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Universitätsklinikum Düsseldorf
Institut für Rechtsmedizin
Direktorin: Univ.-Prof. Dr. med. S. Ritz-Timme
Skriptum
Rechtsmedizin
für Studierende der Medizin
Inhaltsverzeichnis
Seite
11. Verkehrsunfall 53
12. Thermische Schäden: Hitze, Kälte 57
13. Strom, Blitz 60
14. Identifikation 63
15. Klinische Rechtsmedizin 66
15.1 Körperverletzungen 66
15.2 Kindesmisshandlungen 68
15.3 Sexualdelikte 72
15.4 Häusliche Gewalt 74
16. DNA-Analysen, Spurenkunde, Abstammungsbegutachtung 79
17. Fahreignung/Fahrfähigkeit 86
18. Forensische Toxikologie: Blutalkohol, Drogen und Medikamente im 87
Strassenverkehr, Vergiftungsverdacht beim Toten
19. Der medizinische Behandlungsfehler 94
Die k l a s s i s c h e n Bereiche der Rechtsmedizin umfassen heute die forensische Medizin, die
forensische Chemie sowie die forensische Molekularbiologie. Angrenzende Disziplinen sind die
forensische Psychiatrie (z.B. Beurteilung der Schuldfähigkeit), die forensische Odontologie (z.B.
Identifikationen, Bissverletzungen) sowie die forensische Wundballistik (z.B. Rekonstruktion von
Schussverletzungen).
Forensisches Denken:
− De omnibus dubitandum (d.h. man muss an allem zweifeln)
− Vom Befund zur Anamnese (Rekonstruktion eines in der Vergangenheit liegenden Ereignis-
ses)
Geschichtliches:
Das Fach ist dort entstanden wo sich Rechtsordnungen etabliert haben:
− Codex Hammurabi (1750 v.Chr.) - Folgen eines Kunstfehlers
− Lex allemanorum (7. Jh.): Zivilrechtliche Aspekte
− Rechtsleben der oberitalienischen Städte im Mittelalter: Erste gerichtliche Sektion 1301
− 1532 Gesetzeswerk Carolina; Definitive Institutionalisierung des Faches im Gesetzestext
− Felix Platter 15./16. Jh. (Basel) - Vater der helvetischen Rechtsmedizin
- Vitalreaktionen: Unter Vitalreaktionen versteht man Befunde, die darauf hinweisen, dass die
schädigende Einwirkung auf den Körper während des Lebens stattgefunden hat (siehe Kap. 3).
- Supravitale Reaktionen: Von praktischer Bedeutung für die Schätzung der Todeszeit sind hier:
Reaktion der Skelettmuskulatur auf Reize nach Eintritt des Individualtodes mit Muskelkontraktion
auf mechanischen Reiz (Idiomuskulärer Wulst nach Schlag auf den Muskel) oder elektrischen
Reiz; ferner Pupillenreaktion auf Augentropfen (Mydriatica bzw. Myotica).
2.2 Leichenerscheinungen
Sie dienen:
- zur sicheren Todesfeststellung.
Merke: Die drei sicheren Todeszeichen sind: Totenflecken, Totenstarre und Fäulnis!
- zur Schätzung der Todeszeit (siehe 2.3)
- gelegentlich zur Diagnose der Todesursache (z.B. hellrote Totenflecken bei CO-Vergiftung,
spärliche oder fehlende Totenflecken bei Verbluten etc.)
= blau-violette, anfänglich fleckförmige, später flächenhafte Verfärbung der Haut an den der Erde
zugewandten Körperstellen mit Aussparung der Aufliegeflächen.
Entstehung durch Blutfülle der Blutgefässe infolge Absinken des nicht mehr zirkulierenden Blutes
entsprechend der Schwerkraft. Allmähliche Eindickung des Blutes, weshalb sich die Totenflecken
später nicht mehr wegdrücken oder umlagern lassen (s. Todeszeitschätzung).
„Vibices“ = postmortale, kleine, punktförmige Austritte von Blut in die Haut innerhalb der Toten-
flecken.
Spärliche oder fehlende Totenflecken bei Blutarmut oder Blutverlust und bei Leichen, die aus
tiefem Gewässer geborgen werden (Wasserdruck komprimiert die Hautgefäße von aussen, analog
den „Aufliegestellen“). Hellrot verfärbte Totenflecken bei CO-Vergiftung und bei Kälte (siehe
Kap.12).
Allmählich starr werdende Muskulatur durch postmortalen Zerfall von Adenosintriphosphat (ATP) im
Muskel. Keine Lageveränderung der Extremitäten durch Eintritt der Totenstarre aber allmählicher
Schluss des Kiefers.
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N.B.: Beim Todeseintritt werden alle Muskeln schlaff. Die Gesichtsmuskulatur erschlafft und der
Leichnam sieht deshalb, auch wenn der Tod qualvoll war, friedlich aus.
Auftreten der Totenstarre: i.d.R. 2 - 3 Stunden nach Todeseintritt. Zunächst nur leichte Steifigkeit
beim passiven Bewegen in den Gelenken, dann immer stärker werdende, nach ca. 8 Stunden
vollständige Starre. Passive Überwindung nur mit sehr grossem Kraftaufwand möglich. Nach ca.
2 - 3 Tagen spontane Lösung der Starre durch Autolyse (s.u.).
Spezielles: Oft keine Totenstarre bei Leichen aus fließenden Gewässern, da Leiche dauernd
bewegt wird und sich Starre nicht ausbilden kann. Rascher eintretende Starre nach Muskelarbeit
mit ATP-Verlust, z.B. in den Beinen bei verunfalltem Radrennfahrer.
Fäulnis = anaerobe bakterielle Zersetzung. Bakterien stammen aus Dickdarm oder Mund-
Nasenbereich. Entsprechend beginnt Fäulnis entweder im Dickdarm (häufig) oder im Gesicht
(seltener).
Frühestes Fäulniszeichen ist eine Grünverfärbung der Haut im rechten Unterbauch, weil hier der
Dickdarm am nächsten zur Bauchhaut liegt. DD: Hämatom! Fäulnis schreitet entlang des Gefäss-
netzes voran, Hautgefäße zeichnen sich ab (sog. „durchschlagendes Venennetz“), die ganze
Haut verfärbt sich grün-schwarz, Gasdruck bläht den Körper auf, es kommt zu Blasenbildungen
der Haut und zu Austritt rötlicher, übelriechender Flüssigkeit aus Mund und Nase. DD: Blutaus-
tritt!
Fäulnisentwicklung ist stark temperaturabhängig. Im Sommer evtl. schon nach einem Tag deutlich
erkennbar.
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Verwesung = Auf die Fäulnis und Autolyse folgende, aerobe bakterielle Zersetzung des Körpers.
Mumifikation = Vertrocknung. Beginnt in trockenem Milieu bereits nach wenigen Tagen an Fin-
gern, Nasenspitze, Lippen und Hodensack in Form einer dunklen Verfärbung und ledrigen Ver-
änderung der Haut. Nach Monaten kann der ganze Körper mumifiziert sein.
Skelettierung: Freilegung der Knochen durch Gewebezerfall und/oder Tierfraß. Im Wald ist voll-
ständige Skelettierung durch Insekten etc. innerhalb von Wochen möglich.
„Leichengift“: existiert nicht, d.h. eine gesunde Person wird nach dem Todeseintritt nicht giftig
oder infektiös. Die Seuchengefahr nach Naturkatastrophen beruht nicht auf den herumliegenden
Toten, sondern auf der mangelnden Hygiene und der generellen Verschmutzung des Trinkwas-
sers. Eine Übertragung einer (zu Lebzeiten akquirierten) Infektion von einer Leiche auf eine
lebende Person ist aber grundsätzlich über Hautwunden möglich, weshalb Handschuhe bei der
Leichenuntersuchung zu tragen sind.
Bei Obduktionen ist diese Infektionsgefahr durch Aerosolbildung erhöht (z.B. Tuberkulose).
Mumien können auf ihrer Oberfläche Aspergillen (Pilze) aufweisen, welche für die Untersucher
gesundheitsschädigend sein können.
2.3 Todeszeitschätzung
Kriminalistisch wichtig zur Alibi-Abklärung beim Tötungsdelikt und generell zur Überprüfung von
Angaben von Zeugen.
Merke: Todeszeit bedeutet nicht zwingend Tatzeit, da ein längeres Überleben nach der Tat in
gewissen Fällen möglich ist!
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2.3.1 Verhalten der Totenflecken
vollständig umlagerbar
teilweise umlagerbar
wegdrückbar
t
20-30 min 6h 12 h 20-30 h
Totenflecken
Intensität
Neubildung möglich
Stark Temperatur-abhängig!
t
2-3 h
Totenstarre
8h 2-3 Tg
2.3.3 Auskühlung
Durch Sistieren des Stoffwechsels sinkt die Körperkerntemperatur nach Todeseintritt allmählich
ab, abhängig von Außentemperatur, Körperfülle, Bekleidung/Bedeckung, Luftbewegung und
Feuchtigkeit.
Die Abkühlungskurve verläuft nicht linear: praktisch keine Abkühlung (Plateaubildung) in den
ersten 2 Stunden postmortal (p.m.), steilerer Abfall bis ca. 27 Grad, flacherer Abfall bis zur
Angleichung an Außentemperatur (S-förmiger oder sigmoidaler Kurvenverlauf). Faustregel
nach 2. Stunde p.m.: Abfall von 0,5 - 1 Grad Celsius pro Stunde.
Voraussetzung ist die korrekte Messung im Körperkern mit tauglichem Messfühler. Klinisch wird
die Oesophagus-Temperatur (Speiseröhre), rechtsmedizinisch die Rektaltemperatur (Mastdarm)
gemessen. Rektal muss ein geeignetes Thermometer (NICHT: Fieberthermometer) mindestens 8
cm ab ano (After) eingeführt werden. Daneben immer Umgebungstemperatur, Wassertemperatur
(bei Wasserleichen) messen. Heute stehen zur Todeszeitschätzung aufgrund von Kern-
temperatur, Umgebungstemperatur und Bekleidung/Bedeckung/Konstitution brauchbare Compu-
terprogramme zur Verfügung.
Beachte: Auskühlung ist kein sicheres Todeszeichen! Tiefe Kerntemperatur ist auch zu
Lebzeiten bei Unterkühlung möglich! Unterkühlte zeigen u.U. keine Lebenszeichen, aber auch
keine sicheren Todeszeichen = Scheintod = vita minima.
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Dagegen müssen eine tiefe Rektaltemperatur und sichere Todeszeichen, die auf eine kurze
Todeszeit hinweisen, an einen kurz zuvor eingetretenen Unterkühlungstod denken lassen.
Plateauphase
Stark abhängig von:
36,5 °
- Umg ebungstemp.
Körper- - Bekle idung/Bedeckung
temperatur
- Feuc htigkeit
Faustregel: 0.5-1°/h
Umgebungs-
temperatur
t
2h
Rektaltemperatur
Unter vital Reaktionen versteht man Befunde, die darauf hinweisen, dass die schädigende
Einwirkung auf den Körper während des Lebens stattgefunden hat. Damit ist eine
Abgrenzung zu postmortalen (d.h. nach Eintritt des Todes gesetzten) Verletzungen möglich.
Unter agonalen Verletzungen versteht man solche, die während des Todeseintrittes entstanden
sind. Sie weisen nur ganz diskrete vital Zeichen auf.
Vital Reaktionen haben bei der rechtsmedizinischen Klärung und Rekonstruktion von Todesfällen
eine sehr grosse Bedeutung.
• Verschiedene Embolieformen:
− Schwellung
− Entzündungsreaktionen
• Hautemphysem (Luft in der Haut) bei Thoraxverletzungen. Befund: beim Tasten deutliches
Knistern in der Haut spürbar.
Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, unverzüglich nach Erhalt der Todesanzeige die unbekleideten
Toten persönlich zu besichtigen und zu untersuchen (Leichenschau) sowie die Todesbescheinigung
auszustellen und auszuhändigen. Dieser Absatz des nordrheinwestfälischen Bestattungsgesetzes
beschreibt kurz und prägnant die (bundesweit geltenden) ärztlichen Verpflichtungen bei der
Leichenschau. Angezeigt ist der Tod einem Arzt auch, wenn ein Mensch unter seiner betreuenden
Anwesenheit verstirbt oder der herbeigerufene Arzt/Ärztin Anzeichen eines bereits vorher
eingetretenen Todes feststellt. Die ärztliche Leichenschau endet also nicht mit der Feststellung,
dass keine klinischen Maßnahmen mehr erforderlich sind, sondern umfasst grob geordnet die
folgenden Tätigkeiten:
Besondere Probleme bereitet vielen Medizinern die richtige Feststellung der Todesart. Während die
Feststellung der Todesursache eine ärztliche Einschätzung von Vorerkrankungen und akutem
finalen Geschehen erfordert, wird bei der Feststellung der Todesart vom Arzt eine rechtlich
relevante Zuordnung zu den Kategorien „natürlicher Tod“ und „nicht-natürlicher Tod“ gefordert;
für unklare Fälle findet sich auf den Leichenschauscheinen der Bundesländer die jeweils etwas
unterschiedlich bezeichnete Kategorie „nicht aufgeklärt“ (ob natürliche oder nichtnatürliche
Todesart). Diese Zuordnung hat direkte Konsequenzen für Rechtsstaat und innere Sicherheit. Dem
leichenschauenden Arzt muss klar sein, welche Schlüsselrolle ihm in diesem Moment zukommt.
Allein von seiner Beurteilung hängt es in diesem Moment ab, ob unter Umständen notwendigen
strafrechtlichen, zivil- oder versicherungsrechtlichen Konsequenzen rechtzeitig (oder überhaupt)
Genüge getan wird. Wird ein „natürlicher Tod“ bescheinigt, erfolgt die Bestattung ohne Einschaltung
der Ermittlungsbehörden. Wird also fälschlicherweise bei einem Tötungsdelikt ein „natürlicher“ Tod
bescheinigt, erlangen die Ermittlungsbehörden noch nicht einmal Kenntnis von dem Fall !!! Eine
Vielzahl nicht aufgeklärter Tötungsdelikte ist tatsächlich auf eine solche Konstellation
zurückzuführen. Bei Feststellung eines „nicht-natürlichen“ oder „nicht aufgeklärten“ Todesart besteht
eine Meldepflicht; die Polizei muss informiert werden, es wird ermittelt. Ein Todesfall muss auch
dann gemeldet werden, wenn die Identität der verstorbenen Person unklar ist (auch wenn ein
natürlicher Tod vorliegt). Daraus ergeben sich die in der folgenden Abbildung skizzierten
Zusammenhänge:
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• Ein „natürlicher“ Tod ist ein Tod aus krankhafter Ursache, der völlig unabhängig von
rechtlich bedeutsamen äußeren Faktoren eingetreten ist.
• „Nicht-natürlich“ ist ein Todesfall, der auf ein von außen verursachtes, ausgelöstes oder
beeinflusstes Geschehen zurückzuführen ist – und zwar (merke!) unabhängig von der
Verschuldensfrage (auch Unfälle, Suizide etc. sind „nichtnatürliche Todesfälle) !!!
• Ungeklärt ist ein Todesfall, bei dem die Todesursache durch Leichenschau unter
Berücksichtigung der Anamnese nicht erkennbar ist.
Merke: Entscheidend ist, was am Anfang der Kausalkette steht!
Sehr häufig wird der Fehler gemacht, die direkte oder indirekte Kausalität zwischen einer
Gewalteinwirkung und dem zeitlich verzögerten Todeseintritt zu übersehen. Ein typisches Beispiel
ist der Oberschenkelhalsbruch des älteren Menschen mit nachfolgender Ruhigstellung, in deren
Folge es durch die Immobilisierung zu einer hypostatischen Pneumonie oder einer Lungenembolie
mit nachfolgendem Ableben kommt. Viel zu häufig wird hier als Todesursache die Pneumonie oder
die Lungenembolie als Todesursache angegeben und wegen der vermeintlichen inneren,
krankhaften Ursache ein natürlicher Tod bescheinigt. Die nächste Abbildung zeigt einen besonders
groben Fall der Fehlbescheinigung eines „natürlichen Todes“:
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Hier wurde die Kausalkette nicht korrekt analysiert. Der ärztliche Leichenbeschauer hätte sich
lediglich die Frage stellen müssen, ob man das schädigende Ereignis (hier der Sturz vom Fahrrad)
hinweg denken kann, ohne dass der Erfolg (das Ableben) ausbleibt. Das ist im vorliegenden
Beispiel eindeutig zu verneinen: Ohne den Sturz vom Fahrrad wäre es nicht zur Schädelbasisfraktur
und damit nicht zur posttraumatischen intrakraniellen Blutung und dem Ableben gekommen. Es liegt
eine Kausalkette vor und damit handelt es sich um einen nichtnatürlichen Tod.
Grosse Probleme macht in der Praxis die richtige Einordnung des iatrogenen Todes – besonders
beim „Extremfall“, den mors in tabula, den Tod auf dem Operationstisch. Stellen wir wieder einmal
die oben bereits erfolgreich angewandte Frage: Wäre der Erfolg (der Tod) zum gleichen Zeitpunkt
eingetreten, wenn man das „schädigende“ Ereignis (die Operation) hinweg denkt? Wenn man von
einer absoluten Notoperation (geplatztes Aneurysma, unstillbare Blutung etc.) einmal absieht, wohl
kaum. Der Patient wäre unter Umständen ein paar Tage später, ein paar Wochen später oder bei
einem Bagatelleingriff überhaupt nicht verstorben. Dieser iatrogene Tod war folglich ein
nichtnatürlicher Tod. Das führt aber direkt zu einem häufig auftretenden Missverständnis: Der
nichtnatürliche Tod ist zwar ein Ereignis, das durch Einwirkung von außen provoziert und
verursacht wird, er impliziert aber nicht zwingend ein Fremdverschulden. Der Operateur muss
keinen Fehler gemacht haben, grosse Operationen haben nun mal leider ein gewisses
Letalitätsrisiko. Infolge schicksalhafter Verknüpfungen kann es postoperativ zu letztendlich tödlichen
Komplikationen kommen.
Um es noch einmal plakativ zu verdeutlichen: Der nichtnatürliche Tod verlangt keinen Mörder.
Damit verlangt die Variante des iatrogenen Todes auch keinen Kunstfehler, keine Fahrlässigkeit
oder grobe Fahrlässigkeit des Arztes. Diese muss aber ausgeschlossen werden, daher ist jeder
nichtnatürliche (und auch ungeklärte) Tod den Ermittlungsbehörden (der Polizei) zu melden. Die
Praxis zeigt eindeutig, dass das Vermeiden einer korrekten Meldung oder gar der Versuch des
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„Vertuschens“ eines möglichen ärztlichen Fehlverhaltens („Kunstfehler“) für die betroffenen Ärzte
sehr schädlich sein kann. Sehr häufig führt das durch die Meldung ausgelöste
Todesermittlungsverfahren und die dann i.d.R. durchgeführte Obduktion sogar zur Entlastung der
Kollegen.
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5. Die ärztliche Leichenschau
Jeder Arzt hat sich nach entsprechenden Vorschriften der Verpflichtung zu unterziehen, den Tod
eines Menschen festzustellen. Dies dient zugleich der Feststellung der nicht mehr möglichen
Behandlung des Patienten und der Wahrnehmung öffentlicher Verpflichtungen im
Gesundheitswesen (Todesfeststellung).
Das Leichenwesen wird länderrechtlich geregelt. Für Nordrhein-Westfalen bestimmte jahrelang die
Ordnungsbehördliche Verordnung über das Leichenwesen (zuletzt in der Fassung vom 02.12.2000)
den Umgang mit der Leiche. Mit dem Jahr 2003 erhielt nun auch NRW ein Bestattungsgesetz. Dass
dies nach ca. 50 Jahren an der Zeit war, belegt allein die Tatsache, dass über diesen gesamten
Zeitraum eine Feuerbestattung in der Ordnungsbehördlichen Verordnung nicht geregelt war. Wenn
etwas im Länderrecht nicht geregelt ist, gilt Bundesrecht. Folglich galt in NRW für die immer
zahlreicher werdenden Fälle von Feuerbestattung das Reichs-Feuerbestattungsgesetz von 1934
sowie die dazu ergangene Verordnung von 1938. Das Gesetz trägt peinlicherweise auch heute
noch die Unterschrift des damaligen Reichskanzlers. In NRW wurde im neuen Bestattungsgesetz
die Feuerbestattung geregelt. Für einige andere Bundesländer gilt das Reichs-
Feuerbestattungsgesetz weiterhin.
Eine weitere Änderung, die bereits im Jahr 2000 gültig wurde, betraf die Todesbescheinigung NRW.
Diese war seit 01.01.2002 zwingend zu verwenden. Die aus dem Jahr 1997 stammenden
Todesbescheinigung hatte somit keine sehr lange Gültigkeitsdauer. Im Jahr 2004 erschien bereits
wiederum eine neue Version, die einzige Änderung betraf allerdings nur die nochmalige
Versicherung des leichenschauenden Arztes, eine komplette Leichenschau durchgeführt zu haben.
Bereits im Jahr seines Erscheinens wurde der 1997 geschaffene Vorläufige Leichenschauschein
(gedacht für Ärzte im öffentlichen Rettungsdienst) wieder abgeschafft. Dieser Schein war erheblich
kürzer ausgeführt und sollte nur die Identität und die klinische Todesfeststellung regeln. Die
ausführliche Leichenschau sollte ein anderer Arzt vornehmen. De facto war dieser Schein aber
bereits im August 1997, also ein paar Monate nach seiner Einführung, wieder aus dem Verkehr
gezogen worden, da die Verwendung behördlicherseits auf den Fall eingeschränkt wurde, dass der
Notarzt während einer Leichenschau einen neuen Einsatzbefehl erhielt. Dieser Fall war aber schon
immer und ist immer noch durch den Begriff des "übergesetzlichen Notstandes" bzw. über eine
Güterabwägung zwischen der Bedeutung der vollständigen Leichenschau und dem möglicherweise
lebensrettenden neuen Einsatz geregelt. Natürlich steht die Verpflichtung des Notarztes, Leben zu
retten, über der Verpflichtung zur vollständigen Leichenschau. Soweit er nicht sogleich sichere
Todeszeichen feststellen konnte, musste er ohnehin später zurückkehren. Dies ist durch den
Grundsatz, dass die Leichenschau "unverzüglich" (ohne schuldhaftes Zögern) wahrzunehmen ist,
abgedeckt. Im neuen Bestattungsgesetz wird der Notarzt von der Durchführung einer vollständigen
Leichenschau befreit. Ein auszufüllendes Dokument zur reinen Todesfeststellung (wie ein
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vorläufiger Leichenschauschein) wurde aber offenbar von der Politik vergessen. Bei manchen
Notärzten hat es sich eingespielt, eine Kopie des Einsatzprotokolls am Ort des Geschehens
zurückzulassen.
Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, unverzüglich nach Erhalt der Todesanzeige die unbekleideten
Toten persönlich zu besichtigen und zu untersuchen (Leichenschau) sowie die Todesbescheinigung
auszustellen und auszuhändigen (Bestattungsgesetz NRW). Angezeigt im Sinne des §12 Abs. 3 ist
der Tod einem Arzt auch, wenn ein Mensch unter seiner betreuenden Anwesenheit verstirbt oder
der herbeigerufene Arzt Anzeichen eines bereits vorher eingetretenen Todes ärztlich feststellt. Die
ärztliche Leichenschau endet also nicht mit der Feststellung, dass keine klinischen Maßnahmen
mehr erforderlich sind, sondern umfasst grob geordnet die folgenden Tätigkeiten:
Zur Erfüllung seiner Pflicht zur Leichenschau hat der Arzt die Leiche persönlich zu besichtigen und
zu untersuchen. Diese Verpflichtung setzt die
☻ vollständige Entkleidung
☻ die allseitige Besichtigung
☻ und die Inaugenscheinnahme aller Körperöffnungen
voraus. Nur durch ein solches Vorgehen können sichere Zeichen für den Tod erkannt und
Fehlentscheidungen bei der Frage, ob Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod vorliegen,
vermieden werden. Einen maßgeblichen Anteil der ärztlichen Leichenschau macht die Feststellung
der sicheren Zeichen des Todes aus (vgl. dazu Abschnitt 2).
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5.2 Die ärztliche Todesbescheinigung im Allgemeinen
Die Todesbescheinigung dient auch dazu, Anhaltspunkte über die Todesart zu gewinnen. Nur mit
der Festlegung, dass es sich um einen natürlichen Tod handelt, wird die folgenlose Beurkundung
des Todes durch den Standesbeamten möglich. Weitergehende Untersuchungen finden dann
nicht statt. Dem Arzt obliegt daher eine besondere Verantwortung, wenn er aufgrund von
Vorkenntnissen und Auffindesituation sowie eigenen ärztlichen Untersuchungen den natürlichen
Tod bescheinigt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass lediglich in 50 % der Fälle
die im Totenschein dargelegten Erkrankungen einer nachfolgenden Beurteilung nach
Leichenöffnung standgehalten haben („Görlitzer Studie“!).
Jede andere Festlegung, sei es, dass Anhaltspunkte für äußere Einwirkungen festgestellt wurden,
oder dass es ungeklärt bleibt, ob es sich um einen nicht natürlichen Tod handeln könnte, hat die
Einleitung eines Todesermittlungsverfahrens zur Folge. Im Rahmen eines solchen Verfahrens
kommt es in der Regel zur Leichenöffnung, wenn Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden nicht
auszuschließen sind. In vielen Fällen werden aber schon im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen
diese Zweifel ausgeräumt, so dass eine Obduktion unterbleibt und die Leiche vom Staatsanwalt (zur
Bestattung) freigegeben wird.
Bei Todesfällen in Zusammenhang mit medizinischen Eingriffen kann nicht ohne weiteres ein
natürlicher Tod bescheinigt werden. Der Arzt kommt dadurch in eine schwierige Konfliktlage, wenn
er aufgefordert ist, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, die ein Todesermittlungsverfahren nach
sich ziehen können. Dabei kann auch eigenes Fehlverhalten aufgedeckt werden. Aus diesem Grund
haben sich andere Länder für eine Verfahrensweise entschieden, bei der der Tod durch einen
besonderen Arzt des öffentlichen Gesundheitswesens festgestellt wird.
Von der Todesart ist die im Vertraulichen Teil der Todesbescheinigung anzugebene Todesursache
streng zu trennen. Auch wenn die Meinung vertreten wird, dass dies vielfach schwierig sei, sollte
der Arzt eine wertungsfreie Todesart bezeichnen und sich dann erst mit der bewertungsbehafteten
medizinischen Todesursache befassen. Dabei sollte er bedenken, dass die Ursächlichkeit auch in
einem zeitlich weit zurückliegenden Ereignis gefunden werden kann. So ist z.B. der Spättodesfall
(Thrombose, Lungenembolie nach Unfall) in der Regel eine ursächliche Folge des
Verletzungsereignisses.
