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206-009

DGUV Information 206-009

Suchtprävention
in der Arbeitswelt
Handlungsempfehlungen

November 2019
kommmitmensch ist die bundesweite Kampagne der gesetzlichen Unfallversicherung
in Deutschland. Sie will Unternehmen und Bildungseinrichtungen dabei unterstützen
eine Präventionskultur zu entwickeln, in der Sicherheit und Gesundheit Grundlage
allen Handelns sind. Weitere Informationen unter www.kommmitmensch.de

Impressum

Herausgegeben von:
Deutsche Gesetzliche
Unfallversicherung e.V. (DGUV)

Glinkastraße 40
10117 Berlin
Telefon: 030 13001-0 (Zentrale)
Fax: 030 13001-9876
E-Mail: info@dguv.de
Internet: www.dguv.de

Sachgebiet Betriebliches Gesundheitsmanagement des Fachbereichs


Gesundheit im Betrieb der DGUV

Autoren:
Jasmin auf dem Berge, DGUV
Dr. Kristin Hupfer, BASF
Ursula Riedel, BG Verkehr
Dr. Sabine Schreiber-Costa, BG RCI
Gudrun Wagner, BGHM

Ausgabe: November 2019

DGUV Information 206-009


zu beziehen bei Ihrem zuständigen ­Unfallversicherungs-
träger oder unter www.dguv.de/publikationen

Webcode: 206009

Bildnachweis
Titelbild © azrisuratmin - stock.adobe.com
Suchtprävention in der Arbeitswelt
Handlungsempfehlungen

DGUV Information 206-009 November 2019


Inhaltsverzeichnis

Seite Seite

1 Worum geht es?............................................................ 5 7 Aktiv werden – aber wie?......................................... 27


7.1 Verantwortung der Führungskräfte/
2 Welche rechtlichen Grundlagen verpflichten Verantwortung der Beschäftigten –
zum Handeln?................................................................ 7 praktisches Vorgehen................................................. 27
7.2 Zielführendes Handeln.............................................. 28
3 Was ist Sucht und was macht süchtig?............ 9 7.3 Häufige gestellte Fragen zum rechts­sicheren
3.1 Auslöser für Suchterkrankungen und Handeln im (Alkohol)-Akutfall............................... 29
Konsumverhalten......................................................... 9 7.4 Sicher in der betrieblichen Rolle agieren........ 30
3.2 Auffälligkeiten am Arbeitsplatz............................ 11 7.5 Co-Verhalten aufgeben – KLAR handeln.......... 31
7.6 Der Stufenplan als Beispiel für eine
4 Welche Formen der Sucht können zielführende Intervention........................................ 32
auftreten?......................................................................... 13 7.7 Lösungsorientierte Gesprächsführung............. 34
4.1 Stoffgebundene Suchtformen: 7.8. Auf die Nachsorge kommt es an........................... 35
Suchtmittelkonsum..................................................... 13
4.1.1 Nikotin................................................................................ 13 8 Das Wichtigste auf einen Blick:........................... 37
4.1.2 Alkohol............................................................................... 14
4.1.3 Medikamente mit Indikation.................................. 15 9 Anhang............................................................................... 39
4.1.4 Medikamente ohne Indikation (Hirndoping). 16 9.1 Beispielhafte Betriebs-/Dienstregelung
4.1.5 Illegale Drogen............................................................... 17 für Unternehmen und Organisationen ohne
4.2 Stoffungebundene Suchtformen: Arbeitnehmendenvertretung ................................. 39
Verhaltenssüchte.......................................................... 18 9.2 Beispielhafte Leitfragen für eine Betriebs-/
4.2.1 Pathologisches Glücksspiel.................................... 18 Dienstvereinbarung für Unternehmen und
4.2.2 Pathologischer Internetgebrauch – Organisationen mit Arbeitnehmenden­
Gefährdung durch neue Medien.......................... 20 vertretung ........................................................................ 40

5 Welche Wege führen aus der Sucht?................. 21

6 Wie sieht vorbeugendes Handeln aus?........... 23


6.1 Ziele der Prävention.................................................... 23
6.2 Sucht begünstigende Faktoren
am Arbeitsplatz............................................................. 23
6.3 Maßnahmen der Prävention................................... 23
1 Worum geht es?

In der Arbeitswelt ist das Thema „Sucht“ in seinen unter- Sicherheits- und Gesundheitsrisiken, die am Arbeitsplatz
schiedlichen Ausprägungen nach wie vor ein häufiges und durch missbräuchlichen Suchtmittelkonsum entstehen,
ernstzunehmendes Problem. Denn die von Suchtmittel- können wirkungsvoll und nachhaltig durch Maßnahmen der
missbrauch betroffenen Beschäftigten gefährden im Prävention und Intervention verringert werden. Die Aufklä-
Arbeitsalltag sowohl sich selbst als auch andere. Zusätz- rung über Risiken von Suchtmitteln sowie eine Enttabuisie-
lich zum erhöhten Unfallrisiko verschlechtert der Sucht- rung der Thematik sind wichtige Ziele. Ein möglichst breit
mittelmissbrauch die Arbeitsleistung und ist oft Ursache gefächertes Maßnahmenpaket ermöglicht eine wirksame
für erhöhte Fehlzeiten. Damit entsteht neben dem persön- Prävention. Dazu gehören die Einbindung des Arbeitsschutz-
lichen Leid auch ein erheblicher Kostenfaktor für Wirt- ausschusses (ASA), die Qualifizierung von Führungs­kräften,
schaft und Gesellschaft. die Aufklärung und Unterweisung aller Beschäftigten und die
Qualifizierung von Suchtbe­auf­tragten.
Es gibt viele Einflussmöglichkeiten, dem Thema Sucht
am Arbeitsplatz effektiv zu begegnen und sich als Unter- Betriebliche Suchtprävention ist einerseits eingebunden
nehmen oder Organisation sicherheits- und gesundheits- in die Führungs- und Kommunikationskultur eines Unter-
förderlich zu positionieren. nehmens und andererseits in das Betriebliche Gesund-
heitsmanagement. Sie ist auch Teil der Unternehmens­
Daher richten sich diese Handlungsempfehlungen an: kultur und damit auch Teil einer Kultur der Prävention.2)
• Unternehmerinnen und Unternehmer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Führungskräfte
• Führungskräfte nehmen eine Schlüsselrolle in der Suchtprävention ein.
• Arbeitnehmervertretungen Bei Auffälligkeiten im Arbeits- und Sozialverhalten von
• Personalverantwortliche Beschäftigten (wie beispielsweise eine nachlassende
• Fachkräfte für Arbeitssicherheit Arbeitsleistung) sind sie die erste Interventionsinstanz:
• Betriebsärztinnen und Betriebsärzte Dem Auftreten von Suchterkrankungen und möglichen
• Ansprechperson für Suchtfragen/ Auswirkungen können Führungskräfte durch präventive
Betriebliche Suchtbeauftragte1) Maßnahmen, frühzeitiges Ansprechen und konsequentes
• Betriebliche Sozialberatung Agieren entgegenwirken. In Einzelfällen ist die Schaffung
• Personen, die sich über die Risiken von Suchtmittel­ von individuell geeigneten Arbeitsplätzen erforderlich.
konsum und mögliche Hilfsmaßnahmen informieren
möchten. Diese Broschüre gibt Hinweise zur Vorbereitung zielfüh-
render Intervention. Darüber hinaus werden Tipps zur
Sobald Beschäftigte ihren arbeitsvertraglich geschuldeten Gesprächsführung mit Mitarbeitenden gegeben, bei
Verpflichtungen nicht mehr gerecht werden, müssen Füh- denen ein problematischer Suchtmittelkonsum vermutet
rungskräfte aktiv werden. Manchmal ist es offenkundig, wird. Themati­­siert werden präventive Maßnahmen, Hand-
dass Alkohol oder andere Suchtmittel im Spiel sind. Doch lungsmöglichkeiten und die Wiedereingliederung von
auch wenn Gründe für das Fehlverhalten nicht eindeutig Beschäftigten. Weiterhin werden mögliche innerbetrieb-
sind, liegt es in der Führungsverantwortung, zugunsten liche Beteiligte mit ihren Verantwortlichkeiten und Pflich-
von Arbeitssicherheit, Arbeitsqualität und Gesundheit der ten im Kontext von Suchtmittelmissbrauch beschrieben.
Beschäftigten zu handeln. Diagnosen zu stellen gehört
nicht zu dieser Aufgabe. Wenn eine Auffälligkeit am Ar­ Im Kontext von Suchtmittelmissbrauch am Arbeitsplatz ist
beitsplatz sich in einer Erkrankung begründen könnte, insbesondere Alkohol ein Thema. Daher liegt der Schwer-
muss der betroffenen Person die Möglichkeit eingeräumt punkt dieser Broschüre auf dem Umgang mit alkoholauf-
werden, dies (betriebs-) ärztlich abklären zu lassen. Denn fälligen Personen. Grundsätzlich lassen sich die Regeln
nur medizinisch und psychologisch geschultes Fachper- und Handlungsempfehlungen, die für diese Gruppe von
sonal kann Krankheitsbilder diagnostisch abklären und Betroffenen gelten, auf alle anderen angesprochenen
therapeutische Maßnahmen einleiten. Suchtstörungen übertragen.

1) In dieser DGUV Information wird der Begriff „Ansprechperso- 2) Die Kampagne „Kommmitmensch“ möchte Menschen dafür
nen für Suchtfragen“ synonym zu „betriebliche Suchtbeauf- begeistern, Sicherheit und Gesundheit als zentrale Werte bei
tragte“ verwendet. ihren Entscheidungen und Aktivitäten zu berücksichtigen.

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2 Welche rechtlichen Grundlagen
verpflichten zum Handeln?

Rechtliche Regelungen zum Suchtmittelkonsum sind u. a.


DGUV Vorschrift 1
in folgenden Gesetzen und Vereinbarungen festgelegt:

• Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der


• Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) Prävention“ DGUV Vorschrift 1, § 15 unter Allgemeine
• Jugendarbeitsschutzgesetz (JArBSchG) Unterstützungspflichten und Verhalten
• Straßenverkehrsgesetz (StVG)
• Unfallverhütungsvorschrift • Versicherte dürfen sich durch den Konsum von Alko-
„Grundsätze der Prävention“ (DGUV Vorschrift 1) hol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln
• Dienst-/Betriebsvereinbarungen, Betriebsregelungen nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich
selbst oder andere gefährden können (§ 15 Abs. 2).
Nachfolgend wird aus Sicht der Unfallversicherung sowie • Das gilt auch für die Einnahme von Medikamenten
der Betriebe und Bildungseinrichtungen auf relevante (§ 15 Abs. 3).
Regelungen eingegangen:

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die DGUV Vor- Die DGUV Vorschrift 1 ist eine rechtsverbindliche Regelung
schrift 1 konkretisieren die Verhaltenspflichten im betrieb- der Unfallversicherungsträger. Ein absolutes Alkohol- oder
lichen Arbeitsschutz. Diese Vorschriften gelten auch im Suchtmittelverbot ist darin nicht vorgeschrieben.
Umgang mit suchtmittelauffälligen Beschäftigten.
In Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung kann je-
Ziel der Regelungen ist es, für Sicherheit und Gesundheit doch ein absolutes Alkohol- bzw. Suchtmittelverbot bei
der Beschäftigten zu sorgen. Unfälle bei der Arbeit und der Arbeit festgelegt werden. Solche Regelungen schaffen
auf dem Arbeitsweg sollen verhindert werden. Klarheit und erleichtern allen beteiligten Personen ein
frühzeitiges Handeln.
Arbeitsschutzgesetz (ArbgSchG)
Alternativ kann, resultierend aus der Gefährdungsbeurtei-
lung, ein Alkohol- bzw. Suchtmittelverbot bei Tätigkeiten
§ 15 Abs. 1 und § 16 des Arbeitsschutzgesetzes mit besonders hohem Gefährdungspotential beschlossen
werden.
Die Beschäftigten sind verpflichtet:
• gemäß der Unterweisung und der Weisung des Das kann zum Beispiel für folgende Tätigkeiten gelten:
Arbeitgebers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei • Führen von Fahrzeugen oder selbstfahrenden
der Arbeit Sorge zu tragen. Arbeitsmaschinen
• für die Sicherheit und Gesundheit der Personen zu • Arbeiten in unmittelbarer Umgebung von Fahrzeugen
sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlass­ • Arbeiten an Maschinen mit betriebsbedingt unge-
ungen bei der Arbeit betroffen sind. schützten, sich bewegenden Maschinenteilen
• jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche • Tätigkeiten mit Gefahrstoffen
Gefahr (...) unverzüglich zu melden. • Elektroarbeiten
• den Arbeitgeber darin zu unterstützen, die Sicherheit • Arbeiten mit Absturzgefahr, z. B. auf Bühnen, Gerüsten,
und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei Leitern
der Arbeit zu gewährleisten (...). • Tätigkeiten in Leitwarten, Steuerständen
• Störungsbeseitigungs- und Wartungsarbeiten

Spezielle Vorgaben zum Umgang mit Alkohol und Drogen


am Arbeitsplatz werden in der DGUV Vorschrift 1 beschrie-
ben. Die darin festgelegten Vorgaben richten sich an alle
Beschäftigten.

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Welche rechtlichen Grundlagen verpflichten zum Handeln?

