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Kahle/Austin Foundation

https://archive.org/details/bewohntebilderruOOOOpehn
Rudolf Schwarz • Architekt einer anderen Moderne
BEWOHNTE BILDER
WOLFGANG PEHNT

RUDOLF SCHWARZ
1897-1961
ARCHITEKT EINER ANDEREN MODERNE

HILDE STROHL
WERKVERZEICHNIS

VERLAG GERD HATJE


Impressum

© i.>97 Verlag Gerd Hatje und Autoren


© der abgebildeten Werke bei den Künstlern
und ihren Rechtsnachfolgern

ISBN 3-7757-0642-9
Printed in Germany

Zeitgenössische Fotos stammen zum über¬


wiegenden Teil von Artur Pfau, einige
von Albert Renger-Patzsch und anderen
Fotografen (vgl. Fotonachweis)
Neuaufnahmen: Klaus Kinold, München
Reproduktionsfotos: Andrea Hündgen, Aachen

Umschlag: Wolfgang Pehnt unter


Verwendung eines zeitgenössischen Fotos
(St. Fronleichnam, Aachen, 1929-30)

Kataloggestaltung: Verlag und Autoren


Reproduktion: C + S Repro, Filderstadt
Gesamtherstellung: Dr. Cantz’sche Druckerei,
Ostfildern bei Stuttgart

Erschienen im Verlag Gerd Hatje, Ostfildern-


Ruit, anläßlich der Ausstellung »Rudolf
Schwarz - Architekt einer anderen Moderne«:

Museum für Angewandte Kunst, Köln


An der Rechtschule
D-50667 Köln
16. 5.-3. 8. 1997

Akademie der Künste, Berlin


Hanseatenweg 10
D-10557 Berlin
14. 11. 1997 — 4. 1. 1998

Bayerische Akademie der Schönen Künste


München
Max-Joseph-Platz 3, Residenz
D-80539 München
10. 2. - 19. 4. 1998

Deutsches Architektur-Museum, Frankfurt


Ausstellung in der Galerie im Karmeliterkloster
Münzgasse 9
D -60311 Frankfurt am Main
27. 6. - 9. 8. 1998

Architektur Zentrum Wien, Wien


Museumsquartier, Museumsplatz 1
A-1070 Wien
1. 12. 1998 - 10. 1. 1999
Inhalt

Wolfgang Pehnt
Rudolf Schwarz, Architekt einer anderen Moderne

Neugier auf Schwarz io


Elternhaus und Kindheit 17
Das Studium 20
Der Lehrer Hans Poelzig 24
Zeichnungen 29
Burgbaumeister auf Rothenfels 36
Romano Guardini 44
Dominikus Böhm 49
Die Frauenfriedenskirche 32
Die Kunstgewerbeschule Aachen 55
Die Weiße Moderne 61
St. Fronleichnam 70
Deutsche Werkhütten 77
Beginn der NS-Zeit 79
Sakralbau in den dreißiger Jahren 84
Profanbau in den dreißiger Jahren 93
Landesplanung in Lothringen 100
Anfänge nach 1945 112
Generalplaner in Köln 114
Bauen in Ruinen 126
Bauhaus-und andere Debatten 137
Kirchenbau nach 1945 143
Gürzenich und Wallraf-Richartz-Museum in Köln 163
Entwürfe fürs Theater 176
Atelierchef und Architekturlehrer 179
Häuser der Demokratie 186
Mies van der Rohe und Rudolf Schwarz 191

Lebensdaten 197

Rudolf Schwarz
Aufsätze und Vorträge
Der Dom 200
Die Lehre zum Tun 201
Vom Widerstand gegen die Gewalt 206
Brief an Ludwig Mies van der Rohe 210
Bildung des fachlichen Nachwuchses an einer Akademie für den
Neubau Deutschlands 212
Was eigentlich ist der Gegenstand des Städtebaus? 216
Der Aufbau zerstörter Städte 219
Wie beleuchtet man Museen? 221

Hilde Strohl
Werkverzeichnis
Werkverzeichnis - Bauten und Projekte 227
Schriftenverzeichnis 299

Namensregister 307
Ortsregister - Bauten und Projekte 311
Fotonachweis 315
Die Autoren danken Bernd Evers, Berlin
Monika Faber, Köln
vor allen anderen: I lartmut Frank, Hamburg
Gabriele Ganser, Berlin
Maria Schwarz, Köln, für unermüdliches Ulrike Gauss, Staatsgalerie Stuttgart
Engagement, unerschöpfliche Geduld und Barbara Gerl-Falkowitz, Dresden
kritische Begleitung unserer Arbeit Regine Halter, Frankfurt am Main
Heike Hambrock-Abicht, Frankfurt am Main
dem 1 Iisterischen Archiv des Erzbistums Köln, Elmar Hillebrand, Köln-Weiss
insbesondere seinen Mitarbeitern Wolfgang Ulrich Flöhns, Oldenbüttel
Schmitz und Joachim Oepen Dieter Kittlauß, Bendorf
Werner Kress, Cadolzburg
Kaspar Kraemer, KSP Architekten, Köln
den folgenden Institutionen und ihren Peter Kreutzer, Aachen
Alitarbeitern: Ulrich Krings, Köln
Martin Kudlek, Edinburgh
Stadtarchiv Aachen Claudia Lang-Pack, Aachen
Hedwig Dransfeld-Haus, Bendorf Walter von Lom, Köln-Weiden
Bundesarchiv Berlin Harald Ludmann, Köln
Hochschularchiv der Technischen Universität Vittorio Magnago-Lampugnani, Zürich und
Berlin Mailand
Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Winfried Nerdinger, München
Berlin Adam C. Oellers, Aachen
Werkbund-Archiv Berlin Angela Pfotenhauer, Bonn
Katholisches Pfarramt Bürgstadt F. Reidt, Aachen
Archiv der Kunstakademie Düsseldorf Clemens Rosner, Leipzig
Staatliches Hochbauamt Düsseldorf II Josef Rüenauver, Köln
Archiv des Deutschen Architektur-Museums, Adrian Seib, Frankfurt
Frankfurt am Main Fritz Schaller, Köln
Deutscher Werkbund Frankfurt am Main Matthias Schirren, Berlin
Stadtplanungsamt der Stadt Hofheim am Karl-Heinz Schlösser, Köln
Taunus Sabine Schmachtenberg, Aachen
Katholisches Pfarramt Ilsenburg Rudolf Schneider, Landau
Stadtarchiv Kassel Franz Schulze, Lake Forest College, Illinois
Archiv des Katholischen Deutschen Frauen¬ Ursula und Otmar Schwab, Köln
bundes, Köln Helena Siemes, Viersen
Historisches Archiv der Stadt Köln Manfred Speidel, Aachen
Katholisches Pfarramt Liebfrauen, Leipzig Klaus Steiner, Wien
Generalvikariat Limburg Michael Tacke, München
Stadtarchiv Ludwigshafen Augusta und Anselm Thürwächter, Dreieich
Archiv der Stadt Menden (Sauerland) Norbert Trippen, Köln
Katholisches Pfarramt St. Marien, Oberhausen Hans Hermann Wetcke, München
Katholische Wohltätigkeitsanstalt zur Erich Widder, Linz
Heiligen Elisabeth, Reinbek Jürgen Wilde, Köln
Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels Karl Wimmenauer, Wiesbaden
Archives de Strasbourg
Amt für kirchliche Denkmalpflege, Trier
Historisches Archiv des Bistums Trier
Stadtarchiv Wesel
Wiener Stadt- und Landesarchiv

den Freunden, Kollegen, Korrespondenten,


Helfern; den Schülern und Mitarbeitern von
Schwarz:

Friedrich Achleitner, Wien


Meinulf Barbers, Korschenbroich
Dieter Georg Baumewerd, Münster
Elisabeth und Gottfried Böhm, Köln
Walter Boese, Köln
Karl-Josef Bollenbeck, Köln
Johannes Busmann, Wuppertal
Hans-Berthold Busse, Trier
Hanna Dannien-Maassen, Dresden
Toni Diederich, Köln
Elisabeth Ehring, Burg Rothenfels
Vorwort

Es ist Zeit, an Rudolf Schwarz zu erinnern. Nicht daß nach seinem Tode 1961 sein
Name ganz und gar in Vergessenheit geraten wäre. Eine Reihe von Publikationen -
unter anderem in der von Ulrich Conrads mitverantworteten Reihe der Bauwelt-Funda¬
mente - und zwei kleinere Wanderausstellungen in den Jahren 1963 und 1981 haben
geholfen, seine Arbeit präsent zu halten. In den letzten Jahren scheint sich vor allem hei
jungen Kunstwissenschaftlern und im Ausland das Interesse an der Lebensleistung die¬
ses großen Architekten, Städteplaners und Autors zu mehren. Als Reformer und Mei¬
ster des Kirchenbaus war Schwarz ohnehin unvergessen, auch wenn jüngere Architek¬
ten andere Wege gingen.
Trotzdem - und das ist die These von Buch und Ausstellung - hat das Werk dieses
Mannes seinen Platz in der Architekturgeschichte noch nicht gefunden. Weite Bereiche
seines Werkes sind bisher kaum zur Kenntnis genommen worden - so die Wohnhäuser,
die er in den dreißiger Jahren gebaut hat, oder seine Beiträge zum Theaterbau und zu
den Institutionen der Demokratie. Das hier zum ersten Mal vorgelegte, nach bestem
M issen vollständige Werkverzeichnis wartet mit vielen Entdeckungen auf.
Schwarz hat die Moderne anders verstanden als viele seiner avantgardistischen Zeitge¬
nossen. Für sein Bauen hat er Begründungen gefunden, die es verdienen, neu gelesen
und neu diskutiert zu werden. Er, der das Wort von der Neuen Sachlichkeit am liebsten
durch den Begriff einer Neuen Dinglichkeit ersetzt hätte, suchte das Bauen von den
Sachen her mit einem Bauen vom Denken und vom Schauen her zu verbinden. Das
Wort seines Freundes Mies van der Rohe, die Architektur müsse nicht jeden Montag
neu erfunden werden, war ihm aus der Seele gesprochen. Schwarz wollte eine Architek¬
tur, die Dauer hat und nicht der Mode folgt.
Gleichwohl verkörpert sein Werk auch ein Stück deutscher Baugeschichte in ihren
Wandlungen und Entwicklungen. In allen Orten, die diese Ausstellung übernehmen,
hat er seine Wirkungen hinterlassen, erinnern Bauten an ihn - oder erinnern Schüler
sich seiner. In Köln und Frankfurt am Main sind die Spuren besonders zahlreich. In
beiden Städten hatte er Büros, in Köln hat er sechs Jahre lang als Generalplaner die ent¬
scheidenden Wiederaufbaujahre geprägt. In Berlin hat er ein Haus und eine Kirche
gebaut, war er Mitglied der Akademie der Künste und hatte seine Hoffnungen auf zwei
bedeutende Wettbewerbe gesetzt, für die Gedenkkirche Regina Martyrum in Berlin-
Plötzensee und für die Innengestaltung des Reichstagsgebäudes. In München wohnte
und lehrte der Freund Romano Guardini nach dem Kriege und wurde Schwarz als Gut¬
achter für den Umgang mit der Ns-Hinterlassenschaft am Königsplatz herangezogen.
In Wien steht ein bedeutendes Spätwerk, die Kirche St. Florian, in Linz ein weiteres,
St.Theresien.
Nachdem eine erste Anregung zu diesem Unternehmen von der Stiftung Kunst und
Kultur Nordrhein-Westfalen ausging, sind Buch und Ausstellung in der Zusammen¬
arbeit eines kleinen Teams mit fünf Ausstellungsinstituten erarbeitet worden. Daß diese
Retrospektive, die mehr als eine Rückschau darstellen soll, in einem der wichtigen Bau¬
ten von Schwarz, dem ehemaligen Wallraf-Richartz-Museum und heutigen Museum
für Angewandte Kunst in Köln beginnen kann, ist ein Glücksfall. Ein weiterer Glücks¬
fall bei der Vorbereitung der Ausstellung war, daß sich Sponsoren fanden, die der Name
Rudolf Schwarz zur großzügigen Unterstützung dieses Vorhabens bewog. Dafür sind
wir besonders dankbar.

Brigitte Tietzel, Museum für Angewandte Kunst, Köln


Friedrich Spengelin, Akademie der Künste, Berlin, Abteilung Baukunst
Helmut Gebhard, Bayerische Akademie der Schönen Künste, München,
Abteilung Bildende Kunst
Wilfried Wang, Deutsches Architektur-Museum, Frankfurt am Main
Dietmar Steiner, Architektur Zentrum Wien

Seite 8:
1 Rudolf Schwarz um 1948.

7
Wolfgang Pehnt
Rudolf Schwarz, Architekt einer anderen Moderne
Neugier auf Schwarz

RS abgekürzt für Rudolf Schwarz. Soweit nicht an¬ Rudolf Schwarz ist einer der letzten bedeutenden deutschen Architekten dieses Jahr¬
ders angegeben, befinden sich aufgeführte Do¬ hunderts, denen bisher weder eine große monographische Ausstellung noch eine ent¬
kumente, Plane, Zeichnungen und sonstige Ma¬
sprechende, aus den Quellen gearbeitete Monographie gewidmet war. Ein kritischer
terialien im Archiv Rudolf Schwarz, Köln. Von
seinen eigenen Briefen an andere Personen, soweit Akteur und Zeitgenosse, Berlins ehemaliger Stadtbaurat Martin Wagner, hat ihn zu den
sie mit der Schreibmaschine geschrieben waren, zwölf besten deutschen Architekten der zwanziger Jahre und zu den sechs besten der
hat Schwarz zumeist Kopien aufbewahrt, später
Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gezählt.1 Solche Zahlenspiele muß man nicht mitma¬
auch gelegentlich Fotokopien handschriftlicher
Briefe. chen. Aber Verwunderung weckt es doch, daß über diesen wichtigen Baumeister bislang
keine ausführlich dokumentierende Buchveröffentlichung vorlag.
Abgekürzte andere Archivangaben: An äußeren Fakten, an der Zugänglichkeit der Quellen, kann es nicht liegen. Denn den
Stadtarchiv Aachen, Akten der Stadt Aachen.
Fach IV, Nr. 27 (Pfandwerker- und Kunstgewerbe¬
Nachlaß hat seine Witwe, Maria Schwarz, zusammengehalten. Claudia Lang-Pack und
schule) und Personal-Akten Rudolf Schwarz (= StA Hilde Strohl haben ihn mustergültig erschlossen. Er ist nicht - wie der anderer bauen¬
Aachen) der und zeichnender Zeitgenossen - über den Kunsthandel in alle Winde zerstreut
I listorisches Archiv der Stadt Köln (= HAStK)
worden. Die wichtigsten Daten und Unterlagen zu Leben und Werk waren im Hause
Die im Verzeichnis der Schriften von Rudolf
Schwarz aufgeführten Buchtitel (vgl. S. 2 99ff.) wer¬ Schwarz seit vielen Jahren abrufbar. Seit 1988 hat sich das Historische Archiv des Erz¬
den in den Anmerkungen abgekürzt zitiert. bistums Köln, dem Frau Schwarz einen großen Teil des Nachlasses übergeben hat, der
Bewahrung, Pflege und Erschließung des Planmaterials angenommen.2
1
»Already then, i.e. in the twenties, Schwarz
belonged to the 12 best German architects, Es ist schwer, über Rudolf Schwarz zu schreiben - aus den verschiedensten Gründen.
and now he is >fortunate< enough to belong to Der erste und nicht geringste ist: Dieser Architekt hat selbst alles besser gesagt, als es
the 6 best German builders I know of, after
seine Interpreten könnten. Wer sich zu seinem Werk äußert, ist stets versucht, diesen
Hitler and the grave-diggers have thinned out
the ranks.« Martin Wagner an [Verlagslektor] Künstler des Wortes zu zitieren. Schwarz führte eine bildkräftige Sprache und eine
Thomas J. Wilson, 27. 1. 1950. Kopie im scheinbar einfache dazu. Schwarz nannte es ein baumeisterliches Sprechen. Der »gute
Schwarz-Archiv. Baumeister hat seine besondere Art, über die Dinge zu sprechen. Er nennt sie, und auf
2 Erbvertrag zwischen dem Erzbistum Köln
einmal sind sie über und über voll Möglichkeiten. Er redet sie an und sie tun sich auf,
und Frau Maria Schwarz, 4. 7. 1988.
3 RS. Vom Bau der Kirche. S. 143. sie werden zutraulich und beginnen beinahe von selbst sich zu bewegen und zu fügen.<v
4 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 24, 7, 53, 65. Das Fachvokabular, mit dem Planer und Architekten ihre Sache vertreten - teils um der
- RS. »... was über alle Rechnung hinaus ist«. In:
bequemeren Verständigung mit den Fachgenossen willen, teils auch, um das eigene
Baukunst und Werkfonn 4 (1951) 1, S. 47. - RS.
(Brief an Hans Poelzig). Zit nach: Baukunst Revier gegen die unerbetene Mitsprache Außenstehender abzuschirmen -, fehlt bei
und Werkform 1 (1948) 2, S. 65. Schwarz fast ganz. Immer gibt er zu erkennen, daß hier ein Mensch mit seinen ureigen¬
sten Erfahrungen spricht und nicht ein Amtsverweser im anonymen Jargon. Mb es sich
um biografische Erfahrungen oder eigene Einsichten und Bekenntnisse handelt, redet
er als »Ich«. Wo es sich um Erfahrungen handelt, von denen er glaubt, eine Gruppe
Verständiger müsse sie teilen, benutzt er die erste Person des Plurals: »Wir«.
In der Generation von Schwarz verstanden sich auch andere Architekten auf die
Anschaulichkeit der Rede: so Otto Bartning, Egon Eiermann, Hans Schwippert, Emil
Steffann. In der Generation seiner Lehrer fällt es noch leichter, Architekten zu nennen,
die mit dem Wort umzugehen wußten: Theodor Fischer, Hermann Muthesius, Hans
Poelzig, Fritz Schumacher, Heinrich Tessenow, um nur deutsche Architekten zu erwäh¬
nen. Die Gabe, sich literarisch verständlich zu machen, scheint im ersten Teil des Jahr¬
hunderts weiter verbreitet gewesen zu sein als in seiner zweiten Hälfte. Aber unter sei¬
nen Zeitgenossen verfügte Schwarz über einen besonderen Ton.
Die Sprache Rudolf Schwarz’ ist nur scheinbar einfach, sie ist vielmehr anspruchsvolle
Rede. Der Autor weiß sich in der Verantwortung. Seine Maßstäbe nimmt er aus einem
im weiteren und im wörtlichen Sinne religiösen Denken. Es ist auf eine Ordnung der
Werte bezogen, die für Schwarz selbstverständlich war, auch wenn er wußte, daß sie es
für andere nicht ist. Die metaphysische Dimension drückt sich in der Sprache aus. Er
benutzt sie geradezu als Erkenntnismittel, indem er ihren Wurzeln nachgeht, ihren
Wörtern einen anderen Sinn abfragt, als sie im alltäglichen Gebrauch bieten. Wo er an
die Grenzen des Sagbaren stößt, erfindet er sich neue Wörter: der »Stieg« und die
»Breitung«, die »Zergangenheit« und die »Heilheit«. »Inbrunst« steht im Wörter¬
buch. Aber um auf das Wort »Ausbrunst« zu kommen oder aus dem Substantiv
»Urheber« ein Verbum zu machen (»Brunnen, aus dem man die Dinge urhebt«),
bedurfte es sprachschöpferischer Einfallskraft.4 Zusammen mit einer Geste der Zuwen¬

