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Beobachtungspraktikumsbericht:

Inwiefern ändert sich das Engagement des Schülers im Vergleich vom Einzel- zum
Gruppenunterricht?

Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover


Philosophische Fakultät
Institut für Sonderpädagogik
Bachelor of Arts Sonderpädagogik
Modul D
Tutorinnen: Nina Rieke, Lea Grabow
Praktikumsbericht
Abgabetermin: 03.05.2017

Laura Huskamp
Am Welfenplatz 7, 30161 Hannover
Matrikelnummer: 3118980
l.huskamp@hotmail.de

Seeparkschule Wesermünde
Förderschule für körperliche und motorische Entwicklung

Praktikumszeitraum:13.02.2017-01.03.2017 / 3.+4.04.2017

Betreuer: Hr. Sebastian Schulz

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Inhaltsverzeichnis:

1.) Einleitung 2
2.) Hauptteil 2
A.) Theoretische Einbettung des Themas 2
B.) Kurze Darstellung der Einrichtung 4
C.) Aufgaben und Tätigkeiten im Praktikum 5
D.) Fallskizze 6
E.) Fragestellung 8
F.) Darstellung und Begründung der durchgeführten Beobachtung 9
I.) Verfahren 9
II.) Durchführung 11
III.) Auswertung 14
IV.) Interpretation 16
3.) Reflexion 17
4.) Literaturverzeichnis 19
5.) Anhang 20
(1) LES-K: 12 Beobachtungen schriftlich festhalten 20
(2) LES-K: Erläuterungen zu Formblatt 5 23
(3) LES-K: Beobachtungsbogen zur Einschätzung von 24
Engagiertheit einzelner Kinder zu unterschiedlichen
Zeiten /Situationen (Formblatt 5)
(4) Beobachtungen im Verbalsystem 25
(5) Beobachtungen mit Formblatt 5 37
(6) Selbstständigkeitserklärung 46
(7) Einverständniserklärung zur Beobachtung 47
(8) Bestätigung der Praktikumsstelle 48
(9) Krankschreibung für den 2./3.02.2017 49

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1.) Einleitung

Um die StundentInnen des Studiengangs Sonderpädagogik an der Leibniz Universi-


tät auf ihre zukünftigen Berufsfelder vorzubereiten, wird im Laufe des Bachelors ein
Beobachtungspraktikum durchlaufen. Hierbei sollen die Studierenden lernen eine Be-
obachtung zu planen, ein Beobachtungsinstrument zu wählen oder selbst zu erstel-
len, dieses in der Praxis auszuführen, die Beobachtungen zu dokumentieren, auszu-
werten und zu reflektieren. Das dreiwöchige Praktikum wird in einer sonderpädagogi-
schen Einrichtung absolviert und dient nicht nur der Kompetenzen Erweiterung, son-
dern auch dazu ggf. Förderbedarf zu erkennen und Verhalten zu interpretieren.

Im folgenden Praktikumsbericht, soll das Engagement innerhalb des Unterrichts ei-


nes 11-Jährigen Jungen mit frühkindlichem Autismus beobachtet werden. Meine Fra-
gestellung und das Beobachtungsziel beziehen sich darauf, einen Vergleich seiner
Engagiertheit im Einzel- und Gruppenunterricht zu ziehen. Im ersten Teil des Berich-
tes werden die Themen Autismus bzw. frühkindlicher Autismus und Engagement,
laut Leuvener Engagiertheitsskala genauer beschrieben, sowie eine Zielsetzung der
Beobachtungen. Anschließend wird die Seeparkschule Wesermünde, in welcher ich
mein Beobachtungspraktikum absolvierte, näher dargestellt. Meine persönlichen Auf-
gabenbereiche und typische Tagesabläufe werden erläutert. Nach einer Fallskizze
des beobachteten Schülers, folgt abschließend im ersten Teil des Berichtes die Er-
läuterung meiner Fragestellung.

Im zweiten Teil des Berichtes, werde ich dann das verwendete Beobachtungsverfah-
ren näher darstellen und erläutern. Ich werde auf das Verfahren, die Durchführung
und die Auswertung eingehen, sowie eine Interpretation der Beobachtung vorneh-
men. Es folgt abschließend eine Reflexion des Praktikums und der Arbeit mit einem
Beobachtungsverfahren.

2.) Hauptteil:

A.) Theoretische Einbettung des Themas

Wir beobachten in vielen verschiedenen Alltagssituationen, meist ganz unbewusst


und ohne größere Bedeutung für uns selbst. Aber warum beobachten wir genau?
„Wir beobachten andere mit der Absicht, dadurch etwas über sie zu erfahren. Aus
der Information über das Verhalten unserer Mitmenschen leiten wir Schlussfolgerun-
gen über Gefühle, Motive, Intentionen und Handlungsziele ab.“ (Mackowiak,2007,

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S.159). Das Praktikum steigert somit bei erfolgreicher Durchführung unsere Kompe-
tenzen im genauen betrachten und analysieren von anderen Menschen. Statt einer
wahrlosen unstrukturierten Beobachtung wie häufig durch Zufall im Alltag, möchte ich
im Folgenden eine Beobachtung mit festgelegter Fragestellung durchführen. Hierbei
möchte ich meinen Fokus auf die Engagiertheit im Einzel- und Gruppenunterricht
richten. Der Aussage von Bortz & Döring stimme ich zu, wenn sie schreiben, dass
Beobachten bedeutet „Entscheidungen darüber zu treffen, was ins Zentrum der Auf-
merksamkeit rücken soll und wie das Beobachtete zu interpretieren bzw. zu deuten
ist“ (Bortz & Döring,2002, S.263). Denn mit einer konkreten Fragestellung entscheide
ich mich für einen Schwerpunkt und ein Kind und richte meine Aufmerksamkeit von
vielen anderen Dingen die beobachtbar wären ab. Die Bedeutung der Engagiertheit
bei Beobachtungsverfahren habe ich bis jetzt nur in der Literatur zur Leuvener Enga-
giertheitsskala nachlesen können, da ich keine weiteren Konzepte dazu ausfindig
machen konnte. Das Konzept wurde im Zuge eines EU-Projektes entworfen, welches
ErzieherInnen und Lehrkräften helfen soll, mehr Zugang und Verständnis für ihre
SchülerInnen zu finden. Näher auf das Modell eingehen werde ich im zweiten Teil
des Beobachtungsberichtes.

Wie bereits erwähnt entschied ich mich für meine Beobachtungen für einen Jungen
mit frühkindlichem Autismus. Um das Krankheitsbild besser verstehen zu können,
werde ich dieses im Folgenden näher erläutern.

