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Kapitel 9

Trigger und Datenaquisition

Viele der interessanten und relevanten Wechselwirkungen, die sensitiv auf die Gren-
zen des Standartmodelles sind, verfügen über extrem kleine Wirkungsquerschnitte.
Um überhaupt eine hinreichend große Anzahl interessanter Ereignisse aufzeichen
zu können, müssen die modernen Großexperimente an Teilchenbeschleunigern bei
extrem hohen Wechselwirkungsraten betrieben werden. Dabei ist der zeitliche Ab-
stand zwischen zwei Wechselwirkungen extrem viel kleiner (ca. ×10−4 ) als die Zeit,
die zur Datenauslese benötigt wird. Ferner ist nur ein extrem kleiner Anteil der
Wechselwirkungen aufgrund der kleinen Wirkungsquerschnitte für die jeweilige phy-
sikalische Fragestellung relevant. Wenn man also ohne zu filtern jedes Ereignis, das
man erwischt, auslesen würde, hätte man am Ende nur unbrauchbare Untergrunder-
eignisse auf Band geschrieben. Deshalb ist eine möglichst effiziente Vorentscheidung,
welche Ereignisse überhaupt ausgelesen werden sollen, von essentieller Bedeutung.
Die Selektionselektronik nennt man Trigger, dessen Aufgabe liegt in der möglichst
effizienten Erkennung interesanter Ereignisse bei gleichzeitiger Unterdrückung des
Untergrundes.
Der andere wichtige Aspekt der modernen Teilchendetektoren ist die Auslese
oder das Datennahmesystem DAQ (Data Aquisition). Aktuelle Experimente haben
Ereignisraten von bis zu mehreren 10 MHz und müssen Detektorsysteme auslesen,
die mehrere 100000 unabhängige Auslesekanäle haben. Diese hohen Datenraten und
-mengen erfordern lange Auslesezeiten, in denen der Detektor inaktiv ist und keine
weiteren Ereignisse aufnehmen kann. Ferner bestehen moderne Teilchendetektoren
aus vielen verschiedenen Subdetektoren, die Information des gesamten Ereignisses
ist über eine Vielzahl unabhängiger Auslesesysteme verteilt. Diese Zeit bezeichnet
man als Totzeit, die möglichst klein gehalten werden muss. Daran erkennt man
die enge Verflechtung von Trigger und DAQ bei modernen Großexperimenten, um
die Totzeit möglichst klein zu halten, müssen moderne Triggersysteme komplexe
Techniken verwenden, um eine hohe und effiziente Datenreduktion zu gewährleisten.
Dabei liefern die einzelnen Detektorteile selbst die notwendigen Informationen, die
der Trigger zur Entscheidung benötigt. Unter einer Bandbreite eines Trigger- und
Datennahmesystemes versteht man den maximal möglichen Datendurchsatz in einer
bestimmten Zeit.
9.1 Datenauswahl durch Trigger 151

Koinzidenz/ Kamera
Vorschub
Antikoinzidenz
S1 ja
Diskriminator Oszilloskop
S2 ja

Trigger
Diskriminator Trigger
Vertikal
ja
C Diskriminator
C nein

..
Verzogerung
S3
Stopp− Zerfalls−
Diskriminator Puls Puls
t

a) b)

Abbildung 9.1: Blockdiagramm (a) eines Versuchsaufbaues zur Messung von τ µ . Die
Signatur S1 S2 C S̄3 wird ausgenutzt, um ein im Flüssigszintillator C gestopptes My-
on zu identifizieren, indem man das entsprechende Signal als Trigger verwendet.
Das Auftreten eines zweiten, zeitlich verzögerten Signales wird als Signatur für den
Zerfall µ → eνe νµ interpretiert. Aus dem entstandenen Bild am Oszilloskopen (b)
kann durch Messung der Zeitdifferenz der beiden Pulse die Lebensdauer des Muons
ermittelt werden.

