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Bioprinting

Potenziale für medizinische Forschung und Anwendung


Vorwort
Der verschärfte globale Technologiewettbewerb Das BMBF fördert das Thema Bioprinting bereits seit
erfordert eine strategische Fokussierung auf Schlüssel- einigen Jahren in mehreren Pilotprojekten, um das
technologien, die einen zentralen Beitrag zur Zukunfts- Potenzial dieser Zukunftstechnologie besser erschließen
vorsorge leisten und helfen, einseitige Abhängigkeiten zu können. Mit zunehmend anwendungsorientierten
abzubauen. Die Materialforschung hat eine solche Forschungsprojekten wird versucht, die Brücke zur
Schlüsselfunktion für den grünen und digitalen Wandel kommerziellen Nutzung dieser Technologie zu schlagen.
in Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei schafft sie die Auch wenn das Fernziel, die Herstellung 3D-gedruckter
Grundlagen für nachhaltiges Wirtschaften und ist gleich- menschlicher Gewebe oder Organe, noch außerhalb der
zeitig der Schlüssel für die technologische Souveränität Reichweite liegt, bieten sich bereits kurzfristig nutzbrin-
des deutschen Forschungs- und Industriestandortes. Als gende Anwendungen insbesondere in der pharmazeuti-
Basis- und Querschnittstechnologie ist die Materialfor- schen Forschung. Beispiele sind Gewebe- und Organmo-
schung Taktgeber bei der Weiterentwicklung volkswirt- delle bei der Wirkstoffsuche oder der Ersatz von
schaftlich bedeutender Technologiefelder, wie beispiels- Tier­versuchen durch alternative Testsysteme. Trotz der
weise der Medizintechnik. Mit „MaterialVital“ als einen bereits erzielten Fortschritte steht die Forschung zum
von drei Förderschwerpunkten in der Materialforschung Bio­printing noch vor großen Herausforderungen.
setzt das Bundesministerium für Bildung und Forschung Innerhalb der BMBF-Förderlinie „Biologisierung der
(BMBF) auf eine bioinspirierte Materialforschung. Ziel Technik“ wurden bereits erste Schritte in Richtung
ist es, die in biologischen Systemen vorkommenden industrieller Umsetzung unternommen, mit weiteren
Prozesse und Prinzipien zu verstehen und aus ihnen gezielten Aktivitäten zum Bioprinting beabsichtigt das
innovative Werkstoffe sowie darauf basierende Produkte BMBF, das zukunftsträchtige Technologiefeld am
abzuleiten. Standort Deutschland weiter auszubauen.

Das Forschungsthema Bioprinting, bei dem in Bio­ Die vorliegende Broschüre richtet den Fokus auf
materialien eingebettete Zellen mittels 3D-Druck­ medizinische Anwendungen des Bioprintings. Sie bietet
verfahren verarbeitet werden, nimmt international an für Außenstehende einen Überblick über die Technologie
Fahrt auf. Immer mehr Forschungsgruppen, Start-up- und stellt erste vom BMBF geförderte Vorhaben aus dem
Unternehmen und etablierte Konzerne werden auf dem Bereich der Materialforschung vor. Dabei werden auch
Gebiet aktiv. Die Anzahl an Publikationen und Patent­ Fragen der Standardisierung und Kommerzialisierung
anmeldungen hat sich in den letzten Jahren vervielfacht. adressiert. Ziel der Broschüre ist es, die Potenziale des
Fortschritte in der Materialentwicklung und in der Bioprintings in der Medizintechnikbranche bekannter
Prozess­tech­nolo­gie ermöglichen immer komplexere zu machen, Kooperationen zur Weiterentwicklung des
und ausdifferenziertere Gewebe- und Organmodelle. Technologiefeldes anzuregen sowie den interdisziplinären
In speziellen Anwendungsfällen steht das Bioprinting Austausch mit anderen Fachcommunitys zu unterstützen.
an der Schwelle zur kommerziellen Nutzung.
Ihr Bundesministerium für Bildung und Forschung
KAPITEL 1

Inhaltsverzeichnis

1 Bioprinting: Schlüsseltechnologie für die Medizin der Zukunft 3


1.1 Die Vision: Künstliche Organe aus dem 3D-Drucker.......................................................................................... 3
1.2 Materialien und Prozesse.......................................................................................................................................... 3
1.3 Anwendungen und Potenziale................................................................................................................................. 5

2 Materialforschung für das Bioprinting 6


2.1 Projektbeispiele aus der Materialforschungsförderung..................................................................................... 6
2.1.1 Standards für das Bioprinting.........................................................................................................................................6
2.1.2 Neue Biotinten für die Stereolithographie..................................................................................................................7
2.1.3 Faserbasierte Biotinten zur verbesserten Nährstoffversorgung 3D-gedruckter Gewebe...............................8
2.1.4 Wundheilung durch 3D-gedruckte ­Gewebeimplantate..........................................................................................9
2.1.5 Reparatur von Hornhautschäden am Auge durch Bioprinting............................................................................ 11
2.2 Forschungslandschaft Bioprinting ....................................................................................................................... 13
2.3 Förderaktivitäten des BMBF ................................................................................................................................. 13

3 Standardisierung und Kommerzialisierung 14


3.1 Standardisierung ...................................................................................................................................................... 14
3.2 Kommerzialisierung................................................................................................................................................. 14
3.3 Start-ups im Porträt................................................................................................................................................. 17
3.3.1 Cellbricks GmbH............................................................................................................................................................ 17
3.3.2 Black Drop Biodrucker GmbH..................................................................................................................................... 17

4 Fazit und Ausblick 19


5 Weiterführende Infos 19
5.1 Links mit Beratungs- und ­Informationsangeboten........................................................................................... 19
5.2 Referenzen................................................................................................................................................................. 19
5.3 Glossar........................................................................................................................................................................ 20

Impressum 21
2 BIOPRINTING – POTENZIALE FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG UND ANWENDUNG
Bioprinting: Schlüsseltechnologie für die Medizin der Zukunft 3

1 B
 ioprinting: Schlüsseltechnologie für die Medizin
der Zukunft

1.1 D
 ie Vision: Künstliche Organe 1.2 Materialien und Prozesse
aus dem 3D-Drucker
Grundlage für das Bioprinting sind verdruckbare
Rund 9.000 Patientinnen und Patienten warten Materialien, sogenannte Biotinten, die neben vernetz­
allein in Deutschland auf ein Spenderorgan. Für baren Ausgangssubstanzen zur Ausbildung einer
viele kommt die Hilfe zu spät. Statistisch sterben Gerüststruktur auch lebende Zellen und weitere
in unserem Land pro Tag drei Menschen, weil kein ­Hilfsstoffe beinhalten. Als Polymere werden vor allem
Spenderorgan für eine lebensrettende Operation zur sogenannte Hydrogele eingesetzt, die selbst wasser­
Verfügung steht. Künftig könnte sich das Problem unlöslich sind, aber einen hohen Wasseranteil binden
angesichts der demografischen Entwicklung und können und entsprechend quellfähig sind. Im
einer stagnierenden Organspendebereitschaft noch Bio­printing eingesetzte Hydrogele können natürlichen
verschärfen. Hoffnungen liegen neben Fortschritten oder synthetischen Ursprungs sein. Die im Druck­
bei der Xenotransplantation, d. h. der Übertragung prozess eingesetzten flüssigen Biotinten werden nach
von Gewebe und Organen tierischen Ursprungs, vor dem Druck durch Vernetzungsreaktionen zu Gerüst­
allem auf einer Technologie: dem sogenannten strukturen stabilisiert, die von den Zellen besiedelt
Bioprinting. und zur Bildung ausdifferenzierter biologischer
Gewebe weiter kultiviert werden.
Unter Bioprinting versteht man ein additives Ferti­
gungsverfahren, bei dem lebende Zellen ­zusammen Hinsichtlich der Verarbeitung sind auf dem Markt
mit gerüstbildenden Hilfsstoffen zu größeren Gewebe­ eine Reihe von 3D-Drucktechnologien erhältlich,
strukturen verdruckt werden. Das Forschungsfeld die auf unterschiedlichen physikalischen Prinzipien
ist vor ca. 20 Jahren entstanden und hat mittlerweile basieren und sich in den erzielbaren Eigenschaften
deutlich an Fahrt aufgenommen: Die Anzahl der unterscheiden. Den größten Anteil haben hierbei der
jährlichen wissenschaftlichen P ­ ublikationen zum sogenannte Extrusions- und Inkjetdruck, bei dem
Thema hat sich weltweit in den letzten zehn Jahren die Materialien als viskoser Flüssigkeitsstrang oder
auf derzeit rund 1.000 verdreißigfacht. als Tröpfchen verdruckt werden. Ebenfalls relevant
sind laserbasierte Verfahren, bei denen Laser für die
Eine mit dem Bioprinting verbundene Vision ist es, Positionierung von Zellen bzw. für die Aushärtung
künftig komplette funktionierende künstliche Organe von Gewebestrukturen genutzt werden. Letztere
zu erzeugen, die für Transplantationen am Menschen eignen sich aufgrund der hohen räumlichen Auflösung
genutzt werden können. Auch wenn 3D-gedruckte für den Druck besonders für feine und komplexe
Organteile wie Haut oder Knorpel teilweise schon Gewebe- und Gefäßstrukturen.
erfolgreich klinisch eingesetzt werden, ist dieses Ziel
mit den derzeit zur Verfügung stehenden Materialien
und Methoden noch weit entfernt. Zu komplex und
im Detail noch zu wenig verstanden sind der Aufbau
und die Funktion menschlicher Organe. Für weitere
Fortschritte sind noch grundlegende technische
Herausforderungen im Bereich der Material- und
Werkstoffforschung zu lösen. Ebenso müssen geeignete
Prozess- und Fertigungsverfahren entwickelt sowie
ein tieferes Verständnis der zellbiologischen Prozesse
gewonnen werden.