Frühkindlicher Autismus gehört laut ICD-10 zu den Entwicklungsstörungen. Charak-


teristisch dafür ist der Beginn im Kleinkindalter, meist unter drei Jahren. Manifestiert
sich jedoch spätestens zwischen dem 4. und 5. Lebensjahr. Der frühkindliche Autis-
mus stellt die Kerndiagnose eines Autismus dar, weshalb er oft auf „klassischer“ Au-
tismus oder „Kanner- Autismus“ genannt wird. „Kanner-Autismus“ nach dem österrei-
chischen Kinderarzt, welcher als erstes ausführlich den Autismus bei Kindern be-
schrieb (vgl. Poustka, Bölte,Feineis-Matthews & Schmötzer, 2004, S.4). 1943 ver-
fasste er die ersten Aufsätze über die psychologischen Merkmale von Kindern, die er
als autistisch bezeichnete. Das Wort Autismus leitet sich aus den griechischen Wör-
tern „autos“ (selbst) und „ismus“ (ähnlich dem Wort „heit“) ab. Welches darstellen
sollte, wie ungewöhnlich in sich selbst gekehrt diese Kinder waren (vgl. Dodd,2007,
S.1).

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Diese Form des Autismus ist gekennzeichnet, durch ein charakteristisches Muster
von Abnormitäten in den psychopathologischen Bereichen wie der sozialen Interak-
tion & Kommunikation. Ebenfalls müssen begrenzte, repetitive und stereotype Ver-
haltensmuster, Aktivitäten oder Interessen vorliegen. Zu den spezifischen diagnosti-
schen Merkmalen können häufig auch unspezifische Probleme auftreten. Dazu gehö-
ren Schlaf- und Essstörungen, Phobien und Wutausbrüche sowie (autodestruktive)
Aggressionen (vgl. ICD-10, 2016, S.224f.). Kinder mit frühkindlichem Autismus zei-
gen starke Probleme im Miteinander mit anderen Kindern oder im Spielverhalten.
Gefühle und Nähe aber auch gesellschaftliche Konventionen sind schwer nachvoll-
ziehbar (vgl. Poustka, Bölte, Feineis-Matthews & Schmötzer. 2004, S.9f.). Freund-
schaften mit anderen Kindern, werden kaum aufgebaut, da das Interesse an Men-
schen begrenzt ist. Emotionale Äußerungen, Empathie für Andere, sowie Mimik und
Gestik sind wenig zu finden. Häufig sind auch die Sprachkenntnisse beeinträchtigt.
Bei sprechenden Betroffenen zeigen sich Auffälligkeiten indem sie oft gleiche Wörter
und Sätze wiederholen, ebenso nutzen sie die Sprache und Wörter häufig auf eine
eigentümliche Art. Interessen und bevorzugte Aktivitäten sind oft ungewöhnlich, je-
doch verspüren die Autisten ein Bedürfnis nach gewohnten Tagesabläufen und
Gleichförmigkeit in der Umwelt (vgl. ebd. S. 10). Wichtig für die Diagnose, ist eben-
falls, dass das Erscheinungsbild keiner anderen tiefgreifenden Entwicklungs- oder
anderen psychischen Störung zugeordnet werden kann (vgl.ICD-10). Trotz der sehr
detaillierten Beschreibung des ICD-10 lässt die Definition Raum für mögliche Er-
scheinungsformen und Schweregrade zu.

B.) Kurze Darstellung der Einrichtung

„Wir holen die Kinder da ab, wo sie sind. Dann versuchen wir sie durch individuelle
Betreuung zu fördern. Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen und dort setzen wir
an.“ (Ralf Patzelt, Konrektor der Seeparkschule, im persönlichen Interview).

Die heutige Seeparkschule Wesermünde in Debstedt nähe Bremerhaven bietet mo-


mentan 107 SchülerInnen einen Platz an der Förderschule. Der Schwerpunkt liegt
bei körperlich- motorischer Entwicklung. Bevor die Schule 1974 in ihrer jetzigen Form
gegründet wurde, handelte es sich um die „Niedersächsische Landesschule für Con-
tergangeschädigte“. Nicht nur SchülerInnen mit körperlicher oder motorischer Beein-
trächtigung besuchen die Förderschule. Durch die Inklusion, werden immer mehr der
körperlich Beeinträchtigten an Regelschulen unterrichtet. Somit bietet die Schule
auch Platz für die Förderschwerpunkte Lernen, emotionale und soziale Entwicklung
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sowie geistige Entwicklung. Die SchülerInnen sind in 16 Klassen aufgeteilt, wo bei
die Abschlussklasse bis zu dreimal durchlaufen werden kann. Am Ende ihrer Schul-
zeit können die SchülerInnen einen Förder- oder Hauptschulabschluss erwerben. Die
AbschlussschülerInnen auf ein erfolgreiches zukünftiges Leben vozubereiten, liegt
ganz im Sinne der Schule. So lautet einer der Leitsätze: „Wir legen Wert darauf, un-
sere Schülerinnen und Schüler Zukunftsperspektiven für ein selbstbestimmtes, er-
folgreiches und zufriedenes Leben aufzuzeigen.“(Unsere Leitsätze, Intranet). Aus
diesem Grund werden Praktika in verschiedenen Betrieben, in den höheren Stufen
zur Berufsfindung angeboten. Zugehörig zu diesem Thema ist auch der folgende
Leitsatz: „Schülerinnen und Schüler erhalten an unserer Schule Raum und Zeit, ne-
ben den fachlichen Inhalten auch Kompetenzen zu erwerben, die sie startbereit für
ihr zukünftiges Leben machen.“ (ebd.) Da die Schule an ein Internat für Kinder und
Jugendliche mit Behinderung angrenzt, liegt eine enge Zusammenarbeit vor. Viele
SchülerInnen sind ebenfalls BewohnerInnen im Internat. Eine Vielzahl an Mitarbei-
tern mit verschiedenen Berufsfeldern betreuen die SchülerInnen im Wohnbereich,
sowie in der Schule. So sind im Haus nicht nur Lehrkräfte angestellt, sondern auch
Physio- und Ergotherapeuten, Pädagogische Mitarbeiter, Erzieher sowie Heilerzie-
hungspfleger und Schulbegleitungen (vgl. Freiberg, Krützmann, 2016). Diese gefä-
cherte Auswahl an verschiedensten Mitarbeitern hilft dabei allen Bedürfnissen der
SchülerInnen gerecht zu werden. Insgesamt, versucht die Schule jeden in der eige-
nen Persönlichkeit wahr- und anzunehmen und individuell zu fördern, weshalb natür-
lich auch eine gegenseitige Wertschätzung im Fokus des Handelns steht (vgl. Leit-
sätze, Intranet).