9.1 Datenauswahl durch Trigger


Mit Hilfe eines Triggersystemes müsen die gewünschten Ereignisse aufgrund ihrer
spezifischen Eigenschaften vom Untergrund getrennt werden. Als erläuterndes Bei-
spiel dazu betrachten wir einen Versuchsaufbau zur Messung der Lebensdauer kos-
mischer Myonen (Abb. 9.1). Dazu werden kosmische Myonen im Szinitlator C ge-
stoppt und der Zerfallszeitpunkt aus dem Folgesignal bestimmt, das durch das bei
Zerfall µ → eνe νµ entstehende Elektron generiert wird. Da aber nur ein kleiner Teil
der durch den Szintillator fliegenden Myonen tatsächlich auch innerhalb des Szin-
tillators gestoppt wird, muss man diese Ereignisse von den Signalen durchfliegender
Myonen unterscheiden. Dies geschieht mit Hilfe einer Koinzidenzschaltung aus den
Szinitllatorsignalen von S1 , S2 , C und S3 : Myonen, die von S1 und S2 gesehen wer-
den, aber nicht von S3 haben mit großer Wahrscheinlichkeit den Szintillator C nicht
verlassen und sind dort zerfallen. Das Signal von S2 wird dabei als Einschränkung
des Winkelbereiches und zur Rauschunterdrückung verwendet, das Signal von S3 ist
das sogenannte Vetosignal. Aus der Verteilung der Zeiten ∆t zwischen zwei kurz
aufeinaderfolgenden Pulsen des Zählers C (Abb. 9.1) mit der Bedingung S1 S2 CS 3
erhält man das in Abb. 9.2 gezeigte typische Zerfallsspektrum, aus dem anschließend
die Lebensdauer τµ des Muons bestimmt werden kann.
Aus diesem Beispiel ergeben sich die wesentlichen Anforderungen an ein Trig-
gersystem:
152 Trigger und Datenaquisition

Stopp− Zerfalls−
Puls Puls

t / τµ

Abbildung 9.2: Das gemessene Zerfallsspektrum (Zeitspektrum) bei der Messung der
Lebensdauer kosmischer Myons mit der Apparatur von Abb. 9.1.

• Untergrundreduktion (für nicht gestoppte Muonen gilt τµ = ∞)

• Zeitgebung (Triggerzeitpunkt t = 0)

• erwartungstreie Signalselektion

• schnelle Entscheidungsfindung

9.2 Eigenschaften moderner Beschleuniger


Experimente der modernen Teilchenphysik können aufgrund der benötigten hohen
Energien nur an großen Teilchenbeschleunigern durchgeführt werden. Dabei bestim-
men die Eigenschaften des Beschleunigers wesentlich die Struktur der Datennahme
und des Triggers. Ein Teilchenstrahl eines modernen Beschleunigers ist nicht konti-
nuierlich, er setzt sich aus vielen Teilchenpaketen zusammen, deren Abstand zeitlich
konstant ist. Der Grund dafür liegt einerseits in der Beschleunigungstechnologie, an-
dererseits braucht man für die Teilchendetektoren (Großexperiment) ein externes,
konstantes Zeitsignal, um die Detektorelektronik zu koordinieren. Diese Zeitstruktur
des Beschleunigers legt gemeinsam mit der Luminosität im wesentlichen die Daten-
rate des Experimentes fest.

Luminosität
Die wichtigste Kenngröße eines Beschleunigers ist die Luminosität L. Sie ist ein Maß
für die gesamte Zahl an möglichen Reaktionen, die vom Beschleuniger zur Verfügung
gestellt werden. Die Zahl der Reaktionen ist proportional zum Wrikungsquerschnitt
σ und dem Teilchenfluss der aufeinander treffenden Strahlen, bzw. der Targetdichte
im Falle von Fixed-Target-Experimenten. Allgemein gilt
dN
=σ·L (9.1)
dt
9.2 Eigenschaften moderner Beschleuniger 153

Bei Fixed-Target-Experimenten ist die Luminosität durch den Fluss Φ des einfal-
lenden Strahles, dem Strahlquerschitt F , der Länge des Targets l und der Target-
konstanten T = NA A ·ρ
mit der Molmasse A und der Targetdichte ρ, gegeben:

L= F ·l·T ·Φ (9.2)

Für einen Speicherring für zwei Strahlen a und b gilt mit Na und Nb Teilchen pro
Teilchenpaket, einer Paketzahl k und der Umlauffrequenz ν:

Na · Nb · k · ν
L= (9.3)
4πσx σy U

wobei σx,y der jeweilige Strahlquerschnitt in x bzw in y ist. Hohe Lumino-


sitäten erhält man demnach durch große Strahlintensitäten oder kleine Strahl-
querschnitte. Typische Werte für Luminositäten moderner Beschleuniger liegen bei
1030 . . . 1034 cm−2 s−1 .

