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DIE SPRACHE HERAKLITS, Geschichte der Philosophie ist im Altertam mit einem merk- wiirdigea Mangel an fruchtbaren Meen getrieben worden. Aristo: teles war der erste, dem die Frage nach der geschichtlichen Ent- wicklung des Philosophierens als solche bedeutsam war, und in der Schule des Aristoteles hat die Philosophiegeschichte dann gleich die fiir das sputere Altertum mafgebende Gestalt gewonnen. Dies schlieBt nicht aus, da man auch gelegentlich das einmal gegebene Schema durchbrach, oder daf man sich des Schematisierens bewuft sein konnte — im grofen und ganzen stand die Auffassung, die man in der Antike von der Entwicklung des griechischen Denkens hatte, durchaus unter dem Bann aristotelischer Anschaaungsweise. Wie Aristoteles alles organische Wachsen aus einer inneren Entelechie heraus zu begreifen suchte, so sah er auch in dem Sich- Entwickeln der Philosophie das allmahtiche Heranreifen zu dem ihr eigenen rédoc, ur bestimmten, in ihr liegenden Vollendung, wobei sich ihm natirlich sein eigenes Denken als dieses Ziel darstellte. So Uberschaute Aristoteles die Geschichte der Philosophie von dem Problemkreis aus, der flr ihn die Weltbetrachtung bestimmte — also aus naturwissenschaftlich-logisch geschultem Geist heraus, und friheren Philosophen muften als blofe Entwicklungsstufen zu diesem bestimmten rédog der aristotelischen Philosophie erscheinen, Dadurch wurde der Eigenart der persénlichen Fragestellung Gewalt angetan. Noch stirker wirkte sich dies dadurch aus, daf die Auf fassung von ciner solchen Entelechie der Philosophiegeschiehte den Akzent durchaus auf die Entwieklung der Probleme legte. So er- achien die Philosophiegeschichte als eine Entwicklung von bestimmten Problemldsungen, zB. von Ansichten dber die doyij des Seins, das Wesen der Materie usw., bei denen es auf den Philosophen, der diese Meinung geduGert hat, gar nicht ankam. — Diese Be- trachtungsweise ist durehaus griechisch; sie ist tief verwurzelt in der Art, wie die Griechen die Persénlichkeit suffatiten, Hermes LX1. 8 354 B. SNELL Wenn wir uns also nun ein Bild von Heraklit machen wollten und dabei nur die doxographische Literatur 2ur Verfugung hatten, so wirden wir ihn zunichst nur als einen aristotelischen Wissen- schaftler primitiver Stufe kennonlernen — aber auch dabei nur von bestimmten Lehrmeinungen hiren, die er Gber ganz bestimmle, yon Aristoleles for besonders wiehtig geachtele Probleme gedufiert hat. Um es einmal kraf mu sagen: Wir bekiimen nur trockene Antworten auf Fragen, die er nicht cinmal gestellt hatte. Aber zum Glick besitzen wir bei spiiteren Sehriftstellern dber- lieferte Satze aus der Schrift des Heraklit, Es ist ein ungeheurer Gewinn, dai wir durch diese Zitate unmittelbar an die heraklitische Priigung des Gedankens herankommen — wenn es im Finzelfall auch nicht immer leicht sein mag, das wirklich Authentische heraus- zuschilen, Und aus diesen Bruchstiicken echter heraklitischer Sprache konnen wir nun unsererseits versuchen, von neuem und in anderem: Sinne als die antike Doxographie uns ein Bild von Heraklits Denken zu machen, Der wesentliche Untersehied unserer Betrachtung von der antiken ist dabei der, dali wir das Denken Heraklits nicht mehr auffassen als das Denken tber irgendeinen feststehenden Problem- komplex, nicht als das Umgehen, Abtasten oder mehr oder weniger gelungene Durchdringen eines von ihm unabbingigen Daseins, sondern dali wir sein Denken als eine Bewegung zu begreifen suchen, in der das Newe, das er zu sagen hat, erst entsteht — kurz, daf er nicht an etwas herumdenkt, sondern dai er wirklich etwas denkt, Und diese Denkbewegung ist uns chen in seiner Sprache gegeben. Das erste, das wir nun aus der Sprache Heraklits lernen, ist dies, daB die Art der Problemstellung, die ihm die alte Doxographie qumutet, und die auch bis in die jtngste Zeit hinein die Gblichen Darstellungen der Lehre Heraklits bestimmt hat, durchaus nicht in seiner Gedankenrichtung liegt. Heraklit galt gewohnlich als der Philosoph, der den ewigen Wandel und die ewige Bewegung ge- Jehrt hat. Die Doxographie hat das in den vielzitierten Satz zu- satnmengefaBt: (M6D) ‘Hodvlerros ocular pty xal ovdow Lx ray bho deyjon’ Yate pag tote tér veupiiv’ zlryaw 8 role mow daedidov, didtior wiv trois dediouw, pbagriy 52 role piag- tote, ,Heraklit hat Rube und Stillstand aus dem All fortgenommen. Denn die gehtrt den Toten, Bewegung hat er allen Dingen ge- geben, ewige den ewigen, vergingliche aber den verginglichen.* DIE SPRACHE HERAKLITS 355 Es ist schon auffillig, daG Heraklit selbst niemals von Bewegung spricht. Das Wort xiveiy, das man doch erwarten witrde bei einem, dessen Erkenntnis sich auf die Verinderung der AuSenwelt richtet, fehlt bei ihm wie auch jede Ableitung von diesem Wort. Wir suchen auch vergeblich bei ihm die Warte jocuia und ardaug oder évewy im Sinve von bebarren, verweilen — es bedeutet nur ,er- warten* bei ihm, Erst recht fehlen natrlich solehe Worte wie antxvwos und dgaimors, die man lange auf Grund der stoischen Berichte fir Heraklits eigene Worte gehalten hat. Oberhaupt fehlen alle solchen Wore, die irgendwie in sozusagen naturwissensehait- lichem Sinne die Bewegung, Verinderung oder Ruhe der Dinge bezeichnen. Ja, selbst der berilhmteste heraklitische Satz, das advra ei, ist nicht authentiseh, wie man lingst erkannt hat — er umschliefit vielmehr schon den Versuch, Heraklits Lehre als auf die nur physische Welt bezogene Theorie zu fassen und auf eine kurze Formel zu bringen, und bedeutet schon cin Mifiverstehen. Schon Platon, der als Heraklits Lehre hezeichnet (Krat, 402A) Ste adyra zopel xai obdéy jéver, steht gant unter dem Bindruck dieser Heraklit-Autlassung; wir haben in dem adyra get viel eher die Anschaoungen der Herakliteer als die des echten Heraklit zu sehen ), ‘Mit dieser Forme! ist Heraklits Lehre zum Relativismus weiter- entwickelt, der ihm selbst in Wahrheit durchaus fremd war’). 1) Mit dem Schlagwort zeoget 4: advra beginnt der hernklitisiorende Passus in der hippokratischen Schrift =, air, (Diels 12C1), Die Art der Herakliteer kéonen wir vortrefflich aus soleken Sticken kennen. Jemen: Heruklits Sitze werden immer wieder umgebogen und abgewandelt, 2u Aussagen ober .Bewegungen*. 2) Wenn Lascalle (8. 7) aber die Heraklit-Dentung Schleiermachers sagt: ,Sebleiermacker hat sowenig wie einer seiner Vorgiinger Obersehen kdnnen, daB der Gedanke, aus dem Heraklit philosophiert, der des Werdens, der Bewegung ist. Aber er faite, wie schon die Stoiker, dns Werden der Vorstellung nach, als die blofe indiferente Ver- Gnderung; er fate die Bewegung als bloie Fortbewegung, als, um ein Bild co gebrauchen, die Bewegung der geradea Linie, Heraklit dagegen hat das Werden seinem wahrhaften Begriffe nach gebabt, als die Kinheit des absoluten Gegensatzes von Sein und Nicht- sein und deren Ubergang ineinander* — so hat dieser Vorwurf auch heute noch seine Geltung. Lassalle versucbte nun aber von der Begritf lichkeit Hegéls aus die Problematik Heraklits 2 deuten. Br ist sich Klar dardber was an Heraklit berantrigt, versucht auch darculegen, waram Heraklit diese Problematik nur in sinslicher Form aussprechen konpte — aber diese sinnliche Form bleibt darom 23 356 B. SNELL Wenn wir nun einmal den Worten Her: genau zuhiren, mit denen er vom Fluf der Dinge spricht, so wird deutlich, dai ihm die Dinge nicht eigentlich als Objekte der Erkenntnis gegeben sind, df er ihnen dberhaupt nicht gegentibersteht, dai er nicht sGegen-Stinde* beobachlet, fr. 12. aorapote tolow atxoiow Iufatyovorw Frepa xal Freon Gidara trudder, fr. 498, xorapoie rola abroiow EuPalvousy re xal obs dy- fairoper, cluéy te xai ote ener. Schon der Klang dieser Worte verrat, wie sie auf eine eigene ganz intensive Erfahrung zuriickgehen, wie das Gefdhl sich darin verdichtet hat von den immer neuen Wassermengen, die die Haut des Badenden streifen'). Nicht ein kabler Beobachter hat diese Bewegung gesehen, sondern der ganze Kérper hat sie gesplict, Und wo Heraklit sonst von der Veranderung in der AuGenwelt spricht, hat er auch nie eine Bewegung beobachtet, liegt ihm nie an der Feststellung eines physikalischen Vorgangs. Sagt er jera- Baliew sich wandeln*, so steht als Gegensatz dazu dvanaveodar stich ausruhn*, und der Wechsel ist thm ein jerasinrer — das ‘Umschlagen einer Stimmung in die andere. Die Gegensatze, von denen er spricht, sind immer ,lebendige* Gegensatze. Sie heifien Lust und Tod, Wachen und Schlafen, Hunger und Sattheit, Kalle und Hitze, Alter und Jugend, Krankheit und Gesundheit, Frieden und Streit — von diesen Gegensatzen, die