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5.3 Mögliche rechtliche Folgen für den Arzt
Über die rechtlichen Folgen, die fehlerhafte Eintragungen oder Falscheintragungen in der
Todesbescheinigung haben können, bestehen häufig Unklarheiten. Deshalb sollen die rechtlichen
Fragen der Ausstellung eines unrichtigen Totenscheins kurz erörtert werden. Bei der
Todesbescheinigung handelt es sich um eine Urkunde im Rechtssinne, weil sie einen rechtlich
erheblichen Erklärungsinhalt hat.
Eine Urkundenfälschung (§ 267 l. Alt. StGB) kommt nur in seltenen Fällen in Betracht, wenn ein
Arzt eine Todesbescheinigung ausstellt und ohne entsprechende Ermächtigung mit dem Namen
eines anderen Arztes unterzeichnet.
Eine Urkundenverfälschung (§ 267 2. Alt. StGB) ist dann in Betracht zu ziehen, wenn der von
einem Arzt ausgestellte und unterschriebene Totenschein von einem anderen Arzt verändert wird,
ohne dass er dazu vom Aussteller ermächtigt ist.
Inhaltlich falsche Todesbescheinigungen sind schriftliche Lügen, die grundsätzlich nicht strafbar
sind. Beachte: Nach Landesrecht kann das Ausstellen einer inhaltlich unrichtigen
Todesbescheinigung jedoch eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit sein (z.B. Baden-
Würtemberg § 49 Abs. 3 Bestattungsgesetz).
Eine Falschbeurkundung (§ 348 StGB) kann auch für einen Amtsarzt nicht vorliegen, weil die
Todesbescheinigung keine öffentliche Urkunde darstellt.
Der Arzt kann sich jedoch einer mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 StGB) schuldig machen,
wenn er dem Standesbeamten falsche Daten mitteilt, die ins Sterberegister eingetragen werden.
Das bezieht sich auf Personaldaten einschließlich Todeszeit und Sterbeort. Die Angabe falscher
Todesursachen fällt dagegen nicht unter diese Bestimmung, weil die Todesursache nicht ins
Sterberegister eingetragen wird.
Die Eintragung einer falschen Todesursache (z.B. natürlicher Tod statt Unfall oder Freitod) kann als
Beihilfe zum Betrug (§ 263 StGB) gewertet werden, wenn durch die bewusste Falschangabe
Versicherungsleistungen seitens der Hinterbliebenen erschlichen werden.
Unterschlägt der leichenschauende Arzt Hinweise auf ein Fehlverhalten eines anderen Arztes oder
anderer Personen, das todesursächlich gewesen sein könnte, kommt fremdbegünstigende
Strafvereitelung (§ 258 StGB) in Betracht.
Unterschlägt der Arzt Hinweise auf eigenes Fehlverhalten, bleibt er straffrei (§ 258 Abs. 5 StGB).
Der Arzt kann nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten (Straflose Selbstbegünstigung)
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Wenn ein Arzt nicht unverzüglich die Leichenschau vornimmt oder wenn er die vorgeschriebenen
Untersuchungen an der Leiche unterlässt, handelt der Arzt nach landesrechtlichen Bestimmungen
ordnungswidrig.
Sollten sich durch eine fehlerhafte oder nur oberflächlich durchgeführte Leichenschau Folgen für
andere Menschen ergeben (z.B. Folgetodesfälle bei CO-Vergiftung) kann der Arzt auch wegen
eines Tötungsdelikts verfolgt werden.
Folgt der Arzt nicht der Meldepflicht einer ansteckenden Krankheit und kommt es demzufolge zu
weiteren Infektionen, könnte er wegen Körperverletzung belangt werden.
Bei Nichtinformation der Polizeibehörde über einen fremdverschuldeten Todesfall könnte wiederum
Strafvereitelung gemäß § 258 StGB in Betracht kommen. Nach dem vorgesehenen
Bestattungsgesetz NRW soll dies außerdem mit einem Bußgeld belegt werden.
Ordnungswidrig handelt auch ein Arzt, der nicht unverzüglich die Leichenschau vornimmt und die
Todesbescheinigung aushändigt (§ 17 Nr.6 E, NRW).
Fasst man das im vorliegenden Abschnitt Erwähnte zusammen, sollte dies jeden Arzt dazu
bewegen, bei der Leichenschau grösste Sorgfalt walten zu lassen und den Leichenschauschein so
korrekt und ausführlich wie möglich auszufüllen.
Wie schon eingangs erwähnt, wird das Leichenwesen auf Länderebene geregelt. Aus diesem
Grunde verwundert es nicht, dass von Land zu Land Unterschiede bestehen. Auf Einzelheiten
einzugehen, würde den Rahmen dieses Scriptums sprengen. Allein schon die Definition des
Leichenbeschauers ist unterschiedlich geregelt. Auch die Einteilung der anzukreuzenden Todesart
wird unterschiedlich gehandhabt:
Nordrhein-Westfalen
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14 3. Todesart
Gibt es Anhaltspunkte für äußere Einwirkungen, die den Tod zur Folge hatten?
(z.B. Selbsttötung, Unfall. Tötungsdelikt, auch durch äußere Einwirkungen evtl. mitverursachte Todesfälle,
Spättodesfälle nach Verletzung)
ja (Wenn ja oder ungeklärt, im Vertraulichen Teil, Blätter 2 ff. Ziff. 20 (Epikrise) nähere Hinweise (falls möglich))
Mecklenburg-Vorpommern:
Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Tod
Baden-Würtemberg
Anhaltspunkte für nicht natürlichen Tod
ja nein
Brandenburg
Rheinland-Pfalz
Anhaltspunke für einen nicht natürlichen Tod
Saarland
Schleswig-Holstein
natürlicher Tod
nichtnatürlicher Tod (Unfall, Selbsttötung, Tod durch strafbare Handlung oder sonstige Gewalteinwirkung)
oder Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Todl
nicht aufgeklärt, ob natürlicher Tod oder nichtnatürlicher Tod und keine Anhaltspunkte für einen
nichtnatürlichen Tod
Sachsen
Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Tod
Hamburg
Gibt es Anhaltspunkte für nichtnatürliches Geschehen im Zusammenhang mit dem Todeseintritt? (Selbsttötung,
Unglücksfall oder Tod durch äußere Einwirkung, bei der das Verhalten eines Dritten eine Ursache gesetzt haben
könnte, Spättod nach Verkehrsunfall, Lungenembolie durch unfallbedingtes Krankenlager etc.)ll
Berlin
natürlicher Tod nicht natürlicher Tod ungewiss
Bei nicht natürlichem Tod
Beschreibung des Ereignisses,
das zum Tode geführt hat
Welche Verletzungen oder Einwirkungen (z.B. äußere Anzeichen einer gewaltsamen Einwirkung wurden festgestellt
Niedersachsen
natürlicher Tod nicht natürlicher Tod (z.B. Unfall, Selbstmord, Vergiftung, Folge des -ggfls. auch
zurückliegenden - Verhaltens eines Anderen, sonstige Gewalteinwirkung)
Anzeichen eines nicht natürlichen Todes an der Leiche____________________________________________
Sonstige Umstände (bei nicht natürlichem Tod)__________________________________________________
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Sachsen-Anhalt
Thüringen
Hessen
Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Tod
Bremen
Gibt es Anhaltspunkte für nichtnatürliches Geschehen im Zusammenhang mit dem Todeseintritt? (Selbsttötung,
Unglücksfall oder Tod durch äußere Einwirkung, bei der das Verhalten eines Dritten eine Ursache gesetzt haben
könnte, Spättod nach Verkehrsunfall, Lungenembolie durch unfallbedingtes Krankenlager etc.)ll
Bayern
natürlicher Tod
nicht natürlicher Tod* (Unfall, Selbstmord, Tod durch strafbare Handlungen oder sonstige Gewalteinwirkung)
5.5.1 Allgemeines
Die seit dem 01.01.02 in NRW gültige Todesbescheinigung (Änderung 2004 in nur einem Punkt)
weist gegenüber dem Vorgängermodell nur noch insgesamt 5 Blätter auf: Einmal den
nichtvertraulichen und zum anderen den vertraulichen Teil in vierfacher Ausfertigung. Hier finden
sich jeweils unterschiedliche Felder geschwärzt. Die Bestimmung der einzelnen Bögen lautet wie
folgt:
• Nichtvertraulicher Teil:
Untere Gesundheitsbehörde über das Standesamt
• Vertraulicher Teil (rot).
Untere Gesundheitsbehörde zum Verbleib
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• Vertraulicher Teil (blau):
Untere Gesundheitsbehörde zur Einsichtsgewährung an Krebsregister und zur Weiterleitung an die
untere Gesundheitsbehörde der Wohnsitzgemeinde
• Vertraulicher Teil (gelb)
Untere Gesundheitsbehörde zur Weiterleitung an Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung
• Vertraulicher Teil (weiss)
Für den leichenschauenden Arzt zur Dokumentation
Im DIN-A4-Umschlag findet der leichenschauende Arzt des weiteren einen roten Umschlag im DIN-
A5-Format.
Der rote Umschlag ist für die 3 Exemplare des Vertraulichen Teiles gedacht und an den
Standesbeamten zu adressieren, der die Aufgabe hat, den ungeöffneten Inhalt an die zuständige
untere Gesundheitsbehörde zu senden.
Der grosse DIN-A4-Umschlag beinhaltet den Nichtvertraulichen Teil und ist an den Standesbeamten
zu adressieren. Dieser Umschlag wird nicht verschlossen.
Auf den folgenden beiden Seiten finden sich "Vertraulicher Teil" und "Nichtvertraulicher Teil" in-toto
abgebildet. Es handelt sich hier um die Versionen, die von der Druck-und-Medien-GmbH hergestellt
werden. Insgesamt wurden wiederum drei Druckereien mit der Herstellung betraut. Wie beim
Vorgänger des jetzt gültigen Totenscheins resultieren daraus farblich und in der graphischen
Aufteilung unterschiedliche Versionen; nicht gerade zur Erleichterung für den leichenschauenden
Arzt.
Im folgenden Text soll auf die einzelnen Punkte, zu denen der leichenschauende Arzt Stellung
beziehen muss, eingegangen werden.
Personalangaben
1. Personalangaben
1 Name (ggf. Geburtsname), Vorname(n)
2 Straße 3 Hausnummer
Ein Beispiel wäre hier der Zusatz Angaben Polizei. Keinesfalls sollte man wie im unten
dargestellten Beispiel reagieren:
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Wenn die Identität nicht geklärt ist, muss die Polizei verständigt werden! Der einzige Eintrag, der
dem leichenschauenden Arzt dann bleibt, ist: "nicht möglich"
Unter Punkt 9 und 10 kann alternativ der Sterbezeitpunkt oder der Zeitpunkt der Leichenauffindung
angegeben werden. Im Zweifelsfall sollte der Zeitpunkt der Leichenauffindung angegeben werden.
Keinesfalls sollte sich der Arzt diesbezüglich auf Diskussionen einlassen. Immer wieder sind uns
Fälle zu Ohren gekommen, in denen seitens anwesender Polizeibeamter auf eine Festlegung zum
Sterbezeitpunkt gedrängt wurde. Hier wäre als Beispiel ein Stapel nicht in die Wohnung
hereingeholter Tageszeitungen oder ähnliches zu nennen. Mag dies aus kriminalistischer Sicht auch
ein - allerdings sehr vager - Hinweis auf die Sterbezeit sein, der Arzt unterschreibt den
Leichenschauschein und muss die dort gemachten Aussagen fachlich vertreten können!
Im Zweifelsfall sollte der Eintrag also immer unter Punkt 10 erfolgen: Leichenauffindung und
gegebenenfalls der Zusatz unter Punkt 9: Nach Angaben Angehöriger/ Dritter. Eine handschriftliche
Präzisierung - beispielsweise: durch Polizei - kann auch hier nicht schaden.
An dieser Stelle endet das Durchschreibeverfahren, der leichenschauende Arzt muss die
folgenden Blätter nach hinten hochklappen, um nicht später die Angaben im Vertraulichen Teil
bereits überschrieben vorzufinden!
Sterbeort / Auffindeort
11 Sterbeort 12 Auffindeort, falls nicht Sterbeort 13 als tote Leibesfrucht geboren in der Geburt verstorben
Straße, Hausnummer
Sollten dem Arzt irgendwelche Zweifel kommen, ob es sich um den tatsächlichen Sterbeort handelt
oder nicht, sollte er dies durch Wahl des Feldes 11 deutlich machen. Immer wieder kommt es vor,
dass Leichen aus einem Grund, den der leichenschauende Arzt nicht ahnen kann, an einem
anderen Ort abgelegt werden. Dahinter muss nicht unbedingt ein Kapitaldelikt stehen; hat der Arzt
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jedoch ausreichende Zweifel haben, sollte er zusätzlich zu seiner Eintragung die Polizei
informieren. Eine Abklärung der Fundsituation ist deren Aufgabe. Natürlich können sich hier auch
für den Arzt bei einer gründlichen Leichenbesichtigung deutliche Indizien ergeben. Man sollte
beispielsweise die oft innerhalb der Totenflecken zu findenden Abblassungen mit der Unterlage der
Leiche vergleichen. Ergeben sich hier Widersprüche? Finden sich an Ober- und Unterseite der
Leichen fixierte Totenflecken? Dann muss die Leiche innerhalb der letzten etwa 10 Stunden
umgelagert worden sein. Dies sind Rückschlüsse, die vom leichenschauenden Arzt erwartet
werden. Er hat dann die Aufgabe, die weitere Aufklärung des Todesfalles in die Wege zu leiten.
Zu den Angaben für Totgeborene muss das Personenstandsgesetz herangezogen werden. Dort
lautet der § 29:
(1) Eine Lebendgeburt, für die die allgemeinen Bestimmungen über die Anzeige und die Eintragung
von Geburten gelten, liegt vor, wenn bei einem Kind nach der Scheidung vom Mutterleib entweder
das Herz geschlagen hat oder die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Lungenatmung
eingesetzt hat.
(2) Hat sich keines der in Abs. 1 genannten Merkmale des Lebens gezeigt, beträgt das Gewicht der
Leibesfrucht jedoch mindestens 500 Gramm, so gilt sie im Sinne des Paragraphen 24 des Gesetzes
als ein totgeborenes oder in der Geburt verstorbenes Kind.
(3) Hat sich keines der in Abs. 1 genannten Merkmale des Lebens gezeigt und beträgt das Gewicht
der Leibesfrucht weniger als 500 Gramm, so ist die Frucht eine Fehlgeburt. Sie wird in den
Personalstandsbüchern nicht beurkundet.
Die Differenzierung in "als tote Leibesfrucht geboren" oder "in der Geburt verstorben" wird sicherlich
nur bei eingeleiteter geburtshelferlicher Diagnostik sicher möglich sein, es sei denn, es finden sich
bereits so deutliche Mazerationserscheinungen, dass vom makroskopischen Aspekt her von einem
länger zurückliegenden Tod ausgegangen werden kann.
Todesart
Der leichenschauende Arzt gelangt hier zu der entscheidenden Fragestellung. Die von ihm
getroffene Feststellung entscheidet über den weiteren "Weg" der Leiche. Entscheidet er sich für die
Feststellung einer natürlichen Todesart, kann die Leiche bestattet werden, ohne das irgendeine
Ermittlungsbehörde davon Kenntnis erhält. Die Sterbeurkunde wird ausgestellt, irgendwann wird der
Vertrauliche Teil des Leichenschauscheins vom Gesundheitsamt ausgewertet; dann ist die
verstorbene Person aber in aller Regel längst beerdigt, eventuelle Spuren am Sterbeort (Tatort ?)
sind längst beseitigt.
29
14 3. Todesart
Gibt es Anhaltspunkte für äußere Einwirkungen, die den Tod zur Folge hatten?
(z.B. Selbsttötung, Unfall. Tötungsdelikt, auch durch äußere Einwirkungen evtl. mitverursachte Todesfälle,
Spättodesfälle nach Verletzung)
ja (Wenn ja oder ungeklärt, im Vertraulichen Teil, Blätter 2 ff. Ziff. 20 (Epikrise) nähere Hinweise (falls möglich))
Der Arzt kann sich gar nicht bewusst genug sein, was an dieser Stelle von seiner Entscheidung
abhängt. Kreuzt er den unnatürlichen oder nicht aufgeklärten Tod an, muss die Polizei verständigt
werden. Die Leiche darf nicht abtransportiert werden. Der Arzt ist verpflichtet, vom Moment des
Erkennens dieser Todesart an, keine möglichen Tatspuren zu verwischen. Im Zweifelsfall sollte er
seine Leichenschau beenden und erst nach Eintreffen der Polizei fortsetzen.
Der Hinweis, im Falle eines nichtnatürlichen oder nicht aufgeklärten Todes nähere Erläuterungen
abzugeben, könnte im Zweifelsfall zu einer leichtfertigen Entscheidung in Richtung "natürliche
Todesart" führen. Eigentlich sollte - umgekehrt - beim Festellen einer natürlichen Todesart wenige
Sätze der Erklärung verlangt werden. Warum dies nicht so ist, sondern eben umgekehrt, konnte
man vor wenigen Jahren in einem Schreiben aus dem Gesundheitsministerium lesen, wo es hieß:
Hiermit soll erreicht werden, dass die Kripo nicht in völlig unbegründeten Fällen am Ort des
Geschehens auftritt und die verstörten Trauernden Protestbriefe an die Ministerien und den Landtag
verfassen.
Ärzte sind keine Kriminalisten. Man kann von ihnen erwarten, dass sie die Umgebung der Leiche in
Augenschein nehmen, man kann hingegen nicht erwarten, dass sie kriminalistisch Hinweise auf
einen nichtnatürlichen Tod suchen. Sollte sich neben der Leiche beispielsweise ein Glas mit
eingetrockneten weißlichen Anhaftungen finden, so kann dies als Verdacht auf einen Suizid gelten.
Findet der Arzt keine einleuchtende Erklärung für diese Anhaftungen, so hat er mit dem Eintrag
eines ungeklärten Todes seine medizinische und staatsbürgerliche Pflicht erledigt. Die Aufklärung
des Sachverhaltes ist Aufgabe der Ermittlungsbehörden.
Ein anderer, häufig vorzufindender, Fehler beim Ausfüllen von Punkt 14 besteht in der Verkennung
bzw. Nichterkennung von zeitlich früherem Geschehen. Viele Todesfälle infolge von Pneumonie
oder Lungenembolie sind als Spättodesfälle nach einem Unfallgeschehen zu klassifizieren. Damit
fallen sie - wie auch unter Punkt 14 im Leichenschauschein deutlich erwähnt - unter die Rubrik
nichtnatürliche Todesart. Eine genaue Definition der möglichen Zeitspanne zwischen dem Ereignis
und dem Ableben zu geben, erscheint unmöglich. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden,
dass im Einzelfall Jahrzehnte dazwischen liegen können. Man denke einmal an bei einem Unfall im
kindlichen Alter zugezogene Kopfverletzungen mit der Folge einer bleibenden Epilepsie. Ein Tod im
epileptischen Anfall Jahrzehnte später ist eindeutig als Unfalltod zu werten.
Dieses Beispiel macht besonders deutlich, dass Ärzte, die meinen, sie würden bei der
falschpositiven Feststellung eines natürlichen Todes menschlich besonders rücksichtsvoll agieren
30
(den Angehörigen die Polizei "vom Halse halten"), schwer irren: man denke einmal an eine
bestehende Unfallversicherung, die das falsch gesetzte Kreuzchen zumindest vorläufig zur
Zahlungsverweigerung verwendet.
Nachfolgend finden sich einige warnende Beispiele, die wie sie bei der amtsärztlichen Leichenschau
(2. Leichenschau) im Krematorium immer wieder auffallen. In allen Fällen wurde im
nichtvertraulichen Teil ein natürlicher Tod bescheinigt.
Ein Beispiel für einen leichtfertig als natürlichen Tod eingestuften iatrogenen Tod zeigt die nächste
Todesbescheinigung. Ohne Rücksicht auf vielleicht tatsächlich vorliegendes, ärztliches
Fehlverhalten handelt es sich in jedem Fall um einen nichtnatürlichen Tod.
Viele Ärzte meinen, mit der Meldung eines nichtnatürlichen oder nicht aufgeklärten Todes würden
sie die Gründung einer "Mordkommission" veranlassen und die Angehörigen oder sich selbst zu
"Angeklagten" machen. Dies ist schlichtweg falsch. Das Todesermittlungsverfahren, welches nun
eröffnet wird, hat zunächst lediglich das Ziel, die Frage zu klären, ob es sich tatsächlich um einen
nichtnatürlichen Tod handelt und ob ein Verschulden Dritter ausgeschlossen werden kann. Es
handelt sich damit um ein Verfahren sui-generis. Sobald die Umstände geklärt sind, wird das
Verfahren abgeschlossen, oftmals schon nach wenigen Stunden. Erst bei zureichenden
31
(ausreichenden) Anhaltspunkten für ein Verschulden Dritter wird das vom Täter zu Recht
gefürchtete Ermittlungsverfahren eröffnet.
Hier ist sicherlich auch in der Bevölkerung noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten. Ein Arzt,
der seine Leichenschau sorgfältig durchführt, erfüllt nur gewissenhaft seine Aufgaben - auch im
Sinne des Rechtsstaates - , er verdächtigt nicht die trauernden Angehörigen eines Tötungsdeliktes.
Polemischer ausgedrückt: Man muss jedem Staatsbürger zubilligen, dass er von seinem Recht auf
einen natürlichen Tod Gebrauch machen konnte. Gelang dies nicht oder bleiben Zweifel, ist in
seinem Sinne zu überprüfen, ob ein Verschulden Dritter vorlag oder nicht.
Warnhinweise
15 4. Warnhinweise
Liegen Hinweise dafür vor, daß die/der Verstorbene an einer übertragbaren
Krankheit nach § 6 oder § 7 Infektionsschutzgesetz (einschl. HIV) erkrankt war? nein ja
Sind besondere Verhaltensmaßnahmen bei der Aufbewahrung, Einsargung, Beförderung und Bestattung zu beachten?
16
nein ja, welche?
Die Einführung des Infektionsschutzgesetzes ist allein schon zu begrüßen, weil die leidige
Diskussion um Hinweise auf eine AIDS-Erkrankung bzw. HIV-Infektion gestoppt wird. Eine ganze
Reihe von Menschen hat nach dem Ableben noch Kontakt zur Leiche: Bestatter, Leichenwäscher,
Thanatopraktiker, Friedhofspersonal, Krematoriumspersonal etc.. Deren gesundheitliche
Gefährdung sollte als höheres Rechtsgut eingestuft werden, als das u.U. vorliegende Interesse der
Angehörigen auf Geheimhaltung. Dies erfolgte mit Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht nicht
immer.
Sind tatsächlich Hinweise auf eine infektiöse Erkrankung im Sinne des Infektionsschutzgesetzes
(IfSG) gegeben, ist zusätzlich das Gesundheitsamt zu informieren, um gegebenenfalls
Schutzmaßnahmen für die Kontaktpersonen zu ergreifen. Dies sollte unverzüglich erfolgen. Nach §
6 des IfSG sind folgende meldepflichtigen Krankheiten namentlich zu melden (§6):
Die unter Punkt 11 abzuhandelnden Unterpunkte wurden bereits eingangs ausführlich diskutiert;
zumindest die sicheren Todeszeichen, die da wären: Totenflecken, Totenstarre, Fäulnis und
Hirntod. Hinzugefügt wird noch der Punkt "nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen", der auch
Sinn macht. Bei einer völlig zerstörten Leiche (Eisenbahnüberfahrung, Verkehrsunfall etc.) dürfte es
32
kaum möglich sein, die klassischen Todeszeichen wie Totenflecken (Ausbluten des Körpers!)
oder Totenstarre (Zerstückelung!) nachzuweisen. Der Arzt sollte sich aber davor hüten, etwa bei
Amputationen von Gliedmaßen, diesen Punkt leichtfertig als alleiniges Todeszeichen anzukreuzen.
Im Gegensatz zu einer früheren Version der Todesbescheinigung NRW wird lediglich die Angabe
verlangt, ob versucht wurde, zu reanimieren; früher wurde hier die Angabe der Reanimationsdauer
verlangt.
13 behandelnder Arzt
nicht behandelnder Arzt nach Angaben nicht behandelnder Arzt
des behandelnden Arztes ohne Angaben
des behandelnden Arztes
Die Fragen erscheinen auf den ersten Blick etwas verwirrend, sind aber eigentlich eindeutig zu
beantworten. Der behandelnde Arzt (Klinik- oder Hausarzt beispielsweise) kreuzt hier die erste
Möglichkeit an; der herbeigerufene Arzt, der sich beim Hausarzt über die Anamnese erkundigt hat,
kreuzt die zweite Möglichkeit an. Dem Arzt, der ohne sichere Kenntnis der Anamnese handelt,
verbleibt die dritte Möglichkeit.
Straße, Hausnummer
Diese Eintragungen sollen die u.U. notwendigen behördlichen Nachforschungen erleichtern. Wenn
bekannt, sollte der leichenschauende Arzt diese Eintragungen nicht vergessen. Er erspart damit
vielleicht auch den Angehörigen weitere Nachforschungen der Polizei.
15 I a) Unmittelbare Todesursache
17 b2*
18 c) Hierfür ursächliche
Grundleiden:*
Die Punkte 15 bis 19 betreffen die genauen medizinischen Diagnosen zur Todesursache. Man
versucht hier, die Beschlüsse der Weltgesundheitsorganisation in die Praxis umzusetzen. Dort
wurde bereits 1967 definiert, dass „alle diejenigen Krankheiten, Leiden und Verletzungen, die
entweder den Tod zur Folge hatten oder zum Tode beitrugen und die Umstände des Unfalls oder
der Gewalteinwirkung, die diese Verletzungen hervorriefen“ zu erfassen sind. Damit soll
sichergestellt werden, dass alle für Epidemiologie, Prävention etc. bedeutenden Angaben
festgehalten werden, was zwangsläufig zur Folge hat, dass man hier die bedeutenden Zustände
33
auswählen muss und andere, unbedeutendere Zustände nicht angibt. Endzustände wie
Atemstillstand oder Herzkreislaufversagen dürfen ausdrücklich nicht eingetragen werden. Die Praxis
hat gelehrt, dass aber gerade diese Einträge sich in den meisten Todesbescheinigungen finden. Im
Einzelfall dürfte es dem leichenschauenden Arzt in der Tat schwer fallen, hier spezifische Angaben
zu machen, ohne sich beim behandelnden Arzt über die Anamnese zu erkundigen.
Ein Beispiel für korrekt ausgefüllte Felder zeigt die obige Abbildung. Es sollte natürlich kein Zweifel
darüber bestehen, dass es sich in diesem Beispiel um einen nichtnatürlichen Tod handelt, der im
nichtvertraulichen Teil des Leichenschauscheines auch so zu deklarieren ist. Des Weiteren sollte in
diesem Fall – wenn möglich – auch die Epikrise ausgefüllt werden.
Hier könnten beispielsweise kurze Angaben zur Unfallursache gemacht werden, wenn sie bekannt
ist. Hilfreich für spätere Nachprüfungen wäre auch die Angabe der Herkunft der Erkenntnisse (z.B.
durch den Patienten selbst).
Die in der Todesbescheinigung vorgegebenen Beispiele umfassen auch den Punkt „Komplikationen
medizinischer Behandlung“. Das beweist, dass der Gesetzgeber in NRW den iatrogenen Tod als
nichtnatürliche Todesart einstuft.
