Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Redensarten erklärt
am mittelalterlichen Erfurt
von
Alice Stoff
Die Autorin ist Stadtführerin in Erfurt und Weimar, freiberufliche Übersetzerin und
Englischdozentin und hat bereits mehrere Broschüren zur Stadtgeschichte
veröffentlicht.
Copyright 2013
Die Schreibwerkstatt
Alice Stoff
Vorwort
Wissen Sie warum man die Kurve kratzen soll? Was ein Kerbholz ist? Welcher Zacken zugelegt werden muss?
Auf diese Fragen weiß die Autorin Antwort, denn Sie kennt sich im mittelalterlichen Erfurt und dem Leben früher dort
aus. Bei Ihren Stadtführungen stößt man auf allerlei Zeitzeugnisse der alten, immer noch aktuellen Redewendungen,
deren ursprüngliche Bedeutungen heute kaum noch bekannt sind.
Erfurt war im Mittelalter eine der zehn größten Städte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Karl der Große
hatte der Stadt im Jahr 805 das Stapelprivileg verliehen und so mussten alle Händler, die durch Erfurt reisten, ihre Waren
drei Tage lang in der Stadt anbieten. Erfurt lag am Kreuzungspunkt der wichtigsten mittelalterlichen Handelsstraßen: der
Via Regia, einer Verbindung von Russland nach Spanien, und der Nürnberger Geleitstraße, die Italien mit den Städten im
Norden verband. Neben Toulouse in Frankreich und Urbino in Italien, gab es in Erfurt einen der drei größten
europäischen Waidmärkte. Waid, eine Färberpflanze für die blaue Farbe, die später durch Indigo ersetzt wurde.
1392 nahm die Erfurter Universität als fünfte nach Prag, Heidelberg, Wien und Köln ihren Lehrbetrieb auf und galt
schnell als eine der besten im Reich. Ihr berühmtester Student war Martin Luther, der zunächst dort das Grundstudium
der Sieben Freien Künste durchlief, dann aber während eines Gewitters in Todesangst den Schwur leistete, Mönch zu
werden und in das Augustinerkloster zu Erfurt im Jahr 1505 eintrat und bis 1511 in Erfurt blieb.
Die Stadt, stets eine Enklave innerhalb der thüringisch-sächsischen Fürstentümer drum herum, war Mainzer Tochter,
wurde ab 1802 preußisch, gefolgt von fast acht Jahren französischer Regierung als „private Domäne Napoleons“, um
danach wieder preußisch zu sein und als „Festung ersten Ranges“ ausgebaut zu werden.
Ihrer Nähe zu Weimar ist es zu verdanken, dass sowohl Geistesgrößen wie Goethe, Schiller, Herder und Wieland, sowie
Bauhauskünstler wie Feininger und Van de Velde, regelmäßige Besucher der Stadt waren.
Der Begründer der deutschen Mystik, Meister Eckhard, ein Thüringer, leitete als Prior das Dominikanerkloster in Erfurt.
Seine Aussagen sind zeitlos und werden heute noch viel zitiert. Till Eulenspiegel, Adam Ries, Dr. Faust sind weitere
Persönlichkeiten, denen man in der Stadt begegnen kann. Nicht zuletzt sei auch die bedeutende jüdische Gemeinde des
Mittelalters genannt, die ihre Spuren mit einer alten Synagoge und einem weltweit einmaligen Schatz in Erfurt hinterließ.
1. „Die ist keinen Heller wert“
Sie hat einen schlechten Ruf/ ist nutzlos/taugt nichts
In der jüdischen Religion musste ein Trauzeuge bei der Hochzeitszeremonie, vor dem Aufstecken des Hochzeitsringes
durch den Mann am Zeigefinger der Frau, bestätigen, dass der Ring mindestens einen Heller wert ist. Der Ring
symbolisiert den Wert der Braut. Nach jüdischer Vorschrift soll der Ring aus Gold bestehen und keine Edelsteine tragen.
Üblich ist die Darstellung eines Gebäudes als Ringmotiv. Bei diesem Gebäude handelt es sich entweder um das
gemeinsame Haus der Ehe oder um den 70 Jahre nach Christus zerstörten Tempel des Herodes.
In Erfurt wurde der wertvollste Hochzeitsring von weltweit nur noch drei überlieferten Ringen dieser Art aus dieser Zeit
im Jahr 1998 bei Bauarbeiten in der Michaelisstraße gefunden. Er war Teil eines 30 Kilogramm schweren Schatzes, der,
außer Schmuck, noch Silbermünzen aus Tour, Gürtel- und Gewandbesatz und Silbergeschirr beinhaltete. Forschungen
ergaben, dass der Schatz vermutlich einem Kalman von Wiehe gehörte, der Opfer des Pogroms am 21. März 1349 in
Erfurt wurde. Die Pest zog durch Europa und die Christen verbreiteten das Gerücht, die Juden hätten die Brunnen
vergiftet und damit die tödliche Seuche ausgelöst. Eine der größten jüdischen Gemeinden im Heiligen Römischen Reich
Deutscher Nation wurde an diesem Tag ausgelöscht und ihre Synagoge beschädigt und anschließend einem Händler
verkauft, der sie zu einem Warenlager umbaute. Später wurde das Gebäude von Vor- und Anbauten verdeckt, das Innere
im 19. Jahrhundert für die Gastronomie umgebaut und so geriet die alte Synagoge in Vergessenheit und entging den
Zerstörungen im Dritten Reich. Erst 1998 konnten Pläne umgesetzt werden, die Synagoge wieder frei zu legen und zu
einem Jüdischen Museum zu machen. Hier wird seit Eröffnung 2009 im Gewölbekeller aus dem 14. Jh. der Erfurter
Schatz mit dem Hochzeitsring ausgestellt.
Der Heller wurde übrigens seit Anfang des 13. Jahrhunderts geprägt. Die Kupfermünze war nach der Stadt Schwäbisch
Hall benannt worden.
Die Juden waren erfolgreich als Händler, Geldwechsler und – verleiher, Übersetzer und vieles mehr. Sie galten als
fleißig, waren wirtschaftlich oft gut gestellt und riefen bei vielen weniger begüterten Personen Neid hervor, die sich über
deren Emsigkeit lustig machten. Zeugnis einer bedeutenden Gemeinde ist die mittelalterliche „Alte Synagoge“ von
Erfurt, die als die älteste bis zum Dach erhaltene Synagoge gilt. Ihre Größe, die jüdischen Gelehrten, deren Schriften
teilweise überliefert sind, die jüdischen Handschriften der Gemeinde, inklusive der weltweit größten mittelalterlichen
Thorarolle und der größten mittelalterlichen Bibelhandschrift zeugen noch heute vom Glanz des frühmittelalterlichen
jüdischen Gemeindelebens. Und der Spruch noch immer von Neid und Missgunst gegenüber den Andersgläubigen.
3. „Ohne Skrupel“
Ohne Hemmungen
Skrupel war die Bezeichnung für Gewichte an einer Waage. Stand kein Gewicht auf den Waagschalen, waren diese
leicht. Bildlich gesehen, tut jemand etwas ganz unbeschwert, eben „ohne Skrupel“.
Als Scheffel bezeichnete man die obere Abdeckung einer Lampe, in der eine Kerze stand. Der Scheffel dämpfte das
Licht. Es konnte seine ganze Strahlkraft nicht entfalten.
Karl der Große, der erste deutsche Kaiser (742 - 814), der Erfurt das Stapelprivileg im Jahr 805 in der Goldenen Bulle
verlieh, wurde auf Bildern oft ohne aber auch oft mit Bart dargestellt, so dass man noch bis heute diskutiert, ob er nun
einen Bart gehabt hat oder nicht. Da sich das aber nun nicht mehr klären lässt, ist es müßig, darüber zu reden.
Früher gab die Kleiderordnung vor, dass verheiratete Frauen eine Haube zu tragen hatten. Dies sieht man noch auf vielen
Darstellungen von Frauen des Mittelalters. So zum Beispiel in der Elisabethkapelle im Turm der Nikolaikirche in Erfurt.
Dort konnten alte Wandgemälde restauriert werden, die die Lebensgeschichte der Heiligen Elisabeth von Thüringen
darstellen. Auf dem Bild ihrer Hochzeit trägt sie eine weiße Haube. Ebenfalls sehr bekannt ist das Bildnis von Martin
Luthers Mutter, die als verheiratete Frau eine Haube trägt.
8. „stichhaltige“ Argumente
Gute oder begründete Argumente
An der Unterseite der Silberbecher aus dem 14. Jh. , sogenannte Häuflebecher, in der Alten Synagoge sind
Tremulierstiche zu erkennen. Das sind Spuren einer abgekratzten Silberprobe, die eingeschmolzen wurde, um ihre
Stichhaltigkeit, d.h. den Silbergehalt, zu überprüfen.