Zeitstruktur
Die Beschleunigung von Teilchen in einem Beschleuniger erfolgt über elektrische
Hochfrequenzfelder, die die Zeitstruktur des Beschleunigers definieren. Im Falle
von Fixed-Target-Experimenten führt dies dazu, dass der Strahl nur während ei-
nes Bruchteiles der Gesamtzeit das Experiment mit Teilchen versorgen kann. Dieser
Bruchteil wird als Duty Cycle (DC) bezeichnet und gibt die Effizienz eines Beschleu-
niers an. Bei modernen Protonbeschleunigern werden Werte von DC ≈ 15 . . . 30% er-
reicht. Dabei werden durch Auswahl geeigneter Resonanzmoden der beschleunigen-
den Hochfrequenzfelder lang andauernde Teilchenpakete (0.3 . . . 15 s) erzeugt. Das
Auslesesystem muss dann so aufgebaut sein, dass alle anfallenden Daten während
der Dauer eines Teilchenpaketes zwischengespeichert werden. Die Filterung der Da-
ten findet dann in der Zeit zwischen zwei Teilchenpaketen statt (10 ms bis 1 min).
Die Situation an Speicherringen ist aufgrund des sehr viel kürzeren Abstandes
zwischen zwei Teilchenpaketen komplizierter (Tab. 9.1). Die sich ergebenden hohen
Strahlkreuzungsraten erfordern eine schnelle Triggerentscheidung nach jeder Strahl-
kreuzung. Bei aktuellen Beschleunigern wie HERA (96 ns) oder LHC (25 ns) ist die
Zeit zwichen zwei Paketen so kurz, dass alle Daten bis zu einer Triggerentscheidung
zwischengespeichert werden müssen, bevor sie im Datennahme- und Filtersystem zu
einem kompletten Ereignis zusammengesetzt werden können.

Ereignisrate und Datenvolumen


Neben der Strahlkreuzungsrate (Zeitstruktur des Beschleunigers) bestimmen die
durch die Ereignisrate nach der Triggerentscheidung sowie das Datenvolumen des Er-
eignisses im wesentlichen die Architektur und die notwendige Bandbreite des Trigger-
und DAQ-Systemes. Diese Parameter legen das zu speichernde Gesamtdatenvolumen
fest. Bei den aktuellen Großexperimenten der Beschleunigerexperimente liegen die
zu verarbeitenden Datenraten etwa bei 10 . . . 500 MByte/s (Abb. 9.3. Diese Grenze
154 Trigger und Datenaquisition

Experiment Rate [MHz] Entscheidungszeit [µs]


LEP 0.045 15
HERA 10.4 2–4
TEVATRON (I) 0.25 4
TEVATRON (II) 7.567 4
LHC 40.00 2
TESLA 2.976 1000

Tabelle 9.1: Ereignisraten und Entscheidungszeiten moderner Speicherringexperi-


mente.

Hohe Rate des


Level−1 Triggers (1 MHz)
..
Gro βe Zahl von Kanalen
Gro βe Bandbreite
(500 Gbit/s)

Gro βes
Datenarchiv
(Petabyte)

..
Ereignisgro βe (byte)

Abbildung 9.3: Triggerraten und Ereignisgrößen moderner und zukünftiger Experi-


mente an Beschleunigern. Aktuelle Experimente müssen 10 − 100 MByte/s verarbei-
ten können, bei zukünftigen Experimenten will man bis zu 100 GByte/s erreichen.
9.3 Triggerkonzepte 155

wird von den sich im Bau befindlichen Experimenten am LHC deutlich überschrit-
ten, wo Datenmengen von bis zu 100 GByte/s verarbeitet werden müssen.
Dabei sind allerdings die oben angegebenen Datenraten die Größenordnungen,
die nach der ersten Triggerstufe erreicht werden. Komplexe moderen Experimente
verfügen über mehrstufige Trigger- und Filtersysteme, so dass man am Ende lediglich
mit Raten von einigen MByte/s die Daten auf die Massenspeicher schreibt und
aufbewahrt.