Gemäß Arbeitsstättenverordnung haben Beschäftigte


Befähigung für Tätigkeiten
einen Rechtsanspruch auf einen rauchfreien Arbeitsplatz
und einen rauchfreien Pausenraum. Raucherinnen und
Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Raucher hingegen haben zum Rauchen weder einen
Prävention“ DGUV Vorschrift 1, § 7 Anspruch auf einen Raum noch auf explizite Pausen
(Problemfall: Raucherbereiche in Gaststätten). Wo das
• Der Unternehmer darf Versicherte, die erkennbar Rauchen erlaubt wird, regelt das Unternehmen je nach
nicht in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für Firmenphilosophie und räumlichen sowie finanziellen
sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit Möglichkeiten. Falls vorhanden, sollte die Arbeitnehmer-
nicht beschäftigen (§ 7 Abs. 2). vertretung bei der Entscheidung eingebunden werden.
Es unterliegt ebenfalls der unternehmerischen Gestal-
tungsfreiheit, ob die Zeit des Rauchens nachgearbeitet
Nach der DGUV Vorschrift 1 besteht ein Beschäftigungs- werden muss.
verbot für Personen, die nicht in der Lage sind, sicher zu
arbeiten. Das gilt genauso bei einer akuten Minderung Rechtliche Fragen zur Verkehrssicherheit werden in der
der Befähigung zum sicheren Arbeiten durch Alkohol-, Broschüre „Suchtprobleme im Betrieb“ des Deutschen
Drogen- oder Medikamenteneinfluss. Liegen konkrete Verkehrssicherheitsrats (DVR)1) beantwortet.
Anhaltspunkte dafür vor, müssen Führungskräfte ein Be­
schäftigungsverbot für den Tag aussprechen und für den
sicheren Heimweg des Beschäftigten sorgen.

Als Grundlage zum Schutz von nicht rauchenden


Beschäftigten gilt § 5 der Arbeitsstättenverordnung.

Nichtraucherschutz

§ 5 Arbeitsstättenverordnung Absatz 1 und 2

(1) Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen


zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftig-
ten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheits-
gefahren durch Tabakrauch geschützt sind.
Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allge-
meines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte
beschränktes Rauchverbot zu erlassen.

(2) In Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr hat der


Arbeitgeber Schutzmaßnahmen nach Absatz 1
nur insoweit zu treffen, als die Natur des Betriebes
und die Art der Beschäftigung es zulassen.

1) DVR - Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. (2016). Suchtpro-


bleme im Betrieb. Bonn: DVR.

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3 Was ist Sucht und was macht süchtig?
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In diesem Kapitel werden die Unterschiede zwischen Suchtmittelkonsum beeinflusst die Sicherheit und Ge-
risikoarmem, riskantem und abhängigem Konsum sowie sundheit sowie die Arbeitsqualität und das Arbeitsklima.
Besonderheiten bei den jeweiligen Suchtmitteln erläutert. Die meisten suchtkranken Personen arbeiten zwar jahr-
Es ist wichtig zu definieren, wann beispielsweise Alkohol- zehntelang trotz ihrer Suchtprobleme weiter, jedoch
konsum wirklich bedenklich ist, wo eine Suchterkrankung bleiben sie häufig mit ihrer Arbeitsleistung und ihrem
vorliegt und welche Besonderheiten bei den jeweiligen sozialen Verhalten weit hinter ihren eigentlichen Möglich-
Suchtmitteln zu berücksichtigen sind. keiten zurück. Wie viele Arbeitsunfälle auf das Konto der
Berauschtheit am Arbeitsplatz gehen, kann nur geschätzt
Jährlich sterben etwa 74 000 Menschen vorzeitig an den werden. Wird der Anstieg von Verkehrsunfallzahlen schon
Folgen eines überhöhten Alkoholkonsums und 1272 bei niedriger Alkoholisierung betrachtet (erhöht schon bei
Menschen aufgrund der Einnahme von illegalen Drogen1). 0,3 Promille, verdoppelt bei 0,5 Promille und verzehnfacht
Alkoholfolgeschäden sind für Männer zwischen 50-60 bei 1,1 Promille), ist eine hohe Dunkelziffer sehr
Jahren die häufigste Todesursache. wahrscheinlich.

Tabak: ca. 121 000 3.1 Auslöser für Suchterkrankungen


und Konsumverhalten
Alkohol: ca. 74 000
Verschiedene Studien belegen, dass die Ursache für die
Illegale Drogen: ca. 1272 Entstehung einer Suchterkrankung zu etwa 50 % genetisch
bedingt ist und zu etwa 50 % durch verschiedene äußere
Todesfälle in Deutschland durch Suchtmittel bezogen auf Faktoren ausgelöst wird.3) Letztere können einschneiden-
das Jahr 20172)
3) Prescott, C.A. & Kendler, K.S. (1999). Genetic and enviromen-
1) DHS - Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (2019). Jahr- tal contributions to alcohol abuse and dependence in a po-
buch Sucht 2019. Lengerich: Pabst Science Publisher. pulation-based sample of male twins. American journal of
Psychiatry, 156 (1), 34-40.
2) ebd.

9
Was ist Sucht und was macht süchtig?

de Lebensereignisse wie Todesfälle, Scheidungen,


Hinweis:
finanzielle Einbrüche, aber auch berufliche Faktoren, wie:
Konflikte am Arbeitsplatz, belastende Arbeitsbedingun-
gen oder Arbeitsplatzverlust, sein. Einen risikolosen Konsum gibt es weder bei Alkohol
noch bei anderen Suchtmitteln! Schon geringe Mengen
Die Entwicklung in die Sucht verläuft schleichend und eines Suchtmittels erhöhen nachweislich die Gefahr
meist über viele Jahre, oft unbemerkt von Familie, sozia- verschiedener Organerkrankungen.
lem Umfeld, Kolleginnen und Kollegen oder Führungs­
kräften. Bei Menschen mit Alkoholproblemen vergehen
durchschnittlich 10 Jahre von riskantem Konsum über B. Suchtmittelmissbrauch
Missbrauch, bis dann möglicherweise eine Abhängigkeit
entsteht. Bei Opiat- und Kokainabhängigen ist diese Zeit- Negative Auswirkungen des Konsums sind erkennbar
spanne deutlich kürzer. (gesundheitliche und/oder soziale Probleme), aber die
Kriterien für eine Abhängigkeit sind noch nicht erfüllt.
Beim Alkohol werden drei Phasen des problematischen
Konsums unterschieden, die fließend ineinander überge- C. Abhängigkeit
hen können4):
Als abhängig sind Menschen zu bezeichnen, die sich
A. Riskanter Konsum durch ihren Konsum gesundheitlich und/oder sozial er-
heblich schaden. Sie wissen darum und können ihr Kon-
Betroffene konsumieren so viel, dass sie zwar ihre Ge- sumverhalten dennoch nicht steuern.
sundheit langfristig gefährden, aktuell jedoch noch keine
körperlichen oder psychischen Schädigungen erkennbar
sind. Kennzeichen einer Abhängigkeit:

Im Fall von Alkohol spricht man von riskantem Konsum5) • Es besteht ein unwiderstehlicher Drang nach
• bei Männern ab einem täglichen Konsum von 24 g dem Suchtmittel.
Reinalkohol, also z. B. 0,6 Liter Bier oder 0,25 Liter • Andere Bedürfnisse und Verpflichtungen treten
Wein, hinter diesem Drang zurück.
• bei Frauen ab einem täglichen Konsum von 12 g Rein­ • Mittel- bis langfristig entstehen gesundheitliche,
alkohol, also z. B. 0,3 Liter Bier oder 0,15 Liter Wein. berufliche und/oder soziale Probleme.
• Einige Substanzen (insbesondere Alkohol,
Wer weniger konsumiert und nicht zu einer besonders Benzodiazepine, Opiate) können körperliche
gefährdeten Gruppe zählt (z. B. Schwangere, Menschen Entzugssymptome verursachen: Typischerweise
mit Epilepsie oder Leberschäden), betreibt risikoarmen sind das Schwitzen, Zittern, Schmerzen, Herzrasen,
Konsum. starke Blutdruckschwankungen, oft verbunden
mit Angstzuständen und Schlafstörungen.
• Komplikationen können auch ein Delir6) und/oder
epileptische Krampfanfälle sein.

4) Nach dem internationalen Diagnose-Manual ICD 10

5) Seitz, H. & Bühringer, G. (2010). Empfehlungen des wissen-


schaftlichen Kuratoriums der DHS zu Grenzwerten für den
Konsum alkoholischer Getränke. Verfügbar unter: https://
www.dhs.de/fileadmin/user_upload/pdf/dhs_stellungnah-
6) Delir (oder Delirium): Bewusstseinsstörung mit Desorientiert-
men/Grenzwerte_Alkoholkonsum_Jul10.pdf [05.09.2019].
heit und wahnhaften Vorstellungen und Ängsten

10
Was ist Sucht und was macht süchtig?

3.2 Auffälligkeiten am Arbeitsplatz

Die Auffälligkeiten am Arbeitsplatz lassen häufig keinen


eindeutigen Rückschluss auf das verwendete Suchtmittel
zu. Spielsüchtige, Alkohol-, Medikamenten- oder Drogen-
abhängige können teilweise ähnliche Symptome und
Verhaltensweisen zeigen.

Auch bei anderen Erkrankungen wie z. B. einer Depression,


einer Schilddrüsenerkrankung, einer Multiplen Sklerose
oder einer beginnenden Demenz können einige dieser
Symptome auftreten.

Betriebliche Auffälligkeiten, die auf Missbrauch


bzw. Abhängigkeit hinweisen können:

• Allgemeine Leistungsminderung: Leistungs-


schwankungen, reduzierte Qualität und Quantität
der Arbeit
• Erhöhte Fehlzeiten, häufige Einzelfehltage
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• Nachträgliche Beantragung von Urlaubstagen


• Gedächtnislücken
• Versäumnisse, Nichteinhaltung von Terminen,
Verspätungen
• Müdigkeit
• Unkonzentriertheit
• Unerklärbare Gefühlsschwankungen
• Scheinbare Gleichgültigkeit, Abgestumpftheit
• Übertriebene Risikobereitschaft
• Verändertes äußeres Erscheinungsbild

Hinweis:

Meistens sind mehrere dieser Auffälligkeiten


beobachtbar.

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4 Welche Formen der Sucht können auftreten?

Es werden stoffgebundene von stoffungebundenen Sucht- E-Zigaretten


formen unterschieden. Als stoffgebunden werden die Die elektrische Zigarette, auch E-Zigarette oder elektroni-
Suchtformen bezeichnet, bei denen psychisch und kör- sche Zigarette genannt, ist ein Gerät, das durch eine elek-
perlich wirksame Substanzen eine Sucht auslösen kön- trisch beheizte Wendel eine Flüssigkeit, das sogenannte
nen. Stoffungebundene Suchtformen werden auch Verhal- Liquid, zum Verdampfen bringt. Der entstehende Nass-
tenssüchte genannt. Diese Broschüre beschränkt sich auf dampf wird vom Konsumenten inhaliert oder gepafft. Im
die Darstellung der Suchtformen, die im Arbeitskontext Unterschied zur Zigarette findet also kein Verbrennungs-
die größte Rolle spielen und erhebt keinen Anspruch auf prozess statt. Das reduziert die krebserzeugenden Gifte,
Vollständigkeit. die die Nutzer inhalieren, erheblich. Die zu verdampfende
Flüssigkeit wird Liquid genannt und besteht aus Propy-
lenglycol, Glycerin, Wasser, Lebensmittelaromen und op-
4.1 Stoffgebundene Suchtformen: tional Nikotin. Diese inhalierten Substanzen sind aller-
Suchtmittelkonsum dings auch schädlich für Lunge und Niere, wenn auch
vermutlich in geringerem Maße als das gerauchte Tabak-
Wenn die Abhängigkeit durch eine auf das Gehirn einwir- produkt: amerikanische Forscher fanden bei exponierten
kende Substanz („Droge“) verursacht ist, spricht man von Mäusen DNA-­Schäden 3). Besorgniserregend ist ein neuer
einer stoffgebundenen Abhängigkeit. Trend aus den USA: die E-Zigarette "Juul" hat sich dort
rapide verbreitet. Sie enthält einen sehr hohen Nikotinge-
halt von bis zu fünf Prozent und ist mittlerweile auch in
4.1.1 Nikotin Deutschland erhältlich.

Rauchen hat kaum Auswirkungen auf die Sicherheit und Tabakerhitzer


die Arbeitsleistung. Bei den betrieblichen Regelungen Beim Tabakerhitzer wird der Tabak nicht wie bei einer Ziga-
steht daher der Gesundheitsschutz von den Beschäftig- rette verbrannt, sondern auf sehr hohe Temperaturen er-
ten, die nicht rauchen, im Vordergrund. Jährlich werden in wärmt. Dadurch werden Nikotin und andere zum Teil noch
Deutschland ca. 75 Milliarden Zigaretten geraucht, das sind unerforschte organische Substanzen inhaliert. Durch die-
pro Erwachsenen über 900 Zigaretten 1). ses Verfahren werden laut Studien weniger krebserregen-
de Substanzen aufgenommen. Allerdings wurde bisher
Risiken durch Nikotinkonsum noch nicht erforscht, ob die entstehenden organischen
Durch das Rauchen sterben laut der Deutschen Hauptstel- Verbindungen ein Schädigungspotential haben.
le für Suchtfragen (DHS) jährlich rund 121 000 Menschen
vorzeitig, damit ist das Rauchen das größte vermeidbare
Gesundheitsrisiko. Passivrauchen verursacht laut des Fazit
Deutschen Krebsforschungszentrums 3300 Todesfälle pro
Jahr,2) und damit dreimal so viele Opfer wie der Konsum Nach heutigem Kenntnisstand kann festgehalten
von illegalen Drogen. werden, dass Dampfen bzw. Erhitzen wahrscheinlich
weniger schädlich als Rauchen ist und einigen Rauche-
Erfahrungsgemäß nimmt die Rate der nicht rauchenden rinnen und Rauchern als Ausstiegshilfe dient. Aufgrund
Menschen zu und die Anzahl der gerauchten Zigaretten ab, der noch nicht eindeutig geklärten gesundheitlichen
wenn das Rauchen bei der Arbeit nicht mehr ohne weiteres Risiken, ist aus ärztlicher Sicht ein kompletter Ausstieg
möglich ist. So sehen sogar etliche Beschäftigte das vorzuziehen.
Rauch­verbot am Arbeitsplatz positiv, obwohl sie selbst
rauchen. Im Rahmen der Betrieblichen Gesundheitsförde-
rung ist es empfehlenswert Raucherentwöhnungskurse
anzubieten.

