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Eine Reihe bedauerlicher* Ereignisse

(*bedauerlich heißt hier betrüblich)

Ein Stück für die Jugendtheatergruppe


des Theaters der jungen Welt Leipzig
ROLLEN
Erzähler: Lemony Snicket, der die Geschichte der Baudelaires dem Publikum
erzählt. Kann von 2 Personen gespielt werden
Violet Baudelaire Ältestes Kind der Baudelaire Kinder, Erfinderin, Interesse an
technischen Dingen, bindet sich die Haare zusammen, wenn sie scharf
nachdenkt
Klaus Baudelaire zweit ältester Bruder, sehr belesen, Interesse an Büchern und
wissenschaftlichen Dingen aller Art
Sunny Baudelaire kleinste Schwester, ein Kleinkind, beißt gern in jegliche Art von Sachen,
kann sich nur rudimentär mit wenigen Worten und Jauchzern
ausdrücken, die aber durchaus sehr komplexen Sätzen entsprechen
Graf Olaf will an das Erbe der Baudelaire-Familie, Leiter der Schauspielgruppe,
verschlagener hagerer Typ, gerissene Gestalt mit furchteinflößender
Mimik und Gestik
Mister Poe verwaltet das Vermögen der Baudelaire-Familie, muss ständig husten
(Unterbrechung beim Sprechen)
Miss Poe Frau von Mister Poe, Redakteurin des lokalen Tagesblattes „Der
Pedant“, fürsorgliche Mutter, sensationsgeil
Edgar Poe Sohn von Mister und Miss Poe
Albert Poe Sohn von Mister und Miss Poe
Frau Richterin unterstützt die Kinder als einzige Erwachsene, ein wenig naiv, würde
Strauß gern mal bei einem Stück auf der Bühne mitspielen, hat eine große
Bibliothek
HandlangerIn mit Teil der Schauspielgruppe von Graf Olaf, hat zwei Haken anstatt Hände,
Hakenhänden Graf Olaf treu untergeben
Große/r Teil der Schauspielgruppe von Graf Olaf, denkt nicht so oft, aber macht
HandlangerIn alles, was Graf Olaf ihm aufträgt, etwas trottelig
Brutale/r Teil der Schauspielgruppe von Graf Olaf, sehr stark, Graf Olaf treu
HandlangerIn untergeben
Blasse Schwester 1 Teil der Schauspielgruppe von Graf Olaf, tritt immer mit ihrer
zusammen Schwester auf, Graf Olaf treu untergeben
Blasse Schwester 2 Teil der Schauspielgruppe von Graf Olaf, tritt immer mit ihrer
zusammen Schwester auf, Graf Olaf treu untergeben
SZENE 1: EINE BEDAUERLICHE NACHRICHT
Erzähler 1: Mögt ihr interessante Geschichten mit einem Happy End?
Dann seid ihr anderswo besser aufgehoben.
Erzähler 2: Diese Geschichte hat kein Happy End, keinen guten Anfang und nichts Gutes
in der Mitte.
Erzähler 1: Mein Name ist Lemony …
Erzähler 2: Snicket
Erzähler 1: Es ist meine Pflicht die traurige Geschichte der Baudelaire-Kinder von vor
vielen Jahren zu erzählen.
Erzähler 2: Aber ihr als Zuschauer habt diese Pflicht nicht, und ich würde euch raten,
euch umgehend was Schöneres anzusehen.
Erzähler 1: Diese Geschichte wird fruchtbar, melancholisch und verhängnisvoll, ein
Wort, das hier „furchtbar und melancholisch“ bedeutet.
Erzähler 2: Und zwar, weil es nicht viel Gutes im Leben der Baudelaires gab.
Violet, Klaus und Sunny waren intelligente Kinder.
Erzähler 1: Charmant und erfinderisch, sie hatten angenehme Gesichtszüge, waren aber
extreme Pechvögel.
Erzähler 2: Fast alles, was ihnen widerfuhr, war voller Pech, Not und Verzweiflung.
Erzähler 1: Das ist traurig, aber so war es nun mal.
Erzähler 2: Die Familie Baudelaire lebte in einer riesigen Villa im Herzen einer
dreckigen Stadt
Erzähler 1: Eines Tages schickten die Eltern ihre Kinder ganz unverhofft in der
rachitischen Straßenbahn allein zum Strand.
Erzähler 2: Warum die Eltern nicht mitkamen? … Vermutlich hassten sie die rachitische
Bahn wohl.
Erzähler 1: „Rachitisch“ bedeutet hier „wackelig oder dem Zusammenbruch nahe
Violet: Ein perfekter Morgen für den Strand.
Klaus: Es ist grau und wolkig. Das macht ihn perfekt. Wenn es warm und sonnig
wäre, wäre Briny Beach mit Touristen überfüllt und wir hätten niemals
einen Platz zum spielen.
Violet: Aber an so einem grauen und wolkigen Tag haben wir den Strand für uns.
Perfekt.
Sunny: (unverständliches Gebrabbel)