C.) Aufgaben und Tätigkeiten im Praktikum

Mein dreiwöchiges Beobachtungspraktikum absolvierte ich in einer 5. Klasse, welche


von 5 Schülern besucht wurde. Alle Jungen hatten einen sonderpädagogischen För-
derbedarf und teils auch körperliche Beeinträchtigungen. Die Klasse wurde durch ei-
nen Sonderschullehrer geleitet und unterstützt von einer pädagogischen Mitarbeiterin
und einer Schulbegleitung, welche für zwei der Jungen verantwortlich war. Die
Klasse hatte täglich Unterricht bis 13:00 Uhr außer dienstags, da dann nach einem
Mittagessen, Arbeitsgemeinschaften besucht wurden. Ich begleitete die Klasse täg-
lich von 8:30 Uhr bis Schulschluss. Davon verwendete ich meist zwei bis drei Schul-
stunden intensiv damit, dass ich mich nicht in die Klasse integrierte, sondern außer-

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halb des Geschehens zum Beobachten saß. In der restlichen Zeit, half ich den Schü-
lern bei ihren Aufgaben. Jeder Schüler in der Klasse hat eine Mappe mit Deutsch-,
Mathe- und gegebenenfalls Englischaufgaben, diese waren individuell auf den Lern-
stand des Schülers angepasst. Die Mappen wurden meist täglich bearbeitet. Abge-
wechselt wurde die Arbeit durch andere, durch den Lehrer vorbereitete Aufgaben
oder Lernprogramme am Computer. Teilweise wurden die Schüler auch in Lernver-
bände aufgeteilt. Ich unterstütze die Schüler dann bei diesen Aufgaben oder half da-
bei in der Einzelbetreuung Aufgaben anzuleiten. Meistens unterstütze ich hierbei den
Schüler, welchen ich auch für meine Beobachtungen ausgewählt hatte. Diesen be-
gleitete ich auch mehrmals zur Gruppentherapie in das nahegelegene Autisten The-
rapie Zentrum. Da durch viel Einzelförderung, Therapien oder Fachverbände der
Stundenplan jedes Schülers unterschiedlich war, verfolgte ich den meines Kindes
welches ich beobachtete um die meisten Eindrücke seines Verhaltens zu bekom-
men. Außerdem stellte der Klassenlehrer es mir frei, eigene Unterrichtsmethoden mit
dem Schüler auszuprobieren, dessen Idee ich auch nachkam.

D.) Fallskizze

Die im Folgenden verwendeten Namen, sowie die genannten Namen im weiteren


Bericht wurden geändert, damit die Anonymität der Beteiligten bestehen bleibt. Die in
der Fallskizze dargestellten Informationen über den beobachteten Schüler Jonas
sind aus dem Fördergutachten, welches vom Klassenlehrer erstellt wurde, sowie aus
den Entwicklungsberichten von 2015 und 2017, welche beide von Jonas Schulbeglei-
tung geschrieben wurden.

Ich entschied mich bereits nach zwei Tagen dafür Jonas zu beobachten, da ich bei
ihm die größten Auffälligkeiten innerhalb des Unterrichts bemerkte. Jonas ist elf
Jahre alt und somit der älteste Schüler in der Klasse. Er lebt mit seiner Mutter, sei-
nem Vater und einem älteren Bruder in einem Vorort von Bremerhaven. Das Verhält-
nis zu seiner Familie beschreibt seine Schulbegleiterin als sehr eng und harmonisch.
Er berichtet viel von gemeinsamen Unternehmungen. Ebenfalls besteht viel Kontakt
zu anderen Familienangehörigen wie den Großeltern oder Jonas Cousinen. Zuhause
spielt er gerne mit Playmobil, Lego oder ähnlichem aber auch gerne im Garten oder
der Nachbarschaft. Kontakt zu den Eltern, hält die Schule über ein Mitteilungsheft so-
wie telefonisch oder per WhatsApp. Auch Schulkameraden kommen Jonas zum
Spielen besuchen, dabei freut er sich besonders, wenn sie gemeinsam draußen
spielen und die Nachbarschaft erkunden können.
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Jonas wurde mit drei Jahren eine tiefgreifende Entwicklungsstörung im Sinne eines
frühkindlichen Autismus diagnostiziert. Ob er Frühförderung erhalten hat oder eine
inklusive Kindertagesstätte besuchte, war der Schule unbekannt. Mit sechs Jahren
wurde er jedoch in der Seeparkschule eingeschult und besucht diese seither. Im
Sommer 2016 wurden verschiedene Klassen neustrukturiert, seitdem besucht er mit
vier anderen Jungen die fünfte Klasse bei Herrn Peters. Zusammen mit einem ande-
ren Mitschüler teilt er sich eine Schulbegleitung (Sandra). Dazu ist zu sagen, dass
Jonas weniger persönliche Betreuung benötigt als der andere Mitschüler. Die meis-
ten Sachen erledigt er selbstständig. Jonas bekommt einmal wöchentlich eine drei-
viertel Stunde Ergotherapie und besucht alle zwei Wochen für zwei Stunden eine
Gruppentherapie im Autismus Therapie Zentrum. Außerdem nimmt er einmal wö-
chentlich am Therapeutischen Reiten teil.

Sein Verhalten innerhalb der Klasse ist sehr wechselhaft. Je nach Tagesform spielt
er entweder friedlich mit anderen Kindern vor dem Schulbeginn, oder fängt dort erste
Auseinandersetzungen an. Häufig beschimpft er andere Kinder oder Erwachsene mit
Schimpfwörtern oder Wörtern die in keinem Kontext zur Situation stehen. Besonders
auffällig ist hier das Wort „Laster“ welches er in verschiedenen Variationen lautstark
und verärgert zu anderen ruft. „Kartoffelsalatlaster“, „Eiersalatlaster“ oder „Würst-
chenlaster“ sind nur einige Beispiele. Während Arbeitsphasen gelingt es Jonas oft
nur „kurz ruhig und konzentriert an seinem Tisch Arbeitsaufträgen nachzugehen“(Oh-
land-Schumacher, 2017, S.2). Er hat einen starken Bewegungsdrang und hantiert
häufig während des Unterrichts mit außerschulischen Gegenständen, ohne eine
feste Beschäftigung fällt es ihm schwer ruhig zu bleiben. Das Unterrichtsgeschehen
kommentiert er häufig mit Fragen oder sinnlosen Kommentaren. Oft gibt es kleinere
Wutausbrüche ohne erkenntlichen Grund, welche schnell jedoch wieder enden.
Wenn ein Fehlverhalten von seiner Seite vorliegt, wirkt er oft zuerst uneinsichtig und
hat Probleme die Situation nachzuvollziehen. Nach einer Ruhepause reflektiert er je-
doch oft sein Verhalten und erkennt Regeln und Fehler an. Dabei zählt er häufig
Klassenregeln oder Verbote auf und erklärt, dass man diese nicht brechen darf.
Ebenso maßregelt er häufig Schüler, welche Regeln brechen, folgt diesen dann aber
selbst nicht (vgl. ebd., S.3). In der Pause spielt Jonas gerne auf dem Schulhof alleine
oder mit anderen Schülern. Hier muss man aufpassen, dass andere ihn oder er an-
dere nicht zu Unsinn anstiftet. Insgesamt beteiligt er sich gerne an sportlichen Aktivi-