1) DHS (2019). Jahrbuch Sucht 2019. Lengerich: Pabst Science 3) Lee, H.-W. et al. (2018). E-cigarette smoke damages DNA and
Publisher. reduces repair activity in mouse lung, heart, and bladder as
2) DKFZ - Deutsches Krebsforschungszentrum (2015). Tabakatlas well as in human lung and bladder cells. PNAS, 115 (7),
Deutschland 2015. Lengerich: Pabst Science Publishers. E1560-E1569.

13
Welche Formen der Sucht können auftreten?

4.1.2 Alkohol Weiterhin verschlechtert sich die Fähigkeit, eigenes Ver-


halten zu steuern. Die Genauigkeit der Bewegungsabläufe
Nach wie vor ist der Umgang mit Alkohol oder mit alkoholi- wird zunehmend beeinträchtigt. Die Störung des Denkver-
sierten Beschäftigten das am häufigsten auftretende mögens kann fortschreiten bis zur Alkoholdemenz.
Suchtthema in der Arbeitswelt.
Wenn Betroffene anfangen, ihr Äußeres zu vernachlässigen,​
Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch an Alkoholika ist die Erkrankung meist schon sehr weit fortgeschritten.
in Deutschland 4) liegt bei 101,1 Liter Bier, 24,8 Liter Wein/
Schaumwein und 5,4 Liter Spirituosen pro Jahr. Mit diesen Viele Betroffene bemühen sich, nüchtern zur Arbeit zu
Alkoholkonsummengen belegt Deutschland weltweit erscheinen. Daher kann ein Alkoholentzug auch während
einen Spitzenplatz. der Arbeitszeit auftreten und es kann zu epileptischen
Krampfanfällen und Alkoholentzugsdelir kommen.
Bei Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren betreiben
etwa 3,1 % Alkoholmissbrauch und 3,4 % sind
Hinweis:
alkoholabhängig 5).

Risiken durch Alkoholkonsum Diese Komplikationen sind potentiell lebensgefährlich!


Die häufigsten körperlichen Folgeschäden von Sind sie zu befürchten oder treten sie ein, ist ein „kalter
über­mäßigem Alkoholkonsum sind Entzug“ ohne medizinische Betreuung auf jeden Fall zu
• Fettleber vermeiden. Stattdessen ist eine Entgiftungsbehandlung
• Leberzirrhose mit medikamentöser Unterstützung im Krankenhaus
• Bauchspeicheldrüsenentzündung notwendig.
• Polyneuropathie 6)
• Herzschwäche
• Blutbildveränderungen
Besonderheiten bei Alkoholkonsum
Weniger offensichtlich erkennbar, weil schleichend im
Verlauf, sind Folgen einer alkoholbedingten Neben den allgemeinen unmittelbar bestehenden
Hirnschädigung: Auffälligkeiten wie z. B.
• Gefühlsmäßige Verflachung • Enthemmung
• Verminderte Auffassungsgabe • Verlängerung der Reaktionszeit
• Gestörte Urteilsfindung und reduziertes selbstkritisches • Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung
Denken • Koordinationsstörungen
• Nachlassendes Verständnis für kompliziertere
Sachverhalte zeigen sich bei einer aktuellen Alkoholisierung häufig:
• „Alkoholfahne“
• Rötung der Augen, Bindehäute und des Gesichts
• Unsicheres/breitbeiniges Gangbild, unsichere
4) BSI - Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie Bewegungsabläufe
und -Importeure e.V. (2018). Daten aus der Alkoholwirtschaft • Verwaschene Sprache
2018. Bonn: BSI. Verfügbar unter: https://www.spirituo- • Bei langer Gewöhnung an hohe Alkoholmengen
sen-verband.de/fileadmin/introduction/images/Presse/
können Betroffene häufig selbst bei hohem
BSI-Datenbroschuere_2018.pdf [05.09.2019].
Alkoholisierungsgrad unauffällig sein.
5) Papst, A. et al. (2013). Substanzkonsum und substanzbezo-
gene Störungen in Deutschland im Jahr 2012. Sucht, 59 (6),
321-331.
6) Polyneuropathie: Nervenschädigung mit Taubheitsgefühl
und Kraftminderung in Händen und Füßen

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Welche Formen der Sucht können auftreten?

4.1.3 Medikamente mit Indikation Beruhigungsmittel (Benzodiazepine, Z-Medikamente 8))


haben eine sehr unterschiedliche Wirkdauer. Diese reicht
In Deutschland werden jährlich etwa 1,5 Milliarden Arznei- von etwa 3 Stunden bis zu 40 Stunden und mehr.
mittelverpackungen verkauft, davon ist die Hälfte auf-
grund einer medizinischen Indikation ärztlich verschrieben. Im Gegensatz zu den drogen- und alkoholabhängigen
Die andere Hälfte ist rezeptfrei erhältlich 7). Menschen sind Medikamentenabhängige im Durchschnitt
deutlich älter.

Nebenwirkungen von Medikamenten Oft findet man bei Menschen, die von Beruhigungsmitteln
sind nicht zu unterschätzen abhängig sind, eine jahrzehntelange „Niedrigdosisabhän-
gigkeit“. Dies bedeutet, dass die Dosis der eingenomme-
• Sachgemäß eingesetzt, werden Krankheiten durch nen Beruhigungsmittel im Bereich der empfohlenen Dosie-
Medikamente gelindert oder geheilt und Leiden rung oder nur leicht darüber liegt.
abgewendet.
• 20 % aller Medikamente (Beruhigungsmittel, Blut-
Hinweis:
druckmittel, Schmerzmittel, antiallergische Medika-
mente, Antiepileptika) beeinträchtigen jedoch auch
die Reaktionsgeschwindigkeit und die Ein Medikamentenentzug muss bei Beruhigungsmit-
Konzentrationsfähigkeit. teln sehr langsam über viele Monate unter ärztlicher
• Bei der Medikamenteneinnahme ist vor dem Auto- Kontrolle erfolgen, da sonst die Gefahr schwerer
fahren und bei Berufstätigen immer ein Blick auf den Entzugssymptome wie Delir oder epileptische Anfälle
Beipackzettel zu empfehlen. besteht.
• 4-5 % der Medikamente können zu Missbrauch und
Abhängigkeit führen, wenn das Präparat nicht in der
richtigen Dosierung oder über zu lange Zeiträume Wenn Medikamente wie Nasensprays oder Abführmittel
eingenommen wird. übermäßig lange angewendet werden, spricht man ggf.
von Missbrauch. Eine echte Abhängigkeit entsteht jedoch
nicht 9).
Die DHS geht davon aus, dass in Deutschland etwa 1,5 %
der Bevölkerung medikamentenabhängig sind. In etwa Risiken durch Medikamentenkonsum
75 % der Fälle handelt es sich dabei um eine Beruhigungs- Vergleichbar mit der Alkoholproblematik und betrieblich
mittelabhängigkeit vom Benzodiazepin-Typ, in 25 % der relevant sind nicht nur Beruhigungs- oder Schmerzmittel-
Fälle liegt hingegen eine Schmerzmittelabhängigkeit vor. abhängigkeiten von Beschäftigten, sondern auch Beein-
trächtigungen durch eine einmalige Tabletteneinnahme.
Missbrauchspotential haben alle Medikamente, die eine
beruhigende, eine stimmungsaufhellende oder eine sti-
mulierende Wirkung haben.

Anders als beim Alkohol sind Frauen bei der Abhängigkeit


von Beruhigungsmitteln häufiger betroffen als Männer.

8) Z-Medikamente wirken schlafanstoßend.


Sie wirken kürzer als Benzodiazepine und haben ebenfalls
7) DHS (2019). Jahrbuch Sucht 2019. Lengerich: Pabst Science ein Abhängigkeitspotential.
Publisher. 9) Nach dem internationalen Diagnose-Manual ICD 10.

15
Welche Formen der Sucht können auftreten?

Besonderheiten bei der Einnahme von Medikation bei Depression


Beruhigungsmitteln
Bei depressiv Erkrankten konnte nachgewiesen wer-
Neben den allgemeinen suchttypischen Auffälligkeiten den, dass die Wirkung der Medikation auf die Fahrtüch-
(siehe Box S. 10 Kennzeichen einer Abhängigkeit), tigkeit weniger ausgeprägt war, als die Auswirkungen
bestehen bei der Einnahme von diesen Beruhigungs- der Erkrankung an sich. Menschen in einer schweren
mitteln folgende Besonderheiten: depressiven Erkrankungsphase sind allerdings nicht
verkehrstüchtig – unabhängig davon, ob sie Medika-
• Benzodiazepine führen zu Koordinationsstörungen, mente einnehmen oder nicht.
Reaktionsverlangsamung, Konzentrationsverminde-
rung und zu Gleichgültigkeit und Lethargie.
• Bei der erstmaligen oder seltenen Einnahme ist die Führungskräfte sollten sich bei Fragen zur Einsetzbarkeit
Wirkung auf Reaktionsschnelligkeit, Aufmerksamkeit von Beschäftigten unter Medikation im Zweifel den haus-
und Konzentrationsvermögen besonders ausgeprägt. ärztlichen (Bitte um Attest hinsichtlich Einsatzfähigkeit)
Die Bewegungen werden unsicherer, was zu einer und/oder den betriebsärztlichen Rat einholen, welcher sie
erhöhten Unfallgefährdung führt, bei älteren Men- bezüglich der Einsatzfähigkeit der oder des Beschäftigten
schen insbesondere auch zur Sturzgefahr. beraten kann. In unklaren Fällen können auch normierte
• Nach etwa sechs Wochen zeigt sich häufig ein Wir- Reaktions- und Aufmerksamkeits-Testungen durch ent-
kungsverlust, was die beruhigende und angstlösende sprechend geschulte Personen Klarheit schaffen.
Komponente betrifft. Die Dosis wird dann oft gestei-
gert, um die gewünschte Wirkung zu erzeugen. In den
Behandlungsleitlinien wird daher empfohlen, Benzo- 4.1.4 Medikamente ohne Indikation (Hirndoping)
diazepine nicht über sechs Wochen täglich einzuneh-
men. Falls weiterhin Behandlungsbedarf besteht, In den letzten Jahren wird in den Medien verstärkt über
soll auf andere Medikamente ausgewichen werden. das Phänomen „Hirndoping“ (auch: Neuroenhancement)
diskutiert. Darunter versteht man die Einnahme von Tab-
letten ohne ärztliche Indikation, um die Leistungsfähig-
Bei opiathaltigen Schmerzmitteln, verschiedenen Antide- keit zu steigern und Müdigkeit zu unterdrücken.
pressiva und Antiepileptika wird im Beipackzettel darauf
hingewiesen, dass in den ersten Wochen auf das Autofah- Welche Stoffe werden zum Hirndoping eingenommen?
ren verzichtet werden sollte. Dieselbe Vorsicht sollte gel- Als Präparat dafür spielt hauptsächlich Methylphenidat
ten bei der Bedienung von Maschinen und bei verschiede- eine Rolle. Das ist ein Amphetaminabkömmling, der bei
nen Kontrolltätigkeiten, z. B. dem Arbeiten in Mess­warten. ADHS10) verordnet wird. Weiterhin zählen Medikamente
Viele Beschäftigte sind dann – je nach individueller Medi- dazu, die gegen Demenz verordnet werden (AChE-11) Hem-
kation und resultierender Reaktion – nach einer medika- mer wie Rivastigmin u. a.) und bestimmte Antidepressiva
mentösen Eindosierungsphase von 10–14 Tagen wieder wie Citalopram.
voll einsetzbar (Ausnahme: Benzodiazepine). Die Ent-
scheidung darüber bedarf jedoch einer sorgfältigen indi- Wie häufig diese Wirkstoffe (z. B. unter Studierenden im
viduellen ärztlichen Überprüfung. Prüfungsstress oder von Menschen unter hoher berufli-
cher Belastung) nur zur Leistungssteigerung und ohne
Das gilt auch für Schmerzpatientinnen und Schmerzpa- ärztliche Indikation eingenommen werden, darüber kur-
tienten und für einen Teil der Drogenabhängigen, die mit sieren sehr unterschiedliche Zahlen. In einer Befragung
Methadon und ähnlichen Substitutionsmitteln behandelt
werden.
10) ADHS: Aufmerksamkeits-Defizit-und Hyperaktivitäts-
Syndrom
11) AChE: Acetylcholin-Esterase-Hemmer

16
Welche Formen der Sucht können auftreten?

2013 an der Ruhr Universität12) Bochum unter 900 Studie- 4.1.5 Illegale Drogen
renden gaben 14 Personen an, mindestens einmal ein
Psychostimulans wie Ritalin zur Leistungssteigerung ein- Alle Substanzen, die unter das Betäubungsmittelgesetz
genommen zu haben, während 39 Personen bestätigten, fallen, werden als illegale Drogen bezeichnet. Illegale
Cannabis konsumiert zu haben. 574 Studierende berichte- Drogen spielen überwiegend bei Auszubildenden und
ten, dass sie in diesen Fällen Kaffee trinken würden, bei jungen Erwachsenen eine Rolle.
419 Personen waren es Energie-Drinks, bei 147 Personen
war es Nikotin und bei 125 Personen Koffeintabletten. • Die am meisten konsumierte illegale Droge ist Canna-
bis. 6-7 % der Deutschen geben an in den letzten 12
In einer anderen Studie13) wurde belegt, dass die Wirkung Monaten Cannabis konsumiert zu haben. Dabei geben
von Psychostimulantien der von einem starken Kaffee jüngere Personen häufiger an Cannabis konsumiert zu
entspricht. Coffein und Methylphenidat sind auch struk- haben als Ältere. Nach aktuellen Schätzungen weisen
turchemisch verwandt. 1-2 % der Erwachsenen in Deutschland einen problema-
tischen Cannabiskonsum auf 14).