Violett lässt Steine fitschen. Klaus liest ein Buch, Sunny beißt auf einem Stein herum

Erzähler 2: Violet war das älteste Baudelaire-Kind. Sie war 14 Jahre alt, Rechtshänderin
mit einem Talent zum Erfinden und Bauen ungewöhnlicher Gerätschaften.
Violet: Könnte man eine Apparatur bauen, um die gefitschten Steine wieder
zurückzuholen? (bindet sich die Haare zusammen und überlegt)
Erzähler 2: Wenn Violet Baudelaire ihre Haare zusammenband, war das ein Zeichen,
dass das Getriebe ihres Erfindergeistes auf Hochtouren arbeitete.
Erzähler 1: Klaus Baudelaire war der Zweitgeborene und einzige Junge. Er war gerade
mal 12 und wirkte durch seine Brille intelligent. Und er war intelligent
Claus: Ich verstehe diese Stelle bei Proust hier nicht.
Violet: Lies mal vor!
Claus: Liest vor „Das Glück ist nur heilsam für den Leib, aber der Geist bringt der
Schmerz zur Entfaltung“
Violet: Ist wohl ein Übersetzungsfehler.
Claus: Vielleicht ergibt es im französischen mehr Sinn. Hey Sunny, was hast du
schon wieder im Mund?
Violet: Hey Sunny würdest du mir diesen Stein zum Fitschen bearbeiten. Ich will
versuchen damit so weit wie möglich auf’s Meer zu fitschen. (Hält Sunny
einen Stein hin)
Sunny: (hält Schild hoch: „Na, klar kein Problem“) (unverständliches Gebrabbel)
Erzähler 2: Sunny Baudelaire war ein Baby, also eine Person in jenem Alter, in dem man
unverständliche Laute von sich gibt. Die meisten konnten sie also nicht
verstehen. Dies machte sie jedoch wett durch die Größe und Schärfe ihrer 4
Zähne. (Sunny dreht sich kurz vom Publikum weg, übergibt Violet einen
runden flachen Stein)
Violet: Das ist perfekt, Sunny. (fitscht den Stein über das Meer)
Erzähler 1: Jetzt wäre es perfekt, zu gehen und so zu tun, als wäre der Rest eine schöne
Geschichte.
Violet: (traurig) Wären unsere Eltern doch hier.
Claus: Es sieht ihnen gar nicht ähnlich uns allein weg zu schicken.
Sunny: (entdeckt in der Ferne einen Mann, der auf sie zukommt) (Schild: Wer ist der
mysteriöse Mann, da?) (alle Kinder schauen zu dem Mann)
Erzähler 2: Ich wünschte, ich könnte die Geschichte der Baudelaires in dem Moment
zum Guten wenden, ohne den Abstieg in den Kummer, den Trübsal und…
Erzähler 1: Die düsteren Umstände, Die sie in Kürze ereilen sollten.
Claus: Er erscheint nur gruselig wegen des Nebels.
Violet: Es ist Mr. Poe.
Claus: Von der Bank? Was macht er hier? (Der Mann tritt auf sie zu)
Violet: Hallo Mr. Poe. Wie geht es Ihnen?
Mr. Poe: (hustet stark) Gut danke.
Violet: Es ist ein schöner Tag.
Mr. Poe: Es ist ein schöner Tag…(betrübt) Ich habe sehr schlechte Neuigkeiten für
euch Kinder. Euere Eltern sind in einem schrecklichen Feuer verschieden.
Das Feuer, Indem sie verschieden sind, zerstörte euer Anwesen…
Es tut mir sehr Leid euch das zu sagen meine Lieben (tätschelt Sunny)
„Verschieden“ heiß „tot“.
Claus: Wir wissen, was „verschieden“ heißt.
Erzähler 2: Die Brandursache wurde leider nie gefunden. Weder die Berufsfeuerwehr,
noch die freiwillige Feuerwehr kamen rechtzeitig an, um den Brand zu
löschen. Innerhalb von Augenblicken stand das gesamte Anwesen in
Flammen.
Mr. Poe: Aber ihr könnt sicher sein, dass ihr absolut nichts zu befürchten habt.
Ich bin der Testamentsvollstrecker eurer Eltern. Das heißt, ich kümmere
mich um alle Angelegenheiten, die ihren Nachlass betreffen.
Violet: (traurig) Und was haben sie hinterlassen?
Mr. Poe: (ermutigend) Finanzielle Sicherheit. Eure Eltern haben ein gewaltiges
Vermögen hinterlassen, dass euch gehört, wenn Violet volljährig wird.
Und bis dahin bekommt ihr einen geeigneten Vormund oder Vormünder
und dieser wird dann persönlich von mir und meinen Kollegen bei der Bank
bestimmt.
(Die Kinder schauen sich ratlos an)
Mr. Poe: Bis wir euren Vormund gefunden haben wohnt ihr bei meiner Familie.
(aufmunternd) Ist doch nicht so schlimm oder? Ihr freundet euch bestimmt
mit Edgar und Albert an.