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täten wie Kettcar fahren, Ballsportarten oder dem Schwimmunterricht. Als Arbeitsge-
meinschaft entschied er sich zu dem Versuch ein Sportabzeichen zu erwerben.
Wenn Jonas merkt, dass er etwas gut kann, dann zeigt er es mit Freude anderen
oder erzählt davon. Während Arbeitsphasen, bei denen das Arbeiten zum Beispiel in
der zuvor genannten Mappe stattfinden soll ist seine Konzentration sehr einge-
schränkt. Er will häufig die Aufgaben wechseln und kann sich nicht entscheiden.
Setzt man das Niveau ein bisschen höher, ist er meist für kurze Zeit noch länger mit
der Aufgabe beschäftigt, verliert dann jedoch auch schnell das Interesse. Das Schrei-
ben von Buchstaben und Zahlen fällt Jonas schwer, was jedoch auch durch die man-
gelnde Konzentration beeinflusst wird. Er muss oft durch eine Lehrkraft oder die
Schulbegleitung animiert werden, um seine Aufgaben zu erfüllen. Häufig bekommt er
handwerkliche Aufgaben zugeteilt, da dort das Interesse höher ist als bei Lese- oder
Rechenaufgaben. Das Lesen von kurzen und großgedruckten Texten fällt ihm zwar
schwer, hat sich jedoch im letzten halben Jahr stark verbessert, vor allem bei Texten
die sein Interesse wecken.

Seine Interessen liegen deutlich in handwerklichen Berufen wie Bauarbeitern oder


Feuerwehrmännern. Dazu schaut er sich gerne Bücher an oder hört Kassetten. Wäh-
rend des Bücherlesens beschreibt er detailliert was er sieht und interpretiert Vor-
gänge die auf den Bildern zu sehen sind. Ebenfalls stellt er häufig Fragen zu dem
Gelesenen. Jedoch wiederholt er die gleichen Fragen und Aussagen sehr häufig in
einigem Abstand und beim wiederholten Lesens des Buches.

Seine Schulbegleiterin beschreibt sein Wohlbefinden im Schulalltag als „glücklich


und zufrieden“ obwohl er sich oft verbal negativ äußert und Wutausbrüche hat.

E.) Fragestellung

„Inwieweit unterscheidet sich das Engagement des Schülers im Vergleich vom Ein-
zel- zum Gruppenunterricht?“

Ich entschied mich dazu Jonas zu beobachten, da er außergewöhnlich unterschiedli-


ches Verhalten und Motivation in verschiedenen Situationen zeigte. Zuerst überlegte
ich die Lehrereinschätzliste für Sozial- und Lernverhalten (LSL) zu verwenden, da in
der Klasse jedoch sehr wenig Lernverhalten zu beobachten ist, durch viele Störun-
gen, Interaktionen und getrennte Fachbände, entschied ich mich dagegen. Als Be-
obachtungsbogen wählte ich die „Leuvener Engagiertheits- Skala“ welche später
noch genau erklärt werden wird. Diese wird meist im Elementarbereich eingesetzt,
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kann jedoch auch für SchülerInnen verwendet werden. Am Anfang wollte ich meine
Fragestellung darauf auslegen, wie sich Jonas Verhalten ändert im Vergleich von
festen Aufgabenstellungen wie zum Beispiel im Mathe oder Deutschunterricht, zu au-
ßerschulischen, beziehungsweise kreativeren Aufgaben, wie das Verhalten in der
Pause oder beim Basteln. Entschied mich später jedoch für eine Fragestellung da-
rauf bezogen ob und wenn ja, wie sich sein Verhalten innerhalb der Gruppe und im
Einzelunterricht ändert. Dabei definiere ich Einzelunterricht, als Unterricht, in wel-
chem sich das zu beobachtende Kind in einer Eins zu Eins Betreuung mit einer Lehr-
kraft, pädagogischen Mitarbeiterin oder ähnlichem befindet. Gruppenunterricht defi-
niere ich als Unterricht, an welchem neben der Lehrkraft und dem beobachtetem
Kind noch andere Kinder teilnehmen.

F.) Darstellung und Begründung der durchgeführten Beobachtung

I.) Verfahren

Als Beobachtungsverfahren wählte ich die Leuvener Engagiertheits- Skala für Kinder
(LES-K), welches als Teil des EU-Projekts „Improving Early Childhood Education’s
Quality“ entworfen wurde. Dieses Projekt soll hauptsächlich zur Steigerung der Erzie-
hungsqualität im Elementarbereich führen (vgl. Fachportal-Pädagogik). Während in
Deutschland der Bogen meist für Kindertagesstätten verwendet wird, ist er zum Bei-
spiel in Belgien, den Niederlanden oder in England häufig auch in Grund- oder wei-
terführende Schulen in Gebrauch. Sechs EU Länder beteiligten sich an dem Projekt
und entwarfen einen pädagogischen Ansatz, der nicht in erster Linie danach fragt,
was Kinder können, sondern ob diese voller Wohlbefinden und Engagiertheit im Un-
terricht teilnehmen (vgl. www.leuvener-engagierheitsskala.de). Das Leuvener Modell
beinhaltet mehrere verschieden Bögen, für Beobachtungen mit verschiedenen Ziel-
setzungen. Neben Bewertungsbögen für eine ganze Gruppe, oder die Beobachtung
der Engagiertheit im Verlauf einer Situation wählte ich das LES-K Formblatt 5 „Be-
obachtungen zur Einschätzung von Engagiertheit einzelner Kinder zu unterschiedli-
chen Zeiten / Situationen“ (Vandenbussche, Laevers, 2009,S.77).