er immer neu und lebend erfaiit, geht er aus, von hier erhalt seine Sprache die FUlle der Bilder, Wenn man die Heraklitischen Frag- mente aufmerksam durchliest, ist man Gberrascht, wie stark alles, doch immer etwas Unculingliches fir ihn, daa ibm nur deswegen inter- essiert, weil es in der Sphiro des rein Logischen etwas bedentet. Diese Frage nach der philosophischen Bedeutung des Hernklitischen Systems soll in diesem Versuch nicht berdhrt werden, ja kaum dic geschiehtliche Frage, die uns noch mehr am Herzen hiegt, wie sich in dem Denken Horaliits das Bewulitsein von einer solehen aeitlosen Sphiire der Be- doutung Lindurchringt. DuG die Arbeit doch, wia ich hoffe, die Richtung auf das philosophische Problem ,Heraklit* hin nieht vermiscen liBt, danke ich yor allem den Anregangen, die ich durch Joseph Kénig raindlich und brieflich, jetet aber sueh durch sein Buch ther den ~ Begriff der Intuition*, Halle 1926, erhalten habe. 1) ef die schone Bemerkung bei Herm, Frinkel, NGG 1924, 107,2. DIE SPRACHE HERARLITS 337 was er sagt, wirklich auf eigener Empfindung beruht. Gar zu leicht Uberhoren wir, wie sehr seine Worte von dem Erleben ihre Kraft erhalten, und sind immer wieder versucht, seine Gegentherstellungen als nur logische Gegenstze aufsufassen. So lautet ein Fragment (226): ré puyod Pfoem, Veoudy yizerar, tyodr abaiveras, xagpaléow vorilera:. Diels Gbersetat: ,Das Kalte wird warm, ‘Warmes kalt, Nasses trocken, DOrres feucht.* Da sind die Gegen- sitze auf tote physikslische Begriffe gebracht. Sehen wir uns aber dic Sprache Heraklits genauer an, vergleichen wir, welcher Sphitre die von ihm hier gebrauchten griechischen Worte entstammen, 50 bersetzen missen: ,Das Kalte erwarmt sich, Warmes Feuchtes vertrocknet, Dirres wird benetzt. Der Satz geht aus von der Empfindung flr den Wandel in der Natur, von den ganz ktrperlich erleblen Gegensitzen, Die Worte sind durchaus nicht die des ttiglichen Lebens; sondern ent- stammen zum Teil der epischen Sprache *), stehen also der ab- strakten Begrifflichkeit besonders fern, sind vielmehr stark gefthls- betont. Wenn Heraklit sagt: Das Kalte erwarmt sich, so fahit er sich gleichsam ein in die Wandlung, wie sie das Objekt erlebt, steht aber nicht vor ihm wie ein registrierender Beobachter, der das Naturgeschchen einspannt in die begriffliche Skala von kon- triren Gegensiitven, wie man nach Diels’ Ubersetzung annehmen michie. Und solehe Beispiele zeigen, wie die ,poelische* Sprache Heraklits kein wuBerlieh aufgesetzter Schmuck ist, sondern vielmehr der adlquate Ausdruck fiir dieses Sich-Einleben, Es gill Oberhaupt for Heraklit, da& er die Sprache durchaus als ein Empfindender handhabt, sie aber nicht so sehr nach der logischen Klarheit hin entwickelt. Es genigt, darauf hineuweisen, wie er Teile von Versen in seine Rede einflicht*), wie er durch Gleichklinge auf das Gefth) 1) xoppakios (N'409 u, © 369) ist der Prosa sonst gaus fremd, vorite (nhomerisch, erst Aisch, f44, dann Aristoph. Thesm, 857 io Euripides Parodie u. im. 74C) und Sépcuae (Homer, Aristoph, Pl, 953, Plat. Phil. 46C) sind in der Frosa selten, — Za wenig prignant wird auch fk. 4 die Vernunfi, die alles und jedes au lenken weil, yrdyn, érin txvBiernoe adva da névtoor ist viel anschaplicher und bedeutange- Der Witle (PhU XXIX $5 Anm. 1 u.6; Ed. Schwartz, Gnomon 11 68), der alles durch alles hindurch lenkt. 2) ZB. der HesameterSehius am Ende von fr. 5 (cf. Norden, Agnostos Theos 88), — Man vergleiche, wie dagegen in den herak 858 B. SNELL wirkt und dadurch cin gewisses Schweben der Sprache erreicht, das der begrifllichen Deutlichkeit, einer kalten Schiirfe, geradem entgegenarbeitet, Seine Antithesen') dienen nicht so sehr det Herausarbeitung der logischen Gegensitze, als vielmehe der Ver- stirkung des Empfindens, wie man schon daran sieht, daft er den- selben Gegensatz Intullg variiert, ohne ihn auf eine abstrakte eigent- lich beweiskriftige Formel zu bringen®), Aber wenn wir hier von Empfinden oder Exleben sprechen, so schleicht sich damit zugleich eine moderne subjektivistisch ge- firble Auffassung ein, die dem Antiken such wieder grobe Gewalt antut. Wir Kénnten schon hier einfigen, dali Heraklits Stellung aur Welt am doutlichsten durch das Wort avveévar gekennzeichnet ist, wie wir es frtther einmal zu beschreiben unternommen haben *) — wenn nicht eben diese ganze Arbeit auch nur wieder darauf hinaus- ginge, ebendies griechische ovvidva: in seiner Eigenart an dem einzelnen, an Heraklit, verstehen mu lernen. So sei denn vorliufig nur gesagt, da wo hier von Erleben oder Empfinden gesprochen wird, nie etwas nur PersGnliches gemeint ist, sondern Uberlaupt cin ,als lebend Auffassen‘, das Heraklit von einer rein wissen- schafilichen Betrachtung scheidet. Nicht als Wissensehaftler, sondern viel cher als Kanstler sagt er (fr. 74): ,Man soll nicht handeln als Kind seiner Eltern.* Das Erleben der Welt ist thm das Wichtige, nd das muf von jedem neu vollzogen werden; und so sieht es auch mit der Lehre, die er verklindet — sie verliert ihre Kraft, wenn sie wie ein wissenschatt. liches Gebiude woltervererbt wird, an das jeder cin Stdcklein an- bauen kann, Seine Sie bedeuten nur fr den etwas, der sie ganz von sich aus nacherleben kann. Die ganze Kosmologie Heraklits herult so auf dem Anschauen Iebender Gegensttze. Auch die Lehren, die wit nur als ‘Theorien fiber die Vertnderung der Materie in der Welt anzusehen gewolmt sind, und die uns als solche von der Doxographie tberliefert werden, gewinnen ein ganz anderes Ausschen, sobald wir einmal ein Bruch- stick davon in Heraklits eigenen Worten haren. Heraklit hat, so wenden ‘Teilen der Schrift x. dwer. die Rhythmen und gorgianischen ‘Figuren Golerlich aufgeklebt sind, um ,heraklitisch™ 2 witkon. 1) Beispivle vei Norden, Kunstprosa 118. 2) ef. Howald, Anfinge d. europ. Philos, 28, 8) PRU XXIN 4806 DIE SPRACHE HERAKLITS 359 wird uns berichtet, gelehrt, dai die Materie in stetem Wechsel ist, daé die Erde zu Wasser wird, das Wasser zu Feuer und das Feuer sich dann wieder auf dem Wege hinab Ober Wasser in Erde ver- wandelt. Und nun heifit das fr. 81: xvgds rgoral apcror adacaa, taidoons db x0 piv ijmon 7, x0 8 fyuov monanjg. ,Des Feuers Wende ist zuerst das Meer.* Das Bild ist genommen von der Sonnenwende, den (div) rgonai*). Wenn der eine Zielpunkt 1) tgoxat heift niemals ,Wandlangen*, wie Diels dbersetst. Bei Herod. VII 167 ist tga) die Flucht, die Wende, und so ist. rgozal (atets Plural!) die Sonnenwends (enerst 0404). Ebenso heifit zéroda: nie sich wandeln« — hdchstens kann man es bei plotelichen Verinderungen, »Wendungen* sagen —, 2B. zodg (N 279), ries (P 546), gov (K 45), oadly (3.200) rpézera; dann ist gx = perantaiscy jumseblagen*, ef, auch spor = perafol) Aristot. Politic. 31a 17. — Aristot. sagt allerdings such Phys, 17, 190b 7: pipreeas 02 ra yryrdqera ye. th pdt oes ta & Gilowiocs, olor vie teeaduera ward ty Eye —, aber aueh das ist schon hilosophisehe Fachsprache (sam Ende diesor Anm, uber Demokrit). Erst in opater Literatur kommt in ihnlicher Bedgutung auch ream} v bildet jedoch keine ,Belegstellen* fur unser Fragment, wir baben vielmehr eine spite Interpretation desselben iu sehen. Denn dieser Gebrauch gebt anscheinend aus von Poseidori érlebte: Schol. 2. Arut (p. 546, 16 Mi raz gators atti xai adlw daltons rooms yives Plat, de fae. in orb, lanae 889F: afin: ce gurdw ... sgoaai xat dxiace: ofvew (ef. Reinhardt, Kosmos und Symp. $. 40). Adtiur p. 820025 u. WS2 Diels: dx pig doutcews oxoczelar nal ryoxis wal draitioees (ef, Reinh, 1.c.8, Ant). Sext.adv, phys.179 und Kleomedes p.178 Ziegl: roenal dépor (Reinb, Lc. 491) (ef, Kleomedes p. 112 2: dbds res xcivor, gnoiv Hodxiat- tor... 8° Fins (vis) obaiag rpéxeober wad werapdiier nepoxvlar — nach Roinb, |, ¢. 