2 Rudolf Schwarz, Josef Bernard. Wallraf- dung an den Leser entsteht der Eindruck eines fast pastoralen Sprechens. Einer, der
Richartz-Museum (heute: Museum für Ange¬ von Ahnungen in den Gang der Dinge erfüllt ist, teilt seine Vermutungen und Hoff¬
wandte Kunst). Köln. 1951-58. Fassadendetail. nungen einer vorgestellten Gemeinde mit.

10
11
Aber diese Sprachgebärde wird jederzeit auch wieder zurückgenommen. Schwarz ver¬
waltet nicht ein unbezweifelbares Wissen. Auch er hat seine Zweifel, wrohin die
Geschichte, diese merkwürdige Veranstaltung, denn eigentlich ziele. Er stellt sich und
Anderen Fragen, die auf Antworten warten. Seine religiöse Bindung läßt dabei viel
» Spiel «. Sie ist ein Horizont, ein Vertrauen im letzten, vor dem die Suche nach dem
rechten Tun stattfindet; keine Wegweisung. Auch sein Buch, das dieses Wort im Titel
führt, Wegweisung der Technik, nimmt das Versprechen des Titels fast ganz wieder
zurück: »So wird man der Zeit doch wohl am besten den Weg weisen, wenn man ihr
sagt, sie solle ruhig das tun, was ihres Berufes ist, soll es aber recht und gut tun, und sei
es auch der demütigste aller Berufe: fürs tägliche Brot zu sorgen.«*
Wenn Schwarz sich Gelassenheit und Witz gestattet - was er in der privaten Korre¬
spondenz und im mündlichen Umgang oft und gerne tat -, so aus einer Sicherheit her¬
S'i&HT
aus, die das Kleine, Nicht-ganz-Geratene und darum Allzumenschliche in einer humo¬
ristischen und manchmal sarkastischen Distanz zu einem Höchsten, wenn auch nur
3 Rudolf Schwarz. Skizze zu einer Abbildung in selten oder nie Erreichbaren sieht. Daß er zugleich ein scharfer Polemiker war, verlet¬
Von der Bebauung der Erde. Heidelberg 1949. zen konnte und verletzt hat - beispielsweise in der berühmten »Bauhaus-Debatte« -,
Tinte. gehört zu den Widersprüchen, die eine reiche Persönlichkeit ausmachen.
Im Buch lautet der Text: »Das Haus sei das
Der Anspruch des Einfachen und das Pathos des Sprechens bildeten eine Schwelle, sich
Weltwerk der Frau, die sich dem männlichen
mit Schwarz zu beschäftigen. Das Einfache kam den Lesern gerade als das Schwierige
Weltwerk vermählt und also Gestalt und Zei¬
chen der Ehe; die Frau sei dazu vorab berufen
vor. Oft hat er es auch zu hören bekommen, von Freunden wie von Gegnern. Domini¬
und damit zur Hütung der weltlichen Frucht¬ kus Böhm stieß einen humoristischen Seufzer aus, als Schwarz ihm die Wegweisung der
barkeit, so wie der Mann in seinem obersten Technik dedizierte: »Es ist wirklich unsterblich und wieder einmal so gelehrt, daß ich
Tun die geistliche Fruchtbarkeit der Erde ver¬ dasselbe nur in geringen Mengen verdauen kann«.6 Martin Wagner, der sich in den USA
antwortet.« Mit der Skizze ironisiert Schwarz
um eine englischsprachige Ausgabe des Buches Vom Bau der Kirche bemühte, nannte ihn
sich selbst: »Hausfrau [=Kreis] sieht dem Mann
einen »Meister und Priester des Wortes«, und das war nicht nur lobend gemeint. Nur
[=Stern] nach«.
zu oft werde Schwarz »von Worten geführt und von Worten verführt«. Sein Buch -
obwohl ein Meisterwerk - sei aus einer anderen Zeit und für eine andere Zeit geschrie¬
ben. Ein Drittel der Worte hätte es auch getan. Schwarz nahm es gelassen und fand, die
Äußerung sei »ganz der alte Wagner, ... der in der wohlschmeckendsten Suppe die paar
langen Haare der Köchin entdeckt und sie triumpfierend der Tafelrunde vorzeigt«.7
Aber sogar der Freund Romano Guardini äußerte den Wunsch, »man müßte die tiefen
Gedanken in eine ganz einfache Sprache übersetzen können«/ Allerdings ist der Man¬
gel an »einfacher Sprache« nicht eigentlich das Verständnisproblem für heutige Leser.
Schwarz schrieb einfach, freilich in Worten, deren Kostbarkeit und Dunkelheit sich
nicht jedem erschließen.
Bis heute gilt Schwarz vor allem als Kirchenbauer. Drei Fünftel seiner Aufträge kamen
in der Tat aus dem sakralen Bereich - Neubau oder Umbau von Pfarrkirchen, Kapellen,
Klostererweiterungen, liturgisches Gerät. Mehr als einmal hat sein Name Anlaß zu ein¬
schlägigen Wortspielen gegeben. Die »schwarze Moderne« meinte nicht nur eine
andere als die »weiße Moderne«, sondern eben auch eine, die aus den Wurzeln des
Katholizismus lebte. Schwarz ist in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen, hat
zeitweise Religionswissenschaft studiert und über ein Thema des Sakralbaus promo¬
viert. Er war einer der Architekten, der Anregungen der Liturgiereform aufgenommen
5 Maria Schwarz, Ulrich Conrads (Hg.). Rudolf hat, wenn auch kritisch aufgenommen hat. Er gehörte der katholischen Jugendbewe¬
Schwarz. Wegweisung der Technik und andere gung Quickborn an und war mit dem bedeutenden Religionsphilosophen Romano
Schriften zum Neuen Bauen. Braunschweig,
Guardini befreundet. Aus allen seinen Äußerungen geht hervor, daß der christliche
Wiesbaden 1979. S. 87.
6 Dominikus Böhm an RS, 18. 9. 1928. Nachlaß Glaube eine Grundlage seiner Existenz war. Daß wahre Baukunst Sakralbau sei, gehörte
Böhm, HAStK. zu den Überzeugungen, die ihn sein Leben lang begleiteten. »So wird das Thema der
7 Martin Wagner an RS, 2. 1. 1949. - RS an
>Kirche< immer der heimliche, wenn auch mitunter verschwiegene Mittelpunkt der
Martin Wagner, 23. 12. 1949.
8 Romano Guardini. Zum Geleit. In: RS. Vom Baukunst bleiben«. Ein andermal hat er die Frage des Kirchbaus die Urfrage seines
Bau der Kirche. Vor S. 1. Berufes genannt.9
9 RS. Neues Bauen? In: Die Schildgenossen 9 Doch so sehr sein Bauen aus einem metaphysischen Grund kam, so sehr hat sich
(1929)3, S. 217. - RS. Vom Bau der Kirche.
S. 143.
Schwarz immer wieder dagegen verwahrt, als Spezialist für Kirchenbau zu gelten.10
10 Z. B. RS an Wolf Jobst Siedler, 3. 6. 1957. Gegen eine solche Eingrenzung hat er sich gewehrt, nicht nur um sich die künstlerische
Der spätere Verleger war damals Feuilleton¬ Vielseitigkeit zu erhalten, sondern auch aus theologischer Überlegung. »Eine isolierte
redakteur des Berliner Tagesspiegel und hatte
kirchliche Kunst gibt es nicht. Für unser Dasein als Künstler gilt das Gesetz, daß jede
Schwarz zu einem Artikel über Kirchenbau
aufgefordert. Schwarz zögert, »weil ich mich Woche sechs Tage Werktag und ein Tag Sonntag sein darf. Das Gebiet des Künstlers ist
nicht gern zum Kirchenbauer machen lasse«. die Welt in ihrer ungebrochenen Ganzheit... Er muß sie in großen Formen zusammen-

12
fassen und erklären und am werdenden Weltbild arbeiten. Diese ehrliche betreute Welt
hat er immer wieder von Zeit zu Zeit Gott anzubieten.«11
Aber eben nur »von Zeit zu Zeit«. So hat er während seines Direktorats an der Aache¬
ner Kunstgewerbeschule darauf bestanden, daß seine Kollegen auch profane Aufgaben
übernahmen. Er fürchtete die »süße Mittelmäßigkeit«, die »Gefahr der Erschlaffung«,
die sich aus »formellen liturgischen Vorschriften, formalen Erwartungen und im voraus
formulierten Ablehnungen« ergeben könnten.12 Als Architekt hat sich Schwarz vielen
Aufgaben gestellt, dem Wohnungsbau, dem Schulbau, dem Stadt- und Landschaftsbau,
dem Theaterbau, den Orten demokratischen Entscheiden, Redens und Feiems - Frank¬
furter Paulskirche, Berliner Reichstag, Rathäuser, Kölner Gürzenich. Mit Nachdruck
hat er sich die Freiheit und Vielfalt des Handelns bewahren wollen: »Denn ich bin kein
Kirchenbauer, auch kein großer, auch kein Altmeister, sondern ein Baumeister«.‘3 Eines
hat er auffälligerweise nie gebaut: Gebäude für Handel und Administration. Mit dem
Wohnen, dem Beraten, Entscheiden und Feiern konnte er als Baumeister etwas anfan¬
gen, nicht aber mit der »hochaddierten Nützlichkeit«'4, mit Verwaltung und Kommerz,
Gewinn und Spekulation.
Baumeister: Das ist wieder eines der einfach-anspruchsvollen Wörter, die nicht erst in
den Jahrzehnten seit dem Tode von Schwarz eine andere Färbung angenommen haben,
Edelpatina, aber doch Patina. In der Schwarzschen Werteskala rangiert der »Bau¬
meister« eindeutig vor dem »Architekten«. Die Bedeutung, die in diesem Wort mit¬
schwingt, meint nicht zuerst handwerkliche Redlichkeit und technische Kompetenz -
das auch, aber nur als Voraussetzung -, sondern gestalterische Verantwortung. Der
Baumeister ist derjenige, der aus den Sachzwecken die Idee, aus dem Praktisch-Not¬
wendigen die Form gewinnt. »Der Baumeister gestaltet eine vorliegende Aufgabe,
indem er aus der bescheidenen Forderung ihrer niederen Notwendigkeit ihr Geistigstes
hervorbringt und so die Gestalt und Bewegung des Geschöpflichen ins Räumliche frei¬
gibt, und dann zieht er darum die Wand als letzte Begrenzung. So wird ihm der Raum
zum Weltall und die Wand zum Weltfirmament und er erneuert die Schöpfung.«'* Bau¬
meister waren für ihn die Architekten der Kathedralen und, in seiner eigenen Zeit, auch
der Lehrer Hans Poelzig oder der ältere Weggefährte Ludwig Mies van der Rohe.
Zweifellos hat er auch sich selbst als »Baumeister« verstanden. Und was das heißt,
ermißt sich an der speziellen Utopie-Variante dieses Mannes: »Das neue Europa
wird... kein technisches sein, sondern es wird ein baumeisterliches werden.«'6
Schwarz war ein Fundamentalist. Der Sinn des Bauens ergibt sich bei ihm nicht aus der
Befriedigung praktischer Bedürfnisse, sondern aus den Prinzipien, die den Lebensvor¬
gängen und den Bauformen zugrunde liegen. Wenn er den Entwurf eines Hauses
erwägt, fragt er nicht nur nach Bewohnerzahl, Raumgrößen und Quadratmeterzahlen.
Er erinnert an das, was andere Kulturen vom Hausbau wußten. Er kommt auf die Geo-
mantik fernöstlicher Häuserbauer zu sprechen, die den Baumeister verpflichtete, sich so
lange in den Plan zu vertiefen, bis er ihm zu einem geistigen Bild wurde. Naturkraft
muß schonend genutzt, zu Wasser, Berg und Wind ein Verhältnis gewonnen werden.
Die Wunde, die der Erde bei den Ausschachtungsarbeiten zugefügt wird, muß vorsich¬
tig geheilt werden. »Beginnen wir nicht jeden unserer Bauten mit einer Überschrei¬
tung?« Was neu entsteht, hat sich zu verantworten gegenüber dem, was weichen muß.
Wohnen heißt - oder hieß einmal - »Im-Einklang-Stehen mit dem Leben der Natur,
das Wirre an ihr stillen, das Abwegige ausrichten.«'?
Rudolf Schwarz, ein Grüner vor der Zeit? Sein Verständnis der großen Naturphäno¬
mene war von Weltfrömmigkeit bestimmt. Ein Tal, ein Wald, ein Berg, ein Fluß konnte 11 ebda.
in seinen Schilderungen den Rang einer numinosen Erfahrung annehmen. Die mal¬ 12 RS an den Direktor der Staatlichen Kunstaka¬
demie Düsseldorf Heinrich Kamps, 23. 6.
trätierte Mosel im lothringischen Erzabbaugebiet ist für ihn nicht nur Energielieferant, 1951.
Transportmittel oder Vorfluter, sondern »Lebensader im lebendigen Leib der Land¬ 13 RS. Kirchenbau. S. 163.
schaft«. Sie hat »eine Art von Wirklichkeit, die über allen Begriff geht«. Er zitiert Höl¬ 14 ebda. S. 333.
15 RS. An Mies van der Rohe. Heidelberg 1961.
derlin, der den Fluß einen »Spiegel der Gottheit« nannte. Wer ihn nicht als »geheim¬
unpag.
nisvolles Alleben« nimmt, versündigt sich an einem unverdienten Geschenk. Letztlich 16 RS. Baustelle Deutschland. In: Die Schildgenossen
kommt auch der, der ihm »die nützliche Leistung abquälen will«, nicht auf seine 12 (1932/33) i,S. 7.
17 RS. Das Haus der Christen. In: Die Schildgenos¬
Kosten. Die mißachtete Naturgabe verweigerte schließlich auch den Nutzen.'8
sen 19 (1940) 1, S. 1 ff. Zit.: S. 8, 5.
Die Schlußfolgerungen, die Schwarz im einzelnen zog, müssen nicht die unseren sein. 18 RS. Stadtlandschaft Diedenhofen. 1943. ’lypo-
Das Haus sei die Frau, erdnah, dem einfachen Leben verbunden, Geborgenheit skript. Blatt 36.