Auf jeder Seite, kann man bis zu drei einzelne Situationen beobachten. Das Verfah-
ren ist in drei Felder eingeteilt. Auf der linken Seite befindet sich ein Textfeld in wel-
chem eingetragen wird, womit sich das Kind beschäftigt. Im mittleren Feld wird ein-
getragen auf einer Skala von eins bis fünf die Engagiertheit des beobachteten Kindes

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eingeschätzt wird. Auf der rechten Seite befindet sich ebenfalls ein Textfeld, in wel-
ches eine Begründung für die Einschätzung eingetragen wird. Über den Feldern wird
neben dem Namen des Kindes, das Datum, der Zeitraum sowie die Person eingetra-
gen, welche die Beobachtung durchgeführt hat.

Das Leuvener Modell erklärt in dem dazugehörigen Arbeitsbuch Engagiertheit wie


folgt. Um echte Engagiertheit bei einem Kind oder Erwachsenen zu beobachten,
muss man mehrere Faktoren beachten, welche alle ins gesamt Konzept einfließen.
Die Leuvener Engagiertheits- Skala beschreibt Engagiertheit als einen Zustand in
dem Kinder und Erwachsene sich befinden, wenn sie intensiv mit etwas beschäftigt
und voll darauf konzentriert sind. Sie sind von innen heraus motiviert und die Be-
schäftigung gibt ihnen eine enorme Befriedigung und Genugtuung (vgl. Vandenbus-
sche, Laevers, 2009,S.14). Meist ist diese Engagiertheit meist dann erreicht wenn
der Anreiz in der Beschäftigung „im schmalen Grad zwischen „schon können“ und
„noch-nicht-können““(ebd.) liegt. Laut des Konzeptes, sind die Merkmale die Bedin-
gung für die Entwicklung des Kindes und fundamental, tiefgreifendes Lernen. Dem
Schüler gefällt die Aufgabe oder das Lernen nicht nur, sondern tut dieses auch auf
höchster im Möglichen Qualität. Daher bringt es „im Ergebnis viel mehr als nur ober-
flächliches Lernen“ (ebd.). Wichtig ist, dass Engagiertheit zwar aus einer geforderten
Aktivität entstehen, jedoch nicht erzwungen werden kann.

Zur genauen Beobachtung und Einschätzung von Engagiertheit in die bereits oben
genannte Rangliste hat das Modell eine Aufzählung an neun Signalen für Engagiert-
heit, sowie Definitionen für die einzelnen Stufen erstellt. Als Signal wird „Gezielte
Aufmerksamkeit“(ebd., S.15) oder „Konzentration“ (ebd.,S.82) genannt, was bedeu-
tet, dass das Kind fast ununterbrochen mit seiner Tätigkeit beschäftigt und kaum ab-
lenkbar ist. Die Aufmerksamkeit wird auf einen eingegrenzten Bereich gelenkt. Unter
dem Punkt „Energie“(ebd.) fällt die Bereitschaft sich anzustrengen oder auch sicht-
bare rote Wangen oder positive Anspannung als Reaktion auf die Aufgabe. Wenn die
Kinder oder das beobachtete Kind seine Fähigkeiten aktiviert um komplexere Hand-
lungen zu vollziehen fällt dies unter das Signal von „Komplexität, Vielschichtigkeit,
Kreativität“ (ebd.). Ebenso wichtig sind „Gesichtsausdruck und Körperhaltung“ oder
auch die „Ausdauer“ und „Genauigkeit“ (ebd.) mit denen das Kind die Tätigkeit aus-
führt. Des Weiteren wird die „Reaktionsbereitschaft“(ebd.) erwähnt, darunter versteht
sich unter anderem, wie aufgeschlossen das Kind für neue Herausforderungen ist.

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Durch „Verbale Äußerungen“ lässt sich auch auf die Engagiertheit schließen. Ab-
schließend soll gedeutet werden wie groß die „Zufriedenheit“ des Kindes ist, geäu-
ßert durch Mimik und Gestik (vgl. ebd.).

Die fünf Stufen für Engagiertheit werden wie folgt eingeteilt. Die erste Stufe, welche
für sehr niedrige Engagiertheit steht, wird verwendet für Beobachtete, bei denen
kaum oder keine Aktivität sichtbar ist. Sie zeigen kaum Anteilnahme und wandern mit
den Augen ziellos hin und her. Sollten sie aktiv werden, ist dies nur von kurzer Dauer
und ohne Bedeutung. In diesem Lernzustand entwickelt sich das Kind nicht weiter,
da es kaum etwas lernt oder unternimmt (vgl. Vandenbussche, Laevers, 2009, S.16).
Die zweite Stufe wird dominiert durch häufig unterbrochene Aktivitäten. Das Kind ist
zwar aktiv, zeigt jedoch wenig komplexe Handlungen und macht lange Unterbre-
chungen (vgl. ebd., S. 82). Die dritte Stufe steht für ein mittleres Ausmaß an Enga-
giertheit. Sie wirken häufig beschäftigt, sind bei genauerer Betrachtung, aber nur sel-
ten intensiv konzentriert. Die SchülerInnen sind schnell ablenkbar. Kommen Phasen
von hoher Konzentration vor und Engagiertheitssignale treten auf, ist dieses meist
nur von kurzer Dauer (vgl. ebd., S.16). In der vierten Stufe sind schon deutliche
Merkmale bzw. Signale von Engagiertheit erkennbar. Das Kind zeigt Aktivität mit in-
tensiven Momenten, sieht die Handlung aber eher als Routine (vgl. ebd., S. 82). Die
fünfte Stufe stellt sehr hohe Engagiertheit dar. Viele der Signale für Engagiertheit tre-
ten auf und sind beobachtbar. Die Kinder wirken hoch konzentriert und lassen sich
von ihrem Umfeld nur schwer ablenken. Außerdem sind sie angetrieben davon, sich
selbst zu fordern und bringen in die Aufgabe eigene Kreativität mit ein (vgl. ebd.
S.16).