9.3 Triggerkonzepte
9.3.1 Einstufiger Trigger, Busy-Logik
Das Grundprinzip eines Trigger- und DAQ-Systemes ist relativ einfach, wie dies in
Abb. 9.4 dargestellt ist. Eine physikalische Messung soll mit Hilfe eines Detektors
(Sensor) elektronisch ausgefürt werden. Die Detektorsignale werden dabei digital
verarbeitet, analoge Signale sollen vor der Triggerlogik mit einem ADC (Analog-
to-Digital-Converter) mit einer typischen Konvertierungszeit von 50 µs bis 1 ms
umgewandelt werden. Während dieser Zeit können allerdings keine weiteren Signale
im ADC verarbeitet werden. Ohne ein Triggersignal, welches durch eine physika-
lisch relevante Messung im Sensor gesetzt wird, würde der ADC im wesentlichen
elektronisches Rauschen verarbeiten. Verwendet man hingegen einen Trigger, der in
Abb. 9.4 aus einem einfachen Diskriminator aufgebaut ist und der den ADC nur im
Falle eines Pulses des Sensors oberhalb einer bestimmten Schwelle startet, werden,
abgesehen von einem immer anwesenden kleinen Rauschbeitrag, ausschließlich Da-
ten aufgezeichnet, die man auch haben will. Diese werden anschließend im Prozessor
mit dem Triggerzeitpunkt versehen und verarbeitet.
Man muss verhindern, dass Signale, die während der Digitalisierung und Ver-
arbeitung der Daten auftreten, den Datennahmeprozess stören. Dazu braucht man
die “Busy Logik”, die anzeigt, wenn ADC und Prozessor zur Signalaufnahme nicht
bereit sind. Für den ADC genügt ein einfaches Veto-Signal (oder “Gate”-Signal)
fester Länge, welches während der Digitalisierung weitere Triggersignale verhindert.
Im Allgemeinen ist allerdings die Verarbeitungszeit der digitalisierten Daten im
Prozessor stark variabel und vom Umfang der Datenmenge abhängig. Das DAQ-
System (Prozessor) muss dann der “Busy-Logik” signalisieren, wann es wieder für
das nächste Triggersignal bereit ist. Die Zeit, in der die “Busy-Logik” weitere Trig-
gersignale und damit die Aufnahme von Daten verhindert, bezeichnet man als Tot-
zeit.
Die Bestimmung der Totzeit τ ist ein wesentlicher Bestandteil bei der Realisie-
rung eines Triggers. Dazu werden in unserem einfachen Beispiel einem Zähler Pulse
eines Pulsgenerators (Clock) registriert. Gezählt werden dabei alle Pulse, die eintref-
fen während der Trigger aktiv ist. Wenn ν die Frequenz des Pulsgenerators und N
die Zahl der gezählten Pulse pro Sekunde seien, dann gilt

N
ν= (9.4)
1−Nτ
156 Trigger und Datenaquisition

 HIJLKM N
4 576869: j Nlk7m8mnI:N
TU V/WXU YZU ["\].^X
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µ ‹
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&* +,-&-
Abbildung 9.4: Elementares Schema eines Trigger- und DAQ-Systemes: einfacher
Trigger (a) und Triggerkonzept einschließlich einer “Busy-Logik (b).
9.3 Triggerkonzepte 157

da die aktive Messzeit für N durch 1 − N τ gegeben ist. Nun gibt diese Totzeit
τ allerdings nur diejenige Zeit an, während derer der Trigger nach Auftreten eines
Ereignisses inaktiv ist. Bei der Planung und Optimierung eines Triggers ist hingegen
die relative Gesamttotzeit des Systems von Interesse. Bei kleinen Raten und kleinen
Totzeiten ergibt sich diese zu DT ≈ ρ ≡ ν · τ . Wenn allerdings die Raten ν und
Zeiten τ größer werden, muss zusätzlich die Tatsache berücksichtigt werden, dass
Ereignisse auch während der inaktiven Zeit des Systemes auftreten können. Bei einer
angenommenen Ereignisrate ν = Tn von n Ereignissen in einer Zeit T ergibt sich die
folgende Reihenentwicklung für die Gesamttotzeit τn des Systemes:
τ1 = τ
2τ 2
τ2 = 2τ −
T
...  τn−1 
τn = nτ · 1 − (9.5)
T
wobei sich Gl. 9.5 aus τn = nj=1 Pnj τ ergibt, wobei Pnj = 1 − τn−1 die Wahr-
P
T
scheinlichkeit ist, dass das Ereignis j zur Gesamtotzeit beiträgt, also mit den n − 1
vorrangegangen überlappt. Mit vollständiger Induktion kann man zeigen, dass
n
n!  1 j−1
τj −
X
τn = (9.6)
j=1 (n − j)! T

woraus sich der Ausdruck für die relative Gesamtotzeit DT = τn /T ergibt:


n
n!  τ j
(−1)j−1
X
DT =
j=1 (n − j)! T
! ! !
n n n − 1 n n − 1 n−2 3
= τ− τ2 + τ − ...
T T T T T T
= ντ − (ντ )2 + (ντ )3 − . . . = ρ − ρ2 + ρ3 − . . .
ρ
= (9.7)
1+ρ
falls n → ∞, T → ∞ und ν = Tn fest bleibt (und ρ = ν · τ ).
Im Folgenden werde der Begriff der Totzeit nur noch für die relative Gesamttot-
zeit DT verwendet. Somit ergibt sich, dass die Totzeit eines Systemes DT sowohl von
der Auslesezeit τ als auch von der Triggerrate abhängig ist. Bei den heutigen Groß-
experimenten liegen die Auslesezeiten im Bereich von ∼ 1 ms. Wenn man maximale
Totzeiten von DT ≈ 10 % nicht überschreiten will, ist die maximale Auslesera-
te damit auf O(100 Hz) festgelegt, was einen hohen Reduktionsfaktor durch das
Triggersystem verlangt. Dies wird heute im allgemeinen durch mehrstufige Trigger-
systeme realisiert (Siehe Beispiele, später: H1-Experiment, HERA-B-Experiment).

9.3.2 Mehrstufiger Trigger, Buffering


Auch das mehrstufige Triggersystem soll quantitativ beschrieben werden. Unser Ex-
periment habe die Eingangsrate νa = τ1a , wobei τa die mittlere Ankunftszeit der
158 Trigger und Datenaquisition

G
τ2/τ = 0.1
9.0 -1
E

8.0
κ = 0.99
7.0

6.0
κ = 0.90
5.0

4.0
κ = 0.75
3.0

2.0 κ = 0.50

1.0
0.1 1 10 100
τ/τa

Abbildung 9.5: Effizienzsteigerung durch Einführung einer zweiten Triggerstufe. τa


sei die mittlere Ankunftszeit eines Ereignisses, τ die Auslesezeit und τ2 die Entschei-
k
dungszeit der zweiten Triggerstufe; ferner sei κ = k+1 die Unterdrückungsrate der
zweiten Triggerstufe.

Ereignisse sei. Mit einer Auslesezeit von τ ergibt sich die Zahl der Trigger pro Se-
kunde zu νt = (τa1+τ ) Der relative Anteil E akzeptierter Ereignisse ist dann

νt 1
E= = (9.8)
νa 1 + ττa

Mit Hilfe einer zweiten Triggerstufe wird ein großer Teil der Ereignisse vorab ver-
worfen. Dabei sei die Entscheidungszeit τ2 < τ und wiederum νt die Zahl der getrig-
gerten Ereignisse und K νt die Zahl der pro Sekunde von der zweiten Triggerstufe
verworfenen Ereignisse. Dann gilt

1 = νt (τ + τa ) + K νt (τ2 + τa )
= ausgelesene + verworfeneEreignisse
 1 K 
= νt0 · τ + τ2 + τa (9.9)
1+K 1+K
wobei νt0 = νt + K νt . Der relative Anteil E 0 der bearbeiteten (oder ausgelesenen)
Ereignisse ist dann
νt0
0 1 K +1
E = = τ · τ =E·G (9.10)
νa 1 + τa 1 + K 1+ ττa2
1+ τa

Somit wird die Effizienz des Triggers mittels der zweiten Triggerstufe um den Faktor
G gesteigert, welcher von der Entscheidungszeit τ2 und dem Unterdrückungsfaktor
K
κ = K+1 abhängt. Der Verlauf von G als Funktion von ττ2 ist in Abb. 9.5 für ver-
schiedene Unterdrückungsfaktoren κ dargestellt.
Eine andere Art, die Totzeit zu reduzieren, ist die Entkopplung der Datenauslese
vom “Front-End” auf dem FADC durch Einführung eines Zwischenspeichers (Buf-
9.3 Triggerkonzepte 159

fer), wie dies in Abb. 9.6 dargestellt ist. Die quantitative Beschreibung solcher Syste-
me ist mathematisch etwas aufwändiger und geschieht mittels der Warteschlangen-
oder Bedienungstheorie (engl. queuing theory).

Beispiel (Fragestellung)
Dies soll an einem Beispiel erklärt werden: Wir betrachten ein System, bei dem mit
einer Rate λ = 5 Ereignissen pro Sekunde unabhängig voneinander auftreten, die
von einem Prozessor mit einer Rate µ verarbeitet werden.
1. Wie groß ist die Totzeit im System mit λ = µ?