Besonderheiten bei „Hirndoping“ • Seltener ist ein problematischer Kokain- und Ampheta-
minkonsum (0,1 - 0,3 %)15).
Vor allem in hohen Dosierungen können bei diesen
amphetaminartigen Medikamenten erhebliche Neben- • Noch seltener ist die Opiatabhängigkeit. Die Hälfte der
wirkungen auftreten: Kopfschmerzen, Herzrasen, Opiatabhängigen befindet sich allerdings in einer Subs-
Bauchschmerzen, Durchfall und Übelkeit, außerdem titutionsbehandlung (2017: 78.800 Personen)16).
Aggressivität, Reizbarkeit und Rastlosigkeit.
• 2017 starben etwa 1272 Personen an den Folgen illega-
Wissenschaftlich scheint belegt zu sein, dass diese ler Drogen. Ein Großteil der Drogentodesfälle war durch
Stimulantien bei gesunden Menschen keine Vorteile Opiate verursacht17).
gegenüber gängigen „Wachmachern“ haben, jedoch
eine erhöhte Rate an unerwünschten Nebenwirkungen.

Fazit: „Hirndoping“ macht nicht schlauer – Kaffee als


Muntermacher hat ähnliche Effekte und dabei weniger
Nebenwirkungen.

14) P
 iontek, D. et al. (2018). Bericht 2018 des nationalen REI-
TOX-Knotenpunkts an die EMCDDA (Datenjahr 2017 / 2018).
Deutschland, Workbook Drogen. München: Deutsche Beob-
achtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD).

15) ebd.

16) Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogen-


sucht (2019). Europäischer Drogenbericht 2019: Trends und
Entwicklungen. Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der
Europäischen Union.
12) Forlini, C.; Schildmann, J. et al.: Knowledge, experience und
views of german university students towards neuroenhance- 17) Dammer, E. et al. (2018). Bericht 2018 des nationalen REI-
ment: an empirical- ethical analysis. In: Neuroehics, 2014 TOX-Knotenpunkts an die EMCDDA (Datenjahr 2017 / 2018).
13) Heinz, A: Effekte von Modafinil, Koffein und Methylphenidat Deutschland, Workbook Gesundheitliche Begleiterscheinun-
auf die kognitive Leistung von gesunden Probanden. gen und Schadensminderung. München: Deutsche Beobach-
Viomedo. 2014 tungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD).

17
Welche Formen der Sucht können auftreten?

Risiken durch illegale Drogen


Hinweis:
Aufputschende Drogen sogenannte Stimulantien, wie z. B.
Ecstasy, Amphetamine, Kokain, führen neben der Hebung
von Selbstwertgefühl und einer Intensivierung der Wahr- Andere psychische Störungen wie Depressionen oder
nehmung zu innerer Unruhe und Getriebenheit, Selbst- auch soziale Belastungssituationen können zu ähnli-
überschätzung und einer Unter­drückung von Müdigkeit chen Veränderungen und Verhaltensweisen führen.
und Schlaf. Die Pupillen sind im Rauschstadium geweitet.

Leider gibt es keinerlei verlässliche Zahlen dazu, wie häu-


fig diese Aufputschmittel in überfordernden Arbeitssitua- 4.2 Stoffungebundene Suchtformen:
tionen eingenommen werden, um die Leistungsfähigkeit Verhaltenssüchte
zu steigern. Wer das Erholungsbedürfnis des eigenen Or-
ganismus immer wieder chemisch unterdrückt, muss da- Bei Verhaltenssüchten werden im Gegensatz zu den stoff-
mit rechnen, dass die Gesundheit mittelfristig erheblich gebundenen Süchten keine Substanzen zugeführt bzw.
gefährdet wird und es schließlich zu einem körperlichen eingenommen. Stattdessen wird ein bestimmtes Verhal-
Zusammenbruch kommen kann. ten sehr häufig und unter Inkaufnahme gesundheitlicher,
sozialer und wirtschaftlicher Schädigung durchgeführt.
Cannabis und auch Opiate verursachen im Gegensatz zu Nachfolgend beschrieben werden Verhaltenssüchte mit
den Stimulantien eine Verlangsamung in den Bewegun- Relevanz am Arbeitsplatz.
gen und Denkvorgängen. Sie wirken eher sedierend. Bei
Opiatkonsumierenden sind die Pupillen im Rauschstadium
besonders eng. Bei Cannabiskonsumierenden ist eine 4.2.1 Pathologisches Glücksspiel
Rötung der Augenbindehäute häufig.
Von Glücksspiel ist die Rede, wenn um Geld gespielt wird
und der Gewinn überwiegend vom Zufall abhängt. Als
Besonderheiten beim Konsum illegaler Drogen glücksspielsüchtig gilt, wer Häufigkeit und Intensität des
Spielens nicht mehr kontrollieren kann und sich gedank-
Mögliche Auffälligkeiten bei aufputschenden Drogen, lich übermäßig mit dem Spielen beschäftigt. Dies ist der
wie z.B. Amphetamine oder Kokain: Fall, wenn trotz negativer Konsequenzen wie Verschul-
• Aggressivität dung, Zerrüttung familiärer Beziehungen und Beeinträch-
• Gereiztheit tigung der beruflichen Entwicklung dem Glücksspiel wei-
• Geweitete Pupillen terhin Priorität eingeräumt wird.

Mögliche Auffälligkeiten bei sedierenden Drogen, Nach einer Prävalenzstudie der Bundeszentrale für ge-
wie z.B. Cannabis und Opiate: sundheitliche Aufklärung (BZgA) im Jahr 2018 besteht bei
• Reaktionsverlangsamung etwa 0,6 % der Bevölkerung in Deutschland ein problema-
• Einschlafen am Arbeitsplatz tisches und bei etwa 0,3 % eine pathologisches Spielver-
• Opiate: enge Pupillen halten18). Die Geldspielautomaten sind mit einem Umsatz
• Cannabis: gerötete Augenbindehäute von fast 30 Milliarden Euro mit Abstand die größten Um-
satzträger der Spielangebote in Deutschland und haben
Aus Angst um ihren Arbeitsplatz teilen Beschäftigte im das höchste Suchtpotential 19).
Betrieb häufig nicht mit, wenn sie unter Opiatsubstitu-
tion stehen. Sind keine weiteren Drogen im Spiel, arbei-
ten diese Beschäftigten oft gut und fallen nicht auf. 18) Banz, M. & Lang, P. (2017). Glücksspielverhalten und Glücks-
spielsucht in Deutschland. Ergebnisse des Surveys 2017 und
Trends. BZgA-Forschungsbericht. Köln: Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

19) DHS (2019). Jahrbuch Sucht 2019. Lengerich: Pabst Science


Publisher.
18
Welche Formen der Sucht können auftreten?

Pathologisches Glücksspiel verläuft in drei Phasen,


die fließend ineinander übergehen: Betriebliche Maßnahmen können sein

Einstiegsphase • Konfrontation der Beschäftigten mit konkreten


Spielen ist mit positiven Gefühlen und Erfolgserlebnissen Defiziten in der Arbeitsleistung
verbunden. Die Risikobereitschaft wächst und es werden • Keine Gehaltsvorauszahlungen gewähren
immer höhere Beträge eingesetzt. Es besteht eine starke • Problem des „Anpumpens“ von Kolleginnen und
Faszination für das Spiel. Kollegen offen thematisieren und davon abraten
• Kontaktaufnahme zur Schuldnerberatung und
Kritisches Stadium Suchtberatung empfehlen
Versuche, das Spielen einzuschränken oder aufzugeben,
scheitern. Das Spielen wird häufiger und wird dem kri- Eine frühzeitige Intervention von Seiten des Betriebes
tisch beobachtenden Umfeld gegenüber verheimlicht. ist anzustreben. Professionelle Hilfe gibt es bei Glücks-
Betroffene versuchen vergeblich, ihre Verluste mit stei- spielsüchtige-Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen,
genden Einsätzen „wieder hereinzuholen“ (Chasing). In Psychosomatischen Fachkliniken und
Abstinenzphasen kommt es zu Unruhe und Gereiztheit. Suchtfachkliniken.

Suchtstadium
Das Spielen wird zum zwanghaften Drang und beherrscht
die gesamte Lebensführung. Nicht mehr der Gewinn steht Besonderheiten bei pathologischem Glücksspiel
im Vordergrund, sondern die durch das Spielen hervorge-
rufenen intensiven Gefühle von Anspannung, Lust, Eu- Hinweise für eine Gefährdung durch Glücksspiel
phorie und Entspannung. Es besteht zunehmend Kontroll- können ähnlich sein, wie die allgemeinen Hinweise
verlust bezüglich Spieleinsätzen und -zeiten. Das Lügen, auf Suchtprobleme (siehe Box S. 10 Kennzeichen einer
Vertuschen und sich Verschulden auch bei Verwandten Abhängigkeit). Hier ist außerdem typisch:
und im sozialen Umfeld sowie das Scheitern von Rückzah-
lungen mit falschen Versprechungen führen zunehmend • Ausleihen von Geld
zur Isolation. Negative Gefühle wie Selbstverachtung, • Bitte um Gehaltsvorschüsse
Verzweiflung und Suizidgedanken verschärfen sich. Es
besteht die Gefahr eines zusätzlichen Suchtmittelmiss-
brauchs, insbesondere von Alkohol.
Hinweis:

Pathologisches Glücksspiel ist in Deutschland als


rehabilitationswürdige Krankheit anerkannt.
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Welche Formen der Sucht können auftreten?

4.2.2 Pathologischer Internetgebrauch –


Gefährdung durch neue Medien Onlinekonsum nicht mehr unter Kontrolle haben und gra-
vierende Folgen aufgetreten sind. Die virtuelle Welt be-
Auch ein übermäßiger Internetgebrauch kann zu sozialen kommt mehr Bedeutung als die oft bedrückend oder frust-
und gesundheitlichen Folgeschäden führen. Vor allem im rierend erlebte Realität. Besonders gefährdet sind sozial
Jugendalter kommt exzessiver Gebrauch häufiger vor, ängstliche, unsichere oder depressive Menschen.
worunter Schul- und Ausbildungsleistungen leiden
können.

Meistens reduziert sich die Faszination für dieses Medium


nach einigen Jahren ohne Therapie. Interventionsbedarf Besonderheiten des Pathologischen Internet­
besteht jedoch spätestens dann, wenn Schulerfolg oder gebrauchs/Gefährdung durch neue Medien
Arbeitsplatz gefährdet sind.
Hinweise für eine Gefährdung durch übermäßigen
In der neuen internationalen Klassifikation von Erkran- Internetgebrauch am Arbeitsplatz können ähnlich sein,
kungen (ICD 11) wird der pathologische Internetgebrauch wie die allgemeinen Hinweise auf Suchtprobleme
als Krankheitsbild aufgenommen. (siehe Box S. 10 Kennzeichen einer Abhängigkeit).

Nach einer epidemiologischen Studie von Prof. Rumpf Hier ist typisch:
(2011) sind etwa 1 % der Deutschen „internetabhängig“.20) • Übermüdung
Da es zum Zeitpunkt der epidemiologischen Studie noch • Nachlassen von Leistung und Engagement
keine verbindlichen Kriterien gab, ab wann problemati-
scher bzw. abhängiger Gebrauch vorliegt, sind diese Inzwischen existieren Beratungsstellen, Online-Portale
Zahlen nur als Annäherungswerte zu verstehen. und Psychosomatische Kliniken, die Therapien
anbieten.
Die Übergänge von häufigem Internetgebrauch hin zum
süchtigen Konsum sind fließend. Vom pathologischen
Internetgebrauch spricht man, wenn Betroffene ihren
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20) Rumpf, H.-J. et al. (2011). Prävalenz der Internetabhängigkeit


(PINTA). Bericht an das Bundesministerium für Gesundheit.
Lübeck, Greifswald.

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5 Welche Wege führen aus der Sucht?
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Die Wege aus der Sucht können vielfältig sein: Entweder Weg 2: Anregung der Veränderungsmotivation
steigen die Betroffenen aus eigenem Antrieb aus der durch das private Umfeld
Suchtspirale aus oder sie werden dazu durch ihr Umfeld
angeregt. Gespräche mit Angehörigen und Freunden, die auf die
Schwierigkeiten des Zusammenlebens hinweisen und als
Weg 1: Eigenmotivation letzte Konsequenz den Abbruch der Beziehungen nicht
nur ankündigen, sondern auch wahrmachen, können
Das Auftauchen suchtmittelbedingter Probleme wie Füh- wichtige Impulse für den Ausstieg sein. Weitere Gründe
rerscheinverlust, Dissonanzen in wichtigen emotionalen über Veränderungen im Leben nachzudenken sind ge-
Beziehungen, Arbeitsplatzprobleme und Organschäden sundheitliche Probleme, die von den behandelnden Ärz-
können durchaus Auslöser für eine Konsumreduktion ten in den Zusammenhang mit dem krankmachenden
bzw. Verzicht werden, selbst, wenn schon eine Abhängig- Konsumverhalten gebracht werden.
keit vorliegt. Nur etwa 40 % der „trockenen“ Alkoholab-
hängigen waren in professioneller Therapie. Alle anderen Weg 3: Anregung der Veränderungsmotivation
hatten zu einem bestimmten Zeitpunkt so starke Absti- durch das Arbeitsumfeld
nenzmotive, dass sie ohne fachspezifische Hilfe wieder
zur Abstinenz fanden. Da der Arbeitsplatzerhalt für die meisten Beschäftigten
ein wichtiges Gut ist, kann hier bei Suchtproblemen auch
besonders wirkungsvoll interveniert werden. Je früher
sucht(mittel)bedingtes Fehlverhalten durch das Arbeits-
umfeld insbesondere der unmittelbaren Führungskräfte
angesprochen wird, desto eher können die Schritte vom
riskanten Konsum in die Abhängigkeit verhindert werden.
Wie das gelingen kann, wird in Kapitel 7 beschrieben.

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6 Wie sieht vorbeugendes Handeln aus?

