Der Durchbruch wurde ihr schließlich prophe­ Sie denkt viel nach – über sich und die Gesellschaft Brasilianer mit Erfolgen in der Modeindustrie
zeit, als sie den Auftrag eines italienischen Mode­ und die Ungerechtigkeit, in die sie geboren wurde. und hat einst mit Naomi Campbell zusammenge­
labels für ein Shooting in der Hauptstadt Brasília Sie lebt inmitten von Bandenkriegen. Draußen arbeitet. Er hat seine eigene Schule, die SP ­Fa­­shion
erhielt. Zum ersten Mal winkte richtig Geld. Aber in der Ferne fallen Schüsse. Bei jedem unserer School, und nahm Maysa sofort auf. Nach den

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Rückschlägen der Anfangsjahre sagte er ihr die
­erlösenden Sätze: „Du läufst wie Gisele. Du hast
den. Und hat damit noch keinen Auftrag. Sie ist
dort eine Nummer, nur eine von vielen.“ Weltbürgerin
ihre Ausstrahlung. Du bist ein Juwel.“ Eine von 7,7 Milliarden
Pompeu, 38, trägt ein enges Hemd mit tiefem
Ausschnitt und sitzt mit großer Sonnenbrille und Ihr Typ ist in Europa gefragt
seinem jugendlichen Freund am Laufsteg in Osas­
co. Entzückt beobachtet er Maysas Auftritte. „Ich Maysas Agentur Mega Model ist eine der größten
sehe ihre Zukunft nicht in Brasilien“, sagt er. „Auch Lateinamerikas. Sie hat ihren Sitz im vornehmen Wofür sind Sie dankbar?
nicht in den USA. Ich will sie für Asien. Da ist ihr Stadtteil Cidade Jardim in einem großen Klin­ker­ Ein Haus zu haben, Essen und Kleidung. Das ist nicht selbstverständlich in meinem Land.
Typ jetzt gefragt.“ bau, der auch in Hamburg stehen könnte. Was erfüllt Sie mit Hoffnung?
Doch die Frage ist: Gehört sie ihm noch? Und „I am Mega“ steht als Slogan an der Wand. Auf Meine Generation. Wir werden die Dinge anders machen. Wir wollen ein Leben ohne
zu welchem Prozentsatz? In Brasilien sichern sich - Traum Bildschirmen laufen Modeschauen aus New York. Machismo und Homophobie.
oft mehrere Agenten Anteile an Talenten – an Fuß­ Leben für den Junge Models gehen ein und aus. Sie kommen mit
großen Auftritt: Welche Hoffnung haben Sie aufgegeben?
ballstars genauso wie an Models. der Frage: „Gibt es einen Auftrag?“ Und gehen fast Keine. Ich glaube an die Kraft, alles ändern zu können.
Maysa ist zwölf,
Es hat ein Rennen um Maysa Leite Martins, immer mit der Antwort: „Momentan leider nicht.“
als sie sich in das Was bezeichnen Sie als Heimat?
1,72 Meter, 48 Kilogramm, 75-57-85, eingesetzt. Hochzeitskleid
Die Worte stammen meist von Chefscout Ema­
Die Arme meiner Mutter.
„Die großen Agenturen wollen sie ausbeuten“, ihrer geschiede- nuelle Carlomagno, einer energischen Frau mit
warnt Pompeu. „Da muss sie erst mal 1000 Dollar nen Mutter hüllt. wenig freier Haut zwischen den Tattoos. Stets fröh­ Auf welchen Aspekt von Heimat können Sie nicht verzichten?
bezahlen, um überhaupt aufgenommen zu wer­ Diese unterstützt lich, immer am Handy, nennt sie alle „Schätzchen“. Die Wärme der Brasilianer. Sie lieben sehr, hassen sehr, alle Gefühle sind sehr intensiv.
ihre Tochter „Ich allein bin für mehr als tausend Models zu­ Was haben Sie zuletzt geschenkt bekommen?
nach Kräften ständig, Schätzchen“, sagt sie entschuldigend, als 7 – F R AG E B O G E N
Ein Herz aus Stoff mit dem Schriftzug: Herz des Träumens. Ein Freund gab es mir.
sie wieder mal das Gespräch unterbricht. Maysa Leite Martins, Und wenn Sie mir hier und jetzt etwas schenken wollten?
