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VORWORT
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65 Samstag, eine Woche später
66 Sonntagabend
ANNE UND PAUL KOMMEN WIEDER!
Die Fälle von Steinbach und Wagner – Was bisher geschah
Weitere Romane von Roxann Hill
Leseprobe: Dunkel Land (Wuthenow-Thriller 1)
Die Autorin
VORWORT
die Romane von Anne Steinbach und Paul Wagner sind in sich
abgeschlossen und können völlig problemlos einzeln gelesen
werden. Allein die Hauptcharaktere entwickeln sich im Verlauf der
Kriminalfälle weiter. Von daher bietet es sich an, chronologisch mit
Band 1 zu beginnen.
Ihre
Roxann Hill
Nam tam omnibus ignoscere crudelitas
quam nulli.
Der Befreier hatte sich hingekniet. Er betete. Dabei las er die Worte
von einem Zettel ab, der vor ihm lag. Streng genommen hätte er das
Blatt Papier gar nicht gebraucht. Er kannte den Text in- und
auswendig. Er hatte ihn in den letzten Jahren oft gehört und
aufgesagt. Aber er wollte auf Nummer sicher gehen.
Eigentlich hatte er seinen Glauben schon lange verloren. Doch der
seltsame Klang der Silben, die sich auf unerklärliche Weise zu reimen
schienen, besaßen ihre eigene, ganz besondere Kraft. Das wusste er.
Der Boden unter ihm war hart. Seine Beine schmerzten, die
Muskeln rebellierten und er schwitzte vor Anstrengung. Doch er gab
nicht auf. Wieder und wieder rezitierte er die Formel, sorgfältig
darauf bedacht, dass ihm nicht der geringste Fehler unterlief.
Ein Geruch stieg ihm in die Nase – stechend, metallisch.
Es war so weit.
Mühsam erhob sich der Befreier, streckte sich, kreiste die
Schultern. Er blickte auf den Lötkolben in der Wandhalterung. Er
hatte ihn mit viel Mühe eigenhändig umgebaut. Der Aufsatz glühte
rot. Er wandte sich ab.
Ein Schritt, und er stand bei dem Mann: vielleicht Ende fünfzig,
salopp bekleidet mit einem hellen Hemd und einer blauen Stoffhose.
Der Grauhaarige war barfuß. Seine Schuhe mitsamt Strümpfen
befanden sich auf einem kleinen Eckregal neben einer Rolle
Klebeband.
Der Grauhaarige selbst war mit breiten Lederriemen auf einer
Pritsche festgeschnallt. Er konnte sich kaum rühren. Das musste so
sein. Ein breites Stück des Panzertapes verschloss seinen Mund.
Auch das war leider erforderlich.
Der Befreier beugte sich vor. »Ich werde deinen Knebel entfernen.
Es hat keinen Sinn, zu schreien. Niemand würde dich hören. Hast du
das verstanden?«
Der Grauhaarige riss die Augen auf und nickte übertrieben
deutlich.
»Gut«, sagte der Befreier. »Wir werden uns ganz normal
unterhalten. Wie zwei gesittete Menschen.«
Ein erneutes Nicken als Antwort.
Mit spitzen Fingern ergriff der Befreier ein Ende des Klebestreifens
und riss ihn mit einem Ruck ab.
Der Grauhaarige ächzte und sog mehrmals geräuschvoll die Luft
ein. »Geld«, stieß er hastig hervor. »Ich kann Ihnen viel Geld geben.
Und das bleibt unter uns. Ich werde Sie nicht anzei…«
»Still!«, unterbrach ihn der Befreier.
Der Grauhaarige verstummte.
»Ich bin nicht käuflich«, sagte der Befreier. »Du führst mich nicht
in Versuchung! Du nicht!«
»Was wollen Sie?«, stammelte der Grauhaarige.