Vor dem Druck wird der Bioprinter mit entsprechender ­Bio­tinte ­befüllt.
In dieser befinden sich alle für die Photopolymerisation wichtigen
­Komponenten und im Falle eines zu druckenden Gewebes auch
menschliche Zellen.
4 BIOPRINTING – POTENZIALE FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG UND ANWENDUNG

Überblick zu marktgängigen Bioprintverfahren

INKJET

Prinzip Vor- und Nachteile Anwendung


Biotinten werden als + Gute Skalierbarkeit durch gleich­ Einfache
Biotinte ­winzige Tinten­tröpfchen zeitiges Verdrucken verschiedener ­Gewebemodelle
nach dem Prinzip eines ­Materialien mit mehreren Druckköpfen für Zell- und
herkömmlichen Tinten­ + Hohe Materialeffizienz ­Pharmaforschung
strahldruckers schicht­
weise über mehrerer + Schnell und kostengünstig
Piezoaktor
Druckköpfe auf ein – Auflösung begrenzt (ab ca. 50 µm,
Substrat aufgetragen. ­abhängig vom Düsendurchmesser)
Tropfen – Reduzierte Zellüberlebensrate durch
Druck- und Scherkräfte (abhängig
vom Düsendurchmesser)
– Nur Biotinten mit geringer Viskosität
und Zelldichte

EXTRUSION

Mechanische Kraft
Prinzip Vor- und Nachteile Anwendung
Biotinten werden durch + Einfache Druckmethode Einfache
Stempel die mechanische Kraft + V ielseitigkeit bei den druckbaren ­Gewebemodelle
Spritze eines Spritzenstempels Materialien (hohe Viskosität und für Zell- und
als Materialstrang über Zelldichte) Pharmaforschung
Biotinte mehrere Düsen schicht-
weise auf ein Substrat + Skalierbarkeit durch mehrere Düsen.
Düse aufgetragen. – Begrenzte Auflösung (ca. 100 µm)
Gedrucktes – Ausschließlich viskose Flüssigkeiten
Gewebe druckbar
– Relativ langsam

STEREOLITHOGRAPHIE

Prinzip Vor- und Nachteile Anwendung


Projektions­ Ein biokompatibles Harz + Hohe Druckgenauigkeit und Auflösung Komplexe
Laser gitter wird mit Zellen und (ca. 20 µm) ­Gerüststrukturen
photo­sensitiven Ver­netz­ + Hohe Zelldichte mit Kanälen
Fabrikations- ungs­molekülen gemischt
Lichtmuster plattform und in eine Druckplattform + Keine Einschränkung bzgl. Viskosität
gegossen. Durch UV- – Mögliche Zellschädigung durch
Licht­bestrahlung erfolgt UV-Härtung in Abhängigkeit von
die Vernetzung. Der Wellenlänge
Biotinte
Gewebeaufbau erfolgt – Kein paralleler Druck mehrerer
Schicht für Schicht. Zellarten

LASERUNTERSTÜTZTES BIOPRINTING

Laserpuls Prinzip Vor- und Nachteile Anwendung


Mittels Laser wird eine + Hohe Druckgenauigkeit/Auflösung Präzise
Absorptionsschicht eines (ca. 20 µm) ­Zelldeponierung
Spenderschicht zellbeladenen Hydrogels + Druck von flüssigen und festen
erhitzt. Zwischen der Materialien
Hydrogelschicht und der
vom Laser getroffenen + Hohe Zelldichte/Überlebensrate
Biotinte
Schichtstelle bildet sich der Zellen
Tropfen eine Gasblase, die einen + Mehrere Arten von Zellen verdruckbar
Teil des Hydrogels auf – Hohe Kosten
einen Substrathalter
– Ggf. thermische Schädigungen
„druckt“.
durch Laserpulse
Bioprinting: Schlüsseltechnologie für die Medizin der Zukunft 5

Eine der wesentlichen Herausforderungen beim einig, dass sich dadurch kurzfristig nichts an der
Bioprinting ist es, die verdruckten Zellen über den für Praxis im Zulassungsverfahren ändern wird, aber
die Reifung und Ausdifferenzierung erforderlichen ein starker Anreiz für die Entwicklung alternativer
Zeitraum mit Nährstoffen zu versorgen und am Leben Verfahren wie „Organ-Chips“ und künstliche Test­
zu erhalten. Weitere Forschungsansätze adressieren gewebe gesetzt wird.
das Drucken mit mehreren Zelltypen und Materialien,
die Erzeugung von Hinterschneidungen und Hohl­ Ein großer Teil aktueller Studien befasst sich mit
körpern sowie die Erhöhung der Robustheit und der Herstellung spezifischer Gewebe wie Knochen,
Präzision des Druckprozesses. Ein aktueller Trend Knorpel, Haut oder anderer Organe. Erste klinische
ist der sogenannte 4D-Druck, bei dem die Zeit als Anwendungsfälle wie die Transplantation einer aus
vierte Dimension für die gezielte zeitliche und patienteneigenen Zellen 3D-gedruckten Ohrmuschel
räumliche Reifung der gedruckten Gewebe genutzt sind bereits umgesetzt. Auch die In-vitro Unter­
wird. Dies ­gelingt, indem zusätzliche Wachstums- suchung von Krankheiten wie Krebs ist ein wichtiges
und ­Differenzierungsfaktoren für die Zellen mit Einsatzfeld des Bioprintings. Hierbei werden geeignete
hoher Orts­auflösung verdruckt werden. Gewebemodelle gedruckt, um spezifische Wirkstoffe
und neue Behandlungsmethoden beispielsweise zur
Krebstherapie zu testen. Der Druck patienteneigener
1.3 Anwendungen und Potenziale Zellgewebe bietet Potenziale für eine Vorab-Auswahl
Erfolg versprechender individueller Therapieformen.
Die mittels Bioprinting erzeugten Gewebestrukturen
werden zunehmend komplexer und funktionaler. Auch außerhalb medizinischer Anwendungen bietet
Auch wenn es noch ein langer Weg zur Entwicklung das Bioprinting Einsatzpotenziale, wie in der Lebens­
künstlicher Organe ist, zeichnen sich kurzfristig mittelindustrie beispielsweise zur Erzeugung von
umsetzbare Einsatzmöglichkeiten des Bioprintings künstlichem Fleisch oder in der Biotechnologie bei
ab. Dies betrifft vor allem den Einsatz von Gewebe- der Herstellung biohybrider Sensoren oder Systeme.
und Organmodellen, die Potenziale bieten, um
Tier­versuche bei der pharmazeutischen Wirkstoff­
forschung und für die Medikamentenzulassung zu
reduzieren oder teilweise zu ersetzen. Tierversuche
sind teuer und wegen ethischer Bedenken umstritten,
aber aufgrund der Medizingesetzgebung bislang
­international im Zuge der Medikamentenzulassung
zwingend erforderlich. Diese gesetzliche Vorgabe
wurde Anfang 2023 durch die US-Arzneimittelbehörde
FDA (Food and Drug Administration) aufgeweicht,
indem allgemein auf nicht klinische Tests verwiesen
wird, die neben Tierversuchen auch In-vitro-Versuche
und virtuelle Tests umfassen. Fachleute sind sich

Nahaufnahme der Druckplattform eines Stereolithografie-Druckers.


Nach e­ inem Druck hängt das fertige Hydrogel im Bioprinter an der
Druckplattform. Für die weitere Analyse und Kultivierung wird das
Hydrogel in ein Zellkulturgefäß überführt.