Irgendwelche Aufträge für Maysa? 15 Jahre, Einen USB-Stick mit brasilianischer Musik, Samba und Funk. Und ein brasilianisches Essen:
„Noch nichts. Ich sehe ihre Zukunft vor allem São Paulo, Brasilien Reis, schwarze Bohnen und Farofa, geröstetes Maniokmehl.
in kommerziellen Shootings. Modekataloge. Kos­
metik. In Übersee.“ Was war das größte Glück Ihrer Kindheit?
Einkommen
Wie sind ihre Chancen? Als meine Schwester zur Welt kam, Luana. Da war ich sechs. Ich hatte meine Eltern
keins
so sehr darum gebeten, ein Geschwisterchen zu haben.
„Besser als je zuvor. Der Typ Bahía ist sehr im
Kommen. Dunkler Teint. Kurven. Gerade Europä­ Mitbewohner Was sollen Ihre Kinder so machen wie Sie selbst?
er suchen das jetzt. Maysa braucht noch mehr fünf (Mutter, Schwester, Respekt zeigen, ehrlich sein. Das gab mir schon meine Großmutter mit. Ich möchte,
Körper. Aber sie entwickelt sich ja noch. Schwar­ Onkel, zwei Tanten) dass meine Kinder und Enkel das auch tun.
ze sind im Trend.“ Was war Ihre größte Enttäuschung?
Ausbildungsdauer
Es ist ein eigenartiger Satz. Man sagt ja auch Die Trennung meiner Eltern. Mein Vater hatte meine Mutter betrogen.
noch zwei Jahre bis zum
nicht: Weiße sind im Trend.
Schulabschluss Haben Sie eine liebste Erinnerung?
Der Durchbruch schwarzer Frauen wird in Bra­
Schaukeln mit meinem Opa. Er hatte so sehr Angst, dass ich fallen würde, aber ich fiel
silien seit Jahren angekündigt, aber die Entwick­ Preis für 1 Kilogramm Zucker nicht.
lung ist schleppend. In einem Land, in dem sich 60 Cent
über 50 Prozent als schwarz oder gemischter Ab­ Was war Ihr bisher bestes Lebensjahr?
Dieses Jahr. 2018. Ich bin meinem Traum nahegekommen, Model zu werden. Und ich
stammung bezeichnen, sind nicht einmal zehn Pro­ Traum-Anschaffung
hatte eine tolle Geburtstagsfeier.
zent der Models Schwarze. Im Kongress stellen Haus für meine Familie
Schwarze weniger als fünf Prozent, schwarze Frau­ Woran erkennt man echte Liebe?
en nur 0,58 Prozent. Es gibt keinen schwarzen Arztrechnungen Weiß ich noch nicht.
Vorstandsvorsitzenden unter den 381 an der B ­ örse zahlt die Krankenkasse
Wie viel Geld möchten Sie besitzen?
vertretenen Unternehmen. In den Werbespots Geld ist mir nicht wichtig. Es gibt vielleicht Stabilität. Wichtiger aber sind mir Gefühle
strahlen vor allem weiße Familien, auf den Werbe­ Entfernung zum Arzt
und Freundschaften.
tafeln weiße Babys, Nachrichtensprecher sind eine Straße
Wie viel Zeit am Tag gehört Ihnen?
ebenso weiß wie die Chefs der Modelabels.
Weiteste Reise Drei Stunden. Die Zeit meines Schulwegs im Bus.
Das Land, das sich gern als multiracial verkauft,
Klassenfahrt nach
als bunte, farbenfrohe, interkulturelle Republik, Wenn Sie die Macht hätten: Was würden Sie allen anderen Menschen befehlen?