Bis Heinrich II im Jahr 1002 die Verfügung aufhob, mussten die Thüringer an die Franken den sogenannten
Schweinezins zahlen. Schweine waren Zahlungs- und Tauschmittel.
8 Gulden entsprachen im Mittelalter etwa zwei fetten Schweinen. Als die Franken die Thüringer in der Schlacht an der
Unstrut im Jahr 513 besiegten, mussten die Thüringer ihnen lange Zeit jedes 10 Schwein abgegeben.
Um das Fett von zum Schutz vor hungrigen Mäusen aufgehängten Würsten oder Fleisch aufzufangen, wurden in den
Speisekammern oder Küchen Näpfe auf dem Boden darunter gestellt. Wenn man nicht aufpasste, konnte es leicht
passieren, dass man sie umstieß oder hineintrat und so eine peinliche Schweinerei verursachte. Im Volkskundemuseum
und im Freilichtmuseum Hohenfelden kann man alte Küchen besichtigen.
Diese Redewendung bezieht sich auf die Kanzeln in und vor den Kirchen. Der Pfarrer betritt die Kanzel, die erhöht
positioniert ist, um von dort in einer Sonderrolle höherer Autorität, die anderen zu belehren. Er steht alleine dort und
spricht von oben auf die anderen herab. Früher fanden Gottesdienste auch vor den Kirchen statt. Beispiele solcher
Außenkanzeln sieht man noch an den Domstufen und an der Augustinerkirche des ehemaligen
Augustinereremitenklosters, in das Martin Luther 1505 eingetreten war.
In der Kürschnergasse in Erfurt waren die Kürschner ansässig, die Tierhäute zu Leder verarbeiteten. Sie hatten ihre
Häuser am Wasser der Gera, wo sie von Stegen aus ihre Felle im Fluss waschen konnten. Hielt man das Fell nicht gut
fest, wenn die Strömung stark war, schwammen die Felle davon und damit auch die Einnahmen, die man mit dem Leder
hätte erzielen können. Noch heute bietet sich ein ähnliches Bild, nur dass die Wasserterrassen heute sonnenhungrigen
Gaststättenbesuchern zum Verweilen dienen.
Oftmals wurden Räume zweifach genutzt, als Tanzsaal und Speiseraum oder als Wohnzimmer und Esszimmer. So wurde
bei einem Mahl die Tafel aufgetragen, d. h. man hat eine große Tischplatte hereingetragen, teilweise schon gedeckt, die
auf entsprechende Füße abgelegt wurde. War das Essen beendet, wurde sie aufgehoben und wieder heraus, vermutlich in
die Küche, getragen. Im Schloss Molsdorf in Molsdorf bei Erfurt, wurde die Tischplatte mit einer Seilwinde unter die
Decke des Tanzsaales heraufgezogen, wenn man nach dem Essen mit dem Tanz beginnen wollte. Das Schloss Molsdorf
gehörte lange Zeit dem Grafen von Gotter, der ein Lebemann und Frauenheld war. Das Barockschloss mit dem
dazugehörigen barocken Schlossgarten und dem Teehaus gilt als das thüringische Sanssouci.
Adam Ries, der von 1518 bis 1523 in Erfurt eine Rechenschule hatte, machte damals die arabische Zahlenschreibweise
populär. Die römische Zahlenschreibweise war unpraktisch und führte oft zu falschen Rechenergebnissen. Das „u“ wurde
früher „v“ geschrieben und bedeutet 5. Das x bedeutet 10. War etwas unordentlich geschrieben, konnte man leicht
behaupten, beim v handele es sich um ein x, oder umgekehrt, um betrügerisch einen Preisvorteil zu erzielen. Sein erstes
deutsches Rechenbuch mit Erläuterungen zum Rechnen auf den Linien unter Verwendung der arabischen Zahlen, ließ
Adam Ries in der Druckerei des Matthes Maler im Haus zum Schwarzen Horn in der Michaelisstraße drucken.
Im Mittelalter gab es ehrliche und unehrliche Strafen, wobei sich das „ehrlich“ auf die „Ehre“ bezieht. Je nach Vergehen,
behielt man seine Ehre und wurde in östlicher Ausrichtung auf einem Friedhof begraben oder man verlor sie und wurde
verkehrt herum außerhalb der Stadtmauer verscharrt. Strafen waren je nach Art der Tat festgelegt und wurden nicht aus
Sadismus angewandt, sondern um Gott mild zu stimmen, indem man selbst straft und richtet, damit Gottes Zorn nicht auf
die Menschen niederkommt und der Bestrafte eventuell so sogar noch vor der Hölle gerettet werden kann. Eine der
Strafen war das Rädern. Die Person wurde auf ein Rad gespannt, wobei ihr sämtliche Knochen brachen. Meist blieb sie
bis zum qualvollen Verenden dort zur Abschreckung befestigt.
Erfurt, als eine der zehn größten Städte im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, hatte mehrere Richtstätten.
Ganz zentral lag die Richtstätte mit dem Gericht auf dem Domplatz. Bezeichnungen wie Galgenberg oder Rabenhügel
deuten auf ehemalige Richtplätze hin.
Henker war ein unehrlicher Beruf. Oft wurde das Henkerhandwerk innerhalb der Familie fortgeführt. Die Henker waren
gefürchtet, aber sie hatten auch eine sichere Einnahmequelle. Vom Vollstrecken von Todesurteilen allein konnten sie
nicht leben, so durften sie sich auch als Abdecker betätigen, also Tierkadaver entsorgen. Des Weiteren konnten sie sich
meistens am Besitz des Delinquenten bedienen und ihm alles, bis auf das letzte Hemd, nehmen. Das musste dem
Todeskandidaten gelassen werden. Doch selbst das soll sich der Henker genommen haben, wenn sich das Volk verzogen
hatte.
Jemanden, der des Betruges überführt worden war oder des Diebstahls, konnte man daran erkennen, dass er einen Schlitz
im Ohr hatte oder ein Stück des Ohrläppchens abgetrennt war. Das war die Strafe für solche Vergehen.
In Erfurt befand sich früher das Gericht am Dom, wo in einem Preußenbau aus dem 19. Jahrhundert heute wieder ein
Gericht ist: das Landgericht von Erfurt.
Gerichts- und andere schriftliche Akten wurden nach Einführung des römischen Rechts in langen bankartigen Truhen
aufbewahrt und dann nacheinander abgearbeitet. War die Bank recht lang, konnte es lange dauern bis ein Fall an die
Reihe kam.
Als die Feuergefahr durch offenes Licht und offene Feuerstellen noch ständiger Begleiter des täglichen Lebens war,
bewahrte man seine Wertgegenstände in Truhen auf, die auf ihrem Boden im Inneren oft die Abbildung eines Hundes
aufwiesen. Dieser Hund sollte symbolisch den Besitz beschützen. War der Hund zu sehen, bedeutete das, dass die Truhe
leer oder fast leer war. Man hatte nichts Wertvolles und war „auf den Hund gekommen“. Solch eine Truhe befindet sich
im Erfurter Volkskundemuseum.
Diese Redewendung geht auf das Benutzen alter Waagen zurück, die mit Gewichten funktionierten. Warf man etwas in
die Waagschale, wog es mehr, hatte man mehr von etwas. Man war vermutlich reicher und deshalb im Vorteil. Im
Volkskundemuseum und im Heimatkundemuseum in der Wilhelm Hey Straße (Wilhelm Hey übrigens der Verfasser des
Schlafliedes „Weißt du wie viel Sternlein stehen“) in Ichtershausen zu sehen. Große Warenwaagen gab es in den
sogenannten Städtischen Waagen oder Pack- und Waagehöfen, wo Händler bei Passieren der Stadt auf das Gewicht ihrer
Waren Zölle und Steuern zu entrichten hatten. Das Waagegebäude des 14. – 18. Jahrhunderts befand sich in der
gleichnamigen Waagegasse, danach bauten die Mainzer den kurmainzischen Pack- und Waagehof auf dem Anger, heute
das Angerkunstmuseum.
21. „Jemandem etwas abknöpfen“
Jemandem etwas wegnehmen
Reichere Leute erkannte man unter anderem an wertvollem Gewandbesatz und teuren Knöpfen an ihrer Kleidung. Sie
wurden von Dieben überfallen, die ihnen die Knöpfe abtrennten. Konnte ein Schuldner seine Geldschuld nicht
begleichen, konnte er auch seine kostbaren Knöpfe als Zahlungsmittel abgeben. Vergoldete silberne Gewandschließen
sind im Museum in der Alten Synagoge zu sehen.