2. Was ist die Totzeit des Systemes, falls vor dem Prozessor vier Buffer eingebaut
werden?

3. Wie schnell muss ein Prozessor mit einem einzigen Buffer (dem Prozessor
selbst) arbeiten, um dieselbe Totzeit wie in (2) zu erreichen?
Die Zeit, die benötigt wird, ein Ereignis zu verarbeiten, ist stark von der Kom-
plexität desselben abhängig. Teilt man die nach der Größe geordneten gemessene
Verarbeitungszeit der einzelnen Ereignisse, die oberhalb einer gegebenen Zeitdauer
t liegen, durch die Gesamtzahl der Messungen, so erhält man eine Wahrscheinlich-
keit, S0 (t), dass die Verarbeitungszeit eines Ereignisses größer als t ist. Aus der
Ableitung
dS0 (t)
s(t) = − (9.11)
dt
erhält man dann die Wahrscheinlichkeitsfunktion. Die Größe s(t) ist dabei eine Ra-
te, aus der sich die Wahrscheinlichkeit s(t)dt ergibt, dass die Verarbeitung eines
Ereignisses im Intervall [t, t + dt] beendet wird. Für die mittlere Verarbeitungszeit
gilt wegen S0 (∞) = 0 Z ∞ Z ∞
T = ts(t) dt = S0 (t) dt (9.12)
0 0
Die Messung der Ankunftszeit erlaubt dann wie oben die Konstruktion der Wahr-
scheinlichkeit A0 (t), dass das nächste Ereignis zu einer Zeit t oder später auftritt.
Die mittlere Ankunftszeit Ta der Ereignisse, die Ereignisrate λ sowie die Wahrschein-
lichkeitsdichte a(t) ergeben sich dann analog zu
1 ∞ Z
Ta = = A0 (t) dt
λ 0
dA0 (t)
a(t) = − (9.13)
dt
Typischerweise ist bei einem physikalischen Prozess das Auftreten eines Ereignisses
unabhängig vom Zeitpunkt des vorangegangenen. Damit erhält man eine exponen-
tielle Verteilung:

A0 (t) = e−λt
a(t) = λe−λt (9.14)
160 Trigger und Datenaquisition


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Abbildung 9.6: Schematische Darstellung eines gepufferten Trigger-/DAQ-Systemes
zur Entkopplung von Datenauslese und Front-End.

Die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von n Ereignissen innerhalb eines Zeitinter-


valles [0, t] ergibt sich dann aus
Z t
An (t) = a(x) An−1 (t − x) dx (9.15)
0

Mit der Annahme der exponentiellen Verteilung von Gl. 9.14 ergibt sich dann
Z t Z t
A1 (t) = λe−λx e−λ(t−x) dx = λe−λt dx = λte−λt
0 0
t 1
Z
A2 (t) = λe−λx λ(t − x)e−λ(t−x) dx = λ2 t2 e−λt
0 2
...
1 −λt
An (t) = (λt)ne (9.16)
n!
wobei Gl. 9.16 einer Poissionverteilung entspricht.
Wir betrachten nun ein System, das einen einzelnen Prozessor zur Verarbeitung
zur Verfügung habe, und dessen vorgeschalteter Buffer die Länge N −1 habe1 Ferner
sei eine exponentielle Verteilung der Ankunfts- und Verarbeitungszeiten angenom-
men, die mittlere Ereignisrate sei λ = τ1a , die mittlere Verarbeitungsrate µ = τ1s . Die
unterschiedlichen Zustände dieses Systemes können durch die Zahl der Ereignisse
im System beschrieben werden. Ferner befindet sich das System nach einer Wei-
le im Gleichgewichtszustand. Die Bedingungen, dass ein Ereignis im Systembuffer
innerhalb des Zeitintervalles [t, t + dt] aufgefunden wird, sind dann
1
Der Buffer Nr. N ist immer der Prozessor selbst!
9.3 Triggerkonzepte 161

• zum Zeitpunkt t sei ein Ereignis im Buffer. Während der Zeit dt kommt kein
weiteres hinzu und keines werde dem Buffer entnommen. Die Wahrscheinlich-
keit für diesen Fall ist
(1 − λ dt)(1 − µ dt)P1 (t)

• zum Zeitpunkt t sei ein Ereignis im Buffer. Während der Zeit dt kommt ein
weiteres hinzu und eines werde dem Buffer entnommen. Die Wahrscheinlichkeit
für diesen Fall ist
λ dt µ dt P1 (t)

• zum Zeitpunkt t sei kein Ereignis im Buffer. Während der Zeit dt kommt eines
im Buffer an und keines werde dem Buffer entnommen. Die Wahrscheinlichkeit
für diesen Fall ist
λ dt (1 − µ dt) P0 (t)

• zum Zeitpunkt t seien zwei Ereignisse im Buffer. Während der Zeit dt kommt
kein weiteres hinzu, aber eines werde dem Buffer entnommen. Die Wahrschein-
lichkeit für diesen Fall ist

(1 − λ dt) µ dtP2 (t)