II.) Durchführung

Meine Beobachtungen habe ich über drei Wochen jeden Tag ausgeführt. Ich startete
in der ersten Woche mit einem unstrukturierten Verbalsystem und schrieb alle meine
Beobachtungen nieder. Am dritten Tag meiner Beobachtungen legte ich mich auf ei-
nes der Kinder aus der Klasse fest, da ich jedoch noch keinen Beobachtungsbogen
ausgesucht hatte, beobachtete ich die restliche Woche ebenfalls im Verbalsystem,
jedoch mit Fokus auf Jonas, dem beobachteten Jungen. Bortz und Döring, legten
vier Grundtypen der Beobachtung fest, welche ich wie folgt ausführte. Bevor ich an-
fing zu beobachten, klärte ich die Klasse auf, dass ich zu Lernzwecken die Klasse
beobachten würde. Somit führte ich eine offene Beobachtung nach Bortz und Döring
durch. Ich beobachtete in den Stunden die Klasse von einem Platz außerhalb des
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Geschehens und fungierte somit nicht teilnehmend. Durch den festen Beobachtungs-
bogen für den ich mich entschied, war mein Vorgehen ein geplanter und aktiver Pro-
zess, auf dem ich mich auf die Suche nach einer Antwort zu meiner Fragestellung
machte, das weist auf eine systematische Beobachtung hin.

Als letzter Punkt wird gefragt, ob die Beobachteten in einem künstlichen oder natürli-
chen Umfeld betrachtet wurden. Da ich den Schüler in seiner normalen Klassensitua-
tion beobachtete, handelt es sich um eine Feldbeobachtung (vgl. Bortz & Döring,
1995, S.241f.). Da ich ebenfalls meine Beobachtungen sofort aufschrieb waren alle
meine Beobachtungen direkt und nicht im Nachhinein verfasst. Das Leuvener Modell
legt viel Wert darauf, dass es nicht vorgesehen ist, „…, für jedes Kind möglichst viele
Bögen auszufüllen und zu sammeln!!“ (Vandenbussche, Laevers, 2009, S.58). Viel-
mehr sollte der Fokus darauf liegen, wie der Bogen der weiteren Zusammenarbeit
mit dem Kind weiterhelfen könnte und wie in geeigneter Form die Beobachtungssitu-
ationen gebündelt werden können (vgl.ebd.). Meine Beobachtungen, versuchte ich
größtenteils auf Gruppen- und Einzelunterrichte aufzuteilen.

Art der Beobachtung Art des Dauer der Tag der


Unterrichts Beobachtung Beobach-
tung
Verbalsystem Gruppenunterricht 09:08-09:15 Uhr 13.02.2017
s.o. 09:37-09:50 Uhr
s.o. 10:55-11:20 Uhr
Verbalsystem Gruppenunterricht 08:35-08:52 Uhr 14.02.2017
s.o. 09:58-10:05 Uhr
s.o. 10:35-11:03 Uhr
s.o. 11:25-11:45 Uhr
s.o. 12:10-12:24 Uhr
s.o. 12:50-12:55 Uhr
Verbalsystem Gruppenunterricht 08:55-09:07 Uhr 15.02.2017
s.o. 10:47-11:12 Uhr
Verbalsystem Gruppentherapie 11:30-12:05 Uhr 16.02.2017
Verbalsystem Gruppenunterricht 08:35-08:40 Uhr 17.02.2017
s.o. 11:00-11:30 Uhr

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LES-K Formblatt 5 Einzelunterricht 09:03-09:06 Uhr 20.02.2017
-systematische Beobachtung Einzelunterricht 09:17-09:20 Uhr
-offen
Gruppenunterricht 11:50-11:54 Uhr
-nicht-teilnehmend
-Feld
LES-K Formblatt 5 Einzelunterricht 10:45-10:49 Uhr 21.02.2017
-systematische Beobachtung Einzelunterricht 11:25-11:28 Uhr
-offen
-nicht-teilnehmend
-Feld
LES-K Formnlatt 5 Gruppenunterricht 08:50-08:53 Uhr 22.02.2017
-systematische Beobachtung Gruppenunterricht 12:32-12:35 Uhr
-offen
Gruppenunterricht 12:50-12:53 Uhr
-nicht-teilnehmend
-Feld
LES-K Formblatt 5 Einzelunterricht 08:40-08:43 Uhr 23.02.2017
-systematische Beobachtung Gruppenunterricht 11:43-11:47 Uhr
-offen
-nicht-teilnehmend
-Feld
LES-K Formblatt 5 Einzelunterricht 08:50-08:54 Uhr 24.02.2017
-systematische Beobachtung Gruppenunterricht 11:45-11:48 Uhr
-offen
Gruppenunterricht 12:35-12:40 Uhr
-nicht-teilnehmend
-Feld
LES-K Formblatt 5 Gruppenunterricht 08:40-08:42 Uhr 27.02.2017
-systematische Beobachtung Gruppenunterricht 08:50-08:53 Uhr
-offen
Einzelunterricht 09:35-09:42 Uhr
-nicht-teilnehmend
-Feld
LES-K Formblatt 5 Einzelunterricht 08:45-08:49 Uhr 28.02.2017
-systematische Beobachtung Gruppenunterricht 11:00-11:03 Uhr
-offen
Gruppenunterricht 11:17-11:21 Uhr
-nicht-teilnehmend
-Feld
LES-K Formblatt 5 Gruppenunterricht 08:50-08:53 Uhr 01.03.2017
-systematische Beobachtung Einzelunterricht 09:40-09:44 Uhr
-offen
-nicht-teilnehmend
-Feld
LES-K Formblatt 5 Gruppenunterricht 09:43-09:47 Uhr 03.04.2017
-systematische Beobachtung Einzelunterricht 09:57-10:03 Uhr
-offen
-nicht-teilnehmend
13
-Feld
LES-K Formblatt 5 Einzelunterricht 08:40-08:43 Uhr 04.04.2017
-systematische Beobachtung Einzelunterricht 10:33-10:36 Uhr
-offen
Gruppenunterricht 14:20-14:23 Uhr
-nicht-teilnehmend
-Feld

III.) Auswertung

Eine feste Auswertungsmethode wird von dem Leuvener Modell nicht aufgezeigt. Die
Beobachtung wird eher als „Be-Achtung“ ( Vandenbussche, Laevers, 2009, S.83) ge-
sehen um das Kind besser kennen zu lernen. „Dabei erheben wir nicht nur problema-
tische, sondern auch vor allem positive Aspekte und Stärken des Kindes, um daran
anzuknüpfen und Ansatzpunkte für mögliche Initiativen zu finden.“ (ebd. S.10).

Durch die Beobachtungen und Interpretationen des Kindes, lassen sich zum Beispiel
Bereiche erkennen, in welchen eine besonders hohe Engagiertheit zu erkennen ist.
Man kann dann versuchen diese Elemente, in eine Situation zu integrieren, in wel-
cher die Engagiertheit niedrig war, um diese zu steigern. Ich entschied mich für eine
quantitative Auswertung, um deutlich erkennbar zu machen, wie hoch die Engagiert-
heit in einer Einzel- und Gruppenunterrichtssituation ist. Dafür wertete ich 12 Einzel-
unterrichtssituationen und 14 Gruppenunterrichtssituationen aus.