Schreibblätter machte man damals aus Tierhäuten, dem sogenannten Pergament. Die Größe des Pergaments wurde auf
das Textvolumen abgestimmt. Gab es viel zu schreiben oder zu berichten, mussten große Häute bearbeitet werden. War
etwas einfach zu viel, ein Sachverhalt zu umfangreich, passte dies bildlich nicht auf eine Kuhhaut. Eine Kuhhaut reichte
nicht, um alles aufzuschreiben. In Erfurt waren die Pergamenter in der Pergamentergasse ansässig. Sie gehörte zum
Andreasviertel, dem einstigen Bauern- und Handwerkerviertel der Stadt, in dem man heute noch niedliche kleine
Gässchen vorfindet.
In den Badehäusern und Haushalten badeten mehrere Personen hintereinander, um das Wasser optimal zu nutzen (es
auszubaden). Der Letzte musste es ausschütten und alles reinigen. War jemand besonders ungeduldig und wollte endlich
mit der letzten Aufräumarbeit fertig sein, konnte es wohl mal sein, dass das Kind gleich mit ausgeschüttet wurde.
Ehemalige Badehäuser, von denen man nicht weiß, ob es sich vielleicht auch um ein anrüchiges Gewerbe handelte, gibt
es noch in Erfurt, vermutlich hinter der Krämerbrücke. Alte Wannen kann man im Volkskundemuseum sehen.
Auf Wappen von Herrschern, Adligen oder Stadtherren sind oft Kronen abgebildet. Die Anzahl der Zacken gibt einen
Hinweis auf deren Rang, Macht oder Wichtigkeit. Man war sehr darauf bedacht, dass die Anzahl der Zacken stimmte und
dass so eine Krone nicht beschädigt und wohlmöglich einer Zacke verlustig wurde. Im Erfurter Stadtbild gibt es mehrere
Kronenabbildungen, meist die Kurfürstenkrone der Mainzer, die von 755 bis 1802 die Stadtherren von Erfurt waren. An
den Festungsmauern der Zitadelle Petersberg befinden sich mehrere Wappen mit Kronen von Herrschern.
All diese Ausdrücke gehen auf die Zeit zurück, in der Pferde und Reiten zum Alltag gehörten. Wer hoch zu Ross saß
oder auf das Pferd aufsaß, konnte von oben auf die anderen hinunter blicken, hatte eine stärkere Position. Wenn die
Pferde zu hoch zum Aufsteigen für ihren Reiter waren, stellte man sich auf die sogenannten Sediliennischen (oder
Sitznischen) in den Hauseingängen mancher Häuser, die ursprünglich nur ein Stilelement der Renaissance darstellen. In
der Renaissance waren solche Nischen zum Aufstellen von Heiligenfiguren da. Auch konnte man bei entsprechendem
Stand zu Pferd in die Kirche einreiten.
Beide Redewendungen verwenden den Hut im positiven Sinne, denn Hüte waren damals Statussymbol. In den
Kleiderordnungen wurde oft festgelegt, wer welche Art Kopfbedeckung tragen durfte. Fest stand jedoch, dass man mit
Hut mehr war als ohne. Wer also gut behütet war, war von höherem Stand und genoss auch so einen höheres Ansehen
und infolgedessen einen höheren Schutz. Seinen Hut zu ziehen war, damals wie heute, eine Respektbekundung. Die
verschiedenen Hutformen sieht man z. B. auf einem alten Altarbild in einer Menschenmenge bei den Chorschranken in
der Predigerkirche.
Als noch gefoltert wurde, gab es viele Foltergeräte, auf die man gespannt, also befestigt, wurde. Die Ahnung oder
Vorstellung der bevorstehenden Folter war unerträglich.
Die Daumenschraube war ein Foltergerät des Mittelalters, in das der Daumen eingespannt wurde und mit einer Schraube
so lange eingeschraubt wurde, bis die Knochen brachen. Man erzwang so Geständnisse.
Beim Pranger handelt es sich um eine Art Käfig, der auf öffentlichen Plätzen stand. Bei leichten Vergehen wurde der
Täter in den Pranger gesperrt oder „an den Pranger gestellt“ und war dort den Beschimpfungen und Gewalttätigkeiten der
anderen Bürger ausgesetzt. Jeder wusste, wessen sich die betreffende Person schuldig gemacht hatte. Einen Pranger gab
es auf den großen öffentlichen Plätzen, z. B. auf dem Fischmarkt vor dem Rathaus und auf dem Domplatz. Auf Domplatz
war der Pranger eigentlich das „Trillhäuschen“, dass von Passanten in Drehung versetzt werden konnte.
Eine gängige Hinrichtungsart war das Köpfen. Der Henker schlug idealerweise mit einem ersten Schwertschlag, dem
Delinquenten den Kopf ab, welcher hierbei über die Klinge sprang.
Karl der V., geboren in Gent, Kaiser des Römischen Reiches im 16. Jahrhundert, war von 1516 an König von Spanien. Er
kam auch hin und wieder nach Erfurt. Leider verstand keiner seine Sprache. Auf einem historischen Wandgemälde des
Erfurter Rathauses aus dem 19. Jahrhundert ist Karl V. abgebildet. Dr. Faust lässt vor ihm Alexander den Großen mit
seiner Frau Roxane erscheinen. Diese Illusion muss den Zuschauern „spanisch“ vorgekommen sein.
Das Bild, das hier verwendet wird, bezieht sich auf den letzten Weg Jesu zum Calvarienberg bzw. auf die Kreuzigungen
von damals. Die, deren Urteil Tod am Kreuz lautete, mussten ihre Kreuze selber auf den Berg tragen. Die großen
Holzkreuze waren sehr schwer und so krochen sie unter der Last fast auf dem Boden. Möglicherweise bezieht die
Redewendung sich auch auf Sünder, die zur Bitte um Vergebung ihrer Sünden zum Jesuskreuz hin krochen. Luther
berichtete, dass er die Spanische Treppe in Rom hinauf gekrochen wäre in Demut. Martin Luther kam 17-jährig als
Student nach Erfurt. Vier Jahre später trat er ins Augustinerkloster ein, wurde 1507 im Dom zum Priester geweiht und
1511 von Erfurt aus zum Augustinerorden nach Wittenberg geschickt, weil er dort an der neu gegründeten Wittenberger
Universität Professor für Bibelauslegung werden sollte. 1510 war Martin Luther vermutlich von Erfurt aus nach Rom
aufgebrochen, wo er entsetzt feststellte, dass die katholische Kirche verdorben war und einer Besinnung auf alte Werte
bedurfte. In der Predigerkirche in Erfurt, die die ehemalige Klosterkirche des Dominikanerordens war, befindet sich ein
Andachtsbild in einer Wandnische in den Chorschranken mit einer Darstellung der Kreuzigungsszene aus dem 13.
Jahrhundert an ihrem Originalplatz.
Die Vierteilung war in wörtlichem Sinne eine Zerstückelung eines Verurteilten in vier Teile. Eine der unehrlichen
Strafen, die in der Öffentlichkeit vollstreckt wurden.
Das Hungertuch nennt man das Passionstuch in der Kirche, das in der Fastenzeit am Altar hängt. Da man in der
Fastenzeit unter Hungergefühl litt, man aber umso mehr in die Kirche ging, musste man sich durch das Passionstuch zum
Durchhalten motivieren. Man nagte am Hungertuch.
Die Mönche mussten mehrmals am Tag und in der Nacht beten. Dazu hielten sie ihre Gebetsbücher in den Händen und
befestigten sich Kerzen auf ihren Daumen. Beteten sie lange, brannten die Kerzen weit herunter, so dass man sich hin
und wieder dabei verbrannte. 14 Klöster gab es im Mittelalter in Erfurt, in denen vermutlich genauso etwas häufig
vorkam. Erfurt hatte einst die Beinamen „Erfordia Turrita“ und „Rom Thüringens“. Im Augustinerkloster in Erfurt gibt es
eine interessante Lutherausstellung, auch kann man die ehemaligen Mönchszellen besichtigen.
Die Sprache der Gelehrten und der Geistlichkeit war Latein. Wer studieren wollte, musste zuvor eine Lateinschule
besucht haben. Lehrbücher, die Bibel und die Gottesdienste waren auf Lateinisch. Wer die Sprache nicht gut oder gar
nicht gelernt hatte, war also schnell mit seinem Latein am Ende und konnte nicht mehr folgen. Erfurt war nicht nur ein
christliches Zentrum, sondern auch eine berühmte Universitätsstadt. 1392 wurde nach Prag, Heidelberg, Wien und Köln
an der Universität von Erfurt gelehrt, an der man in der rechtswissenschaftlichen Fakultät nicht nur Kirchen- sondern
auch Zivilrecht studieren konnte. Des Weiteren wurde Philosophie, Medizin und Theologie gelehrt. Martin Luther, der
wohl berühmteste Student der alten Universität von Erfurt, schrieb sich 1501 in die Universitätsmatrikel ein, nachdem er
in Eisenach die Lateinschule besucht hatte.