107 u, 163 ebenfalls aus Poscid,), — Stob, Hel, 1 17,3 p. 152, 21W = Arius Did. fr. 98 Diels aber Zenon (Stoic. vet. fr. 1 25, 14) sear ix awpéc teen} (Singular!) ds Goo Je dégos yéryran... (deut. liche Abbingigkeit vom heraklitischen Sprachgebrauch! Ebenso:) Stob. Esl, 110, 166 p. 130, 17W = Arius Did. fr. 1 Diels aber Chrysipp (Stoie, vet. fr. IL 187, 2): ...9} dibeos diranes gto Ezoven voubegr, dere abniy ste suveiv dees api [pip] vv toy mal dd wfc toons dow advey xirekey. — Diog. b. 111 (= Vors. 6) B 6): derois xara dégos toni dxoreheioar. Tim. Lock. x. yexds xdow@ 1020: ai ra alates rgaaal wad dioccoues, Das interessante Problem kann hier nicht weiter verfolgt werden, — room ist bei Leukipp (AG) und Demokrit (488) die ,Wendung* eines Buebstabens (von Tzu FY). Auch in den compositis hat rgary stets die Bedeutung Wendo: xgoorganj das Sich-Hinwenden (ex den Gattern) Aisch. Pers. 216; dxorgom) Abwendung id. 217; dvargony das Umetiraen id. Bum, 396; wetareon} Wendung, Umsehwang, Eur, Andr, 492; fugom} 360 B.SNELL erreicht ist, muf das Feuer gurlekbiegen zuerst zum Wasser — aber gesagt ist das, ohne diesen physikalischen Prozels zu schildern als cinen Ablauf in der Zeit. Er ist vielmehr ganz auf dem er- regenden Moment der Spannung und des Widerstreits zusammen- getogen: Des Feuers Wende ist das Meer), Und charakteristisch ist es dann, wie Heraklit den Gedanken nicht logisch weiterfahrt: vom Wasser geht es wieder mr Erde und von da wieder zurlck zum Wasser — sondern sowie der Blick auf das Wasser gerichtet ist, sieht er den Doppelchsrakler dieses Wassers, von dem die eine Hialfte auf dem Wege hinauf, die andere auf der Bahn hinab ist. Des Meeres eine Halfte Erde, die andere Halite leuchtendes Wetter.* Das Wasser wird nicht in seiner Ideotitit als Element gefaSt (be- zeichnend ist schon das anschauliche Sddacoa), sondern in seinem Doppelwesen. als aufsteigendes und hinabgehendes. Und cin anderer Satz, in dem wir mit Heraklits eigenen Worten von dem ewigen Kreislauf horen, lautet (ft. 60): ddde fw xéro pia xai cur}, Der Weg hinavf hinab ist ein und derselbe.* Auch hier wird also nicht der Vorgang in seinem Ver- lauf geschildert, sondern unabhiingig von allem Physikalischen rein der Gegensatz in der Einheit hervorgehoben, wie er dem Erlebnis gegenwartig ist”), Und schliefilich am deullichsten wird dies, wenn er sagt (fr. 36): yuzzjow Pavatos Gdag yeréodar, Tdan d: Pdvaros piv yerlotiar, tx vie dé fdmg yivera, #8 Gatos dt ywyj. .Far die Seele ist es Tod, Wasser zu werden* — das heifit aber zugleich, urepr. Zawendang; éxorgoas} Ruckfall einer Krankheit Hipp. Keax, apoyy. 400 (V 674 1); drartorgosy (2) Diog. L, IX 7 (Vors. 124 1); aaraxgorj usw, 1) Diese Erkenntais verstirkt die Argumente Reinbardts (Par menides 177 1), Heraklit habe die éerigewoe nicht gelebrt. Da uns bier das eigentliche Systom Heraklits nicht interessiert, kana auf dieso Frage nicht weiter eingegangen werden, Das methodisch Wiebtige und Fraclt- bare an Reinhardts Darlegungen, das noch nicht goaug Geltung ge- wonnen hat, ist, daf er von der Frage ausgeht: Was aus der doro- graphischen Literator int sweifellos abgoleitet aus uns exhaltenen Sitzen und bat daber fir unsere Erkenntnis Heraklits als wertlos auseuscheiden ? 2) Cassirer, Die Philosophie der Griechen, 8. 26 (im I. Bd, des von Dessoir herausgegehenen Lehrbuchs der Philosophie): Die Mabe des Werdens, von denen Heruklit spricht, sind im Grune nur gefihlte Mae — Auch fr. 12 xai yezal 82 dxd rebe tygdv drabyycdvrae zeigt nicht den Prozef, sondern gibt mur das Bild von dem Dunst, der zu- gleich Wasser und Seele ist. DIE SPRACHE HERAKLITS 361 was fir uns unberselzbar ist: ,FUr die Seele ist es Tod, daf das Wasser Leben annimmt — fir das Wasser ist es Tod, Ente 2u werden (auch wieder zugleich: dafi die Erde zu leben heginnt) —, aus Erde aber gewinnt das Wasser Leben, und aus Wasser die Seele* 1), Auf den ersten Blick muf es da merkwirdig scheinen, dai Heraklit, obwohl seine Anlage so sehr allem eigentlich Naturwissen- schafilichen enlgegengesetzt war, trotzdem so viel Denken an sein kosmologisches System gewandt hat. Viel weniger erstaunt sind wir, wenn wir Satze bei ihm finden, wie (ff. 101) ,Ich habe mich selbst gesucht* und (fr. 45) ,Der Seele Grenzen kannst du nicht ausfinden, auch wenn du gebst und jede Strafie abwanderst — so tiefen Sinn hat sie.* Aber wenn wir nun zwischen seinen Satzen Umschau halten, was er auf der Suche nach sich selbst gefunden und was er auf dem weiten Feld der Sele entdeckt hat, so finden wir gar nichls, Wir stellen fest, daft seiner Sprache noch durchaus die differenzierten Begrifle flr die seelischen Dinge fehlen, Heraklit geht bei seinem Denken aus von den Zustinden des eigenen Ich, aber dies Ich ist nicht eigentlich Gegenstand seiner Reflexion, sondern es wird hinaus- projiziert und steht ihm dann als etwas Fremdes, als das Verbiiltnis von Dingen der Aufenwelt zueinander gegendher. Hieran wird uns besonders deutlich, dai das, was wir seine Empfindung nennen, bei ihm nicht etwas Nur-Subjektives ist, wie wir bei dem Wort denken kénaten, Die Erlebnisse, von denen er spricht, sind far sein Bewulitsein von auGen an ihn herangetreten, und so ist denn fir ihn das Denken Uber Erlebnisse fast ganz rein ein Denken aber die Aufenwelt. So stellt er nebeneinander (fr. 67): ,Gott ist Tag Nacht, Winter Sommer, Krieg Frieden, Sattheit Hunger.* Wie dranfen Nacht ist, in die man hinausgehen kann, die einen umgibt, wie Sommer ist oder Frieden herrscht, so da man in Frieden Jeben kann, so ist auch der Hunger etwas, das einen quilen kann, unter dem man leidet — etwas, das von aufen an den Menschen herankommt, Anstait von Spannungen des Erlebens mu man 1) In Diels’ Fragment 76 wird man nur eine stoische Umbildung und Kontamination von ff. 98 und @2 20 sehen haben, bei der der Gegensatz swisehen dem Gdvaros und yeréodas, der dem spliten Sprach- bt mebr recht Iebendig war, von neuem hervorgekehrt ist Zeller*, 850). 862 B. SNELL also bei Heraklit richtiger — herablitischer —- von Spannungen des Kosmos reden. So verleugnet er deon auch nicht, obwohl ihm der unsichthare Zusammenhang mehr gilt als der sichtbare (fr, 54), die Erkenntnis der AuBenwelt, Ex sagt sogar ausdritcklich (Ir. 85): Samy dies dro} uddnoc, radia éyéy mgonuéo. Was man sehen, hibren. erfabren kann, das gilt mir mehr*') — mehr offenbar als jede reine Spekulation — (also etwa theologische oder mathematische). Und dann heifit es (fr. 10La): SpOadpol yao tar draw dxgc- éorepor ydotypes. Augen sind zuverlssigere Zeugen als die Ohren.* Dieser Satz ist nicht etwa gleichgaltig fir die Aulfassung Horaklits. Es liegt nicht mur der trivile Sinn darin, da man das, was man selbst gesehen hat, zuverlissiger weif, als was man nur vom Harensagen kent). Dem Ausgehen vom Erleben bei Heraklit hatte es durchaus gemif sein kUnnen, den Augenschein au verwerfen, und die Weiterentwicklung der Heraklitischen Logos- Iehre hat Beispiele genug dafir gebracht, wie man das ,Wort* boher achten kann als alles Sichtbare. Und im letaten Grund ist auch Heral Weltbild it bestimmt durch die Erkenntnis der Audenwelt (ft. 107): xaxol udoruges dvOgcinoims Sepiazpoi xat Gra fappdoovs yuzis eydrvar. ,Schlechte Zeugen sind den Menschen Augen und Ohren, wenn sie eine Barbaren-Seele haben.* Barbar ist der, der das Griechische nicht versteht — und 0 soll das hier heifen: Wenn die Sele nicht die Zeugenaussagen der Sinne versteht, Leteten Endes ist also die geistige Auseinander- setzung mit der Welt ein Verstehen — das avviévai ihrer Gegen- sitze, Das bloBe Erkennen, yryvdoxeu, kann bis zu diesen Tiefen it vordringen *). Die Welt als Vorstellung — um einmal in Schopenhauers Sprache zu reden — interessiert Heraklit im Grunde nicht. 3) Wir baben daber auch vom Inhalt aus keinen Grund, an der Echtheit von fr. 85 zu aweifeln, 2) Wi in den von Diels ad |. herangezagenen Stellen. 8) of PLU XXIX 664. ,Brkennent kann fiir Horaklit héchstens eine gottliche yriuy, menschliches ysyreiaxerr bleibt immer im Unzuling- lichen stecken — aber darin zeigt sich, wie schwach in ihm der Impuls sum ,Erkennen* war und der Glaube, damit an ein wertvolles Ziel zu gelavgen. Eine Resignation gegenuber dem ihm wesentlichen Wissen liegt Heraklit durchaus fera DIK SPRACHE HERARLITS 363 Und das Erkennen der Welt stand zu Heraklits Zeiten noch auf der archaischen Stufe, sich vor allem der Fulle des Sichtbaren zu freuen, Gegen diese Vielwisserei, forogiy und moduuadiy, wendet sich Heraklit. Aber trotadem achtet er als Gtieche das sinnlich Gegebene, denn nur in diesem sinnlich Gegebenen erfaft er sein Empfinden. Wie ihm der Zwiespalt des Erlebens als Spannung des Kosmos gegeben ist, #0 sucht er auch — wie weiter unten noch saber auszufthren ist — die Einheit als kosmisehes Prinzip zu be- greifen, Wieweit ist er aber nun doch zu dem Bewultsein gelangt, in seiner Seele das eigentlich Tiefe und Entscheidende 2a besitzen, das es zu ,verstehen* gilt? Die Seele hat far ihn einen Logos, der sich selbst mebrt (fr. 115) und im Erleben immer tiefer wird, 0 dal man scine Grenzen nicht aufspiren kann (fr. 45), der wie ein Orakelwort seine Deutung sucht (fr. 101). Uber die Seele weil er nichts anderes auszusagen, als dafi sie geheimnisvolle Tiefen hat — es ist kein Wissen da, das in dieses Dunkel ordnendes Licht trigt. Aber damit, daf das eigene Innere als cin Ritsel aufgefaft wird, daB das Ich zum erstenmal als Problem erseheint, ist die alte mythische Auffassung Uberwunden. Die Gegensiitze des Empfindens wurden von der alten Lyrik als Eingriff der Gottheit aujgefatit, dem der Mensch willenlos preisgegeben war, Gegen diese Aulfassung spricht Heraklit susdrUcklich fr, 119: jos drOpca daizer. Dem Menschen ist sein Ethos Gott. Er wird nicht mehr durch den gittlichen Eingriff von aufen bestimmt, sondern durch sein Ethos’), Was heifit nun Ethos ftir Heraklit? Das Wort kommt noch einmal in den uns Gberlieferten Stitxen vor (fr. 78) ior pig dvBgdzetov obn Tyee yrdpas, Getov dF tye. ,Denn das mensehliche Ethos hat keine Einsichten, wohl aber das got: liche.