Einzelunterricht (insgesamt 12 Be- Gruppenunterricht (insgesamt 14 Be-


obachtungen) obachtungen)
Engagiert- Anzahl der Bewertungen Engagiert- Anzahl der Bewertungen
heitsstufe Bewertungen in Prozent heitsstufe Bewertungen in Prozent
Stufe 1 0 0% Stufe 1 6 ~42,852%
Stufe 2 1 ~8,33 % Stufe 2 4 ~28,568%
Stufe 3 2 ~16,66% Stufe 3 1 ~7,142%
Stufe 4 7 ~58,31% Stufe 4 2 ~14,285%
Stufe 5 2 ~16,66% Stufe 5 1 ~7,142%
Durchschnittswert 3,833 Durchschnittswert 2,14

14
Einzelunterricht Gruppenunterricht
Engagiertheit Engagiertheit

17% 8% Stufe 1 7% Stufe 1


0% 14%
17% Stufe 2 Stufe 2
43%
Stufe 3 7% Stufe 3
Stufe 4 Stufe 4

58% Stufe 5 29% Stufe 5

In beiden Diagrammen sieht man die Häufigkeit der erreichten Engagiertheitsstufen


in Prozent angegeben. Alle Prozentangaben wurden ab bzw. aufgerundet. Die detail-
lierteren Ergebnisse werden im Folgenden erläutert. Das erste Diagramm zeigt die
Ergebnisse im Einzelunterricht. Der Schüler wurde, kein einziges Mal mit der ersten
Stufe, welche für „keine Aktivität“ ( Vandenbussche, Laevers, 2009, S.82)steht, be-
wertet. Von den 12 Beobachtungssituationen wurden 8,333% mit der zweiten Enga-
giertheitsstufe „häufig unterbrochene Aktivität“ (ebd.) bewertet. 16,666% der Be-
obachtungen bekamen die Bewertung „mehr oder weniger andauernde Aktivi-
tät“(ebd.). „Aktivität mit intensiven Momenten“(ebd.) wurde in 58,31% der Situatio-
nen beobachtet. Zu einer „anhaltend intensiver Aktivität“(ebd.) kam es in 16,666%
der Fälle. Bei der Errechnung eines Wertes der durchschnittlichen Engagiertheit er-
zielte der Einzelunterricht eine Wertung von 3,833.

Das zweite Diagramm zeigt die Engagiertheitsbewertung innerhalb von Gruppenun-


terrichtseinheiten. Man erkennt, dass die Stufe eins bei 42,852% der Einheiten ge-
wählt wurde. 28,568% der Situationen wurden mit der Stufe zwei des Bewertungs-
systems bewertet. Stufe drei wurde zu 7,142% ausgewählt. Von 14 Beobachtungssi-
tuationen wurden 14,285% mit der Stufe vier bewertet. 7,142% bekamen die Enga-
giertheitsstufe fünf als Bewertung. Der Durchschnittswert für den Einzelunterricht be-
trägt 2,14.

15
IV.) Interpretation

Wie auf den oben dargestellten Diagrammen sowie in der Tabelle erkennbar, ist die
Engagiertheit im Vergleich vom Einzel- und Gruppenunterricht, sehr abweichend von
einander. Während sich im Einzelunterricht die Engagiertheit im Bereich der Stufe
vier einpendelt, dominiert im Gruppenunterricht eine Bewertung der Stufen eins und
zwei. Dies spiegelt auch meine eigene Wahrnehmung der Unterrichtssituationen wie-
der. Jonas verhält sich im Einzelunterricht, meist konzentriert und aufmerksam. Bear-
beitet seine Aufgaben motiviert und viele Signale für Engagiertheit treffen zu. Im
Gruppenunterricht ist er nach meinen Beobachtungen oft sehr unruhig, unkon-
zentriert und vor allem auch verbal ausfällig. Das dort beobachtete Verhalten hat nur
selten mit echter Engagiertheit im Unterricht zu tun.

Betrachtet man das Diagramm zur Beurteilung während des Gruppenunterrichts, fällt
jedoch auf, das auch circa 21% in den Bereich der Bewertung Stufe vier und fünf fal-
len. Diese Bewertungen kommen meist dann zu Stande, wenn der Gruppenunterricht
in Verbindung mit Sport steht. Dort ist er oft sehr fokussiert auf sein Tun und trainiert
konzentriert ohne sich von seinem Umfeld ablenken zu lassen. Meiner Meinung nach
bringen ihm diese Aktivitäten sichtlich Spaß und Freude. Sport und Matheaufgaben
lassen sich natürlich schwer verbinden, vielleicht wecken aber Aufgabenstellungen,
in welchen es um dieses Thema geht mehr von seinem Interesse. Etwas Ähnliches
könnte ich mir in Verbindung mit den Themen Feuerwehr und Baustellen vorstellen.
Außerdem hatte ich während meinen Beobachtungen das Gefühl, dass ihn Aufgaben
mit leicht höherem Niveau mehr reizen, als leichtere Aufgaben. So beobachtete ich
zum Beispiel, dass er eine höhere Engagiertheit zeigte als er ein ganzes Wort ab-
schreiben sollte, verglichen dazu, als er nur einzelne Buchstaben abschrieb. Ein häu-
figer Grund für seine teilweise vorherrschende Abneigung gegenüber Lesen und
Schreiben könnte seine schlechte Sehkraft sein. Trotz seiner Brille hatte ich gele-
gentlich das Gefühl, dass die Buchstaben schwer für ihn zu erkennen waren.

Insgesamt, kann man den Beobachtungen entnehmen, dass Jonas mehr Engagiert-
heit während einer Einzelunterrichtsstunde oder Einzelbetreuung zeigt. Die beiden
errechneten Durchschnittswerte zeigen eine deutliche Steigerung der Engagiertheit
in den Einzelunterrichtsstunden. Meiner Meinung nach konnte meine Fragestellung
mit den Beobachtungen so beantwortet werden. Als ich mich im Mathematikunter-
richt neben ihn setzte und ihm die Aufgaben erklärte konnte er sie ohne größere

16
Probleme lösen. So lange jemand bei ihm sitzt kann er in vielen Fällen und Aufga-
benbereichen arbeiten. Sobald jedoch niemand mehr bei ihm sitzt wird er unruhig,
laut und lässt sich sofort durch andere Reize ablenken. Da Jonas bereits eine Schul-
begleitung hat, denke ich persönlich, dass dies der richtige Weg zu seiner Förderung
ist. Jedoch ist die Schulbegleitung den Großteil ihrer Zeit mit der Betreuung eines an-
deren Schülers beschäftigt. Vielleicht könnte hier mehr Zeit zur Verfügung gestellt
werden, damit sie sich auch intensiv mit Jonas beschäftigen kann. Außerdem schien
es mir, als ob sich das separate Arbeiten im Nebenraum, positiv auf seine Konzent-
ration und somit auch auf sein Engagement auswirken würde.