Florianópolis,
ähnelt in seiner Struktur oftmals noch dem Kolo­ 700 km entfernt
Etwas Essen und Geld abzugeben. Bei uns in São Paulo gibt es viele Obdachlose.
nialreich. Was fehlt Ihnen zum Glück?
„Der Rassismus dominiert Brasilien noch im­ Ich bin glücklich. Totales Glück wird es nie geben.
mer, alles andere ist Lüge“, sagt Leônidas Lopes,
Gründer von GPMS, einer Agentur, die 680 vor
­allem schwarze Models vertritt. Lopes ist Jurist

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und Schauspieler, der Kopf geschoren, das Hemd Vertrag und den Namen „Die Catwalker“. „Wir su­
beschriftet mit dem Namen seiner Agentur: „Büh­ chen in der Unterklasse nach den Rohdiamanten“,
nengruppe der tausend Träume“. Er empfängt in sagt Dantas, „neue Giseles, die sonst keine Chan­
seinen Räumen am Zentralbahnhof in Rio de Ja­ ce haben. Wir sehen es als großes Investment.“
neiro während einer Probe. Er spricht von Investments und klingt wie ein
Seine Models werden gern als Sklaven für Filme Banker. Er spricht von Rohdiamanten und klingt
eingesetzt, als Hausangestellte für Serien. „Gerade wie ein Trader.
rief mich Globo an, der größte Sender des Landes. Dann benennt er die fünf. Ein blondes Mäd­
Sie drehen eine Se­rie, die im schwarzen Bundes­ chen ist darunter. Ein schwarzhaariges. Ein rot­
staat Bahía spielt, aber ohne auch nur einen einzi­ haariges. Eine morena mit olivfarbenem Teint. Und
gen schwar­zen Protagonisten. Das gab Proteste eine Schwarze: Maysa Leite Martins.
unter den Zuschauern. Jetzt brau­chen sie ganz Maysa ist glücklich. Aber nicht überrascht. „Ich
dringend ­schwar­ze Schauspieler.“ habe es gehofft“, sagt sie. „Wenn Talent eine Rolle
Vor Kurzem hatte er mit 30 seiner Models ei­ spielt, konnte es nicht anders sein.“
nen Auftritt im Shoppingzentrum Leblon in der Danach sitzt Dantas mit seinen fünf Mädchen
wohl­habenden Südzone Rios. Danach bummelten im VIP-Raum, ein muskulöser Mann, 28, im haut­
sie noch durch die Geschäfte. Besitzer riefen die engen Shirt. Er kommt aus dem Schwärmen nicht
Polizei. 30 Schwarze in einem sonst komplett wei­ heraus: Maysa bringe alles mit – sie sei gebildet,
ßen Einkaufszentrum. Das konnte nur arrastão - Ende der diszipliniert, charismatisch, wunderschön, das
bedeuten, eine Art Massenüberfall. Kindheit kom­plette Paket. „Sie repräsentiert brasilianische
Die »Quinceañera« Schönheit. Sie ist Brasilien.“
ist das größte Fest
Ab jetzt sollen viele Modeschauen folgen. Die
für südamerikani-
Neue Vielfalt auf dem Laufsteg sche Jugendliche.
Models bekommen einen ganzen Stab von Bera­
Anderthalb Jahre tern. „Wir bauen sie groß auf“, kündigt Dantas an.