13
suchend und Geborgenheit bietend. Die Frau als Hüterin des Gatten und der Kinder
bleibt »da, um zu tun, was ihrer Art ist, das Heim zu bestellen«, während der Mann sei¬
nem Tagewerk in der Öffentlichkeit nachgeht - das muß auch um 1940 schon, als die
Frauen Kriegsdienst leisteten und ihren Mann stehen mußten, sehr altmodisch geklun¬
gen haben. Schwarz selbst kamen Zweifel an dieser Rollenverteilung, als er seinen Text
über das »Haus der Christen« schrieb und das Haus stattdessen als »das Werk und
ein[en] Teil der Sichtbarkeit der Ehe« verstehen wollte.19 Auch das erscheint kaum
akzeptabel in Zeiten, in denen mehr als vierzig Prozent aller Wohnungen Single-Haus¬
halte sind. Wer sich mit Schwarz auseinandersetzen will, muß den ganzen Schwarz
akzeptieren: die großartigen, visionären, bescheiden-anspruchsvollen Seiten wie die
grotesken, widerständigen, provozierend überholten und manchmal auch wieder zeit¬
los-aktuellen.
Schwarz selbst erkannte sehr wohl, daß viele der »alten Bräuche« nicht wieder zu
erwecken seien und allenfalls als altertümliche Verzierungen den Sachen angehängt
würden. Das hinderte ihn nicht, die Fragen nach dem Sinn zu stellen und die Bilder
hinter den Bauten zu suchen. Der »Raum, die feste Wand, das sichere Dach, die
Schwelle vor Fenster und Tür, der Boden, auf den alles gestellt ist«20 waren Elemente,
die nicht nur ihren Zwecken dienten, sondern eine anthropologische, für ihn auch:
theologische Bedeutung hatten. Wie weit dieser Grund noch trägt, wie weit die großen
Bilder noch bewohnbar sind, muß eine erlaubte Frage auch heute sein. Der, der sie
stellte, war ja auch kein verstiegener Romantiker, sondern ein Architekt, der den Ritter¬
saal der mittelalterlichen Burg Rothenfels mit unterschiedlich schaltbaren Feldern von
Lichtröhren bestückt und eine der großen zeitgenössischen Auseinandersetzungen mit
dem Phänomen der modernen Technik geschrieben hatte.
An die Macht von Bildern hat Schwarz geglaubt. »Allzu lange haben wir uns bemüht,
der Welt durch Begriffe habhaft zu werden, und darüber vergessen, daß die Bilder stär¬
ker, wirklicher und genauer sind.«21 Unter »Bildern« verstand er nicht herbeizitierbare
Vorstellungen und Assoziationen; das unterscheidet sein Werk ein- für allemal von allen
nachmodernen Erzählkünsten. Auch der Begriff »Symbol« trifft nicht zu, sofern er eine
Geschiedenheit von Inhalten und von Formen, die sie verkörpern, voraussetzt. Für ihn
waren es überpersönliche Gestalten, der Verfügung des Menschen enthoben, im letzten

4, 5 Der Alltag in Kirchen von Rudolf Schwarz.


»Oft scheinen die Gemeinden der Provokation
auch der Erklärung nicht zugänglich, weil sie vor jeder Erklärung lagen.
Schwarz wollte die Bilder in den Sachen aufsuchen, die Dinge zu ihrem Eigentlichen
bringen. Er hat dafür eine merkwürdige Vokabel benutzt: »Selbst-Repräsentation«, die
dieser Gotteshäuser nicht gewachsen zu sein ...«
an Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen Formen (1923 ff) erinnert. Von den Dingen
heißt es bei Schwarz: »Bisher unbeachtet und verhüllt, treten sie ans Licht, und es zeigt
sich, daß sie in sich kompliziert und vielräumig sind, derart, daß die Einheit des Dinges
und der Tat nun selbst zum Geheimnis wird. Es scheint, daß in der neuen Form die
Dinge selbst-repräsentativ werden.« So hatte auch Cassirer von einem ursprünglichen
Gehalt des Lebens gesprochen, der sich nicht in irgendeiner Form der Repräsentation,
sondern nur in reiner Intuition erfassen lasse. »Die höchste objektive Wahrheit, die sich
dem Geist erschließt, ist zuletzt die Form seines eigenen Tuns.«22
Wie und in welchem Maße die »Selbstrepräsentation« der Dinge gelingt, hat Schwarz
in den unterschiedlichen Werk- und Denkphasen unterschiedlich beurteilt - am hoff¬
nungsvollsten in jener Epoche, die er statt Neuer Sachlichkeit am liebsten Neue Ding¬
lichkeit genannt hätte: Gerade jetzt scheint »die Form nichts mehr zu sein..., was auf¬
19 ebda. Blatt 29 recto. - RS. Das Haus der Chri¬ erlegt wird, sondern etwas, was die Dinge selbst verlangen und gewissermaßen
sten. a.a.O. S. 7. hervorbringen... Für die Dinge ist es die Befreiung, denn jetzt kann so jedes vollkom¬
20 RS. Das Haus der Christen. a.a.O. S. 6.
men werden; die Kunst wird fraglich im Repräsentativen und zugleich gewaltig im
21 RS. Kirchenbau. S. 252.
22 Ernst Cassirer. Philosophie der symbolischen Wirklichen, Ernsten.«2^
Formen. Erster Teil: Die Sprache. Berlin 1925. Den gebauten Realisierungen, zu denen Schwarz fand, ist längst nicht immer seine Phi¬
S.47.
losophie abzulesen. Oft baute er, was auch andere so oder ähnlich gebaut haben könn¬
23 RS. Baustelle Deutschland. In: Die Schildgenossen
12 (1932/33) 1, S. 5. ten. Die Gedanken gingen über die Bauwerke hinaus; spricht das gegen sie? Natürlich
wußte auch Schwarz, daß nicht jede alltägliche Aufgabe der Anlaß zu Höchstem und
Tiefstem ist. Für den Bauherrn eines kleinen Hauses zählt, »daß es nicht zu klein ist,
das Nötige vorsieht, aus dem Ertrag der Arbeit zu erstehen ist und dergleichen«. Sied¬
6 Rudolf Schwarz. St. Mechtern. Köln-Ehren¬ lungsbau konnte nicht auf die Vereinfachung und Zusammenfassung gleichartiger
feld. 1946-54. Bedürfnisse verzichten. Was Schwarz von anderen Architekten unterschied, war, daß er

14
15
auch in solchen von Technik und Wirtschaftlichkeit gebotenen Systematisierungen gei¬
stige Akte sah und für den Zwang zur Bescheidenheit Trost wußte: »Diesen Sorgen um
das rechte Hausbauen und Haushalten möchte man die Mahnung des Thomas von
Kempen vorsetzen, sich nicht um das Haus zu sorgen, als blieben wir immer hier.«24

Ausstellung und Buch zu Rudolf Schwarz’ 100. Geburtstag sind eine Pflicht des
Anstands und des Respekts gegenüber einem bedeutenden Architekten und Architek¬
turdenker dieses Jahrhunderts. Welche Aktualität dieses Werk wieder oder neu gewin¬
nen kann, müssen Betrachter und Leser für sich entscheiden. Aktualität ist ohnehin ein
Wort, das man ungern auf Schwarz anwenden möchte. Er hat immer über die eigene
Zeit hinausgedacht und wußte, daß das Scheinwerferlicht der Epoche nicht lange auf
einem Punkt ruht. Seine Begründungen aus dem Wesen der Aufgaben heraus entstam¬
men einer Welt, die durch eine Hierarchie der Werte bestimmt ist. Seine Entscheidun¬
gen beruhen nicht, wie in unseren Tagen üblich, auf gesellschaftlichen Verabredungen,
sondern auf Einsichten, die für ihn Wahrheiten darstellten. Schwarz lebte in einem
Reich der Notwendigkeiten, die er, im Schreiben wie im Bauen, in große verbindliche
Bilder zu fassen suchte. Vielleicht liegt darin vor allem das Unzeitgemäße, aber auch
Faszinierende und von Fall zu Fall auch wieder Aktualisierbare dieses Werks.
Zu Anstand und Respekt gegenüber der Leistung eines Architektenlebens gehört auch
der Umgang mit seinen erhaltenen Bauten. Darauf möchten die Autoren von Ausstel¬
lung und Katalogbuch mit Nachdruck hinweisen. Das posthume Schicksal der meisten
Schwarz-Bauten verlief insofern glimpflich, als ein großer Teil seines Werkes, der
Sakralbau, vor leichtfertigem Abriß geschützt war. Anders als profane Bauherren reißt
die Kirche nicht nieder, was sie einmal errichtet hat.
Aber viele Innenräume sind so entstellt, daß der ursprüngliche Raumgedanke entschei¬
dend beeinträchtigt ist. Manchmal ist es der Mangel an finanziellen Mitteln, der zur
Vernachlässigung führte. Manchmal waren es Bauschäden, vor allem an den von
24 RS. Das Haus der Christen. a.a.O. S. 9. Schwarz oft eingesetzten Wänden aus Glasbausteinen, die Änderungen veranlaßten. Mit
25 Angaben zur Familiengeschichte nach Doku¬ geätzten oder geschliffenen Gläsern wirken die Räume feingliedriger und stimmungs-
menten im Nachlaß und Gesprächen mit sei¬
hafter, als sie entworfen waren. Oft scheinen die Gemeinden der Provokation dieser Got¬
ner Frau Maria Schwarz, geh. Lang, sowie
Ursula und Otmar Schwab, seinem Neffen. teshäuser, ihrer Geräumigkeit, ihrer Strenge, nicht gewachsen zu sein (Abb. 4, 5) und
26 Chronik der Schule. In: Programm des Bischöf¬ entschieden sich für gefälligere Farben, für bunte Glasfenster, für wärmende Textilien,
lichen Gymnasiums an St. Stephan zu Straßburg.
sogar für bauliche Veränderungen am Aufbau der Altarinseln. Schmierereien an den
Straßburg 1890. S. 41.
27 Architekten- und Ingenieurverein für Elsaß- Außenwänden gelten als Vandalismus. Aber es gibt auch einen gutgemeinten Vanda¬
Lothringen. Straßburg und seine Bauten. Stra߬ lismus, der die fordernden Innenräume mit Parolen und Devotionalien auf das eigene
burg 1894. - RS an den Oberstudiendirektor
Maß reduziert.
des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Lü¬
nen, 22. 12. 1959. Dort allerdings auch zum Öffentliche Profanbauten sind nicht weniger gefährdet. Die Aachener Frauenschule
Straßburger Schulgebäude: »ein absolut präsentiert sich heute als ein Schatten ihrer selbst. Die Präzision ihrer Details, die
scheußlicher und technisch völlig primitiver Schlankheit ihrer Stahlprofile, die sorgfältig ausponderierte Rhythmik ihrer Flächen
Bau.«
sind nur noch zu ahnen - und dieser Bau ist eines der großen Sozialgebäude der ausge¬
28 Hilar Schwarz. Zur Geschichte der Rheinischen
Pfalzgyafschuft. In: Westdeutsche Zeitschrift für henden zwanziger Jahre! Auch den beiden großen Saalbauten, die nach 1945 entstan¬
Geschichte und Kunst. 1907, S. 145 ff. 1909, S. den, die Paulskirche in Frankfurt und der Kölner Gürzenich, drohte die Zerstörung -
231 ff.
der Paulskirche, weil sich die neuen Historisten den klassizistischen Bau des frühen
29 Mitteilungen der Archives de Strasbourg, 23.
1., 15. 2. 1996. Die heutigen Straßenbezeich¬ 19. Jahrhunderts zurückwünschten, dem Gürzenich, weil der Umbau zu einem Kon¬
nungen heißen Allee de la Robertsau, Rue du greß- und Saalbau die Beseitigung der Innenausstattung zu fordern schien. Daß beide
General Gouraud und Avenue de la Marseil¬
Bauwerke im wesentlichen in der von Schwarz und seinen Mitarbeitern imaginierten
laise.
30 RS an Paula Schwarz, 15. 6. 1935, vgl. auch an Gestalt erhalten blieben, waren zwei Glücksfälle, die vielen engagierten Streitern zu
Paula Schwarz, 10. 6. 1940. danken sind, aber vor allem dem Engagement seiner Frau, Maria Schwarz.

Die Eltern.
7 Hilar Schwarz
8 Paula Johanna Schwarz, geb. Bayer.

9 Die Geschwister. Josef, Rudolf und Maria


Schwarz. Um 1904.

16
»Schön wie im Paradies«: Elternhaus und Kindheit

Rudolf Schwarz stammte aus einer katholischen Familie, die in allen ihren Zweigen im
Rheinland, in der Nähe Kölns oder in der Domstadt selbst, zu Hause war.25 Schwarz
wuchs aber im Elsaß auf. Frankreich hatte im Frankfurter Friedensschluß nach dem
Deutsch-Französischen Krieg von 1870-71 Elsaß und Lothringen als »Reichslande« an
das neu gegründete Deutsche Kaiserreich abtreten müssen. Mit dem Versailler Vertrag
1919 fiel Elsaß-Lothringen wieder an Frankreich zurück, erzwungener Anlaß für die
Familie, nach dem Tode des Vaters ins Rheinland zurückzukehren.
Der Vater, Hilar Schwarz (1858-1919, Abb. 7), genannt nach seinem Großvater Hila¬
rius, war in Ahrem bei Lechenich geboren. Hilar schaffte, was die damalige Zeit als
bürgerlichen Aufstieg betrachtet haben dürfte. Der Bauernsohn studierte in Bonn und
Tübingen Geschichte, Deutsch und Französisch und promovierte 1884 mit einer
Arbeit über Landgraf Philipp und die Pack sehen Händel.16 Zunächst unterrichtete er am
Kölner Apostel-Gymnasium. 1894 heiratete er eine gebürtige Kölnerin, Paula Johanna
Bayer (1868-1940, Abb. 8). Die Vermählungsanzeige zeigt Allegorien der Häuslichkeit
und der Wissenschaft neben Ansichten des Kölner Doms und des Straßburger Mün¬
sters.
Zu diesem Zeitpunkt lebte Hilar Schwarz bereits seit vier Jahren in Straßburg, wo er
als Gymnasialoberlehrer und später als Direktor am »Bischöflichen Gymnasium an St.
Stephan« angestellt war (Devise: »Per crucem ad lucem« und »Deus noster refugium
et virtus«). St. Stephan ist eine der Straßburger Stiftskirchen. Vom Bau des frühen
13. Jahrhunderts haben sich Querhaus und drei Apsiden erhalten. Der anschließende
Schulbau am Zusammenfluß von 111 und Stadtgraben, ein Gebäudekomplex von
barockklassizistischer Noblesse, gruppiert sich um mehrere Höfe. Einem werdenden
Baumeister konnte der Bau eine Lektion in Zurückhaltung und Diskretion erteilen
(Abb. 11). »In den Ritzen der alten Fichtenböden nisteten Homer, Augustinus und
Pascal.«27
Unter manchen Schulzeugnissen des Schülers Rudolf steht der Name Hilar Schwarz
nicht nur als Erziehungsberechtigter, sondern in seiner Eigenschaft als Mitglied des
Lehrerkollegiums. Dem Brauch der Zeit entsprechend führte Hilar Schwarz den Titel
eines Gymnasialprofessors. Er arbeitete auch weiterhin wissenschaftlich und publizierte
Arbeiten zur Geschichte des Rheinlands.28
Rudolf Schwarz wurde am 15. Mai 1897 geboren und auf den Namen Rudolph Maria
getauft. Der Vater war achtunddreißig Jahre alt, die Mutter achtundzwanzig. Die Eltern
hatten drei Kinder (Abb. 9), einen älteren Sohn, Josef, geboren 1895, der Jura studierte
und Betriebsberater wurde, und eine jüngere Tochter, Maria, geboren 1901. Zur
Schwester hatte Rudolf ein besonders herzliches Verhältnis. Alle drei Geschwister leb¬
ten auch nach der Straßburger Jugend zeitweise in räumlicher Nachbarschaft, mit Köln
als Fixpunkt, woran auch Marias Heirat mit dem Juristen Otto Schwab nichts änderte.
Während der Aachener Lehrtätigkeit Rudolfs half die Schwester bei Schreibarbeiten
und war für ihn eine Gesprächspartnerin auch in Arbeitsfragen. Nach der Entlassung
von Rudolf Schwarz aus der Kriegsgefangenschaft im Jahre 1946 war die Familie eine
Zeitlang in jenem Doppelhaus vereinigt, das Schwarz 1933 für Mutter und Bruder
sowie die Familie der Schwester in Lövenich bei Köln gebaut hatte (WV 27).
Die Straßburger Kindheit muß glücklich gewesen sein. Die äußeren Lebensumstände
entsprachen gehobenem Bürgertum. Das Geburtshaus der drei Geschwister in der
Ruprechtsauer Allee 40 (Abb. 12) war ein vierstöckiges Mietshaus, mit Balkons und
eisernen Gitterbrüstungen, französisch geschnittenen Fenstertüren, Dachgaupen und
Zwerchhaus. Die Familie bewohnte die zweite Etage. Von 1912 bis 1919 lauteten die
Adressen Poststraße 14 und Hohenlohestraße 8, die in bequemer Nähe zum Gymna¬
sium lagen und komfortable Wohnungen boten - das Haus in der Poststraße mit üppi¬
gem Jugendstildekor.29 Der Gedanke an das verlorene Straßburg - »schön wie im Para¬
dies« - konnte Rudolf Schwarz nach 1919 zu geradezu chauvinistischen Ausfällen
nötigen: »Eine Schande ist das mit den Franzosen.«30
Die Kindheit war nicht nur glücklich, sondern auch förderlich. Urlaubsorte der Familie
pflegte der Vater nach der Aussicht auf anregende Gesprächspartner auszusuchen. So