3.) Reflexion

Zuerst stellte ich es mir sehr schwer vor, den Großteil meiner Praktikumszeit abseits
der Klasse zu sitzen und nur zu Beobachten. Ebenso befürchtete ich Probleme dabei
zu haben einen Schüler zu finden, bei dem sich eine gute Fragestellung und Be-
obachtungsmöglichkeit bieten würde. Jedoch waren meine Zweifel unbegründet. Be-
reits am Ende des zweiten Tages stand für mich fest, welchen Jungen ich beobach-
ten wollte. Besonders bestärkt in meiner Entscheidung wurde ich, als mir der Lehrer
sagte, dass er diesen Jungen auch zum Beobachten empfohlen hätte.

Die Findung eines Beobachtungsbogens empfand ich als relativ schwer, weil ich das
Gefühl hatte, dass kaum ein Bogen das Erfüllte was ich mir erhoffte und vorstellte.
Vor allem, wenn diese mit festen Items und Skalen zu tun hatte. Die Leuvener Enga-
giertheitsskala gefiel mir sehr gut, da sie noch viel Freiraum für eigene Beobachtun-
gen und Interpretationen lässt ohne sich auf etwas direkt einzuschränken.

Die Rolle als separate Beobachterin viel mir trotzdem nicht immer leicht. Ich hätte
gerne öfter aktiv am Unterricht teilgenommen und die Schüler unterstützt. Dadurch
dass ich meist dem Stundenplan von Jonas gefolgt bin, hatte ich das Gefühl, dass
ich zu den anderen Jungen aus der Klasse kein vergleichbares Verhältnis aufbauen
konnte. Ich hatte teilweise das Gefühl, dass es daran lag, weil sie nicht nachvollzie-
hen konnten warum ich hauptsächlich nur mit einem von ihnen beschäftigte. Zu Jo-
nas hingegen baute ich ein sehr enges Verhältnis auf und ich hatte immer das Ge-
fühl, das er sich freute wenn ich ihn begleitete. Er wirkte nicht gestört oder gestresst
durch meine Anwesenheit und die spezielle Beobachterposition. Die Beobachtung
war zwar an sich offen, da ich am Anfang auch erwähnte die Schüler zu beobachten,

17
um davon über den Unterricht zu lernen, jedoch glaube ich nicht, dass Jonas kom-
plett verstanden hat, dass ich ihn nur persönlich beobachte.

Auf der anderen Seite habe ich das Beobachten aber auch genossen, weil ich mich
voll auf eine Aufgabe konzentrieren konnte. Ich hatte nicht den Druck noch Unter-
richtsvorbereitungen zu machen oder ähnliches. Mir gefiel es, dass ich alles in Ruhe
beobachten konnte und im Blick hatte. Vor allem beim benutzen des Verbalsystems
hatte ich unglaublichen Spaß. Was besonders daran lag, dass ich hoffe diese einzig-
artigen und teils auch konfusen Situationen dadurch nicht so schnell wieder zu ver-
gessen. Bei manchen Momenten konnte ich überhaupt nicht aufhören mit zuschrei-
ben weil es so viel Freude bereitete das Beobachtete festzuhalten.

Vielleicht ist das auch das Wichtige am Beobachten. Die Chance Geschehnisse bes-
ser festhalten zu können und sie für andere zugänglich zu machen. Ich fand es eben-
falls wichtig mir gelegentlich eine zweite Meinung zu dem Beobachteten einzuholen
egal ob von einer Lehrkraft, einer pädagogischen Mitarbeiterin oder Jonas Schulbe-
gleitung. Dadurch fühlte ich mich bestärkt in meiner Aufgabenstellung und dem Be-
obachten.

Im Endeffekt kann ich nachvollziehen, weshalb diese Erfahrung essenziell für unser
zukünftiges Berufsleben ist. Im stressigen und schnellen Schulalltag verliert man den
einzelnen Schüler schnell aus den Augen und beachtet nur ein gesamtes Klassenbild
oder das Bild des Kindes welches man sich bereits erstellt hat. Ich habe in den drei
Wochen gelernt nicht nur oberflächlich zu betrachten sondern ins Detail und in die
Tiefe zu schauen. Ich kann mir vorstellen, dass eine intensive Beobachtung ganz
neue Einsichten und somit resultierende Möglichkeiten zum weiteren Umgang und
ggf. zur Förderung eines Schülers beitragen kann.

Um es in Wilhelm Topschs Worten zu sagen: „Vor dem Praktikum habe ich mich ge-
fragt: Was soll mir das eigentlich bringen, wenn ich da hinten in einer Klasse sitze
und zugucke, aber dann habe ich doch eine Menge dabei gelernt...“(Topsch, 2002,
S.1).

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4.) Literaturverzeichnis:

Bortz,J. &Döring, N.(2002). Forschungsmethoden und Evaluation. Berlin: Springer.

Dodd, S. (2007). Autismus. Was Betreuer und Eltern wissen müssen. München:
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park/praktikum-und-referendariat/ (Stand: 30.04.2017)

http://www.fachportal-paedagogik.de/guide-bildungsforschung/mle-
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http://www.leuvener-engagiertheitsskala.de (Stand: 19.04.2017)

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onen der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (2016) Deutscher Ärzte
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Mackowiak,K. (2007). Verhaltensbeobachtung. In M. Borg-Lauf (Hrsg.), Lehrbuch


der Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen. Band 2: Diagnostik und Inter-
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Ohland-Schumacher, K. (2017). Entwicklungsbericht März 2017.

Poustka, F., Bölte, S., Feineis-Matthews, S., Schmötzer, G. (2004). Autistische


Störungen. Göttingen: Hogrefe.

Topsch,W. (2002). Grundwissen. Schulpraktikum und Unterricht. Weinheim, Basel:


Beltz Verlag.

Unsere Leitsätze (Stand 20.03.2007). Abgerufen von intranet.fsseepark.de/Leit-


bild/Unsere_Leitsätze.pdf.

Vandenbussche, E., Laevers, F. (3.Auflg. 2009). Beobachtung und Begleitung von


Kindern. Arbeitsbuch zur Leuvener Engagiertheits-Skala. Erkelenz: Schlömer & Kel-
lermann.

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