Der Befreier lächelte. »Eine Antwort. Auf eine einzige, simple
Frage.«
»Und dann kann ich gehen? Ja?«
Der Befreier nickte. »Wenn du die Wahrheit sagst.«
»Die Wahrheit?« Der Grauhaarige blinzelte. »Was möchten Sie
wissen?«
Der Befreier blieb einen Moment still. Seine nächsten Worte
formulierte er langsam und bedächtig: »Deinen Namen.«
»Meinen Namen? Aber Sie kennen mich doch!«
»Nenne mir deinen Namen!«
»Okay, okay«, beeilte sich der Grauhaarige zu erwidern und fuhr
sich mit der Zungenspitze über die spröde Unterlippe. Sie blutete
leicht. »Ich … ich heiße Gallenhofer. Dr. Joachim Gallenhofer.«
»Falsch! Versuche es noch mal: Nenne mir deinen Namen!«
»Dr. Joachim Andreas Gallenhofer! Sie kennen mich! Sie haben
mich angerufen. Sie…«
Das Gesicht des Befreiers verzog sich. »Falsch!«
»Wieso falsch? Was möchten Sie von mir hören? Ich heiße
Gallenhofer. Dr. med. Joachim Gallenhofer. In der Schule nannten sie
mich Jo. Manchmal Achim…«
»Deinen Namen!«
Der Grauhaarige begann zu keuchen. »Ich … ich … Was wollen
Sie von mir! Lassen Sie mich gehen! Das ist doch der reinste Irrsinn!
Ich…«
Ungeduld und Zorn blitzten in den Augen des Befreiers auf.
»Deinen Namen! Sag mir endlich deinen Namen!«
Der Grauhaarige versuchte, sich loszureißen. Die Pritsche
wackelte. Die Fesseln schnitten sich tief in seine Handgelenke.
»Gallenhofer! Gallenhofer!«
Der Befreier musterte den Grauhaarigen. Dabei veränderte sich
sein eben noch wütender Ausdruck, wurde ruhig und fokussiert.
Ohne ein weiteres Wort langte er zu dem Eckregal und riss ein
frisches Stück vom Panzertape ab.
»Es tut mir leid, dass ich das tun muss«, sagte er dabei. »Du lässt
mir keine andere Wahl.«
Der Grauhaarige warf seinen Kopf hin und her in dem Bemühen,
den Befreier daran zu hindern, seinen Mund erneut zu verkleben.
Vergeblich.
Der Befreier presste den Streifen fest, nahm den glühend roten
Lötkolben aus der Halterung und betrachtete ihn mit
fachmännischem Blick.
Die Augen des Grauhaarigen weiteten sich vor Entsetzen. Er gab
unartikulierte Laute von sich, versuchte verzweifelt, aus seinen
Fesseln zu kommen, indem er mit aller Kraft an ihnen riss.
Der Befreier drückte ihm die Spitze des Lötkolbens gegen die linke
Fußsohle. Ein Zischen. Rauch stieg auf. Es begann zu stinken – nach
verbranntem Fleisch.
Der Grauhaarige schrie, krümmte sich vor Schmerzen, bäumte
sich auf, soweit es die Lederriemen erlaubten. Er keuchte und
grunzte. Tränen und Rotz liefen ihm über das verzerrte Gesicht.
Sehr gut. Jetzt nur nicht nachlassen – dachte sich der Befreier. Er
zog den Lötkolben zurück und presste ihn gegen die Ferse des
Grauhaarigen. Dessen Laute gingen in ein Wimmern über.
Noch zwei weitere Male brachte der Befreier den Lötkolben zum
Einsatz. Diesmal am rechten Fuß.
Der Grauhaarige schien sich kurz vor der Bewusstlosigkeit zu
befinden.
Der Befreier behielt den Lötkolben in der Hand. Mit der anderen
riss er dem Grauhaarigen das Klebeband vom Mund.
»Wie ist dein Name?«
»Jo-Joachim … Dr. Joachim Ga-Gallenhofer«, flüsterte der
Grauhaarige.
»Nein!«, schrie der Befreier und hob drohend das glühende
Metall. »Deinen richtigen Namen. Sag ihn mir! Jetzt! Ich befehle es
dir!«
»Joachim!«, flüsterte der Grauhaarige und dann brüllte er: »Mein
Name ist Joachim Gallenhofer!« Speicheltropfen flogen durch die
Luft. »Das weißt du ganz genau! Du Schwein, du dreckiges,
perverses Schwein!« Erneut wollte sich der Grauhaarige mit
überraschend großer Kraft losreißen. Er tobte, schrie. Dann wurde er
ohnmächtig.