Der nächste Punkt verlangt vom Arzt eine versicherungsrechtliche Wertung im Falle eines
Unfalltodes. Aus diesem Grunde sollte man ausgesprochen vorsichtig mit den Eintragungen sein.
Erscheint es dem Leichenbeschauer unmöglich, eine sichere Einstufung zu treffen, soll er es lieber
lassen. Ein scheinbarer Unfalltod durch Fenstersturz aus der ehelichen Wohnung dürfte durch den
Leichenschauer kaum von einer Tötung durch Stoß aus dem Fenster eindeutig zu differenzieren
sein.
Schulunfall (ohne Wegeunfall) Sport- oder Spielunfall (nicht in Haus oder Schule)
Der nächste Abschnitt dürfte beim Ausfüllen keine grösseren Schwierigkeiten bereiten. Wenn keine
Erkenntnisse vorliegen, wird dies so angegeben. Liegen Erkenntnisse vor, sollte vielleicht die
Herkunft (z.B. Angehörige) der Information kurz vermerkt werden.
34
Es erscheint sicherlich sinnvoll, bei stattgehabter Obduktion dies auch zu dokumentieren. In der
Praxis dürfte dies allerdings kaum regelbar sein, da der Totenschein nur in seltenen Fällen dem
Obduzenten vorliegt. Er ist meist schon auf seinen behördlichen Weg gegeben worden. Dies ist umso
bedauerlicher, als dass nun die tatsächlich bei der Obduktion gefundene Todesursache nicht mehr
eingetragen werden kann. Um die Todesursachenstatistik korrekter und damit glaubhafter gestalten
zu können, wäre hier dringend eine Abhilfe zu schaffen.
nein ja
nein ja
Der Punkt 26 soll noch einmal auf die Pflicht des Leichenschauers hinweisen, bei nichtgeklärter
Identität der Leiche sowie bei nichtnatürlicher oder unaufgeklärter Todesart die Polizei zu
informieren. Gelesen wird die Eintragung allerdings erst im Gesundheitsamt oder im Falle einer
Feuerbestattung vom Amtsarzt bei der Feuerbestattungsleichenschau. Der Vertrauliche Teil darf ja
vom Bestatter nicht gelesen werden. Warum Punkt 26 im Vertraulichen Teil aufgeschlüsselt wurde,
erscheint schleierhaft. Bei Todesfällen im Krankenhaus wird der nicht vertrauliche Teil der
Todesbescheinigung häufig vom Krankenhausträger selbst dem Standesamt übermittelt. Der
Bestatter erfährt somit in solchen Fällen selbst beim Eintrag einer unaufgeklärten Todesart nichts
davon, dass er die Leiche nicht abtransportieren darf.
ja nein
Die nächsten Punkte (27, 28) betreffen Kinder, die unter einem Jahr verstorben sind bzw.
Totgeborene. Die Fragen betreffen den Sterbeort (Krankenhaus, zuhause oder sonst wo),
Mehrlingsgeburten, Geburtsgrösse und Geburtsgewicht. Auf die Definition der Totgeburt wurde
bereits bei der Beschreibung des Nichtvertraulichen Teils eingegangen.
Der Punkt 29 muss nur bei Neugeborenen ausgefüllt werden, die innerhalb der ersten 24 Stunden
post partum verstorben sind.
35
Abschließend bestätigt der leichenschauende Arzt mit seiner Unterschrift und seinem Stempel die
Richtigkeit seiner Angaben. Es ist ausgesprochen wünschenswert, dass sich an dieser Stelle auch
eine Telefonnummer findet, die bei eventuellen Nachfragen (Amtsarzt, Polizei, Gesundheitsamt)
Arbeit erspart. Desgleichen sollte der Name (wenn kein Stempel vorhanden ist) zusätzlich auch in
Druckbuchstaben ausgeschrieben werden.
Dem leichenschauenden Arzt muss klar sein, dass er hier bestätigt, dass sich seine Untersuchung
auf die gesamte Körperoberfläche einschließlich des Rückens, die behaarte Kopfhaut und
alle Körperöffnungen erstreckt hat.
Ziffer 30 vertraulichen Teil, die im Durchschreibeverfahren der Ziffer 18 des nichtvertraulichen Teils
entspricht, enthält also eine von den Ärzten abzugebende zusätzliche Versicherung. Die hat es
allerdings in sich.
Bislang versicherte der Arzt, die Leichenschau sorgfältig vorgenommen zu haben. Das muss er
auch jetzt noch. Allein diese Versicherung reicht jedoch nicht mehr. Negative Erfahrungen haben
das Ministerium veranlasst, den Inhalt einer sorgfältigen Leichenschau zu erläutern. Dies führt zu
der zusätzlichen Versicherung, dass bestimmte Untersuchungshandlungen tatsächlich
vorgenommen worden sind. Der Arzt muss daher nunmehr mit seiner Unterschrift bekräftigen, dass
er „die gesamte Köperoberfläche mit Rücken, Kopfhaut und allen Körperöffnungen“ untersucht hat.
Für Rechtsmediziner ist das kein Neuland. Nordrhein-Westfalen übernimmt damit praktisch die
klassische Definition der Leichenschau, wie sie als medizinischer Fachbegriff verstanden wird. Mit
der ausdrücklichen Einbeziehung der „Körperöffnungen“ verhält sich das Land vorbildlich auch mit
Blick auf andere sonst immer als beispielhaft gepriesene Bundesländer. Der Inhalt einer
Leichenschau kann nämlich nicht Ausfluss föderalistischer Eigenvorstellungen der unterschiedlichen
Landesgesetze sein. Er gehört wie jede andere lege artis auszuführende ärztliche Handlung zum
medizinischen Allgemeinverständnis.
Bedauerlich ist allerdings, dass dieser Vorbildcharakter erst im Nachgang zum neuen
Bestattungsgesetz durch Ausführungsbestimmungen zum Ausdruck kommt. Die Anregungen, den
Begriff der Leichenschau als Legaldefinition in § 9 Abs. 3 Best.Ges. NRW aufzunehmen, wie dies in
anderen Ländern geschehen ist, sind vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen worden.
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Welchen Sinn es allerdings machen soll, dem Arzt ausschließlich im vertraulichen Teil sichtbar die
Möglichkeit einzuräumen, durch Ankreuzen eines „Nein-Kästchens“ den Wert seiner eigenen
Leichenschau in Frage zu stellen, bleibt unerfindlich. Dazu schweigt auch der entsprechende
ministerielle Runderlass und die rechtsverbindliche Ausfüllanleitung. Diese lehrt den Arzt, wie eine
sorgfältige Leichenschau auszusehen hat. Teilbesichtigungen genügen nicht. Die Untersuchung hat
sich vielmehr auf die gesamte Körperoberfläche einschließlich des Rückens, die behaarte Kopfhaut
und aller Körperöffnungen zu erstrecken.
Sollte der Leichenschauarzt also bekennen, diese Untersuchungen nicht durchgeführt zu haben,
indem er das „Nein-Kästchen“ ankreuzt, mangelt es an einer vollständigen Leichenschau. Eine nicht
vollständige Leichenschau wird nicht als „sorgfältig“ im Sinne von § 9 Abs. 3 Best.Ges. NRW
bezeichnet werden können. Dem insoweit geständigen Arzt könnte also gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1
Best.Ges. NRW ein Bußgeld von 3000 Euro drohen. Da scheint die nächste Version einer
Todesbescheinigung bereits vorprogrammiert: Die Kästchen müssen ersatzlos gestrichen werden,
auch im Interesse des Leichenschauarztes.
Im übrigen hat die Ausfüllanleitung noch weitere Überraschungen bereit: Nachdem der Gesetzgeber
entgegen allem fachkundigen Rat keine Regelung der Verfahrensweise bei „ungeklärtem Tod“ in
das Gesetz aufgenommen hat, soll diese Lücke nun durch die Ausfüllanleitung geschlossen
werden. Sie verpflichtet den Arzt zu der gleichen Verfahrensweise, wie sie § 9 Abs. 5 Best.Ges.
NRW für den nichtnatürlichen Tod vorschreibt, nämlich Unterrichtung der Polizei und Sicherung vor
Veränderungen. Diese Regelung entspricht den in der öffentlichen Anhörung zum
Bestattungsgesetz geäußerten Vorstellungen der Fachwelt, im Gesetz sucht man sie jedoch
vergeblich. Deshalb ist die Diskussion absehbar, ob das Ministerium nicht die in § 18 Best.Ges.
NRW enthaltene Ermächtigung, die Anforderungen an die Todesbescheinigung zu regeln,
überschreitet. Also muss weiter argumentiert werden, wer „ungeklärt“ ankreuzt, schließt einen
nichtnatürlichen Tod nicht aus und muss sich entsprechend verhalten. Diesen Spagat hätte man
sich im allseitigen Interesse ersparen können.
Ungeklärt bleibt, wie sich Notärzte an der Leiche verhalten sollen. Sie sind zwar nicht verpflichtet,
eine Leichenschau vorzunehmen, ihnen sind jedoch die Unterrichtungspflichten auferlegt worden.
Wenn sie keine vitalen Zeichen mehr feststellen oder herbeiführen können, endet ihre Tätigkeit,
ohne dass bereits sichere Zeichen des Todes vorhanden sind. Auf diese können sie aber nicht
warten. Ihre Unterrichtungspflicht muss daher bereits zu einem früheren Zeitpunkt einsetzen. Zu
dieser Zeitlücke hätte eine Klarstellung erfolgen müssen, die man jedoch im Runderlass und in der
Ausfüllanleitung vergeblich sucht.
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6. Der plötzliche Säuglingstod
Der plötzliche Säuglingstod (SIDS: Sudden Infant Death Syndrome, oder neuerdings SID: Sud-
den Infant Death) ist definiert als der plötzliche und unerwartete Tod eines Säuglings oder Klein-
kindes ohne nachweisbare Todesursache trotz umfassender postmortaler Untersuchung (Obduk-
tion mit chemisch-toxikologischen und klinisch-mikrobiologischen Analysen).
Die Ursache des SIDS ist nach wie vor ungeklärt. Gemäss neuesten Erkenntnissen geht man von
einem multifaktoriellen Geschehen aus, bei dem prädisponierende Faktoren (z.B. unreifes Atem-
zentrum) und äussere Einflüsse gemeinsam vorliegen müssen, um den Tod zu verursachen. Als
äussere Einflüsse gelten:
1. Bauchlage
2. Überheizte Schlafräume
3. Rauchende Eltern
Epidemiologie:
• SIDS ist am häufigsten zwischen dem 2. und 5. Lebensmonat (jenseits des 10. Lebens-
monat ist es selten, kann aber auch noch später auftreten).
• Am häufigsten tritt es in den Wintermonaten auf.
• Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.
• Es ist unklar, ob eine familiäre Häufung besteht oder nicht (Schätzungen zufolge reicht das
Risiko bei nachgeborenen Geschwistern von O bis 10fach).
Wichtigste Differentialdiagnosen:
• Infektionen
• Stoffwechselerkrankungen (z.B. Störungen des Fettsäurestoffwechsels, die durch ein
Neugeborenenscreening nicht erfasst werden)
• Reye Syndrom (ca. 1000 mal seltener als SIDS, aber schwer davon zu unterscheiden
• Gewaltsamer Tod: Unfälle, Kindstötungen, vor allem solche ohne äussere Spuren, z.B.
Schütteltrauma (gem. einer norwegischen Studie waren ca. 2% aller plötzlich und uner-
wartet eingetretenen Todesfälle von Säuglingen Kindstötungen!)
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Merke: Jeder plötzliche und unerwartete Tod eines Säuglings ist als ungeklärter Todesfall zu
betrachten. Die sich daraus ergebende zwingende Meldung an die Polizei dient nicht nur dem
Ausschluss eines Deliktes, sondern ganz wesentlich auch der Entlastung der Eltern vor Selbst- oder
Fremdvorwürfen und kann zur Prävention von weiteren Todesfällen bei Geschwistern beitragen.
SIDS-Elternorganisationen unterstützen daher die rechtsmedizinische Abklärung.
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7. Stumpfe Gewalt
Definition: Mechanische Einwirkung einer mehr oder minder begrenzten Fläche gegen den
menschlichen Körper (Schlag, Sturz, Tritt, Verkehrsunfall, etc.)
• Heftigkeit
• Einwirkungsfläche
• Gewicht
• Oberflächenstruktur
• Betroffene Körperregion
Bei Lebenden:
• Gefährlichkeit und Schwere der Verletzung? Cave: Jurist und Mediziner definieren die Schwere
einer Verletzung nicht gleich!
• Alter der Verletzung?
• Reihenfolge von Verletzungen?
• Rekonstruktion des Tatablaufes?
• Geformte Hauteinblutung (intracutane Blutung): rot, oft aus kleinsten roten Pünktchen be-
stehend, im Gegensatz zu Hautrötung nicht wegdrückbar. Geformte Hauteinblutung als Positiv-
„Abdruck“ (z.B. Schuhsohle) oder Negativ-„Abdruck“ (Bsp. Doppelkontur bei Stockhieb).
• Hautwunden /Hautdurchtrennung:
- Häufig: Quetschwunden (v.a. am Kopf: Schädelknochen als Widerlager). Charakteristika:
Unregelmäßig gezackte Wundränder, Schürfungssäume um die Wunde herum,
Gewebsbrücken in der Tiefe, Unterminierung der Wundränder, Blutunterlaufungen in der
Umgebung. Verschiedene Formen: Linear, mehrstrahlig, U-förmig, etc. In der Klinik wird
häufig und trotzdem morphologisch nicht korrekt von RQW = Rissquetschwunde gesprochen.
− Selten: Risswunden (z.B. Überdehnung der Haut im Leistenbereich beim Anfahren von hinten
oder bei Durchspiessung von innen durch einen Knochenbruch)
7.2.2.1 Schädel
− Berstungsbruch (spinnenförmig): breitflächige Einwirkung, meist beim Sturz auf Boden oder bei
Kompression des Schädels.
− Biegungsbruch (konzentrische Bruchlinien): durch lokale Einwirkung, z.B. Kante, Ecke etc.
− evtl. Reihenfolge der Brüche aus Morphologie der Bruchlinie abzuleiten (zweite Fraktur endet an
erster)
− „Hutkrempenregel“ (Schlag = Verletzung über Hutkrempe, Sturz = Verletzung unter Hut-
krempe). Aber: Gilt nur bei Sturz zu ebener Erde, nicht bei Sturz aus Höhe, Treppensturz oder
Sturz gegen ein Möbelstück etc. Anwendbar nicht nur bei Knochen-, sondern auch bei Haut-
verletzungen am Kopf.
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7.2.2.2 Röhrenknochen
8.1 Schnittverletzungen:
Entstehung:
Durch schneidende Werkzeuge (Messer, Dolche, aber auch Glasscherben, Blechkanten, etc.)
Wundform:
Länger als tief, evtl. seicht, Wundränder scharf, glattwandig, keine Gewebebrücken, Wundwinkel
spitz und ausgezogen (DD: Stich)! Oft ohne Einblutungen am Wundrand (schwierige DD zu
postmortalem Schnitt!)
Lokalisation:
• Halsschnitt: durch fremde Gewalt oder eigene Selbsthandlung (typisch für Suizid: Probier-
schnitte: parallel, oberflächlich)
• Handgelenk, Ellenbeuge, Leistenbeuge: typisch (aber nicht beweisend!) für Suizid, dann i.d.R.
zahlreiche, parallel verlaufende, oft oberflächliche Schnitte (sog. Probierschnitte).
Beachte: Querschnitt am Handgelenk muss sehr tief sein, um Arterien zu verletzen. Durch-
trennte Arterie zieht sich zurück und rollt die Ränder ein. Dadurch stoppt die Blutung. Daher oft
untaugliche Handlung für Suizid. Viel „gefährlicher“ ist die angeschnittene Arterie.
• Brüste, Sexualorgane: typisch bei Sexualdelikten
8.1.1. Selbstverletzungen
Nicht nur bei Suizid oder Suizidversuch (siehe oben), sondern immer häufiger auch im Rahmen
einer Borderline-Psychose: vorwiegend pubertierende Mädchen fügen sich rezidivierend Schnitte
an Armen und Beinen zu: parallel, meist oberflächlich, z.T. aber auch tiefer reichend. Seltener
fügen sich Personen Selbstverletzungen durch Schnitte mit dem Ziel zu, eine Fremdeinwirkung
vorzutäuschen. Charakteristisch sind die Oberflächlichkeit und die Parallelität der Schnitte, die
Aussparung schmerzhafter Regionen (z.B. Brustwarzen) und die leichte Zugänglichkeit.
8.2 Stichverletzungen:
Wundform: I.d.R. tiefer als lang, spindelförmig, glattrandig, keine Gewebebrücken, Wundwinkel
bei doppelschneidigem Werkzeug beidseits spitz, bei einschneidigem Werkzeug
an der Seite des Messerrückens abgerundet, evtl. leicht geschürft, oft mit 2
43
kleinen Einkerbungen (durch scharfe Kanten des Messerrückens).
Speziell:
• Stichwunde der Haut kann länger sein als Breite der Klinge: Stich-Schnitt, flaches Auftreffen der
Klinge.
• Hautwunde kann kleiner sein als Klingenbreite (Elastizität der Haut, Messer mit zunehmender
Klingenbreite nicht bis zum Schaft eingestochen).
• Stichkanal kann länger sein als Klingenlänge (bei Kompression der Weichteile).
• Bei Drehstichen: „Schwalbenschwanz“-artige Wunde.
• Abgeschrägter Wundrand: Stichrichtung nicht orthograd (Winkel von 90 Grad auf die Haut).
• Bei Anprall des Griffes oder der zustechenden Hand: evtl. Hauteinblutungen, Vertrocknungen.
Schwierige Fragen:
• Heftigkeit des Stiches? Abhängig von Kleidern, Haut (Rückenhaut ist z.B. sehr derb),
Spitzigkeit und Schärfe des Instrumentes.
• Opfer „ins Messer gelaufen“? Häufigster Einwand des Täters. Nur unter ganz besonderen
Bedingungen möglich, meist auszuschließen!
Todesursachen:
9.1.1 Waffenarten
Es gibt Defensivwaffen, die Schutz bieten (Schutzwesten, Helme, früher Rüstungen) und Offen-
sivwaffen die dem Angriff auf einen Gegner dienen. Offensivwaffen lassen sich in Blankwaffen
(Hieb-, Stoss- und Stichwaffen) und in Wurfwaffen unterteilen. Schusswaffen gehören zu der
Kategorie der Wurfwaffen.
– Revolver Repetierer. Patronen in einer drehbaren Trommel hinter dem Lauf, Hülsen
bleiben nach dem Schuss in der Trommel.
– Büchsen Lauf mit schraubenförmigen Vertiefungen (Züge) versehen, die das Ge-
schoss in schnelle Drehung um die Längsachse versetzen. Die Drehung
(Drall) ist erforderlich, damit sich lange Geschosse im Flug nicht überschlagen
(Kreisel!),
– Flinten Lauf glatt, ohne Züge. Es können somit nur Geschosse verschossen werden, die
ohne Drall stabil fliegen (Kugel, Zylinder, Schrotkugeln).
Eine spezielle Waffenart ist die Maschinenpistole. Es ist ein Automat, der für Pistolenmunition
eingerichtet ist, die aber eher zu den Langwaffen gehört.
45
9.1.2 Munition
Munition ist eine Sammelbezeichnung. Sie gilt für alles Material, das mit Wurfwaffen verschossen
wird. Bei Schusswaffen besteht sie in der Regel aus
Treibmittel (Pulver) (2) Brennstoff, der beim Abbrand in der geschlossenen Waffe sehr
viel Gas produziert und dadurch einen hohen Druck erzeugt.
Sind diese vier Teile zu einer Einheit zusammengefasst, so spricht man von einer Patrone. Pat-
ronen sind für die verschiedenen Waffenarten typisch.
Der Bezeichnung Projektil ist ein Sammelbegriff umfasst alle geworfenen Gegenstände, also neben
Geschossen auch Splitter, Steine, Pfeile usw.
9.2 Wundballistik
Wundballistik ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, in der Physik (Ballistik, Biomechanik, Frage:
Was tut das Geschoss?), Medizin (Rechtsmedizin, Chirurgie, Frage: Wie reagiert der Körper?)
und Rechtswissenschaften (Strafrecht, Völkerrecht) eng zusammenarbeiten.
Die aus physikalischer Sicht möglichen Schussverletzungen lassen sich mit Hilfe von Simulantien
(Gelatine und Glyzerinseife für weiche Gewebe, Polyurethane für Knochen) experimentell simu-
lieren.
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– Gelatine verhält sich elastisch und gibt das dynamische Verhalten eines Geschoss-
durchgangs in biologischem, weichem Gewebe wieder
– Glyzerinseife wird plastisch deformiert und zeigt durch die erzeugte Höhle das ungefähre
räumliche Ausmaß des zerstörten Gewebes. Dieser Bereich wird temporäre
Wundhöhle genannt.
Es lassen sich 5 typische Arten von Schussverletzungen unterscheiden (Abbildungen von Simu-
lationsschüssen in Glyzerinseife):
Langwaffen
20 cm
Kurzwaffen
Splitter und
Abpraller
Geschossverhalten:
Vollmantel- und Vollgeschosse erzeugen erst einen mehr oder weniger langen geraden und en-
gen Einschusskanal („narrow channel“), danach dreht das Geschoss um eine Quer-
achse, bis in eine Heck-voran-Lage. Anschliessend dreht es eine Vierteldrehung zu-
rück und schiebt sich in Querlage durch das Gewebe bis zum Stillstand. Durch das in
der temporären Höhle herrschende Vakuum wird es etwas zurückgezogen, so dass
es oft nicht am Ende des Schusskanals liegt.
Deformations- und Zerlegungsgeschosse verformen sich ausserordentlich rasch und erzeugen
die temporäre Wundhöhle unmittelbar nach dem Einschuss. Anschliessend verläuft
der Schusskanal geradlinig mit ständig abnehmendem Querschnitt.
Splitter Erzeugen den grössten Verletzungsquerschnitt an der Oberfläche, danach nimmt der
Querschnitt des Schusskanals ständig ab.
Anwendungen:
- In der Kriegs- und Notfallchirurgie Diagnose von Schussverletzungen
- In der Rechtsmedizin Rekonstruktion von Tatabläufen auf Grund der Schuss-
verletzung
- Rechtswissenschaften Beurteilung der Gefährlichkeit, Quantifizieren der Wirk-
samkeit von Geschossen.
47
9.3 Rechtsmedizinische Aspekte der Schussverletzungen
Substanzdefekt Substanzdefekt
Abstreifring Abstreifring
Schürfsaum Schürfsaum
Schmauchhof
Fernschuss
Relativer Nahschuss
Schmauchhöhle
„Platzwunde“
Stanzmarke
Stanzmarke
Trichterförmige Erweiterung am Knochen
Absoluter Nahschuss am Kopf
Absoluter Nahschuss am Kopf
9.3.3 Einschusskriterien:
a) sichere:
• Abstreifring/Randschwärzung um den Substanzdefekt: Abstreifung von Schmutz auf dem Projektil)
• Pulverschmauch (grau-schwarz, „metallisch“)
• Stanzmarke beim absoluten Nahschuss
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b) unsichere:
• Substanzdefekt (= nicht adaptierbare Wunde)
• Schürfsaum (kommt auch beim Ausschuss mit Widerlager vor!)
9.3.4 Ausschusskriterien
a) sichere:
• Gibt es an der Haut nicht!
• Platte Knochen: Trichterförmige Erweiterung des Schusskanals nach aussen
b) unsichere:
• adaptierbare Wunde
• herausragende Haut-Gewebezipfel
• fehlender Schürfsaum
• fehlende sichere Einschusskriterien!
Merke: Die Unterscheidung von Ein- und Ausschuss kann äusserst schwierig sein! Ein
Foto sagt mehr aus als 1000 Worte – gut dokumentieren! (siehe 8.3.7)
Die innere Zerstörungszone ist meistens viel grösser als das Kaliber der Munition. Man spricht von
einer „temporären Wundhöhle“. Deren Länge, Form und Grösse ist abhängig von der Munition und
der Energie des Geschosses. Besonders grosse Wundhöhlen resultieren bei Gewehrmunition und
bei Deformationsgeschossen (Teilmantelgeschosse). Die langen Gewehrgeschosse stellen sich im
Laufe des Schussverlaufes quer, die Deformationsgeschosse vergrössern ihr Kali- ber. Dadurch
werden sie im Gewebe stärker abgebremst, d.h. sie geben viel Energie ab und verursachen eine
besonders grosse Wundhöhle bzw. allenfalls einen grossen Ausschuss.
49
9.3.7 Unterschiede Suizid/Delikt
• absoluter Nahschuss
• meist Einzeltreffer: Schläfe, Stirn, Herzgegend, Mund, selten Unterkiefer, Nacken
• entkleidete Einschuss-Stelle
• Spuren an der Schusshand: Schmauch, Blutspritzer
• Spuren an der Haltehand: Schmauch, Blutspritzer, evtl. Verletzungen
10.1 Ersticken
Definition: cerebrale Hypo- oder Anoxie = Tod durch O2-Mangel des Gehirnes.
Der oftmals synonym verwendete Ausdruck ‘Asphyxie’ bedeutet eigentlich Pulslosigkeit!
Vorkommen:
10.2 Strangulation
Definition: Ersticken i n folge Kompression v.a. der Halsgefässe. Weniger bedeutsam sind Luftwege
und Nerven. Meistens kein Genickbruch!
• Strangmarke (Schürfung und Vertrocknung), Strangfurche (vertiefter, oft geformter Abdruck des
Strangwerkzeuges), bei mehrfachen Umschlingungen gelegentlich Kammblutungen
- beim Erhängen: ansteigend, i.d.R. nicht zirkulär
- beim Drosseln: horizontal, zirkulär
• Würgemale: unregelmässige Hautabschürfungen und Hauteinblutungen, „Kratzer“ (durch
Fingernägel)
Gewisse Körperpositionen beeinflussen die Atmung ungünstig und können bei bestimmten
Voraussetzungen zum Tod durch Ersticken führen. Positionsbedingtes Ersticken wird in der
rechts- medizinischen Praxis z.B. beobachtet bei:
• Sturz in eine unglückliche Endlage, aus der sich das Opfer nicht aus eigener Kraft oder
nicht wegen Bewusstlosigkeit befreien kann, z.B. Treppensturz mit Endlage kopfüber in
einer Ecke mit massiver Flexion im Halsbereich, Sturz in einen engen Raum mit
Einklemmung von Brust und Bauch.
• kraftlosem Hängen im nicht korrekt an Körpergurten befestigten Bergsteigerseil oder nicht
korrekt angebrachten Fixationsgurten (Klinik!)