17
war die Erzabtei Beuron an der Donau ein Ziel, weil Hilar Schwarz sich dort mit Abt
und Patres unterhalten konnte. Mit Ildefons Herwegen, dem späteren Abt von Maria
Laach und einem Sprecher der Liturgischen Bewegung, war er befreundet. »Auch mich
verbinden liebe Erinnerungen mit den Beuronern und ihren Werken«, schrieb sein
Sohn viel später.-’1 Es gehört zu den merkwürdigen Kontinuitäten in Rudolf Schwarz’
Leben, daß er über ein halbes Jahrhundert später mit der Erweiterung der Abtei beauf¬
tragt wurde.
Auch sein Engagement für die Geschichte konnte der Vater auf den Sohn übertragen.
Der Briefwechsel zwischen dem studierenden »herzlieben Sohn« und dem »Papa« -
die Mutter redete der Sohn in späteren Jahren mit »Paulakind« an - spricht für eine
enge, ja zärtliche Beziehung. In der Korrespondenz schlägt der Vater nur einmal einen
strengeren Fon an, als Rudolf, Student im Nachkriegsberlin, von der Teilnahme an Stu¬
dentenversammlungen bei der Wahl von Arbeiter- und Soldatenräten berichtet.
Zurückhaltung in politisch unruhigen Zeiten war ebenso die Regel wie ein glaubensfe¬
stes Familienleben, Gebete und Segenswünsche für die Abwesenden, die gemeinsam
begangenen Feiertage. »Bringen wir Gott denn dies Opfer«, schreibt Elilar Schwarz,
als der Sohn zu Weihnachten 1918 sich nicht ins französisch besetzte Straßburg durch¬
schlagen kann, »mit ergebenem Herzen und in dem Vertrauen, daß wir nun bald, so
Gott will, immer zusammen sein und uns nie mehr trennen werden.«-’2 Der Wunsch
ging nicht in Erfüllung. Hilar Schwarz erlag am 13. Juni 1919 einer Grippe-Epidemie,
bevor die Familie im Zuge der Ausweisungen und Rückwanderungen nach Köln
zurückkehrte.
Aus den eigenen Worten des sonst so beredten Autors Rudolf Schwarz ist so gut wie
nichts über seine Kindheit, diese alles und jedes bestimmende Zeit im Menschenleben,
überliefert. Er hat die Epoche seiner Kindheit und Jugend für sich verwahrt. Aber ver¬
wahrt haben er und die Familie eine Fülle von Erinnerungsstücken aus der Kinderzeit:
kalendarische Tabellen, ingeniös konstruierte »Ewige Kalender«, das Manuskript eines
Römerdramas (Beiisar) nebst Kulissenverzeichnis, von den Kindern für die Familie
geschriebene »Zeitungen«, ein Lexikon »aller von uns erfundenen Spiele, herausgege¬
ben von R. M. Schwarz« im Verlag des Verfassers.
Die erhaltenen Relikte lassen auf ein Kinderparadies schließen, allerdings auch auf des¬
sen penible Verwaltung. Das Ordnungs- und Registrierbedürfnis war ausgeprägt, wenn
auch selbstironisch gebrochen. Es finden sich eine Vielzahl von Spielzeug-Inventaren,
Listen von Flotten und Soldaten (»Das Heer Rudolfs ist das größte«) und akkurate
Buchführung über die kindlichen Finanzen. Der Geldbestand der Geschwister, sorgfäl¬
tig gegliedert nach »A. Gemeinsame Kasse, 1. Großer Schatz, 2. Namenstagskasse, 3.
Reservefonds« und »B. Privatkassen, 1. Josef, 2. Rudolf, 3. Maria«, wird in »Jahrsab¬
schlüssen« vorgelegt, mit »historischer Abhandlung Anfänge des Kassenwesens«.
Für Architektur zeigte der Pennäler großes Interesse. Die Zettel und Hefte enthalten
10 Rudolf Schwarz. Blick aus dem Fenster im Grundrisse und Ansichten, wie das gemeinsame Spielzimmer unter den drei Geschwi¬
Gymnasium an St.Stephan. Aquarell. Schüler¬ stern aufzuteilen sei, und Berichte über Ausstellungen in der elterlichen Wohnung, in
arbeit aus der Obertertia. denen »Wirklichkeitspanoramen« und »kleine Ziminerchen aus Bauhölzern« zu sehen
waren. »Meistens wurde zuerst das Gebäude errichtet, welches dann nach Möglichkeit
11 Ehemaliges Bischöfliches Gymnasium an St.
eingerichtet wurde. Oft stand aber auch das Gebäude einige Monate leer da und wurde
Stephan, Straßburg.
dann abgebrochen.«” Allenfalls mit der Luftschiffahrt muß sich die Baukunst den Vor¬
zugsplatz in den Notizbüchern und Chroniken von Schwarz junior teilen. Er exzerpiert

31 Mündliche Mitteilung von Maria Schwarz. - eine Geschichte der Burgen und zeichnet in Schönschreibheften Ansichten, Grundrisse
RS. Erneuerung des Kirchenbaus? In: Die Form 5 und Schnitte elsässischer Burgen nach.
(1930) 2i-22, S. 537. Nach dem erhaltenen Konvolut an Blättern zu schließen, hat man in der Familie die
32 Hilar Schwarz an RS, 17. 11. 1918.
zeichnerischen Leistungen des Sohnes hoch eingeschätzt und sie sorgfältig aufbewahrt:
33 RS. Notizheft. 1908.
34 Straßburger Post, 2. 8. 1914. Pflanzenstudien, Ornamente, Blicke aus dem Fenster, Gegenstände. Prophetischer¬
35 RS an die Familie, 11. 11. 1917. weise befinden sich darunter Kelle und Mauerstein als Motive. Erhalten hat sich auch
36 RS. Kirchenbau. S. 45.
ein Zeugnis, das anrührend das enge Verhältnis des Heranwachsenden zur elterlichen
37 RS. Vom Bau der Kirche. Heidelberg 1947*.
S. 2. Familie belegt. Von 1914 bis 1917, zumeist in den Schul- und Semesterferien, fertigte
38 RS. Über Baukunst. In: Die Schildgenossen 4 Rudolf - angeregt durch einen Artikel in der Zeitschrift Universum - einen Baukasten
(1923/24) 3, S. 282.
mit einer »Großen Wohnung« an (Abb. 13). In bewundernswerter Ausdauer und
39 Unbekannt an RS, 10. 9. 1921.
40 RS. Der Dom. Undatiert. Typoskript (vgl. S. Detail-Liebe stellte der Primaner, entlassene Soldat und schließlich zwanzigjährige
20of.). Architekturstudent aus einem Gerüst von papierüberzogenen Röhrchen, Pappdeckeln

18
und bemaltem Papier im Maßstab 1:33'/, »das Modell des 2. Obergeschosses eines
3stöckigen Miethauses« her, übrigens dem Grundriß nach nicht identisch mit einer der
drei Straßburger Wohnungen der Familie Schwarz. Das beigegehene Inventar führt
stolz auf: 11 Böden, 34 Wände, 1 Geländer, 12 Decken, 85 Möbel, 265 kleinere Gegen¬
stände, darunter 94 Bücher! Der Grundriß ist der eines großbürgerlichen Apparte¬
ments mit Eßzimmer, Besuchszimmer und Studierzimmer an der Fassadenfront. Die
Einrichtung läßt auf neuesten Stand schließen: nicht mehr Stilmobiliar oder Art Nou¬
veau, sondern einfache Kassettierung, geometrische Dekorationsformen, starkfarbige
Tapeten oberhalb der Holztäfelung, kastenartige Möbel.
Überliefert sind auch die Schulzeugnisse: durchweg glänzend. Rudolf Schwarz hatte an
der Seite seines Brudes Josef, der eine zeitlang aus gesundheitlichen Gründen zuhause
unterrichtet werden mußte, die Anfangsgründe bereits mitbekommen und konnte in
die zweite Klasse eingeschult werden. Er besuchte das Bischöfliche Gymnasium, dem
eine Vorschule angegliedert war, zehn Jahre lang, vom Herbst 1904 bis zum 2. August
1914, dem Tag nach der deutschen Kriegserklärung an Rußland und dem Ttg vor der
Kriegserklärung an Frankreich. Der Einberufungsbefehl erging am 2. August an alle
deutschen Staatsangehörigen, die das 17. Lebensjahr vollendet und das 45. noch nicht
überschritten hatten. Die Einberufenen hatten sich mit Verpflegung für einen Tag, mit
einem Eßlöffel, einem Paar »dauerhafter Stiefel«, zwei Hemden und einer wollenen
Decke einzufinden.34
Die jungen Männer, die zum Volkssturm einberufen wurden, erhielten das »Notreife-
Abitur«, das entsprechend einem Erlaß des Elsässisch-Lothringischen Ministeriums als
vollgültiges Reifezeugnis galt. Schwarz schloß mit einem »sehr gut« ab. »Sehr gut« gab
es in allen Fächern außer dem Griechischen und der »Ausbildung zu körperlicher Kraft
und Gesundheit«, die mit »gut« bewertet wurden. Das von einem Tag zuvor, vom 12 Ruprechtsauer Allee 40 (heute: Allee de la

1. August 1914, datierte Abschlußzeugnis der Unterprima differierte in der Benotung, Robertsau), Straßburg. Die Familie Schwarz
lebte hiervon 1894 bis 1912.
da man im patriotischen Überschwang der Stunde die Schüler wohl mit den bestmög¬
lichen Prädikaten in den Krieg schicken wollte. So hatte Schwarz im Zeichnen nur ein
»recht gut«, im Reifezeugnis dagegen ein »sehr gut«. Der Siebzehnjährige hat nicht
lange Militärdienst leisten müssen. Wo Rudolf Schwarz eingesetzt wurde, warum er am
15. November bereits wieder entlassen wurde, ist nicht überliefert. Sein Musterungs¬
ausweis vom 8. Mai 1917 verzeichnet: »zeitig kriegsunbrauchbar«. Während der
Kriegsdauer mußte er aber damit rechnen, erneut eingezogen zu werden.33
Aus einer Domstadt, Köln, kam die Familie, in einer Domstadt, Straßburg, lebte sie.
13 Rudolf Schwarz. Spielzeug-Baukasten Die
Das Straßburger Münster - in dessen Kirchenvorstand der Vater saß - war eine die
große Wohnung. 1914-17. Blatt 30. Haushalts¬
Kindheit bestimmende und bleibende Erfahrung für Schwarz (Abb. 14). »Es war mir
raum.
am heiligsten, wenn fast niemand darin war, in den frühen Stunden des Morgens, wenn
das erste Licht die Fenster im Osten aufleuchten ließ, oder abends, wenn sich die Welt
in inbrünstig verglühender Rose in die Vatergüte Gottes hineinbettete. Das Münster
war leer, und Gott war spürbar darin.«36 Auch Details des Münsters blieben ihm prä¬
sent. So erinnerte er in Vom Bau der Kirche an das hochgotische Tympanon mit dem
Marientod vom südlichen Querhaus.37
Auf die Kathedrale berief Schwarz sich immer wieder. »Im Scheitelpunkt des neuen
Zeitalters steht der neue Dom.«38 Schon 1921 erhielt er eine Aufforderung, für die
Sankt Jürgen Werkküchen ein Buch Die Kathedrale zu schreiben: »Ich glaube Du kannst
es, Du hast einmal das Können, das Sehen, Gestalten und das Wort... Du kannst unser
ganzes Leben darin einfangen.«39 Wenn die Kathedrale in den Jahren des Expressionis¬
mus der Avantgarde als Chiffre für ein sozial versöhntes, Kunst und Handwerk
untrennbar vereinigendes Dasein galt, so besaß sie für Schwarz und seine Freunde
einen allumfassend-religiösen Sinn, als Gehäuse, das »den immanenten Gott« birgt,
»der allem Kleinen beiwohnt und den transzendenten Gott, der die Mengen und Mas¬
sen aufreisst«. Ein undatierter, früher Aufsatz, der bis jetzt unveröffentlicht blieb (vgl.
S. 200f.), preist den Dom in seiner »unerreichbaren Majestät« als »die Lösung aller
Fragen und die Erfüllung jedes Wunsches«.40
Die doppelte Verwurzelung in zwei dem Westen offenen Landschaften, dem Rheinland
und dem Elsaß, hat Schwarz vor jeder Provinzialität bewahrt. Vor allem das Rheinische
bedeutete für ihn Welthaltigkeit. Bei allem kräftigen Lokalkolorit hatte es einen histori¬
schen Horizont, der das Römische und Fränkische, die hochmittelalterliche Reichs-

19
Herrlichkeit, das selbstbewußt Urbane der Hanse- und Freien Reichsstadt und die Ord¬
nungsleistungen der französischen Besatzungsmacht unter Napoleon einschloß. Köln
als eine der ältesten Städte Mitteleuropas blieb ein Fixpunkt in seinem Leben. Daß zwei
andere Städte von besonderer geschichtlicher Dignität, Aachen als Residenz Karls des
Großen und Krönungsort der deutschen Könige im Mittelalter, und Frankfurt am
Main, langjähriger Wahl- und später auch Krönungsort, gleichfalls wichtige Städte in

Mg! Schwarz’ Biographie waren, möchte man als besonders sinnvollen Zufall werten. Es
paßte zu diesem abendländisch denkenden Mann. Auch daß Schwarz stets föderalistisch
dachte und seine großen Planungen als »Stadtlandschaften« oder »Städtebünde« kon¬
zipierte, gebt mit dieser lebensgeschichtlichen Prägung zusammen. Ein Bürger Straß-
burgs, Kölns, Aachens oder Frankfurts war in der Regel vor zentralistischem Denken
gefeit.