Der Befreier ließ seine Schultern sinken und seufzte. Eine Welle
der Enttäuschung gepaart mit Resignation erfasste ihn. Das hatte er
befürchtet. Es hatte keinen Sinn. Er würde es nicht schaffen.
Sorgfältig hängte er den Lötkolben an seinem Platz auf, trennte
ihn vom Strom. Dann ergriff er eine durchsichtige Plastiktüte und
wandte sich ein letztes Mal dem Grauhaarigen zu. Mit einer einzigen
Bewegung stülpte er den Beutel über den Kopf des Mannes und
drehte ihn an dessen Hals fest.
Der Grauhaarige bewegte die Lippen, öffnete die Augen.
Der Befreier biss die Zähne zusammen. »Du willst mir deinen
Namen nicht verraten«, brachte er heraus. »Dann musst du sterben.
Du entkommst mir nicht!«
Der Grauhaarige machte den Mund auf, um Luft zu holen.
Vermutlich versuchte er, etwas zu antworten – eine neue Lüge … die
Plastiktüte legte sich eng an sein Gesicht, schmiegte sich an die
Nase, die Wangenknochen, die Lippen und das Kinn. Beim Ausatmen
blähte sich das Plastik auf, nur um mit dem nächsten Atemzug
wieder eingesogen zu werden. Diesmal tiefer.
Panik erschien im Blick des Grauhaarigen. Die Folie hob und
senkte sich immer schneller. Jetzt beschlug die Innenseite, die
Gesichtszüge des Grauhaarigen wurden unscharf, wie mit einem
Weichzeichner aufgenommen.
Aufblähen, einsaugen, aufblähen, einsaugen … der Grauhaarige
hechelte, er wand sich hin und her, er zuckte. Der Befreier hielt die
Tüte mit eisernem Griff fest.
Dann, ein langes Zittern … zwei, drei unmotivierte Bewegungen …
und es war vorbei.
Der Befreier wartete eine weitere Minute, bevor er den Beutel
lockerte und vom Kopf des Grauhaarigen zog. Er wischte sich den
Schweiß von der Stirn, hob die Schuhe und Strümpfe des Toten auf
und zog sie ihm behutsam an.
Er betrachtete die verkrümmte Leiche. Kein schöner Anblick.
Das alles wäre vermeidbar gewesen, wenn ihm der Grauhaarige
seinen Namen verraten hätte.
2
Mittwoch, Apulien/Italien
Eine Stunde später. Ich saß auf der Terrasse unter einem großen,
weißen Schirm und trank ein Glas eingekühlte Zitronenlimonade.
Frisch gepresst, aus dem Garten. Mein Handy klingelte. Paul rief an.
Es hatte einen Mord gegeben. Ich wurde zu Hause gebraucht.
Meine Auszeit war zu Ende.
3
Donnerstag
Der Gehsteig war nass vom Regen. Die Passanten eilten mit
aufgespannten Schirmen und gebeugten Köpfen vorbei. Ich stand
unter dem Vordach der Pathologie, die Hände in den Taschen meiner
Lederjacke, und fröstelte. Ich hätte bei der Abreise aus Italien nicht
alle Sweatshirts in den Koffer packen sollen.
Ein dunkelblauer BMW näherte sich langsam, fand eine Lücke
zwischen den am Straßenrand geparkten Wagen und fuhr hinein.
Der Motor wurde abgestellt und zwei Männer stiegen aus. Ungefähr
gleich groß, der eine mit modischem Sakko, der andere in einem
schwarzen Anzug mit weißem Kragen. Ralf und Paul.
Ich hatte nur Augen für Paul. Er lächelte mir entgegen. Jeden Tag
in den letzten Wochen hatte ich mich auf diesen Augenblick gefreut.
Ich hatte Paul vermisst. Und jetzt, da ich ihn sah, merkte ich, wie
sehr er mir gefehlt hatte. Mein Herzschlag beschleunigte, und ich
musste mich zwingen, ihm nicht entgegenzurennen, ihn zu umarmen
und nie, nie wieder loszulassen. Aber das ging nicht. Jedenfalls nicht
in der Öffentlichkeit. Katholischen Priestern sind Beziehungen
untersagt.