* Die Sitze scheinen cinander 2u widersprechen. Zumachst aber bezicht sich das zweite Fragment auf die prduas, die Erkenntnisco, 1) Es ist auflerordentlich lehrreich, Pindar Nem. VIL 35 20 ver- gleichen, worauf R. Pieiffer mich reist. Pindar betet mu Zeus um ein hestimmtes Ethos. Das Ethos ist ihm noch etwas von aufen, von Gott Verliebenes, aber dies Bewulitacin yon dem Ethos des Kinzelnen reicht schon dicbt au das Heraklitische heran. — Ober weitere Ent- wicklung des von Heraklit ausgesprochenen Gedankens s, Wilamowits, Monanders Schiedsgericht 8, 1121 964 B. SNELL und zeigt nur noch einmal, dat Heraklit das menschliche y.yaoeey, das eigentliche Erkennen der Aufenwelt far unzulanglich halt. ios ist hier olfenbar die menschliche Eigenart. ,So wie der Mensch nun einmal ist, kann er die Welt nicht erkennen." In welehem Sinne ist nun aber dies sos fr den Mensehen an Stelle des Gotilichen getreten? Man abersetst joc hier gewohnlich mit Charakter. Aber +Charakter* betont im Deutschen immer den ,Willen*, Yon dem eigenen Wallen und Handeln des Menschen spricht Heraklit aber nirgends. Es hat sich fir ihn noch nicht in dem Sinn das Indi- viduum. herausgelést, daft es ein spontan aus sich heraus handelndes Ich gibe. Diesen Bezug sum Wollen und Handeln hat #os aber auch gar nicht, Auch in dem andern Fragment kOnnten wit } 0s nicht mit Charakler wiedergeben, .Das Ethos hat keine Erkennt- nisse.* jjGog ist urspringlich der gewohnte Aufenthaltsort fir Menschen und Tiere, das Bewohnte und das Gewohnte. Die #0ea eines Volkes sind bei Herodot das, was bei cinem Volk Brauch ist, seine Kultur. Hermes soll bei Hesiod Opp. 67 den Menschen xtvedy te vor xai tnixionor fiog geben: Da ist avch nicht mehr gemeint, als was wir mit Abstrakten ausdricken worden: Unver- schimtheit und Schlauheit. jog ist die Art. Die Eigenart der einzelnen Menschen ist ihr Gott. Und bei der ,Eigenart* werden wir hier nicht ober den Kreis dessen hinaus- gehen darfen, was in der Sphire des Erlebens liegt, von der aus, wie wir gesehen haben, die Weltauffassung Heraklits bestimmt ist. Aber mit dieser Einsicht sind wir Heraklits Sinn auch noch nicht niher gekommen. Wo Heraklit vom Handeln des Menschen spricht, ist dies immer an das téyew geknipft*), also immer in der Sphare des Logos — und in dieser Richtung werden wir nun doch aber das blofie Erleben hinausgewiesen. Und wie wertrigt es sich, dafi des Menschen Ethos sein Daimon ist, damit, daf Heraklits Erleben sich so wenig als ein Innen, sondern ganz als ein Aufen darsellt? Ja, ist der Logos denn Oberhaupt etwas Menschliches oder AuSermenschliches? Damit_ kommen an das meistumstrittene Problem der Heraklitinterpretation: Wie ist der Satz 2u verstehen, der zu Anfang So. richtig hervorgeboben von E. Hoffmann, Sprache und arehoteke Lape " DIE SPRACHE HERAKLITS 365. des heraklitischen Buches stand: diesen Logos verstehen die Menschen nicht. Die Frage: heift Logos hier , Wort" oder ,Weltgesetz"? ist matarlich ganz falsch gestellt. In Wahrheit hat Logos nur eine Bedeutung — die sich nur nicht mit dem Sinn irgendeines deutschen Wortes deckt, Bei einer Ubersetzung sind wir also immer vor eine Wahl gestellt. Aber die Interpretation muf die Einheit dieses Wortes zu verdeutlichen suchen. Logos ist das Wort, soweit es sinnvoll ist; Aéyew ist: etwas meinen. Und wie wir im Deutschen nicht nur sagen: ich meine etwas 2, B, aber eine Tatsache oder ¢in Ding — sondern auch: diese Tatsache meint dies oder das — im Sinne von ,sie be- deutet* —, so ist das Aéye auch nicht lediglich das sinngebende Reden des Menschen. Aéyex; es bedeutet — ist eine uns geltiufige Obersetzung. Und ebenso ist Logos nicht nur die sinnvolle mensch- liche Rede, sondern auch der Sinn, der in den Dingen raht, der zu uns spricht und uns die Dinge bedeutungsvall macht. ‘Man muti sich in diese Eigenart gerade der fruhen griechischen Worte, die so hiufig Auffassendes und Aufgefaites umschliefien, ‘nur einmal hineinfinden, und man wird verstehen, wie Logos nicht nur das Worl, sondern auch den Sinn mitbegreift®). Und dieser Sinn gewinnt fr den Griechen Realitit wie ein sichtbares Ding, Uyor Uéria déyew segt man im Grechischen. Einen Sinn sagen, der da ist, der wirklich vorhanden ist (wir worden Gbersetzen: etwas Wahres sagen?) Und so beginnt Heraklit sein Werk — 1) So im wesentlieben schon Zeller; dann Stenzel (63; of. PhU XIN 484, 2) Bs int das gleiche Incinanderfiefen von Realitat usd Wabrheit (und das heifit nack Schopenhauer Wa Wu V, Reclam 1920158: Ver. stand und Vernonft), von yyraoxew und ormivar, wie wir os schon oben 8.362 gefunden baben — und awar gewinnt die Sehsphiire, wie regel- wiig im Griechischen, dabei den Einflub Ober die Horaphiire. (ef PhU XXEX 26,1; au der dort als dom Deutschen fremde Ubertragung ron der Sehsphiro anf die Horsphiro beccichneten Wendung .eine helle Stimme* bemerkt mir Hermann Prinkel, dai hell aberbaupt su ballen gebort und im Mhd. noch reines Klangwort ist. Wenn wir im Nhd. also -helles Licht* sagen, so ist das die gleiche Ubertragung, wie wenn 2B, Rilke sagt: bis in ihren Scho® das polyphone Licht der lauten Himmel sich ergiefit.. Und Abnliches ist im Deutschen auéeronientlich hidullg (Typus .Farbten*), wilhrend sich im Griechischen die umgekehrten XXIV (1821) 366 B, SNELL wohl nach einer Einleitung wie ‘Hptizleos rade Adyer” rob Aéyou robde Brtog del dbtvexoe SvPowaor yivovea. Diesen Logos, der Wirklichkeit hat, werden die Menschen nicht verstehen**), Dieser Logos ist natdrlich zuerst die Lehre des Heraklit, die er vortragen will. Aber dieser Logos hat Wirklichkeit, Ex ist mehr als eine Meinung des Heraklit. Es ist der Sinn, der in der Welt liegt, der der Welt erst ihren Gehalt gibt — man mag immerhin mit spiterer Terminologie etwas wie eine Wellvernunft darin sehen, muB dabei aber jeden Gedanken an eine gerechte Ordnung oder an die Gesetzlichkeit der Natur fernhalten ?). Heraklit hat selbst die Spannung gespiirt, die in dem Wort Logos liegt, indem es zuniichst die ganz personliche Auferung, augleich aber auch den Uberpersbnlichen Sinn bezcichnet, Er sagt Falle (Typus ,Klangfarbe], wie einige a.a. 0. genannt sind, leicht hijufen lassen.) 1) Die Frage, die schon Aristoteles Gel 20 divrog gehdrt (der ewige Wirk it hat Msen kénnen. ob hhat*) oder za db éreroe, Doch neige ich eher der eweiten Auffassung au (eo jotut auch K. Reinhardt, Kormos und Symp. 198): das def scheint mit dem sat zpéoder jer aufgenommen sa werden (hei der oben gegebenen Erklérung des éir fallen die Ein- winde von Capelle [d. Z. 1924 (59) 192ff] fort). DnB Arist. sich fur die altertimliche Ausdrucksweise nicht mit Bestimmtheit entscheiden konnte, wire gut 2u verstehen, Der ganze Bau des Fragments stellt sich dar als ein immer wieder- holtes Zerfallen in Gegensitze und stets neues Zusammenschliefen zur Einheit: so ungeftihr ist das Scher: Der Logos ist... die Menschen stets téricht vor dem Horen nach dem Horen; alles geht nach dem Logos.... die Menschen unerfabron trote der Erfahrong in Worten und Taten, seee eh aber rerlegend deutend s+. sie wie es sich verbalt,....die ander aber wachend schlafend. 2) Sehr richtig betont Gomperz, Wien. St. XLII 120 Anm., da man keine Zweekm: in der Planmabigkeit bei H. schen darf; ef. W. Theiler, Z. Geach. d. teleol. Naturbetr. 