»Im Umgang mit der Geschichte«: Das Studium

Aber zunächst führte ihn der Lebensweg nach Berlin. Dank der baldigen Entlassung
aus dem Militärdienst hatte Schwarz die Möglichkeit, sich Ende des Jahres 1914 für ein
Architekturstudium an der Königlichen Technischen Hochschule in [Berlin-jCharlot-
tenburg (Abb. 16) einzuschreiben. Mitten im Krieg, in den Steckrübenwintern und bei
schlecht geheizter Hochschule, erschien ihm die Stadt als »einer der ungemütlichsten
Punkte Mitteleuropas«.41 Das Vordiplom über die Fächer Physik, Chemie, Darstel¬
lende Geometrie, Festigkeitslehre, »Elemente der Baukonstruktionslehre« und »For¬
menlehre der antiken Baukunst« schloß Schwarz am 11. Oktober 1916 ab. Die Haupt¬
prüfung fand am 7. Dezember 1918 statt, mitten in den Wirren der ersten
Nachkriegstage. Die Fächer waren Statik, Baukonstruktionslehre, Land- und Stadtbau,
Heizung und Lüftung, Baumaterialienlehre, Formenlehre, Baugeschichte und
Geschichte der Plastik und Malerei. Beide Prüfungen bestand er mit Auszeichnung.42
Der Nestor der deutschen Architekturkritik, Julius Posener, hat ein anschauliches Bild
von den Studienverhältnissen an damaligen Hochschulen und speziell an der Berliner
Hochschule gegeben.43 Posener hat 1923 zu studieren begonnen, in dem Jahr, in dem
14 Westfassade des Straßburger Münsters.
Schwarz sein Studium abschloß. Die Fächer waren noch dieselben und die Methoden
15 Aufzug der Hauptwache in Straßburg. An¬ offenbar auch. Der Betrieb lief schulmäßig. Die Studenten hatten für jedes Fach eine
sichtspostkarte. bestimmte Anzahl vorgeschriebener »Bögen« mit seit langem festgelegten Aufgaben
abzugeben. Die meisten Fächer fand Posener »schrecklich«, und am schrecklichsten
das Fach Antike.
Zwei Lehrer, mit denen es auch Schwarz zu tun hatte, schneiden halbwegs positiv ab.
Baukonstruktion hatten Schwarz wie Posener bei Albert Weiss belegt. Sie machte dem
jüngeren Posener noch am meisten Spaß. Einer der beiden Referenten von Schwarz’
Doktorarbeit war später der »Gotikprofessor« Friedrich Seeßelberg. Posener zählt ihn
zu den fortschrittlichen unter den Berliner Professoren und läßt seine Vorlesungen gel¬
ten. Er berichtet aber amüsiert, wie Seeßelberg den Querschnitt einer gotischen Kirche
41 RS an die Familie, 25. 11. 19x7.
jedem Studenten einzeln auf den Übungsbogen zeichnete, weil er ihnen dergleichen
42 Zeugnisse im Nachlaß.
43 Julius Posener. Fast so alt wie das Jahrhundert. nicht zutraute - zeitraubend und lähmend für den Unterricht.44 In künstlerischen Din¬
Berlin 1990. S. 141 ff. - Julius Posener. Zwei gen war Seeßelberg kein Reaktionär. Er wandte sich gegen die »stilistische Verlänge¬
Lehrer: Heinrich Tessenow und Hans Poelzig. In: rung einer Vergangenheitskunst«, wie sie von der Heimatschutz-Bewegung betrieben
Reinhard Rürup (Hg.). IVissenschafi und Gesell¬
schaft. Beiträge zur Geschichte der Technischen
wurde. Er plädierte dafür, aus den »geradezu ungeheuren Aufgaben« des Jahrhunderts
Universität Berlin. i8j9-1979. Bd. 1. Berlin, Konsequenzen zu ziehen und setzte sich beispielsweise - wiederum gegen die Heimat-
Heidelberg, New York 1979. S. 363 ff. schützler - für das flache Dach ein.43
44 Julius Posener. Fast so alt wie das Jahrhundert.
Bei dem Archäologen Richard Borrmann hörte Schwarz Geschichte der Baukunst.
a.a.O. S. 142 f.
45 Friedrich Seeßelberg. Das flache Dach im Hei¬ Borrmann wurde später der andere Referent seiner Dissertation. Dessen Nachfolger als
matbilde. Berlin o.J. S. 25, 15. Baugeschichtler ab 1922, Daniel Krencker, engagierte sich für die Erforschung der
46 Hiecke an RS, 17. 3. 1923. »Durch Herrn
römischen Antike im Rheinland. Schwarz hob sich Aufsätze von Krencker auf, da das
Professor Krencker höre ich, daß Sie sich für
die Arbeiten der Denkmalpflege interessie¬ Thema das seiner Dissertation berührte, und scheint auch näher mit ihm bekannt
ren.« geworden zu sein.46 Archäologie hatte an der Hochschule den Rang einer eigenen

20
i6 Friedrich Hitzig nach Entwurf von Riclun
Lucae. Hauptgebäude der Technischen Hoc!
schule Berlin-Charlottenburg. 1878-84, 104
zerstört.

historischen Disziplin und war keineswegs nur auf die Ausbildung von Architekten
bezogen.47 Von Krencker erzählt Posener, er habe die Bände Das englische Haus von
Hermann Muthesius (1904-05) in einem Bücherschrank seines Lehrstuhls verborgen
gehalten, den der Bauhistoriker den »Giftschrank« nannte48 - immer noch, und das zu
einer Zeit, wo die moderne Avantgarde diese gründliche und liebevolle Exegese des tra¬
ditionsreichen, malerischen Landhauses am liebsten schon wieder in den Giftschrank
getan hätte!
Daß Schwarz’ Ausbildung nicht eben auf die »geradezu ungeheuren Aufgaben« der
Zeit eingerichtet war, von denen Seeßelberg sprach, darauf lassen auch die Haus- und
Klausurarbeiten schließen, die Schwarz zu absolvieren hatte. Da finden sich eine go¬
tische Kirche, ein klassizistischer Saalbau, Rathäuser in Fachwerk und gotisierend
(Abb. 19, 20). Das aktuelle Thema einer Kleinhaussiedlung bildet eine Ausnahme. Für
die Staatsprüfung 1918 war es ein »Familiengasthof im Gebirge«, eine Sommerfrische
»in einem schönen Gebirgstal«, für die Prüfung zum Regierungsbaumeister 1923 als
Hausaufgabe schon wieder ein Hotel, wenn auch diesmal ein erstklassiges, sowie eine
»Wallfahrtskirche am See« - die barock ausfiel - und ein »Konzerthaus im Park«.
So negativ wie Posener hat sich Schwarz nicht über sein Studium geäußert. Es wurde 17 Vignetten aus einem Brief von Rudolf
»mehr Baugeschichte als Entwurf getrieben, eigentlich war unter unseren Lehrern kein Schwarz an die Familie. Berlin, 9. 3. 1923.
einziger wirklicher Künstler, aber es gab ausgezeichnete Historiker. So lebten wir im Schwarz hat die Promotionsprüfung bestanden:
Umgang mit der Geschichte, und das war schön, denn wir erlebten unsere Kunst als Doktorhut und die »rheinische Dorfkirche«,
einen einzigen Festzug großer Werke und Taten.« Freilich: als »Festzug«, als Fest für über die Schwarz promovierte.

die Augen wollte der junge Schwarz - so sah es der alte Schwarz - Architektur nicht
erfahren. Architektur war für ihn Raum, der den Menschen leibhaft und seelenbildend
umfaßt, die Wahrnehmung mit allen Sinnen erfordert und zugleich sozialer Raum ist,
Ort der Kommunikation - Schwarz sagt: »Kommunion«.49 Seine Studienzeit war Not¬
zeit, und da die zivile Bautätigkeit während des Krieges und danach so gut wie dar¬
niederlag, durfte er »unbesorgt über große Dinge nachdenken«.50
In Schwarz’ Doktorarbeit Frühtypen der rheinischen Landkirche51 spielen die »großen
Dinge« noch nicht hinein - jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Ihr Gegenstand ist in
Größe und Charakter außerordentlich bescheiden: die kleine nachkarolingische Kirche
im Rheinland. Schwarz untersucht ländliche Sakralbauten aus dem Gebiet um Köln, 47 Wolfram Hoepfner, Ernst-Ludwig Schwand-
bleibt also in der vertrauten Heimat der Familie. Da es ihm auch um Proportionsstu¬ ner. Archäologische Bauforschung. In: Willmuth
Arenhövel (Hg.). Berlin und die Antike. Kat.
dien geht, reicht das vorhandene Planmaterial nicht aus, so daß er in sieben Fällen neue Schloß Charlottenburg, Orangerie. Berlin
Bauaufnahmen macht. In Aufriß wie Grundriß sind es denkbar einfache, turmlose Bau¬ 1979. S. 345, 357.
werke. Im Linksrheinischen, dem früh christianisierten Landesteil, stellt er einen Typus 48 Julius Posener. Fast so alt wie das Jahrhundert.
a.a.O. S. 155.
der Saalkirche fest, den er »Zweiraum« nennt - rechteckiges Schiff und halbrunde 49 RS. Kirchenbau. S. jf.
Apsis. Als Maßverhältnis des Rechtecks konstatiert er überwiegend den Goldenen 50 ebda. S. 7.
Schnitt, oder zumindest eine Annäherung an ihn, manchmal auch das doppelte gleich¬ 51 RS. Frühtypen der rheinischen Landkirche. Dis¬
sertation der Technischen I Iochschule Berlin.
seitige Dreieck oder das Doppelquadrat. Rechtsrheinisch und erst nach der Jahrtau¬
1923. Typoskript. - Gedruckter Auszug unter
sendwende sei dagegen die Basilika die anerkannte Regel: quadratischer Saalkörper mit geändertem Titel: Frühtypen der rheinischen
halbrunder Apsis, Pfeiler zwischen Haupt- und Seitenschiff. Kleinkirche. Bonn 1927.

21
18 Rudolf Schwarz. Entwurf einer Villa. Sicht¬ Nicht die archäologisch-kunsthistorische Bewertung der Thesen interessiert hier, son¬
vermerk 15. 7. 1916. Pastell. Kunstbibliothek, dern die Frage, inwieweit der Architekt Schwarz sich in diesen Forschungen des Kunst¬
Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin.
historikers Schwarz ankündigt. Auffällig ist die Anteilnahme an einem Gegenstand, den
äußerste Disziplin, einfachste Geometrien und kristalline Form auszeichnen. Der
Zusammenhang des Mauerwerks wird bei diesen Bauten kaum durch winzig kleine
Fenster, geschweige denn durch Profile und Ornamente gestört. Was wirkt, ist die zeit¬
lose Großform dieser Kleinbauten. »Keine derselben ist spezifisch mittelalterlich, alle
lassen sich als Grundregeln des architektonischen Entwurfs in der Antike nachweisen.«
Schwarz legt Wert darauf, die untersuchten Landkirchen - vor allem die Saalkirchen -
nicht als Reduktion anderer, etwa städtischer Großbauten erscheinen zu lassen. Für ihn
sind die kleinen mauerschweren Gebilde Grundformen, in deren Proportionen »sich
eine Erinnerung an römische Bausitten erhalten« hat. Antike und Rom stehen für
Frühzeit, für Zeitentiefe, für Urbildhaftes, dessen Ausformungen unabhängig von zu¬
fälligen späteren Veränderungen zu denken sind.52 Für den werdenden Architekten
zeichnen sich in den bescheidenen Kapellen und Oratorien von Lüssem, Lövenich (bei
Zülpich) oder Rodenkirchen »tragende Gedanken... als Keim und heimlicher Antrieb«
ab. Von ihnen wird Schwarz später sagen, daß sie »über Jahrzehnte hin in meinen Bau¬
ten aufwuchsen und so mindestens für mich ihre Richtigkeit erwiesen haben.«53

52 ebda. Auszug S. 5, Typoskript S. 14. Die Ausbildungsjahre waren mit einem häufigen Wechsel der Ausbildungsstellen ver¬
53 RS. Kirchenbau. S. 5. bunden. Unmittelbar nach dem in Berlin abgelegten Diplom schrieb sich Schwarz an

22
der Bonner Universität ein und studierte im ersten Halbjahr 1919 Katholische Theo¬
logie, Geschichte und Philosophie. Die Familie - Mutter, Schwester und zeitweise der
Bruder - zog zu dieser Zeit aus dem an Frankreich zurückgegangenen Straßburg nach
Köln. Schlank, blond, Augenfarbe braun, Gesichtsform oval, notiert der Reisepaß des
Studenten Schwarz.54
Mit einer Ausbildung für den Staatsdienst setzte Schwarz die Vorbereitung auf die
Architektenlaufhahn fort, ln ihrem Rahmen praktizierte er bei zwei Kölner Baufirmen
als Bauführer. Die Prüfung als Regierungsbaumeister (Prädikat »gut«) legte er erst im
November 1923 ab, nach der Promotion am 16. März 1923 und nachdem er am 1. Mai
seine Arbeit im Potsdamer Meisteratelier Hans Poelzigs aufgenommen hatte. Zwi¬
schendurch, in der Kölner Zeit, hatte er mit Genehmigung seiner Vorgesetzten im
Hochbauamt des Preußischen Regierungspräsidiums auch noch als Gasthörer in Köln 19 Rudolf Schwarz. Entwurf eines Rathauses.
Kunstgeschichtliche Übungen bei Albert Erich Brinckmann belegt. Der Amtsarzt atte¬ 1916-17. Federzeichnung.

stierte ihm, nicht verwunderlich, Überanstrengung und befürwortete eine Verschie¬


bung des Prüfungstermins.”
Die verschiedenen Stationen seines Ausbildungsweges hat Schwarz gut genutzt, auch
wenn er später anders darüber dachte. Eine der Bauunternehmungen, zu denen er für
ein Jahr delegiert wurde, war die von Jacob Koerfer, vormals Leopold Schweitzer &
Koerfer. Koerfer (1875-1930), ein renommierter Kölner Architekt und Bauunterneh¬
mer, war ein Architekt, der seine stilistischen Entscheidungen pragmatisch traf und
einen mittleren Weg ging. Seinen jungen Mitarbeiter beschäftigte er als Bauleiter bei
Siedlungen in Köln-Sülz (Abb. 21) und -Mülheim, wo Schwarz die praktischen und
organisatorischen Seiten seines künftigen Berufs von der Eröffnung der Baustelle bis
zur schlüsselfertigen Übergabe erlernen konnte. Beide Siedlungen waren Randbebau¬
ungen, die große Höfe umschlossen.56 Ab 1920 nahmen Verwaltungs- und Geschäfts¬
bauten den wichtigsten Platz in der Arbeit des Büros ein. 1924-25 errichtete Koerfer
das Hochhaus am Kölner Hansaring, ein blockhafter, ziegelverkleideter Stahlbeton-
Skelettbau mit expressionistischen Details. Das Hansa-Hochhaus galt eine zeitlang als
das höchste Geschäftsgebäude in Europa. Den angehenden Regierungsbaumeister
setzte Koerfer nicht nur bei seinen Wohnungsbauten ein, sondern auch bei experimen¬
tellen Montagebauweisen mit Betonfertigteilen und bei Versuchen mit einer Ersatzbau¬
weise in leichtem Tuffbeton.5? Die Beherrschung des Materials Stahlbeton konnte 54 Ersatz-Reisepaß, 13.7.1919.
55 Amtsärztliches Zeugnis, 23. 5. 1923.
Schwarz hier erlernen.
56 Klemens Klemmer. Jacob Koerfer (ldq^-ig^o).
Auch ein zweiter Job seiner Referendarzeit bestand in Tätigkeiten für Siedlungspro¬ Ein Architekt zwischen Tradition und Moderne.
jekte, diesmal für den Kölner Architekten Heinrich Krings. In einem seiner Lebens¬ Beiträge zur Kunstwissenschaft 13. München
1987. Zu den Siedlungen in Sülz und Mül¬
läufe nannte Schwarz die Bauvorhaben »halbländlich«.58 Hier ging es nicht nur um
heim: S. 73 ff.
Bauleitung, sondern auch um Entwurfsarbeit, so auch für eine Kirche, für kunstgewerb¬ 57 Jacob Koerfer. Zeugnis vom 15. 9. 1921.
liche und sakrale Einrichtungsstücke. Das Zeugnis, das Schwarz ausgestellt bekam, geht 58 RS. Lebenslauf vom 6. 4. 1924.

AUSSTELLUNGSHALLE.

20 Rudolf Schwarz. Entwurf einer Ausstel¬


lungshalle. 1917-18. Lavierte Federzeichnung.