Die beiden hatten mich erreicht.
Ich merkte deutlich, dass auch Paul mit sich zu kämpfen hatte,
den Schein zu wahren. Schnell streckte ich den Arm aus, um ihn
gesellschaftlich angemessen zu begrüßen. Er folgte meinem Beispiel.
Wir schüttelten uns die Hände und hielten sie fest. Dabei sahen wir
uns an. Das musste fürs Erste genügen.
Ich hörte jemanden hüsteln.
»Leute«, murmelte Ralf. »Das fällt langsam auf.«
Widerstrebend zog ich die Hand zurück, ließ Paul los und wandte
mich Ralf zu.
»Hallo, Herr Oberkommissar Lambrecht!«, sagte ich mit breitem
Grinsen. »Was für eine Freude, dich zu sehen!«
Ralf gab mir das Grinsen zurück. »Hauptkommissar.«
»Seit wann?«, fragte ich meinen ehemaligen Kollegen.
»Vor drei Wochen habe ich die Ernennungsurkunde erhalten.«
»Super! Herzlichen Glückwunsch!« Ich knuffte ihn am Oberarm.
»Danke, danke!« Er strahlte. »Gut siehst du aus! Du bist braun
geworden, und deine Haare sind hellblond durch die Sonne. Steht
dir!«
»Jetzt übertreib mal nicht«, winkte ich ab. »Aber es war wirklich
traumhaft schön bei Lorenzos Verwandten.«
»Du hast uns gefehlt«, sagte Paul.
»Ihr mir auch.« Ich lächelte. »Sorry, dass ich so spät komme. Es
gab einen mörderischen Stau auf der Autobahn um München herum.
Deshalb bin ich erst gar nicht nach Hause zum Prof und zu Lorenzo
gefahren, sondern direkt hierher.« Ich machte eine Kopfbewegung in
Richtung meines Wagens. Prinz saß auf dem Beifahrersitz des Golfs
und schaute aus dem halb heruntergekurbelten Seitenfenster
hinaus. Ihm schien das kühle Wetter zu gefallen.
»Lorenzo hat gleich gesagt, dass du bei dieser Strecke mit
Verzögerungen rechnen musst«, meinte Paul.
Ralf blickte an mir herunter. »Wie geht es deinem Bein?«
Ich seufzte. »Es hat schon gedauert. Anfangs hat mir die
Verletzung ganz schön zu schaffen gemacht. Inzwischen ist die
Stichwunde fast ausgeheilt. Ich darf das Bein nicht zu sehr belasten,
sonst meldet es sich. Doch das sind quasi Nachwehen – nicht der
Rede wert.«
Ganz stimmte das nicht, aber ich wollte dieses Thema so schnell
wie möglich hinter mir lassen. Paul anscheinend nicht.
»Du wärst fast verblutet«, stellte er fest.
Ralf verzog den Mund. »Sei froh, dass du die andere nicht
gesehen hast.«
Ohne es zu wollen, musste ich an meinen letzten Fall denken.
Eine Auftragskillerin hatte mir aufgelauert. Es ging um viel Geld. Und
eigentlich auch wieder nicht. Sie hätte mich beinahe erstochen. Ich
hatte sie erschossen.
Ich zwang meine Gedanken in eine andere Richtung. »Gibt es in
der Sache was Neues?«
Ralf zuckte mit den Schultern. »Nicht wirklich. Ich habe einen
schriftlichen Bericht verfasst, dass du in Notwehr gehandelt hast. Er
wird von meinen Chefs gestützt. Die Tote hatte viel auf dem
Kerbholz. Die endgültige Stellungnahme der Staatsanwaltschaft steht
aber noch aus. Hoffen wir das Beste. Wird schon gut gehen.«
Ich nickte.
Paul musste meine Bedenken gespürt haben. »Keine Sorge, der
Prof ist dran«, sagte er leise.
Ich lächelte. »Ein Segen, dass wir ihn haben!«
Ralf sah auf seine Armbanduhr. »Leute, ich unterbreche nur
ungern unseren Plausch. Aber wir sollten jetzt reingehen. Die
Mitarbeiter wollen in ihren verdienten Feierabend.«
4
Ich steckte den Schlüssel ins Zündschloss und wollte den Golf
starten. Mein Blick fiel auf Paul. Regungslos saß er auf dem
Beifahrersitz. Mit leicht zusammengekniffenen Augen starrte er
selbstvergessen auf die Regentropfen, die die Windschutzscheibe
hinunterliefen.