Befüllung des Hydrogelreservoirs eines 3D-Biodruckers


6 BIOPRINTING – POTENZIALE FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG UND ANWENDUNG

Mikroextrusionsdruck auf ein rotierendes Gefäßimplantat

2 Materialforschung für das Bioprinting

2.1 P
 rojektbeispiele aus der Material- eingesetzter Materialien sowie Variationen bei Her­
forschungsförderung stellungs-, Verarbeitungs- und Charakterisierungs­
methoden. Eine wichtige Anforderung an das Projekt
SOP_BioPrint war daher die Bereitstellung standardi­
2.1.1 Standards für das Bioprinting sierter „Biotinten“, d. h. Mischungen von 3D-druck­
baren biokompatiblen Polymeren mit Zellen, um
Worum geht es? marktfähige Produkte und Dienstleistungen ent­
Bei der Entwicklung eines jungen Forschungsfeldes wickeln zu können. Auch die Standardisierung des
wie dem Bioprinting sind zunächst Fragen einheit­ Extrusionsvorgangs beim Drucken sowie die Über­
licher Begrifflichkeiten und Definitionen sowie prüfung der dreidimensional gedruckten Hydrogele
­etablierter Materialien und Prozesse von zentraler mittels geeigneter Charakterisierungsmethoden lagen
Bedeutung. Probleme bereiten insbesondere die im Fokus des Projektes. Aufbauend auf den bereits
mangelnde Vergleichbarkeit von Forschungsergeb­ erzielten Fortschritten der Biotintenentwicklung
nissen aufgrund unterschiedlicher Arten und Quellen sollten Beiträge geleistet werden, um frühzeitig
Normungs- und Standardisierungsaktivitäten als
integralen Bestandteil des laufenden Forschungs-
und Innovationsprozesses zu initiieren.

Was wurde erreicht?


Das Verbundprojekt SOP_BioPrint hatte sich zum
Ziel gesetzt, geeignete Standards für die Herstellung,
Verarbeitung und Charakterisierung von Biotinten
zu etablieren, um den Transfer von Forschungs­
ergebnissen in marktfähige Produkte und Dienst­
leistungen und den schnellen Marktzugang von
Innovationen zu fördern. Als Hürde im Projekt
erwies sich zunächst die hohe Diversität der am
Markt verfügbaren Druckersysteme und die große
Zahl manueller Schritte bei der Tintenherstellung,
der Verarbeitung und der Analytik. Aus labor­
Materialforschung für das Bioprinting 7

spezifischen Dokumentationen und Optimierungen 2.1.2 Neue Biotinten für die Stereolithographie
ließen sich so keine allgemeingültigen material- und
prozessrelevanten Kriterien ableiten. Ein Fokus des Worum geht es?
Projektes lag daher auf der Etablierung einer standar­ Fortschrittliche, 3D-gedruckte Zellkultur- und
disierten maschinenlesbaren Erfassung detaillierter Gewebemodelle bieten Potenziale, um Tierversuche
Datensätze hinsichtlich der Prozessierung sowie der bei der Medikamentenentwicklung zu reduzieren oder
Anwendung automatisierter Auswertesysteme. Im teilweise zu ersetzen. Solche komplexen Organmodelle
Projektverlauf konnten Fortschritte insbesondere bestehen aus verschiedenen Gewebeteilen mit jeweils
im Bereich der Analytik für die Materialentwicklung eigenen Zelltypen und ihrer Umgebung sowie Anteilen
sowie der Überwachung des 3D-Drucks erzielt des Immunsystems. Das Bioprinting bietet einzigartige
werden, die im Rahmen mehrerer Ringversuche Vorteile für die Integration dieser Komponenten in
demonstriert werden konnten. Im Bereich der 3D-Konstrukte, einschließlich der Möglichkeit zur
Kontrolle des Druckvorgangs wurde ein Online- Hochskalierung und Standardisierung, die für pharma­
Sensor für eine verbesserte Reproduzierbarkeit kologische Tests erforderlich sind. Ein aktueller
erfolgreich implementiert. Für die Beschreibung der Engpass für eine standardisierte Anwendung bio­
lokalen Verteilung der Zellen innerhalb der gedruckten gedruckter Modelle ist die Abhängigkeit von tierischen
Objekte konnte ein digitaler Zwilling etabliert Biotinten, vor allem von einer bestimmten Gelatine
werden. Damit wurden signifikante Beiträge in für lichtbasierte Druckverfahren wie die Stereolitho­
Richtung einer industrierelevanten Automatisierung graphie. Aufgrund des biologischen Ursprungs der
des Bioprintings geleistet. Erkenntnisse aus dem Gelatine schwanken wesentliche Parameter, die für
Projekt fließen in den Richtlinienausschuss des VDI die Verarbeitung des Materials und die Eigenschaften
ein, der Standards im Bereich „Bioprinting“ aus­ der entstehenden Gewebegerüste relevant sind. Die
arbeitet (s. Kapitel 3.1). resultierenden Unterschiede beispielsweise in den
mechanischen Eigenschaften oder im Zellverhalten
PROJEKTDATEN schränken ihre Einsatzmöglichkeiten für pharma­
Projekttitel Protokolle für ein standardisiertes kologische und klinische Tests ein.
Bioprinting (SOP_BioPrint)
Koordinator Universitätsklinikum Würzburg
Was soll erreicht werden?
Projektpartner • Karlsruher Institut für Technologie
• Naturwissenschaftliches und
Das Projekt zielt auf die Erforschung sogenannter
­Medizinisches Institut (NMI) xenofreier Tinten, d. h. Tinten ohne die Verwendung
• Julius-Maximilians-Universität
tierischer Anteile, für den lichtbasierten und standar­
­Würzburg
disierten Biodruck von Mikrogeweben. Die Entwick­
Projektlaufzeit 2018 bis 2022
lung synthetischer Tinten für das Bioprinting ist
Förderkennzeichen 13XP5071A-D
heraus­fordernd, da die Basismaterialien und der

Nahaufnahme 3D-gedruckter Hydrogele. Die Hydrogele können in herkömmlichen Zellkulturgefäßen gelagert und kultiviert werden.
Ihre Größe ­variiert von wenigen Mikrometern bis hin zu makroskopischen Strukturen von mehreren Zentimetern.
8 BIOPRINTING – POTENZIALE FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG UND ANWENDUNG

3D-Biodrucker im Einsatz

Vernetzungs­mechanismus eine Reihe zum Teil wider­ PROJEKTDATEN


sprüchlicher Kriterien erfüllen müssen, zum Beispiel Projekttitel Tinten auf Thiol-En-Basis zur
eine längere Lagerfähigkeit, das Vermeiden hoch­ Standardisierung von biogedruckten
Gewebemodellen mittels Stereo­
reaktiver oder toxischer Stoffe, möglichst milde lithographie (3DThiolPrint)
Bedingungen bei der Vernetzung und eine Zulassung Fördermaßnahme KMU-innovativ
für biomedizinische Verwendungen. Als ein aussichts­ Koordinator Cellbricks GmbH
reicher Mechanismus für die Vernetzung wurde die
Projektpartner INM – Leibniz-Institut für Neue
Thiol-En-Photopolymerisation gewählt. Hierbei Materialien
vernetzen schwefelhaltige Thiol-Verbindungen mit Projektlaufzeit 02/2022 bis 01/2024
ungesättigten Kohlenwasserstoffen in einer durch Förderkennzeichen 13XP5132A-B
Licht initiierten radikalischen Polymerisationsreaktion.
Die Thiol-En-Reaktion weist gegenüber alternativen
Verfahren einige Vorteile hinsichtlich der Reaktions­ 2.1.3 F
 aserbasierte Biotinten zur verbesserten
geschwindigkeit, der Homogenität der Vernetzung Nährstoffversorgung 3D-gedruckter
und vor allem der Tatsache auf, dass bereits medizi­ Gewebe
nische Anwendungen erprobt wurden. Für die zu
erforschenden Biotinten wurden geeignete Hydrogel- Worum geht es?
Präkursoren auf Basis von Hyaluronsäure bzw. Dextran Die künstliche Züchtung biologischer Gewebe und
mit entsprechenden Vernetzungskompo­nenten Organe ist ein seit vielen Jahren verfolgtes Forschungs­
funktionalisiert. Das im Projekt entwickelte Vernetz­ ziel im Bereich der regenerativen Medizin. Hierbei
ungssystem wurde bisher nur selten in Bio­tinten für werden lebende Zellen aus Gewebespenden entnom­
das stereolithographiebasierte Bioprinting verwendet men, vermehrt und mit sogenannten Gerüstmateria­
und zeigt aus verschiedenen Perspektiven große lien und biologischen Faktoren kombiniert, um das
Vorteile gegenüber den heutigen Alternativen. Im Zielgewebe herzustellen. Nach dem Zusammenführen
Projekt werden relevante Eigenschaften der Tinten der Komponenten müssen diese mehrere Wochen
sowie der biogedruckten Modelle charakterisiert, kultiviert werden, bis ein lebendes Gewebe heran­
standardisiert und mit herkömmlichen Alternativen wächst. Um den komplexen Aufbau natürlicher
verglichen. Eine Übertragbarkeit auch auf andere Gewebe nachzuahmen, werden seit einigen Jahren
lichtbasierte Bioprinting-Technologien ist gegeben. auch 3D-Drucktechniken eingesetzt. Mithilfe dieser
Im Erfolgsfall werden die synthetischen Biotinten mit Systeme konnten bereits sehr kleine Gewebe- und
ihren signifikanten technischen und wirtschaftlichen Organvorläufer erzeugt werden. Eine der größten
Vorteilen künftig sowohl Forschungseinrichtungen Herausforderungen beim Aufbau größerer Gewebe im
als auch Unternehmen das Erschließen neuer Anwen­ Millimetermaßstab stellt jedoch die Versorgung der
dungs­fälle und Produkte ermöglichen. Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen dar. lm Körper
Materialforschung für das Bioprinting 9

übernimmt diese Aufgabe das Blutgefäßsystem aus


Arterien, Venen und Kapillaren. Die mikroskopisch
kleinen Kapillargefäße können mit den heutigen
Druckverfahren jedoch noch nicht direkt hergestellt
werden. Problematisch sind hierbei vor allem Struktur­
größen kleiner als 25 µm, da die dafür notwendige
Verkleinerung der Druckköpfe zu große Einbußen in
Bezug auf die Druckeffizienz sowie die Überlebens­
rate der Zellen aufgrund der höheren mechanischen
Belastung mit sich bringen würde.