23
in der Einschätzung des Angestellten durch seinen Chef über jedes übliche Maß hinaus,
woran die Qualitäten des jungen Mannes ebenso Schuld gewesen sein dürften wie die
Tatsache, daß Baurat Krings der Familie mütterlicherseits angehörte. Dem jungen Ver¬
wandten bescheinigte er »sehr gute zeichnerisch-technische Veranlagung«, »echtes
künstlerisches Empfinden«, Drang nach wissenschaftlicher Weiterbildung, angenehme
Umgangsformen und eine »überragende Autorität« im Verkehr mit den Handwerkern
und Unternehmen.59 Schwarz war damals erst dreiundzwanzig Jahre alt.
In den Dienst des Regierungspräsidenten zurückgekehrt, wurde er mit der Vorberei¬
tung von Wiederherstellungsarbeiten an der Kölner Kartause, dem barockisierten Klo¬
ster des Einsiedlerordens, beschäftigt. Von den drei Jahren seines Ausbildungsdienstes
hatte Schwarz im nachhinein eine denkbar schlechte Meinung. Die preußischen Beam¬
ten fand er stumpfsinnig, die Zeit vergeudet. Dem »bornierten Rindvieh, das an staat¬
lichen Futterkrippen wiederkäut« wünschte der angehende Regierungsbaumeister den
baldigen verdienten Ruhestand.60
Dem »Drang nach wissenschaftlicher Weiterbildung«, den ihm Krings attestierte, ging
Schwarz nach, als er im Sommer 1922 an der Kölner Universität ein Semester lang
Kunstgeschichte hei Professor A. E. Brinckmann belegte. Brinckmann las Geschichte
der Barockbaukunst und veranstaltete Übungen »privatissime für Vorgeschrittene«.61
Er war ein auch für die Baupraxis einflußreicher Kunsthistoriker, der in seinen Unter¬
suchungen zu Platz und Monument (1908), Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit
(1911, 19212) und schließlich im Ergänzungsband Stadtbaukunst (1920) zum Handbuch
der Kunstwissenschaft der Kunstgeschichte städtebauliche Perspektiven erschlossen hatte
und Themen wie Gleichgewicht und Symmetrie, Größenverhältnisse im Stadtbild,

21 Jacob Koerfer. Wohnbebauung Marsilius- krumme oder gerade Straßenführung, einheitliche Blockfassade diskutierte. Von der
straße. Köln-Sülz. 1919 (Zustand 1996). Versuchung, Rezepte zu erteilen, hielt Brinckmann sich fern, auch wenn er gegen den
malerischen Städtebau in der Gefolgschaft Camillo Sittes polemisierte und seine Vor¬
liebe für den rechten Winkel, beruhigte zusammenhängende Straßenwände und regel¬
mäßige Platzbildungen an den urbanistischen Leistungen des 18. Jahrhunderts orien¬
tiert war. »Der rezeptive Gesichtspunkt hat für den schaffenden Architekten keine
Bedeutung; es kommt darauf an, den Zusammenhang von Ursache und Wirkung in der
59 Heinrich Krings. Zwischenzeugnis vom 22.3. Erscheinung zu verstehen.«62 Wohl aber artikulierte auch Brinckmann die Hoffnung
1921. auf eine neue bedeutende Stadtbaukunst.
60 RS an Paula Schwarz, 25. 5. 1924.
61 Vorlesungsverzeichnis der Universität Köln. Som¬
mersemester 1922. Köln 1922.
62 A. E. Brinckmann. Deutsche Stadtbaukunst in
der Vergangenheit. Reprint der 2. Auflage von
1921. Braunschweig 1985. S. 190.
63 Preußische Akademie der Künste, Akte 1135, »Hymne auf das festliche Leben«: Der Lehrer Hans Poelzig
Bl. 105. Stiftung Archiv der Akademie der
Künste, Berlin. - Die oft zu lesende Datierung
von Schwarz’ Ausbildung bei Poelzig auf
1919-23 ist falsch. Irreführend auch die Dar¬
Vom 5. Juli 1923 ist der Immatrikulationsschein datiert, mit dem die Berliner AJcademie
stellung bei Karin Becker. Rudolf Schwarz. der Künste Herrn Dr. Rudolf Schwarz die Aufnahme in das »Meisteratelier für Archi¬
1897-1961. Kirchenarchitektur. Diss. München tektur des Herrn Professors Hans Poelzig« bescheinigte. Die Immatrikulation galt auf
1979. Bielefeld 1981. S. 77 ff.
drei Jahre vom 1. April an.65 Schwarz hat davon nur für kurze Zeit Gebrauch gemacht.
64 RS. Handschriftlicher Lebenslauf, datiert auf
den 27. 3. 1923. Die Datierung offensichtlich Nach eigenen Angaben war er vom 1. Mai 1923 bis zum 1. Februar des folgenden Jah¬
unrichtig, da bereits Ereignisse des Jahres res bei Poelzig tätig.64 A.ber dieses dreiviertel Jahr hat sein Leben und Schaffen geprägt.
1924 aufgeführt werden.
»Wir lernten bei ihm, unser Herz an das Große zu wagen, es nicht an das Gemeine zu
65 RS. »...was über alle Rechnung hinaus ist«.
a.a.O. S. 46. verschwenden.«65 Das war ein großes und nicht ganz zutreffendes Wort. Denn Poelzig
66 Vgl. Matthias Schirren. Eine »Bauhütte« für hat es nicht verschmäht, auch banalere Aufgaben - Lagerhäuser, Filmkulissen - mit
Berlin - Hans Poelzig und sein Meisteratelier an
Produkten seiner Phantasie zu bedenken; und Schwarz hat es, an anderer Stelle, kriti¬
der Preußischen Akademie der Künste. In: Hans
Poelzig. Die Pläne und Zeichnungen aus dem ehe¬
siert.
maligen Verkehrs- und Baumuseum in Berlin. Hans Poelzig (1869-1936, Abb. 22), Lehrer und dann Direktor an der Breslauer Kunst-
Berlin 1989. S. 21 ff. und Kunstgewerbeschule (später: Kunstakademie) seit 1900, Dresdener Stadtbaurat von
67 RS. Lebenslauf, datiert auf den 27. 3. 1923.
1916 bis 1920, war im Mai 1920 Leiter eines Meisterateliers an der Preußischen Akade¬
Lebenslauf von 1946. Typoskripte.
68 RS an Paula Schwarz, 13. 9. 1923. mie geworden. Bis 1922 gab es dort zwei Meisterateliers für Architektur. Ursprünglich
69 Theodor Eleuß. Hans Poelzig. Das Lebensbild war in der Tradition des Historismus das eine der Baukunst des Mittelalters und der
eines deutschen Baumeisters. Stuttgart 1939,
kirchlichen Kunst gewidmet, das andere einer Architektur in der Nachfolge von Antike,
Reprint 1985. S. 48. - Michael Grüning. Der
Architekt Konrad Wachsmann. Wien 1986. S. romanischem Stil und Renaissance. Das Mittelalter-Atelier hatte Johannes Otzen gelei¬
162 ff. tet, das Parallel-Atelier Franz Schwechten. Poelzig war der Nachfolger Schwechtens,

24
während German Bestelmeyer 1916 die Nachfolge Otzens angetreten hatte und bis
1922 weiterführte. An die ursprünglichen Stilvorschriften waren beide nicht mehr
gebunden. Nach dem Weggang Bestelmeyers im Jahre 1922 wurde sein Atelier nicht
neu besetzt, Poelzigs Meisteratelier für Architektur blieb als einziges übrig.66
Poelzig unterrichtete anfangs nicht in Berlin, sondern, weil er Platz brauchte, in den
Communs, den hochpathetischen Wirtschaftsgebäuden in Potsdam-Sanssouci, die
König Friedrich II. hinter dem Neuen Palais hatte errichten lassen (Abb. 23). Dem
barocken Temperament Poelzigs war die machtvoll orchestrierte Barockarchitektur
Karl von Gontards nicht unangemessen. Poelzig betrieb sein eigenes Baubüro - das zu
Anfang der zwanziger Jahre allerdings kaum konkrete Bauaufträge hatte - in chaoti¬
scher Symbiose mit dem Meisteratelier gemeinsam. Auf seinem Briefkopf firmierten
beide: »Bau-Atelier Poelzig/Potsdam-Wildpark. Meister-Atelier für bildende Kunst an
der Akademie der Künste zu Berlin.« 1924 kam die Professur an der Technischen
Hochschule in Berlin-Charlottenburg dazu.
Über die gleichzeitigen privaten Planungen Poelzigs waren die Meisterschüler infor¬
miert oder sogar an ihnen beteiligt. Schwarz vermerkt in einem seiner Lebensläufe aus¬
drücklich, er habe als »Mitarbeiter des Professors Hans Poelzig bei dessen großen Bau¬
ten und Entwürfen« und als Meisterschüler der Kunstakademie gearbeitet. In der Zeit,
die Schwarz im Meisteratelier verbrachte, war Poelzig mit einem Verwaltungsgebäude
und einem Lagerschuppen für die Hannoveraner Firma Gebrüder Meyer, vielleicht
auch schon mit den Ladenzeilen am Berliner Zoo beschäftigt. 1923 fielen Bühnenbilder
22 Hans Poelzig.
für Don Giovanni und König Lear an. Schwarz erwähnt in seinen Lebensläufen Industrie¬
anlagen, aber auch »große Entwürfe für Bau und Lichtspiel«.6' Die expressionistische
Phase Poelzigs, mit den etwas früheren Salzburger Festspielhaus-Projekten für Max
Reinhardt als ihrem Kulminationspunkt (Abb. 26), wirkte noch nach, und sie wirkte im
Grunde in Poelzigs gesamtem späteren CEuvre nach. Für Salzburg hatte Poelzig pla¬
stisch gemodelte, gestufte und gestaffelte Baukörper vorgesehen, die dramatisch die
topographische Situation überhöhten - wahrhafte Architekturberge. Die Backsteinbau¬
ten in Hannover stehen dagegen in der Qualität weit zurück. Das Verwaltungsgebäude
ist ein kastenförmiger Bau mit vier Hauptgeschossen, der mit ausgezackten Lisenen 23 Jean Legeay, Karl von Gontard. Die Com¬
dekoriert ist, der Lagerschuppen ein schlichter Zweckbau, doch versehen mit einem muns. Potsdam. 1766-69.
abgetreppten, durch Strebepfeiler verzierten Blendgiebel.
Dazu kam die Arbeit am Filmset für die Lebenden Buddhas (Abb. 24), mit denen der 24 Hans Poelzig. Szenenbild aus dem Film
Lebende Buddhas. 1923-25.
Schauspieler Paul Wegener als sein eigener Produzent viel Geld verlor. Schwarz schil¬
dert die Arbeit an den Bauten, die in der ehemaligen Zeppelinhalle bei Staaken errich¬
tet wurden, mit unüberhörbarer Skepsis: Der »Monumentalfilm von der blutigen Göt¬
tin Kurukulla und den neun schrecklichen Gottheiten, der im wilden Tibet spielt, ist
jetzt zu Ende; Poelzigs Knirpse malen nur noch einige große Tempelfahnen.« Im übri¬
gen war wenig zu tun. Schwarz sah sogar schon den Pleitegeier über dem Neuen Palais
schweben. Er wird demnächst »auf das ganze Atelier stürzen und es abschleppen, es sei¬
nen Jungen zum entsetzlichen Fraß zu bringen.«68
Ursprünglich hatte Poelzig auch an die Errichtung handwerklicher Ateliers in Potsdam
gedacht, an keramische Werkstätten, eine Gobelin-Manufaktur, eine Modelltischlerei,
sogar an ein Filmatelier, die sich sämtlich nicht realisieren ließen.69 Die enge Nachbar¬
schaft von Lehre und Arbeit entsprach im übrigen dem Werkstatt-Gedanken, der in
den Jahren unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg verbreitet war und den pädagogi¬
schen Reformbemühungen vieler Lehrinstitute zugrunde lag. Poelzig gehörte zu seinen
Protagonisten und hatte ihn in seiner Breslauer Tätigkeit programmatisch durchge¬
setzt. Das Zusammenwirken der Handwerks- und Kunstgattungen im Gesamtkunst¬
werk Architektur vertrat er viele Jahre vor den so oft publizierten Äußerungen der Bau¬
haus-Gründer.
In den ersten drei Jahrzehnten des Jahrhunderts galt Poelzig als einer der bedeutend¬
sten Architekten Deutschlands, eine Figur von sanguinischem Temperament und bur¬
schikosem Witz, den Freuden des Lebens zugetan und offen allen Künsten gegenüber.
Er baute nicht nur, er malte auch in einem heftigen Spätimpressionismus, der bis zu
einer Art vorgezogener Aktionsmalerei reichen konnte, entwarf Bühnenausstattungen,
wäre auch gern Theaterregisseur geworden, interessierte sich für den Film und hatte
mit den Szenenbildern für Paul Wegeners dritten Golem-Film Furore gemacht. In der

25
Nachkriegszeit war es üblich, von Poelzig als einer unbeherrschten Kraftnatur zu spre¬
chen. »Ein Kerl wie Poelzig« war eine Formulierung, die auch wohlgesonnene Kritiker
wie Adolf Behne und Paul Westheim benutzten.7° Andere nahmen an dem explosiven
•WT ’-f
Äußerungsdrang Poelzigs Anstoß. Karl Scheffler, der ihm immerhin den Auftrag zum
Umbau des Zirkus Schumann in Max Reinhardts Großes Schauspielhaus verschafft
hatte, echauffierte sich über das »gewaltsame, kraftgenialisch sich gebärdende, renom¬
->
'ff\ U1 •!'.k# ,,' mierend auf den Tisch schlagende Temperament« des Meisters.71 Aber auch im Kreis
um Bruno Taut wurde Kritik an Poelzigs Kraftmeierei laut.72
Von solchen EAteilen weichen die Äußerungen derer, die ihm nahestanden, auffällig ab.
Es scheint ein anderer Poelzig gewesen zu sein, den seine Schüler erlebten. Dieser
Poelzig war tolerant, offen, stand vor jeder Aufgabe, als sei es die erste dieser Art, die er
zu lösen habe (oder verhielt sich jedenfalls so), ermutigte ohne viel Worte. Schüler wie
25 Rudolf Schwarz. Kirchenbau als Stufenberg. Heinrich Lauterbach, der Poelzig bereits in Breslau als Lehrer erlebte, oder Julius
Datiert 30. 11. 1923 (1925?). Kohle. Posener, der in den späten zwanziger Jahren zu ihm kam, berichten einhellig, wie Poel¬
zig allergisch auf Phrasen, auf routinierte Glätte und vor allem auf die Imitation seiner
26 Hans Poelzig. Skizze (Festspielhaus Salz¬
eigenen Arbeiten reagierte. Statt der großen Worte lenkte er die Aufmerksamkeit auf
burg). Um 1920-22. Bleistift. Nachlaß Poelzig,
Hamburg. das Konkrete, das lernbar war: Grundrißfragen, Konstruktionsprobleme. Er vertrat
keine Doktrin und wollte unter keinen Umständen kleine Poelzigs zu Schülern.
Tatsächlich sind höchst unterschiedliche Architekten aus seiner Schule hervorgegan¬
70 Adolf Behne. Architekten. In: Friihlicht 1 gen. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen Egon Eiermann, Helmut Hentrich, Walter
(1921/22) 2, S. 55. - P. W(estheim). Neues Segal, Friedrich Tamms oder Konrad Wachsmann ist - daß sie Poelzig-Schüler waren.7?
Bauen. In: Das Kunstblatt 4 (1920) 7, S. 223.
71 Karl Scheffler. Poelzigs Dekorationen zum Don
Das Maß an Verehrung, das diesem Mann von den Jüngeren entgegengebracht wurde,
Juan. In: Kunst und Künstler 21(1923)7, S. 221. war ungewöhnlich.
72 Wolfgang Pehnt. Die Architektur des Expressio¬ Auch Rudolf Schwarz stand unter dem Zauber, der von Poelzig als Lehrer ausging.
nismus. Stuttgart 1973. S. 16.
Trotz der nur kurzen Zeit, die er im Potsdamer Meisteratelier verbrachte, scheint sich
73 Julius Posener. Hans Poelzig. Sein Leben, sein
Werk. Braunschweig, Wiesbaden 1994. S. 7 f., ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen dem Meister und seinem promovierten
30f. und öfter anderswo. - Heinrich Lauter¬ Schüler eingestellt zu haben. Nach einem halben Jahr verspricht Poelzig seinem Mei¬
bach. Rede zur Eröffnung der Poelzig-Aus-
sterschüler, für dessen Unterhalt aufzukommen und ihn später irgendwo unterzubrin¬
stellung in Kassel, 1951. In: Julius Posener
(Hg.). Hans Poelzig. Gesammelte Schriften und gen.74 In der Beurteilung der Zeitläufte waren sich der Ältere und der Jüngere nahe,
Werke. Berlin 1970. S. 16 ff. wenn Schwarz sie auch noch pessimistischer als der eruptive Poelzig sah: »Der Krieg

26
27 Hans Poelzig. Säulen wie im Großen Schau¬
spielhaus, Berlin. Um 1919. Farbkreide. Deut¬
sches Architektur-Museum, Frankfurt am Main.