• Verschüttung (Einsinken bis zum Hals z.B. im Sand)
• Polizeilichen Festhaltemassnahmen, Massnahmen bei Abschiebungen: Stark erregte
und/oder unter Drogen- (v.a. Kokain, Amphetamine) und Alkoholeinfluss stehende
Personen, die sich einer polizeilichen Festnahme widersetzen, können in einen
psychischen Ausnahmezustand (sog.„excited delir) geraten, der sich durch eine
zunehmende Aggressivität und Schmerzunempfindlichkeit kennzeichnet. Aufgrund des
erhöhten Sauerstoffbedarfs dieser Personen können polizeiliche Festhaltemassnahmen
durch eine Behinderung der Atmung zum plötzlichen Herzkreislaufstillstand und zum Tod
führen.
• Bestimmte Arten der Fesselung/Fixierung, gefährlich sind z.B.:
- Schwalbenposition („Hog-Tie-Position“): Bauchlage mit am Rücken zusammengebun-
denen Händen und Füssen. Verboten!
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10.4 Ertrinken
• typisches Ertrinken: bei vollem Bewusstsein, erhaltene Schutzreflexe: Schaumpilz vor Mund und
Nase, trockene, grosse (!) Lungen, Wasser im Magen
• atypisches Ertrinken: Bewusstseinstrübung, gestörte Schutzreflexe: kein Schaumpilz, feuchte,
schwere Lungen
→ Ursache einer zugrunde liegenden Bewusstseinsstörung suchen (Schädel-Hirn-Trauma,
Intoxikation, Erkrankung, etc.)
• Beinahe-Ertrinken: Ertrinkungsvorgang wird zunächst einige Zeit überlebt. Tod dann meist infolge
ARDS (Surfactant-Verlust!)
Die Klärung komplexer Verkehrsunfälle ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Sie setzt die Kenntnis
nicht nur der Verletzungen, sondern auch des Ereignisablaufes und der
Fahrzeugbeschädigungen voraus. Eine Zusammenarbeit mit der Polizei und dem technischen
Sachverständigen ist sehr wichtig.
• Aufwurf der Person (je schneller der PKW, desto höher wird der Fussgänger aufgeworfen)
• Aufprallverletzung v.a. des Kopfes an Windschutzscheibe, A-Säule oder Dachrand (bei normaler
Körpergrösse des Fussgängers und normaler Ponton-Form des PKWs kommt es bei ca.
50 km/h zum Kopfaufprall etwa in der Mitte der Frontscheibe. Bei mehr als 60-70 km/h kann
der PKW unter dem hochgeworfenen Fussgänger durchfahren = Unterfahrung). In dieser Phase
fährt der angefahrene Fussgänger eine gewisse Strecke mit dem Fahrzeug mit.
• Sekundäre Sturzverletzung durch „Abwurf“ auf die Strasse sind meistens leichter als Anfahr- und
Anprall-Verletzungen.
Beulenversatz = Am PKW von vorne nach hinten seitlich versetzte Beulen durch Eigenbewegung
des quer zur Fahrtrichtung gehenden Fussgängers. Stärkerer Beulenversatz
beim rennenden Fussgänger.
Keilfraktur = Bruchtyp des Beines mit Bildung eines Knochenkeiles. Keilbasis liegt dort, wo die
Kraft einwirkte („Messerer-Bruch“)
Überfahrung = Der am Boden liegende Fussgänger wird zwischen den Rädern, d.h. ohne
direkten Radkontakt, überfahren. Dabei wird der Körper durch den
Unterboden des PKW verletzt.
Überrollung = Der am Boden liegende Fussgänger wird durch ein oder mehrere Räder über-
rollt. Dabei kommt es oft zur Ablederung (Décollement) der Haut von der
Muskulatur.
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Merke: Eine Überfahrung oder Überrollung passiert praktisch nie durch das anfahrende Fahr-
zeug, weil die Person, wie oben beschrieben, aufgeworfen wird. Ausnahmen: Fehlendes
Bremsen des PKW nach der Kollision, Anfahren eines Kindes mit tiefem Schwerpunkt, Anfahren
eines Erwachsenen durch Kombi oder LKW („Kegel-Effekt“ = Person wird wie ein Kegel
umgeworfen), ganz langsames Anfahren und anschliessendes Überfahren.
• Zuerst Frontdeformation und evtl. Intrusion (= Deformation der Fahrgastzelle), dann erst
Vorwärtsbewegung des Insassen.
• Knieanprall an Armaturenbrett (durch Gurt verhindert): sog „dashboard-injury“: oft Verletzung des
Hüftgelenkes.
• Beim Angegurteten werden die Hände nach vorne geschleudert: evtl. leichte Innenbeschädigung
der Windschutzscheibe.
• Kein Schleudermechanismus (sog. „Schleudertrauma“) bei der Frontalkollision! Kommt aber bei
Heckkollision vor und führt evtl. zu sehr langdauernden Beschwerden.
Merke: Sicherheitsgurte schützen (v.a. zusammen mit dem Airbag) sehr gut. Sie sind nur sehr
selten (ca. 0,2% der schweren Unfälle) der Grund für schwerere Verletzungen als ohne Gurt.
11.5 Ärzte als Gutachter bei Verletzungen durch Verkehrsunfälle, z.B. HWS-
Verletzung („Schleudertrauma“)
Falls Sie als Ärztin/Arzt gebeten werden, sich gutachtlich zu äußern, dann fragen Sie sich bitte:
• Muss ich das wissen?
• Bin ich sicher bezüglich Kausalität zwischen Unfall und Verletzungen/Folgen?
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• Habe ich alle Angaben über den Unfall, die für eine Beurteilung der Kausalität bzw. Relevanz
nötig sind, wie z.B. Art des Unfalles, Kollisionsgeschwindigkeit, Delta-v, Aufprallwinkel ....?
• Habe ich alle für eine Begutachtung notwendigen Unterlagen?
• Kann ich diese Unterlagen interpretieren?
Wenn nein, Auftrag ablehnen, denn: Sie müssen das nicht können!
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12. Thermische Schäden: Hitze und Kälte
12.1 Kälteeinwirkung
Beachte: Hypothermie nicht nur bei extremer Kälte, sondern auch bei Zimmertemperatur möglich!
(Arbeit aus Florida: „Hypothermia in the sunny south“).
- Aussentemperatur i.d.R. (aber nicht zwingend!) unter 15o C, beachte: Wind und Nässe!
- evtl. Unordnung, Entkleidung („Kälte-Idiotik“)
- Kot- oder Urinabgang
- äusserlich (Leichenschau):
- zu Totenstarre und Flecken diskrepante, zu tiefe Rektaltemperatur
- Kälteflecken: Pernionen, „Frostbeulen“: blau-rot, geschwollen (Knie, Ellbogen)
- Schürfungen an Knien, Ellbogen durch Kriechen, Stürzen
- hellrote Totenflecken exkl. Nagelbetten: kein Beweis für Unterkühlung (können auch postmortal
entstehen!), aber Hinweis auf Kälte
- innerlich (Obduktion):
- Magenschleimhaut-Erosionen (kleine Geschwürsbildungen)
- Blutungen in inneren Muskeln (Psoas und Ileopsoas), Pankreas
- evtl. Ketone und Glucose im Urin nachweisbar
12.2 Hitzeeinwirkung
• Hyperthermie: Hitzschlag (generell), Sonnenstich (cerebral), Ecstasy: oft fatal auf Rave-Parties:
Kombination mit Wasserverlust
• Verbrennung: Feuer, Hitzestrahlung
• Verbrühung: Dampf, Flüssigkeit
Todesursachen
• Kohlenmonoxid- (=CO)-Vergiftung (entsteht bei Verbrennung von organischem Material): Hell-
rote Totenflecken (im Unterschied zu hellroten Totenflecken bei Kälte sind bei CO-Vergiftung
auch Nagelbetten der Fingernägel rot)
• Cyanid (=CN)-Vergiftung (bei Verbrennung von Kunststoff)
• Sauerstoff -Entzug (nicht zu diagnostizieren)
• „Hitzeschock“: plötzlicher Tod durch extreme Hitze
• „Strangulation“, v.a. beim Kleiderbrand: Stauungsblutungen!
• Spättodesfälle: Schock, Multiorganversagen, „Verbrennungskrankheit“: s. Klinik
Brandleiche = Problemleiche
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• Todesart?
- Häufig Unfall (Zigarette im Bett etc.)
- Möglichkeit der Spurenvernichtung nach Tötung („Mordbrand“) oder Suizid
- Möglichkeit, durch Brandlegung jemanden umzubringen („Brandmord“)
⇒ Suche nach Vitalreaktionen: CO/CN-Einatmung, Russeinatmung, „Krähenfüsse“
(Aussparungen von Russanhaftungen in den Hautfalten um die Augen, die während des
Brandes zusammengekniffen wurden)
⇒ Toxikologie (Rauchgase, Drogen, Gifte)
• Todesursache? (s. oben)
• Identität? (Zähne überstehen oft einen Brand – odontologischer Vergleich!)
• Todeszeitschätzung praktisch unmöglich.
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13. Elektrischer Strom, Blitz
Niederspannung im Haushalt und Gewerbe: Wechselstrom (Frequenz von 50 Hz) mit Spannung von
220 (bis 1000 Volt möglich)
Hochspannung (ab 1000 Volt)
Blitz (Spannungen bis 10'000'000 Volt)
Elektrophysiologische Grundlagen
Massgeblich für Schädigung des Körpers ist v.a. die Stromstärke. Bei gegebener Spannung (=
U) ist die Stromstärke (= I) direkt abhängig vom Widerstand (=R) des Körpers.
Von Bedeutung sind ferner die Stromflusszeit (= Kontaktzeit), die Stromflussdichte, die Stromart
(Gleichstrom z.B. bei Strassenbahn) oder Wechselstrom im Haushalt), die Stromfrequenz bei
Wechselspannung sowie der Weg des Stromes durch den Körper (Stromfluss durchs Herz?, sie-
he unten). Besonders gefährlich ist der Stromfluss durch das Herz. Die beim Haushaltsstrom
gebräuchliche Frequenz von 50-60 Hz übt eine erhebliche Reizwirkung auf Nerven aus.
Wechselstrom ist gefährlicher als Gleichstrom.
Damit ein Stromfluss durch den Körper stattfinden kann, muss der Hautwiderstand und der
Übergangswiderstand (Widerstand zwischen Haut und Erdleiter) überwunden werden. Hoher
Wider- stand bei trockener Haut mit Schwielen (40’000-100'000 Ohm), tiefer Widerstand bei dünner
Haut (z.B. Achselhöhle). Durchfeuchtung der Haut kann den Widerstand um das 12-fache,
Eintauchen ins Wasser um das 25-fache erniedrigen. Badesalzlösungen in der Badewanne
erniedrigen einerseits den Wasserwiderstand, andererseits den Hautwiderstand durch Aufweichung
der Haut.
Beispiel: Eine Person, die mit Gummisohlen auf trockenem Linoleumboden steht, erleidet unter
Umständen keinen Schaden, während sich in der gefüllten Badewanne und bei Fusskontakt mit
dem Metallabfluss bei der gleichen Spannung eine tödliche Stromstärke aufbauen kann.
a) Spezifische Wirkung
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• Reizung des Nervensystems: Beginnend bei Stromstärke zwischen 1 bis 15 mA mit einem
Kribbeln in den Fingern.
Merke: Haushaltstrom mit Wechselspannung von 220 V und 50 Hz ist besonders gefährlich!
b) Hitzewirkung
Wärmemenge Q=R·I2·t
Lokale Hitzewirkung an der Durchtrittstelle des Stromes auf der Haut = Strommarke: Bei
kleiner Kontaktstelle. Grau-weissliche, flache Erhabenheit mit kraterförmig eingesunkenem
Zentrum. Meistens an Händen und Füssen zu finden. Bei grosser Kontaktfläche und/oder
feuchter Haut (z.B. Badewanne) Strommarke nicht obligat. Innere Organe ohne
morphologisch fassbare Veränderungen.
Merke: Ohne Strommarke ist die Diagnose „Stromtod“ oft nur mit technischen Abklärungen
möglich!
Bei hohen Spannungen und grosser Stromstärke (über 1 A) kann durch Verdampfung des Metalls
im Leiter ein Funkenüberschlag mit Metallisation der Haut bereits vor der Berührung des
Leiters entstehen, gefolgt von einem Flammenbogen mit hohen Temperaturen von
mehreren 1000° C und entsprechenden Verbrennungen. Todesursache ist hier nicht das
Herzversagen, sondern Verbrennungen oder Sturzverletzungen.
Kriminalistische Aspekte
13.2 Blitz
Ausgehend vom Auftreffpunkt (Erde oder Wasser) entsteht ein „Spannungstrichter“. Vom
Zentrum nach aussen abnehmende Spannungsfelder. Überbrückung grösserer
Ladungsdifferenzen führt zu grösserer Spannung. Stromfluss durch Körper deshalb
abhängig von Schrittgrösse („Schrittspannung“) und Schrittrichtung (Schritte vom
Einschlagzentrum weg oder zum Ein-
Schlagszentrum zu führen zu grösserem Ladungsgefälle). Gleiche Verhältnisse auch bei unter
Spannung stehendem Strommasten.
Blitzschläge auf den Kopf sind meist tödlich durch zentrale Lähmung (Überwärmung) oder durch
Kammerflimmern.
Entlang der Strombahn auf der Körperoberfläche können auf der Haut verästelte Blitzfiguren,
Versengungen der Körperhaare und Metallisationen durch auf dem Körper getragene Metallge-
genstände (Ringe, Gürtelschnallen etc.) beobachtet werden.
Mechanische Komponente: Durch die rasche Erhitzung und explosionsartige Verdrängung der
Luft können erhebliche Verletzungen am Körper und Zerreissungen der Kleidung entstehen.
63
Bei jedem Todesfall ist die Frage der Identifikation des Verstorbenen zu klären.
• Ohne Identifikation fehlen Hinweise zur Biographie und damit oft auch zur Todesart.
• Ohne Identifikation darf keine Todesbescheinigung ausgestellt werden.
• Ohne Identifikation bangen die Angehörigen, dass ihr Verwandter noch leben könnte.
• Ohne Identifikation gilt eine Person als verschollen. Dies hat erb- und versicherungstechnische
Konsequenzen.
• Sichere Identifikation bei Katastrophen ist auch aus ethisch-religiösen Gründen für die An-
gehörigen sehr wichtig.
Mit dem Ausfüllen der Todesbescheinigung liefert der Arzt den „Beweis“, dass eine bestimmte
Person verstorben ist. Bei den geringsten Zweifeln ist daher eine sichere Identifikation durch
Polizei und evtl. Rechtsmedizin zwingend. Die nachfolgend aufgeführten Identifikationsverfahren
sind zum Teil unsicher, aber gebräuchlich. Durch Kombination von mehreren unsicheren
Verfahren kann die Identität erhärtet werden.
• Bei „unschönen“ Leichen gibt es falsche Erkennungen, wenn die Angehörigen nicht richtig
hinsehen. Sehr stark durch Fäulnis veränderte, zerstörte oder skelettierte Leichen können aus
verständlichen Gründen auf diesem Wege gar nicht mehr identifiziert werden.
• Selbst bei gut erhaltenen Leichen besteht die Gefahr, dass Angehörige ihre Verwandten nicht
erkennen bzw. jemanden zu Unrecht sicher identifizieren (geschehen z.B. beim
Sonnentempler-Sektendrama und beim Massaker von Luxor).
• Man sollte die Angehörigen anlässlich der Direktkonfrontation nach besonderen Merkmalen
des/der Verstorbenen fragen und diese danach gezielt suchen.
• Das „Abschiednehmen“ von einer verstorbenen Person ist sehr wichtig und sollte den Angehörigen
gegebenenfalls angeboten werden, auch wenn der Leichnam „unschön“ ist.
64
14.2 Identifikation durch Effekten: unsicher
• Je stärker diese Effekten direkt mit dem Körper verbunden sind (z.B. Fingerringe), um so grösser
ist ihr Wert für die Identifikation.
• Nicht fest mit dem Körper verbundene Effekte (inkl. Ausweise in Taschen) ergeben mögliche
Hinweise, die überprüft werden müssen.
• Je undurchsichtiger oder krimineller das Milieu, um so weniger darf auf die Effekten abgestützt
werden.
• Gutes und rasches Verfahren, wenn es sich um eine erfasste Person handelt.
• Ist dies nicht der Fall, muss die Polizei Vergleichs-Fingerabdrücke am Wohnort des Ver-
missten, z.B. am Zahnglas, sichern.
• Bei faulen oder mumifizierten Leichen müssen die Finger aufwändig „aufgearbeitet“ werden, um
Fingerabdrücke zu nehmen.
Heute sollte bei jeder Katastrophe mit zahlreichen Toten sofort mit der Asservierung von
Vergleichsproben bei den Blutsverwandten bzw. in den Wohnungen der Vermissten begonnen
werden.
66
15. Klinische Rechtsmedizin
15.1. Körperverletzungen
Was interessiert die Polizei / den Juristen bei einer Körperverletzung?
• Der Arzt befürchtet, in Schwierigkeiten mit der Schweigepflicht zu geraten, wenn er eine
Körperverletzung der Polizei meldet bzw. auf deren Anfrage darüber Auskunft gibt. Grundsätzlich
darf die Schweigepflicht gebrochen werden, wenn dies durch ein höheres „Rechtsgut“
gerechtfertigt ist. Davon ist insbesondere bei Gewalt gegen Personen auszugehen, die sich
selbst nicht äußern können (insbesondere Kinder, alte Menschen) und bei denen die Gefahr
weiterer Misshandlungen besteht. Hier wäre das höhere „Rechtsgut“ das Wohl der Betroffenen.
• Es wird nicht oder zuwenig dokumentiert (Fotos, Zeichnungen, Messungen). Empfehlung:
Digitalkamera in der Notfallstation oder in der Praxis, Nutzung von Körperschemata.
• Der Arzt hat Schwierigkeiten mit der Beurteilung einer Verletzung. Empfehlung: Institut für
Rechtsmedizin konsiliarisch beiziehen.
• Es wird theoretisiert, statt der konkrete Fall beurteilt. Es steht nämlich nicht primär die Frage, was
hätte passieren können, sondern die Frage, was tatsächlich passiert ist, im Vordergrund.
• Es werden zu viele Fachausdrücke oder Abkürzungen verwendet, die der Jurist nicht versteht.
• Es werden missverständliche Fragen gestellt, z.B. nach der „Gefährlichkeit“ oder der „Schwere“
der Verletzung: eine juristisch „gefährliche“ oder „schwere“ Verletzung ist nicht immer auch eine
medizinisch schwere Verletzung! (siehe §224 und §226 StGB)
• Es werden juristische Fragen gestellt, die vom Mediziner nicht zu beantworten sind: (z.B. nach
Vorhersehbarkeit oder „Tötungsabsicht“)
• Es werden Fragen des Allgemeinwissens gestellt, die keinen med. Experten erfordern.
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Beispiele für häufige Fragen des Juristen / der Polizei an den Arzt
In jedem Fall ist von einer Lebensgefahr im Tatzeitpunkt auszugehen, wenn das Opfer
Stauungsblutungen (objektive Befunde) im Gesicht aufweist und bewusstlos war. Der Stellenwert
von alleinigen Bewusstseinstrübungen bei der Tat (subjektive Symptome) ist umstritten.
Wichtig: Ein gewürgtes oder gedrosseltes Opfer sollte so rasch als möglich von einem Rechts-
mediziner oder rechtsmedizinisch geschulten Arzt untersucht werden.
15.2 Kindesmisshandlung
Definition Kindesmisshandlung:
Gewaltsame, psychische und/ oder physische Schädigung des Kindes durch Personen,
Institutionen und gesellschaftliche Strukturen, die zu Traumatisierung, Entwicklungshemmungen,
Verletzungen, Invalidität oder sogar zum Tod führen können.
Misshandlungs-Formen:
Psychische Misshandlung
Vernachlässigung (körperlich, psychisch)
Körperliche Misshandlungen
Sexuelle Übergriffe
Münchhausensyndrom by proxy
a) Psychische Misshandlung:
Kaum strafrechtlich verfolgt, da schwer fassbar! Oft aber kombiniert mit anderen
Misshandlungsformen.
b) Vernachlässigung:
Wichtiges medizinisches Instrument zum Nachweis einer körperlichen Vernachlässigung ist die
Perzentilenkurve (Gewicht und Grösse)! Das Kind kommt zum Beispiel in mangelernährtem Zu-
stand in die Klinik und nimmt bei sachgemäßer Ernährung und Pflege rasch zu. Im pädiatrischen
Status sollte der Pflegezustand des Kindes beschrieben werden (Körper, Haare, Kleidung etc).
Zu beachten ist weiter der Zustand der Zähne. Massive Karies zum Beispiel kann ein Hinweis auf
eine Vernachlässigung sein. Psychische Vernachlässigung führt häufig zu massiven
Fehlentwicklungen!
c) Körperliche Misshandlung
Verdächtig auf Misshandlungen sind Verletzungen an Wangen, Ohren, Rücken, Gesäß, Rück-
seite der Beine. Unverdächtig sind Verletzungen über den Kniegelenkstreckseiten, an den Ellbogen
und an der Vorderseite der Unterschenkel (kindliches Fallen!).
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Bei Verbrennungen und Verbrühungen muss immer an eine mögliche Misshandlung gedacht
werden:
• Kann sich das Kind aufgrund der motorischen Fähigkeiten die Verletzungen selber zugefügt
haben?
• Hochgradig verdächtig auf eine Misshandlung sind socken- bzw. handschuhartige
Verbrühungen
Eine besondere Form der Kindesmisshandlung, die äusserlich oft keine Verletzungen verursacht.
Hintergrund ist in der Regel ein angeblich nicht stillbares Schreien eines Säuglings bzw. eines
Kleinkinds.
Das Kind wird t y p i s c h e r w e i s e am Rumpf oder an den Oberarmen umfasst und meistens nur
wenige Male (4-5 Schüttelbewegungen genügen) heftig vor- und zurückbewegt („geschüttelt“). Der
grosse und schwere Kopf, der beim Säugling zusätzlich noch ungenügend durch Muskeln gehalten
wird, erfährt dabei sehr hohe Winkelbeschleunigungen. Es resultiert ein Rotationstrauma des Kopfes
mit Zerreissung von Brückenvenen und subduralen Blutungen und oft einer schweren diffusen
Hirnschädigung, welche über eine Hirndrucksteigerung zum Tode führen kann. Praktisch beweisend
für ein Schütteltrauma sind Netzhautblutungen. Selten finden sich Rippenfrakturen oder Hämatome
an Rumpf oder Armen. Typisch ist beim reinen Schütteltrauma das Fehlen eines Kopfanpralles.
Es gibt aber auch kombinierte Fälle mit Schütteln und stumpfer Gewalt gegen den Kopf. Etwa ein
Viertel der geschüttelten Kinder versterben, von den Überlebenden zeigen rund 75% bleibende
Schäden.
Gemäss der Untersuchungen von Halperin DS, 1996 in Genf waren von 568 befragten Mädchen und
546 Knaben im Alter von 14 - 15 Jahren:
- 10,9% der Knaben und 34% der Mädchen in ihrem bisherigen Leben mindestens 1mal sexuell
missbraucht worden.
- 3,9 % der Knaben und 20 % der Mädchen schwerer, das heisst mit körperlichem Kontakt,
ausgebeutet worden. 30% dieser Mädchen 2-5 mal, 10% mehr als 6-mal!
- Täterschaft: 80% Familienmitglied; 10% bekannte Person, 10% unbekannte Person.
71
Physische Folgen von sexuellen Übergriffen:
- Verletzungen im genitalen, analen und/oder oralen Bereich, sowie evtl. an anderen Körperteilen;
Biss-Saugverletzungen; Fremdkörper in der Harnröhre, Blase, Vagina oder im After. Die
Verletzungen können sehr diskret sein oder sogar fehlen. V erletzungen heilen bei Kindern sehr
rasch!
- Übertragbare Geschlechtskrankheiten (Gonorrhö, Syphilis, HIV, Hepatitis u.a.)
- Schwangerschaft
Definition: Vortäuschen von Krankheiten an Kindern durch ihre Eltern (meistens Mütter) durch
entsprechende Manipulationen oder Gabe von Medikamenten (Bsp.: Erzeugen von
72
Exsikkose durch Gabe von Diuretika oder Laxantien, Manipulation an Wunden zur
erschwerten Heilung u.a.). Selten oder selten erkannt!?
Es empfiehlt sich, die Untersuchungen von Opfern sexueller Gewalt durch besonders geschultes
Personal in dafür eingerichteten Institutionen durchführen zu lassen.
Die Untersuchung sollte so rasch als möglich, jedenfalls innerhalb von 72 Stunden nach dem
Ereignis erfolgen. Sie dient nicht nur der Dokumentation und Interpretation von beweiskräftigen
Verletzungen (genital und am gesamten Körper) und der Sicherung von Spuren (Sperma, Spei-
chel, Blut, Haare, Schmutz (z.B. Waldboden), sondern auch der Behandlung sexuell
übertragbarer Krankheiten oder psychischer Beeinträchtigung und ggf. der Verhinderung einer
unerwünschten Schwangerschaft.
Durch freundlichen, sachlichen und respektvollen Umgang mit dem Opfer, angemessene
Räumlichkeiten und die kompetente Untersuchung soll dem Opfer Geborgenheit vermittelt
werden, um eine sekundäre Viktimisierung zu verhindern.
Allgemeine und Tatanamnese: Angaben zur Tat, Datum und Zeitpunkt, Zahl der Täter, evtl.
Verletzungen der/des Täters, Sexuelle Handlungen, Ejakulation, wenn ja wo?, Speichelspuren?
Kleidung gewechselt, Körperpflege nach der Tat, Slipeinlagen, Binde, Tampon, letzter
freiwillige Kontakt, Alkohol- und/oder Drogenkonsum vor/ während/nach dem Ereignis?
Gynäkologische Untersuchung
• Verklebte Schamhaare sicherstellen
• Abstriche vom äusseren Genitale
• Inspektion des Genitale und des Anus (Toluidinblaufärbung vor Speculum!) und Spuren-
asservation
• Intravaginale Spurensicherung und Untersuchung
Eine Analyse potentiell DNA-haltiger Spuren wird i.d.R. nur bei erfolgter Anzeige und nach
Kostenübernahme des Auftraggebers (Polizei, Staatsanwaltschaft) durchgeführt. Dabei wird durch
die Analyse von Sperma-, Speichel oder Blutspuren nach einem möglichen molekulargenetischen
Täterprofil gesucht.
Spermaspuren können in der Regel bis zu 72 Stunden nach der Tat gefunden werden.
Bei vasektomierten Tätern kann evtl. das Prostataspezifisches Antigen (PSA) bis 48h nach der
Tat aus den Asservaten nachgewiesen werden: Dies beweist ein Ejakulat, lässt aber nicht
zwingend eine Typisierung zu.