In den Kirchen musste sich meist das gewöhnliche Volk über die Bilder die Religion erklären, da sie von den lateinischen
Predigten nichts verstanden. In der Predigerkirche jedoch, kann man noch einen alten Lettner sehen, auf dem früher ein
Lektor stand, der die lateinische Predigt, dem Volk auf Deutsch übersetzt hat. Einer der ersten, der seine Predigten in
deutscher Sprache verfasste, war der deutsche Mystiker Meister Eckardt, der über 20 Jahre Prior des
Dominikanerklosters in Erfurt war. Er wurde wegen seiner fortschrittlichen Art nach der Aussage, „man müsse nicht über
den Papst gehen, um mit Gott in Kontakt treten zu können, das könne man auch im stillen Gebet“, von seinem Orden
zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt, starb aber 1328, vermutlich in Avignon, eines natürlichen Todes.
In der hebräischen Bibel, dem Tanach, sind in der Seitenmitte die Mischna, die mündlich überlieferten Gesetze, die zum
Schutz vor Verlust dann doch aufgeschrieben wurden, zu finden. Zwischen den Zeilen findet man das Targum. Das ist
die Erklärung, wie der Haupttext zu verstehen ist. Man muss also zwischen den Zeilen lesen, um das Wichtigste richtig
zu verstehen. Die älteste hebräische Bibelhandschrift stammt aus der Erfurter jüdischen Gemeinde. Sie wurde 1343 fertig
gestellt, drei Schreiber arbeiteten neun Monate daran. 1126 Tierhäute wurden für die Pergamentseiten verarbeitet. Die
beiden Bibelbände liegen im Original in der Staatsbibliothek in Berlin, werden aber hin und wieder in der alten Synagoge
von Erfurt, also an ihrem Ursprungsort, im Original gezeigt.
Das Aufschlagen war damals wortwörtlich zu nehmen. Bucheinbände bestanden aus Holz oder sehr festem Leder mit
Metallverschlüssen, die durch Schlagen auf das Buch aufsprangen bzw. auch so wieder einschnappten. Gut
nachzuvollziehen an dem großen Kassetteneinband der 50 Kilogramm schweren hebräischen Erfurter Bibel. Dieser
Einband wurde im 16. Jahrhundert in Jena hergestellt und besteht aus mit Leder bezogenem Holz. Weitere Exemplare
von Büchern, die aufzuschlagen waren, finden sich in der Bibliothek des Augustinerklosters oder in der
wissenschaftlichen Bibliothek im Schloss Friedenstein in Gotha.
Jesus sprach in der Bibelstelle im Buch Jesus Sirach 28.25: „Dein Silber und Gold verwahrst du abgewogen, mach auch
für deine Worte Waage und Gewicht!“… Eine Goldwaage war ein sehr empfindliches Messinstrument, das auch kleinste
Gewichte auswiegen konnte. Wenn man also ein Wort auf die Goldwaage legt, könnte auch zu viel hinein interpretiert
werden. In Erfurt war der Glauben übermäßig präsent. Die Stadt war in 25 Pfarrgemeinden aufgeteilt und hatte an die 40
Kirchen. Die Dichte der Pfarrgemeinden übertraf noch die der viel größeren Stadt Köln. Erfurt wurde nach Köln als die
zweite Kaderschule Roms bezeichnet. Der Bibelspruch war daher sicher geläufig.
Bevor man an einem Webstuhl zu weben begann, musste man zunächst die Längsfäden ziehen. Sie werden Zettel
genannt. Zog man sie nicht gleichmäßig, verzettelte man sich und die folgende Arbeit war fehlerhaft. Die Webergasse in
Erfurt ist noch Zeugnis dieser Handwerkerschaft.
Beim Bezahlen knallte man das Geld manchmal etwas heftiger auf den Tisch, mit der Zahl, der Wertangabe, nach oben.
Auf der anderen Seite befand sich immer der Kopf einer Person. So haute man es auf den Kopf. Alte Münzen können im
Stadtmuseum in der Johannesstraße begutachtet werden.
Früher hatten viele Stadtherren das Münzrecht. Manchmal blickte man bei den verschiedenen Währungen gar nicht mehr
durch und so war oft vorgeschrieben, dass man in der Währung rausgab, die man erhalten hatte oder dass man innerhalb
einer Stadt nur mit der gleichen Währung zahlen konnte. Das machte den Beruf der Geldwechsler sehr wichtig, der meist
von Juden ausgeübt wurde. Eine angesehene Währung des Mittelalters, besonders im Fernhandel, waren die
französischen Silbermünzen aus Tour, die sogenannten Tournosen, die im Schatz des Kalman von Wiehe gefunden
wurden. Es sind Münzen aus dem 12. – 14. Jh., die unter den aufeinanderfolgenden französischen Herrschern geprägt
wurden.
43. „das ist 08/15“
Das ist nichts Besonderes, es ist gewöhnlich
Die Nummer 08/15 war die Seriennummer eines Gewehrs, das in der Preußischen Gewehrfabrik im Erfurter Stadtteil
Brühl hergestellt wurde. Ab 1802 mit einer Unterbrechung während der französischen Besetzung 1806 – 1814 war Erfurt
preußisch. Die Preußen erkannten die strategisch gute und zentrale Lage der Stadt und bauten sie zu einer Festung ersten
Ranges aus. Dort wo heute das Theater „Neue Oper Erfurt“ steht, befand sich in der Preußenzeit diese Gewehrfabrik.
Später wurde auf dem Gelände die Firma Optima Büromaschinenwerke angesiedelt. Der Stadtteil Brühl war das
Industriegebiet zu DDR-Zeiten – heute ist es ein aufstrebender Stadtteil mit vielen Neubauten und ein beliebtes
Wohnviertel.
Alpha und Omega. Der Anfang und das Ende. In der Kirche symbolisiert durch den Kreis der Ewigkeit. Der Kreis hat
eine große Bedeutung in der Religion und findet sich häufig in der Kirchenarchitektur, in der Fenstergestaltung oder auf
Bildern. In der Erfurter Altstadt stehen noch 22 Kirchen und fünf freistehende Kirchtürme der alten Erfurter Kirchen.
45. „ausspannen“
Sich erholen
Nach einer langen Reise mit einer Kutsche, wurden die Pferde in den sogenannten Ausspannhöfen ausgespannt,
untergestellt und versorgt bis zur Weiterreise. Sie mussten nicht länger den Wagen ziehen und konnten sich erholen. Die
Futterer, die Getreidehändler, in der Futterstraße besaßen die Ausspannhöfe der Stadt.
Dies könnte auf einen bis heute überlieferten Fall von Betrug zurückgehen, den der Rabbiner Lippmann von Mühlhausen
im 15. Jahrhundert in Erfurt bemängelte. In Erfurt wurden Shofars hergestellt, Hörner, die zu rituellen Anlässen geblasen
werden und nach jüdischer Vorschrift aus Widderhorn hergestellt sein müssen. In Erfurt gab es einen Shofarmacher, der
dazu Bockshörner verwendete. Bockshörner waren billiger als Widderhörner.
In der Ausstellung in der Begegnungsstätte Kleine Synagoge in Erfurt Hinter der Stadtmünze, befindet sich solch ein
Original
Die Kleine Synagoge wurde von 1840 bis 1880 von der jüdischen Gemeinde Erfurts genutzt. Als sie für die wachsende
Gemeinde zu klein wurde, entstand die große Synagoge, die 1938 in der Reichskristallnacht zerstört wurde. Heute steht
an selber Stelle die Neue Synagoge Erfurts am Juri-Gagarin-Ring.
Jesuitenschüler, die sich schlecht betrugen, bekamen von ihren Lehrern sogenannte Denkzettel ausgehändigt, auf denen
ihr Fehlverhalten geschrieben stand. Diesen Zettel mussten sie ständig bei sich tragen. Auch in Erfurt ließen sich im Zuge
der Gegenreformation im 17. Jahrhundert Jesuiten nieder. Das Jesuitenkolleg befand sich gegenüber der Lorenzkirche,
die auch von den Jesuiten zum Gottesdienst genutzt wurde.
Wer früher gegen die strengen Regeln der Gilden und Zünfte verstieß, wurde aus dem Berufsverband ausgestoßen und
konnte ohne Mitgliedschaft sein Handwerk nicht mehr ausüben. In Erfurt gab es viele Zünfte, deren Zunftzeichen in den
Schlusssteinen der Kirchen zum Teil verewigt sind. So z. B. in der Predigerkirche. Auch ist das Gildehaus, das heute der
Erfurter Handwerkskammer gehört, Zeugnis dieser Tradition. Es wurde als Kopie des benachbarten Renaissancehauses
Zum breiten Herd 1892 im Stil der Neorenaissance erbaut.