Als vor vier Jahren bei der Fashion Week in São lang hat Maysa „Wir bringen sie mit Topdesignern zusammen, al­
Paulo afrikanische Kleidung nur von blonden Mo­ die Party zu ihrem les umsonst. Wir kriegen sie nach Europa.“
dels präsentiert wurde, organisierte Lopes Nackt­ 15. Geburtstag
proteste auf dem einstigen Sklavenmarkt am Hafen. vorbereitet
Sie schafften es in die internationale Presse und
erhielten daraufhin von der Modeindustrie ei­ne
- Casting
Quo­te für den Laufsteg: Zehn Prozent der Models 2017 wird Maysa
müssen schwarz oder gemischter Abstammung erstmals als Model
sein.„Wir wollten 30 Prozent, aber das war nicht Maysa unterschreibt den Vertrag bis Septem­ für die Mode­ Es sind die Sätze, die jeder brasilianische Fuß­
durchsetzbar.“ ber 2019, im Beisein ihrer Mutter. Nun gehört sie woche in Osasco ballstar sagt und jeder Musiker. Sie leben die Träu­
Lopes sieht 30 Jahre nach Gründung seiner ihm. 30 Prozent aller Einkünfte muss sie fortan ausgewählt. Dort me für die Familie, nicht für sich.
Agen­tur zarte Fortschritte. Es gebe eine Sehnsucht an Rodrigo Dantas abtreten. entscheidet sich Und ihr eigener, ganz persönlicher Traum?
nach etwas Neuem in der Modewelt. Nicht mehr ein Jahr später, ob Sie muss jetzt nachdenken.

A
das Reproduzieren des europäischen Klischees: M N Ä C H S T E N T A G steht sie wieder um sie Brasiliens Hinaus aus der Stadt, die ihr jetzt schon zu
bleiche Haut, hohle Wangen, knochige Körper, stel­ fünf Uhr auf. Ein ganz normaler Schul­ Mode zukünftig klein geworden ist. Hin­aus aus dem Krisenland
zenhafte Beine. „Wenn unsere Models auftreten, tag. Sie braucht bis zu zweieinhalb Stun­ auch international Brasilien. „Ich will dahin, wo die Zukunft ist“, sagt
vertreten darf
mit Afro, Dreads, bunten Gewändern, mit Kraft, den für den Schu­lweg. Über den Deal mit sie. Aber nicht Paris, nicht London oder New York.
Kurven, mit Lächeln, reißt das selbst die sonst so Dantas sagt sie: „Mal sehen. Es gibt viele Verspre­ „Dubai“, sagt sie. 🌍
kühlen Europäer mit.“ chungen. Ich verlasse mich nur auf mich selbst.“
Eine ebensolche Show beendet die Osasco Fa­ Maysa hat wieder andere Sorgen. Ihre Schwes­
shion Week. Es ist Maysas letzter großer Auftritt ter Luana kann nicht mehr zur Schule gehen. Sie
an diesem Sonntag – und der entscheidende. Mo­ kommt gerade aus dem Krankenhaus, 21 Tage an
dels aller Größen und Hautfarben treten auf: im Schläuchen, die Beine waren gelähmt, sie stand
Rollstuhl. Mit fleckigem Gesicht. Mit Downsyn­ kurz vor einem Schlaganfall. Sie bräuchte eine Rü­
drom. Junge, Alte, Dicke. Maysa im rot-weißen ckenmarkspende, aber in Brasilien wird die Be­ GEO-Reporter JA N C H R I ST O P H W I E C H M A N N
Kimono mit Afro. In der Vielfalt liegt der Traum handlung nicht durchgeführt. war froh, dass Maysas Geschichte weit entfernt ist
der Designer von einer besseren, bunten Welt. „Ich will meiner kleinen Schwester eine Be­hand­ von „Germany’s Next Topmodel“. Die brasilianische
Danach stellt Veranstalter Rodrigo Dantas die lung im Ausland ermöglichen“, sagt Maysa be­ Fotografin L U I S A D Ö R R hat schon viele
Gewinnerinnen vor. Aus 2500 Bewerbungen wur­ stimmt. „Das ist mein eigentlicher Traum. Und starke Frauen porträtiert, Hillary Clinton etwa.
den zunächst 400 Models ausgewählt. Dann 80. ich will meiner Mutter ein Haus außerhalb der Fa­ Maysa fotografiert sie seit 2014, mittlerweile sind
Schließlich fünf. Sie erhalten einen lukrativen vela schenken.“ die beiden befreundet.

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