28 Rudolf Schwarz. Entwurf einer Kirche über


ovalem Grundriß. Skizze für Vom Bau der Kirche.
Heidelberg 1938.

29 Rudolf Schwarz. Säule in einem Raum. Da¬


tiert 18. 11. 1923. Aquarell. Privatbesitz, Köln.

27
hat uns arm gemacht, ärmer als wir jetzt wohl noch übersehen können«, heißt es bei
Poelzig, »Auf unseren Werken liegt etwas wie ein geheimnisvoller Fluch«, beim jungen
Schwarz. Bescheidung predigen beide - obwohl Poelzig selbst in den Projekten dieser
Jahre das Pathos der Phantastik wagt und später auch wieder an monumentale Aufga¬
ben kam. Trotzdem mahnt auch er: »Karg wird der Boden sein, auf dem wir pflanzen«,
und Schwarz empfiehlt, man möge »in unüberwindbar gutem Willen und in unbeirrba¬
rer Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ein vielleicht kleines und banales Tagewerk fortset¬
zen und ausdehnen.«”
Rudolf Schwarz erinnerte sich später an ein Gespräch mit Poelzig, in dem sie gemein¬
sam zu dem Schluß gekommen seien, »daß Bauen erst da beginne, wo man für Gott
haue.«76 Tatsächlich findet sich in den beiden Briefen Poelzigs an Schwarz, die sich
erhalten haben, eine Formulierung, die auf eine solche Unterhaltung anspielt. Kirchen¬
bau, schreibt Poelzig, der selbst nur in seiner Breslauer Zeit für die Kirche gebaut hat,
sei »eigentlich das Gebiet, für das es sich zu arbeiten wirklich lohnt«.77 Teilnehmend
erkundigt er sich im August 1927, warum das preisgekrönte Projekt für die Frankfurter
Frauenfriedenskirche, das Schwarz gemeinsam mit Dominikus Böhm verfaßt hatte,
nicht gebaut werde.78
Die pädagogische Leistung des Lehrers beurteilte Schwarz ähnlich wie andere. Auch er
ist der Überzeugung, eine eigentliche Poelzig-Schule habe es nicht gegeben und könne
es nicht gegeben haben. Poelzig wirkliches Verdienst sei es gewesen, einem jeden zu
seinen eigenen Möglichkeiten verholfen zu haben. »Er wollte seine Schüler zu nichts
bringen als zu sich selbst.« Sein Ehrgeiz war, nicht Schüler zu haben, »sondern Men¬
74 RS an Paula Schwarz, 15. 11. 1923.
75 Hans Poelzig. (Werkbundrede). Stuttgart schen zu bilden«. Ein Kriterium freilich will Schwarz in der »verbundenen Gemeinde«
1919. In: Mitteilungen des Deutschen Werkbun¬ der Schüler oder richtiger: Nicht-Schüler doch erkannt haben. Es ist ein Kriterium, das
des (1919) 4, S. 124. - RS. Die Lehre zum Tun.
niemand außer Schwarz an den Kommilitonen wahrgenommen zu haben scheint: die
Typoskript (vgl. S. 20iff.).
76 RS. »...was über alle Rechnung hinaus ist«. gemeinsame Liebe der Anhänger Poelzigs »zum Überschüssigen, zum Überflüssigen,
a.a.O. S. 46. zum Schönen und Huldreichen, zur Inbrunst und Ausbrunst des Lebens,...zu dem, was
77 Hans Poelzig an RS, 6. 7. 1927.
über alle Rechnung hinaus ist.«”
78 Hans Poelzig an RS, 22. 8. 1927.
79 RS. »...was über alle Rechnung hinaus ist«. An diesem Punkt beginnt Schwarz’ Schilderung des Lehrers einem Selbstporträt zu
a.a.O. S. 46 h gleichen: Poelzig träumte den Traum von der Architektur als einer freien Kunst und

28
dem Architekten als ihrem freien Meister. Diesem Traum vom Großen Bau, der »nie
durch irgendeine listige Berechnung hervorgebracht wird«, ging Poelzig in einer Epo¬
che dürrer Nützlichkeit und kargen Zweckdenkens nach. »1 lymnen auf das festliche
Leben« gelingen nur dort, wo der Künstler »sich eins weiß mit dem in der Volksge¬
meinde wesenden, aus ihr mächtig aufstrebenden, nur noch Gott verantwortlichen und
Gott gehorsamen Volksgeist«.80 Aber der Glaube an die Regenerationskraft des
»Volkes«, der die Revolutionäre - und auch die Kunstrevolutionäre - von 1918 beseelt
hatte, war diesem Autor bereits abhanden gekommen. Man muß an Paul Klees Wort
vom Künstler denken, den kein Volk trägt, ausgesprochen im Jahre 1924.
Für Schwarz war Poelzig deshalb eine tragische Figur, der »die großen Baugedanken als
"Vision von Formen und Farben eines leuchtenden Lebens« in kleiner Zeit zu Papier
brachte. Poelzig nahm die Züge des hybriden Baumeisters an, eines Meister Gerhardus,
der im Kölner Dom vor dem Teufel in die l iefe springt, oder eines Baumeisters Soln-
ess, der in Henrik Ibsens Stück vom Turm stürzt. »Wir sahen in ihm das verehrte Vor¬
bild des großen Meisters, der übermenschliche Türme ersinnt, um die das Unheimliche
kreist. Wir erlebten in ihm das Baumeister-Schicksal, sich ins Riesenhafte zu erheben,
den Absturz von dem überhöhten Gerüste zu wagen und auch den Einsturz der über
alles Maß getriebenen Form oder auch der Verstiegenheit in Welten, die groß und
strahlend und kalt sind wie das Weltall, und den einsamen Tod darin.«81
Im bürgerlichen Sinne sei Poelzig - immerhin Inhaber eines der großen deutschen Ent¬
wurfsbüros in den ersten drei Jahrzehnten des Jahrhunderts! - ein erfolgloser Mann
gewesen. Denn: »Was sind diese wenigen Zeugen seines Talents, mißt man sie an dem
ungeheuren Ansatz, wie tief steht meistens ihr Anlaß und ihr Thema unter dem, was er
wirklich gemeint hat«. Die Inkonsistenzen in Poelzigs Werk hat Schwarz natürlich
nicht übersehen. Er erklärt sie sich mit der Diskrepanz zwischen dem großen Wollen
und der Ungunst der Zeiten. Daher Poelzigs Engagement für andere, im Falle des
Films auch populäre Medien, auch seine Neigung, »bescheidenen Bauten etwas hinzu¬
zutun, was sie von sich aus nicht hergaben«.82 Der Hannoveraner Auftrag, der in
Schwarz’ Zeit bei Poelzig in Arbeit gewesen sein muß, war ein Beispiel für solche Uber¬
inszenierungen schlichter Aufgaben.
Poelzigs eigentliche Bedeutung als Lehrer bestand für Schwarz darin, daß er die jungen
Leute seiner Umgebung an einer Vision teilnehmen ließ, ohne sie ihnen aufzuzwingen,
ja ohne sie selbst realisieren zu können. Es kennzeichnet Schwarz, daß er Poelzigs
Scheitern zwischen dem Wagnis und der Versagung der »großen Form« zum Kern
eines pädagogischen Programms macht: »Unendlich schwierig aber ist die wirkliche
pädagogische Aufgabe, jeden zu sich selbst zu erschließen, daß er echt wird, die große
Form ihm von ferne zu zeigen, damit er an ihr Dasein glaubt, und sie ihm zugleich vor¬
zuenthalten, wenn er zur Bescheidenheit berufen ist.«83

»Einfälle aus einer anderen Welt«: Zeichnungen

Von Rudolf Schwarz sind eine Reihe von Zeichnungen und Aquarellen überliefert, die
ihn auf seiner eigenen Suche nach der »großen Form« zeigen. Auch die undatierten
dürften im Poelzig-Jahr entstanden sein. Einen besonders produktiven Schub brachten
die Wochen zwischen Mitte November und Anfang Dezember 1923. Auf den 18. 11.
1923 ist ein Aquarell datiert,84 das in einem lunettenartigen Format eine zentrale Säule
zeigt (Abb. 29). Sie steigt wie ein Fontänenstrahl auf und geht in einem Kranz von Stüt¬
zen nieder. Von Poelzig gibt es ähnliche Stützen im Berliner Großen Schauspielhaus,
das er 1919 für den Theaterimperator Max Reinhardt in die ruinöse Flülle des Zirkus
Schumann gezaubert hatte. In der zeichnerischen Variation erscheinen sie noch luftiger 80 ebda. S. 45 f.
und schwereloser als bei Schwarz (Abb. 27). 81 ebda. S. 45 f.
82 ebda. S. 45 b
Fünfzehn Jahre später veröffentlichte Schwarz die Planfigur eines Kirchenbaus über
83 RS. [Brief an Hans Poelzig]. Zit. nach: Bau¬
einem Eirund (Abb. 28), die er vor Jahren gemacht habe. Aus dem zentralen Altar sollte kunst und Werkfornt (1948) 2, S. 73.
wie ein Springbrunnen eine Säule aufsteigen und sich als Gewölbe ausbreiten. Schwarz 84 Datierung mit Bleistift auf dem Karton.

29
85 RS. Vom Bau der Kirche. S. 39 f. dachte an indirektes Licht, das von der Säule aus in den Gewölbescheitel oder zur Peri¬
86 RS. »...was über alle Rechnung hinaus ist«. pherie hätte wandern können. »Man hätte den Raum mit Hilfe des Lichts gewisser¬
a.a.O. S. 45.
maßen immer aufs neue aus dem Nichts erschaffen und mit der Handlung zusammen
87 Walter .Ylüller-Wulckow. Zukünftige Architek¬
tur. In: Das Hohe Ufer 1 (1919) 3, S. 35. auf- und abschwellen lassen können.«85 Ein zweites Aquarell, auf eine Woche später
datiert als der Springbrunnen (Abb. 299), begeistert sich am Aufstieg gotisierend steiler
Schwibbögen, jede Reihe noch übertrumpft von der nächsten. Sogar das Format des
Blattes folgt dem Spitzbogen.
Daß Poelzigs Zeichnungen Schwarz stark beeindruckt haben, ist seinen Texten zum
Werk des Meisters zu entnehmen. In ihnen hat er eine schöne Metapher für die Rolle
der frei improvisierenden Zeichnung gefunden: »Wir sahen die ersten taufrischen Skiz¬
zen, in denen die frühen Baugedanken als lichte und zarte Einfälle aus einer anderen
Welt aufblühen, vergleichbar den Genien, in denen die Antike den Sieg darzustellen
pflegte, die nur mit der Spitze des Fußes den Boden betreten, bereit unter den Men¬
schen häuslich zu werden, doch auch bereit, die gewaltigen Flügel zu regen und wieder
zu entfliegen, wenn sie keine Herberge fänden. Wir sehen dann, wie diese scheuen
Geschöpfe sich allmählich in irdische Stoffe einleben und erdenschwer werden, bis sie
zu Entwürfen siegreicher Menschenhäuser gedeihen, aber wir sehen auch ihren leidvol¬
len Weg, denn selten nur fanden sie Heimstatt in willigen Herzen und die meisten ver¬
welkten zu früh«.86
Wie Poelzig war auch Schwarz vom Baugedanken des Stufenbergs fasziniert. Poelzig
hat ihn immer wieder variiert, beim Projekt des Hauses der Freundschaft in Istanbul
(1916), bei den Salzburger Festspielhausprojekten (Abb. 26, 1920-22) und noch bei den
späten »Schauburgen« (1932). Architektur sei »Türmen, Gipfeln, Wölben von Massen
aus dem Erdinnern«, schrieb Walter Müller-Wulckow 19 ip.8? Aber der Stufenberg ist
nicht nur mit dem Terrestrischen als seiner Herkunft verbunden, sondern ebenso mit

30
32 Rudolf Schwarz. Zeichnung. L in 19; :
Bleistift. Privatbesitz, Köln.

33 Rudolf Schwarz. Ohne Titel. Ende i<)>


Aquarell und Bleistift. Privatbesitz, Köln.

Licht und Himmel, denen er entgegenwächst. Schwarz geht der Idee in einer frühen
Pastellzeichnung (Abb. 31) nach. Gestaffelte Bausilhouetten jagen in die Höhe und las¬
sen links und rechts Bauwerke zurück, deren fialenbesetzte Giebel sie als Sakralbauten
ausweisen. Der Baugedanke des Stufenherges steckt auch in einer Baugruppe von
kathedralartigen Ausmaßen (Abb. 25), deren vielfach gestufte Hauptmasse von höheren
und niedrigeren, ebenfalls gestaffelten Turmzylindern umstanden ist. Die beiden
großen, eindrucksvoll mit Lichtern und Schatten modellierenden Kohleskizzen im
Schwarz-Nachlaß und in der Berliner Kunstbibliothek fixieren ein mentales Bild, das
sich in dem gemeinsam mit Dominikus Böhm entworfenen Projekt einer Kirche
für eine größere Siedlung wiederfindet (vgl. S. 50). In der Darstellungsweise wendet
Schwarz eine breitflächige, Poelzig-Böhmsche Manier an, die er in seinem späteren
Werk nicht mehr benutzt.
Der Stufenberg ging in das bleibende Bilderrepertoire ein, mit dem und aus dem
Rudolf Schwarz lebte. Die Treppenaufgänge von Burg Rothenfels und im ehemaligen
Wallraf-Richartz Museum in Köln bezeugen es ebenso wie noch die späten Kirchen¬
bauten, St. Bonifatius in Aachen-Forst (1959-64) oder, besonders eindrucksvoll, das
Projekt für die Gedächtniskirche in Berlin-Plötzensee (1958). »In seinen stolzesten
Werken aber wird ihm [dem Menschen] der Stufenberg zum zwecklos selbstherrlichen
Weltbild, dem höchsten, das er ersann, kreppe und Turm, der ja nur ihr Teil ist, werden
ihm Sinnbild für den Aufstieg des Geistes aus den Niederungen über immer kargere
Böden in die einsamen Gipfel, die schon beinahe ganz dem andern Bereich gehören, 88 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 36T
kaum mehr etwas mit der Erde und ihrem zärtlichen Leben zu tun haben.«88 89 Die Schildgenossen 4 (1923/24) 5, S. 364. —
Dazu Romano Guardini an RS: »Was machen
Fünf Aquarelle des jungen Schwarz, Introitus, Gloria - Gloria in doppelter Ausführung
Altar und >Gloria<?« (20. 2. 1924) und: »Sei
(Abb. 39, 41) -, Kyrie eleison und Sanktus (Abb. 37-40) sowie ein weiteres unbenanntes, doch so gut und sorge dafür, daß der Verlag
weniger ausgeführt wirkendes Aquarell (Abb. 33), gehören eng zusammen. Gloria umgebend als eingeschriebene gut verpackte
Sendung in der Rolle das >Gloria< schickt.«
wurde im fünften Heft der Zeitschrift Die Schildgenossen, Jahrgang 1923/24, (in der
(22. 11. 1924).
mutmaßlich zweiten Fassung) publiziert, mit dem Hinweis, das Blatt sei das erste einer Die vier betitelten Blätter sind aus dem Nach¬
Das hohe Amt benannten Reihe und sei unter dem Eindruck einer Aufführung von laß Romano Guardinis in die Graphische
Beethovens Missa solemnis entstanden.89 Schwarz verband mit den Blättern bestimmte Sammlung der Stuttgarter Staatsgalerie ge¬
langt. Zwei davon, Gloria und Kyrie eleison,
Hoffnungen - ganz abgesehen von seinem Wunsch, sie in einer Mappe zu veröffentli¬
sind auf den 2. 12. 1923 datiert. Eine andere
chen, »welche den Rhythmus des Hochamts, bzw. der Liturgie in Raumrhythmus über¬ Fassung von Gloria hat sich im Nachlaß
setzt. Der Gedanke hierbei ist neu: Das liturgische Werk soll zum Gesamtkunstwerk Schwarz erhalten. Möglicherweise ist dieses
Blatt später entstanden. Es zeigt eine weniger
gestaltet werden, dem nicht nur der Aufbau der Handlung und Musik, sondern auch die
heftige, weniger suchende Bleistift-Vorzeich¬
Schwingungen des architektonischen Raumes folgen.« Daß solche Bildvisionen nicht - nung als das Stuttgarter. Die Kristalle am un¬
Schwarz schreibt: »noch nicht« - praktisch umzusetzen waren, weil »die konstruktiven teren Bildrand sind jetzt in ihrer Körperlich¬
keit geklärt.
Hilfsmittel der Baukunst noch unentwickelt sind«, wußte er.90
90 RS [an die Redaktion der Schildgenossen]. Er¬
Musik als Stimulans spielte auch bei den Skizzen anderer Architektur-Expressionisten läuterung zur beiliegenden Farbskizze (= Glo¬
wie Erich Mendelsohn eine große Rolle. Schwarz’ Aquarelle zu Beethovens Missa kön- ria}). 17. 2. 1924.