In alten Schlössern und mittelalterlichen Burganlagen, gab es keine Toiletten, sondern Ausbuchtungen in den normalen
Aufenthaltsräumen im Mauerwerk, durch die die Ausscheidungen nach außen fielen. Auch später, als man ein Gefäß
benutzte, das dann später entleert wurde, stand dies mit in dem Aufenthaltsraum, d.h. im Empfangs- oder Esszimmer.
Früher hatte man offensichtlich eine andere Vorstellung von Scham und fand überdies Fäkalgerüche nicht ekelig. Nein,
es war sogar eine besondere Auszeichnung, wenn man vom Hausherrn empfangen wurde, während er auf der Toilette
saß. Man befand sich dann wortwörtlich im Dunstkreis desjenigen. Dabei konnten dann die kleinen und großen
Geschäfte besprochen werden, weshalb der Toilettengang auch heute noch im übertragenden Sinn als „Geschäft machen“
bezeichnet wird. Eine mobile Toilette ist im Schlafgemach des Grafen Gotter im Schloss Molsdorf in Molsdorf zu sehen.
Da die warme Luft bekanntlich nach oben steigt und es früher keine so komfortable Heizung gab, wie heute, wurden die
Betten etwas erhöht gebaut. Um bequem hineinzukommen, wurde vor das Bett oder an die Seiten eine kleine Stiege
gestellt. So stieg man zu seinem Ehepartner ins Bett.
Die sogenannte Mesusa gehört in der jüdischen Religion an jeden Türrahmen. Es handelt sich hierbei um den
„Haussegen“, ein kleines Gefäß, in dem sich ein Segensgebet befindet. Es wird leicht schräg an der Tür befestigt. So ist
es eigentlich nicht negativ, wenn der Haussegen schief hängt, aber von den Christen wurde es so interpretiert.
Als in Erfurt noch mit Waid gefärbt wurde, bedeutete „blau machen“, die Tücher zu färben und sie an der Luft aufzuhängen, damit die Fasern mit dem Sauerstoff
reagieren konnten und es zum Farbumschlag von Grün auf Blau kam. Dieser Vorgang dauerte ein paar Stunden. Die Färber mussten in dieser Zeit nichts machen,
konnten sich also ausruhen.
Sollte der Farbumschlag beschleunigt werden, weil man einen dringenden Abliefertermin hatte, konnte man den Sauerstoff auch mit einer Art Teppichklopfer in
die Fasern schlagen. So wechselte die Farbe schneller von Grün zu Blau. Man hatte den Stoff also Grün und Blau geschlagen und dann sein „blaues Wunder“
erlebt!
Die Zeche im Wirtshaus wurde in früheren Zeiten in Holzstangen eingekerbt, wobei jeweils ein Stück am Tisch des Gastes war und das Gegenstück beim Wirt.
Hatte man etwas auf dem Kerbholz, stand noch die Bezahlung aus. So ein Kerbholz wird im Erfurter Stadtmuseum ausgestellt.
57. "Buchstabe"
Schriftzeichen
"Pecunia non olet" hatte seinen Ursprung in der Nutzung öffentlicher Toiletten im frühen Rom.
In Erfurt wurde die Färberpflanze Waid zu einem Blaufärbemittel verarbeitet. Der Verarbeitungs-
prozess bestand aus einer langen Fermentierung der getrockneten Waidblätter
mit männlichem Urin, was natürlich sehr streng roch. Doch das Ergebnis war
Gold wert: Ein Gramm Waidasche war so viel wert wie ein Gramm Gold! Der Gestank war Nebensache.
59. "...stinkreich..."
sehr wohlhabend
In den warmen Monaten lag der Geruch des Urins aus den Waidspeichern in der Luft.
Da die Waidhändler die reichsten Bürger waren, nannte man sie auch stinkreich.
Im Erfurter Stadtarchiv kann man nachlesen, dass Händler, die nach Erfurt kamen, berichteten, dass sie die Stadt aus der Entfernung zwar noch nicht sehen
konnten, aber dass sie sie riechen konnten. Sie meinten damit den strengen Geruch der Waidgärung. Die Dachgaupen der spitzen hohen Dächer der Waidspeicher
waren Luftlöcher, durch die die Flüssigkeit verdunstete. Sehr gut nachzuvollziehen am Waidspeicher in der „Arche“, der heute ein Puppentheater und Kabaret
beherbergt.
61. "...steinreich..."
sehr reich
Wer reich war, konnte sich die größten Steinhäuser mit den meisten steinernen Verzierungen bauen, war also steinreich. Beispiele sind die ehemaligen
Waidhändlerhäuser „Zum Sonneborn“, „Zum roten Ochsen“ und „Zur Windmühle“. Fachwerkhäuser, besonders wenn sie klein waren, waren eher etwas für
ärmere Leute.
Eine speziell deutsche Bedeutung für diesen Ausdruck. Für die Verarbeitung der Färberpflanze
zum Waidblau, brauchte man zur Gärung den Urin von Männern (der von Frauen galt wegen der
Menstruation als unrein). Diesen sammelte man bevorzugt von betrunkenen Männern, da es hieß,
das dieser Urin ein besonders schönes Tiefblau ergab (Ammoniak + Alkohol).
Das Interessante ist, dass alle Waidhändler auch das Braurecht besaßen, was man an den
Braugenehmigungen, den so genannten Erfurter Bierlöchern erkennt. Dies sind die runden Öffnungen
über den Eingängen. War frisches Bier gebraut, wurde Stroh durch die Öffnungen gesteckt,
war das Bier alle, wurde es wieder herausgezogen. Wenn also die Waidhändler Bier ausschenkten,
konnten sie den Urin ihrer betrunkenen männlichen Gäste in Fässern sammeln. Es soll auch
"Waidpinkler" gegeben haben, die sich gegen Bezahlung (oder Freibier) verpflichteten, ihren Urin abzugeben.
Der Bierverbrauch lag in Erfurt am Ende des 15. Jahrhunderts bei 3 1/2 Erfurter Eimern, wobei ein
Erfurter Eimer 71 Liter beinhaltete. Im Mittelalter gab es über 500 private Bierbrauer, so genannte Biereigen.
Neben den Waidhändlern erhielten auch andere reiche Bürger das Brauprivileg, z. Bsp. die Futterer, also
die reichen Getreidehändler in der Futterstrasse, im Haus "Zum gekrönten Löwen und kleinen Wachsberg"
und im Haus "Zum Weingarten Aaron". Auch findet man Bierlöcher am Haus "Zur Windmühle" - heute die
städtische Musikschule, am Haus "Zum Stockfisch" - heute das Stadtmuseum und sogar verzierte Bierlöcher
am Haus "Zu den Mohrenköpfen" und an der Kinder- und Jugendbibliothek, dem Haus "Zum großen Pflug
und großen Siebenbürgen".
Im Mittelalter wurde nur mit offenem Feuer geheizt, gekocht und Licht gemacht. So blieben Haus- oder ganze Stadtbrände nicht aus. Das Löschwasser hatte man
zwar gleich vor der Haustür, denn schmale Wasserklingen durchzogen fast alle Strassen. Wurde es „brenzlig“, verstaute man seine wichtigsten Dinge in einer
tragbaren Truhe und brachte sie in den nächstliegenden Feuerturm. Das war meist ein massives Steinhaus, dem ein Feuer nicht viel anhaben konnte.
Die Türmer auf den höchsten Kirchtürmen der Stadt bliesen Alarm. Diese vier Kirchtürme waren
die der Wigbertikirche - ehemalige Klosterkirche des Augustinerordens nach der Reformation und später Kirche der Mainzer Statthalter; der Nikolaikirche -
ehemalige Kirche des Ritterordens und Brückenkopfkirche des Brückenmarktes auf der Lehmannsbrücke; der Allerheiligenkirche - ehemals vor allem die Kirche
für durchziehende Händler und heute Deutschlands erste aktive Kirche mit einem Kolumbarium ( einer Urnenbegräbnisstätte) im Inneren und der Turm der
Kaufmannskirche, in der 1668 die Eltern von Johann Sebastian Bach heirateten.
So einen Feuerturm, erkennt man noch in den ältesten steinernen Profanbauten, nämlich das Haus "Zur güldenen Diestel" und das später als Universitätshospital
genutzte Haus "Zur Steinecke" am Dämmchen, in dem Martin Luther zwei Wochen Patient war. Es ist heute das Restaurant Augustinerbräu mit einem schönen
Biergarten hinter der Krämerbrücke.