8.5, 2. DIE SPRACHE HERAELITS 367 ¢inmal; Nicht auf mich hort, sondern auf den Logos usw. Wir yerderben die eigentimliche Prigung des Gedankens, wenn wir ‘Sherselzens nicht auf mich hort, sondern auf die Weltvernunft, ip, er will sagen: Dieser Logos, den ihr verstehen sollt, ist nicht etwas Willkirlich-PersOnliches von mir, sondern er ,ist* — er ist ‘Sinn, Bedeutung, das Tiefste und Eigentlichste der Welt, Und solch ein Satz zeigt, wie wenig Heraklit ,Individualist* ist, Frel- lich, er sondert sich stolz ab von den dbrigen — aber er will nicht sich, sondern fahlt sich gerade gebunden an das Allgemeine. Immer wieder betont er ja, es gillte dem Allgemeinen zu folgen — die Toren nur wenden sich ihrer eigenen privaten Welt zu. Die Legitimation seiner Wahrheit sucht er nicht darin, da er sagt, ich hin klger, sondern darin, dai er sagt, das bin ich gar picht, das ist etwas Allgemeines. Die Scheidung von Ich und Nicht-Ich, awischen erkennendem Subjekt und erkanntem Objekt, ist yon ihm gar nicht vollzogen. Diese eigentfimliche Spannung, die wir in dem ‘Wort Logos gefunden haben, kehrt nun auch sonst in der Sprache Heraklits wieder. Auch die Gbrigen Bezeichnungen, die Heraklit fir dies ein- heitliche Prinzip in der Welt verwendet, an das er glaubt und das ex lebrt, zeigen dies doppelte Gesicht. Die yredpy, die Erkenntnis, oder 16 copéy, das Weise, wie in andern Satzon die geistige Einheit der Dinge bezeichnet wird, setzen immer in der Welt , das nach dem menschlichen Geiste geformt ist. er lift sich dieser Anthropomorphismus nie Gberwinden, wo die Philosophie sich um ein Verstehen der Welt moht. Aber far Heraklit ist bezeichnend, da dieser Anthropomorphismus noch ganz naiv und spontan vollzogen wird. Die ganze Welt lebt ihm nech — wenn auch nicht mehr in cinzeinen mythologischen Figuren, so cher doch als cine gewaltige lebendige Einheit, ohne dab er sich Ober dies Erlebnis kritische Rechenschaft ablegte. Ein einziger Sinn umschlieBt den Menschen und die Aufenwelt. ‘Aber noch eine andere Spannung liegt in dem Logos des Heraklit, und damit kommen wir auf das eigentimlichste Problem seiner Sprache. Wir haben gesehon, wie Heraklit ausging von erlebten Gegen- siitzen. Sollten all diese Gegenstitze, die der Welt erst das Leben gaben, in einem einzigen Loges, einem einzigen Wort und Sinn gefalit werden, co muBte dieser Logos in sich selbst diesen Wider- 368 B.SNELL spruch tragen, als Sinn, der mugleich seinen Gegension um- sehlieBit, Wenn wir mit der Sprache ein Ding benennen, es mit einem Namen bezeichnen, so heben wir es damit als ein Einzelnes heraus aus dem allgemeinen Zusammenbang und isolieren es, Wenn wir den Tag ,Tag* nenneo, 80 zerschneiden wit den Zusammenhang mit der Nacht, in dem allein uns der Tag erst gegeben ist und durch den wir den Tag erst als Tag erlehen. Der Gott ist Tag Nacht, Winter Sommer, Krieg Frieden‘, sagt Heraklit (fr, 67), er wandelt sich wie das Feuer; mischt sich dies mit R&ucherwerk, so gibt man ihm einen Namen nach der jeweiligen Erapfindung — (nach dem Geruch).* Der Name hebt nur eine Erscheinung gesondert heraus‘) und zerstirt darum das Wesentliche. Und darum ist der Gott sowenig in einem Namen zu fassen wie das Feuer, wenn man es Myrrhen oder Weihrauch nennt. Die religidse Spekulation der damaligen Zeit bemohte sich allerdings, gerade aus dem Namen des Gottes sein Wesen au er- fassen, So brachten sie den Namen des Zeus, Zqrde, mit fijy sleben* zusammen, und diese Ausdeutung dient der Erhthung des Namens*), Fitr Heraklit gilt es gerade, den Namen zw zerstoren {und damit auch die enge Auffassung des Gotllichen, die sich an den Namen kndpi). ,Das Weise will und will nicht mit dem Namen des Znvd¢ genannt sein* (fr, 82), denn es ist Leben und Tod — aH und Dionysos ist ein und derselbe* (fr. 15). 1) Stellt durebaus nicht das ,Vereinigen im Logos* dar, wie Hof inavn, ,Die Sprache und die archnisebe Logik“ 8,5 will, Indem Gegen- satz des Logos rum Grow liegt das fruchtbare Problem der Sprach- betrachtung Heraklits. Von einem bewoliten Gegensatz awischen Loges und Zo; im fr. 1 darf man nicht sprechen. Das Problem, ob ein Wort ablofer Schall* sein kann, hat Heraklit sich noch nicht gestellt. Es handelt sich vielmehr um den Gegensatz zwischen ior und Ferd. Dabei ist die Bedeutung des iéor — im Anschhuf an Cassirer, Philosophie d, aymb. Formen 1.572. — von Hoffimana durchaus richtig hervorgeboben. — Dber den Namen als das Isolierende gl. Cassiter, Sprache u. Mythos 47. 2) Man vgl bei Aischylos die Ausdeatungea der Namen Apollon (er ist wirklich cin da-dtia>* Ag, 1081) und Helena (,sie ist wirklich eine Zé-rave* Ag. 689); er sucht immer das loér (Se, 405 u, 829) oder Enjromor des Namens (Ag. 681). — Weiteres bei Nestle, Philologus LXIV (1905) 382¢, DIE SPRACHE HERAKLITS 369 So sucht denn Heraklit die Sprache als Namengeberin zu Uber winden. 1 oby wig dou Plos, tgyor dt Pdvaros (ft, 48). +Des Bogens Name ist Leben, sein Werk (= die Wirklichkeit) aber Tod.* Der Name sagt also das Gegenteil von dem aus, was das Wesentliche ist. Und dem split Heraklit nun nach, wo in der Sprache die Eindeutigkeit des Namens aufgehoben erscheint und der Name so zum Logos hindberweist, der Sinn und Gegensinn umspannt. Aus den vielen Wortspielen, die diesen Doppeleharakter dec Sprache beleuchten, kénnen wir entnehmen, wie sehr ihn die Ent- deckung begltiekte, dati der Logos tatsachlich das Unmiégliche leisten kann. Diese Wortspiele sind niemals leeres Spiel, sondern beleuchten immer diesen tiefen Punkt in Heraklits Anschauungen *), So sagt er (fe. 28): Soxéorsa yde 6 doxuciaros ywrdaxer — nur eine Ansicht ist auch die Erkenntnis des Angesehensten — auch der Glinzendste erkennt nur Schein, Im doxeiy liegt der Doppelsin,, da die Geltung der Erkenntnis darauf beruht, dafi sie sangenommen* wird — die Bedeutung des Wortes kippt genau so um wie in dem Satz dher den Bogen, und es springt dabei die Einsicht heraus, wie lippisch das yryrdaxew der Menschen ist. Genau so in fr. 25: pogo: pig wéloves uéoras woigas dayyd- rvovow, GrdGerer Tod erlost groferen Lohn. Je grisfier der Unter- gang, desto gréfer ist die Erhebung. Grofier Tod heift grobes Leben, diese Rinheit spricht sich schon in der Sprache aus — in dem Stamm des Wortes pégos, wenn man ein kaum hirbares Jota dazu tut Oder fr. 20: yerduevar Cabew 20love pigovs t' Lyew, pdiloy 5 dvanateodar, xat naiéas xaraisixova pégovs yevéada. ,Da sie geboren sind, mehmen sie auf sich zu leben und den Tod 2u haben — vielmehr auszuruhen — und Kinder hinterlassen sie, dai neuer Tod wird*, — dh. zugleich: ,geboren wird", Diese Vorstellung, da die Toten nicht tot sein dirfen, hichstens etwas austuhen kénnen — daé der Tod sogar ,wird* und immer new entsteht, wird zu geradeswegs grotesker Eindringtichkeit gesteigert, 1) Cassirer, Philos. d. symb. Formen 1.60: ,S0 begreift man, dali auch die meisteo der ,Etymologien*, mit denen Heraklit spielt, diese awiefache Wendung in sich schliefien: daG sie Wort und Sache, statt durch irgendeine Ahnlichkeit, mit Vorliebe per antiphrasin miteinander verbunden und aneinander gebunden sein Inssen.* Hermes LXI. a 370 B, SNELL dafi die heiden Worte, die sich so widersprechen und doch eins sind, als Subjekt und Pridikat aneinandergekoppelt werden 1), Und weiter fr, 72: o5 pedhvora Sipvents Syuehotan Ubyqp rodup duapépovrae — und dem sie ganz besonders nahe sind, dem Logos —, von dem sondern sie sich ab,* thre Auffassung von dem Logos, mit dem sie ihr Leben lang verkehrt haben — ist eben verkebrt, Das Allernichste erscheint ihnen als etwas Fremdes, Oder wie es im ersten Fragment heifit: Alles geschieht nach diesem Logos und doch sind sie wie Unerfahrene, abwohl sie doch in ihrem Reden und Tun die Erfahrung haben®) mit all dem, das ich behandle, Auch diese beiden Wortspiele gehen darauf aus, den cindeutigen Sinn des Wortes aufzuheben — die Nahe ist geradezu die Ferne, besondere Vertrautheit ist volliges Fremdsein’), Ein andermal sagt er fr, 114: Shy a4) Jéyorras lozvelteotar zo tH Eur. Wer mit Verstand reden will, der muf sich an das Gemeinsame halten. Hier kGnnte man versucht sein anzu- nehmen, es lige ein Wortspiel vor, das nicht in dem sonst von uns fesigestellten Umklappen der Bedeutung liegt, sondern vielmehr 1) ,DaGi der Tod nicht ausstirbt*, Ubersetzt Reinhardt mit richtigem ‘Verstandnis fir den Sinn des Fragments, 2) Nach Diol’ Obersetzung kénnte ian moinen, die Worte riehteten sich nur die sich mit der Welterklirung versucht bitten. Es geht aber offenbar auf alle Mensehen, die im Wacken handeln, als schliefen sie: erst Heraklit zerlegt jedes einzelne nach seinem Wesen und erklirt es, 8) Weitere Beispiele sind fr. 81: Die Rhetorik macht die Zungen scharf — wie ein Henkerboil, Der Gonitir xorldar ,der Schwittzert springt um in die Bedeatung der Sehlachtmesser*. Aus dem wabrhaft Lebenden, dem Logos, machen sie ein titendes Wort. — Fr. 26: Wie man cin Licht in der Borahrong anzindet (doppelter Sinn von dxreadai), so geben auch die einander beribrenden Zustands Tod — Sehlaf, Seblaf — Wachen durch das Anziinden des Fewers auseinander hervor. Der Tebende ist angestndeter Toter im Schlaf, der Wachende ist an. geztndoter Schlafender. (leh folge der Lesung von Wilamowit: Schranken, dio man za setzon gewobnt ist, werden dureh das Feuer auf. gehoben. Jede Grenze bedeutet Wandlungemiglichkeit durch das Feuer, Dio sogenannteScham ist das Allerschamloseste (afSoloor — craéoraxa); und als ungebeustlichster Gegensats érgibt sich in diesem Satz, dab die Menschen mit dein Phallos — den Hades feiern. 