»Schnallst du dich bitte an?«, fragte ich ihn.
»Mhm«, gab er zurück, rührte sich aber nicht.
»Hallo! Bitte anschnallen!«, wiederholte ich.
Er nickte. »Ja. Klar.« Doch er griff nicht nach seinem
Sicherheitsgurt.
»Was ist los?«, meinte ich.
Er machte eine vage Kopfbewegung in Richtung des Hauses der
Familie Gallenhofer. »Der Name des Bruders. Patrick Schuster.
Irgendwas klingelt da bei mir, aber ich weiß beim besten Willen
nicht, wo ich ihn verorten soll.« Er wandte sich mir zu. »Ist er uns
bei einem anderen Fall untergekommen?«
Ich dachte kurz nach. »Patrick Schuster ist mir nicht geläufig.«
Paul seufzte. »Ich komme im Moment nicht drauf. Es wird mir
schon wieder einfallen.«
»Bestimmt.« Ich lächelte. »Du darfst es nur nicht erzwingen. Lass
es einfach bleiben und irgendwann … zack … ist die Erinnerung da.
Also: Schnallst du dich an oder soll ich das für dich erledigen?«
Er grinste und folgte meiner Aufforderung. »Wir fahren jetzt ins
Krankenhaus, sehe ich das richtig?«
»Sicher. Ist doch naheliegend. Wir versuchen, diese
Krankenschwester Petra zu erwischen, von der Frau Gallenhofer
gesprochen hat. Und dabei hören wir uns ein wenig um, was das
Personal über unseren Toten zu berichten hat. Ob dieser Arzt
tatsächlich so nett war, wie ihn seine Ehefrau beschreibt. Manchmal
ist die subjektive Wahrnehmung fern jeglicher Realität.«
»Wow. Subjektive Wahrnehmung«, sagte Paul. »Seit wann
verwendest du solche Begriffe? Und überhaupt: Warum denkst du
immer das Schlechteste von deinen Mitmenschen?«
Ich verzog den Mund. »Zu Frage eins: Ich hatte viel Zeit in Italien.
Da habe ich jede Menge gelesen. Und zu Frage Nummer zwei: Nun
… ich lasse mich lieber positiv überraschen als negativ.«
»Das hast du aber nett ausgedrückt«, meinte er.
»Nicht wahr?« Ich musste lachen.
Paul deutete mit seiner Hand nach vorn. »Auf, auf!«
»Übertreibe es nicht«, sagte ich, stellte den Motor an und lenkte
auf die Straße.
8
Prälat Ott – ich mochte und schätzte ihn sehr. Er war ein
außergewöhnlicher Mensch. Und ein Workaholic. Ein kreativer
Workaholic, um genau zu sein. In seinem Büro regierte das Chaos.
Akten, Unterlagen, Mappen, einzelne Blätter und Bücher – in und auf
Regalen und Kartons, lose gestapelt auf dem Boden, auf Stühlen und
auf dem Schreibtisch. Er selbst saß dahinter, und davor Herr Meixner,
ein Sozialpädagoge.
Meixner arbeitete in der sogenannten Villa, einer Einrichtung für
Sektenaussteiger und ehemalige Drogensüchtige. Sie war großteils
privat finanziert, doch die Kirche trug ihren Teil dazu bei. Streng
genommen leitete Paul das Haus als Sektenbeauftragter des
Bistums. Nur hatte er in den letzten Monaten kaum die erforderliche
Zeit aufbringen können, dieser Aufgabe gerecht zu werden, und
notgedrungen mehr und mehr auf Meixner übertragen. Der Grund
hierfür lag in Prälat Otts Gesundheitszustand: Bereits vor dessen
Herzinfarkt hatte Paul ihn entlastet und musste danach bis zu dessen
Genesung ganz für ihn einspringen.
Der Prälat und Meixner unterbrachen ihr Gespräch und erhoben
sich, als Paul und ich nach einem kurzen Klopfen eintraten.