Anfang des 15. Jahrhunderts gab es 25 sogenannte „eiserne Rotten“. Jede Pfarrgemeinde stellte eine Rotte,
die aus 12 oder 13 Männern bestand - an ihrer Spitze stand der Rottmeister. Zu Zeiten der
Stadtmauerbefestigung, waren sie bei Angriffen für die Verteidigung von Stadtmauerabschnitten verantwortlich.
Ein Stadtmauerteil ist die Johannesmauer, vom Juri-Gagarin-Ring Richtung Augustinerkloster zu sehen.
Ein Obolus war ein halber Denar. Der Obolus, der auch Scherf genannt wurde, war eine ausgeprägte
Silbermünze. Ein Denar entsprach etwa einem Pfennig und war ca. vom 11. - 15. Jahrhundert in Umlauf.
Für einen Pfennig bekam man damals etwa 1 Pfund Semmel. Ein Zimmermanngeselle hatte einen
Tageslohn von 4 Pfennig inklusive Kost und 9 Pfennig ohne Kost.
67. "...etwas verhökern..."
Höken nannte man früher die Händler, die mit einem Bauchladen herumzogen und Hausierwaren anboten.
Dieser Bauchladen konnte auch ein Korb auf dem Rücken sein. In Erfurt läuft heute der Erfurter Brezelritter in dieser Tradition durch die Stadt und verkauft
frisch gebackene Kräuterbrezeln.
Krämer nannte man die Händler, die hochwertige Waren, nämlich "Kram" (nicht im heutigen negativen Sinn)
verkauften. Die Krämerbrücke war Marktbrücke, auf der die Krämer eine Monopolstellung für den
Verkauf von gehobenen Waren, nämlich Edelmetallen, Tuchen und Gewürzen hatten. Die Krämerbrücke ist nördlich der Alpen die längste bewohnte und
durchgehend mit Häusern bebaute Brücke. Sie wurde 1117 erstmals erwähnt, 1325 wurde sie in Stein gebaut und ist damit 20 Jahre älter als die Ponte Vecchio in
Florenz, Italien. Den Fluss, den sie überspannt, ist die Gera, deren Furt hinter der Brücke die Namensgeberin der Stadt ist. Die Furt im Fluss "Erphes", was
"dunkles, braunes Wasser" bedeutet. Immer wenn im Thüringer Wald der Schnee schmilzt oder es starke Unwetter gibt, ist das Wasser aufgewühlt und braun.
Bis ins 19. Jahrhundert wurde unter freiem Himmel gehandelt, um Betrug und damit „dunkle Geschäfte“ auszuschließen. Der Handel fand auf offenen Bänken
(Ständen) statt oder man verkaufte auf seinen Fensterläden, die sich nach oben und unten öffnen ließen (nicht seitwärts, wie heute). Die Waren wurden auf dem
unteren Fensterladen ausgelegt, der obere diente als Regenschutz.
Die Biersorten, die in Erfurt gebraut wurden, waren die "Schlunze", ein obergäriges Starkbier,
und die alkoholärmere Plempe, die auch Kindern zum Trinken gegeben wurde.
Wenn man die Plempe verschüttete, verplemperte man etwas. Eine andere auch einleuchtende Erklärung
ist, dass man für sein Geld, wenig Alkohol, also wenig "Gegenwert" bekam, wenn man die Plempe
kaufte.
71. "kalkulieren"
rechnen
Bei den Römern rechnete man mit kleinen Rechensteinchen aus Kalk auf einer Art Rechenbrett, auf das man die Steine setzte. Diese Steine hießen auf Latein
„calculi“.
Früher war, wer Zahlenspiele beherrschte, ein Zauberer und die Mathematik galt als Rechenkunst. Rechenkünstler hatten in ihren Hutkrempen oft Rechentücher,
die eine Zahleneinteilung oder Tabelleneinteilung
aufgestickt hatten. Zum Rechnen holten sie diese aus dem Hut, um mit Rechenpfennigen oder Rechensteinen
zu "zaubern".
Als das Geld noch nicht in Banken verwahrt wurde, hat man Wertgegenstände oder Geld auf eine Kante zwischen Bettgestell und Bettbaldachin gelegt, um es
dort zu verstecken und in der Nacht darauf aufpassen zu können. Solch ein Bettgestell ist im Erfurter Volkskundemuseum ausgestellt.
Das Chorgestühl in den Kirchen, auf dem die Mönche oder Kapitelherren während eines Gottesdienstes
saßen, bestand aus Klappstühlen. Die Klappen wurden zum Gebet im Stehen hochgeklappt. So mancher
Mönch wurde jedoch des Stehens müde und so passierte es hin und wieder, dass die Stille des
Gebets, durch eine versehentlich herunter krachende Klappe unterbrochen wurde. So wurde der
betreffende Mönch ermahnt: "Halt die Klappe!" Beispiele dieser Klappsitze finden sich im Chorgestühl
des Erfurter Domes und der Predigerkirche, die die Klosterkirche des Dominikanerordens bis zur
Reformation war. Der deutsche Mystiker Meister Eckardt war 30 Jahre lang Prior des Dominikaner-
ordens in Erfurt. Sein Stuhl befand sich gleich rechts nach Eintritt in den Hohen Chor. Bekannte Organisten der Predigerkirche waren: Kittel (letzter und bester
Schüler Bachs) und Pachelbel (Lehrer des ältesten Bruders von Joh. Sebastian Bach).
Früher gab es keine Feuer- und Hausratversicherung. Wenn durch einen mittelalterlichen Stadtbrand Hab
und Gut zerstört wurde, war man verarmt - also im wahrsten Sinne des Wortes: abgebrannt.
Früher gab es eine Bettelordnung, die öffentliches Betteln untersagte. Die Menschen konnten
mit Almosen für Bettler etwas für ihr Seelenheil tun und so wurde das Bettelwesen gewerbsmäßig organisiert.
Bettelmarken wurden von der Stadt ausgegeben, es gab Bettelkönige und Bettelvögte. Die Bettelkönige
erhielten Almosen von dem Rat, der Kirche, den Patriziern und verteilten diese an die anderen Bettler. Wer zu den Bettlern gehören wollte, musste ein
Armutszeugnis haben, das ihm vom Rat nach einer Befragung ausgestellt wurde. Die entsprechende Verordnung befindet sich im Stadtarchiv in Erfurt.
Früher gab es öffentliche Badehäuser, zu denen wahrscheinlich zeitweise das Steinhaus am Dämmchen
gehörte. Die reichen Leute badeten im obersten Stockwerk in warmem und frischem Wasser. Im Stockwerk
darunter zahlte man weniger und man bekam das Wasser von oben nun bereits nur noch lauwarm und nicht
mehr ganz so sauber heruntergeleitet. Ganz unten mussten die Ärmeren mit dem mittlerweile doch kühlen
und leicht verschmutzten Wasser vorlieb nehmen - sie mussten es als letzte ausbaden. Auch im privaten
Bereich wurde Badewasser von mehreren hintereinander benutzt. Der letzte musste das Wasser
"ausbaden", die Wanne leeren und saubermachen.
79. "Burschenschaft"
Studentenverbindung männlicher Studenten
Wer damals studierte, musste während seines Studiums in einer Burse wohnen, auch wenn er privat hätte
wohnen können. Bursen waren Wohn- und studierheime für die Studenten und deren
Hochschullehrer an der alten Universität von Erfurt. In den Bursen wurde nur Latein gesprochen. Ein
Bursenaufseher achtete auf die Einhaltung der Regeln und verschloss die Burse täglich um 20:00 Uhr.
Im Sommer wurden die Studenten um 04:00 Uhr morgens, im Winter um 05:00 Uhr morgens geweckt. Die
Studienordnung war fast klösterlich geregelt. Man studierte und betete und hatte zwei Hauptmahlzeiten
am Tag, um 10 und um 16 Uhr, bei denen ein Student aus einem Gebetsbuch vorlas. Unser Wort "Burschenschaft" kommt von diesen Bursen. Burse heißt
eigentlich Tasche, Beutel oder Börse, womit die gemeinschaftliche Kasse der „Bursalen“ gemeint war. Daraus entwicklete sich um 1650 der Ausdruck "Bursche".
Martin Luther wohnte als Thüringer in der Georgenburse bei der Lehmannsbrücke, nicht weit vom Augustinerkloster entfernt. Es sind außerdem noch zu sehen
die Bursa Pauperum am Dämmchen und die Bursa Saxonicum in der Allerheiligenstrasse.