Suchtmittelmissbrauch und Verhaltenssüchte sind in ungenügende Qualifikation


unserer Gesellschaft allgegenwärtig. Jedes Unternehmen • Alleinarbeit/Einzelarbeit
und jede Organisation kann jedoch für sich festlegen, wie • Umgebungsbedingungen wie Hitze oder Kälte
der Umgang mit den Suchtmitteln während der Arbeitszeit • Belastendes Betriebsklima z. B. Konflikte im Team
geregelt wird. Suchtprävention ist daher ein wichtiger und/oder mit Führungskräften
Bestandteil der Unternehmenskultur zur Förderung von • Unklare Strukturen und Zuständigkeiten
Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz.
Unternehmen und Organisationen sind deshalb verpflich-
Unternehmen können durch Maßnahmen der Prävention tet zu überprüfen, inwieweit die Arbeitsbedingungen dazu
und Intervention die Sicherheit fördern und Gesundheits- beitragen können, dass Beschäftigte Suchtmittel konsu-
risiken durch Suchtmittelkonsum langfristig und erfolg- mieren und sich oder Dritte dadurch gefährden. Daher
reich verringern. beginnt wirksame Suchtprävention mit dem Ermitteln und
Beurteilen von Arbeitsbedingungen im Rahmen der Ge-
fährdungsbeurteilung inklusive der Gefährdungsbeurtei-
6.1 Ziele der Prävention lung psychischer Belastung. Es gehört zu den unterneh-
merischen Aufgaben, die Ursachen für die Gefährdungen
Wichtige Ziele der Prävention sind: zu beseitigen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und für
• Das Thema enttabuisieren – nicht wegsehen sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu sorgen.
• Über Risiken von Suchtmitteln aufklären
• Einnahme von Suchtmitteln am Arbeitsplatz regulieren,
z. B. Punktnüchternheit anstreben/einfordern 6.3 Maßnahmen der Prävention
• Auffälliges (Konsum-)Verhalten erkennen
und thematisieren Suchtprävention kann nur gelingen, wenn diese mit allen
• Suchtfördernde Arbeitsbedingungen wahrnehmen Beteiligten im Unternehmen oder der Organisation gemein-
und verändern sam entwickelt worden ist. Wichtig ist, dass alle gemein-
sam die Vereinbarungen als Handlungsrahmen anerkennen
und umsetzen.
6.2 Sucht begünstigende Faktoren
am Arbeitsplatz Die Schaffung von klaren Prozessen und Strukturen zur
Verankerung sämtlicher Aktivitäten ist unerlässlich bei
Arbeitsbedingungen können süchtiges Verhalten begüns- der Suchtprävention.
tigen. Wenn die Arbeitsbedingungen als unzumutbare
Belastungen empfunden werden, kann Suchtmittelkon- Bei der Suchtprävention geht es um den Erhalt von Sicher-
sum ein Bewältigungsversuch sein. heit und Gesundheit bzw. die Vorbeugung von Krankheiten
in der Arbeitswelt. Eine Gefährdungsbeurteilung kann
Nicht nur vermeintliche „Risikobranchen“ wie Berufe, z. B. dazu dienen, zu klären, an welchen Arbeitsplätzen
die mit der Alkoholverarbeitung und dem Vertrieb zu tun ein generelles Alkoholverbot zu fordern ist.
haben, Baubetriebe, Transport- und Seefahrtberufe sind
betroffen. In allen Branchen auf allen Hierarchieebenen
treten Suchtprobleme auf.

Typische suchtbegünstigende Faktoren am Arbeitsplatz


können sein:
• Schichtarbeit, insbesondere mit Nachtarbeit
• Unterforderung z. B. durch Monotonie, fehlende Hand-
lungs- und Entscheidungsspielräume, Überqualifikation
• Überforderung z. B. durch Informationsüberflutung,
Multitasking, hohe Arbeitsdichte, Zeitdruck,

23
Wie sieht vorbeugendes Handeln aus?

Beispiele zu geeigneten Maßnahmen:

Maßnahmen Verhältnisorientiert Verhaltensorientiert


Generelle • Gefährdungsbeurteilung inklusive Gefähr- • Offene Gesprächskultur pflegen
Gesundheitsprävention dungsbeurteilung psychische Belastung mit • Förderung der Gesundheitskompetenz
Ableiten von unternehmensspezifischen (z. B. Umgang mit Stress, Konflikten)
Maßnahmen • Employee-Assistance-Programme (EAP)
• Gestaltung von gesunden und • betriebsärztliche Sprechstunden
motivierenden Arbeitsbedingungen
• Aufklärungskampagnen
(z. B. im Rahmen von Aktionstagen oder
Gesundheitstagen)
• Gesundheitsorientierte Führung
• Qualifizierung der Verantwortlichen
für BEM-Maßnahmen (Betriebliches
Eingliederungsmanagement)
• Lebens-Balance Konzepte,
Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Suchtmittelspezifische/ • Generelles Alkoholverbot am Arbeitsplatz • Auffälligkeiten und problematisches


suchtbezogene Prävention einführen oder zumindest das Verhalten konkret benennen
„Prinzip Punktnüchternheit“1) bewerben • Regelmäßige Feedbackgespräche
• Verfügbarkeit von Suchtmitteln am Arbeits- einplanen und führen
platz einschränken bzw. ausschließen • Eigenverantwortung der Beschäftigten
• Alkoholfreie Getränke kostenfrei anbieten betonen
• Regelungen wie Betriebs-/ • Unterweisungen der Beschäftigten zum
Dienstvereinbarung „Suchtprävention“ Thema Sucht (z. B. Risiken, innerbetriebliche
• Qualifizierung und Beauftragung von (be­ Regeln)
trieblichen) Suchtbeauftragten zur Beratung • Einsatz von Medien wie Plakataktionen,
von Führungskräften und Beschäftigten Broschüren, Betriebszeitungen, Intranet
• Checklisten für Beschäftigte • Qualifizierungsmaßnahmen für Führungs­
und Gespräche mit Beschäftigten kräfte, um zielgerichtetes Intervenieren
• Interlock-Systeme (Alkometer mit zu gewährleisten (z. B. durch Erkennen von
automatischer Wegfahrsperre in Fahrzeugen, Auffälligkeiten, rechtssicheren Umgang,
Flurförderzeugen, Kranen) qualifizierte Gesprächsführung)
• Angebote zur individuellen
Konsumreduzierung bzw. -verzicht
(z. B. Nichtraucherkurse)
• Informationsveranstaltungen
• Zielgruppenspezifische Veranstaltungen
(z. B. für Auszubildende)
• Qualifizierungsmaßnahmen/Veranstaltungen
für alle betrieblichen Beteiligten, besonders
für Personen mit Multiplikatorenfunktion

1) Prinzip Punktnüchternheit am Arbeitsplatz: Punktnüchternheit bedeutet Konsumverzicht über einen festgelegten Zeitraum
hinweg, z. B. über die gesamte Arbeitszeit oder vor und während dem Führen von Kraftfahrzeugen.
24
Wie sieht vorbeugendes Handeln aus?

Aktivitäten zur Alkohol- und Suchtprävention

Alle zwei Jahre organisiert die Deutsche Hauptstelle


für Suchtfragen (DHS) eine Aktionswoche zum Thema
Alkohol, in der alle Organisationen aufgerufen werden,
öffentlichkeitswirksam aufzuklären. Die DHS stellt dazu
Informationsmaterialien zur Verfügung (www.dhs.de).

Neben einer kostenfreien telefonischen Beratung zum


Rauchstopp (Tel.: 0800 8 31 31 31) bietet die BZgA auch
ein kostenloses Online-Ausstiegsprogramm für Rau-
cherinnen und Raucher an (www.rauchfrei-info.de).

Informationen, Tipps und Empfehlungen sollen interes-


sierten Personen beim Start in ein rauchfreies Leben
helfen.

Mit freundlicher Genehmigung der Bundeszentrale für gesundheitliche


Aufklärung im Rahmen der rauchfrei-Kampagne; www.rauchfrei-info.de

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7 Aktiv werden – aber wie?

Wenn Beschäftigte ihren arbeitsvertraglichen Pflichten Konflikte oder auch andere Erkrankungen ursächlich für
nicht mehr gerecht werden, die Qualität ihrer Arbeit Verhaltensauffälligkeit sind: Die Führungskraft muss
dauerhaft leidet oder Beschäftigte beispielsweise zuneh- einen Prozess in Gang setzen, um Risiken zu vermeiden
mend als unzuverlässig wahrgenommen werden, ist es und so ihrer Fürsorgepflicht und Führungsverantwortung
die Aufgabe der Führungskraft zu intervenieren. gerecht zu werden.

Ziele der Intervention: Immer wenn eine Auffälligkeit am Arbeitsplatz sich in


einer Erkrankung begründen könnte, muss der betroffe-
• Sicherheit und Gesundheit aller Beschäftigten am nen Person die Möglichkeit eingeräumt werden, dies (be-
Arbeitsplatz gewährleisten triebs-)ärztlich abklären zu lassen. Denn nur medizinisch
• Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen und psychologisch geschultes Fachpersonal kann Krank-
sicherstellen heitsbilder diagnostisch abklären und gegebenenfalls
• Entwicklung hin zur Abhängigkeit vermeiden zügig therapeutische Maßnahmen einleiten.
• Betriebsfrieden wahren, Eskalation von Konflikten
verhindern Eine zielführende Intervention seitens der Führungskraft
• Sensibilität hinsichtlich Co-Verhalten wecken wird nachfolgend beispielhaft am Suchtmittel Alkohol
• Betriebliche Konzepte für Hilfsangebote einführen vorgestellt. Die rechtlichen Grundlagen hierfür sind in
Kapitel 2 beschrieben.

Für betriebliche Hilfe ist es nie zu früh.


Aufgaben der Führungskraft

Die Führungskraft muss:


7.1 Verantwortung der Führungskräfte/ • Auffälligkeiten bei Beschäftigten feststellen,
Verantwortung der Beschäftigten – • diese ansprechen,
praktisches Vorgehen • Unterstützung vermitteln,
• für die Einhaltung betrieblicher Regelungen sorgen.
Manchmal ist es offenkundig, dass Alkohol oder andere
Suchtmittel im Spiel sind. Ob Beschäftigte die Angebote in Anspruch nehmen
oder andere Möglichkeiten nutzen, liegt in ihrer
Kolleginnen und Kollegen sind meistens die ersten, die Eigenverantwortung.
Auffälligkeiten wahrnehmen. Insofern kann Suchtpräven-
tion nur gelingen, wenn die Beschäftigten die betriebli-
chen Regelungen mittragen und sich in diesen Prozess als In jedem Fall empfiehlt es sich, Beschäftigte anzuspre-
erstes Glied der Interventionskette einbringen. Sie spre- chen, wenn eine „Alkoholfahne“ wahrnehmbar ist. Denn
chen auffällige Kollegen bzw. Kolleginnen direkt an. Falls es ist wichtig, dass Betroffenen rückgemeldet wird, dass
sich das auffällige Verhalten jedoch nicht ändert, sollte sie durch Alkoholgeruch auffallen.
umgehend die zuständige Führungskraft informiert wer-
den. Nur diese kann disziplinarisch tätig werden. Selbst wenn die beschäftigte Person erstmalig berauscht
am Arbeitsplatz erschienen ist, muss dieses Fehlverhal-
Auch wenn die Gründe für das Fehlverhalten nicht klar ten von der zuständigen Führungskraft selbstverständlich
erkennbar sind, müssen Führungskräfte im Interesse von umgehend angesprochen werden. Sanktionen müssen
Sicherheit, Gesundheit und Qualität bei der Arbeit han- dabei nicht unbedingt verhängt werden.
deln. Allerdings braucht die Führungskraft dabei niemals
eine Diagnose zu stellen. Gründe und Ausgangspunkt für
eine Intervention sind immer Auffälligkeiten im Arbeits-
verhalten, die angesprochen werden müssen. Ganz
gleich, ob Suchtmittel, eine mögliche Depression, soziale

27
Aktiv werden – aber wie?

Im Einzelfall können auch schon geringe Alkoholmengen 7.2 Zielführendes Handeln


das Arbeits- und Sozialverhalten beeinträchtigen. Betrof-
fene sind dann unter Umständen nicht mehr in der Lage, Bewährt haben sich betriebliche Regelungen und Be-
sicher und korrekt zu arbeiten. Das gilt nicht nur für die triebs- oder Dienstvereinbarungen (s. Kapitel 9) zum The-
Produktion. Fehleinschätzungen oder mangelnde Sorgfalt ma „Suchtprävention und Suchthilfe“. Sie geben vor, wie
an Büroarbeitsplätzen können ebenfalls weitreichende der Umgang mit auffälligen Beschäftigten geregelt ist. Ein
Folgen haben. darin beschriebenes, abgestuftes Vorgehen (Stufenplan)
bildet die Grundlage für eine zielführende Intervention
Eine Diagnose, also die Feststellung, ob der oder die Be- und bietet allen Beteiligten Handlungssicherheit für den
schäftigte suchtkrank ist oder nur einmal undiszipliniert konkreten Fall.
war, sollten weder Kolleginnen und Kollegen noch Füh-
rungskräfte stellen. Für sie ist lediglich der Sachverhalt Versäumnisse und Auffälligkeiten sollten konkret festge-
entscheidend, dass der oder die Beschäftige an diesem stellt und dokumentiert werden. Es ist zu empfehlen, Per-
Tag aufgrund einer Berauschtheit die Arbeit nicht sicher sonen hinzuzuziehen, die dieses Verhalten bezeugen
und ordnungsgemäß erledigen kann. können: je nach konkreter Situation sind das andere Be-
schäftigte, Führungskräfte, Arbeitnehmervertretung, Be-
triebsärztin oder -arzt, Sozialberatung, Suchtbeauftragte.
Rechtlicher Hinweis
Nach der Auffälligkeit sollte die zuständige Führungskraft
Die subjektive Einschätzung der Führungskraft über die zum frühestmöglichen Zeitpunkt, idealerweise am folgen-
Arbeitsfähigkeit einer beschäftigten Person genügt – den Arbeitstag, mit der betroffenen Person ein klärendes,
auch bei einem Arbeitsgerichtsprozess.1) vertrauliches Vier-Augen-Gespräch führen. Dabei werden
Erwartungen für die Zukunft klar formuliert und ggf. geeig-
nete innerbetriebliche und außerbetriebliche Hilfsange-
bote unterbreitet.

Bei weiteren suchtmittelbedingten Auffälligkeitens emp-


fiehlt sich das Vorgehen nach einem Stufenplan unter
Beachtung der unternehmensinternen Regelungen (z. B.
Betriebs-/Dienstvereinbarung) (s. Kapitel 7.6).