Was wurde erreicht?


Das Anfang 2023 abgeschlossene Projekt NatInk, das
im Rahmen des Ideenwettbewerbs Biologisierung der
Technik gefördert wurde, zielte auf die Entwicklung
neuer Biotinten, mit denen eine Verbesserung der
Versorgung der Zellen in biogedrucktem Gewebe
erreicht werden kann. Die kapillaren Versorgungs­
strukturen biologischer Gewebe sollten hierbei durch
das Einbringen von Hohlfasern nachgeahmt werden. Mikroskopische Untersuchungen von fluoreszenzmarkierten Fasern
innerhalb der Biotinten im Rahmen des Projektes NatInk
Im Projekt wurde dazu eine Materialplattform
erforscht, bei der elektrogesponnene Fasern aus
dem bioabbaubaren Kunststoff Polycaprolacton in PROJEKTDATEN

eine Hydrogelmatrix eingearbeitet wurden. Durch Projekttitel Von der Natur inspirierte, faser­
modulierte Biotintenplattform (NatInk)
Verbesserung der Benetzbarkeit der Fasern mittels
Fördermaßnahme Ideenwettbewerb Biologisierung der
Plasmabehandlung wurde eine gute Verteilung in Technik
der Hydrogelmatrix erreicht. Es wurde dabei kein
Koordinator Black Drop Biodrucker GmbH
negativer Einfluss der Fasern auf die Überlebensrate
Projektpartner • Technische Universität
der in die Hydrogelmatrix eingebetteten Zellen Darmstadt – I­ nstitut für
beobachtet. Die neu entwickelte Biotinte ließ sich ­Druckmaschinen und Druckverfahren
• Naturwissenschaftliches und
sowohl mit Inkjet- als auch Mikroextrusionsverfahren Medizinisches Institut (NMI)
gut zu dreidimensionalen Probekörpern verdrucken. Projektlaufzeit 10/2021 bis 01/2023
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass durch die Förderkennzeichen 13XP5177A-B
integrierten Fasern ein verbesserter Stofftransport in
den Gewebestrukturen erreicht wird. Damit wurde
eine aussichtsreiche Technologieplattform demon­ 2.1.4 W
 undheilung durch 3D-gedruckte
striert, mit der eine deutlich bessere Versorgung der ­Gewebeimplantate
Zellen mit Sauerstoff und Nährstoffen ermöglicht
werden kann. Künftig können diese Biotinten zur Worum geht es?
Herstellung größerer Gewebemodelle beispielsweise Große offene Wunden, wie sie beispielsweise nach
für die Erforschung neuer Medikamente genutzt Unfällen oder Krebsoperationen auftreten, sind mit
werden. Hierdurch könnten Tierversuche eingespart starken Schmerzen und gesundheitlichen Risiken
und patientenindividualisierte Wirkstoffe getestet für die Patientinnen und Patienten verbunden. Als
werden. Weitere mögliche Anwendungsbereiche sind Behandlungsmethode kommt hier beispielsweise
die Erforschung von Wundauflagen und Implantaten das chirurgische Verfahren der Lappenplastik zum
oder ein Einsatz im aufstrebenden Forschungs- und Einsatz, bei der die Wunde durch körpereigenes
Entwicklungsbereich des kultivierten Fleisches Gewebe abgedeckt wird. Dabei wird Gewebe von einer
(Cultured Meat) als Nahrungsmittel. entbehrlichen Stelle des Patienten als Spenderregion
auf die betroffene Wunde, die Empfängerregion, über­
tragen. Bei diesem Transfer wird das Gewebe vollständig
10 BIOPRINTING – POTENZIALE FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG UND ANWENDUNG

vom Körper gelöst, um anschließend unter einem physiologischer Architektur erzeugt, das nach der
Mikroskop mithilfe von Mikrochirurgie wieder an Implantation und dem Anschluss an das Blutsystem
den Blutkreislauf angeschlossen zu werden. Je nach als extrazelluläre Matrix eine schnelle Besiedlung
Aufbau des zu ersetzenden Gewebes müssen mitunter mit körpereigenen Zellen ermöglicht. Im weiteren
mehrere Gewebeschnitte miteinander kombiniert Heilungsverlauf verbinden sich diese Zellen zu neuem
werden, um die ursprüngliche Struktur und Funktion Gewebe und stellen die ursprünglich strukturellen
des Körpers wiederherzustellen. Insbesondere bei der und funktionellen Eigenschaften des Körpers wieder
Entfernung von Gewebe im Mundraum, der Wange, her. Auch wenn bei dem Forschungsansatz keine
des Gaumens und des Kiefers stellt dies eine große lebenden Zellen verdruckt werden, lässt sich das
Herausforderung für die Fachkräfte in der Chirurgie Projekt aufgrund der Verwendung von Biomaterialien
sowie Patientinnen und Patienten dar. und vergleichbaren Prozessbedingungen in weiterem
Sinne als Bioprinting fassen.
Für die Rekonstruktion des vorliegenden Defekts muss
das chirurgische Fachpersonal Gewebe von verschie­ Der Fokus der Forschung liegt auf dem Nachweis der
denen Entnahmestellen, z. B. Unterschenkel, Ober­ Biokompatibilität des gedruckten Weichgewebe-­
schenkel, Unterarm, Schulter, Bauchwand, entnehmen Implantats nach medizintechnischen Normen, um die
und diese in einem sich anschließenden Verfahrens­ Voraussetzungen für einen Einsatz am Menschen zu
schritt miteinander verbinden. Die zwei notwendigen schaffen. Als Anwendungsgebiet werden Defekte im
Operationen mit den daraus resultierenden Wunden Gesichts- und Schädelbereich (kranofazial) adressiert.
und den damit verbundenen Folgeerscheinungen, wie Vor allem für Transplantate im Kieferbereich besteht
eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit, stellen eine ein hoher medizinischer Bedarf, der im Erfolgsfall
erhebliche gesundheitliche und körperliche Belastung gute Voraussetzungen für eine nachfolgende
für die Betroffenen dar. Darüber hinaus ist die Lappen­ ­Kommerzialisierung bietet.
plastik in ihrer Größe limitiert, sodass nur eine lokal
eingegrenzte Defektform therapiert werden kann. PROJEKTDATEN
Projekttitel Erforschung und Qualifikation von
Biomaterialien für additiv gefertigte
Was soll erreicht werden? Weichgewebe-Implantate (ImkraWe)
Im Rahmen des Verbundprojekts „ImkraWe“ sollen Fördermaßnahme Werkstoffplattform Biomaterialien
Biomaterialien mittels additiver Fertigung („3D- Koordinator Cellbricks GmbH
Druck“) zu patientenspezifischen Weichgewebe-­ Projektpartner Karl Leibinger Medizintechnik
Implantaten verarbeitet werden. Bei den Materialien GmbH & Co. KG
handelt es sich um gentechnisch hergestellte Proteine Projektlaufzeit 11/2020 bis 10/2023
mit hoher Ähnlichkeit zum humanen Eiweißstoff Förderkennzeichen 13XP5109A-B
Kollagen. Hieraus wird ein Implantat mit komplexer

Forschende am Bioprinter. Ein neuer Druckprozess wird vorbereitet. Die Biotinte wird mit Zellkulturmedium versetzt, um optimale Bedingungen
für menschliche Zellen zu schaffen.
Materialforschung für das Bioprinting 11

Ethisch gewonnene Schweine- und Kaninchenaugen werden im Hornhautzellen (Keratozyten), die 14 Tage lang In-vitro kultiviert wurden,
Rahmen des Projektes BlindZero als Ex-vivo-Modelle zur Unter­ zeigen eine positive Färbung (in grün) für einen charakteristischen Marker.
suchung des Hornhaut-Bioprinting-Prozesses verwendet.