80. “...wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer
(gen Himmel) springt..."
wer Geld spendet, dem vergibt Gott
Die katholische Kirche führte regelmäßig Ablassmärkte durch. Hier konnte man gegen Bezahlung einen
Ablassbrief bekommen, der einem bescheinigte, von allen Sünden befreit zu sein. Kleine Sünden
waren billiger als große Sünden. Auch konnte man Ablässe für künftige Sünden bekommen. In der
Druckerei "Zum güldenen Stern" wurde der erste Ablassbrief nach dem Gutenbergschen Druckverfahren
gedruckt. Der Ablasshandel war der Hauptkritikpunkt Martin Luthers an der katholischen Kirche. Von
den Ablasseinnahmen wurden Kirchenbauten finanziert, während die Menschen glaubten, für sich und ihre Verwandten die Zeit im Fegefeuer verkürzt zu haben.
Hin und wieder, besonders wenn die Kirche große Bauvorhaben und großen Geldbedarf hatte, erließ sie
so genannte Jubelablässe. Das Jahr des Jubelablasses nannte sich Jubeljahr und solch ein Jubeljahr
durfte anfangs alle 50 Jahre stattfinden, was sich aber im Laufe der Zeit auf die heute noch üblichen
25 Jahre verkürzt hat. Der Begriff Jubeljahr lautete ursprünglich Jobeljahr. Das hebräische Wort Jobel
(yo-bale) steht für den Klangton des Schofars (eine Art Posaune), der das Jubeljahr ankündigt. Mit Kauf
eines Jubelablassbriefes waren einem sämtliche Sünden bis ans Lebensende vergeben. Einen solches großes
Jubeljahr gab es das letzte Mal im Jahre 2000 unter dem Motto "Christus gestern, heute und in Ewigkeit".
Erfurt war nicht nur ein Handels- sondern auch ein Kirchenzentrum mit über 40 Gotteshäusern innerhalb
der Stadtmauer. Hier, dachte Martin Luther, würde er den rechten Glauben finden. Er sagte aber später
über Erfurt: "Erfurt ist nichts als ein Bier- und Hurhaus. Dies sind die zwei Lektionen, die man hier am
besten lernen konnte." Seine Kritik an der katholischen Kirche begann hier. Somit bezeichnet sich Erfurt
als "Geburtsort" der Reformation, während sich Wittenberg die "Amme oder Wiege der Reformation" nennt, da er hier 1517 seine 95 Thesen an die Schlosskirche
nagelte.
Erfurt trug zeitweise den Beinnamen "Stadt der Mühlen", weil das Wasser der Gera über 50 Gewerbemühlen
antrieb. Zum Betreiben einer Mühle benötigt man ein Gefälle von ca. 92 - 93 cm. Bei dem natürlichen Gefälle
des Geralaufes von 17 Metern hat man durch Mühlenpaare und künstlich angelegte Inseln diese vielen Mühlen
betreiben können. Es gab unter- und oberschlächtige Mühlen. Mühlen, die durch oberhalb der Mühle angestautes
Wasser angetrieben wurden, mahlten schneller, als Mühlen, die durch abfließendes Wasser angetrieben wurden.
Insofern waren die Mühlen mit Oberwasser "besser".
Eine Mühle braucht Wasser um zu laufen, dann funktioniert sie, dreht sich und produziert.
Um Entfernungen zu messen, lief bei manchen Kutschen ein fünftes Rad mit, das mit einem Hodometer,
einem mechanischen Entfernungsmesser, verbunden war. Es gehörte also nicht zu den die Kutsche
vorwärts treibenden Rädern. Dieses fünfte Rad, das die Umdrehungen zählte, wurde meist an einem Postwagen befestigt und hatte einen Durchmesser von 1,44
m. Im Mittelalter entsprach die Landentfernung von 1 Meile ca. 7, 42 Kilometern. Entfernungsmessungen waren auch Aufgabe der Wegebaukommission, deren
Leitung später J. W. von Goethe von 1779 - 1786 übernahm. In dieser Funktion kam Goethe hin und wieder im Geleithaus "Vaterland" neben der heutigen
Staatskanzlei. Die Kurfürsten von Sachsen waren die Schutzherren, die Mainzer die Reichsherren. Die Sachsen hatten das Geleitregal - also das Straßenrecht. Für
das Geleit auf den Handelsstraßen wurden sie bezahlt.
Als die Stadt Erfurt eine Stadtmauer hatte, wurden die Tore um 18:00 Uhr täglich schlossen. Kam man nach 18:00 Uhr, konnte man nur noch gegen eine Gebühr
in die Stadt. Allerdings auch nicht unbegrenzt. Im Sommer wurde man noch bis 22:00 Uhr, im Winter nur noch bis 21:00 Uhr eingelassen. Danach blieben die
Tore bis zum nächsten Tag verschlossen. Wer also knapp dran war, konnte da schon mal in Panik geraten, die Stadt nicht vor Toresschluss zu erreichen und
seine/n Liebste/n nicht anzutreffen.
Wurst galt früher nicht so viel wie Fleisch, da Wurst nicht zu einer guten Kost zählte.
In der Wurst wurden alle möglichen Innereien verarbeitet, so dass man sich nicht darum riss.
Dies war dann wohl auch der Anlass für den Erlass des Reinheitsgebots zur Herstellung der Bratwurst
von 1432, das 2007 in Thüringen entdeckt wurde. Kein Wunder also, dass die Thüringer Bratwurst zu
einer Spezialität avanciert ist.
In der Reformationszeit gab es viele Unentschlossene, die sich nicht klar zum Katholizismus oder
Protestantismus bekannten. Fisch war die Fastenspeise der Katholiken, die auf dem Fischmarkt in Erfurt vor dem Rathaus gehandelt wurde, während die
Protestanten Fleisch essen konnten, wann sie wollten.
Martin Luther war natürlich nicht wankelmütig, davon abgesehen, dass er sowieso keine neue Religion gründen wollte. Die Katholiken haben sich nicht allzu
lange über das Ende des
19. Jahrhunderts aufgestellte Lutherdenkmal auf dem Anger geärgert. Sie machten sich
darüber lustig, dass Luther der evangelischen Kirche (hinter ihm) den Rücken zukehrt und
zum katholischen Ursulinenkloster gegenüber schaut.
Vor Betreten der Synagoge mussten Juden sich z. B. nach Geburten, nach Begräbnissen und
ähnlichen Anlässen im kalten Bad mit lebendigem (fließenden) Wasser, in der so genannten Mikwe,
waschen. Eine solche Mikwe aus dem 12. Jahrhundert war der Sensationsfund der Erfurter 2007
hinter der Krämerbrücke. Mit bis zu 1000 jüdischen Gemeindemitgliedern im 14. Jahrhundert zählte
die Erfurter jüdische Gemeinde zu den größten jüdischen Gemeinden im Heiligen Römischen Reich
Deutscher Nation - sicher aufgrund der Bedeutung der Stadt als Handelszentrum. Die zufällig
entdeckte Mikwe gehörte zu der genauso zufällig 1992 entdeckten alten Synagoge von Erfurt
in der Waagegasse aus dem 13. Jh. mit Steinfunden im Fundament von Vorgängerbauten aus dem
11. und 12. Jahrhundert, die die älteste bis zum Dach erhaltene Synagoge Europas ist und ab
Ende 2009 ein Jüdisches Museum. Das Bekreuzigen mit dem Weihwasser in katholischen Kirchen ist noch ein Überbleibsel dieser Reinigung des ganzen
Körpers.
Adam Ries war ein Mathematiker im 16. Jahrhundert. 1492 in Staffelstein geboren,
lebte er von ca. 1518 bis 1523 in der Handelsstadt Erfurt und betrieb eine Rechenschule.
Er wollte, dass die Rechenkunst allen, die den bloßen Verstand hatten zu zählen,
zugänglich war, und dass die Bürger sich nicht länger betrügen ließen. Deshalb verfasste er
sein Rechenbuch "Das Rechnen auf den Linien" in deutscher Sprache. Das Rechnen auf den
Linien entspricht dem Abakusverfahren. Man benutzte früher eine Linieneinteilung auf
Rechentischen, Rechenbrettern oder Rechentüchern. Die entsprechenden Werte setzte man mit Rechensteinen
(calculi) oder Rechenpfennigen. Adam Ries ging nach seiner Zeit in Erfurt, gefördert durch
einen Mediziner namens Georg Sturz, der auch Arzt und Freund Martin Luthers war, nach
Annaberg ins Erzgebirge, wo er Rechenmeister beim Silberabbau war.
Am eindrücklichsten findet man dies in der Zeit des Barock bestätigt. Alles sollte
sehr prunkvoll aussehen, war aber meist aus einfachen Materialien gebaut. Ein Beispiel hierfür ist
der große Barockaltar im Dom. Wie ein riesiges Marmorgebilde sieht er aus, tatsächlich besteht er
aus angemaltem Holz.