Diagnostik, Therapie und Beratung sollte den Schluss einer Untersuchung sein und folgendes
beinhalten:
• Blutproben für Serologien (HIV, Syphilis, Hepatitis), Toxikologie, Alkohol,
• Analyse der genitalen Abstriche auf Chlamydien, Trichomonaden und Bakterien
• Urinprobe zum Nachweis von Drogen oder Medikamenten, evtl. Urinstatus
• Schwangerschaftstest, ev. Schwangerschaftsprophylaxe
• Evtl. Einleitung von Krisenintervention und Beratung
74
15.4 „Häusliche Gewalt“ Gewalt in Ehe und Partnerschaft
Im Zusammenhang mit der aktuellen deutschen Gesetzeslage (Gewaltschutzgesetz seit 2002) hat
sich das öffentliche Interesse und die gesellschaftliche Wahrnehmung des Themas „häusliche
Gewalt" verstärkt. Vielerorts haben sich Betreuungsnetzwerke erweitert oder es wurden spezifische
Verbundsysteme zur Betreuung von Opfern häuslicher Gewalt aufgebaut. Neben den wichtigen
Beratungsschwerpunkten auf der psychosozialen und juristischen Ebene ist es bedeutsam, die
gesundheitlichen Versorgungsstrukturen in diese Netzwerke zu integrieren bzw. bestehende
Kooperationen zu vertiefen.
In Kenntnis der Erfahrung, dass Gewalt in vielfältiger Weise krank machen kann, sind die
verschiedenen Kompetenzbereiche der Gesundheitsversorgung eine weitere Voraussetzung für
eine optimierte Opferbetreuung.
Es handelt sich also nicht um eine geringe Zahl von Personen, die mit dieser Problematik zum
medizinischen Hilfesystem Kontakt suchen dürften.
Neben diesem Fokus auf das weibliche Geschlecht ist darauf hinzuweisen, dass sowohl
wissenschaftliche Untersuchungen (z.B. Jungnitz und Walter 2004) als auch die forensisch-
medizinische Erfahrung auch Männer als Gewaltopfer ausweist. Eine unterschiedliche
Wahrnehmung von Gewalt und der „männlich“ geprägte Umgang mit einem Gewalterleben lassen
von eine hohen Dunkelziffer bei männlichen Opfern von Gewalt durch einen Partner oder die
Partnerin ausgehen.
Die mit Gewalt verbundenen gesundheitlichen Störungen sind vielfältig und müssen sorgfältig,
umfassend und sensibel diagnostiziert und behandelt werden.
Neben der Fülle von chronifizierten, z.T. psychosomatischen Störungen ist aus dem Blickwinkel der
Rechtsmedizin auf die vielfältigen akuten, körperlichen Schädigung durch Einwirken von Gewalt
hinzuweisen.
Selbstverständlich ist auch hier die Diagnostik und Therapie - insbesondere bei medizinischen
Notfällen - die führende Handlungsmaxime. Der vertrauliche, durch die ärztliche Schweigepflicht
geschützte Kontakt zwischen Arzt/Ärztin und Patient/Patientin bietet hierfür den geeigneten
Rahmen.
Ist die Patientin oder der Patient Opfer von Gewalt geworden, so sollten der Ärztin bzw. dem Arzt -
im Kontext mit der notwendigen Diagnostik und Therapie - aber auch folgende Besonderheiten
bewusst sein:
Insbesondere im Zusammenhang mit einem akuten Gewalterleben ist die sorgfältige, umfassende
und aussagekräftige Dokumentation der Verletzungsbefunde von grosser Bedeutung, um die
erlittene Gewalt gegebenenfalls aus gerichtsverwertbar belegen zu können. Hierbei sind nicht nur
die therapeutisch relevanten, „zu versorgenden“ Verletzungen bedeutend, vielmehr stellen auch –
und in vielen Fällen als einzige Befunde – therapeutisch nicht bedeutsame, als Bagatellverletzungen
zu bewertende Verletzungen wichtige potenzielle Beweise für die erlittene Gewalt dar.
Bei der Dokumentation ist darauf zu achten, dass die Verletzungen detailliert und für einen Dritten
nachvollziehbar beschrieben werden, wenn möglich eine Schemazeichnung und/oder Fotos
angefertigt werden. Die wesentlichen Inhalte einer solchen Befunddokumentation sind in der Abb. 1
zusammengestellt.
Eine ausführliche, aber kompakte Anleitung ist in der Kitteltaschenkarte „Med-Doc-Card ®"
zusammengestellt (download über die Internetseite des Instituts für Rechtsmedizin, Stichwort
Häusliche Gewalt; dort auch weitere Informationen und Literaturverweise).
Eine wichtige Ergänzung zur Befunddokumentation stellt die Sicherung von Körperflüssigkeiten,
Haaren und Abstrichpräparaten für eventuelle toxikologische und molekularbiologische
Untersuchungen dar.
Durch die toxikologische Analyse von Blut, Urin und/oder Haaren sind Aussagen möglich, ob die so
untersuchte Person u.U. unter dem Einfluss psychotroper Substanzen stand, und dadurch eventuell
in ihrer freien Willensentscheidung beeinträchtigt war. Zur Erörterung dieser Aspekte ist eine
möglichst zeitnahe Sicherung dieser Proben notwendig, besonders bei Verdacht auf Beibringung
von Gamma-Hydroxy-Buttersäure (GHB, Liquid-Ecstasy) ist von einer aussagekräftigen
Nachweisbarkeit im Blut beispielsweise nur in einem knappen Zeitfenster von ca. 8 Stunden
auszugehen.
Die Gewinnung von Abstrichen aus Körperhöhlen oder Abrieben von Körperoberflächen dient der
Untersuchung auf sogenannte Fremd-DNA, die u.U. einem tätlichen Übergriff zugeordnet werden
kann. Dies ist insbesondere bei sexueller Gewalt von hoher Bedeutung. Um eine
Spurenverschleppung oder Minimierung (bis hin zum Verlust) zu vermeiden, sind derartige
Spurensicherungsmaßnahmen an den Beginn einer körperlichen, speziell einer gynäkologischen
Untersuchung, zu stellen.
Ungenaue oder gar falsche Interpretationen von Verletzungen ohne eine vorangestellte
Beschreibung sind in Zweifelsfällen wenig dienlich. Daher wird von Seiten der Rechtsmedizin
empfohlen, das Augenmerk auf die beschreibende Befunddokumentation zu legen und bei
Problemen – oder besser bereits im Vorfeld - die Fachkompetenz eines Rechtsmediziners/einer
Rechtsmedizinerin in Anspruch zu nehmen.
Denn die spezifische Kompetenz für die Feststellung und Interpretation von Verletzungen am
menschlichen Körper - gerade auch unter Beachtung der juristischen Fragestellungen - ist im
medizinischen Fachgebiet der Rechtsmedizin angesiedelt.
Von Seiten der Rechtsmedizin können folgende Angebote unterbreitet werden:
spezifische Fachberatung und Fachinformation im Allgemeinen,
die Beratung im konkreten Fall und auch
eine unmittelbare rechtsmedizinische Untersuchung eines Opfers mit Anfertigung eines
ärztlichen Attestes. Ein solches Angebot ist auch konkret am hiesigen Institut für
Rechtsmedizin etabliert.
Zum Abschluss der Ausführungen zum Themenbereich „Häusliche Gewalt“ sei darauf hingewiesen,
dass die Feststellung derartiger Übergriffe nicht zur Anzeige gegenüber der Ermittlungsbehörde
verpflichtet. Es gibt diesbezüglich keine Meldepflicht, im konkreten Einfall kann aber durchaus
78
Handlungsbedarf bestehen, dies setzt eine Rechtsgüterabwägung des behandelnden Arztes bzw.
der Ärztin voraus.
Im Gesundheitswesen Tätige müssen sich – wollen sie eine gute Patientenversorgung
gewährleisten – auch der Thematik „Gewalt“ zuwenden. Ein angemessene Form der Ansprache und
Nachfrage zu diesem Thema ist notwendig, um Betroffene rechtzeitig zu identifizieren und in
angemessene Betreuung zu vermitteln. Dies wiederum setzt neben dem Wissen um Formen und
Folgen von Gewalt die Kenntnisse über das jeweils regional verfügbare Hilfenetzwerk voraus.
79
16. DNA-Analyse, Spurenkunde, Abstammungsbegutachtung
Nur einige Prozent des langen DNA-Moleküls werden von Genen (Erbfaktoren) beansprucht. Der
überwiegende Teil hat verschiedenste Aufgaben im Zusammenhang mit der Organisation der
Gene und ihrer Vermehrung. Dieser Teil enthält auch stumme Abschnitte ohne offensichtliche
biologische Funktion. Diese Abschnitte weisen eine grosse Vielgestaltigkeit (Polymorphismus)
auf, so dass jedes Individuum, mit Ausnahme eineiiger Zwillinge, einen individuellen DNA-Aufbau
besitzt.
Die DNA ist ein fadenförmiges Molekül in Form einer in ihrer Längsachse verdrehten Strickleiter
(Doppelhelix), deren Sprossen aus jeweils zwei von vier Bauelementen bestehen. Diese vier
Bauelemente (oder Basen) heissen A (Adenin), G (Guanin), C (Cytosin) und T (Thymin). Zur Bil-
dung einer einzelnen Sprosse der Strickleiter verbindet sich stets A mit T, respektive G mit C zu
sog. Basenpaaren.
Gene oder codierende Regionen sind mit “Perlen” vergleichbar, die im Zellkern jeder Zelle auf
einer “Schnur”, dem fadenförmigen DNA-Molekül, aufgefädelt sind und das Rezept zur Bildung
eines bestimmten Eiweisses (Proteins) enthalten. Gene werden zum Zwecke der Identifikation
nicht untersucht. Die DNA-Profilbestimmung beschränkt sich auf “stumme” Abschnitte ohne of-
fensichtliche biologische Funktion (sog. nicht codierende Regionen).
Gene
Die zwischen den Genen liegenden Abschnitte des fadenförmigen DNA-Moleküls, die “Schnur
der Perlenkette", codieren nicht für die Bildung spezifischer Eiweisse und werden deshalb „nicht
codierende Regionen“ genannt. Die Funktion dieser DNA-Abschnitte, die den grössten Teil der
80
DNA ausmachen, ist bis heute weitgehend unbekannt. Diese nicht codierenden Abschnitte der
DNA werden in der naturwissenschaftlichen Kriminalistik für Identifikationszwecke verwendet.
Anfang der 80er Jahre wurden in den nicht codierenden Regionen der DNA kurze, sich mehr-
fach wiederholende Abschnitte entdeckt, deren Analyse eine individuelle Zahlenkombination
ergibt und deshalb hervorragend für Identifizierungszwecke geeignet ist.
Diese Abschnitte bestehen aus sich wiederholenden Blöcken von je 4 Buchstaben, (sog. 4 Base-
pair-Repeats), z.B. der Buchstabenabfolge A T T C.
.... GC ATTC ATTC ATTC ATTC ATTC ATTC ATTC ATTC GC...
Da diese Blöcke kurz sind (4 Buchstaben), hintereinander angeordnet sind und sich wiederholen,
werden sie als Short Tandem Repeats (STRs) bezeichnet. Im vorliegenden Beispiel sind 8 sol-
cher Blöcke (STRs) vorhanden.
Die Zahl der Blöcke variiert von Mensch zu Mensch zwischen etwa 1 – 30, d.h. manche Men-
schen besitzen von der Buchstabenfolge ATTC 8 Wiederholungen, andere nur 5, andere zum
Beispiel 26. Bereits daraus ergibt sich eine Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Personen.
Da jeder Mensch die Hälfte seines Erbgutes vom Vater, die Hälfte von der Mutter geerbt hat, be-
sitzt jeder Mensch in jedem Zellkern seines Körpers zwei Kopien der DNA (z.B. ein Chromosom
Nr. 1 vom Vater und ein Chromosom Nr. 1 von der Mutter).
Merkmal 1
Merkmal 1
81
Daraus ergibt sich, dass eine bestimmte Person immer eine bestimmte Zahl von Blöcken von
seinem Vater und eine bestimmte Zahl von Blöcken von seiner Mutter geerbt hat. Mittels moleku-
larbiologischer Analyseverfahren kann die Zahl der Blöcke auf dem väterlichen und mütterlichen
DNA-Molekül exakt bestimmt werden. Im vorliegenden Beispiel wäre die erhaltene Zahlenkombi-
nation, welche diese Person bezüglich des DNA-Merkmals ATTC aufweist, die Zahlenkombination
8-12.
Würde nur ein einziges Merkmal (z.B. das Merkmal ATTC) untersucht, so wäre die Diskriminati-
onsfähigkeit gering, d.h. es ist aus populationsgenetischen Untersuchungen bekannt, dass zahl-
reiche Personen die Zahlenkombination 8-12 aufweisen (in der Praxis ist diese Zahlenkombinati-
on bei etwa 10 % der Bevölkerung, d.h. bei jeder 10. Person zu erwarten).
Im menschlichen Erbgut sind bis heute über 5000 solcher Short Tandem Repeats bekannt, wobei
sich diese Abschnitte in der Abfolge der Buchstaben unterscheiden, z.B. ATTC, AGGA, ATGC,
etc. Von diesen etwa 5000 bekannten Merkmalen fanden 50-100 Eingang in die naturwissen-
schaftliche Kriminalistik, aus denen sich wiederum in den letzten Jahren etwa 9-13 sog. "CORE
LOCI" etabliert haben.
An einem zweiten genetischen Merkmal, welches untersucht wird, z.B. jenem mit der Buchsta-
benabfolge AGGA besitzt die im Beispiel genannte Person den Typ 3-9 .
Der Typ 3-9 kann z.B. in 5 % der Bevölkerung vorkommen. Jedes Einzelmerkmal für sich besitzt
also nur eine beschränkte Aussagekraft.
Eine Person, die jedoch am ersten DNA-Merkmal den Typ 8-12 und gleichzeitig am zweiten DNA-
Merkmal den Typ 3-9 besitzt, ist bereits viel seltener anzutreffen, nämlich 0.1 x 0.05 = 0.005 = 0.5
% (das heisst nur 1 Person in 200 Personen weist die Zahlenkombination 8-12 und 3-9 auf. Untersucht
man nun ein drittes, viertes, fünftes, usw. bis dreizehntes DNA Merkmal, so multipli- zieren sich die
auf jedes Merkmal bezogenen Einzelfrequenzen. Die erhaltene Zahlenkombinati-
on weist nur eine einzige Person in der Weltbevölkerung auf (Ausnahme eineiige Zwillinge). Da
im gleichen Analysegang auch das Geschlecht bestimmt wird, ergibt sich die eine Buchstaben-
Zahlenkombination. Diese ist individualspezifisch und wird als DNA-Profil bezeichnet.
82
Beispiel: XY-34-68-1012-33-46-89-1516-45-33-88-911-1212
Die aus dem nicht codierenden Bereich der DNA erhaltene individualspezifische Buchstaben-
Zahlenkombination ist wertneutral. Erkennbar ist einzig das Geschlecht (XX bzw. XY). Die Zah-
lenkombination gestattet keinerlei Rückschlüsse auf genetische Erkrankungen, Krankheitsdispo-
sitionen oder Persönlichkeitsmerkmale. Diese Buchstaben-Zahlenkombination ist deshalb für
Versicherer, Arbeitgeber, etc. von keinem Interesse.
Seit 1985 wurden in drei technischen Generationen die Analysemethoden ständig verfeinert. Die
"PCR"-Technik (Polymerase Chain Reaction) stellt derzeit die modernste Methode zur Bestim-
mungen der individualspezifischen Buchstaben-Zahlenkombination dar. Die PCR ist eine Technik
der Probenaufbereitung, welche die gezielte Vervielfältigung jener Abschnitte des DNA-Moleküls
ermöglicht, aus denen die Buchstaben-Zahlenkombination bestimmt wird. Mit Hilfe dieser Technik
können selbst aus geringsten Spurenmengen die DNA-Merkmale in einem solchen Ausmass ver-
vielfältigt werden, dass ein lesbares individualspezifisches DNA-Profil erstellt werden kann.
Neben der im Zellkern vorhandenen Kern-DNA, aus der das "klassische" DNA-Profil erstellt wird,
gibt es in der Zelle noch eine zweite Art von DNA, die sog. mitochondriale DNA (mtDNA). Diese
liegt ebenfalls in jeder Zelle des menschlichen Körpers in kleinen Organellen, den sog. Mito-
chondrien ("Kraftwerke der Zelle") und in sehr grosser Anzahl, d.h. zwischen 50 -100 000 Kopien
pro Zelle vor. Im wesentlichen bestehen in der forensischen Spurenkunde vier Einsatzgebiete für
mitochondriale DNA-Analysen:
1) Analyse von stark zerstörten oder sehr alten Spuren, bei denen die Kern-DNA zerstört ist.
2) Analyse von sehr kleinen Spuren, bei denen zuwenig Kern-DNA vorhanden ist.
3) Analyse von Haarschäften (Haare ohne Haarwurzel, Haarschäfte enthalten keine Kern-DNA)
4) Bestimmung der Verwandtschaft zwischen Personen, da die mtDNA in der mütterlichen Linie
vererbt wird (wurde z.B. bei der Identifizierung der Zarenfamilie angewendet).
83
DNA-Analyse zum Zwecke der Identifikation einer Person bzw. eines Spurenverursachers
Die DNA-Analyse wird in der Forensik angewendet, um tote Personen zu identifizieren, um eine
Person als Verursacher einer biologischen Spur zu identifizieren, aber auch, um eine Person mit
nie zuvor gekannter Sicherheit als Spurenverursacher auszuschliessen.
Von der Leiche bzw. von der biologischen Spur (Blut, Sperma, Speichel etc.) wird mit Hilfe mole-
kularbiologischer Techniken aus der DNA eine individualspezifische Buchstaben-Zahlen-
kombination erstellt
Beispiel: XY-34-68-1012-33-46-89-1516-45-33-88-911-1212
Im Umgang mit DNA-Analysen zum Zwecke der Identifikation werden verschiedene Begriffe syn-
onym verwendet, wie DNA-Profil, DNA-Code, genetischer Fingerabdruck, DNA-Fingerabdruck,
DNA-Typisierungsresultat, DNA-Muster oder DNA-Identifikationsmuster.
Tatortspur: XY-34-68-1012-33-46-89-1516-45-33-88-911-1212
Person A: XY-34-68-1012-33-46-89-1516-45-33-88-911-1212
Person B: XX-34-77-1212-33-44-46-79-1212-33-66-99-78
Person A passt zur Tatortspur, Person B ist als Spurenverursacher ausgeschlossen.
Im Falle der Leichenidentifikation stammt das DNA-Vergleichsmaterial von den nächsten Bluts-
verwandten oder von biologischen Spuren, die am Wohnort des/der Vermissten gesichert werden
(z.B. Haarbürste, Zahnbürste).
Benötigtes Material:
Mundschleimhautabstriche oder Blut von Kind, Mutter und fraglichem Vater.
Vorgehen:
Erstellung eines DNA-Profils von Kind, Mutter und fraglichem Vater. Vergleich der vererbten
Merkmale zunächst zwischen Mutter und Kind, d.h. es wird festgestellt, welches Merkmal die
Mutter dem Kind vererbt hat. Das andere Merkmal muss zwingend vom biologischen Vater
stammen. Besitzt der untersuchte Mann diese Merkmale nicht, ist er mit Sicherheit als Vater des
Kindes ausgeschlossen.
Besitzt der untersuchte Mann die erforderlichen Merkmale, kommt er als Vater des Kindes in Be-
tracht.
Spurenkunde
DNA-Profile können - abhängig von Menge und Erhaltungszustand des Materials - prinzipiell aus
jedem biologischen Material erstellt werden, das kernhaltige Zellen enthält. Die wichtigsten
Materialien sind Blut, Speichel, Sperma, Vaginalsekret, Urin, Stuhl, Nasensekret, Haare,
Weichteile und Knochen.
Für die Erstellung eines DNA-Profils einer Person zu Vergleichszwecken wird am häufigsten ein
Mundschleimhaut-Abstrich oder Blut verwendet.
86
17. Fahreignung / Fahrfähigkeit
Fahreignung bedeutet, dass eine Person aufgrund ihrer psychischen und physischen Grund-
konstellation grundsätzlich in der Lage sein sollte, ein Fahrzeug sicher zu führen. Die Fahreig-
nung kann z.B. wegen einer Demenz (häufig, siehe unten), einer Suchterkrankung (z.B. Alkoho-
lismus), einer psychischen Erkrankung, einer Anfallkrankheit, eines schlecht eingestellten Diabe-
tes mellitus (Zuckerkrankheit) etc. beeinträchtigt oder aufgehoben sein.
Fahrfähigkeit bedeutet, dass eine fahrgeeignete Person zu einem konkreten Zeitpunkt fähig ist
oder war, ein Fahrzeug sicher zu führen. Die Fahrfähigkeit kann z.B. wegen Einfluss von Über-
müdung, Alkohol, Drogen, Medikamenten oder bei einer akut aufgetretenen Krankheit nicht ge-
geben sein.
87
18. Forensische Toxikologie
18.1 Alkohol, Drogen und Medikamente im Straßenverkehr und bei
Straftaten
§ 323a Vollrausch
(1) Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere
berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat
88
begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches
schuldunfähig war oder weil dies nicht auszuschließen ist.
(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die Strafe, die für die im Rausch begangene
Tat angedroht ist.
(3) Die Tat wird nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt, wenn
die Rauschtat nur auf Antrag, mit Ermächtigung oder auf Strafverlangen verfolgt
werden könnte.
§ 21 Verminderte Schuldfähigkeit
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu
handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich
vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ordnungswidrig handelt, wer in der Probezeit nach § 2a oder vor Vollendung des 21.
Lebensjahres als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr alkoholische
Getränke zu sich nimmt oder die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung eines
solchen Getränks steht.
Merke:
Gemäß Straßenverkehrsgesetz (Ordnungswidrigkeitsrecht) ist es somit verboten, ein
Kraftfahrzeug zu führen, wenn man eine BAK von 0,5 ‰ oder mehr hat, eine
Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,25 mg/l oder mehr aufweist oder unter der Wirkung eines
der in der Anlage zu § 24 a (2) StVG aufgeführten berauschenden Mittels steht.
Sobald die BAK bei 1,10 ‰ (1 ‰ + 0,1 ‰ Sicherheitszuschlag) oder darüber liegt, ist eine
Fahrsicherheit eines Kraftfahrzeugsfahrers nicht mehr gegeben. Ein Kraftfahrzeugführer, der eine
Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Fahrt oder zum Zeitpunkt der Blutentnahme (bei zum
Zeitpunkt der Fahrt noch nicht abgeschlossener Resorption) eine BAK von 1,10 ‰ oder mehr
aufweist, wird gem. § 316 StGB bestraft (absolute Fahrunsicherheit). Liegt die
Blutalkoholkonzentration bei 0,3 ‰ und mehr, aber unter 1,10 ‰, so kann der Kraftfahrzeugführer
gem. § 316 nur bestraft werden, wenn durch den Nachweis von Ausfallerscheinungen das
Vorliegen einer alkoholbedingten Fahrunsicherheit für das Gericht als bewiesen gilt (relative
Fahrunsicherheit). Entsprechendes gilt für Fahrradfahrer ab einer BAK von 1,50 ‰ plus
Sicherheitszuschlag von 0,1 ‰ (bisherige Bundesgerichtshof (BGH)-Rechtsprechung geht noch
von 0,2 ‰ aus), d.h. ab 1,60 ‰.
91
*Die Begriffe Fahruntüchtigkeit oder Fahrunsicherheit finden sich unmittelbar weder im § 316
StGB noch in § 315c Abs 1 Nr. 1 StGB. Beide Begriffe bezeichnen das in beiden Straftatbeständen
enthaltene Tatbestandsmerkmal „nicht in der Lage zu sein, das Fahrzeug sicher zu führen“. Nach
dem Wortlaut des Gesetzes ist das Tatbestandsmerkmal nicht erst erfüllt, wenn der Täter
überhaupt außerstande ist, ein Fahrzeug zu führen (Fahruntüchtigkeit), sondern schon dann, wenn
er nicht mehr in der Lage ist, es sicher zu führen (P. Hentschel, 2007)
Verteilung im Körper
Der Alkohol verteilt sich im Körperwasser, nicht aber im Fett. Aufgrund der geschlechtsbedingten
unterschiedlichen Fett- und Wassergehalte führt die gleiche Alkoholmenge bei gleichem
Körpergewicht und normaler Konstitution beim Mann zu einem etwas tieferen Blutspiegel als bei
der Frau. Der für die theoretische Blutalkoholberechnung (nach der Formel von Widmark)
notwendige Verteilungs- oder Widmarkfaktors r beträgt bei Männern durchschnittlich 0,7 bis 0,8 bei
Frauen 0,6 bis 0,7 (die Höhe des Verteilungsfaktors hängt von der Körperkonstitution ab). In der
Regel wird in Deutschland bei der Berechnung der BAK bei Männern ein r von 0,7 und bei Frauen
von 0,6 gewählt. Es gibt aber Formeln, mit deren Hilfe man den individuellen Verteilungsraum für
Alkohol in Abhängigkeit von Geschlecht, Körpergewicht, Körpergröße und teilweise auch
Lebensalter abschätzen kann.
Abbau (Elimination)
Die Eliminationsrate schwankt inter- und intraindividuell. Die minimale Eliminationsrate liegt bei
0,1 ‰ pro Stunde. Die maximale Eliminationsrate liegt in der Regel bei 0,2 ‰ pro Stunde; um
mögliche Schwankungen der Elimination nach oben insbesondere während der Verteilungsphase
92
auszugleichen, hat sich in der Rechtsprechung durchgesetzt, mit einem zusätzlichen einmaligen
Korrekturwert für die erste Stunde von 0,2 ‰ zu arbeiten.
Die Methode findet Anwendung, wenn keine Blutprobensicherstellung erfolgte; auch wird sie zur
Berechnung eines sog. Nachtrunkes (Alkoholkonsum nach dem Ereignis) benötigt. Mit dieser
Formel lässt sich aber auch die Ethanolmenge berechnen, die als Antidot z.B. bei einer
Methanol-Vergiftung zu verabreichen ist.
18.1.2.4 Rückrechnung
Unter Rückrechnung versteht man die rechnerische Ermittlung der Blutalkoholkonzentration zum
Zeitpunkt der Tat (der Tatzeitpunkt wird von der Polizei im Protokoll angegeben). Die
Rückrechnung ist erst nach Abschluss der Resorptions- und Umverteilungsphase in der
Eliminationsphase möglich. Man geht von einer linearen Elimination aus, wobei die minimale
Abbaugeschwindigkeit bei 0,1 ‰ pro Stunde liegt. Als maximale Abbaugeschwindigkeit geht
man von 0,2 ‰ pro Stunde plus einmaligem "Bonus" von 0,2 ‰ aus. Da im Einzelfall weder der
minimale noch der maximale Abbau zwischen Tat und Blutentnahme auszuschließen ist, hängt
es von der Art der Tat ab, ob für die Urteilsfindung die niedrigst mögliche Tatzeit-BAK oder
höchst mögliche Tatzeit-BAK zugrunde gelegt wird. Bei Verkehrsstraftaten wird in der Regel von
der niedrigst möglichen Tatzeit-BAK (wegen der bestehenden BAK-Grenzwerte, siehe oben),
bei anderen Straftaten, bei denen sich das Gericht auch mit der Schuldfähigkeit eines/einer
Angeklagten gemäß der §§ 20, 21 StGB (siehe oben) auseinandersetzen muss, von der höchst
möglichen Tatzeit-BAK ausgegangen.