2.1.5 R
 eparatur von Hornhautschäden am Auge ∙ Ein nahtloses Verfahren, das die technischen
durch Bioprinting Herausforderungen beim Nähen überwindet sowie
eine schnellere Heilung und Gewebe-Remodellie­
Worum geht es? rung nach der Operation fördert
Hornhautschäden als Folge von Verletzungen,
Infektionen oder erblichen Hornhautdefekten können Dieses Projekt soll einen neuen Weg der klinischen
Schmerzen, verschwommenes Sehen und schließlich Behandlung eröffnen, für den derzeit nur Spender-
Blindheit verursachen. Wenn Hornhautschäden und Transplantate verwendet werden. Im künftigen
Sehstörungen nicht mit nicht invasiven Behandlungen Anwendungsszenario werden die Zellen des Patienten
wie Augentropfen, Antibiotika und entzündungs­ (z. B. aus Knochenmarkzellen differenzierte Horn­
hemmenden Medikamenten korrigiert werden können, hautzellen, sog. stromale Keratozyten) mit den
sind Hornhauttransplantationen die ultimative innovativen Hydrogelen gemischt und in den 3D-
Behandlungsoption. Trotz der enormen Fortschritte Drucker geladen. Nach Entfernung von geschädigtem
bei den chirurgischen Techniken in den letzten zehn Gewebe druckt die chirurgische Fachperson die
Jahren gibt es immer noch viele Faktoren, die den Zell-Hydrogel-Mischung Schicht für Schicht am Auge
langfristigen Erfolg der Hornhauttransplantation des Patienten, um eine neue Hornhaut herzustellen.
behindern. Das Tissue Engineering der Hornhaut
kann viele Komplikationen der konventionellen Bis 2015 wurden in Deutschland durchschnittlich
Hornhauttransplantation umgehen und hat in den 7.000 und weltweit 100.000 Hornhauttransplantationen
letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. pro Jahr durchgeführt. Der Markt wird allein in
Ziel dieses Projekts ist es, innovative Hydrogele zu Deutschland bis 2030 auf über 60 Millionen Euro pro
untersuchen, um mittels 3D-Bioprinting Hornhäute Jahr und weltweit auf eine Milliarde Euro pro Jahr
direkt am Auge des Patienten herzustellen. anwachsen. Neben der Erschließung dieses Marktes
strebt dieses Projekt die Bewältigung einer wissen­
Was soll erreicht werden? schaftlichen und klinischen Herausforderung an.
Im Gegensatz zu früheren Ansätzen weist das vor­ Millionen von Patientinnen und Patienten leiden an
geschlagene Konzept zur Regeneration von Hornhaut­ sehkraftbedingten Krankheiten, und dieses Projekt
defekten folgende Vorteile und Innovationen auf: kann ihnen möglicher­weise etwas Hoffnung bringen.

∙ Verwendung von humanbasierten Hydrogelen PROJEKTDATEN

mit photovernetzbaren Eigenschaften, mit denen Projekttitel In-vivo-Bioprinting-Keratoplastik mit


biokompatibler, natürlicher Bioinks,
das 3D-Bioprinting direkt am Operationstisch die unter sichtbarem Licht vernetzen
­ermöglicht wird (BlindZero)
∙ Verwendung von zellfreundlichem, nicht krebs­ Fördermaßnahme NanoMatFutur
erregendem sichtbarem Licht anstelle von UV-Licht Koordinator Zentrum für Molekulare Biologie (ZMB)
der Universität Heidelberg
für die Polymerisation von Hydrogelen
Projektlaufzeit 01/2022 bis 12/2026
Förderkennzeichen 13XP5135
12 BIOPRINTING – POTENZIALE FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG UND ANWENDUNG

Interview mit Frau Dr. Daniela Duarte Campos, die Entwicklung einer Technologie, die in erster Linie
Nachwuchsgruppenleiterin im Rahmen der BMBF- für die Patientinnen und Patienten sicher sein muss.
Fördermaßnahme NanoMatFutur und Projektleiterin Derzeit implementieren wir ein Kamera- und Sensor-
des Projektes BlindZero system, das es dem Bioprinter ermöglicht, das Auge
als Zielplattform für den Druck zu erkennen, sodass
Warum fasziniert Sie das Thema Bioprinting? der Prozess so präzise und sicher wie möglich durch­
Bioprinting ist ein spannendes Feld, denn es verbindet geführt werden kann. Wir sind auch an der Entwick-
Spitzentechnologien mit dem Potenzial, verschiedene lung einer neuen Klasse von Biotinten interessiert, die
Aspekte der Gesundheitsversorgung zu revolutionieren. in sichtbarem Licht polymerisieren und biokompatible
Insbesondere hat es das Potenzial, 3D-Strukturen Photoinitiatoren verwenden. Dies ist ein anspruchs-
zu erzeugen, die menschliches Gewebe und Organe volles Ziel, da Photoinitiatoren natürlichen Ursprungs,
imitieren, die entweder als In-vitro-Modelle für die wie Riboflavin, im Vergleich zu ihren synthetischen
Prüfung von Arzneimitteln verwendet oder als Ersatz Äquivalenten zu langsameren Polymerisationsreaktionen
für ausgefallene Organe implantiert werden können. neigen und somit den Druckprozess verlangsamen.
Wir möchten den Druckprozess so kurz wie möglich
Was hat Sie bewogen, sich auf die BMBF-Förder­ halten, um eine schnelle Lösung zur Regeneration der
maßnahme NanoMatFutur zu bewerben? Hornhautdefekte zu bieten, und deshalb testen und
NanoMatFutur bietet innerhalb der materialwissen- optimieren wir die Polymerisationsgeschwindigkeit
schaftlichen Forschungs- und Entwicklungsgemein- unserer Biotinten.
schaft eine sehr attraktive Fördermöglichkeit, da
es darum geht, die Grundlagen in die Anwendung Wann ist mit ersten klinischen Anwendungen Ihrer
zu b
­ egleiten. Andere verfügbare Fördermittel, zum Technologie zu rechnen?
Beispiel durch die Europäische Union, sind eher für Ich hätte sehr gerne eine Antwort auf diese Frage! Im
die Grundlagenwissenschaft geeignet und nicht auf die besten Fall können wir nach dem fünfjährigen Förder-
Materialwissenschaft konzentriert. Mit der Förderung zeitraum den Antrag für die ersten klinischen Studien
durch das BMBF erhielt ich außerdem die einmalige mit einer sehr geringen Anzahl von Patientinnen und
Gelegenheit, meine unabhängige Forschungsgruppe Patienten stellen. Nun ist es aber in der Wissenschaft
aufzubauen. nicht immer einfach, die Ergebnisse zu prognostizieren.
Ich denke, dass wir sehr zufrieden wären, wenn wir
Was ist das Besondere an Ihrem Forschungsansatz ­unsere ersten klinischen Versuche in den nächsten
und welche wesentlichen Herausforderungen stellen zehn Jahren durchführen könnten.
sich bei Ihrer Forschung?
Mit BlindZero wollen wir Bioprinting-Technologien Gibt es weitere medizinische Anwendungsfälle,
aus dem Labor in den Operationssaal bringen. Dies ist die Sie mit der Bioprinting-Technologie adressieren
mit mehreren Herausforderungen verbunden, darunter möchten?
In meiner Arbeitsgruppe sind wir daran interessiert,
neben der menschlichen Hornhaut andere Gewebe
und Organe herzustellen. Der Weg, den dieses Projekt
einschlägt, wird also auch für andere Anwendungen
sehr wichtig sein. Unsere Technologien und Materialien
werden beispielsweise auch als menschliche In-vitro-
Hornhautmodelle für die Prüfung des toxischen Effekts
von neuen Chemikalien und Medikamenten, die auf
den Markt kommen, eingesetzt werden.

Forschungsgruppe von NanoMatFutur-Wissenschaftlerin


Dr. Daniela Duarte Campos (links im Bild)
Materialforschung für das Bioprinting 13