Auch das Barockschlößchen von 1727 im Hinterhof des Gildehauses, das der Legationsherrn des
Schlosses Molsdorf in Molsdorf, Christoph Schulze, als Ruhesitz erbaute, soll den Eindruck erwecken,
es hätte steinerne Hausecken an den beiden Seitenflügeln des Mittelrisalits. Der renovierungsbe-
dürftige Zustand lässt unter der abbröckelnden Farbschicht jedoch das Holz hervorschauen.
Das beste Beispiel für diesen Ausspruchs ist die Thüringer Staatskanzlei. Sie
wurde zu Beginn des 18. Jahrhunderts als kurmainzische Statthalterei erbaut. Hier lud der Statthalter
Dalberg die Oberschicht und die führenden Köpfe der Aufklärung zu seinen dienstäglichen Assembleen (Zusammenkünfte der Intellektuellen wie Goethe,
Schiller, Wieland, Humbold und Herder) ein. Dann war sie preußischer Verwaltungssitz. Von 1806 - 1814 nannte Napoleon Erfurt seine private Domäne, die
Erfurter wurden von den Franzosen besetzt und regiert, und die Staatskanzlei fungierte als Kaiserliches Palais. Hier fand das berühmte Treffen zwischen Goethe
und Napoleon statt, hier verhandelten Napoleon und der russische Zar
Alexander über die Aufteilung Europas. Danach regierten hier wieder die Preußen. Nach dem zweiten Welt-
krieg besetzte die Räume zunächst die amerikanische Kommandantur, gefolgt von der russischen Komman-
dantur und zu DDR Zeiten war dieses Gebäude der Sitz des Rates des Kreises. Heute dient es als Staatskanzlei
und ist somit der Arbeitsplatz der Thüringer Ministerpräsidenten. Als hier der erste Ministerpräsident
Hans Jochen Vogel wirkte, wurde sie spaßig als "Vogelbauer" bezeichnet.
Vor der Maßvereinheitlichung in der preußischen Verwaltungsreform von 1873, waren Maße sehr
unterschiedlich. Damit man aber regional einheitlich messen konnte, gab es an öffentlichen Gebäuden
so genannte Messlatten, die eine Maßvorlage waren. So finden wir an der heutigen Staatskanzlei
noch die Messlatte für die preußische Elle als Messgrundlage. Am alten Rathaus (heute nicht mehr
vorhanden) hing ein Waidring, als Maßvorlage für die Größe eines Waidballens. Hing die Messlatte
zu hoch, musste man sich anstrengen, sie zu erreichen oder konnte nichts an ihr messen.
Beim Rechnen auf den Linien von Adam Ries, sind die Linien in die Zahlenschritte 0, 5, 10, 50, 100. 500,
1000 usw. eingeteilt. Hat man beim Setzen der Rechenpfennige mal nicht aufgepasst, ist man leicht von
der 100er Linie in die 1000er Linie gerutscht und kam zu einem viel zu hohen Ergebnis.
Der Erfurter Dom hat drei Glockentürme. Im Mittleren hängt die große Glocke, die "Gloriosa".
Sie ist die größte mittelalterliche, frei schwingende Glocke der Welt. 1497 von einem Holländer gegossen,
sie wiegt 11450 kg, misst in Höhe und Durchmesser etwas mehr als 2,50 m und klingt auf das tiefe e. Die Gloriosa wird nur zu hohen katholischen Feiertagen
und Anlässen von besonderer Wichtigkeit geläutet. Zu gewöhnlichen Anlässen hört man die anderen, kleineren Glocken. Die Gloriosa ist 30 km weit zu hören
und der Nachklang eines Anschlags klingt 6 Minuten!
Hier sind natürlich die fünf menschlichen Sinne gemeint, die zu Zeiten, da die Mehrheit der
Bevölkerung nicht lesen oder schreiben konnte, lehrreich im Bilderfries des Renaissancehauses
"Zum Breiten Herd" dargestellt wurden. Immer mit den typischen gegenständlichen und
tierischen Symbolen. Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen.
Hiermit sind die vier platonischen Tugenden, die Kardinaltugenden des Menschen nach
dem griechischen Philosophen Platon gemeint. Sie wurden im 19. Jahrhundert am
Neorenaissancehaus "Gildehaus" als Bilderfries in die Fassadengestaltung aufgenommen.
Gerechtigkeit, Weisheit, Tapferkeit und Mäßigkeit - alle Tugenden sind mit den entsprechenden
Symbolen gekennzeichnet.
Die katholische Kirche formulierte sieben Todsünden: die Völlerei, die Eitelkeit, die Faulheit,
die Dummheit, den Neid, die Habgier und die Wolllust. Die ersten sechs dieser Untugenden
sind am Sparkassengebäude, das um 1930 im Stil der Neuen Sachlichkeit gebaut wurde, dargestellt.
In diesem Fall stellen sie die Botschaft dar: Wenn du Geld hast, so sei nicht gefräßig, eitel,... etc.,
sondern denke an die Zukunft! Die Figuren sind Arbeiten des Bildhauers Hans Walter.
Im Rathaus befinden sich historische Gemälde zur sagenhaften und tatsächlichen Geschichte
der Stadt. Auf zwei Gemälden lässt der Schwarzkünstler des 16. Jahrhunderts "Faust" blauen
Dunst aufsteigen um in dem ersten Bild Alexander den Großen mit seiner Frau Roxane vor Karl V.
und im nächsten Bild den einäugigen Riesen Polyphem vor den Studenten der alten Universität von
Erfurt erscheinen zu lassen.
Im Mittelalter durfte man nicht anziehen, was man wollte. Es gab eine offizielle Kleiderordnung
in der geregelt war, wer was gemäß seines Standes (standesgemäß!) tragen konnte. So konnte
man an der Kleidung den Berufsstand und den gesellschaftlichen Rang erkennen.
Früher waren die Kessel über den Feuerstellen an kammähnlichen Eisen aufgehängt. Sollte der
Kessel heißer werden, wurde er einen "Zacken" (oder: Zahn) tiefer gehängt und das Essen war schneller gar.
Solch eine Vorrichtung findet man im Heimatmuseum von Ichtershausen.
103. "... das Zeug zu Großem haben ..."
Vielversprechend sein
Früher war es nicht gut, frei wie ein Vogel zu sein. Wurde jemand "vogelfrei"
erklärt, war er schutz- und rechtlos. Bei unrichtigen Steuerangaben wurde man der Stadt verwiesen
und galt als vogelfrei. Auch Martin Luther wurde vogelfrei erklärt, als er seine Thesen auf dem Reichstag in Worms nicht widerrief. Zu seinem Schutz wurde er
von Freunden auf die Wartburg gebracht.
A 44
Adam Ries 90
Abgebrannt 75
Abkanzeln 11
Abknöpfen 21
Armutszeugnis 77
Ausbaden 78
Anständig 101
Aufsässig 25
Aufschlagen 38
Ausspannen 45
Bade 23
Bank 18
Bart 6
Bett 51
Blau 54, 62
Bockshorn 46
Buch 38
Buchstabe 52
Burschenschaft 79
Brenzlig 63
Daumenschraube 28
Denkzettel 47
Dunst 100
Dunstkreis 50
Eulenspiegel 76
Fegefeuer 80
Felle 12
Fenster 4
Fisch 88
Fleisch 88
Folter 27
Geld 58
Gerädert 15
Gleiches 42
Glocke 95
Goldwaage 39
Handwerk 49
Haube 7
Haussegen 52
Heller 1
Hemd 16
Himmel 60
Hochtrabend 25
Hund 19
Hungertuch 34
Hut 26, 72
Jüdische Hast 2
Jubeljahre 81
Kaiser 6
Kalkulieren 71
Kante 73
Kardinaltugend 98
Kasten 80
Kerbholz 56
Kind 23
Klappe 74
Kleiderordnung 101
Klinge 30
Kopf 41
Kram 68
Kreuze 32
Krone 24
Kuhhaut 22
Kurve kratzen 53
Laden 69
Latein 36
Mauern 92
Messlatte 93
Mühle 83
Nägel 35
Null/8/15 43
O 44
Oberwasser 82
Obolus 66
Pranger 29
Rad 84
Reinwaschen 89
Ross 25
Scheffel 5
Schein 91
Scherflein 66
Schilde 85
Schlitzohr 17
Schwedisch 48
Schweinegeld 9
Seele 80
Sinne 97
Skrupel 3
Spanisch 31
Steinreich 61
Stichhaltig 8
Stinkreich 59
Tafel 13
Tausendste 94
Teufel 96
Todsünde 99
Torschlusspanik 86
Türmen 64
U 14
Verhökern 67
Verplempern 70
Verzetteln 40
Vierteilen 33
Vogelfrei 104
W
Waagschale 20
Wort 39
Wurst 87
X 14
Zacke 24
Zacken 102
Zahn 102
Zeilen 37
Zeug 103
Zusammenrotten 65