Intervention bei Suchtauffälligkeiten


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Der Schlüssel zum Erfolg ist die Kombination von:

-- einem gut vorbereiteten Gespräch, möglichst ein­


gebettet in eine Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung
zur Suchtprävention,
-- einem Vorgehen nach einem abgestimmten
Stufenplan und
-- einer lösungsorientierten Gesprächsführung.

1) Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein


vom 28.11.1988, Aktenzeichen 4 Sa 382/88; Urteil des
Bundesarbeitsgerichts vom 26.1.1995, Aktenzeichen 2 AZR
649/94

28
Aktiv werden – aber wie?

7.3 Häufige gestellte Fragen zum rechts­ Dies kann z. B. die Begleitung durch Führungskräfte oder
sicheren Handeln im (Alkohol)-Akutfall andere Beschäftigte im Dienstwagen, Taxi oder im öffent-
lichen Verkehrsmittel sein. Vorteilhaft ist es, wenn die
Ab welchem Grad der Alkoholisierung muss ich als betroffene Person zu Hause in Empfang genommen wird.
Führungskraft handeln? Informieren Sie daher die Familie oder andere Personen
Auf die Promillezahl kommt es nicht an und niemand im Haushalt vorher. Oder Sie organisieren die Abholung
muss einen vermuteten Alkoholkonsum beweisen. Lassen durch Nahestehende.
Sie sich nicht auf Diskussionen über Promillegrenzen ein.
Welche Möglichkeit Sie wählen, entscheiden Sie im Ein-
Sie entscheiden nach Ihrem subjektiven Eindruck, ob eine zelfall. Es hängt vom Zustand der betroffenen Person ab,
beschäftigte Person weiterarbeiten kann. Sie müssen von ihrer sozialen Einbindung sowie den betrieblichen
handeln, sobald eine Beeinträchtigung vorliegt und Sie Gegebenheiten.
nach ihrer eigenen Lebenserfahrung davon überzeugt
sind, dass die betroffene Person ihre arbeitsvertraglichen Falls zu befürchten ist, dass der oder die Betroffene ge-
Verpflichtungen nicht mehr hinreichend erfüllen kann. walttätig werden könnte, rufen Sie die Polizei. Bei hilflo-
sen Personen sollten Sie immer und unverzüglich notfall-
Besteht kein absolutes Alkoholverbot und die betroffene medizinische Hilfe anfordern (Notruf 112).
Person hat lediglich eine „Alkoholfahne“ ohne weitere
erkennbare Beeinträchtigungen, genügt es, sich zu verge- Wie geht es nach dem Heimtransport weiter?
wissern, dass weder Eigen- noch Fremdgefährdung be- Es ist empfehlenswert, über den Arbeitsabbruch ein Pro-
steht. Um die Sicherheit zu gewährleisten, darf die Person tokoll zu fertigen und bei nächster Gelegenheit von der
jedoch nicht mit gefahrgeneigten Tätigkeiten (z. B. Führen betroffenen Person unterschreiben zu lassen. Die Kosten
von Fahrzeugen) beauftragt werden. für den Heimtransport können Sie ihr in Rechnung stellen.

Bei offensichtlichen Veränderungen im Auftreten und Ver- Was mache ich, wenn die betroffene Person sich weigert,
halten infolge der Alkoholisierung darf die betroffene Per- den Arbeitsplatz zu verlassen?
son auf keinen Fall weiterarbeiten und Sie müssen für Wenn eine betroffene Person trotz mehrfacher Aufforde-
einen sicheren Nachhauseweg bis hin zur Außenhaustür rung nicht gehen will, macht sie sich in der Regel des
sorgen. Spätestens am folgenden Arbeitstag muss dann Hausfriedensbruchs schuldig. Sie können die Polizei ver-
ein Vorgesetztengespräch stattfinden. In der folgenden ständigen. Dies gilt erst recht, wenn Sie den Eindruck
Zeit beobachten sie sorgfältig, ob sich solche Vorfälle haben, dass Fremd- und/oder Eigengefährdung besteht.
wiederholen.
Lassen Sie sich keinesfalls auf Diskussionen über Trink-
Wie sorge ich als Führungskraft für einen sicheren mengen, Promillegrenzen oder die Arbeitsfähigkeit ein.
Heimtransport? Als Führungskraft haben Sie das Weisungsrecht in Ihrem
Auf gar keinen Fall dürfen Beschäftigte, die desorientiert Betrieb. Sie beurteilen und entscheiden, ob Beschäftigte
wirken oder kaum noch ansprechbar sind, unbeaufsich- arbeitsfähig sind und am Arbeitsplatz bleiben oder nicht.
tigt bleiben. Ebenso wenig dürfen sie auf dem Nachhau-
seweg sich selbst überlassen werden. Muss ich der betroffenen Person den Schlüssel
abnehmen, wenn sie mit dem Auto gekommen ist?
Für einen sicheren Heimtransport sind Sie verantwortlich. Sie müssen auf jeden Fall versuchen, die auffällige Person
Hierbei geht es nicht nur um die zurückzulegende Strecke, daran zu hindern, mit dem Auto zu fahren. Wenn sie Ihnen
sondern um eine Sicherung des Heimwegs bis zur Haus- den Schlüssel nach Aufforderung überlässt, ist das in
tür. Aus Gründen der Fürsorgepflicht müssen Sie das Ih- Ordnung. Weigert sie sich und will trotzdem nach Hause
nen Zumutbare tun, damit die betroffene Person sicher fahren, schalten Sie die Polizei ein.
nach Hause kommt.

29
Aktiv werden – aber wie?

Was passiert, wenn alkoholisierte Beschäftigte in einen Zum Nachweis eines Drogenkonsums gibt es Drogen-
Arbeits- bzw. Wegeunfall verwickelt werden? schnelltests, bei denen Urin, Speichel oder Schweiß als
Alkoholisierte Beschäftigte handeln fahrlässig und kön- Probematerial verwendet werden. Diese sind jedoch nicht
nen regresspflichtig gemacht werden. Bei suchtmittelbe- immer zuverlässig. Rechtssicher ist nur der Einzelsub­
dingten Unfällen endet der Versicherungsschutz der ge- stanznachweis aus dem Blut.
setzlichen Unfallversicherung – auch bei sehr niedrigen
Promillewerten.
7.4 Sicher in der betrieblichen Rolle agieren
Wenn bekannt wird, dass Sie als Führungskraft von der
Alkoholisierung wussten und eine betroffene Person nicht Alle Beteiligten haben ihre Rolle in der Intervention, mit
am Weiterarbeiten gehindert oder für einen sicheren dem Ziel, Einsicht und Veränderungsbereitschaft zu
Heimweg gesorgt haben, sind auch Sie regresspflichtig. erzeugen.
Sie können wegen eigener Pflichtverletzung, u. a. auch
der Aufsichtspflicht, möglicherweise sogar strafrechtlich Die Führungskraft ist verantwortlich für Sicherheit und
belangt und/oder zivilrechtlich haftbar gemacht werden. Gesundheit. Sie zeigt die Arbeitsmängel auf und verdeut-
Somit ist für Sie eine rechtliche Verpflichtung zum Han- licht gegebenenfalls mit Unterstützung der Personalstelle
deln gegeben. die Konsequenzen des Fehlverhaltens bzw. der Minder-
leistung. Sie achtet darauf, dass der Interventionsprozess
Wann kann ein Alkohol- oder Drogentest veranlasst so lange fortgesetzt wird, bis über ausreichend lange Zeit
werden? keine Auffälligkeiten mehr aufgetreten sind. Außerdem
Immer wenn Beschäftigte auffälliges Verhalten zeigen, kann über inner- und außerbetriebliche Hilfsangebote
dass den Verdacht auf Suchtmittelkonsum erweckt, soll- informiert werden.
ten sie mit dem Verdacht konfrontiert werden. Durch
einen Alkohol- oder Drogentest erhalten Betroffene die Die Personalabteilung ist für die disziplinarische
Gelegenheit, diesen Verdacht zu entkräften. Wenn sie sich Ahndung von Verstößen gegen die dienstlichen Regeln
weigern, müssen sie hinnehmen, dass das Vorkommnis zuständig, sucht ggf. einen neuen Arbeitsplatz, falls vor-
als „Drogenfall“ bewertet wird und sie mit den dann vor- läufige Sicherheitsbedenken gegen den weiteren Einsatz
gesehenen Konsequenzen rechnen müssen. bestehen oder wenn ein Arbeitsplatzwechsel aus anderen
Gründen sinnvoll erscheint.
Muss ich als Führungskraft einen Alkohol- bzw.
Drogentest veranlassen? Die Arbeitnehmervertretung achtet darauf, dass die Rech-
Nein, Beschäftigte könnten sogar zu Recht derartige Maß- te der oder des Beschäftigten gewahrt bleiben und die
nahmen verweigern. Es reicht zum Beweis vollkommen Regeln eingehalten werden.
aus, wenn Sie nach allgemeiner Lebenserfahrung davon
überzeugt sind, dass eine beschäftigte Person zu viel Betriebsärzte und Betriebsärztinnen können in der medi-
getrunken hat oder ein für Suchtmittelkonsum typisches zinischen Untersuchung eine Diagnose stellen und kör-
Verhalten zeigt und somit die arbeitsvertraglichen Pflich- perliche Folgeschäden erkennen. Sie können Therapiean-
ten nicht erfüllen kann. Ihr subjektiver Eindruck genügt gebote machen und aufgrund ihrer Kenntnis der
– auch vor Gericht. Empfehlenswert ist es in jedem Fall, regionalen Institutionen auch zügig in eine Behandlung
Dritte hinzuzuziehen, die Auffälligkeiten und beobachte- vermitteln. Den Beschäftigten, die überzeugt sind, aus
tes Verhalten bezeugen können. Dies gilt im Übrigen für eigener Kraft zu einem gesundheitsverträglichen Konsum
jede Art der Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit. zurückzufinden, können sie anbieten, durch Folgetermine
diesen Prozess fachkundig zu begleiten und bei Misslin-
Wie zuverlässig sind Alkohol- und Drogentests? gen ins professionelle Suchthilfesystem zu vermitteln.
Für den Nachweis eines Suchtmittelkonsums gibt es ver-
schiedene Methoden. Alkoholkonsum lässt sich durch Kolleginnen und Kollegen schöpfen meist als erste den
eine Messung der Atem-Alkohol-Konzentration oder einen Verdacht, dass ein Suchtproblem vorliegen könnte, spre-
Bluttest ermitteln. chen das den Betroffenen gegenüber auch offen an und

30
Aktiv werden – aber wie?

beziehen weitere Beteiligte ein, wenn ihre Intervention Zielführender ist es, wenn Betroffene in die Verantwor-
nicht zum erwünschten Ergebnis führt. tung für ihr Fehlverhalten genommen werden. Dafür steht
das Akronym: KLAR. Dieses richtet sich sowohl an Füh-
Suchtbeauftragte/Ansprechpersonen für Suchtfragen rungskräfte als auch an Beschäftigte.
sind zum einen eine Unterstützung für die Führungskräfte.
Zum anderen unterstützen sie Auffällige beim Finden und wie Konsequent:
Wahrnehmen von inner- und außerbetrieblichen Hilfsan-
geboten. Sie stehen als Ansprechpersonen für alle in die- • Auf auffälliges Verhalten hinweisen und ggf. riskanten
sen Fall Involvierten zur Verfügung und kennen die Unter- Konsum beim Namen nennen
stützungsangebote. Manche dieser Ansprechpersonen • Verhaltensänderung konkret einfordern und
sind Menschen mit eigener Suchterfahrung. Sie können vereinbaren
als Vorbilder mit Auffälligen über deren Ängste oder Vor- • Einhaltung von Absprachen verfolgen
behalte hinsichtlich einer Behandlung reden. Dabei ma- • Bei Nichteinhaltung von Absprachen und Vereinbar­
chen sie anhand ihrer eigenen Erfahrungen Mut, dass ungen angekündigte Maßnahmen umsetzen
diese Probleme lösbar sind. • Auf Gefährdung des Arbeitsplatzes hinweisen

Die Betriebliche Sozialberatung berät und begleitet Men- wie Loslassen:


schen mit Suchtproblemen aus professioneller
Perspektive. • Bei Gefühl von Hilflosigkeit und Überforderung
mit der Suchtproblematik selbst Beratungs- und Hilfs­
angebote annehmen
7.5 Co-Verhalten aufgeben – KLAR handeln • Verantwortung an die betroffene Person zurückgeben

Von der Suchterkrankung einer Person sind auch die Men- wie Abgrenzen:
schen im Umfeld betroffen wie z. B. Familienangehörige,
andere Beschäftigte, Führungskräfte sowie Kunden und • Verantwortung für das Suchtverhalten
Kundinnen, Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner. (z. B. weitertrinken oder aufhören wollen) allein bei
den Betroffenen belassen
Die Reaktionen des Umfelds auf das suchtgetriebene Ver- • Entscheidungsfreiheit der Betroffenen betonen
halten der Betroffenen haben direkten Einfluss auf den
weiteren Krankheits- und Genesungsverlauf: Kommt es wie Reden:
zur Hilflosigkeit und einem „nicht wahr haben wollen“ der
Realitäten, trägt dies zur Verschleppung der Probleme bei. • Nicht über die betroffene Person reden, sondern im
Gespräch mit der betroffenen Person bleiben
Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Co-Ver- • Unterstützung zusichern
halten (veralteter Begriff: Co-Abhängigkeit). Das kann z. B. • Kontakte zum Beratungsangebot ermöglichen
dadurch gekennzeichnet sein: • Zuversicht vermitteln
• Vertuschen des Fehlverhaltens nach außen
• Bagatellisieren der Auswirkungen (z. B. „Alkoholfahne“,
Leistungsdefizite)
• Kompensieren der Versäumnisse durch z. B. Mehrarbeit
anderer Beschäftigter

Durch diese Verhaltensweisen versucht das soziale Um-


feld, die aufkommenden Schwierigkeiten, die Betroffene
verursachen, zu kompensieren. Das ist falsch verstandene
Hilfe. Es birgt die Gefahr, dass es Betroffenen erspart
bleibt, die Konsequenzen ihres Handelns zu spüren.

