Quelle: Kammerlohr, Kunst im Überblick: Stile-Künstler-Werke, Oldenbourg Verlag
Rokoko
Wallfahrtskirche
,,In der Wies", 7745-7754
Grundriss
)Vedute fabgeleitet von lat.
videre sehen): sachlich getreue
Ansicht einer Stadt oder Land-
schaf't
Das Rokoko entwickelte sich in der aristo-
kratischen Gesellschaft Frankreichs. Nach
dem Tod Ludwigs XIV. im Jahr 1715 setzte
ein Überdruss am Prunk des Barock ein.
Man zog nun eine intimere und persön-
lichere Atmosphäre vor, suchte den be-
schwingten Genuss voller Anmut und
Leichtigkeit. Statt monumentaier Residen-
zen baute der Adel Stadt- oder Lustschlöss-
chen, an die Stelle pathetischer Skulpturen
traten empflndsarn-grazile Figuren, statt
monumentaler, verherrlichender Motive be-
vorzugte man gefühlsbetonte Themen.
Der Begriff ,,Rokoko" ist abgeleitet von der
Ornamentform der Rocaille (franz. Muschel-
werk), die in der Ausstattungskunst der
Zeit erscheint (s. S. 201). Innenarchitektur
und Dekoration (Spiegel, Fresken, Wand-
teppiche, Seidentapeten, Bahmen, Mobi-
liar, Porzellan, bis hin zum Tischsilber) sind
im Rokoko durch eine rankende Ornamen-
tik in höchstem Maße aufeinander abge-
stimmt. Nicht mehr wuchtige Repräsenta-
tion ist das Ziel der Bauten und ihrer Aus-
stattung, sondern die Schaffung einer lichten
und heiteren Umgebung für Bälle, Konzerte
oder Gesellschaften. Hierhin zog sich der
Adel vom Zwang des Zeremoniells zurück.
In Süddeutschland prägte das Rokoko den
Kloster- und Kirchenbau. In der ,,Wies-
kirche" von Dominikus (1685-1766) und
Johann Baptist (1680-1758) Zimmer-.
mann löst sich die Architektur im Orna-
ment auf und scheint in den Himmelsraum
überzugehen. Die Rokokokirche ist weniger
durch einen tiefen religiösen Ernst geprägt'
sondern wirkt festlich-unbeschwert. Es ist
eine Kunst der spielerischen Andeutung
uncl nicht mehr der machlvollen Überzeu-
gung (wie noch der Barock).
Die Plastik diente als Garten- oder Bauplas-
tik vorwiegend dekorativen Zwecken. Das
Rokoko bevorzugte das Theater und fand
am gleitenden Übergang zur Sphäre des
Gespielten besonderen Gefallen. So wollen
die Figuren aus Holz oder Stuck nicht mehr
die Illusion eines lebendigen Menschen
erwecken. Sie sind häuflg in Weiß gehalten
und so der natürlichen Erscheinung ent-
rückt - auch die Menschen der vornehmen
Gesellschaft des Rokoko waren durch
der, Puder und Perücke ins Künstliche
höhr.
Kleinmeisterliche Züge tragen die a
menden Porzellanflguren. Seit 1709 war
Werkstoff Porzellan in EuroPa ve
und bald darauf gründeten Fürsten
orts Porzellanmanufakturen, die
stücke produzierten. Die kleinen
von Franz Anton Bustellt (1,723-1
etwa - voljer Witz, Grazie und Schwung
zeigen Figuren aus der Commedia
Arte, der beliebten italienischen
Die Zeichenkunst des Rokoko arbeitete
Techniken wie Pastell, Kreide oder
mit flüchtigem Strich und verwi
Effekten. In der Malerei, die eher
Formate und helle Farben bevorzugte,
Frankreich mit Frangois Boucher (1
1770) und seinem Schüler Jean
Fragonard (1.7 32-1806) führend. In
Gemälden spielten sie mit galanten
men und erotischen Pikanterien,
mit der verstohlenen Schaulust des
trachters.
KiiLnstler wie Giovanni Battista
(L696-1.770) oder Canaletto {1.697-1.
aus Venedig fanden vielerorts in E
Beschäftigung. Sie zogen jeweils
wo sie - etwa als Spezialist für >Vedu
Aufträge erwarteten. In England
sich im Rokoko eine eigenständige und
deutende Schule mit Künstlern wie
Hogarth (1697-1,764), Joshua
(1723-1792) oder Thomas Gains
(1,727-1.788).
Im 18. Jahrhundert. der Zeit der A
rung, entstand die Kunstkritik, die sich
höflschen Geist abwandte und sich an
gerlichen Werten orientierte. In der
selbst zeigt sich dies an moralisch
tenden Darstellungen, die zum Teil
gesellschaftliche Missstände anklagen.
Spanier Francisco Goya (17 46 -1.828)
te sich gegen Ende des Jahrhunderts
galanten Themen ab und wandte sich
AbgrüLnden der menschlichen Psyche
ihren Albträumen zu. So wies er mit
Teil seines Werkes weit in das fo
Jahrhundert.
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- norri Fragonald: Die Scharkel, 1767. ()l auf \\'illiam llofaar1h: Der erziirnte N,lusiktrr, 17.11. Radienurg und Kupk rstich, 36 x .ll,3 cm,
: :d. S I r 65 cm. I-ondon. \Vallucc Collection (iöttingen. Slaats- rurd Universi(ätsbibLiolhok