Die Wahrscheinlichkeit P1 (t + dt) zur Zeit t + dt ein Ereignis im System zu finden,


ergibt sich aus der Summe der obigen Ausdrücke:

P1 (t + dt) = P1 (t) + dP1 = P1 (t) − (λ + µ) dt P1 + λ dt P0 (t) + µ dt P2 (t) + . . . (9.17)

woraus weiterhin folgt


 
dPn = λPn−1 + µPn+1 − (λ + µ)Pn dt (9.18)

Für n = 0 erhält man für Gl. 9.18 eine Spezialform, da die dritte der obigen Bedin-
gungen nicht existiert und die erste abgeändert werden muss. Man erhält:

λP0 − µP1 = 0 (9.19)

Die Lösung dieser Gleichung für den Gleichgewichtszustand lässt sich andrücken,
wenn man alle Pn mit Hilfe von P0 ausdrückt:
 λ n
Pn = P0 = ρ n P0
µ
λ τs
ρ = = (9.20)
µ τa
Die Totzeit eines Systemes mit N Buffern ergibt sich für den Gleichgewichtszustand
nun wie folgt: Alle obigen Gleichungen gelten für n zwischen 0 und N −1. Für n = N
erhält man ebenso wie für n = 0

λPN −1 − µPN = 0 (9.21)


162 Trigger und Datenaquisition

woraus ebenfalls PN = ρN P0 folgt, also Gl. 9.20 für 0 ≤ n ≤ N gilt. Addiert man
alle Pn auf, so muss die Summe 1 ergeben:
N
Pn = P0 (1 + ρ + . . . + ρN )
X
1= (9.22)
n=0

Daraus ergeben sich mit (1+ρ+. . .+ρN )(1−ρ) = 1−ρN +1 die folgenden Ausdrücke:
1−ρ
P0 =
1 − ρN +1
(1 − ρ)ρn
Pn = (9.23)
1 − ρN +1
Sobald das System voll ist, erzeugt es Totzeit. Da das System nicht mehr als N
Ereignisse akzeptieren kann, ergibt sich damit die Totzeit:
(1 − ρ)ρN λ
DT = falls ρ = 6= 1
1 − ρN +1 µ
1
DT = falls ρ = 1 (9.24)
N +1
Wenn man diesen Ausdruck mit Gl. 9.7 unter der Berücksichtigung von τs = τ
vergleicht2 , ist die Konsistenz zur vorherigen Rechnung sofort evident.

Beispiel (Antworten)
Damit lassen sich jetzt die oben gestellten Fragen beantworten:
1. Für ein System mit einem Buffer (N = 1) und µ = λ ergibt sich eine Totzeit
von DT = N 1+1 = 50 %.
1 1
2. Die Totzeit desselben Systemes mit 4 Buffern ist DT = N +1
= 6
= 16.6 %.
3. Um zu bestimmen, wie schnell bei N = 1 ein Prozessor sein muss, um eine
Totzeit von 16.6 % zur erreichen, muss man ρ über die folgende Gleichung
bestimmen
(1 − ρ)ρ ρ
DT = 16.6 % = 2
=
1−ρ 1+ρ
Mit ρ = 0.2 ergibt sich dann, dass der Prozessor fünf mal schneller als im 2. Fall
sein muss. Allerdings sind Buffers wesentlich billiger als schnelle Prozessoren.
In Abb. 9.7 ist der Gewinn, den man durch die Einführung eines Buffersystemes
erhält, dargestellt, indem die Totzeit als Funktion der Ereignisrate für ein System
mit verschiedenen Buffertiefen bestimmt wurde. Die Berarbeitungszeit des “Front-
End” wurde dabei willkürlich auf τF E = 5 ms und die Auslesezeit auf τ = 50 ms
gesetzt. Die Verringerung der Totzeit durch das Zwischenschalten von Buffern ist
deutlich zu erkennen. Für große N folgt die Totzeit bis zu einer Eingangsrate von
ca. 20 Hz der Kurve für ein System mit τ = τF E . Erst wenn die Eingangsrate den
Wert 1/(50 ms) erreicht, also im Mittel alle Buffer besetzt sind, steigt die Kurve
ähnlich der für ein System mit N = 1 an.
2
d.h. die Verarbeitungszeit entspricht der Auslesezeit
9.4 Realisierung von Triggern 163


!