31
Aktiv werden – aber wie?

7.6 Der Stufenplan als Beispiel für eine Gespräche nach Stufenplan
zielführende Intervention. Die Hinweise zur Vorbereitung auf die Gespräche nach
Stufenplan richten sich in erster Linie an die direkten Füh-
Vereinbarungen über ein abgestuftes Vorgehen als Hand- rungskräfte und alle, die an Gesprächen nach Stufenplan
lungsgrundlage gibt es inzwischen in vielen Unterneh- teilnehmen. Im Einzelfall kann es sinnvoll sein, als erste
men. Die Intervention dient dazu, Beschäftigte mit der Maßnahme vor dem Stufenplan ein vertrauliches Vier-Au-
betrieblichen Realität zu konfrontieren und dabei Unter- gen-Gespräch ohne schriftliche Notiz zu führen. Ändert
stützungsangebote sowie auch arbeitsrechtliche Konse- die betroffene Person ihr Verhalten nicht, folgt in jedem
quenzen aufzuzeigen. Die hier dargestellte Interventions- Fall ein Gespräch der Stufe 1.
kette ist eine mögliche Variante.

Vorgespräch Verhaltensänderung
Wer? Führungskraft, auffällige Person Unauffälliger Konsum
Was? Wahrgenommene Auffälligkeiten, Vereinbarungen für die Zukunft
Keine
Änderung
Stufe 1 Verhaltensänderung ODER
Wer? Führungskraft, auffällige Person
Was? Feststellung Auffälligkeit, Erläuterung Stufenplan, Hilfsangebot,
mögliche Konsequenzen bei keiner Verhaltensänderung ansprechen
z. B. mündliche Verwarnung Rückkehr zur Abstinenz
aus eigener Kraft
Keine
Änderung
Stufe 2 Verhaltensänderung
Wer? Führungskraft, auffällige Person, Arbeitnehmervertretung
(AN-Vertretung), optional weitere Beteiligte (z. B. Ansprech­person ODER
für Suchtfragen)
Was? Benennung neuer Auffälligkeiten, nochmals Erläuterung Stufenplan,
Aufforderung Hilfsangebote anzunehmen, mündliche Verwarnung,
weitere Konsequenzen schriftlich festhalten und an Personal­ Therapie
abteilung weiterleiten
Keine
Änderung
Stufe 3 Verhaltensänderung
Wer? Führungskraft, auffällige Person, AN-Vertretung, Personal­
abteilung, optional weitere Beteiligte (z. B. Ansprechperson für
Suchtfragen)
Was? Auffälligkeiten, Aufforderung Hilfsangebote wahrzuneh- Einhaltung
men, 1. Abmahnung bzw. Einleitung eines Disziplinarverfahrens arbeitsvertraglicher
Verpflichtungen
Keine
Änderung
Stufe 4 Verhaltensänderung
Wer? Führungskraft, auffällige Person, AN-Vertretung,
Personalabteilung, optional weitere Beteiligte
(z. B. Ansprechperson für Suchtfragen)
Was? Feststellung Auffälligkeit, Aufforderung Hilfsangebote
wahrzu­nehmen, 2. Abmahnung bzw. Einleitung eines
Bei Bedarf
Disziplinarverfahrens
regelmäßige
Keine Feedbackgespräche
Änderung
Stufe 5
Wer? Führungskraft, auffällige Person, AN-Vertretung,
Personalabteilung, optional weitere Beteiligte
(z. B. Ansprechperson für Suchtfragen)
Was? Kündigung (eventuell mit Wiedereinstellungszusage) Ausstieg aus Stufenplan

Abb. 1 Beispiel eines Stufenplans

32
Aktiv werden – aber wie?

Zur Vorbereitung auf alle Gespräche nach Stufenplan Wenn sich auffällige Beschäftigte nicht an die Vereinba-
sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: rungen halten, wird das zweite Gespräch nach Stufenplan
• Was ist das Ziel? vorbereitet. Dies gilt ebenfalls für alle folgenden Gesprä-
• Welche Auffälligkeiten sollen angesprochen werden? che nach Stufenplan.Für Gespräche ab Stufe 2 wird ein
• Welche Hilfsmöglichkeiten können angeboten werden? erweiterter Personenkreis eingeladen.
• Welche realistischen (arbeitsrechtlichen) Konsequenzen
können bei Nichteinhaltung der Vereinbarungen ange- Es ist wichtig, dass alle (betrieblichen) Beteiligten (s. Ka-
droht werden? pitel 7.4) in diesem Gespräch ein gemeinsames Ziel verfol-
gen und die vereinbarten Regelungen einhalten. Fragen,
Wesentliche Inhalte des ersten Gespräches nach die vor jedem weiteren Gespräch nach Stufenplan geklärt
Stufenplan sind: werden sollten:
• Wer benennt klar die Konsequenzen, wenn sich das
Die Führungskraft spricht folgende Punkte an: Verhalten nicht ändert? (entweder Führungskraft oder
• Wahrgenommene Veränderungen z. B. im Arbeits- Personalabteilung)?
und Sozialverhalten • Wer übernimmt welche Rolle im Gespräch?
• Sorge um die betroffene Person • Welche Unterstützungsangebote werden gemacht?
• Arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen aufzeigen,
beispielsweise:
–– Fehlzeiten, unentschuldigtes Fernbleiben Unterstützungsangebote
–– Versäumnisse und Fehler
–– Störung des Betriebsfriedens Interne Unterstützungsangebote
–– Nachlassende Leistung • Betriebsarzt/Betriebsärztin
• Konsequenzen des Verhaltens klar benennen (s. Kapitel • Suchtbeauftragte/Ansprechperson für Suchtfragen
7.6) • Sozialberatung
• Hinweise auf inner- und/oder außerbetriebliche • Interessenvertretung z. B. Arbeitnehmervertretung,
Angebote geben (siehe rechter Kasten) BEM-Beauftragte
• Erneuten Gesprächstermin nach 4 bis 6 Wochen
festlegen Externe Unterstützungsangebote
• Ggf. zusätzliche Verbindlichkeiten vereinbaren: Ambulant:
–– Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten • Hausarzt/Hausärztin
Krankheitstag einfordern • Facharzt/Fachärztin für Psychiatrie/Nervenheilkunde
–– Herausnehmen aus flexibler Arbeitszeit/-ort • Selbsthilfegruppen z. B. Blaues Kreuz, Kreuzbund,
–– Keine rückwirkenden Urlaubsgenehmigungen Anonyme Alkoholiker, Freundeskreise
–– Kurzfristige Urlaubsgenehmigungen nur in • Suchtberatungsstellen z. B. Caritas, Diakonisches Werk
Ausnahmefällen • Ambulante Suchtherapie
–– Individuelles Alkohol-/Suchtmittelverbot • Entwöhnungstherapie in Tagesklinik

Nachbereitung des 1. Gesprächs nach Stufenplan: Stationär:


•Die Führungskraft erstellt einen schriftlichen Vermerk • Entgiftung (= rein körperlicher Entzug): ca. 1 Woche
oder eine Notiz über das Gespräch. • Qualifizierte Entgiftung (= körperlicher Entzug mit
Therapieelementen): 3 Wochen
Nächste Schritte • Entwöhnungstherapie (medizinisch und psychothe-
Wenn sich auffällige Beschäftigte an die Vereinbarungen rapeutisch in der Fachklinik): 12-16 Wochen, ggf.
halten, wird das im Feedbackgespräch anerkennend ge- länger
würdigt. Bei Bedarf werden weitere Gesprächstermine
vereinbart. Welche Unterstützung gewählt wird, entscheidet und
verantwortet allein der oder die Betroffene.

33
Aktiv werden – aber wie?

7.7 Lösungsorientierte Gesprächsführung 6. Senden Sie Ich-Botschaften


• Beschreiben Sie, was Sie bemerken und versuchen Sie
Die folgenden Hinweise für eine lösungsorientierte Ge- nicht, ein Problem oder Verhalten Ihres Gegenübers
sprächsführung beim Umgang mit auffälligen Beschäftig- zu analysieren oder zu interpretieren.
ten sind nicht nur für Gespräche nach Stufenplan hilfreich.
Sie sind allgemeingültig und richten sich gleicher­maßen Beispielhafte Formulierung:
an Führungskräfte, Kollegen und Kolleginnen sowie • Keine gute Formulierung: „Sie sind Alkoholiker“
Arbeitnehmervertretung, also an alle, die Gespräche mit • Bessere Formulierung: „Mir fällt auf, dass Ihre Arbeits-
Mitarbeitenden führen müssen, bei denen ein problemati- leistung nachgelassen hat. Ich frage mich,
scher Suchtmittelkonsum vermutet wird. ob dabei möglicherweise Alkoholkonsum eine Rolle
spielt. Wie sehen Sie das?“
1. Behalten Sie das oberste Ziel Ihres Gespräches
stets im Auge: 7. Beachten Sie, dass Ihr Gegenüber für sein Handeln
• Die auffällige Person soll wieder die volle Arbeitsfähig- selbst die Verantwortung trägt:
keit gewinnen bzw. eine Arbeitsunfähigkeit • Sie als Führungskraft, Arbeitnehmervertretung, Kollegin
überwinden. oder Kollege können die auffällige Person nicht ändern.
Sie können allerdings für ihren Veränderungsprozess
2. Bemühen Sie sich darum, eine gute Gesprächs­ Unterstützung anbieten und sie auf diesem Weg
atmosphäre herzustellen: begleiten.
• Planen Sie genügend Zeit für das Gespräch ein und • Fragen Sie die auffällige Person auch nach eigenen
sorgen Sie für eine ungestörte Kommunikation. Lösungs­vorschlägen.

3. Achten Sie auf Ihre Körperhaltung und Ihre Stimme: 8. Beenden Sie jedes Gespräch mit einer Zusammen­
• Bleiben Sie sachlich und ruhig; vermeiden Sie fassung der wichtigsten Punkte und konkreten
persönliche Angriffe. Vereinbarungen.
• Zeigen Sie ehrliches Interesse und Anteilnahme.
• Kommunizieren Sie auf Augenhöhe ohne erhobenen 9. Vereinbaren Sie einen nächsten Gesprächstermin.
Zeigefinger.

4. Bleiben Sie am Thema, lassen Sie sich nicht ablenken:


• Rechnen Sie damit, dass Ihr Gegenüber sich an die von
Ihnen geschilderten Situationen anders erinnert und
bewertet.
• Lassen Sie sich nicht auf lange Diskussionen über ein-
zelne Punkte ein, wenn diese nicht belegbar sind.
• Lassen Sie sich nicht in eine Eskalation verwickeln.

5. Bleiben Sie in Ihrer Rolle:


• Verhalten Sie sich authentisch und achten Sie darauf,
dass Sie Ihre betrieblich definierte Rolle nicht
verlassen.
• Machen Sie sich und Ihrem Gegenüber klar, dass Sie
keine ärztliche oder therapeutische Rolle übernehmen
werden.
• Zeigen Sie dem Gegenüber Ihre eigenen Grenzen und
Ihre Verantwortung als Führungskraft, Arbeitnehmerver-
tretung, Kollege oder Kollegin auf.

34
Aktiv werden – aber wie?

Bei der Gesprächsführung müssen unterschiedliche Sicht- Bei Wiederaufnahme der Tätigkeit sollte mit der betroffe-
weisen berücksichtigt werden. Wird Kritik geübt, sollte die nen Person ein persönliches Gespräch geführt werden.
sich ausschließlich auf das beobachtete Fehlverhalten Dieses kann in ein BEM-Verfahren (BEM: Betriebliches
beziehen. Eingliederungsmanagement) eingebettet sein. Hier soll-
ten folgende Aspekte unter Einbeziehung der betroffenen
Person erörtert werden:
Konstruktiv Kritik üben • Kann er oder sie alle bisherigen Tätigkeiten am bis­
herigen Arbeitsplatz wieder ausführen?
Eine geäußerte Kritik betrifft das beobachtete Fehlver- • Wie kann möglicherweise verlorengegangenes Vertrauen
halten einer beschäftigten Person und richtet sich nicht wieder aufgebaut werden?
gegen sie als solche. • Wäre ein neues Arbeitsumfeld hilfreich?
Trotz sachlich geäußerter Kritik muss ein respektvoller • Sind flexible Arbeitszeitregeln möglich z. B. wenn Be-
und wertschätzender Umgang gewahrt bleiben. troffene Nachsorge und Selbsthilfegruppen in Anspruch
nehmen wollen?
• Ist für die Rückkehr an den Arbeitsplatz eine Wiederein-
gliederung nach dem Hamburger-Modell sinnvoll, d. h.
7.8. Auf die Nachsorge kommt es an verkürzte Arbeitszeit in den ersten Wochen bei formal
fortbestehender Arbeitsunfähigkeit (https://www.dguv.
Nachsorgemaßnahmen, z. B. der fortlaufende Besuch de/de/praevention/themen-a-z/bem/index.jsp)?
einer Selbsthilfegruppe, sind zur Vermeidung von Rück­ • Haben sich im Arbeitsumfeld der betroffenen Person
fällen unerlässlich. betriebliche Änderungen ergeben?