SZENE II – ABENDESSEN BEI DEN POES


Albert: Es heißt dreiviertel sieben
Edgar: Viertel vor sieben
Albert: Dreiviertel sieben!
Edgar: Viert vor sieben!
Ms. Poe: (auf mit Tee) Beides ist richtig. Und es ist Zeit für die Heia.
Edgar: Was heißt Heia?
Klaus: Ins Bett gehen.
Albert: Niemand hat dich gefragt.
Mr. Poe: Aber, aber Sohn.
Ms. Poe: Nein, Liebling, Albert hat recht. Niemand hat die Baudelaires gefragt.
Ms. Poe: Schatz, sieh mal! (zeigt Mr. Poe die Tageszeitung mit der Schlagzeile über den
Brand des Baudelaire Anwesens)
Mr. Poe: Liebling, doch nicht vor den Kindern!
Ms. Poe: Ich dachte, das heitert die Miesepeter ein wenig auf.
(überschwänglich) Meine Star-Reporterin hat einen Artikel für die Titelseite
geschrieben, damit alle wissen, dass euer Haus zerstört wurde und ihr
Waisen seid…
Die Titelseite! (erwartungsvoll) Manche warten ein Leben lang darauf.
Und Schatz, du wurdest auch erwähnt!
(liest laut vor) Prominentes Mitglied der Bankergemeinde beweist Großmut.
(zu Mr. Poe) Wenn deine Chefs das sehen, heißt das bestimmt…
B-E-F-O-R-D-E-R-U-N-G!
Mr. Poe: Beforderung?
Ms. Poe: Beförderung!
Mr. Poe: Dann ist das aber falsch buchstabiert.
Ms. Poe: B-E-F-…
Mr. Poe: B-E-F-Ö-R-…
Ms. Poe: Sag ich doch. Hör mir zu bevor du redest.
Mr. Poe: Tut mir Leid.
Violet: Dürfen wir auf unsere Zimmer?
Ms. Poe: Eure Zimmer? Ihr schlaft bei Edgar und Albert im Zimmer.
Erzähler 1: In den Jahren danach erkundigte ich mich, was aus den Poe-Brüdern wurde.
Erzähler 2: Einer folgte seinem Vater in die Welt des Bankenwesens.
Erzähler 3: Der andere lebt in einer Höhle und redet mit Schafen.
Erzähler 4: Beide finden, der andere hat es besser.
Erzähler 5: Ich muss euch leider mitteilen: Das Schicksal der Baudelaires war
schlimmer.

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