  τ = 50 ms
 "#%$
ντ "#&$
ρ '( ) * ρ +

 ,$/.
,$-

,$ 1 0 0
,$-0 )


τF.E. = 5 ms

     


Abbildung 9.7: Totzeit als Funktion der Ereignisrate ν für ein System mit unter-
schiedlicher Bufferlänge N . Die Verarbeitungszeit der Front-End τF E = 5 ms und
die Auslesezeit τ = 50 ms seien dabei willkürlich gewählt.Die Verringerung der Tot-
zeit durch Einführung eines Buffersystems ist deutlich zu erkennen.

9.4 Realisierung von Triggern


Bei der Entwicklung von Triggersystemen für ein aufzubauendes Experiment, muss
der zu entwickelnde Trigger genau auf die Signatur der zu messenden Prozesse und
den zu erwartenden Untergrund optimiert werden. Typischerweise werden solche
Studien mit Hilfe von Monte-Carlo Simulationen gemacht. Die daraus resultierenden
Ereignistopologien legen dann fest, welche Klassen von Triggern Anwendung finden:

• Spurtrigger zur Identifizierung spurbasierter Topologien: Spurmultiplizitäten,


Impulse, invariante Massen bei höheren Triggerstufen

• Kalorimetertrigger zur Entscheidung aufgrund von der im Detektor deponier-


ten Energie: totale oder transversale Energie, fehlende Energie (ν)

• Trigger auf Teilchenarten: Myon-Trigger, Kaon-Trigger unter Verwendung von


Cherenkovzählern

Moderne Triggersysteme bestehen aus einer Vielzahl von Subkomponenten, die un-
terschiedliche Informationen (Spuren, Energien, Zeiten, etc. ) bereitstellen und von
einer zentralen Triggerlogik verarbeitet werden. Somit sind auch Triggerentscheidun-
gen aufgrund von Koinzidenzen und Korrelationen einzelner Detektorkomponenten
möglich, wobei die Informationsdichte von Triggerstufe zu Triggerstufe ansteigt.
Eine schematische Darstellung der einfachen Realisierung eines Spurtriggers ist
in Abb. 9.8 zu sehen. Benachbarte Drähte werden in Vierergruppen zusammengefasst
und eine Koinzidenz innerhalb der Gruppe wird als Spurkandidat interpretiert. Bei
realen Driftkammern müssen dann typischerweise zwischen 1000 und 10000 mögli-
che Spurhypothesen gestestet werden, was um die 100000 Verbindungen erfordert.
Eine solche Triggerentscheidung dauert, abgesehen von den Driftzeiten der Draht-
kammern, mehrere 100 ns. Eine feste Verdrahtung der Hypothesen birgt aber auch
164 Trigger und Datenaquisition

Drift
Kammern

Trigger

Abbildung 9.8: Schematische Darstellung eines einfachen Spurtriggers.

große Nachteile, die Änderung einzelner Bedingungen bei gerissenen Drähten oder
veränderten Driftgeschwindigkeiten ist dann schwierig.
Um schnelle Entscheidungen zu treffen, verwendet man “Look-Up-Tables”. Bei-
spielsweise werden für Spurkammern mit mehreren Lagen, die innerhalb eines Ma-
gnetfeldes arbeiten, für jede gültige Spurhypothese Masken definiert, die durch Im-
puls und Ladung der Spurkanditaten charakterisiert werden. Deren Anzahl ist in
der Regel sehr hoch, so dass ein festverdrahtetes System erhebliche Nachteile hätte:

• nicht wartungsfreundlich, da viele Verbindungen benötigt werden

• nicht flexibel, bei Änderungen der Kammerparameter ist keine Anpassung der
Masken möglich

Um die nötige Flexibilität zu erhalten, ist die Anwendung von “Look-Up-Tables”


(LUT) von entscheidender Bedeutung. Diese sind in der Regel programmierbare
Speicherbausteine (RAMs), die angelegte Adresse gibt beispielsweise die zu testende
Kombination von Spurpunkten an (d.h. die Maske), die gespeicherten Daten ent-
sprechen dann der Gültigkeit einer Hypthese (0 für ungültig, > 0 für gültige Hypo-
thesen). Ein Beispiel des TASSO-Experimentes (DESY) ist in Abb. 9.9 gezeigt. Die
Adressleitungen sind in einer 5 × 7-Matrix angeordnet, die Ausgabe erbibt sich aus
einem logischen Oder aller angesprochenen Zellen der RAMs. Ineffizienzen können
durch eine Umprogrammierung des RAM einfach kompensiert werden.
9.4 Realisierung von Triggern 165

Dreifach

Zweifach

Abbildung 9.9: MWPC Triggerprozessor mit RAM als “Look-Up-Table”: Spurfinder


in 4 zylindrischen Lagen, Hypothesen werden per Software generiert.

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