4) So hat Heraktit geschrieben, ef, Diels Nachtr. XXV. DIE SPRACHE HERAKLITS 371 in einem neuen Verstirken der Bedeutung). Aber der voiy ist bei Heraklit niemals (wie etwa bei Anaxagoras) das héchste All- gemeine. Das nennt er Logos, ywdpn oder oopdy. vote kehrt vielmehr zweimal wieder in hibnischen Angriffen auf die von ihm bekampfen ,Vielwisser*; fr. 104: we ydg abrdy vdos H wore; 40: molvpadin ydov Fyew ob diddoxe. Beide Male scheint es, als ob die Gegner stolz waren auf ihren vote, auf ihren Intellekt. vots ist der Geist, sofern er sich etwas ,vorstellt* (auch um etwa dapach mu handeln) — es ist also ein Begriff, der cher den , Viel- wissern* wert sein muGte als Heraklit?) — und nirgends sptiren ir, daft er fir Heraklits Erleben Bedeutung gewonnen hat. So ist denn die Spannung in dem Wortspiel wohl gréfer, als man auf den ersten Blick annehmen michte. ‘Am deullichsten vielleicht zeigt sich dieser Doppelsinn des heraklilischen Logos an dem Fragment 93: 6 dead of wd paveléy fore 1d ty Achpote oiite Adyee dite xgtares dild onualver. Schon Schleicrmacher dbersetzt (sein fr. 10, S, 388): ,Der Kinig, des das ‘Orakel ist bei den Delphiern (sie), erkltrt nicht, noch verbirgt er, sondern deutet an.* Und diese Ubersetzung yer deutet an* hat man seitdem beibehalten. Aber liegt dann nicht ein Widerspruch in dem Satz? Wenn Apoll nur ,andeutet*, so existiert fir ihn doch offenbar eine wirkliche Eindeutigkeit, die er aus irgendeiner Ritcksicht verschweigt, er verbirgt also etwas. Aber Heraklit sagt ausdriicklich, er verbirgt nicht, Und oysairw heifit auch nie ,an- deuten**), Es heifit: ein Zeichen geben, Es wird auch sonst besonders in bezug auf Gotterzeichen gebraucht"), Aber was soll das hier heifen: er gibt ein ofjya? 1) So deutet es Gomperz (Wien. Stud. XLII 128, 8), der den Wort- spielen bei Heraklit aufmerksam nachgegangen ist. 9) Bei Anaxagoras iat der vote durchaoe Organ wissenschaftlicher Exkenntnis, 2. B. fr. 12: wai ni exmpucpdyerd ve nai dcooroivduera: wal dia xoirduera wir Fyre rots — es ist der Verstand und nicht die Vernunft. ) Die Lexika bringen als Beispicle far ouaio = andeuten Her. 11106: Die Inder gewionen Gold dadurch, dafi sie es den Riesenameisen wegachmen, Goxsp Zojjuyra — nicht otwa ,wie ich angedeutet habe, denn die Geschichte ist susftbrlich kundgetan‘, Ebeaso VIII 62: enuaivoy 3 raira 1D dye Suifawe ds Bigofuddyr, Adpwr wallor éxeorgan- iva gnachdem er dies kundgetan hatte*, — Xen. Hell. ¥ 4, 17: deudvee 76 wipe Grewos abr) Halaog txeyivero, Br wal oleovitores caves onpatrerr gh dy pedicrrow, wo ein Vorzeichen etwas ,kundtut*, ,bedeutet*. 4) ofa ist das Gutterzeichen schon bei Homer, Unserer Stelle ae 872 B, SNELL Man rufe sich nur ins Gedichtnis zuriick, welcherart die Orakel waren, die Heraklit meinen kann. Bei Herodot lesen wir, dem Krisus sei, als er sich in Delphi ber den geplanten Feldzug gegen die Perser erkundigte, folgendes geweissagt (Her. I 53): Wenn du den Halys tberschreitest, wirst du ein grofes Reich zerstiren.* Das ist ein soleher zenouds dyprjxns xal durpdawnos (wie Lukian cinmal sagt lupp. Trag. 43) der nicht klar ausspricht, aber auch nicht verbirgt, sondern — das ist das Entscheidende — der den Sinn und den Gegensinn gibt. Des Gottes Antwort stellt ein ofjza hin, cin Symbol, das einfach da ist. Und onyafver ist das eigentliche Wort fitr ,bedeuten* 4). Da haben wir den Zusammenhang mit Heraklits Logos. Auch der Logos, der Sinn, onwafver, spricht nicht eindeutig wie der Name, verbirgt aber auch nichts, sondern ist da als ofja und ,bedeutet* Dieser Logos ist wirklich Symbol far die Welt*), da er auch ein- fach da ist, undifferenziert und einheitlich, als das Allgemeine. So haben die Fischerjungen, die sich die Lause absuchten, dem Homer augerufen: ,Die wir gesehen und gefangen haben, die lassen wit da, die wir aber nicht gesehen und nicht gefangen haben, die nehmen wir mit.* Homer aber hat den Doppelsinn nicht durehschaut, wie Krosus die Doppeldeutigkeit des Orakels nicht verstanden hat. Und so lassen sich auch die Menschen Viuschen in der prado rar paregiir. Sicher ist diese Ge- sehichte nicht gerade sehr gelstreich, die erzablt, Homer sei ge- storben aus Verzweiflang dber seine Ratlosigkeit bei diesem Satz. Heraklit aber greift sie auf, weil sie ein cinfaches und wohl- bekanntes Beispiel fir das ist, was er als das Wesentliche des Logos ansieht®), Wer in der Sprache nichts weiter sieht als ein besonders nahe kommt Pindar Paian VIII 28: xai roujde xogup® oduauve Méyeor (ec. Kassandra}, — Bei den Medizinern ist equa das Symptom, onpairew Symptom sein fur etwas (beides nebeneinander 2. B. Konx. Hooyy. 295 [V 634 L}). 1) Plat. Krat. 898A: 3 pig drag sat & fircsp opedéy re rated onuatvec. Gorg. SUB: as 3 Adyos onpaiver, 2) Dieser Deutung am alichsten kommt Lasvalle 120i, der auch nachweist, daf man in der Antike den Ausdruck so verstanden hat, 8) Wie er auch sonst Bekanntes aufgreift und neu deutet, 2B. fr. 80: elBévar 8% 04 ror adlquor Eérra Foréy — das soll man. nur richtig skupieren*, deun gesagt ist das schon frither: 2909: Guds 'Evuditos, Arehiloch. fr. 88D: Erde drOpsiano' "Apne. DIE SPRACHE HERAKLITS. 373 ‘Werkzeug, bestimmte Erkenntnisse festzuhalten und weiterzugeben, der wird von dem tiefen Sinn der Welt, wie er sich in der Sprache darstellt, von der eigentlichen Bedeutung des Logos, nie etwas verstehen ') So ist Heraklits Vorliche fur Wortspiele nie nur ein geistreicher Scherz, sondern ein sliindiges Hinweisen auf dieses merkwUrdige Doppelwesen des Logos, der eindeutig ist und doch doppeldentig. Gerade dies war ein immer neuer Beweis daflir, dali der Logos das cigentliche Wesen der Welt darstellte, ihre Einheit im Wechsel, die Gespanntheit alles Seins. Auch fiir Heraklit noch wie fir die alte religidse Spekulation bewhrt sich die Macht der Sprache. Aber indem er beginnt, sich seiner selbst bewufit zu werden, sucht er die Welt als Allgemeines in der Sprache zu fassen, Auch dieses Problem hatte der Logos zu lusen vermocht, wie er auch das Innen des Menschen mit dem Aufien verbunden hatte, So stellt er denn wirklich ein hochstes Evvdy, ein letztes Gemeinsames dar, des. alle Gegensitze der Welt umschliefen und zusammen- alten kann, Stellen wir nun die Frage, in welcher Schieht der Lagos liegt, so dai er das Subjektive und das Objektive gleichermafen um- spannen kann, dafi er aber auch die Gegenslitze des Erlebens um- fafit, so kommen wir zundehst nur mit Heraklit antworten: er ist ein von allem Getrenntes*, d.h, wirilich sagt Heraklit: copdy 1) Bisher nicht gedentet ist fr. a faciimiy, Der Aion cin Kind beim Spiel, beim Brettspiel — ein Kind sitet auf dem Throne." Leisegang, Lit. Wochenschr. I (1925) 61 denkt daran, dai das Kind die Steine der beiden Parteien spielte — cine sebr gezwungene Erklirung. Aber riektig mull sein, was Leisepang offenbar empfindet, dali nicht die blobe Willkiir des Weltro, i dem Satz beveichuet sein kann, Es wire dann nicht eimzuseheo (ganz zu schweigen von sachlichen Bedenken}, waram Heraklit von dem Bilde Homers (0 3614. von Bernays Kl. Schr. 158 mit Recht herangezogen), dem Kind, das mit dem Sandhaufen spiclt, abgewichen sei, In dem Bretispiel muf das Besondere liegen, auf das es Heraklit ankommt, Nun, man kann, glaube ich, nicht im Zweifel soin dber dio Meinung Heraklits, wenn man einmal einem Kinde beim Brettspiel, desson Regeln es noch nicht versteht, mugesehen hat. Das Kind hat seine Frende deran, die Steine willktrlich-unsionig 2a setzen, aber trotedem gewinnt jeder Zag eine ,Bedeutung*, indem er eino sinnvolle meus Stellung schailt. Gerade in dieser Mischung von Sinn und Unsinn liegt der Reiz fur den Zuschauer — und das Aufreizende, das Heraklit betroffen hat, alii ants fore malleor, xerebey* a74 B. SNELL dott mdvraww xeyoroiautyor (fe. 108). Das Weise ist etwas von allem Getrenntes. Als Gedachtes ist der Logos etwas Verschiedenes von den Dingen. Mit diesem Bewulitsein konstituiert sich die Phi- losophie, ein Reich der Bedeutungen schilt sich ab). ‘Aus den Synonymen, die Heraklit fur seinen Logos gebraucht — wenn wir zumichst cinmal absehen von materiellen Bezeich- nungen wie ,Feuer*, die sich sus der chen gekennzeichneten Identitat von Innen und Aufen ergeben —, ist ersichtlich, daG die ‘Tendenz durchaus auf das Rationale gebt; yrojay und 1d oopdy sind beides Bezeichnungen aus dem Bereich des Wissens, Nennt doch Hetaklit auch das Denken die htchste Vollendung