Beispiel: Zwischen Tat und Blutentnahme liegen exakt 3 Stunden. Es wurde eine BAK von 0,98
‰ gemessen.
Frage 1: Welche BAK lag zur Tatzeit mindestens vor?
93
Es wird in diesem Fall nicht ausgeschlossen, dass die Resorptions- und Verteilungsphase bis 2
Stunden nach der Tat angedauert hat (maximale Resorptionszeit = 2 Stunden), so dass die
Eliminationsphase erst 2 Stunden nach der Tat beginnt und nur 0,1 ‰ in der verbleibenden
Stunde bis zur Blutentnahme abgebaut wurde:
Für ein Kraftfahrzeugführer würde dies bedeuten, dass ihm nicht nachgewiesen werden kann,
dass er ein Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,10 ‰ oder mehr (absolute
Fahrunsicherheit) geführt hat. Er kann daher nur bei Vorliegen alkoholtypischer
Ausfallerscheinungen (relative Fahrunsicherheit) nach dem Strafgesetzbuch verurteilt werden
(vergl. §§ 315c und 316) . In jedem Fall liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, da in seinem Blut eine
Alkoholkonzentration von über 0,5 ‰ festgestellt wurde (vergl. § 24a (1) StVG).
Im Urteil würde stehen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass zum Zeitpunkt der Tat
(z.B. eine gefährliche Körperverletzung) der Täter eine BAK von 1,78 ‰ aufwies. Der/die
Sachverständige muss sich somit damit auseinandersetzen, ob der Täter oder die Täterin, wenn
er/sie eine BAK von 1,78 ‰ aufwies, derart beeinträchtigt war, dass ein Alkohol-
Intoxikationszustand vorlag, der eine krankhafte seelische Störung oder eine tiefgreifende
Bewusstseinsstörung verursacht hat oder ob ein solcher Zustand nicht auszuschließen ist.
Es ist zu prüfen, ob die Einsichtsfähigkeit oder das Steuerungsvermögen erheblich
eingeschränkt oder möglicherweise sogar aufgehoben war (vergl. §§ 20,21, 323a StGB)
18.1.3.1 Blutentnahme
- Der ärztliche Untersuchungsbericht (siehe auch Blockpraktikum) muss sorgfältig und
leserlich ausgefüllt werden.
- Die Anwesenheit der Polizeibeamten bei der Entnahme und Befragung sollte wenn immer
möglich zugelassen werden. Dies dient auch dem Schutz vor Handgreiflichkeiten,
Bestechungsversuchen und späteren Anschuldigungen.
- Immer zuerst die Blutentnahmen durchführen (sicherstellen, dass der Zeitpunkt der
Entnahme – Datum und Uhrzeit – exakt festgehalten werden), dann den
Untersuchungsbericht ausfüllen.
- Keine alkoholischen Lösungen zur Desinfektion verwenden.
- Sofort nach der Entnahme den amtlichen Kontrollzettel (Klebezettel, wird von der Polizei zur
Verfügung gestellt) auf die Venüle aufkleben und sich versichern, dass Name und ggf.
Entnahmezeit korrekt wiedergegeben wurden.
- Bei Verdacht der Einnahme von Medikamenten, Beibringung von Stoffen (z.B. KO-Mitteln)
sowie Aufnahme von z.B. LSD, Rauschpilzen, unbekannten Designerdrogen (sog. Exoten)
immer auch versuchen – auf freiwilliger Basis – eine Urinprobe (kontrollierte Abgabe) zu
gewinnen und zu asservieren.
- Die Blutproben und ggf. die Urinprobe vor unrechtmäßigem Zugriff (z.B. Diebstahl) schützen.
Geprüft werden:
- Gang und plötzliche Kehrtwendung nach vorherigem Gehen
- Finger-Finger- und Finger-Nasen-Prüfung: Bei der Finger-Finger-Probe führt der/die
Betroffene mit geschlossenen Augen die Zeigefinger der zunächst ausgestreckten Arme
etwa eine handbereit vor der Brust in einer durchlaufenden Bewegung zusammen. Bei der
Finger-Nasen-Probe führt der/die Betroffene mit geschlossenen Augen den Zeigefinger des
zunächst ausgestreckten Armes zügig zur Nasenspitze und zurück. Optimal ist, wenn Sie
ansagen, welcher Zeigefinger zur Nase geführt wird (z.B. rechts-links-links-rechts). Es ist zu
prüfen, ob der Test sicher oder unsicher durchgeführt wird. Wann der Test noch als sicher
zu bewerten ist und wann eindeutig als unsicher, verlangt Erfahrung.
- Nystagmusdauer (Drehnachnystagmus): Hierzu wird der/die Betroffene in 10 Sekunden mit
offenen Augen 5 Mal um die eigene Achse gedreht und angehalten. Anschließend wird die
Nystagmusdauer beim Fixieren des vorgehaltenen Zeigefingers oder eines Stiftes in
Sekunden festgehalten; hierzu muss ein geeigneter Zeitmesser zur Verfügung stehen.
- Pupillenreaktion auf Lichtreize (bei weiten Pupillen) bzw. auf Dunkelheit (bei stark verengten
Pupillen). Es ist sinnvoll, festzuhalten, wie die Prüfung konkret durchgeführt wurde.
Einen Grenzwert einer Wirkstoffkonzentration im Blut, ab dem ein Gericht von absoluter
Fahrunsicherheit ausgeht, gibt es für andere berauschende Mittel nicht. Das Gericht muss die
Fahrunsicherheit im einzelnen insbesondere durch Zeugenbeweis nachweisen (wie bei relativer
Fahrunsicherheit nach Alkoholgenuss).
Von fast allen Drogenkonsumenten werden Tabakwaren und Alkohol sowie in der
Regel auch Cannabis zusätzlich konsumiert. Schlaf- und Beruhigungsmittel werden regelmäßig
von Heroin-, Cocain- und Amphetamin-Konsumenten eingenommen, entweder zur Verstärkung
der Wirkung (bei Heroin) oder um die stimulierende, erregende Wirkung von Cocain und
Amphetamin zu dämpfen.
Der „ärztliche Behandlungsfehler“ ist historisch betracht ein „uraltes“ Thema. So finden sich
dazu schon Ausführungen in den Gesetzbüchern des Königs Hammurabis (Babylon 1728 v.
Chr. – 1686 v. Chr.), die als die älteste Gesetzessammlung der Welt gilt. Für den deutschen
Sprachraum finden sich Erläuterungen in dem ersten Strafgesetzbuch von 1532 der Constitutio
Criminalis Carolina. Dort wird der Behandlungsfehler wie folgt definiert:“ Wer durch Unfleiss und
Unkunst und doch unfürsätzlich mit einer Arznei tötet“. Der Pathologe Rudolf Virchow (1821 –
103
1902) soll den ärztlichen Kunstfehler „als einen Mangel an gehöriger Aufmerksamkeit in
medizinischen Dingen“ beschrieben haben.
Aktuell ist die Verwendung des Begriffes Kunstfehler zwar in der Bevölkerung und
Boulevardpresse noch weit verbreitet, in Fachkreisen findet der Begriff „ärztlicher
Behandlungsfehler“ bzw. „medizinischer Behandlungsfehler Verwendung, wobei ersterer auf die
behandelnden Ärzte/Ärztinnen fokusiert, letzterer alle medizinischen und pflegerischen
Tätigkeiten mit einbezieht.
Grundsätzlich kann ärztliches Verhalten unter folgenden Stichworten kritisch betrachtet werden:
Aufklärung und Einwilligung des Patienten –
o Rechtzeitigkeit, Art und Inhalt der Aufklärung, Einwilligungsfähigkeit
Dokumentation
o Art und Umfang, Zeitpunkt der Dokumentation
Behandlungsdurchführung
o „de lege artis“, Indikationsprüfung, technisches Gerät, manuelles Vorgehen (z.B.
falsches operatives Vorgehen), Komplikationsmanagement
Organisation
o Delegationsverfahren in der ärztlichen Hierarchie (z.B. Stichwort
Übernahmeverschulden, Organisationsverschulden)
o Ablaufplan, Qualitätsmanagement
Bezüglich sinnvoller, angemessener Verhaltensweisen für Ärzte/Ärztinnen, die sich mit dem
Vorwurf eines möglichen Behandlungsfehler konfrontiert sehen, oder insbesondere im
Zusammenhang mit dem Tod eines Patienten in unmittelbarem zeitlichen Kontext mit jedweder
Behandlungsmaßnahme (einschließlich Diagnostik) dieser Frage gegenüber stehen, finden sich
104
in der Fachpresse Informationen zum weiteren Procedere (z.B. Fortschritte der Medizin
1999, 117: 42-43, MMW 1999, 59: 59-60). Für das Universitätsklinikum Düsseldorf liegt eine
interne Leitlinie „zum dienstlichen Verhalten nach einem medizinischen Zwischenfall“ vor. Im
wesentlichen beinhalten diese Informationen folgendes:
• Der Dienstvorgesetzte ist in Kenntnis zu setzen,
• Schuldanerkennungen sind zu unterlassen,
• ein Ereignisprotokoll ist anzufertigen,
• zulässige Einsichtnahmen in Patientenakten sind zu gewähren, ohne das Originale
auszuhändigen sind,
• es soll eine Aussprache mit den Betroffenen (Patienten und/oder Angehörigen) gesucht
werden,
• gegenüber den Vertretern der Ermittlungsbehörden sind die erforderlichen Unterlagen
auszuhändigen,
• im Falle eines Beschuldigtenstatus besteht Anrecht auf anwaltschaftliche Beratung, bevor
sich zur Sache geäußert wird.
• Eine Verpflichtung zur Selbstanzeige besteht nicht!
• Im Sterbefall mit unklarem Hintergrund ist die Todesbescheinigung auf „ungeklärt“
auszustellen und der weitere Verfahrensweg zu beschreiten.
• Weitere Regelungen im Schadensfall laufen über die jeweiligen betrieblichen bzw. privaten
haftpflichtversicherungsträger.
• Soll unter rechtlichen Fragestellungen durch einen Sachverständigen zur Begutachtung
eines möglichen Behandlungsfehlers Stellung genommen werden, so sind i.d.R. folgende
Fragen von Bedeutung:
• Um welchen Schaden handelt es sich konkret (z.B. Todeseintritt, Mobilitätseinschränkung
bis hin zur Lähmung, Organfunktionsschädigung, usw.)
• Ist dieser Schaden durch eine Krankheit oder eine Verschlechterung einer Krankheit des
betroffenen Patienten eingetreten (Krankheitskomplikation)? Oder
• Ist dieser Schaden Folge einer Behandlungskomplikation, die sich innerhalb der erlaubten
Risikos realisiert hat (Stichwort: immanentes Risiko (aufklärungspflichtig!)? oder
• Ist dieser Schaden Folge einer Nichteinhaltung der Regeln ärztlicher Wissenschaft (good
clinical practise) einschließlich eines Unterlassens notwendiger Maßnahmen.
• Wird diese letzte Frage bejaht, somit ein Behandlungsfehler festgestellt, so ist der Frage
nachzugehen, ob der bedingte Schaden aus dem Regelverstoß vorhersehbar und
vermeidbar war.
Im Einzelfall sind weitere Erörterungen zu folgenden Fragen sinnvoll:
• Wurden für den voraussehbaren Schaden die entsprechenden medizinischen
Vorsichtsmaßnahmen getroffen (Medikation, Notfallversorgung, Diagnostik usw.)?
• Können Erläuterung zur konkreten Situation, in der sich der Schaden ereignet hat, machen
105
(Notfallsituation, Wahleingriff, ärztliches Ausbildungstand und Stand der
psychophysischen Leistungsfähigkeit z.B. bei Nachtdiensteinsatz)?
• Falls der Schaden durch eine hierarchisch untergeordnete Person verursacht wurde, so ist
zu klären, ob die fachliche Kompetenz gegeben war (Stichwort Facharztstandard), eventuell
ein Übernahme- oder Delegationsverschulden vorgelegen hat.
Die Erörterung dieser Fragen kann auf der Ebene der Gutachterkommissionen oder
Schlichtungsstellen der Ärztekammern unter Hinzuziehung eines breiten Facharztkollegiums in
diesen Institution erfolgen. Im Strafverfahren werden zu den sich aufdrängenden
Fragenkomplexe in der Regel rechtsmedizinische und spezifische Fachgutachten beauftragt.
20.1 Arzthaftung
1. In aller Regel erfolgt ärztliches Handeln auf der Grundlage eines Behandlungsvertrages
(§§ 611 ff BGB).
Zivilrechtliche Vertragsverpflichtung ist die Bemühung des Arztes um die Heilung oder
Linderung von Leiden. Unterlaufen ihm dabei Fehler, muss er dafür einstehen
- aus Vertragsverletzung
- aus Schadenshaftung
- aus dem Gesichtspunkt einer strafbaren Handlung
Bei einer fehlerhaften Behandlung treffen grundsätzlich alle drei Haftungstatbestände
zusammen. So ist der mangels wirksamer Einwilligung des Patienten vorgenommene Eingriff
zugleich Körperverletzung (§§ 223 ff StGB), zum Schadensersatz verpflichtende Handlung
(§§ 823 ff BGB) und Vertragsverletzung. Unterschiedlich sind die Folgen:
- aus dem Vertrag schuldet der Arzt die ordnungsgemäße Erbringung der Leistung
evtl. Schadensersatz (§ 249 BGB)
- aus der Schadenshaftung verschuldet er neben Schadensersatz Schmerzensgeld (§
847 BGB)
- aus der Strafrechtshaftung erwächst ihm das Risiko einer Bestrafung.
2. Voraussetzung für die Haftung ist, dass der Patient als Folge des ärztlichen Handelns zu
Schaden gekommen ist. Für die zivilrechtliche Haftung beschränkt sich die Haftung auf
adäquate Folgen, strafrechtlich sind alle Ursachen gleichwertig (äquivalent).
Die Ursache kann sowohl in von der Rechtsordnung nicht gebilligtem Tun, als auch in einem
Unterlassen gebotener Handlungen liegen. Wenn eine Rechtspflicht zum Handeln gegeben
106
ist, steht das Unterlassen dem aktiven Tun gleich (§ 13 StGB); z. B.: aus dem
Behandlungsvertrag, aus der tatsächlichen Behandlungsübernahme oder aus allgemeiner
Hilfspflicht.
3. Von der Rechtsordnung nicht gebilligt ist ein eigenmächtiges Verhalten des Arztes. Ein
Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (Rechtsgut) darf deshalb nur unter Achtung des
Selbstbestimmungsrechts (Rechtsgut) erfolgen.
- Wirksam einwilligen kann nur der urteilsfähige Patient. Urteilsfähigkeit hängt nicht
von einer starren Altersgrenze ab, sie ist vielmehr auf die Art und Schwere des
konkreten Eingriffs zu beziehen; z. B.: Verschreibung empfängnisverhütender Mittel
an Minderjährige. Kinder gelten generell als nicht einsichts- und urteilsfähig; für sie
entscheiden die gesetzlichen Vertreter. Willensfreiheit bedeutet nicht Wunschfreiheit.
Der Patientenwille verpflichtet den Arzt nicht zur Vornahme eines aus medizinischer
Sicht unvernünftigen Eingriffs, wohl aber notwendige Eingriffe zu unterlassen.
- Die Einwilligung des Patienten kann sich nur auf Eingriffe beziehen, die nicht gegen
die guten Sitten verstoßen (§ 228 StGB). Unzulässig ist daher z. B.: die
Verabreichung oder das Verlangen von Dopingmitteln sowie die Organspende gegen
Entgelt. Gesetz- und sittenwidrige Einwilligungen sind der Verfügungsbefugnis
entzogen.
- Grundsätzlich kann ein Patient nur wirksam einwilligen, wenn er über Art, Umfang
und Risiken des Eingriffs aufgeklärt ist. Ist die Aufklärung mangelbehaftet, leidet die
Einwilligung unter einem rechtliche Fehler und ist insgesamt unwirksam. Das
bedeutet, der Eingriff ist selbst dann (strafrechtlich) Körperverletzung und
(haftungsrechtlich) Schadensereignis, wenn er medizinisch indiziert war, lege artis
ausgeführt wurde und gelungen ist.
4. Umfang und Grenzen der Aufklärung sind häufigster Streitpunkt bei den
Arzthaftungsprozessen.
- Formulare ersetzen nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und
Patienten.
- Grundlage des Aufklärungsgesprächs sind die Diagnose und die
Behandlungsmethode.
- Erfolgsaussichten, alternative Möglichkeiten und Risiken sind erörterungspflichtig.
Bei eingriffstypischen Risiken werden extrem hohe Anforderungen gestellt.
- Je nach Art und Schwere des Eingriffs ist dem Patienten eine angemessene
Überlegungszeit einzuräumen (Rechtzeitigkeit der Aufklärung).
Eine therapeutische Aufklärung (Teilaufklärung) ist in Ausnahmefällen statthaft.
(Angehörigengespräch ? )
- In besonderen Fällen ist ein Verzicht auf Aufklärung anerkannt.
107
- Gesetzlich gibt es keine Formvorschriften für die Aufklärung, so dass ihre
Gültigkeit nicht von einem Schriftstück abhängt. Die Berufsordnung schreibt jedoch
Dokumentation vor.
- Mindestens auf Befragen ist Auskunft über eigene Erfahrungen des Arztes bei der
Ausführung des beabsichtigten Eingriffs zu erteilen.
7. Das Einstehen des Arztes für fehlerhafte Verhaltensweisen setzt ein Verschulden voraus. In
aller Regel wird ein Fahrlässigkeitsvorwurf in Betracht kommen.
- Zivilrechtlich ist die Fahrlässigkeit objektiviert. Das bedeutet, sie knüpft an die
Außerachtlassung der objektiv gebotenen Sorgfalt an. Gefordert wird also die Sorgfalt
eines gewissenhaft arbeitenden Arztes nach den medizinisch vorgegebenen Regeln.
- Strafrechtlich ist der Vorwurf individualisiert. Das bedeutet, es muss eine persönliche
Vorwerfbarkeit hinzutreten. Zu berücksichtigen sind z. B.: situationsbezogene Sorgfalt
in Notfällen, Erfahrungen des Arztes, Spezialkenntnisse, Übernahmeverschulden.
- Im Rahmen einer Arbeitsteilung bei der Behandlung ist die Aufteilung nach
unterschiedlichen Verantwortungsbereichen anerkannt, z. B.: Chirurg/Anästhesist
(Intensivmediziner). Die klare und unzweideutige Abgrenzung der Pflichtbereiche liegt
im Interesse des Arztes.
- Die Haftung des Arztes für Pflegepersonal (Gehilfenhaftung) kommt in Betracht,
soweit das Pflegepersonal nicht zur selbständigen Arbeit berufen ist.
(Behandlungspflege). Hinsichtlich der Assistenz solcher Kräfte bei ärztlichen
Leistungen ist Eignungsprüfung und Überwachung angezeigt.
108
20.2 Schweigepflicht
Die Schweigepflicht des Arztes ergibt sich aus dem Arzt-Patienten-Verhältnis und ist in der
Berufsordnung festgeschrieben (§ 9 BOÄ). Unbefugtes Verletzen ist unter Strafe gestellt (§ 203
StGB). Unbefugt ist die Offenlegung eines Patientengeheimnisses, wenn für den Arzt kein
Rederecht besteht.
Ein solches Recht kann sich ergeben aus gesetzlichen Bestimmungen, z. B.: Meldung eines
nichtnatürlichen oder ungeklärten Todes gem. § 9 des Bestattungsgesetzes NRW oder Meldungen
nach dem Infektionsschutzgesetz. Es kann sich auch ergeben aus der Einwilligung des Patienten (z.
B.: zu einem Gespräch mit Angehörigen), aus der Wahrung eigener Interessen (z. B.: zur
Geltendmachung von Honorarforderungen) oder aus einer Güterabwägung (z. B.: Anzeige eines
Kindesmissbrauchs, Hinweis an die Verkehrsbehörden auf nichtfahrtaugliche Personen).
20.3 Dokumentationspflicht
1. Medizin
5. Wie stellt der Arzt sicher den eingetretenen Tod fest? (3 sichere Todeszeichen!)
12. Obduktionsindikationen?
19. Was eignet sich besser zur Rekonstruktion des Tatwerkzeuges: ein Hämatom oder eine
intracutane Blutung?
22. Welche Formen der Schädelbrüche kennen Sie und wie kommen sie zustande?
23. Welche Formen von traumatischen intrakraniellen Blutungen kennen Sie und wie entstehen sie
meistens?
27. Wie können Sie eine Stich- von einer Schnittwunde unterscheiden?
34. Was ist ein absoluter, was ein relativer Nahschuss und was ein Fernschuss?
39. Welche Formen der Strangulation kennen Sie und wie unterscheiden sie sich hinsichtlich
Befunden?
41. Welcher (inobligate) äussere Befund weist auf ein Ertrinken hin?
45. Was ist eine Strommarke und unter welchen Voraussetzungen entsteht sie?
46. Worauf müssen Sie achten, wenn jemand tot in der Badewanne aufgefunden wird?
47. Welche Vergiftungen können hinweisende Befunde bei der Leichenschau liefern?
48. Hellrote Totenflecken kommen bei der CO-Vergiftung und bei der in der Kälte aufgefundenen
55. Wie dokumentieren Sie am Lebenden Verletzungsbefunde, die forensisch relevant sein
könnten?
56. In welchen Fällen sind Ärzte berechtigt, ohne Entbindung von der Schweigepflicht Befunde den
Ermittlungsbehörden mitzuteilen?
57. Wie untersucht man ein Opfer von überlebten Würgen? Wann geht man von Lebensgefahr
aus?
58. Was sind typische Lokalisationen von Hämatomen etc. bei einer Kindesmisshandlung?
59. Wie gehen Sie vor, wenn Sie bei der Untersuchung eines Kindes Verdacht auf eine Miss-
handlung schöpfen?
61. Warum achtet der Arzt bei der Bearbeitung klinisch-rechtsmedizinischer Fälle auch auf die
Kleidung?
2. Toxikologie
62. Welche Aufgaben hat der Arzt bezüglich Blutalkohol, Drogen und Medikamenten im
Straßenverkehr zu erfüllen?
63. Wo und wie gewinnen Sie Blut für eine postmortale Blutalkoholanalyse?
64. Was verstehen Sie unter dem Anflutungsphänomen im Zusammenhang mit Blutalkohol?
65. Warum ist es wichtig zu wissen, wann der letzte Schluck Alkohol konsumiert wurde?
66. Wie groß ist die minimale bzw. maximale stündliche Eliminationsrate von Trinkalkohol?
69. Ist die 0,5 ‰ - Grenze ein biologischer oder juristischer Grenzwert?
70. Ab wie viel Promille Alkohol beginnt die Unfallgefahr konkret zu steigen?
73. Welche Gewebe asservieren Sie von der Leiche bei Verdacht einer Vergiftung und warum?
74. Was ist die DNA-Analyse und wo findet sie Anwendung in der Forensik?
75. Wie gehen Sie bei der Untersuchung einer Vergewaltigung vor?
78. Wie beraten Sie eine Frau, die wissen möchte, wer der Vater ihres Kindes ist?
79. Wie erklären Sie ihr das Prinzip der DNA-Analyse und die möglichen Resultate in verständli-
cher Form?
(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist
nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg
nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch
ein Tun entspricht.
§ 14
Handeln für einen anderen
1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen
Organs,
so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände
(besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden,
wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.
(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten
und handelt er auf Grund dieses Auftrags, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche
Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese
Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen. Dem Betrieb im Sinne
des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden
Auftrags für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1
sinngemäß anzuwenden.
114
(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die
Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.
§ 15
Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln
Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit
Strafe bedroht.
§ 16
Irrtum über Tatumstände
(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört,
handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.
(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen
Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen
Gesetz bestraft werden.
§ 17
Verbotsirrtum
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld,
wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die
Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
§ 18
Schwerere Strafe bei besonderen Tatfolgen
Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter
oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last
fällt.
§ 19
Schuldunfähigkeit des Kindes
115
Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.
§ 20
Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung,
wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen Schwachsinns oder einer schweren
anderen seelischen Abartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser
Einsicht zu handeln.
§ 21
Verminderte Schuldfähigkeit
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln,
aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die
Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines
verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines
verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche
Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.
1. an einer Person unter sechzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur
Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur
Betreuung in der Lebensführung anvertraut oder im Rahmen eines Dienst- oder
Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Mißbrauch einer mit dem Erziehungs-,
Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3. an seinem noch nicht achtzehn Jahre alten leiblichen oder angenommenen Kind
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei
Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
2. den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 oder des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 1 kann
das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn bei Berücksichtigung des
Verhaltens des Schutzbefohlenen das Unrecht der Tat gering ist.
§ 174a
Sexueller Mißbrauch von Gefangenen, behördlich Verwahrten oder Kranken und
Hilfsbedürftigen in Einrichtungen
(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Gefangenen oder auf behördliche Anordnung verwahrten
Person, die ihm zur Erziehung, Ausbildung, Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut ist, unter
Mißbrauch seiner Stellung vornimmt oder an sich von der gefangenen oder verwahrten Person
vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Person, die in einer Einrichtung für kranke oder hilfsbedürftige
Menschen aufgenommen und ihm zur Beaufsichtigung oder Betreuung anvertraut ist, dadurch
mißbraucht, daß er unter Ausnutzung der Krankheit oder Hilfsbedürftigkeit dieser Person sexuelle
Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
117
(3) Der Versuch ist strafbar.
§ 174b
Sexueller Mißbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung
(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren oder an einem Verfahren zur
Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung oder einer
behördlichen Verwahrung berufen ist, unter Mißbrauch der durch das Verfahren begründeten
Abhängigkeit sexuelle Handlungen an demjenigen, gegen den sich das Verfahren richtet, vornimmt
oder an sich von dem anderen vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu
fünf Jahren bestraft.
§ 174c
Sexueller Mißbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder
Betreuungsverhältnisses
(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer geistigen oder seelischen
Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer körperlichen
Krankheit oder Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist, unter
Mißbrauch des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses vornimmt oder an sich von
ihr vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm zur
psychotherapeutischen Behandlung anvertraut ist, unter Mißbrauch des Behandlungsverhältnisses
vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
§ 176
Sexueller Mißbrauch von Kindern
(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich
von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren
bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einem
Dritten vornimmt oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt.
(3) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erkennen.
118
(4) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
3. auf ein Kind durch Schriften (§ 11 Abs. 3) einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen,
die es an oder vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von dem Täter oder einem
Dritten an sich vornehmen lassen soll, oder
4. auf ein Kind durch Vorzeigen pornographischer Abbildungen oder Darstellungen, durch
Abspielen von Tonträgern pornographischen Inhalts oder durch entsprechende Reden einwirkt.
(5) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat
nach den Absätzen 1 bis 4 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen
zu einer solchen Tat verabredet.
(6) Der Versuch ist strafbar; dies gilt nicht für Taten nach Absatz 4 Nr. 3 und 4 und Absatz 5.
§ 176a
Schwerer sexueller Mißbrauch von Kindern
(1) Der sexuelle Missbrauch von Kindern wird in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 mit
Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre
wegen einer solchen Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist.
(2) Der sexuelle Missbrauch von Kindern wird in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 mit
Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn
1. eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle
Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen
in den Körper verbunden sind,
3. der Täter das Kind durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.