Aus Sicht von suchtmittelabhängigen und verhaltens-


süchtigen Beschäftigten: Vertrauensbildende Maßnahmen
Wenn suchtmittelabhängige oder verhaltenssüchtige Be-
schäftigte nach einer Therapie wieder zurück an den • Viele Betriebe bitten Betroffene unmittelbar nach
Arbeitsplatz kommen, gilt es, die erlernten Verhaltensver- ihrer Rückkehr darum, dass sie gelegentlich ihre
änderungen im Alltag umzusetzen. Die alltäglichen Nüchternheit auch ohne konkreten Anlass mittels
Schwierigkeiten und Frustrationen müssen jetzt ohne Atemalkoholmessgerät oder Drogenscreening
Suchtmittel oder Kompensationsverhalten bewältigt wer- belegen.
den. Solidarität, Anerkennung und wohlwollende Unter- • Die meisten Betroffenen akzeptieren das als
stützung des sozialen Umfelds sind dabei wichtig. Die vertrauensbildende Maßnahme. So können sie ihre
meisten Rückfälle ereignen sich in den ersten Wochen Zuverlässigkeit unter Beweis stellen.
nach Therapieende. Je öfter Betroffene auch schwierige • Betroffene müssen allerdings einer anlasslosen
Situationen ohne Suchtmittel meistern, desto mehr steigt Überprüfung nicht zustimmen.
ihre Bewältigungskompetenz und ihr Selbstvertrauen.
Das Arbeitsumfeld einschließlich betriebsärztlicher Unter-
stützung, ehemalige Abhängige, Suchtbeauftragte, Füh- Die Leistungsfähigkeit, Kreativität und das Engagement
rungskräfte, Kollegen und Kolleginnen können als stabili- dieser Beschäftigten ist nach ihrer Rückkehr an den
sierende Größen eine wichtige Rolle spielen. Arbeitsplatz oft besonders groß. Sie verspüren meist
wieder ihren so lange verschütteten Elan, Durchhalte-
Aus Sicht des Arbeitsumfeldes: vermögen und Frustrationstoleranz.
Um die Reintegration zu unterstützen und Rückfälle zu Sie sind oft dankbar für die neue Chance.
vermeiden, sollte mit den inner- und außerbetrieblichen
Beratungsstellen kooperiert werden. Es sollte möglichst
frühzeitig darüber nachgedacht werden, wie Beschäftigte
bei Rückkehr an den Arbeitsplatz wieder eingesetzt wer-
den können.

35
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8 Das Wichtigste auf einen Blick


Erfolgsfaktoren einer wirkungsvollen Suchtpräventionsstrategie

Systematische Suchtprävention im betrieblichen Ge- • (Kostenlose) Bereitstellung alkoholfreier Getränke


samtkonzept, z. B. durch Einbindung ins Betrieb­liche • Durchführung von Informationsveranstaltungen,
Gesundheitsmanagement (BGM) Aufklärungsmaßnahmen und Aktionstagen
• Qualifizierung von Führungskräften, Arbeitnehmer-
• Planung, Entwicklung, Durchführung und Wirkungs- vertretungen, Suchtbeauftragten und weiteren
kontrolle durch eine Steuerungsgruppe Beteiligten
• Formulierung von kurz-, mittel- und langfristigen • Angebote zum Konsumverzicht, z. B. Kursangebote
Zielen zur Raucherentwöhnung
• Einbindung von Betriebsärzten/Betriebsärztinnen, • Entwicklung einer organisationsspezifischen
Fachkräften für Arbeitssicherheit, Suchtbeauftragten, Handlungsanleitung und/oder einer Betriebs-/
externen Beratungsstellen Dienstvereinbarung über den Umgang mit Sucht­
• Interventionskette festlegen z. B. in Form eines mitteln, Suchtformen und den Konsumierenden
Stufenplans • Kontaktaufnahme und -pflege mit außerbetrieblichen
• Integration in die Gefährdungsbeurteilung Suchthilfeorganisationen
• Ermittlung und Beurteilung der suchtbegünstigenden • Bekanntmachung von Hilfsprogrammen
Faktoren am Arbeitsplatz für Betroffene
• Regelmäßiges Aufgreifen des Themas auch in den • Angebote eines Employee Assistance Program (EAP)
Arbeitsschutzausschusssitzungen (ASA) und beim mit themenbezogenen Unterstützungsangeboten
Betrieblichen Gesundheitsmanagment • Regelmäßige Bewertung der durchgeführten
• Unterweisung aller Beschäftigten zum Thema Maßnahmen (Wirkungskontrolle)
Suchtprävention
• Alkoholverbot am Arbeitsplatz

Hinweise

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) hat die Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) bietet
Broschüre Suchtprobleme im Betrieb herausgegeben. Adressen und umfangreiche Informationen zum Thema
Schwerpunkt der Broschüre ist der Alkoholmissbrauch Sucht und Suchtmittel (www.dhs.de).
und seine Folgen. Anhand konkreter Beispiele aus der
betrieblichen Praxis bezogen auf Organisations- und Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Betreuungsmaßnahmen, Betriebsvereinbarungen und (BZgA) bietet umfangreiche Medien und Informationen
arbeitsrechtliche Regelungen wird die Thematik mit zum Thema an (www.bzga.de).
allen ihren Herausforderungen anschaulich beschrie-
ben. Betriebe und Einrichtungen können die Broschüre
beim DVR bestellen.

37
9 Anhang

Regelwerke im Umgang mit Suchtmitteln ihre Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen,
Die Betriebs-/Dienstvereinbarung richtet sich nicht gegen dürfen nicht beschäftigt werden.
Sucht im Allgemeinen, sie richtet sich gegen Sucht am
Arbeitsplatz. § 4 Ausschank von Alkohol
Der Ausschank von Alkohol/Spirituosen im Gesamtbe-
So kann z. B. eine Null-Promille-Regelung nicht zu einer trieb sowie das Mitbringen von Alkohol/Spirituosen durch
Lösung des Alkoholproblems von Einzelnen führen, aber Beschäftigte ist nicht erlaubt. Dasselbe gilt für Beschäftig-
Klarheit schaffen und lässt alkoholkranke und alkohol­ te von Fremdfirmen im Hause.
gefährdete Beschäftigte eher auffallen.
§ 5 Aufklärung und Qualifizierung zur Thematik
9.1 Beispielhafte Betriebs-/Dienstregelung „Sucht im Betrieb“
für Unternehmen und Organisationen ohne Es wird langfristig, umfassend und systematisch darüber
Arbeitnehmendenvertretung aufgeklärt, dass
• Suchtmittel jeden Menschen in seiner Denk-, Reaktions-
Von der Geschäftsleitung der Firma und Leistungsfähigkeit beeinträchtigen,
• Suchtmittel die eigene Gesundheit, aber auch die
Sicherheit und Gesundheit anderer gefährden,
• Sucht eine Krankheit ist.
wird folgende Betriebsregelung zum Genuss
von Suchtmitteln erlassen: Info-Tafeln, Betriebsversammlungen, Broschüren, der
Einsatz von Filmen und Schulungen sind u. a. Möglichkei-
ten für die Aufklärungsarbeit.
§ 1 Geltungsbereich
Diese Betriebsregelung gilt für alle Beschäftigten. Der Qualifizierung von Führungskräften, die Gespräche
mit Betroffenen zu führen haben, kommt dabei eine be-
§ 2 Ziel der Betriebsregelung sondere Bedeutung zu. Zur Erreichung dieser Zielsetzungen
Ziel der Betriebsregelung ist es werden bundesweit z. B. von Krankenkassen, Unfallversi-
• die Arbeitssicherheit zu erhöhen, cherungsträgern oder regionalen Bildungs­ein­richt­ungen
• die Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten, Infoveranstaltungen durchgeführt.
• den Suchtmittelmissbrauch während der Arbeitszeit
zu verhindern, § 6 Maßnahmen
• den abhängigen Kranken rechtzeitig ein Hilfsangebot 1. Entsteht bei Führungskräften der Eindruck, dass Be-
zu unterbreiten. schäftigte suchtgefährdet sind oder eine Abhängigkeit
besteht, dann ist mit der betroffenen Person ein vertrauli-
Diese Betriebsregelung sichert die Gleichbehandlung ches Gespräch zu führen. Das Gespräch hat keine perso-
aller Betroffenen und will allen Beschäftigten eine durch- nellen Konsequenzen, der Inhalt wird jedoch mittels Ak-
schaubare Richtlinie an die Hand geben. tennotiz festgehalten.

§ 3 Beachtung der DGUV Vorschrift 1 Führungskräfte sollen mit Unterstützung der betrieblichen
„Grundsätze der Prävention“ Suchtberatung (sofern vorhanden) oder dem Betriebsarzt
Für den allgemeinen Genuss von Suchtmitteln gelten die bzw. der Betriebsärztin dazu ein Vorgespräch führen und
Grundsätze der Unfallverhütungsvorschrift. die Vorgehensweise im speziellen Fall abstimmen.

DGUV Vorschrift 1 § 15, wonach Versicherte sich nicht 2. Ist im Verhalten der Betroffenen nach einem überschau-
durch Suchtmittelgenuss in einen Zustand versetzen dür- baren Zeitraum (etwa 6 Wochen) keine Änderung festzu-
fen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden kön- stellen, ist von den Führungskräften gemeinsam mit der
nen. Versicherte, die infolge Suchtmittelgenusses oder Unternehmensleitung und der Suchtberatung oder dem
anderer berauschender Mittel nicht mehr in der Lage sind Betriebsarzt bzw. der Betriebsärztin ein weiteres

38
Gespräch zu führen. Die betroffene Person erhält dabei wurden, haben Anspruch darauf, dass Hinweise auf die
die Adressen örtlicher Selbsthilfegruppen und überwundene Abhängigkeit binnen drei Jahren nach Ab-
Beratungsstellen. schluss der erfolgreichen Behandlung aus der Personal-
akte entfernt werden.
Es wird eine mündliche Verwarnung ausgesprochen. Es
wird deutlich gemacht, dass bei Nicht-Inanspruchnahme § 9 Inkrafttreten und Kündigung
dieses Hilfsangebots mit Konsequenzen in Hinblick auf
das Arbeitsverhältnis gerechnet werden muss. Bei Einver- Diese Betriebsregelung tritt am _______________ in Kraft.
ständnis der betroffenen Person wird ein Familienmitglied
(Partner/in) hinzugezogen.
Ort/Datum Unterschrift Geschäftsführung
3. Ändert sich das Verhalten von Betroffenen nach dieser
Zeit nicht und haben sie das Hilfsangebot nicht angenom-
men, erhalten sie die erste schriftliche Abmahnung. In Ergänzungen zur Betriebsregelung
einem begleitenden Gespräch wird das Hilfsangebot noch Anhang
einmal wiederholt und gleichzeitig die zweite Abmahnung
angedroht, sofern das Verhalten nicht geändert und die
Hilfe nicht angenommen wird. Betroffene, Führungskräfte 9.2 Beispielhafte Leitfragen für eine
und Unternehmensleitung sind bei diesem Gespräch an- Betriebs-/Dienstvereinbarung für Unter-
wesend. Bei Einverständnis der betroffenen Person wird ein nehmen und Organisationen mit
Familienmitglied (Partner/in) einbezogen. Nach Möglich- Arbeitnehmendenvertretung
keit sollte die betriebliche Suchtberatung anwesend sein.
1. Geltungsbereich
4. Kommt es dennoch zu keinen Änderungen, erhalten • Sind alle Beschäftigten betroffen oder gibt es
Betroffene eine zweite schriftliche Abmahnung mit unmit- Ausnahmen?
telbarer Kündigungsandrohung, falls sie weiterhin Sucht-
mittel konsumieren und sich nicht in medizinische Be- 2. Zielsetzung
handlung begeben. • Was soll mit der Vereinbarung erreicht werden?

5. Ändert sich das Verhalten der Betroffenen nicht, behält 3. Festlegung der vorgesehenen Situation hinsichtlich
sich die Unternehmensleitung nach vorheriger Beratung des Konsums berauschender Mittel
mit dem o. g. Kreis die Kündigung des Arbeitsverhältnis- • Sollen Alkohol und andere Suchtmittel generell am
ses vor. Arbeitsplatz verboten werden?
(Dies ist empfehlenswert!)
§ 7 Rückfälligkeit • Wie sehen sofortige Maßnahmen für betroffene
Bei Rückfälligkeit nach einer Kurz- oder Langzeittherapie Beschäftigte aus?
in einer Fachklinik oder nach Rückfälligkeit trotz Besuch • Wer trägt die anfallenden Kosten?
einer Selbsthilfegruppe bzw. bei vorzeitigem Abbruch der • Werden Alkohol und/oder andere berauschende Mittel
Behandlung kann ebenfalls eine Abmahnung folgen. im Betrieb ausgegeben?

§ 8 Wiedereingliederung 4. Vorbeugende Maßnahmen


Suchtkranke Beschäftigte werden, soweit sie es selbst • Wie wird die Belegschaft informiert und qualifiziert?
wünschen, bei ihrer Wiedereingliederung in den Betrieb, • Welche Qualifizierungsmaßnahmen für Führungskräfte
z. B. nach stationären Langzeittherapien, unterstützt. Ih- sind vorgesehen?
nen wird der frühere oder ein vergleichbarer Arbeitsplatz • Werden suchtfördernde Arbeitsbedingungen erkannt
angeboten. Suchtkranke, die durch eine ambulante Be- und abgebaut?
handlung, Kurz- oder Langzeittherapie und durch den
Besuch von Selbsthilfegruppen erfolgreich behandelt

39
Anhang

5. Maßnahmen und Hilfen für Beschäftigte mit 9. Schweigepflicht


Suchtproblemen Informationen aus Hilfsgesprächen dürfen nur mit aus-
• Wie wird mit Betroffenen umgegangen und welche drücklichem Einverständnis der betroffenen Beschäftig-
Hilfen werden gewährt? (Interventionskette, Leitlinie, ten an Führungskräfte oder andere Personen weiter­
Stufenplan gehört als Anhang an die Betriebs-/ gegeben werden.
Dienstvereinbarung)
10. Inkrafttreten, Geltungsdauer
Hier wird das Datum des Inkrafttretens, eine Geltungs­
6. Wiedereingliederung und Rückfall dauer bzw. eine Kündigungsfrist angegeben.
• Gibt es eine Wiedereinstellungszusage und wie ist
diese geregelt?
• Ist der Arbeitsplatz gesichert nach Rückkehr aus einer
Therapie?
• Wie wird mit Rückfällen umgegangen?

7. Bildung eines betrieblichen Steuerungskreises


• Wer gehört diesem Steuerungskreis an?
• Welche Aufgaben nimmt er wahr?

8. Funktions- und Aufgabenverteilung


• Gibt es Suchtbeauftragte, Gesundheitsbeauftragte?
• Wie werden diese Personen ausgebildet?
• Welche Aufgaben haben sie?

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40
Notizen

41
Notizen

42
Deutsche Gesetzliche
Unfallversicherung e.V. (DGUV)

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