UV-Vernetzung einer Hydrogelstruktur

2.2 Forschungslandschaft Bioprinting 2.3 Förderaktivitäten des BMBF


Die internationale Forschungslandschaft im Bio­ Das BMBF fördert seit einigen Jahren Forschung zum
printing wird derzeit angeführt von den USA mit Thema Bioprinting. Dies betrifft neben ersten Pilot­
den meisten aktiven Instituten und wissenschaftlich projekten auch die KMU-Förderung im Kontext des
Publizierenden, gefolgt von China, Südkorea, Programms „KMU-innovativ“ sowie die Nachwuchs­
Deutschland und Großbritannien. In Deutschland förderung im Rahmen der Maßnahme „NanoMat­
finden sich relevante Forschungseinrichtungen im Futur“. Thematisch fällt das Bioprinting in die BMBF-
außeruniversitären Bereich, wie dem Karls­ruher Förderlinie „Biologisierung“ der Technik. Ziel der
Institut für Technologie (KIT), dem Fraunhofer-Institut „Biologisierung“ der Materialforschung ist es, die in
für Grenzflächen- und Bio­verfahrens­technik, den biologischen Systemen vorkommenden Prozesse und
Leibniz-Instituten für Interaktive Materialien (DWI) Prinzipien zu verstehen, sie für technische Anwendun­
und für Neue Materialien (INM) oder dem Max-Planck- gen nutzbar zu machen und aus ihnen neue Eigen­
Institut für medizinische Forschung. In der universi­ schaften für technische Materialien sowie die darauf
tären Forschung sind beispielsweise das Naturwissen­ basierenden Produkte abzuleiten[1]. Gezielt struktu­
schaftliche und Medizinische Institut (NMI) in rierte und funktionalisierte Biomaterialien, wie sie
Reutlingen, die Universitäten in Heidelberg, Erlangen- durch das Bioprinting realisiert werden können, bieten
Nürnberg und Würzburg sowie die tech­nischen dabei große Potenziale für eine Individualisierung und
Universitäten in Aachen, Darmstadt und Dresden zu Personalisierung von Medizinprodukten. Nach dem im
nennen. Seit einigen Jahren schlägt das BMBF mit Jahr 2020 als ersten Schritt der Förderlinie initiierten
ersten Pilotprojekten zum Bioprinting die Brücke „Ideenwettbewerb Biologisierung der Technik“ folgen
zur kommerziellen Nutzung und konkreten medizin­ sukzessive weitere thematische Bekanntmachungen,
technischen Anwendungen. Auch die Industrie wie die im Oktober 2022 veröffentlichte Förderricht­
engagiert sich zunehmend im Bioprinting, was sich in linie zum Thema „Bioinspirierte Material- und Werk­
Forschungs­kooperationen großer Konzerne wie BASF stoffforschung“. Speziell zum Thema Bioprinting soll
oder Bayer sowie dem Entstehen einer Start-up-Szene in den kommenden Jahren ein weiterer sogenannter
(s. Kapitel 3.2) äußert. Material-Hub mit dem Titel MaterialVital umgesetzt
werden, der alle notwendigen strategischen Schritte der
Innovationsförderung verfolgt, von der Konzeptphase
über eine sich anschließende Forschungs- und Ent­
wicklungsphase mit einer Prototypen- oder Methoden­
entwicklung sowie einen darauf aufbauenden Techno­
logietransfer hin zur Marktreife. Neben technischen
Aspekten sollen dabei auch frühzeitig ethische, recht­
liche und soziale Aspekte (ELSA) sowie Fragen der
Materialsicherheit berücksichtigt werden.
14 BIOPRINTING – POTENZIALE FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG UND ANWENDUNG

3 Standardisierung und Kommerzialisierung


3.1 Standardisierung 3.2 Kommerzialisierung
Der Einsatz des 3D-Drucks ist aktuell einer der am Seit Mitte des letzten Jahrzehnts haben die ersten
schnellsten wachsenden Bereiche in der biomedizi­ Kommerzialisierungsaktivitäten im Bioprinting mit
nischen Wissenschaft, in denen Fachleute aus den der Ausgründung von Start-ups und der Verfügbarkeit
Ingenieur- und Naturwissenschaften sowie dem von geeigneten Druckern und Materialien eingesetzt.
Klinikbereich zur Zukunft der Gesundheitsversorgung Für 2022 wurde das weltweite Marktpotenzial bereits
beitragen. Dieses zutiefst interdisziplinäre Forschungs­ auf 1,3 Milliarden US-Dollar geschätzt – mit jährlichen
feld steckt in vielerlei Hinsicht noch in den Kinder­ Wachstumsraten von rund 20 % bis 2027[2]. In einer
schuhen. Dennoch haben die gemeinsamen Bemühun­ Übersichtsstudie wurden bis Mitte 2020 weltweit rund
gen von Gruppen auf der ganzen Welt bereits zu einem 70 aktive Unternehmen im Bioprinting identifiziert.
starken Forschungsschub in diesem Bereich sowie einer Die Geschäftsmodelle basieren überwiegend auf dem
Vielzahl von Publikationen geführt. Dabei ist festzu­ Verkauf von Biodruckern und Biotinten und teilweise
stellen, dass Forschungsgruppen im Bioprinting immer auf dem Vertrieb spezifischer Dienstleistungen wie
wieder ihre eigenen Definitionen und ihre eigene der Herstellung bestimmter Gewebe, Gerüststrukturen
Terminologie vorschlagen. Dies macht es im arbeits­ oder Beratung. Hinsichtlich der Patentanmeldungen
gruppenübergreifenden Sinn schwierig, Forschungs­ wurde in den letzten Jahren wie bei den Publikationen
ergebnisse nachzuvollziehen und zu vergleichen, was ein starkes Wachstum verzeichnet[3]. Während die
den Fortschritt im Forschungsfeld verlangsamt und meisten Bioprinting-Unternehmen in Nordamerika
eine Translation der Ergebnisse erschwert. Damit eine und Europa angesiedelt sind, zeigen die Patent­
erfolgreiche Übertragung in die klinische Anwendung anmeldungen ein deutliches Übergewicht asiatischer
stattfinden kann, ist mehr prozessbezogenes Wissen Akteure vor allem aus China, das in der weiteren
erforderlich, um den Bioprinting-Prozess so zu Kommerzialisierung künftig vermutlich eine
standardisieren, dass eine objektive Überprüfung und ­f ührende Rolle einnehmen wird.
Bewertung von Qualität und Reproduzierbarkeit für
einzelne Phasen sowie den Gesamtprozess ermöglicht
werden. Aktuell gibt es keine adäquaten Standards für
Bioprinting-Prozesse. Best Practice und Produktions­
richtlinien für die Bioprinting-Technologien inklusive
Vorbereitung, Durchführung und Post-Phase des
Druckprozesses sind daher dringend erforderlich.

Erklärtes Ziel des im Zuge des BMBF-Förderprojekts


SOP_BioPrint im Jahr 2021 gegründeten VDI-Richt­
linien­ausschusses 5708 zum Bioprinting ist es, den
Bedarf an Standardprüfmethoden und Qualitäts­
kontrollen zu benennen und notwendige Standards
zu definieren (s. Kasten S. 15). Dabei soll die Anwendung
des Druckprodukts – Strukturen, die der regenerativen
Medizin, der Bereitstellung von Testsystemen für die
pharmazeutische Industrie sowie für grundlegende
zell­biologische Studien (z. B. Krankheitsmodelle)
dienen können – stets berücksichtigt werden. Der
Richtlinien­ausschuss ist hierfür bewusst anwendungs­
orientiert ausgerichtet. So decken die interdisziplinär
zusammengesetzten Mitglieder die Wertschöpfungs­
kette von Forschungseinrichtungen und Herstellern
bis zu Anwendern und einer Prüfgesellschaft ab. Montage eines Mikroextrusionsdruckers
Standardisierung und Kommerzialisierung 15

Interview mit den Vorsitzenden des VDI-­


Ausschusses 5708 Bioprinting: Dr. Hanna Hartmann
(Bereichs­leiterin am NMI Naturwissenschaftlichen
und Medizinischen Institut in Reutlingen) und Dr. Hanna Hartmann

Prof. Dr. Jürgen Groll (Institut für Funktions­


werkstoffe und Biofabrikation der Julius-­ Wie ist der internationale Stand in der Normung zum
Maximilians-Universität Würzburg) Bioprinting? Gibt es Aktivitäten des ISO oder einen
internationalen Austausch zum Thema?
Wie viele Fachleute sind an den Standardisierungs­ Uns sind derzeit keine Aktivitäten bezüglich einer
aktivitäten des VDI zum Thema Bioprinting beteiligt? ISO-Norm bekannt. Einen Austausch würden wir auf
Das sind 20 komplementäre Mitglieder, unter anderem jeden Fall begrüßen. Von VDI-Seite besteht eine enge
Forschungseinrichtungen und Universitäten, Hersteller Zusammenarbeit mit dem DIN, die englische Fassung
von Biomaterialtinten, Software und Druckern, Anwen- der Richtlinie könnte problemlos über das DIN bei
der aus den Bereichen Tissue Engineering und Pharma- ISO als Normvorschlag eingereicht werden.
entwicklung sowie eine Prüfgesellschaft.
Was sind für Sie die größten Herausforderungen bei
Wie groß ist das Industrieinteresse an der Thematik? der Standardisierung des Bioprintings?
Zu dieser Frage haben wir im Voraus ein Experten­ Im Prinzip kann jede Phase des Bioprintings heraus­
forum abgehalten. Zahlreiche Firmen, die bereits mit fordernd sein. Das beginnt schon bei der Reproduzier-
3D-Zellanwendungen arbeiten, haben dort über das barkeit und Robustheit des Verfahrens an verschie­
­Fehlen von Standards diskutiert: bei den Verfahren, denen Orten. In einem vom BMBF geförderten
den Biomaterialien und hinsichtlich der Nomen­klatur. Ring­versuch wurde extrusionsbasierter 3D-Druck in
Eine Gremienarbeit im Bereich Bioprinting wurde unseren Laboren sowie zehn weiteren akademischen
­damals von allen Teilnehmenden befürwortet. Laboren in ganz Deutschland unter standardisierten
Bedingungen durchgeführt. Die Studie beleuchtet sehr
Wann wird es die ersten veröffentlichten Richtlinien eindrücklich den Einfluss der Operatoren und der
geben und welche Themen stehen im Fokus? Druckerfunktion auf die Qualität der Druck­objekte.
Der Entwurf der VDI 5708 wird voraussichtlich im
Oktober 2023 mit einer dreimonatigen Einspruchsfrist Welche Potenziale sehen Sie in der Material­
veröffentlicht. Mit dem Weißdruck der Richtlinie ist forschung für das Bioprinting? Ist es aussichts­
dann im Herbst 2024 zu rechnen. reicher, im Biopolymerbereich auf neue Material­
entwicklungen mit verbesserten Eigenschaften
Im Fokus der VDI 5708 Bioprinting stehen die ver- zu setzen oder auf etablierte, möglichst bereits
schiedenen Druckphasen, inkl. Biotinten-Formulierung, ­zugelassene Materialien?
Qualifizierung des Drucksystems, Prozessdurchführung Eine der größten Herausforderungen in der Material­
und -kontrolle sowie die unmittelbar anschließende forschung ist die Vereinbarkeit von Druckbarkeit,
Produktcharakterisierung, von der Geometrie bis zu Formtreue, Auflösung und Biofunktionalität sowie
biologischen Aspekten. Abbaubarkeit, was in bisher etablierten Materialien
leider kaum vereint ist. Daher wird viel in Forschung
Prof. Dr. Jürgen Groll
investiert, um Materialien zu optimieren, etwa durch
Zusatzkomponenten für rheologische oder biologische
Modifikationen. Das NMI erforscht zum Beispiel in
einem anderen BMBF-Förderprojekt die Herstellung
von Mikrofasern, die in Biotinten eingemischt werden.
Die Uni Würzburg arbeitet unter anderem in mehreren
Teilprojekten des DFG- Sonderforschungs­bereiches
TRR225 „Von den Grundlagen der Bio­fabrikation zu
funktionalen Gewebemodellen“ an der Ent­wicklung
neuer Biotintenformulierungen.
16 BIOPRINTING – POTENZIALE FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG UND ANWENDUNG