(3) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 176 Abs. 1 bis 3,
4 Nr. 1 oder Nr. 2 oder des § 176 Abs. 6 als Täter oder anderer Beteiligter in der Absicht handelt,
die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift (§ 11 Abs. 3) zu machen, die nach § 184b
Abs. 1 bis 3 verbreitet werden soll.
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf
Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn
Jahren zu erkennen.
119
(5) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer das Kind in den Fällen des § 176
Abs. 1 bis 3 bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat in die Gefahr des Todes
bringt.
(6) In die in Absatz 1 bezeichnete Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf
behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die im Ausland abgeurteilt
worden ist, steht in den Fällen des Absatzes 1 einer im Inland abgeurteilten Tat gleich, wenn sie
nach deutschem Strafrecht eine solche nach § 176 Abs. 1 oder 2 wäre.
§ 176b
Sexueller Mißbrauch von Kindern mit Todesfolge
Verursacht der Täter durch den sexuellen Mißbrauch (§§ 176 und 176a) wenigstens leichtfertig den
Tod des Kindes, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn
Jahren.
§ 177
Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung
1. mit Gewalt,
2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder
3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos
ausgeliefert ist,
nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder
einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein
besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem
Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen,
insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung),
oder
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
120
2. sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch
Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3. das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2. das Opfer
(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf
Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 3 und 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu
zehn Jahren zu erkennen.
§ 178
Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung mit Todesfolge
Verursacht der Täter durch die sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung (§ 177) wenigstens
leichtfertig den Tod des Opfers, so ist die Strafe lebenslange Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe
nicht unter zehn Jahren.
§ 179
Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen
1. wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer
Suchtkrankheit oder wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder
2. körperlich
zum Widerstand unfähig ist, dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung der
Widerstandsunfähigkeit sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt,
wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine widerstandsunfähige Person (Absatz 1) dadurch mißbraucht, daß
er sie unter Ausnutzung der Widerstandsunfähigkeit dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem
Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen.
121
(3) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erkennen.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren ist zu erkennen, wenn
1. der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm
vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper
verbunden sind,
3. der Täter das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder
einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.
(6) In minder schweren Fällen des Absatzes 5 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn
Jahren zu erkennen.
§ 180
Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger
(1) Wer sexuellen Handlungen einer Person unter sechzehn Jahren an oder vor einem Dritten oder
sexuellen Handlungen eines Dritten an einer Person unter sechzehn Jahren
Vorschub leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 Nr. 2
ist nicht anzuwenden, wenn der zur Sorge für die Person Berechtigte handelt; dies gilt nicht, wenn
der Sorgeberechtigte durch das Vorschubleisten seine Erziehungspflicht gröblich verletzt.
(2) Wer eine Person unter achtzehn Jahren bestimmt, sexuelle Handlungen gegen Entgelt an oder
vor einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen, oder wer
solchen Handlungen durch seine Vermittlung Vorschub leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) Wer eine Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur
Betreuung in der Lebensführung anvertraut oder im Rahmen eines Dienst- oder
Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-,
Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit bestimmt, sexuelle
Handlungen an oder vor einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu
lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 ist der Versuch strafbar.
122
§ 182
Sexueller Missbrauch von Jugendlichen
(1) Eine Person über achtzehn Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch missbraucht,
dass sie
1. unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt
oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2. diese unter Ausnutzung einer Zwangslage dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem
Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch
missbraucht, dass sie
1. sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2. diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem
Dritten an sich vornehmen zu lassen,
und dabei die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die
Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein
Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften
absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das
Unrecht der Tat gering ist.
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich
gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die
123
Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung
erfordert,
4. Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer
Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des
öffentlichen Rechts anerkannt ist.
4a. Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen
Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das
ihm als
1. Amtsträger,
4. Mitglied eines für ein Gesetzgebungsorgan des Bundes oder eines Landes tätigen
Untersuchungsausschusses, sonstigen Ausschusses oder Rates, das nicht selbst Mitglied des
Gesetzgebungsorgans ist, oder als Hilfskraft eines solchen Ausschusses oder Rates,
6. Person, die auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Geheimhaltungspflicht bei der Durchführung
wissenschaftlicher Forschungsvorhaben auf Grund eines Gesetzes förmlich verpflichtet worden
ist,
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist. Einem Geheimnis im Sinne des Satzes 1
stehen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse eines anderen gleich, die für
Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfasst worden sind; Satz 1 ist jedoch nicht anzuwenden,
soweit solche Einzelangaben anderen Behörden oder sonstigen Stellen für Aufgaben der
öffentlichen Verwaltung bekanntgegeben werden und das Gesetz dies nicht untersagt.
(3) Einem in Absatz 1 Nr. 3 genannten Rechtsanwalt stehen andere Mitglieder einer
Rechtsanwaltskammer gleich. Den in Absatz 1 und Satz 1 Genannten stehen ihre berufsmäßig
124
tätigen Gehilfen und die Personen gleich, die bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind.
Den in Absatz 1 und den in Satz 1 und 2 Genannten steht nach dem Tod des zur Wahrung des
Geheimnisses Verpflichteten ferner gleich, wer das Geheimnis von dem Verstorbenen oder aus
dessen Nachlass erlangt hat.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind auch anzuwenden, wenn der Täter das fremde Geheimnis nach dem
Tod des Betroffenen unbefugt offenbart.
(5) Handelt der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder
einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen
Beweggründen,
§ 212
Totschlag
(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht
unter fünf Jahren bestraft.
§ 213
Minder schwerer Fall des Totschlags
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte
Misshandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und
hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so
ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
125
§ 216
Tötung auf Verlangen
(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung
bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
§ 218
Schwangerschaftsabbruch
(1) Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft. Handlungen, deren Wirkung vor Abschluss der Einnistung des befruchteten Eies
in der Gebärmutter eintritt, gelten nicht als Schwangerschaftsabbruch im Sinne dieses Gesetzes.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf
Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
2. leichtfertig die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung der
Schwangeren verursacht.
(3) Begeht die Schwangere die Tat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder
Geldstrafe.
(4) Der Versuch ist strafbar. Die Schwangere wird nicht wegen Versuchs bestraft.
§ 218a
Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs
1. die Schwangere den Schwangerschaftsabbruch verlangt und dem Arzt durch eine
Bescheinigung nach § 219 Abs. 2 Satz 2 nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage
vor dem Eingriff hat beraten lassen,
3. seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind.
(2) Der mit Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommene
Schwangerschaftsabbruch ist nicht rechtswidrig, wenn der Abbruch der Schwangerschaft unter
Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach
ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer
schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der
Schwangeren abzuwenden, und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise
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abgewendet werden kann.
(3) Die Voraussetzungen des Absatzes 2 gelten bei einem Schwangerschaftsabbruch, der mit
Einwilligung der Schwangeren von einem Arzt vorgenommen wird, auch als erfüllt, wenn ärztlicher
Erkenntnis an der Schwangeren eine rechtswidrige Tat nach den §§ 176 bis 179 des
Strafgesetzbuches begangen worden ist, dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die
Schwangerschaft auf der Tat beruht, und seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen
vergangen sind.
(4) Die Schwangere ist nicht nach § 218 strafbar, wenn der Schwangerschaftsabbruch nach
Beratung (§ 219) von einem Arzt vorgenommen worden ist und seit der Empfängnis nicht mehr als
zweiundzwanzig Wochen verstrichen sind. Das Gericht kann von Strafe nach § 218 absehen, wenn
die Schwangere sich zur Zeit des Eingriffs in besonderer Bedrängnis befunden hat.
§ 218b
Schwangerschaftsabbruch ohne ärztliche Feststellung, unrichtige ärztliche
Feststellung
(1) Wer in den Fällen des § 218a Abs. 2 oder 3 eine Schwangerschaft abbricht, ohne dass ihm die
schriftliche Feststellung eines Arztes, der nicht selbst den Schwangerschaftsabbruch vornimmt,
darüber vorgelegen hat, ob die Voraussetzungen des § 218a Abs. 2 oder 3 gegeben sind, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 218 mit Strafe
bedroht ist. Wer als Arzt wider besseres Wissen eine unrichtige Feststellung über die
Voraussetzungen des § 218a Abs. 2 oder 3 zur Vorlage nach Satz 1 trifft, wird mit Freiheitsstrafe bis
zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 218 mit Strafe bedroht ist. Die
Schwangere ist nicht nach Satz 1 oder 2 strafbar.
(2) Ein Arzt darf Feststellungen nach § 218a Abs. 2 oder 3 nicht treffen, wenn ihm die zuständige
Stelle dies untersagt hat, weil er wegen einer rechtswidrigen Tat nach Absatz 1, den §§ 218, 219a
oder 219b oder wegen einer anderen rechtswidrigen Tat, die er im Zusammenhang mit einem
Schwangerschaftsabbruch begangen hat, rechtskräftig verurteilt worden ist. Die zuständige Stelle
kann einem Arzt vorläufig untersagen, Feststellungen nach § 218a Abs. 2 und 3 zu treffen, wenn
gegen ihn wegen des Verdachts einer der in Satz 1 bezeichneten rechtswidrigen Taten das
Hauptverfahren eröffnet worden ist.
§ 218c
Ärztliche Pflichtverletzung bei einem Schwangerschaftsabbruch
1. ohne der Frau Gelegenheit gegeben zu haben, ihm die Gründe für ihr Verlangen nach Abbruch
der Schwangerschaft darzulegen,
2. ohne die Schwangere über die Bedeutung des Eingriffs, insbesondere über Ablauf, Folgen,
Risiken, mögliche physische und psychische Auswirkungen ärztlich beraten zu haben,
3. ohne sich zuvor in den Fällen des § 218a Abs. 1 und 3 auf Grund ärztlicher Untersuchung von
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der Dauer der Schwangerschaft überzeugt zu haben oder
4. obwohl er die Frau in einem Fall des § 218a Abs. 1 nach § 219 beraten hat,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 218
mit Strafe bedroht ist.
§ 219
Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage
(1) Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten
zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein
Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte
Entscheidung zu treffen. Dabei muss der Frau bewusst sein, dass das Ungeborene in jedem
Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und dass
deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in
Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst,
die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. Die
Beratung soll durch Rat und Hilfe dazu beitragen, die in Zusammenhang mit der Schwangerschaft
bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen. Das Nähere regelt das
Schwangerschaftskonfliktgesetz.
(2) Die Beratung hat nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz durch eine anerkannte
Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zu erfolgen. Die Beratungsstelle hat der Schwangeren
nach Abschluss der Beratung hierüber eine mit dem Datum des letzten Beratungsgesprächs und
dem Namen der Schwangeren versehene Bescheinigung nach Maßgabe des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes auszustellen. Der Arzt, der den Abbruch der Schwangerschaft
vornimmt, ist als Berater ausgeschlossen.
§ 219a
Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) seines
Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs
oder
2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind,
unter Hinweis auf diese Eignung
anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekannt gibt, wird mit Freiheitsstrafe
bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen
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darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen
Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.
(3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handel mit den
in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine
Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird.
§ 219b
Inverkehrbringen von Mitteln zum Abbruch der Schwangerschaft
(1) Wer in der Absicht, rechtswidrige Taten nach § 218 zu fördern, Mittel oder Gegenstände, die
zum Schwangerschaftsabbruch geeignet sind, in den Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu
zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Teilnahme der Frau, die den Abbruch ihrer Schwangerschaft vorbereitet, ist nicht nach
Absatz 1 strafbar.
(3) Mittel oder Gegenstände, auf die sich die Tat bezieht, können eingezogen werden.
§ 221
Aussetzung
2. in einer hilflosen Lage im Stich lässt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst
beizustehen verpflichtet ist,
und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt, wird
mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. die Tat gegen sein Kind oder eine Person begeht, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in
der Lebensführung anvertraut ist, oder
(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht
unter drei Jahren.
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf
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Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn
Jahren zu erkennen.
§ 222
Fahrlässige Tötung
Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 224
Gefährliche Körperverletzung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen
mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
§ 225
Misshandlung von Schutzbefohlenen
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit
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wehrlose Person, die
quält oder roh misshandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu
sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn
Jahren bestraft.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene
Person durch die Tat in die Gefahr
bringt.
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf
Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu
fünf Jahren zu erkennen.
§ 226
Schwere Körperverletzung
(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, dass die verletzte Person
1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder
die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3. in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit
oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so
ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf
Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn
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Jahren zu erkennen.
§ 227
Körperverletzung mit Todesfolge
(1) Verursacht der Täter durch die Körperverletzung (§§ 223 bis 226) den Tod der verletzten
Person, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
(2) In minder schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu
erkennen.
§ 228
Einwilligung
Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann
rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.
§ 229
Fahrlässige Körperverletzung
Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 230
Strafantrag
(1) Die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 und die fahrlässige Körperverletzung nach § 229
werden nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des
besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für
geboten hält. Stirbt die verletzte Person, so geht bei vorsätzlicher Körperverletzung das
Antragsrecht nach § 77 Abs. 2 auf die Angehörigen über.
(2) Ist die Tat gegen einen Amtsträger, einen für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten
oder einen Soldaten der Bundeswehr während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung
auf seinen Dienst begangen, so wird sie auch auf Antrag des Dienstvorgesetzten verfolgt. Dasselbe
gilt für Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts.
§ 231
Beteiligung an einer Schlägerei
(1) Wer sich an einer Schlägerei oder an einem von mehreren verübten Angriff beteiligt, wird schon
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wegen dieser Beteiligung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn
durch die Schlägerei oder den Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung
(§ 226) verursacht worden ist.
(2) Nach Absatz 1 ist nicht strafbar, wer an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt war, ohne dass
ihm dies vorzuwerfen ist.
§ 315c
Gefährdung des Straßenverkehrs
a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
f) auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung
fährt oder dies versucht oder
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem
Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.
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(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 316
Trunkenheit im Verkehr
(1) Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315d) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses
alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug
sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die
Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.
(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.
Schadensersatz (BGB)
§ 249
Art und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde,
wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu
leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.
Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die
Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.
Behandlungsvertrag (BGB)
§ 611
Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag
(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen
Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
Schadensersetzpflicht (BGB)
§ 823
Schadensersatzpflicht
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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das
Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum
Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen
bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch
ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Schweigepflicht (BOÄ)
§9
Schweigepflicht
(1) Ärztinnen und Ärzte haben über das, was ihnen in ihrer ärztlichen Eigenschaft anvertraut oder
bekannt geworden ist – auch über den Tod der Patientin bzw. des Patienten hinaus – zu schweigen.
Dazu gehören auch schriftliche Mitteilungen der Patientin bzw. des Patienten, ärztliche
Aufzeichnungen, Röntgenaufnahmen und sonstige Untersuchungsbefunde.
(2) Ärztinnen und Ärzte sind zur Offenbarung befugt, soweit sie von der Schweigepflicht entbunden
worden sind oder soweit die Offenbarung zum Schutze eines höherwertigen Rechtsgutes
erforderlich ist. Gesetzliche Aussage- und Anzeigepflichten bleiben unberührt. Soweit gesetzliche
Vorschriften die ärztliche Schweigepflicht einschränken, soll die Patientin oder der Patient darüber
unterrichtet werden.
(3) Ärztinnen und Ärzte haben ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Personen, die zur
Vorbereitung auf den Beruf an der ärztlichen Tätigkeit teilnehmen, über die gesetzliche Pflicht zur
Verschwiegenheit zu belehren und dies schriftlich festzuhalten.
(4) Wenn mehrere Ärztinnen und Ärzte gleichzeitig oder nacheinander dieselbe Patientin oder
denselben Patienten untersuchen oder behandeln, sind sie untereinander von der Schweigepflicht
insoweit befreit, als deren Einverständnis vorliegt oder anzunehmen ist.
Infektionsschutz (IfSG)
§6
Meldepflichtige Krankheiten
2. der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder
an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn
a) eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt,
b) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer
Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
3. der Verdacht einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden
gesundheitlichen Schädigung,
4. die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -
ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers,
5. soweit nicht nach den Nummern 1 bis 4 meldepflichtig, das Auftreten
a) einer bedrohlichen Krankheit oder
b) von zwei oder mehr gleichartigen Erkrankungen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang
wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
wenn dies auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist und Krankheitserreger als
Ursache in Betracht kommen, die nicht in § 7 genannt sind.
Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3 bis 8, § 9 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 oder 3 oder
Abs. 4 zu erfolgen.
(2) Dem Gesundheitsamt ist über die Meldung nach Absatz 1 Nr. 1 hinaus mitzuteilen, wenn
Personen, die an einer behandlungsbedürftigen Lungentuberkulose leiden, eine Behandlung
verweigern oder abbrechen. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 und 3
Satz 1 oder 3 zu erfolgen.
(3) Dem Gesundheitsamt ist unverzüglich das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen, bei
denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als Ausbruch
nichtnamentlich zu melden. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 5, § 10
Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 und 4 Satz 3 zu erfolgen.
(1) Namentlich ist bei folgenden Krankheitserregern, soweit nicht anders bestimmt, der direkte oder
indirekte Nachweis zu melden, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen:
1. Adenoviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis im Konjunktivalabstrich
2. Bacillus anthracis
3. Borrelia recurrentis
4. Brucella sp.
5. Campylobacter sp., darmpathogen
6. Chlamydia psittaci
7. Clostridium botulinum oder Toxinnachweis
8. Corynebacterium diphtheriae, Toxin bildend
9. Coxiella burnetii
10. Cryptosporidium parvum
11. Ebolavirus
12 a) Escherichia coli, enterohämorrhagische Stämme (EHEC)
b) Escherichia coli, sonstige darmpathogene Stämme
13. Francisella tularensis
14. FSME-Virus
15. Gelbfiebervirus
16. Giardia lamblia
17. Haemophilus influenzae; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor oder Blut
18. Hantaviren
19. Hepatitis-A-Virus
20. Hepatitis-B-Virus
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21. Hepatitis-C-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise, soweit nicht bekannt ist, dass eine
chronische Infektion vorliegt
22. Hepatitis-D-Virus
23. Hepatitis-E-Virus
24. Influenzaviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis
25. Lassavirus
26. Legionella sp.
27. Leptospira interrogans
28. Listeria monocytogenes; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut, Liquor oder
anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen
29. Marburgvirus
30. Masernvirus
31. Mycobacterium leprae
32. Mycobacterium tuberculosis/africanum, Mycobacterium bovis; Meldepflicht für den direkten
Erregernachweis sowie nachfolgend für das Ergebnis der Resistenzbestimmung; vorab auch für den
Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum
33. Neisseria meningitidis; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut,
hämorrhagischen Hautinfiltraten oder anderen normalerweise sterilen Substraten
34. Norwalk-ähnliches Virus; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Stuhl
35. Poliovirus
36. Rabiesvirus
37. Rickettsia prowazekii
38. Rotavirus
39. Salmonella Paratyphi; Meldepflicht für alle direkten Nachweise
40. Salmonella Typhi; Meldepflicht für alle direkten Nachweise
41. Salmonella, sonstige
42. Shigella sp.
43. Trichinella spiralis
44. Vibrio cholerae O 1 und O 139
45. Yersinia enterocolitica, darmpathogen
46. Yersinia pestis
47. andere Erreger hämorrhagischer Fieber.
Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 und Abs. 4, § 9 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 oder 3
zu erfolgen.
(2) Namentlich sind in dieser Vorschrift nicht genannte Krankheitserreger zu melden, soweit deren
örtliche und zeitliche Häufung auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist. Die
Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3 und Abs. 4, § 9 Abs. 2, 3 Satz 1 oder 3 zu
erfolgen.
(3) Nichtnamentlich ist bei folgenden Krankheitserregern der direkte oder indirekte Nachweis zu
melden:
1. Treponema pallidum
2. HIV
3. Echinococcus sp.
4. Plasmodium sp.
5. Rubellavirus; Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen
6. Toxoplasma gondii; Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen.
Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3 und Abs. 4, § 10 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 3, 4 Satz 1 zu erfolgen.
Zur Meldepflicht ergeben sich die folgenden Punkte (§8):
(1) Zur Meldung oder Mitteilung sind verpflichtet:
1. im Falle des § 6 der feststellende Arzt; in Krankenhäusern oder anderen Einrichtungen der
stationären Pflege ist für die Einhaltung der Meldepflicht neben dem feststellenden Arzt auch der
leitende Arzt, in Krankenhäusern mit mehreren selbständigen Abteilungen der leitende
Abteilungsarzt, in Einrichtungen ohne leitenden Arzt der behandelnde Arzt verantwortlich,
2. im Falle des § 7 die Leiter von Medizinaluntersuchungsämtern und sonstigen privaten oder
öffentlichen Untersuchungsstellen einschließlich der Krankenhauslaboratorien,
3. im Falle der §§ 6 und 7 die Leiter von Einrichtungen der pathologisch-anatomischen Diagnostik,
wenn ein Befund erhoben wird, der sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer
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meldepflichtigen Erkrankung oder Infektion durch einen meldepflichtigen Krankheitserreger
schließen lässt,
4. im Falle des § 6 Abs. 1 Nr. 4 und im Falle des § 7 Abs. 1 Nr. 36 bei Tieren, mit denen Menschen
Kontakt gehabt haben, auch der Tierarzt,
5. im Falle des § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 und Absatz 3 Angehörige eines anderen Heil- oder
Pflegeberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich
geregelte Ausbildung oder Anerkennung erfordert,
6 im Falle des § 6 Abs.1 Nr. 1, 2 und 5 der verantwortliche Luftfahrzeugführer oder der Kapitän
eines Seeschiffes,
7. im Falle des § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 die Leiter von Pflegeeinrichtungen, Justizvollzugsanstalten,
Heimen, Lagern oder ähnlichen Einrichtungen,
8. im Falle des § 6 Abs. 1 der Heilpraktiker.
(2) Die Meldepflicht besteht nicht für Personen des Not- und Rettungsdienstes, wenn der Patient
unverzüglich in eine ärztlich geleitete Einrichtung gebracht wurde. Die Meldepflicht besteht für die in
Absatz 1 Nr. 5 bis 7 bezeichneten Personen nur, wenn ein Arzt nicht hinzugezogen wurde.
(3) Die Meldepflicht besteht nicht, wenn dem Meldepflichtigen ein Nachweis vorliegt, dass die
Meldung bereits erfolgte und andere als die bereits gemeldeten Angaben nicht erhoben wurden.
Satz 1 gilt auch für Erkrankungen, bei denen der Verdacht bereits gemeldet wurde.
(4) Absatz 1 Nr. 2 gilt entsprechend für Personen, die die Untersuchung zum Nachweis von
Krankheitserregern außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes durchführen lassen.
(5) Der Meldepflichtige hat dem Gesundheitsamt unverzüglich mitzuteilen, wenn sich eine
Verdachtsmeldung nicht bestätigt hat.
Bei der nichtnamentlichen Meldung ist folgendes zu beachten:
(1) Die nichtnamentliche Meldung nach § 7 Abs. 3 muss folgende Angaben enthalten:
1. im Falle des § 7 Abs. 3 Nr. 2 eine fallbezogene Verschlüsselung gemäß Absatz 2
2. Geschlecht
3. Monat und Jahr der Geburt
4. erste drei Ziffern der Postleitzahl der Hauptwohnung
5. Untersuchungsbefund
6. Monat und Jahr der Diagnose
7. Art des Untersuchungsmaterials
8. Nachweismethode
9. wahrscheinlicher Infektionsweg, wahrscheinliches Infektionsrisiko
10. Land, in dem die Infektion wahrscheinlich erworben wurde
11. Name, Anschrift und Telefonnummer des Meldenden
12. bei Malaria Angaben zur Expositions- und Chemoprophylaxe.
Der einsendende Arzt hat den Meldepflichtigen insbesondere bei den Angaben zu den Nummern 9,
10 und 12 zu unterstützen. Die nichtnamentliche Meldung nach § 6 Abs. 3 muss die Angaben nach
den Nummern 5, 9 und 11 sowie Name und Anschrift der betroffenen Einrichtung enthalten.
(2) Die fallbezogene Verschlüsselung besteht aus dem dritten Buchstaben des ersten Vornamens in
Verbindung mit der Anzahl der Buchstaben des ersten Vornamens sowie dem dritten Buchstaben
des ersten Nachnamens in Verbindung mit der Anzahl der Buchstaben des ersten Nachnamens. Bei
Doppelnamen wird jeweils nur der erste Teil des Namens berücksichtigt; Umlaute werden in zwei
Buchstaben dargestellt. Namenszusätze bleiben unberücksichtigt.
(3) Bei den in § 8 Abs. 1 Nrn. 3 und 5 genannten Personen beschränkt sich der Umfang der
Meldung auf die ihnen vorliegenden Angaben.
(4) Die nichtnamentliche Meldung nach § 7 Abs. 3 muss innerhalb von 2 Wochen gegenüber dem
Robert Koch-Institut erfolgen. Es ist ein vom Robert Koch-Institut erstelltes Formblatt oder ein
geeigneter Datenträger zu verwenden. Für die nichtnamentliche Meldung nach § 6 Abs. 3 gilt § 9
Abs. 3 Satz 1 bis 3 entsprechend.
(5) Die Angaben nach Absatz 2 und die Angaben zum Monat der Geburt dürfen vom Robert Koch-
Institut lediglich zu der Prüfung verarbeitet und genutzt werden, ob verschiedene Meldungen sich
auf dieselbe Person beziehen. Sie sind zu löschen, sobald nicht mehr zu erwarten ist, dass die
damit bewirkte Einschränkung der Prüfungen nach Satz 1 eine nicht unerhebliche Verfälschung der
aus den Meldungen zu gewinnenden epidemiologischen Beurteilung bewirkt, jedoch spätestens
nach zehn Jahren.
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Bestattungsgesetz (BestG)
Inhaltsübersicht
Erster Abschnitt
Friedhofswesen
§1 Friedhöfe
§2 Errichtung und Erweiterung eines Friedhofs
§3 Schließung und Entwidmung der Friedhöfe
§4 Satzungen
§5 Bestattungsbuch
§6 Zugang der Behörden
Zweiter Abschnitt
Bestattung
§7 Totenwürde, Gesundheitsschutz
§8 Bestattungspflicht
§9 Leichenschau, Todesbescheinigung und Unterrichtung der Behörden
§ 10 Obduktion
§ 11 Totenkonservierung, Aufbewahrung Toter
§ 12 Bestattungsentscheidung
§ 13 Bestattungsunterlagen, Bestattungsfristen
§ 14 Erdbestattung, Ausgrabung
§ 15 Feuerbestattung
Dritter Abschnitt
Beförderung der Toten
§ 16 Beförderung
§ 17 Leichenpass
Vierter Abschnitt
Sonstige Vorschriften
§ 18 Verordnungsermächtigung
§ 19 Ordnungswidrigkeiten
§ 20 Aufhebungsvorschriften
§ 21 Überprüfung
§ 22 In-Kraft-Treten
Anlage 1
Anlage 2
§1
Friedhöfe
(1) Die Gemeinden gewährleisten, dass Tote (Leichen, Tot- und Fehlgeburten) auf einem Friedhof
bestattet und ihre Aschenreste beigesetzt werden können.
(2) Gemeinden und Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind,
dürfen Friedhöfe und Feuerbestattungsanlagen anlegen und unterhalten (Friedhofsträger).