Ott sah erholt aus und ein wenig fülliger. Die Ruhe und das
regelmäßige Essen in seiner Reha hatten ihm gutgetan. Und Meixner
… er steckte in einer seiner furchtbaren Cordhosen, von denen er
mindestens zwei Dutzend besitzen musste. Dazu trug er ein
schlabbriges Sweatshirt mit der Aufschrift Hero of the day – worauf
auch immer sich das beziehen mochte. So weit war alles beim Alten.
Nur seine rahmenlose Brille hatte er gegen ein Modell mit knallroter
Fassung eingetauscht. Öfter mal was Neues.
Unterhalb seiner linken Schläfe entdeckte ich eine relativ frische,
bläulich schimmernde Narbe. Dort hatte ihm einer seiner weiblichen
Schützlinge aus der Villa vor einigen Monaten einen Kugelschreiber
ins Fleisch gerammt. Bis zu diesem Vorfall hatte ich Meixner nicht
ausstehen können. Doch durch sein Verhalten während und nach
dem Angriff war er stark in meiner Achtung gestiegen. Mittlerweile
kamen wir recht passabel miteinander aus.
Paul und ich traten an den Schreibtisch heran. Der Prälat beugte
sich vor, und wir schüttelten uns die Hände.
»Frau Steinbach, schön, Sie zu sehen«, sagte er dabei.
»Das gebe ich gerne zurück«, erwiderte ich. »Sie wirken um
mindestens zehn Jahre jünger.«
Lächelnd winkte er ab.
Anschließend begrüßte ich Meixner, und Paul tauschte ein paar
nette Worte mit den beiden Männern aus.
Wir nahmen Platz.
Ott faltete die Hände ineinander und betrachtete mich mit seinen
klugen, alten Augen. »Frau Steinbach, ich schätze es sehr, dass Sie
so schnell zurückgekommen sind und den Fall mit Pfarrer Wagner
übernommen haben.« Seine Schultern hoben und senkten sich. »Mir
ist es wichtig, zu verhindern, dass die katholische Kirche in Verruf
gerät. Herr Hauptkommissar Lambrecht ist der festen Überzeugung,
dass ein kirchlicher Bezug vorliegt. Wie ist Ihre beider
Einschätzung?« Er sah von mir zu Paul.
Paul machte eine vage Handbewegung. »Wir stehen mit unseren
Ermittlungen am Anfang. Wir waren in der Leichenhalle, bei der
Witwe und bei der Arbeitsstelle des Toten. Im Moment sammeln wir
Hintergrundinformationen über den Ermordeten.«
»Natürlich.« Ott nickte.
»Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es verfrüht, sich festzulegen«,
ergänzte ich. »Doch ein kirchlicher Bezug, wie Sie es nennen, lässt
sich schwer leugnen.«
»Diese eingebrannten Kreuze und der Rosenkranz«, fuhr Ott fort.
»Das könnte irgendein Fanatiker gewesen sein oder ein kranker
Mensch. Eventuell sogar eine Gruppe, eine Sekte.« Er schaute Paul
an. »Deswegen war Ihr Vorschlag vorhin am Telefon wichtig und
richtig, Herrn Meixner gleich mit ins Boot zu holen. So wie Sie, Herr
Wagner, viel von meiner Arbeit abfangen mussten, hat Herr Meixner
in den letzten Monaten Ihre Aufgaben übernommen. Man kann ihn
inzwischen guten Gewissens als kommissarischen
Sektenbeauftragten bezeichnen.«
Diese förmlichen Reden hatte der Prälat voll drauf. Und sie
verfehlten ihre Wirkung nicht. Meixner lächelte geschmeichelt und
schien um Zentimeter zu wachsen.
»Herr Wagner hat mir dennoch viel geholfen. Und wir haben uns
regelmäßig ausgetauscht«, sagte er. Er hielt inne und konzentrierte
sich auf Paul und mich. »Sie waren in der Leichenhalle? Gab es
außer den eingebrannten Kreuzen und dem Rosenkranz weitere
Dinge, die Ihnen aufgefallen sind?«
»Der Täter hatte dem Opfer den Mund zumindest eine Zeit lang
mit Panzertape verklebt, ihn gefesselt und schließlich mit einer Tüte
erstickt«, sagte Paul.