Interview mit Lutz Kloke, Gründer und Organe mithilfe von 3D-Druck herzustellen, weckt die
­Chefwissenschaftler der Firma Cellbricks GmbH Fantasie, die medizinische Forschung und Therapie zu
revolutionieren. Aufgrund dieses vielversprechenden
Welches Geschäftsmodell verfolgen Sie mit Ihrem Potenzials zeigen Investoren ein wachsendes Interesse
Unternehmen und wie finanziert sich Ihr Start-up? daran, in Bioprinting-Start-ups zu investieren.
Cellbricks ist ein Start-up mit einem hybriden Geschäfts­
modell, das auf Umsätzen mit seinen Produkten sowie Auf welche Anwendungsfälle setzen Sie Ihren Fokus
Förderkapital basiert. Wir entwickeln fortschrittliche und warum?
biotechnologische Lösungen für regenerative Therapien Die Zukunft für das Bioprinting liegt in der mensch­
und pharmazeutische Entwicklung. Dabei generieren lichen Anwendung. Während der Einsatz von Bioprinting
wir Einnahmen durch den Verkauf von Zellkultur- im Bereich der In-vitro-Forschung vielversprechende
produkten und -dienstleistungen und sichern uns Möglichkeiten aufgezeigt hat, liegt unsere Vision in
gleichzeitig Investitionen von Risikokapitalgebern, der In-vivo-Therapie und der klinischen Anwendung.
um Wachstum zu finanzieren und Innovationen Das Ziel ist es, Gewebe und Organe zu drucken, die für
­voranzutreiben. Transplantationen und regenerative Medizin verwendet
werden können, um Krankheiten zu behandeln und
Welche Rolle spielen Förderprojekte bei der die Gesundheit von Patientinnen und Patienten zu
­Entwicklung Ihrer Technologie? verbessern.
Förderprojekte sind ein ideales Instrument für ein
Biotech-Start-up wie Cellbricks in Deutschland, um Wo sehen Sie die größten Hürden für die
seine Deep-Tech-Entwicklung voranzutreiben. Diese ­Kommerzialisierung des Bioprintings?
Projekte bieten finanzielle Unterstützung und ermög­ Ausreichendes Funding stellt in Deutschland die größte
lichen den Zugang zu Ressourcen, Netzwerken und Hürde für die Kommerzialisierung von Bioprinting-
Expertise, um die Forschung und Entwicklung zu Produkten dar. Die Entwicklung und Skalierung dieser
­intensivieren und das Wachstum zu beschleunigen. Technologie erfordern erhebliche finanzielle Ressourcen
für Forschung, Entwicklung und klinische Studien. Der
Wie entwickelt sich das Investoreninteresse beim Zugang zu ausreichendem Kapital und Investoren, die
Bioprinting in Deutschland und international? das Potenzial von Bioprinting erkennen, ist entschei-
Bioprinting erfährt in Deutschland und speziell inter- dend, um die Markteinführung und den kommerziellen
national ein gesteigertes Interesse von Investoren. Die Erfolg zu ermöglichen. Eine verstärkte Förderung und
Technologie, die es ermöglicht, lebendes Gewebe und Investitionen in Bioprinting-Unternehmen sind daher
erforderlich, um diese vielversprechende Technologie
in Deutschland voranzutreiben.

Wann werden wir die erste Zulassung für ein


­bio­gedrucktes medizinisches Produkt sehen?
Die erste Zulassung für ein gedrucktes Produkt zur
menschlichen Anwendung lässt sich derzeit noch
nicht absehen, ist aber zweifellos ein realistisches
Ziel. A
­ ngesichts der komplexen regulatorischen
Anforderungen und der Notwendigkeit umfangreicher
klinischer Studien wird dieser Prozess noch einige
Zeit in Anspruch nehmen.

Firmengründer und Chefwissenschaftler Lutz Kloke (rechts)


mit Technikleiter Dr. Tobias Lam im Berliner Labor
Standardisierung und Kommerzialisierung 17

3.3 Start-ups im Porträt


3.3.1 Cellbricks GmbH 3.3.2 Black Drop Biodrucker GmbH
Cellbricks druckt mithilfe von Bioprinting organische Medikamententestung, Entwicklung von Organoiden
Implantate und lebende Gewebe aus biologischen und Implantaten oder Smart Food – das sind nur einige
Polymeren. Das im Jahr 2016 gegründete Start-up hat Themen, mit denen sich das Team von Black Drop
ein auf Stereolithographie basierendes Multi-Material- tagtäglich beschäftigt. Black Drop ist ein im Jahr 2017
Bioprintersystem entwickelt. Mit dem technischen gegründetes Start-up, das sich auf die Erforschung
Set-up, das aus 3D-Bioprinter, Bioinks und Software neuer 3D-Biodruckprozesse und Biotinten spezialisiert
besteht, wurden bereits viele unterschiedliche hat. Das Unternehmen bietet sowohl kundenspezifische
Gewebe (Vaskulatur, Leber, Tumor etc.) produziert. Hard- und Softwarelösungen als auch die zugehörigen
Die Technologie adressiert den Bedarf nach komplexen Biotinten an. In einem inter­disziplinären Team
Gewebemodellen im Tissue Engineering, in der arbeiten Fachleute aus dem Ingenieur­wesen, der
regenerativen Medizin und der Wirkstoffentwicklung. Bio­chemie, Medizin und Software­entwicklung an
Cellbricks Mission ist die Vervielfältigung von neuer 3D-Biodrucktechnologie. Im Rahmen von
menschlichem Gewebe, damit Forscher und Ärzte internationalen Forschungsprojekten ist Black Drop
bessere klinische Behandlungen anbieten können. außerdem an der Entwicklung neuer Therapie­
Das Know-how des Unternehmens im Tissue Enginee­ möglich­keiten für die regenerative Medizin beteiligt.
ring und die firmeneigene Biofabrikationstechnologie
ermöglichen eine völlig neue Art von Gewebe­
konstrukten.

Aufbereitung von Zellen für den Biodruck. Zellen werden geerntet, um sie mit der Biotinte zu mischen. Nach dem 3D-Druck entsteht ein gewebe­
artiges Hydrogel, das zu einem funktionalen menschlichen Gewebe heranwächst.
18 BIOPRINTING – POTENZIALE FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG UND ANWENDUNG