des Menschen (fe. 112). Die eigentliche Mythologie ist bei Heraklit iberwunden — wir sahen oben schon, wie sich die GOtter und ihre Namen als zu eng fur sein Denken erweisen —, er sucht das allgemeine ,Gdtiliche*, und faGt das Gotliche als Einheit. Und dieser Gott ist nicht mehr der Gott des Mythos, er hat nicht Teil an einem mythischen Werden, weder als Figur einer g0ttlichen Gesellschaft noch als Schopfer oder Erfinder, sondern er ist schlechthin das Wesen. So sehr such die Sprache Heraklits hervorwachst aus der Sprache des Mythos, so gibt er doch keine mythologische — etwa cine kosmogonische — Erzihlung mehr. Er schreibt nicht mehr: ,Es geschah*, sondern ,es ist*, Das Werden, von dem er spricht, ‘wird nicht aufgewiesen als Geschichte, sondern es liegt als Printip im Zeitlosen, es ist geradezu ein Sein. Uber das Einmalige, Be- sondere hinausgehende, hetont er immer wieder das def (besonders fr. 30) und das fuvdy in dem Werden. Am meisten Aufhebens hat die Doxographie davon gemacht, daG Heraklit das Wesen der Welt im Feuer sah. Wo man die Frage stelle, was hielt Heraklit fr die doyy), lautete die Antwort: das Feuer. Daraus darf nun aber durehaus nicht der Vorwurf des ‘Materialismus gegen ihn abgeleitet werden, Fur Heraklit war das Feuer nicht ,Stoff*, aber auch nicht ,Prozefi*, tberhaupt hat er das Feuer nicht naturwissenschafllich angesehen, Es ist ewig lebendiges Feuer* (fr. 80), als strafender Richter waltend (fr. 66), — der ,Gegentausch* for alle Dinge (fr. 90), aber auch for die ‘Seele das Wertvolle (fr. 118, 117), das das Steuer des Alls fuhrt (64). 1) Vergl. besonders Cassirer, Die Philosophie der Griechen, 8, 191. DIE SPRACHE HERAKLITS 375 Das Feuer umspannt also das Innen und Aufien genau wie der Logos‘), Das Feuer ist ihm ,erlebtes* Feuer — als das Leben- digste, Einheitlich - Zwiespaltigste in der Welt der Dinge ist es ihm das Figentliche, das ,Bedeutende* — als das es in der meta- physischen Spekulation der verschiedensten Zeiten erscheint. In dieser sozusagen phinomenologischen Blickrichiung erhebt sich die Wesenheit des Feuers zum Allgemein-Wesenhaften. Genau wie in der Lehre vom Logos ist auch hier die Grundlage das Erleben — das sperifisch Heraklitische liegt aber erst in dem Durchbrach zum Allgemeinen. So stark vorhin betont war, da& die Satze, in denen Heraklit von dem Fluf spricht, aus dem Empfinden hervorwachsen, so mui jetat mit allem Nachdruck hervorgehoben werden, dali sie bei He- raklit mehr sind als der lyrische Ausdruck eines Erlebens. Heraklit spricht von dem sich wandelnden Flu, weil er flr ihn etwas be- deutet, In dem Flufi sieht er den ganzen Kosmos. Heraklit verhartt nicht wie der Lyriker in dem Moment der zwiesp<igen Empfindung; wie er in den Gegenstitzen die Einheit des Logos sueht, so ist auch der Flu nicht nur augenblickliches Erleben, sondern er wird erhoht, .abgetrennt* als kosmisehes Prinzip. Es ist bei Heraklit eine prinzipiell andere Art, den Augenblick zu tber- winden als bei dem Lyriker. Der Lyriker formt den Augenblick in seiner Zwiespaltigkeit; die Einheit liegt ausschlieBlich darin, dai dem Erleben einmal Doppeltes gegenwartig war und in diesem Augenblick seine Gestalt gewonnen hat?) Heraklit aber sucht die dauernde Einheit im Metaphysischen*). Und der FluG ist nicht elwa nur Gleichnis flr ihn — er sagt nicht: ,Wie fdr den Ba- denden immer andere Fluten da sind, so ist auch im Kosmos 1) Joel, Geseh, d. aut. Phil. 208: ,Ohne dies Ineinanderleben von Socle und Welt, ohne solche Durchdringung des Geistigen und Physischen ist Heraklits Lehre nimmermebr zu verstehen, ... da sio immer wieder die Welt nach der Seele deutet und immer wieder die Seole nach der ‘Welt verbildlicht.* 2 Uber diese Bigenart der griechischen Lyrik werde dem- nichst niheres in einer Arbeit aber die Aischyleische Tragédie ans fahren. 3) Mit Recht hebt duher Cassirer 1.e. hervor, dali der Unterschied zu den alten Theogonien in dor Bwigkeit des Feuers liegt. Man vergl. jedoch Pherekydés v. Syros (Diels 71 B 1): Zis war xai Xgdvor jfoar dai ai Xbonip. 376 B, SNELL immer jedes Ding neu*, sondern mit der Aussage ber den Flu die ganze Welt gleich mitgemeint; es ist eine Aussage ganz direkt ober das Allgemeine, das Evrdy. Und nicht nur die ganze Aufienwelt ist mitgemeint, sondern das eigene Ich ist auch in diesem Allgemeinen mitenthalien — denn das Allgemeine erhlt ja aus dem eigenen Erleben seine Kraft, und wie wir immer wieder geschen haben, ist das Innen und Auwfen fOr Heraklit noch auf eine sonderbare Weise ungeschieden, Erst jetzt wird ganz deutlich werden, in welchem Sinn man Heraklit miGdeutet, wenn man ihn zum Lehrer des adévea get macht, Wir haben friher gesagt, dab er nicht Gegensttinde beobaehtet; es gibt fir ihn eben nur einen Gegenstand, der aber auch kein Gegen Stand im strengen Sinn ist, da er das Ieh mit umfait — den Kosmos. Dieser Kosmos zeigt sich dem Auge — aber dem Auge ist er immer ein zwiespalliger —, als sichthater ist er ftir Heraklit nicht rational zu fassen —, als ein beobachteter, in seinen Bewegungstusammenhingen erforschbarer existiert er fur ihn gar nicht. Das Wissen Heraklits erfaft die Ein- heit des Logos, ,die unsichthare Harmonie*; nur als verstehbares Wort wird die Welt dem Denken Heraklits zuginglich. In der sichtharen Welt ist der Widerspruch rwischen dem Wechsel und der ihm zugrundeliegenden Einheit nicht auflisbar — da ist die bestandig wechselnde Flut und der gespannte Bogen cin letates Phiinomen, Gber das sich nichts weiter aussagen lnfit — das eben ein Weeentliches darstellt. Und diese beiden Heraklitischen Bilder sind so wenig Gberbiethar oder weilerhin reduzierbar, dal sie noch heute in der Naturwissensehaf ihre zentrale Bedeutung haben. =Welle* und ,Spannung* sind phtinomenologiseh irreduzible We- senheiten, Um die logisehe Seite der Heraklitischen Wellauffassung noch deullicher zu begreifen, kommen wir noch einmal auf den Satz maritck, an dem wir zuerst gerade das Herrortreten des Empfindens hei Heraklit aufgewiesen haben (fr. 126): rd yuzod Pégera, deg- ney pizerar, byodr abaiverar, xagpadéoy voritera. Wir haben gesehen wie in der rein verbalen Wendung der verschiedenen Pri- dikate die noch ungeschwichte Kraft des Sicheinfuhlens und Mit- erlebens sich ausspricht, — Diels hat in einer schénen Abhandlung*) als ein Charakteristikum der allgemeinen Sprachentwicklung hervor- 1) = BBB 1901, IX, 8. 1908. cf. PhU XXEX 191, DIE SPRACHE HERAKLITS 3i7 gehoben, daf sich das Verbale allmiblich immer weiter zum Sub- stantivischen befestigt, und er hat gerade Heraklit als eine wichtige Etappe auf diesem Wege genannt. Diels denkt dabei besonders an die Nominalbildungen auf -oi¢, die tatstichlich am deutlichsten das Verbale in das Nominale, Begriffliche umsetven: Diese Bildungen dringen mit voller Kraft allerdings erst geraume Zeit nach Heraklit in das Griechische ein. Aber trotadem finden wir eine Reihe solcher Worte bei Heraklit und es ist interessant, welcher Art diese sind. Sie lauten pdiyars (i. 55), ggdrnas (2, cf. 1d qooret 112, 113), yrdog (56), Syre (26, 55), obrayus (10), Zur begrifflichen Festig- keit drtingen bei Heraklit also die Verben, die sich auf die geistige Auseinandersetzung mit der Welt bezichen '), wihrend Verben, die ‘Verhaltnisse der Aufienwelt bezeichnen (mit Ausnahme von odrayrs) es nicht zu solecher Begrifflichkeit gebracht haben. Substantive vom Typus xérqac oder adxvworg fehlen, wie schon vorhin erwahnt, bei Heraklit?). Und 2. B. an dem Substantiv raze}, das vom Verbum abgeleitet ist, haben wir oben geschen, dai es eben nicht zu dieser Gruppe gelirt. Die Betrachtung der abstrakten Substantive bei Heraklit zeigt also auch nur wieder, dafi sich scin Denken nicht auf die in Raum und Zeit gegehenen Dinge richtet, sondern cher auf den auffassenden Menschen, Daf die Veranderung der Aufenwelt von Heraklit nicht aetkannt*, sondern cher ,erlebt* wird, hat sozusagen sein gram- matisches Korrelat in der noch urspriinglichen Starke des Verbalen: rd yozod Pégerar -~ und uhnliche Wendungen kehren haufig in den Fragmenten wieder*), die aber doch, wie gesagt, nicht mehr Erwihlung, Geschichte geben, sondern ein Geschehen, das Zu jeder Zeit so ist, was seinen grammatisehen Ausdruck in den prisen- lischen Priidikaten findet. Dieser Satz zeigt aber zugleich, dab die 1) Aber Heraklit fragt nicht als Erkennungstheoretiker nach der Eigeunré der Erkenntnisse — er wertet lediglich: Gocor dyer do} yinous, rabra Epi) porte (55), 13 meorety doer) weptorm (11), Eyadepreas of dr owner gis rir yrGow tax garegiy (G6), Cdovew of aollel de (lar Fxortes wodrnaw (2). 