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— Mutta tämä olisi niin sopivata. Anna nyt joutuin, että ehdin
laittaa postiin.
Jonkun ajan päästä tuli rouva taas konttooriin, kirje toisessa, kynä
toisessa kädessään.
— En minä jouda.
— Vaan yhtäkaikki…
— En jouda!
August ei hievahtanutkaan.
— August, kuuletko!
— Mitä?
— En jouda!
— Mitä se olisi?
— Se on rahaa sekin!
— Minä en jouda.
— Etkö sinä nyt niin pientä asiata voi tehdä itse? Tai anna Oskarin
kirjoittaa!
— Mitä?
Mies katsoi sitä, pyyhki siitä pois rouvan kuittauksen, antoi toisen
kortin ja käski kirjoittaa uuden, selittäen tuon virheen.
Rouva punnitsi.
Vähän päästä hän näki, kun piika meni kadulla paketti sylissä.
Toinen piika tuli kohta sen jälkeen kutsumaan herraa rouvan luo.
—
Rouva sairastui äkkiä, ilmoitti piika.
— Ni — iin…
— Elä tee vasta niin! Lakkaa nyt itkemästä, kun Kaarlekin pyytää;
minun täytyy lähteä.
— No?
— Ehtiihän se. Vaan menkää nyt täältä pois, meillä on niin kiirettä.
— Mitä?
— Lähetä, lähetä!
Mies kääntyi samassa konttooriinsa. Hän luuli saavansa nyt olla
rauhassa.
— No?
— Suutuit sinä, kyllä minä sen näin, ja mene nyt, kun sinä et
kuitenkaan todella tahdo kuunnella minua.
— Mutta minä en lähde ennen kuin sanot sen asiasi. Minä istun
nyt tässä ja kuuntelen.
Juuri sen vuoksi, että tuo tärkeä asia oli niin vähäpätöinen, ei
aviomies hypännyt sohvasta eikä rynnännyt ulos huoneesta, jonka
hän muutoin olisi tehnyt. Hän jätti lähetettävän tärkeän kirjeensä ja
monet muut kiireet asiat oman onnensa nojaan, heittäysi vaan
mukavampaan asentoon sohvassa ja päätti hartaasti kuunnella
vaimoaan, niin kuin tahdotaan pientä lasta erityisesti tarkastaa, kun
huomataan hänessä oikein lapsellista, mitä ei ole ennen huomattu.
— Tietysti, tietysti!
Nuorin, viime kesänä syntynyt tyttölapsi olisi voinut luulla, ettei sitä
muuta maailmata ollutkaan kuin ne kaksi huonetta, joissa asuttiin.
Häntä ei ollut näet vielä kertaakaan käytetty ulkoilmassa, vaikka oli
jo kevät käsissä. Hän oli syntynyt niin terveenä ja vahvana, että äiti
oli ylpeillyt lapsestaan, mutta nyt hän oli kalpea ja surkastuneen
näköinen. Perähuone oli ollut hänen asuntonsa alusta alkaen: jos
tahtoi ryömiä etuhuoneeseen, käännytti äiti kynnykseltä takaisin ja
sanoi että siellä oli kylmä. Toisinaan äiti kuitenkin vei hänet sylissään
etuhuoneeseen, vaan omin päinsä ryömimään ei sinne päässyt. Siitä
hän useasti puhkesi katkerasti itkemään, vaan se ei auttanut, sillä
silloin pani äiti hänet maata tai pakoitti syömään.
*****
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Äidin päähän pisti silloin että voihan hän ottaa pienen ulos, kun oli
tämmöinen kaunis kevätpäivä, ja hän meni sisään, kääräsi
peitevaatteen lapsen ympärille ja toi sen sylissään ulos.
— Mutta kyllä pojan siltä pitäisi pitää asuntoa siellä kotona. Koeta
Maria sovitella sen miehesi kanssa. Tulkoon Eerikki sitte aamulla
tänne.
Eerikki sai olla etuhuoneessa, jossa hänellä oli pöytä ja istuin. Kun
häntä tarvittiin, kilisi sähkökello vierellään seinässä.