Interview mit Prof. Dr. Andreas Blaeser, Die Finanzierung des Unternehmens wurde zunächst
­Gründer und technischer Direktor der Black Drop durch eigenes Invest der Gründer und anschließend
Biodrucker GmbH aus Einnahmen aus den ersten beiden Säulen bestritten.
Inzwischen ist Black Drop zusätzlich an öffentlich
Was hat Sie zur Gründung Ihres Start-ups motiviert? geförderten Verbundvorhaben beteiligt.
Während meines Studiums bin ich durch eine Vorlesung
zum Thema Gewebezüchtung auf den 3D-Biodruck Wo möchten Sie mit Ihrer Firma in fünf Jahren stehen?
aufmerksam geworden. Die Vision, eines Tages Gewebe­ Das langfristige Ziel ist, patientenindividuelle Lösungen
teile oder sogar ganze Organe drucken zu können, für die Medizin anzubieten. Hierfür soll in den nächsten
hat mich fortan gefesselt. Mein Wunsch war es, mit fünf Jahren ein Medizinprodukt aus dem aktuellen For-
der Gründung dazu beizutragen, die spannenden schungsportfolio in die Anwendung überführt werden.
Forschungs­ergebnisse in die Praxis zu überführen.
Wie schätzen Sie die Potenziale ein, Tierversuche in
Welches Geschäftsmodell verfolgen Sie mit Ihrem der Medikamentenentwicklung durch Bioprinting zu
Unternehmen und wie finanziert sich Ihr Start-up? substituieren?
Das Geschäftsmodell fußt auf drei Säulen. Die erste Das Potenzial ist riesig! Miniaturisierte Herz-, Leber-
Säule beruht auf der Entwicklung und dem Verkauf von oder Nierengewebe werden schon heute zur Erfor-
individualisierbaren 3D-Biodrucksystemen und den schung neuer Wirkstoffe eingesetzt. Auch durch
zugehörigen Biotinten. Die zweite umfasst das Angebot neue rechtliche Grundlagen ergeben sich exzellente
von Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen auf Aussichten für „Organ-on-a-Chip“-Anwendungen,
dem Gebiet des 3D-Biodrucks und der Gewebezüchtung. wodurch in Zukunft massiv Tierversuche eingespart
Im Aufbau befindet sich gerade die dritte Säule, die werden können.
sich der Biofabrikation von Medizinprodukten widmet.
Hier arbeiten wir u. a. an der Veredelung bestehender Welchen Impact wird das Bioprinting für die
Implantatsysteme oder an der Herstellung von „Organ- ­Medizintechnik in den nächsten fünf Jahren haben?
on-a-Chip“-Systemen für die Pharmaindustrie. Was erwarten Sie langfristig?
In der Medizintechnik wird der 3D-Biodruck zu
spannenden und disruptiven Entwicklungen führen.
Veredelungsprozesse zur Verbesserung der Verträg-
lichkeit bestehender Medizinprodukte sind nur der
Anfang. Langfristig steht natürlich der Traum von 3D-
biogedruckten Geweben oder sogar ganzen Organen
im Raum. Erste klinische Studien zur Implantation von
Gewebeteilen zeigen bereits beeindruckende Erfolge.
Aus meiner Sicht ist es nur eine Frage der Zeit und
­größerer Investitionen in die Forschung, bis organ­
ähnliche Strukturen gedruckt werden können.

Was sind für Sie aktuell die größten


­Heraus­forderungen beim Thema Bioprinting?
Der größte Engpass ist nach wie vor die Sicherstellung
einer ausreichenden Nährstoffversorgung in größeren
biogedruckten Geweben oder auch die Integration von
elektrisch-leitenden Komponenten. In einem kürzlich
gestarteten Forschungsprojekt stellt sich Black Drop
gemeinsam mit seinen Projektpartnern diesen Heraus-
forderungen und forscht an neuen Lösungsansätzen.

Gründer und technischer Direktor der


Black Drop Biodrucker GmbH Prof. Dr. Andreas Blaeser
Standardisierung und Kommerzialisierung 19

4 Fazit und Ausblick


Bioprinting hat als Zukunftstechnologie das Potenzial, ziellen Nutzung der Technologie erarbeitet. Es gilt
die regenerative Medizin sowie die Krankheits- und nun, die weiteren notwendigen Entwicklungsschritte
Wirkstoffforschung zu individualisieren und funda­ im Zusammenspiel von Politik, Forschung und
mental zu verbessern. Die bislang erarbeiteten Industrie weiter voranzutreiben, um die Chancen des
Grundlagen im Bioprinting werden aktuell in anwen­ Bioprintings für unsere künftige Gesundheitsversor­
dungsorientierte Fragestellungen transferiert, wobei gung zu erschließen. Das BMBF wird das Engagement
zunehmend auch Fragen der Standardisierung und im Bioprinting beispielsweise innerhalb der Förder­
der medizinischen Zulassung relevant sind. Deutsch­ linie Biologisierung der Technik, der Nachwuchs­
land hat sich im Bioprinting hinter den USA und dem förderung sowie der KMU-Förderung weiter ausbauen.
aufstrebenden China eine gute Position zur kommer­

5 Weiterführende Infos
5.1 L inks mit Beratungs- und 5.2 Referenzen
­Informationsangeboten
[1] Fratzl et al. 2021: „Materialforschung: Impulsgeber
Förderaktivitäten des BMBF im Bereich bioinspirierte Natur – Innovationspotenzial biologisch inspirier­
Materialforschung werkstofftechnologien.de/ ter Materialien und Werkstoffe“, Peter Fratzl,
biologisierung. ­K arin J­ acobs, Martin Möller, Thomas Scheibel,
Katrin Sternberg (Hrsg.); ISSN 2192-6182
KMU-Förderung des BMBF im Bereich Material­
forschung werkstofftechnologien.de/foerderung/ [2] Markets and Markets 2022: „3D Bioprinting Market
kmu-foerderung. by Component 3D Bioprinters (Microextrusion,
Inkjet, Laser, Magnetic), Bioink (Natural, Synthetic,
Nationale Kontaktstelle Digitale und Industrielle Hybrid)), Material (Hydrogel, Living Cells), Applica­
Technologien zum europäischen Rahmenprogramm tion (­Research, Clinical), End User (Biopharma,
für Forschung und Innovation nks-dit.de. Academia) & Region – Global Forecast to 2027

Forschungslandkarte Werkstofftechnologien [3] Santoni et al. 2021: „3D bioprinting: current status
­werkstofftechnologien.de/service/kompetenzkarten/ and trends – a guide to the literature and industrial
werkstoffkarte-forschung-und-innovation. practice“, Bio-Design and Manufacturing

Eckpunktepapier zur Förderung der Material­


forschung werkstofftechnologien.de/fileadmin/
media/publikationen/658278_Eckpunktepapier_zur_
Foerderung_der_Materialforschung.pdf.
20 BIOPRINTING – POTENZIALE FÜR MEDIZINISCHE FORSCHUNG UND ANWENDUNG

5.3 Glossar KMU


Kleine und mittlere U
­ nternehmen
Biohybride ­Sensoren
Sensoren, die biologische mit künstlichen Komponen­ Organ-on-a-Chip/Organ-Chips
ten für eine verbesserte Funktionalität und Empfind­ Mikrofluidische Chips, die im miniaturisierten
lichkeit bei der Erfassung von Messsignalen oder Maßstab modellhaft die Funktion und das Verhalten
­A nalyten kombinieren von m
­ enschlichen Organen oder Geweben nach­ahmen

Bioprinting Piezoaktor
3D-Druckverfahren, bei dem lebende Zellen Wandelt elektrische Energie auf Basis kristalliner
­zusammen mit weiteren biokompatiblen Materialien Festkörpereffekte direkt in mechanische Energie um
schichtweise zu dreidimensionalen Gewebe- und und ermöglicht lineare Bewegungen
Organstrukturen gedruckt werden
Stereolithographie
Digitaler Zwilling 3D-Druckverfahren, bei dem lichtempfindliche Harze
Virtuelle Repräsentation eines physischen Objekts, durch einen Laser punktgenau ausgehärtet werden,
Produkts, Systems oder Prozesses um schichtweise ein dreidimensionales Objekt
aufzubauen
DFG
Deutsche Forschungsgemeinschaft Vaskulatur
Blutgefäßsystem
DIN
Deutsches Institut für Normung VDI
Verein Deutscher Ingenieure
Extrusionsdruck
Additiver Fertigungsprozess, bei dem ein viskoses
Material durch eine bewegliche Düse gepresst wird,
um s­ chichtweise ein dreidimensionales Objekt
aufzubauen

Ex-vivo
Außerhalb des lebenden Objekts

Inkjektdruck
Druckprozess, bei dem flüssige Tinten durch einen
beweglichen Druckkopf tröpfchenweise auf ein
Substrat aufgetragen werden

In-vitro
Im Reagenzglas

In-vivo
Am lebenden Objekt

ISO
Internationale Standardisierungsorganisation
Impressum
Herausgeber Diese Publikation wird als Fachinformation des Bundes­
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ministeriums für Bildung und Forschung kostenlos heraus­
Referat Werkstoffinnovationen; Hereon gegeben. Sie ist nicht zum Verkauf bestimmt und darf
53170 Bonn nicht zur Wahlwerbung politischer Parteien oder Gruppen
­eingesetzt werden.
Bestellungen
schriftlich an
Publikationsversand der Bundesregierung
Postfach 48 10 09
18132 Rostock
E-Mail: publikationen@bundesregierung.de
Internet: bmbf.de
oder per
Tel.: 030 18 272 272 1
Fax: 030 18 10 272 272 1
Stand
Oktober 2023
Text
Projektträger VDI
Technologiezentrum GmbH
Gestaltung
BMBF
Druck
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Bildnachweise
Titel: BMBF
S. 2: BMBF
S. 3: BMBF
S. 5: BMBF
S. 6: oben: BMBF, unten: NMI
S. 7: BMBF
S. 8: BMBF
S. 9: BMBF
S. 10: BMBF
S. 11: ZMB der Universität Heidelberg
S. 12: ZMB der Universität Heidelberg
S. 13: BMBF
S. 14: BMBF
S. 15: oben NMI, unten Uni Würzburg
S. 16: BMBF
S. 17: BMBF
S. 18: Black Drop Biodrucker GmbH
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