2) Man lese nur die Nachahmungen heraklitischen Stils bei den hippokratischen ,Herakliteern* — dort begegnen uns sofort Worte wie apéadeas, dpaigeats, abnor, jelesae (r, diate. 6), otipranoue (id. 7), xirmous, Audxeyapie (id. 9), droudunors, avoraoss, oxidaas, drdxguene, abfpacs (id. 10) 3) ofa. B. fr. 4, OY usw, 978 B. SNELL Abstraktion bei Heraklit an einer anderen Wortklasse anselzt, am Adjektiv. Da ist zuntichst cinmal festzustellen, dafi das Adjektiv in seiner eigentlichen Bedeutung als attributives ,Eigenschafts*-Wort bei Heraklit fehlt. Wenn man denkt, wie z. B. Empedokles die Adjek- tive so meisterhaft verwendet, um den Dingen eine besondere Farbe zu leihen, um sie von irgendeiner Eigenart aus lebhaft zu erfassen, so erscheint Heraklits Gebrauch der Adjektiva als geradezu tol. Adjektive kommen altributiv neben einem Substantiv ungefthr 25mal bei Heraklit vor — dagegen als Priidikatsnomen ungefihr 45 mal, substantiviert aber mehr als 60mal Ist es schon bemerkenswert, dal so wenig Fille des attributiv verwandten Adjektivs in den Heraklitischen Fragmenten vorkommen, so ist noch auffallender, dat eigentlich in keinem einzigen Falle ein gelthlsbetontes Adjektiv irgendeine besondere Figenschaft des Substantive siunlich verdeutlicht, Von den 25 Fallen fallen 8 auf noltic, nigow, peice, péyiotos, nig, ioe — und Fille wie naidds dvijfov, 6 xdliwotos xdouos, xléog dévvaoy 2eigen, da das attributive Adjektiv bei Heraklit nicht einen besonderen Fall heraushebt und beschreibt, daft es vielmehr die Allgemeinheit des ‘Substantivs noch verstirkt —, also auf die Abstraktion hinwirkt. Die hiufige Substantivierung des Adjektivs dient Heraklit dazu, die Eigenschaft von den Dingen ,abzutrennen* — und das heiét, daB er nicht nach den materiellen Voraussetzungen fragt, die eine Verinderung in den Eigenschaften eines Dinges hervorbringen konnten —, wie etwa der Physiker ftagen wird, wie Warme oder Farbe entsieht. indem Heraklit nicht nach der physikalischen »Wurme* oder ,Feuchtigkeit* fragt, die sich immer nur empiriseh am warmen oder feuchten KGrper feststellen Gt, sondern nach xdem Warmen* oder ,dem Feuchten* — wobei der griechische Plural neute. auf eine fr uns unmachahmliche Art das zerstreut gegebene einzelne Warme zur Einkeit zusammenfaGt —, hilt er sich in der Schicht des Logos, in der nicht cin heobachteter Gegen- stand dem Beobachter gegendhertritt, sondern in der diese Zweiheit von Subjekt und Objekt unzerstOrt ist, in der die Eigenschafl nur als Teil einer notwendigen Polaritat erscheint. Denn das Warme* ist nicht wahrgenommene Warme und nicht die Warme- empfindung; sondern ist aberhaupt der Empirie entzogen, ,los- geldst* im Gedanken, Wo Heraklit der Natur gegentber das DIE SPRACHE HERAKLITS 379 Empfinden verluft und zum Gedanklichen aufsteigi, gelangt er also auch hier nicht zur eigentlichen Naturwissenschaft. Der Logos, der die Bedeutung des Wortes meint, richtet sich auch bei Tatsachen nur auf die dabinter liegende Bedeutung, aul den einheillichen Sinn der zwiespiltigen Erscheimung, bemfht sich aber nicht um eine rationale Verbindung der Tatsachen unter- einander). — Und in abolicher Weise wird auch das menschliche Handeln von Heraklit aufigefalit, Das fwhrt uns zurdck auf die Prage, die wir vorhin schon Deriihrt haben, als wir tber die Bedeutung des Ethos bei Heraklit sprachen. Es war schon gesagt, wie sich ihm das zouiy, das Tun, immer mit dem jéyew, mit dem bedeutungsvollen Reden verbindel. Wie der Logos in der Welt etwas ewig Titiges ist, so ist auch fiir den Menschen das Wissen um den Sinn ganz selbstversttindlich mit dem Handeln verbunden. Bei der Beurteilung des Handelns hilt er sich auch ganz an den Logos, seine Ethik geht immer von der ,Bedeutung* des Handelns aus. Fr. 49: el Enol jeigiot, dv Eigearoc 7}. ,Einer gilt mir Tausende, wenn er der beste ist.* Er stellt die Frage nach dem Wert der Handlung, ohne aber die Frage nach dem Ziel des Handelns aufeuwerfen. Wenn er der beste ist* — dieser Satz birgt kein weiteres Problem fiir ihn. Er sagt (fr. 102): 1 per Deg xadd aivra xal dyada xat Sixaua, GrOqezor dé O ply ddixa (Gnerdypacw) & 38 dixaa. ,Vor Gott ist alles schdm und gut und gerecht, die Menschen aber halten das eine fiir unrecht, das andere flr recht.* Die Leidenschatt des Ethikers, den Menschen ein Ziel vor Augen zu stellen, fehit ihm also yollkommen, Die Gegensiitze zwischen gerecht und ungerecht liegen fir ihn auch nur im be- schrankten Meinen der Menschen, sind nur Gegensitze des Emp- findens, die im Gdttlichen ihren Ausgleich finden (wobei allerdings die Inkonsequenz entsteht, dali das Gerechte, also die cine Seite des Gegensatzpaares, den Ausgleich schaff.) Und so aft die déey bei ihm vorkommt, ist sie immer nur die cinfach Geltende, die die Lagner fat, deren Schergen die 1) Kansale Sateverbindungen gehen bei thm immer nur auf das Verbiltais vom Grund zur Folge, nie auf das von der Ursache vr Wirkung, 380 B. SNELL Erinyen sind, Niemals wird aber die Frage gestellt, wie der Mensch sich zu dieser Dike stellen kénnte. So ist auch der duos der Stadt das, was seine Kraft aus dem Logos hat, und ,durch alles hindurehgeht*, was die Macht hat und gilt (agave? fc. 114), was der Stadt die Bedeutung gibt und darum verteidigt werden mul wie die Mauer (fr. 44). Nomos kann darum auch sein, ¢inem einzelnen zu gehorchen ([r. $8), Mit eigentlicher Ethik hat das alles noch gar nichts zu tun, Wenn er einmal eine Norm fur das Handeln aufstellt, so lautet sie: deT Exeotbar re uve (fr. 2) — man soll dem Allgemeinen folgen, d.h. dem Logos. Sicher liegt ein Untersehied gegen die frfheren Ansehauungen darin, da& auch das Handeln auf eine allgemeine Norm bezogen wird und nicht mehr nur auf cin be- sonderes Standesideal, dai der Wert rational begriindet und nicht nur als gegeben hingenommen wird. Aber trotzdem ist das Denken nicht darauf gerichtet, dem Leben ein Ziel mu stecken, wie das stolsche Guoloyoupdveos Civ dem Zweck eines glicklichen Lebens dient. Heraklit stellt nicht die Frage nach dem Ziel, sondern nach dem Wesen. Die Vernunft umschliefit beidemal beides — sie ist theoretisch und praktiseh —, aber Heraklit sucht keine Maxime, die Frage nach dem -roveiy wird wohl mitgestellt — sie stellt sich unwillkGrlich ein —, aber Heraklits Interesse am Handeln beruht nur darauf, daB das Wissen fir ihm zugleich auch das Tun be- deutet, dai der Logos fir ihn noch nichts rein Theoretisches, sondern etwas lebendig Wirkendes ist, der tatsiichlich ,gilt*, wie das Gesetz, der véuos auch gill, ,Bedeutung* hat. Dies Gelten und Bedeuten') verbindet Logos und Dike fiir Heraklit miteinander. Und bei den anderen Substantiven, die er zur Bezeichnung des rationalen kosmischen Prinzips braucht, yrobjeq und copdy — und ehenso bei ggoveiv und godrqas —, fillt auf, daf sie nicht nur theoretische Bedeutung haben, sondern auch das Handeln mit- umfassen*), So richtet sich denn der Vorwurf, den er gegen die Menschen erhebt, dagegen, dafi sie nicht ,verstehen*, dafi sie nicht wach 1) Wie nah ,Gelten, Wertsein® und ,Bedeuten* for die antiken Sprichen nebencinanderliegen, tigen Sévaada und valero, die beide anch das Bedeuten eines Wortes bezeichnen; ef: auch potestas-Bedeutung rhet. Her. 4, 67 stat vis, siguificatio, 2) Ph, U. RXIX Sf u, 834% DIE SPRACHE HERAKLITS 881 sind, nicht denken und den allgemeinen geltenden Sinn nicht er- fassen, — Auch von hier aus zielt also alles auf den einen Zentrale punkt, den Logos. Heraklits Denken erweist sich als ein ovmérar in ganz priignantem Sinne, Heraklit war im Altertum als der Dunkle verschrien. Sicher mag es uns verhltnismiBig leicht ge- lingen, den Zusammenhang seines Systems zu durchschauen, scine vielfiltigen Auferungen auf einen einheitlichen Mittelpunkt zu redu- zieren, Jedoch mit dem Erkennen des Zusammenhangs aller Teile in dem Denken Heraklits haben wir nicht etwa wie bei einem aus- gesprochen naturwissenschaftlichen Denker das Wesentliche auf: gedeckt. Dahinter steht das ungeheure Pathos des Erlebens und dessen Hinuberfthren in die Schieht des Bedeutens und Geltens, Wie irgendein inhaltsschweres Wort ein durchaus kennlliches und allgemein greifbares ist — wie zB, das ,Leben* —, aber doch for den Gritbelnden immer neue und neue Tiefen auflut, wie solch ein Logos so ist auch Heraklit selbst zuntichst durchaus einfach, da all sein Denken nur immer wieder auf cine einzige Intuition bezogen ist — und doch hedarf es nach dem Wort, das Sokrates gesagt haben soll, als Euripides ihm die Schrift des Heraklit gab (Diog. 1 22), eines delischen Tauchers, um ihn m ergrinden. Hamburg. B. SNELL.

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