(3) Friedhöfe sollen mit Räumen ausgestattet sein, die für die Aufbewahrung Toter geeignet sind
und ausschließlich hierfür genutzt werden (Leichenhallen).
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(4) Friedhofsträger dürfen sich bei Errichtung und Betrieb ihrer Friedhöfe Dritter bedienen. Sie
dürfen Errichtung und Betrieb der Friedhöfe, auf denen ausschließlich Totenasche im Wurzelbereich
des Bewuchses beigesetzt wird, auch privaten Rechtsträgern (Übernehmern) übertragen; diese
Beisetzungsstätten sind nur insoweit zulässig, als öffentlich-rechtliche Vorschriften oder öffentliche
oder private Interessen nicht entgegenstehen, sie öffentlich zugänglich sind und die Nutzungsdauer
grundbuchrechtlich gesichert ist; im Übrigen berechtigen und verpflichten die Vorschriften der §§ 2
und 3 auch den Übernehmer.
(5) Errichtung und Betrieb seiner Feuerbestattungsanlage kann der Friedhofsträger mit
Zustimmung der Genehmigungsbehörde nach § 2 Abs. 1 Satz 2 widerruflich einem Übernehmer
übertragen.
§2
Errichtung und Erweiterung eines Friedhofs
(1) Die Errichtung und die Erweiterung der Friedhöfe der kreisangehörigen Gemeinden und der
Religionsgemeinschaften im Sinne des § 1 Abs. 2 bedürfen der Genehmigung.
Genehmigungsbehörde ist für Friedhöfe der Gemeinden der Kreis (Kreisordnungsbehörde) und für
Friedhöfe der Religionsgemeinschaften die Bezirksregierung. Am Genehmigungsverfahren ist die
untere Gesundheitsbehörde zu beteiligen.
(2) Bei Friedhöfen der Religionsgemeinschaften hat die Genehmigungsbehörde das Benehmen mit
der Gemeinde herzustellen.
(3) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Friedhof den Erfordernissen des
Wasserhaushaltsrechts und des Gesundheitsschutzes entspricht und ihr sonstige Vorschriften des
öffentlichen Rechts nicht entgegenstehen.
§3
Schließung und Entwidmung der Friedhöfe
(1) Friedhöfe können ganz oder teilweise geschlossen werden. Die Träger haben die
Schließungsabsicht unverzüglich der Genehmigungsbehörde und Religionsgemeinschaften auch
der Gemeinde anzuzeigen.
(2) Die völlige oder teilweise Entwidmung ist nur zulässig, wenn der Friedhofsträger für
Grabstätten, deren Grabnutzungszeit noch nicht abgelaufen ist, gleichwertige Grabstätten angelegt
und Umbettungen ohne Kosten für die Nutzungsberechtigten durchgeführt hat.
§4
Satzungen
(1) Die Friedhofsträger regeln durch Satzung Art, Umfang und Zeitraum der Nutzung und
Gestaltung ihres Friedhofs und dessen Einrichtungen, insbesondere die Aufbewahrung der Toten
und der Totenasche bis zur Bestattung, die Durchführung der Bestattung sowie die Höhe der
Gebühren oder Entgelte für die Nutzung des Friedhofs und dessen Einrichtungen. Die
Friedhofsträger können die Öffnungszeiten auch in anderer Weise bestimmen; in diesem Fall
müssen diese am Friedhof ausgehängt werden.
(2) Die Friedhofsträger legen für Erdbestattungen und für Aschenbeisetzungen gleich lange
Grabnutzungszeiten fest, die zumindest die sich aus den Bodenverhältnissen ergebende
Verwesungsdauer umfassen müssen.
(3) Gebühren, die eine Religionsgemeinschaft für die Benutzung ihres Friedhofs und seiner
Einrichtungen erhebt, können im Verwaltungszwangsverfahren beigetrieben werden, wenn die
Satzung von der nach § 2 Abs. 1 Satz 2 zuständigen Behörde genehmigt worden ist.
(4) Die Satzungen sind nach den für den Satzungsgeber geltenden Vorschriften öffentlich bekannt
zu machen.
§5
Bestattungsbuch
(1) Die Gemeinden, die Bestattungen außerhalb eines Friedhofs nach § 14 Abs. 1 Satz 2
zugelassen haben, und die Träger von Friedhöfen und Feuerbestattungsanlagen sowie Übernehmer
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sind verpflichtet, ein Bestattungsbuch zu führen. Es muss den Familien- und Vornamen, das
Geburtsdatum und den Todestag der zu Bestattenden enthalten. Die vorgenannten Gemeinden und
die Träger von Friedhöfen müssen auch den Tag der Bestattung einschließlich der genauen
Bezeichnung der Grabstelle eintragen. Die Träger oder Übernehmer der Feuerbestattungsanlagen
vermerken den Tag der Einäscherung, das Datum der Urnenaushändigung mit Namen und Adresse
der Person, die die Urne übernommen hat, sowie die Angaben zum Verbleib der Totenasche.
(2) Das Bestattungsbuch ist dreißig Kalenderjahre nach der letzten Eintragung und die zugehörigen
Unterlagen sind zehn Kalenderjahre nach ihrem Ausstellungsdatum aufzubewahren.
§6
Zugang der Behörden
Friedhofsträger und Übernehmer haben den Beauftragten der zur Überwachung der Einhaltung der
für Friedhöfe und Feuerbestattungsanlagen geltenden Rechtsvorschriften zuständigen Behörden
Grundstücke, Räume und Sachen zugänglich zu machen sowie auf Verlangen die erforderlichen
Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen unverzüglich vorzulegen. Das Grundrecht
der Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Artikel 13 des Grundgesetzes wird insoweit
eingeschränkt.
§7
Totenwürde, Gesundheitsschutz
(1) Jede Frau und jeder Mann haben die Ehrfurcht vor den Toten zu wahren und die Totenwürde zu
achten.
(2) Soweit möglich, sind Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Bestattungen unter
Berücksichtigung des Empfindens der Bevölkerung und der Glaubensgemeinschaft, der die zu
Bestattenden angehörten, vorgenommen werden können.
(3) Es ist dafür zu sorgen, dass von Toten keine Gesundheitsgefahren ausgehen. Bestand zum
Zeitpunkt des Todes eine meldepflichtige oder gefährliche übertragbare Krankheit oder besteht der
Verdacht auf eine solche Erkrankung, so sind die Schutzvorkehrungen zu treffen, die bei der
Leichenschau oder von der unteren Gesundheitsbehörde bestimmt werden.
§8
Bestattungspflicht
(1) Zur Bestattung verpflichtet sind in der nachstehenden Rangfolge Ehegatten, Lebenspartner,
volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister, Großeltern und volljährige Enkelkinder
(Hinterbliebene). Soweit diese ihrer Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen, hat die
örtliche Ordnungsbehörde der Gemeinde, auf deren Gebiet der Tod eingetreten oder die oder der
Tote gefunden worden ist, die Bestattung zu veranlassen.
(2) Die Inhaber des Gewahrsams haben zu veranlassen, dass Leichenteile, Tot- oder Fehlgeburten
sowie die aus Schwangerschaftsabbrüchen stammenden Leibesfrüchte, die nicht nach § 14 Abs. 2
bestattet werden, ohne Gesundheitsgefährdung und ohne Verletzung des sittlichen Empfindens der
Bevölkerung verbrannt werden.
§9
Leichenschau, Todesbescheinigung und Unterrichtung der Behörden
(1) Die Hinterbliebenen sind verpflichtet, unverzüglich die Leichenschau zu veranlassen. Dies gilt
auch bei Totgeburten. Hilfsweise haben diejenigen, in deren Räumen oder auf deren Grundstücken
der Tod eingetreten oder die Leiche oder Totgeburt aufgefunden worden ist, unverzüglich sowohl
die Leichenschau zu veranlassen als auch die Hinterbliebenen, ersatzweise die örtliche
Ordnungsbehörde zu unterrichten.
(2) Bei Sterbefällen in einer Anstalt, einem Krankenhaus, Pflegeheim oder einer vergleichbaren
Einrichtung hat die Leitung die Durchführung der Leichenschau zu veranlassen.
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(3) Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, unverzüglich nach Erhalt der Todesanzeige die
unbekleidete Leiche oder die Totgeburt persönlich zu besichtigen und sorgfältig zu untersuchen
(Leichenschau) sowie die Todesbescheinigung auszustellen und auszuhändigen.
Falls andere Ärztinnen und Ärzte für die Leichenschau nicht zur Verfügung stehen, ist sie von einer
Ärztin oder einem Arzt der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen unteren
Gesundheitsbehörde durchzuführen.
Notärztinnen und Notärzte im öffentlichen Rettungsdienst sind während der Einsatzbereitschaft und
während des Einsatzes, sobald sie den Tod festgestellt haben, weder zur Leichenschau noch zur
Ausstellung der Todesbescheinigung verpflichtet; gesetzliche Unterrichtungspflichten bleiben
unberührt, die Pflichten nach den Absätzen 5 und 6 gelten für sie entsprechend. Auf Verlangen der
Ärztinnen und Ärzte, die die Leichenschau vorgenommen haben, sind die Angehörigen der
Heilberufe, die die Verstorbenen oder die Mütter der Totgeburten behandelt haben, zur Auskunft
über ihre Befunde verpflichtet.
(4) Die Todesbescheinigung enthält im nichtvertraulichen Teil die Angaben zur Identifikation der
Leiche oder Totgeburt einschließlich der bisherigen Anschrift, Zeitpunkt, Art, Ort des Todes, bei
möglicher Gesundheitsgefährdung einen Warnhinweis und im vertraulichen Teil insbesondere
Angaben zur Todesfeststellung, zur Todesursache sowie zu den weiteren Umständen des Todes.
(5) Finden die Ärztinnen und Ärzte an den Verstorbenen Anhaltspunkte für einen Tod durch
Selbsttötung, Unfall oder Einwirkung Dritter (nicht natürlichen Tod) oder deuten sonstige Umstände
darauf hin, so brechen sie die Leichenschau ab, unterrichten unverzüglich die Polizeibehörde und
sorgen dafür, dass bis zum Eintreffen der Polizei Veränderungen weder an Toten noch an deren
Umgebung vorgenommen werden.
(6) Kann die Identität Toter nicht festgestellt werden, ist nach Beendigung der Leichenschau durch
diejenigen, die diese veranlasst haben, oder hilfsweise durch die Ärztin oder den Arzt unverzüglich
die Polizeibehörde zu unterrichten.
§ 10
Obduktion
(1) Tote dürfen, wenn sie zu Lebzeiten selbst, ihre gesetzliche Vertretung oder eine bevollmächtigte
Person schriftlich eingewilligt haben, nach Ausstellung der Todesbescheinigung zur Klärung der
Todesursache, zur Überprüfung der Diagnose oder Therapie oder zu einem sonstigen
wissenschaftlichen Zweck obduziert werden. Die Obduktion umfasst auch die Entnahme von
Organen und Gewebeteilen sowie deren Aufbewahrung. Die Einwilligung kann nach Aufklärung
auch mit einer vorformulierten Erklärung erteilt werden. Die Krankenhausträger sind verpflichtet,
anlässlich des Abschlusses eines Aufnahmevertrages nach der Einstellung zu einer Obduktion zu
fragen.
(2) Liegt weder eine schriftliche Einwilligung noch ein schriftlicher Widerspruch der Verstorbenen
vor, finden § 3 Abs. 3 und § 4 des Transplantationsgesetzes vom 5. November 1997 (BGBl. I
S. 2631) sinngemäß Anwendung.
(3) Stellt die obduzierende Ärztin oder der obduzierende Arzt abweichend von der
Todesbescheinigung Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod fest, ist nach § 9 Abs. 5 zu
verfahren.
(4) Ist die Untersuchung beendet, hat der Träger der untersuchenden Einrichtung unverzüglich die
Bestattung zu veranlassen. Für Art und Ort der Bestattung gilt § 12.
§ 11
Totenkonservierung, Aufbewahrung Toter
(1) Maßnahmen, bei denen den Toten Stoffe zugeführt werden, die die Verwesung verhindern oder
verzögern, bedürfen der Genehmigung der örtlichen Ordnungsbehörde.
(2) Tote sind spätestens 36 Stunden nach dem Tode, jedoch nicht vor Ausstellung der
Todesbescheinigung, in eine Leichenhalle zu überführen. Auf Antrag von Hinterbliebenen kann die
örtliche Ordnungsbehörde die Aufbewahrung Toter an einem anderen geeigneten Ort genehmigen,
wenn ein ärztliches Zeugnis bescheinigt, dass hiergegen keine Bedenken bestehen. Dies gilt nicht
für die Aufbewahrung Toter im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen.
(3) Die Öffnung des Sarges bei der Trauerfeier oder beim Begräbnis bedarf der Genehmigung der
örtlichen Ordnungsbehörde. Öffentliches Ausstellen Toter oder von Teilen bedarf der zu Lebzeiten
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schriftlich erklärten Einwilligung der Verstorbenen sowie der Genehmigung der
Ordnungsbehörde des Ausstellungsortes.
§ 12
Bestattungsentscheidung
(1) Die Bestattung kann als Erdbestattung oder als Feuerbestattung vorgenommen werden. Art und
Ort der Bestattung richten sich, soweit möglich, nach dem Willen der Verstorbenen, wenn sie das
14. Lebensjahr vollendet hatten und nicht geschäftsunfähig waren.
(2) Ist keine derartige Willensbekundung bekannt, entscheiden die Hinterbliebenen in der Rangfolge
des § 8 Abs. 1. Wenn die Gemeinde die Bestattung veranlasst, entscheidet sie; sie soll eine
Willensbekundung nach Absatz 1 Satz 2 berücksichtigen.
§ 13
Bestattungsunterlagen, Bestattungsfristen
(1) Die Bestattung der Leichen und Totgeburten ist erst zulässig, wenn die Todesbescheinigung
ausgestellt ist und das Standesamt die Eintragung des Sterbefalles bescheinigt hat oder eine
Genehmigung nach § 39 des Personenstandsgesetzes vorliegt oder wenn sie auf Anordnung der
örtlichen Ordnungsbehörde des Sterbe- oder Auffindungsortes erfolgt.
(2) Erdbestattungen dürfen frühestens achtundvierzig Stunden nach Eintritt des Todes
vorgenommen werden. Die örtliche Ordnungsbehörde kann eine frühere Bestattung aus
gesundheitlichen Gründen anordnen oder auf Antrag von Hinterbliebenen genehmigen, wenn durch
ein besonderes, aufgrund eigener Wahrnehmung ausgestelltes Zeugnis einer Ärztin oder eines
Arztes, die nicht die Leichenschau nach § 9 durchgeführt haben, bescheinigt ist, dass die Leiche die
sicheren Merkmale des Todes aufweist oder die Verwesung ungewöhnlich fortgeschritten und jede
Möglichkeit des Scheintodes ausgeschlossen ist.
(3) Erdbestattungen müssen innerhalb von acht Tagen durchgeführt werden. Liegen innerhalb
dieser Frist die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vor, so hat die Bestattung unverzüglich nach
deren Eintritt zu erfolgen.
§ 14
Erdbestattung, Ausgrabung
(1) Leichen müssen auf einem Friedhof bestattet werden. Die örtliche Ordnungsbehörde kann eine
Erdbestattung außerhalb eines Friedhofs mit Zustimmung der unteren Gesundheitsbehörde in
besonderen Fällen genehmigen.
(2) Tot- und Fehlgeburten sowie die aus einem Schwangerschaftsabbruch stammende Leibesfrucht
sind auf einem Friedhof zu bestatten, wenn ein Elternteil dies wünscht. Ist die Geburt oder der
Schwangerschaftsabbruch in einer Einrichtung erfolgt, hat deren Träger sicherzustellen, dass
jedenfalls ein Elternteil auf diese Bestattungsmöglichkeit hingewiesen wird. Liegt keine Erklärung
der Eltern zur Bestattung vor, sind Tot- und Fehlgeburten von den Einrichtungen unter würdigen
Bedingungen zu sammeln und zu bestatten. Die Kosten hierfür trägt der Träger der Einrichtung.
(3) Tote und Aschenreste dürfen nur mit Genehmigung der örtlichen Ordnungsbehörde, in deren
Bezirk sie bestattet worden sind, ausgegraben werden. Die Vorschriften der Strafprozessordnung
bleiben unberührt.
§ 15
Feuerbestattung
(1) Die Feuerbestattung einer Leiche oder einer Totgeburt darf erst vorgenommen werden, wenn
eine von der für den Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen unteren Gesundheitsbehörde
veranlasste weitere ärztliche Leichenschau vorgenommen und mit einer Bescheinigung nach dem
Muster der Anlage 1 bestätigt worden ist, dass kein Verdacht auf nicht natürlichen Tod besteht.
Anstelle der Gesundheitsbehörde nach Satz 1 darf auch die untere Gesundheitsbehörde des
Einäscherungsortes die weitere ärztliche Leichenschau veranlassen und die Bescheinigung
ausstellen. Lässt sich die Todesursache nach den Ergebnissen der Leichenschau und der
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Auskünfte nach § 9 Abs. 3 Satz 4 nicht mit ausreichender Sicherheit ermitteln, ist die untere
Gesundheitsbehörde befugt, zur Feststellung der Todesursache die Leiche zu obduzieren.
(2) Die Leichenschau und die Bescheinigung nach Absatz 1 werden in den Fällen des § 159 Abs. 1
StPO durch die nach § 159 Abs. 2 StPO erteilte Genehmigung ersetzt. Diese muss die Erklärung
enthalten, dass die Feuerbestattung als unbedenklich erachtet wird.
(3) Werden Leichen oder Totgeburten zur Feuerbestattung aus dem Ausland in das Inland
befördert, ist durch die untere Gesundheitsbehörde des Einäscherungsortes die Leichenschau nach
Absatz 1 zu veranlassen. Die Behörde kann darauf verzichten, wenn ihr über den natürlichen Tod
die zweifelsfreie Bescheinigung der am Sterbe- oder Auffindungsort zuständigen Polizei- oder
Gesundheitsbehörde vorgelegt wird.
(4) Die Einäscherung darf nur in der Feuerbestattungsanlage eines Friedhofsträgers oder eines
Übernehmers vorgenommen werden und hat in würdiger Weise zu erfolgen.
(5) Der Träger oder Übernehmer der Feuerbestattungsanlage hat die Zuordnung der Totenasche
sicherzustellen. Das dauerhaft versiegelte Behältnis mit der Totenasche ist auf einem Friedhof
beizusetzen; für die Beförderung zu diesem Zweck darf es den Hinterbliebenen oder ihren
Beauftragten ausgehändigt werden.
(6) Die Asche darf auf einem vom Friedhofsträger festgelegten Bereich des Friedhofs durch
Verstreuung beigesetzt werden, wenn dies durch Verfügung von Todes wegen bestimmt ist. Soll die
Totenasche auf einem Grundstück außerhalb eines Friedhofs verstreut oder beigesetzt werden, darf
die Behörde dies genehmigen, wenn diese Beisetzung von Todes wegen verfügt und der Behörde
nachgewiesen ist, dass die Beisetzung bodennutzungsrechtlich zulässig ist, der Beisetzungsort
nicht in einer der Totenwürde widersprechenden Weise genutzt wird und dauerhaft öffentlich
zugänglich ist.
(7) Soll die Totenasche auf See beigesetzt werden, wird die Genehmigung erteilt, wenn diese
Beisetzung von Todes wegen verfügt ist.
(8) Nach Vorlage einer Genehmigung nach den Absätzen 6 oder 7 ist das Behältnis mit der
Totenasche den Hinterbliebenen oder ihren Beauftragten auszuhändigen.
(9) Ausnahmen von der Bestimmung des Absatzes 5 können in besonderen Fällen durch die
Ordnungsbehörde des Ortes, an dem die Verwahrung der Totenasche stattfinden soll, soweit nötig,
im Benehmen mit der Ordnungsbehörde des Einäscherungsortes zugelassen werden.
§ 16
Beförderung
(1) Auf öffentlichen Straßen und Wegen dürfen Tote nur in einem für diesen Transport geeigneten
dicht verschlossenen Behältnis befördert werden.
(2) Die Beförderung Toter oder deren Asche aus der Gemeinde des Sterbe- oder Auffindeortes ist
der örtlichen Ordnungsbehörde innerhalb einer Frist von einer Woche anzuzeigen. Bei der
Beförderung sind die gemäß § 13 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 oder 2 erforderlichen Bescheinigungen
mitzuführen.
(3) Wird Asche zur Urnenbeisetzung befördert, genügt anstelle der Unterlagen nach Absatz 2 Satz 2
ein Auszug aus dem Bestattungsbuch mit den Angaben nach § 5 Abs. 1 Satz 2 und 4.
(4) Auf die Bergung und Beförderung Toter im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen finden die
Absätze 1 und 2 keine Anwendung.
(5) Vor der Beförderung einer Leiche und einer Totgeburt in das Ausland hat die untere
Gesundheitsbehörde die Leichenschau nach § 15 Abs. 1 zu veranlassen, falls nicht eine
Genehmigung nach § 15 Abs. 2 vorgelegt wird.
§ 17
Leichenpass
(1) Beförderungen von Leichen und Totgeburten über die Grenze der Bundesrepublik Deutschland
sind nur mit einem Leichenpass zulässig. Für die Beförderung in das Ausland ist das Muster der
Anlage 2 zu verwenden.
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(2) Für die Beförderung in das Ausland wird der Leichenpass von der örtlichen
Ordnungsbehörde ausgestellt, wenn ihr die in § 13 Abs. 1 und § 15 Abs. 1 oder 2 genannten
Unterlagen vorliegen. Die Ordnungsbehörde kann Nachweise über den Verbleib der Leiche, der
Totgeburt oder der Asche verlangen.
§ 18
Verordnungsermächtigung
Das für das Gesundheitswesen zuständige Ministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung
die Anforderungen an die zu beachtenden gesundheitlichen Schutzmaßnahmen, an die
Todesbescheinigung und an die übrigen Bestattungsunterlagen sowie deren Aufbewahrung
festzulegen.
§ 19
Ordnungswidrigkeiten
1.entgegen § 9 Abs. 1 bis 3 nicht unverzüglich die Leichenschau veranlasst, sie nicht unverzüglich
oder nicht sorgfältig vornimmt oder die Todesbescheinigung nicht unverzüglich aushändigt oder die
Auskünfte über Befunde verweigert,
2.entgegen § 9 Abs. 5 nicht unverzüglich die Polizeibehörde, die Staatsanwaltschaft oder das
Amtsgericht unterrichtet,
3.ohne die in § 10 Abs. 1 genannten Unterlagen, ohne Einwilligung oder Zustimmung nach § 10
Abs. 2 oder ohne einen in § 10 Abs. 1 genannten Zweck Tote obduziert oder nach Abschluss der
Untersuchung nicht unverzüglich die Bestattung veranlasst,
4.entgegen § 11 Abs. 1 Toten ohne Genehmigung verwesungshemmende Stoffe zuführt oder sie
nicht gemäß § 11 Abs. 2 rechtzeitig in eine Leichenhalle überführt,
5.entgegen den §§ 13 und 15 Tote vor der Vorlage der in § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 oder 2 genannten
Unterlagen bestattet oder die Bestattung auf seinem Friedhof zulässt,
6. entgegen § 14 außerhalb eines Friedhofs Tot- oder Fehlgeburten oder ohne Genehmigung nach
§ 14 Abs. 1 eine Leiche bestattet,
7.entgegen § 15 Abs. 5 bis 9 als Träger oder Übernehmer einer Einäscherungsanlage die
Zuordnung der Totenasche nicht sicherstellt oder Totenasche ohne Genehmigung aushändigt oder
als Hinterbliebene oder Hinterbliebener hinsichtlich ihr oder ihm ausgehändigter Totenasche die
Totenruhe stört oder eine mit der Genehmigung verbundene Verpflichtung nicht erfüllt oder vom
Inhalt der Genehmigung oder Zulassung abweicht,
8.gegen die in § 16 Abs. 1 bis 3 und § 17 Abs. 1 genannten Vorschriften verstößt,
9.einer Rechtsverordnung nach § 18 zuwider handelt, soweit sie zu einem bestimmten Tatbestand
auf diese Bußgeldvorschrift verweist.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 3000 Euro geahndet werden.
(3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten
ist die örtliche Ordnungsbehörde.
§ 20
Aufhebungsvorschriften
2.das Gesetz über die Feuerbestattung vom 15. Mai 1934 (RGS. NRW. S. 80), geändert durch
Gesetz vom 3. Dezember 1974 (GV. NRW. S. 1504),
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3.die Verordnung zur Durchführung des Feuerbestattungsgesetzes vom 10. August 1938
(RGS. NRW. S. 81), geändert durch Verordnung vom 18. Mai 1982 (GV. NRW. S. 250) und
4.die Ordnungsbehördliche Verordnung über das Leichenwesen vom 3. Dezember 2000 (GV. NRW.
S. 757).
(2) Nachstehende Vorschriften werden aufgehoben:
1. Zweyter Theil, Eilfter Titel, §§ 183 bis 190 sowie §§ 761 bis 765, des Allgemeinen Landrechts für
die Preußischen Staaten vom 5. Februar 1794 (Erstveröffentlichung Nauck u.a., Berlin 1794),
2. § 8 Nr. 6 des Gesetzes, die Bildung und Verwaltung eines allgemeinen Kirchenvermögens für die
evangelische Kirche des Landes, die Veranlagung von Kirchensteuern und die Stellung der Kirche
dem Staate gegenüber betreffend, vom 12. September 1877 (GS. für das Fürstenthum Lippe,
Neunter Band, S. 80).
3. Artikel 6 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 des Staatsgesetzes, betreffend die Kirchenverfassungen der
evangelischen Landeskirchen. Vom 8. April 1924 (PrGS. S. 221),
4. § 15 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 des Gesetzes über die Verwaltung des katholischen
Kirchenvermögens vom 24. Juli 1924 (PrGS. S. 585),
5. § 48 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai
1980 (GV. NRW. S. 528), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2001 (GV. NRW.
S. 870).
(3) In § 1 Abs. 1 Buchstabe d sowie in § 2 Abs. 1 Buchstabe b der Zuständigkeitsverordnung zur
Ausführung des Staatsgesetzes, betreffend die Kirchenverfassungen der evangelischen Landes-
kirchen, vom 8. April 1924. Vom 4. August 1924. (PrGS. S. 594) werden jeweils die Wörter „3 und“
gestrichen.
§ 21
Überprüfung
Die Landesregierung überprüft nach Ablauf von fünf Jahren nach dem In-Kraft-Treten dieses
Gesetzes die Auswirkungen von § 1 Abs. 4 und 5, § 2, § 9 Abs. 3, § 10 Abs. 1 bis 3, § 12 Abs. 2
Satz 2, § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 5 und 6 und unterrichtet den Landtag.
§ 22
In-Kraft-Treten
Dieses Gesetz tritt mit Ausnahme des § 18, der am Tage nach der Verkündung in Kraft tritt, am
ersten Tag des auf die Verkündung folgenden dritten Kalendermonats in Kraft.
Anlage 1 (zu § 15)
Anlage 2 (zu § 17)