31
nen sich mit den großartigsten Blättern des deutschen Architektur-Expressionismus
messen, »lichte Einfälle aus einer anderen Welt« auch sie. Bei Schwarz sind es konzen¬
trische Ringe - rotierende Scheiben? Strebebögen? Regenbögen? Gewölbefolgen?
die in ihrer Wiederholung den Blick in tunnelartige Tiefen zwingen. Im Introitus sind
sie symmetrisch angeordnet. In Sanktus bestimmen rundbogige Portalformen fast aus¬
schließlich das Bild. In Kyrie eleison entwickeln sie sich als Serien von Strebebögen vor
einem Feld steiler Rechteckflächen. In Gloria, dem schönsten Blatt, verbinden sie sich
mit einer Geröllhalde von Kristallen und, im Mittelgrund, mit Hügelrücken, deren
einer von roten Polygonen besetzt ist, als habe dort Bruno Taut eine ganze Serie seiner
Kristallhäuser abgesetzt. Die Stimmung ist uranfänglich. Der Schöpfer läßt unter dem
Kreisen der Gestirne seine Welt entstehen. Suggestiver haben auch Wenzel Hablik,
Max Taut oder Hans Scharoun ihre kristallinen Visionen nicht aufs Papier geworfen.
Eine andere Serie, sechs Bleistiftzeichnungen und eine Federzeichnung, dazu ein Blatt,
das mehrere dieser Skizzen auf einer Seite wiedergibt (Abb. 34), übersetzen Erinnerun¬
gen an gotische Domfassaden in stürmische Skizzen. Sakrale Baulichkeiten scheinen
sich aus der Verdichtung von Protuberanzen zu materialisieren. Manche Eingangsspal¬
ten in diesen Geflechten von Baugliedern nehmen geradezu vaginale Formen an. Eines
der Blätter deutet eine Schriftzeile an, aus der das Wort »genossen« lesbar ist (Abb. 54).
Es läßt sich vermuten, daß diese Arbeiten Titelblattentwürfe für die Zeitschrift Die
Schildgenossen waren, an denen Schwarz seit 1924 mitarbeitete.91 Zwei kleine Bleistift¬
skizzen, die eine für das eigene Ex libris gedacht (Abb. 30), versammeln im Miniatur¬
format den ganzen Reichtum einer in Quadern und Kuben aufgetürmten Architektur¬
landschaft.
Als Überraschung kommt danach die Federzeichnung, die einen teils von Tür und Fen¬
stern durchbrochenen, hochgetürmten Quaderbau zeigt (Abb. 36). Wie von einem
34 Rudolf Schwarz. Titelblattentwürfe für
Spinnweb ist er von Baugerüsten, Kränen, Aufzügen und Rutschen überzogen. Die Er¬
Die Schildgenossen. 1924. Kohle. Kunstbiblio¬
thek, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin.
läuterung in Schwarz’ Handschrift verheißt einen babylonischen Bau, so kühn und
verwegen, wie nur je einer der von den Expressionisten imaginierten Stadtkronen und
-gipfel. »Man baut hier eine neue Kirche, deren Turm 1428 Meter hoch wird. Die
Eisenkonstruktionen werden nicht verkleidet, sondern farbig angestrichen und zum
Teil mit buntem Glas ausgefüllt. Dasselbe Verfahren will man bei den Baukrahnen [sic]
nach Fertigstellung der Arbeiten anwenden. Die Krahnen dienen dann als Glockenträ¬
ger.« Die Beschreibung könnte bei Paul Scheerbart stehen, dem literarischen Ahnvater
der expressionistischen Generation.92 Schwarz hat sich später auch solche Ideen
zunutze gemacht. 1956 ließ er auf dem Kölner Katholikentag eine gewaltige Dornen¬
krone unter drei riesigen Baukränen schweben (Abb. 35) - ein weiteres Beispiel für die
Kontinuität seines Denkens.
Wie weit Rudolf Schwarz Hervorbringungen der expressionistischen Architektur-Uto¬
pisten wahrgenommen hat, ob er die Ausstellungen des Berliner Arbeitsrats für Kunst
91 Wahrscheinlich bezieht sich eine Frage des
Mitherausgebers Romano Guardini auf diese
aus den Jahren 1919 und 1920 gesehen hat,93 ob er damals die Bilderalben Bruno Tauts
Blätter: »Deine Vorschläge für die Bilder zu und dessen Zeitschrift Frühlicht in der Hand gehabt hat, ist nicht bekannt. Im Geiste
den Schildgenossen haben mir sehr einge¬ war er ihnen nahe. Die frühen Schriften von Schwarz skizzieren eine Geschichtsvorstel¬
leuchtet. Möchtest Du nicht einmal einige
lung, die in den Grundzügen mit den Auffassungen der älteren Kollegen vom Berliner
ganz konkrete Vorschläge dafür ausarbeiten?
Das müßte ganz starke Sachen geben.« (Ro¬ Arbeitsrat für Kunst zusammengeht. Bruno Taut wie Walter Gropius sahen wahre Bau¬
mano Guardini an RS, 15. 10. 1924). kunst nur in einer weit zurückliegenden Vergangenheit verwirklicht. Beide ahnten, wie
92 Vgl. Wolfgang Pehnt. Paid Scheerbart, ein
fern die erhoffte glückliche Zukunft sei, die Versöhnung von Kunst und Volk, von Geist
Dichter der Architekten. In: Paul Scheerbart.
Glasarchitektur. München 1971. S. 139ff- - und Zeit.
Rosemarie Haag-Bletter. Paul Scheerbart's ar- Auch Schwarz beschreibt die eigene Weltepoche als Krisenzeit, »ödes Land und hun¬
chitectural fantasies. In: Journal of the Society of gerndes Volk«. Der Zustand und seine Ursachen werden nicht zeitgeschichtlich analy¬
Architectural Historians. 34(1975) 2, S. 83 ff.
93 In einem postum veröffentlichten Text bezieht
siert, sondern als Verhängnis und Schicksal mythologisiert. Ein geheimnisvoller Fluch
sich Schwarz auf Vorstellungen von der Stadt geht zurück »bis in eine Zeit, als es uns gut ging und nur einige den Verfall ahnten«.
der Zukunft, die im »kurzlebigen >Arbeitsrat »Alle diese Verwirrungen (sind) nur Folgen... von traurigen Irrtümern des menschli¬
für Kunst«< gehegt worden seien. In: Maria
chen Herzens, schlimmen Blendungen des menschlichen Denkens.«94 Auch Schwarz
Schwarz, Ulrich Conrads (Hg.). Rudolf Schwarz.
Wegweisung der Technik. a.a.O. S. 85. setzt auf eine Wende, eine conversio. »Die Zeit ist voll von einer heimlichen Fülle... Sie
94 RS. Die Lehre zum Tun. Typoskript (vgl. S. will die Baukunst und ihre Hoffnung wölbt schon die goldene Kuppel eines Domes.«95
201 ff.).
Aber deutlicher als die Utopisten von 1918-20 schlägt Schwarz eine Konzentration auf
95 RS. Über Baukunst. In: Die Schildgenossen 4
(1924) 3, S. 284. die kleinen, notwendigen Schritte vor, auf das, was »jetzt gleich getan werden muß«. Er
96 RS. Die Lehre zum Tun. a.a.O. will »gewissermaßen kleine Herde der Gesundung gründen, kleine, aber feste Halte

32
schaffen«, eine solide Mauer Hochziehen, ein »gut gewachsenes 1 laus« bauen, klar
geformtes Gerät erschaffen. Seine Lehre zum Tun rät von den »leeren Proklamationen«
und den »dilettantischen Rettungsversuchen« ab und warnt vor den Idealisten und
Theoretikern.Seine Absage an die pathetischen Programme ist deutlich - charakteri¬
stisch für den mutmaßlichen Zeitpunkt dieses Statements, die frühen zwanziger Jahre,
doch auch für die Position von Schwarz.

35 Rudolf Schwarz. Dornenkrone über der Sta¬


dionwiese auf dem Kölner Katholikentag 1956.

36 Rudolf Schwarz. Kirche mit 1428 Meter ho¬


hem Turm. Um 1924-25. Federzeichnung. Pri-
vatbesitz, Köln.

33
41 Rudolf Schwarz. Gloria. Ende 1923.
Aquarell, Bleistift. Privatbesitz, Köln.

37 Rudolf Schwarz. Introitus. Ende 1923. 38 Rudolf Schwarz. Kyrie eleison. Datiert 2.12.
Aquarell, Bleistift. Staatsgalerie Stuttgart. 1923. Aquarell, Bleistift. Staatsgalerie Stuttgart.

39 Rudolf Schwarz. Gloria. Datiert 2. 12. 1923. 40 Rudolf Schwarz. Sanktus. Ende 1923. Aqua¬
Aquarell, Bleistift. Staatsgalerie Stuttgart. rell, Bleistift. Staatsgalerie Stuttgart.

34
-Zf
»Fülle der Armut«: Burgbaumeister auf Rothenfels

Der berufliche Anfang war schwer. 1924, kurz nach der Umstellung der Papiermark auf
die Rentenmark und dem Ende der Inflation, aber hei einer vorerst rigorosen Steuerpo¬
litik der Regierung, wirkte sich die zaghaft beginnende wirtschaftliche Erholung noch
nicht aus. Daß die Absolventen der Staatsprüfung - darunter Schwarz - nicht in den
Staatsdienst übernommen werden würden, war ihnen von Anfang an mitgeteilt worden.
Für einen Monat arbeitete Schwarz in Berlin bei Georg Steinmetz, dem Autor eines
vielbenutzten dreibändigen Lehrbuchs Grundlagen für das Bauen in Stadt und Land. Er
war dort mit einem Entwurf für ein Regierungsgebäude in Stettin beschäftigt.97 Vergeb¬
lich bewarb er sich für ausgeschriebene Stellen als Kreisbaudirektor in Ahrweiler und
im Stadterweiterungsbüro der Stadt Köln.
Einen Einblick in seine architektonischen Interessen dieser Jahre gibt ein Antrag auf
ein Reisestipendium des preußischen Kultusministeriums, das ihm 1919 zugesprochen
worden war. Schwarz hatte es damals wegen Arbeitsbelastung nicht angetreten und
wollte es nun in Anspruch nehmen. Er schlug vor, in Südtirol Baudenkmäler zu besich¬
tigen und vor allem die »bodenständigen Kleinbauten der Landbevölkerung« zu
berücksichtigen. »Dabei ist der Anteil deutscher Baugedanken an der Architektur des
Landes festzustellen.« Hätte er bei diesem Projekt die Erforschung anonymer Land¬
architektur fortgesetzt, die ihn in seiner Dissertation beschäftigt hatte, so wäre eine
alternative Reiseroute der Gegenwart gewidmet gewesen. Er wollte sich mit der »Stadt¬
architektur von Amsterdam und Rotterdam« auseinandersetzen und mit den Bau¬
42 A. W. Neu. Stadt und Burg Rothenfels. An¬
künstlern Kontakt aufnehmen, außerdem auch »vorwiegend gotische Backsteinbauten«
sichtspostkarte.
studieren, »soweit sie heute noch aktuelle Bedeutung haben«.98 Die Polarität der
expressionistischen Amsterdamer Schule und der von Stijl und Neuer Sachlichkeit
97 Schwarz arbeitete auch nach dem vertraglich
vereinbarten Monat bei Steinmetz und fer¬ geprägten Rotterdamer Architektur war ein Thema, das in der zeitgenössischen Publi¬
tigte das Modell für das Stettiner Gebäude an. zistik oft diskutiert wurde. Das Ministerium lehnte beide Vorschläge ab und fand ver¬
RS an die Familie, 25. 5. 1924. Auf Steinmetz’ ständlicherweise, der junge Mann habe - sechs Jahre nach Gewähr des Stipendiums -
Untersuchungen zur regionalen Architektur
Ostpreußens, die den Wiederaufbau Ost¬
die Frist überzogen. Schwarz ließ sich nicht entmutigen und machte sich im späteren
preußens nach dem Ersten Weltkrieg vorbe¬ Frühjahr 1924 auf die Reise nach Italien und Griechenland."
reiten halfen, besann sich Schwarz, als er in Im Sommer des Jahres 1924 wurde Schwarz zum Burgarchitekten von Burg Rothenfels
Lothringen in ähnlicher Lage war (RS an den
(Abb. 42, 43) bestellt. Rothenfels am Main, eine Höhenburg auf einem Buntsand¬
leitenden Architekten im Landratsamt des
Kreises Salzburgen, 27. 9. 1941). steinfelsen westlich von Würzburg, war unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, am
98 RS. Gesuch des Regierungsbaumeisters a.D. 21. Februar 1919, vom Verein der Quickbornfreunde e.V. gekauft worden.100 »Quick¬
Dr.Ing. Rudolf Schwarz aus Köln um Über¬
born«, die lebendige Quelle, hieß die katholische Jugendbewegung, deren erste Gruppe
weisung eines Reisestipendiums. 27. 5. 1925.
99 Guardini lieh ihm das Reisegeld (Mitteilung schlesischer Gymnasiasten 1909 gegründet wurde. Der Name ging auf eine Liedsamm¬
von Maria Schwarz). lung Klaus Johann Groths zurück - eine ähnlich inspirierte Wortfindung wie »Wander¬
100 Vorbesitzer war Fürst Alois zu Löwenstein. vogel«, der Name des 1901 gegründeten deutschen Jugendbundes. Wie andere deut¬
Die kaum noch bewohnbare Burg, deren älte¬
ste Teile auf das 12. Jahrhundert zurückgehen,
sche Jugendvereinigungen auch hatten die Quickborner einen Treffpunkt in der Mitte
galt als unrentable Immobilie und wurde für Deutschlands gesucht. Die eindrucksvolle Wehranlage mit Haupt- und Vorburg, Palas
70 000 Reichsmark abgegeben. und Bergfried, prächtigen staufischen Buckelquadern und freundlich barockem Amts¬
101 Romano Guardini. Parzival. In: Heinrich
gebäude, Ringmauer und Halsgraben, Wiesen und Gartenland befriedigte ihren Drang
Bachmann, Ludwig Neundörfer (Hg.). Der
neue Anfang. Vierter Deutscher Quickborntag nach Naturnähe, Mittelalter-Romantik und dem einfachen, selbstbestimmten Leben.
1922. Burg Rothenfels 1922. S. 17L - vgl. Off wurde Rothenfels, der in den Tagen des Expressionismus noch virulenten Gralsmo-
Hanna-Barbara Gerl. Romano Guardini. 1883-
tivik entsprechend, als Gralsburg beschworen. »Brüder und Schwestern! Quickborns
1968. Leben und Werk. Mainz 19852. S. 164ff.
102 Vgl. Felix Messerschmidt. Katholische Jugend¬ Seele ist Parzival!«101
bewegung. In: Werner Kindt (Flg.). Grund¬ Mit anderen Jugendbewegungen teilte der Quickborn das Ziel einer moralischen
schriften der deutschen Jugendbewegung. 3. Die Erneuerung, die sich gegen die Übel der zeitgenössischen Zivilisation wendete.10- Zum
deutsche Jugendbewegung 1920-1933. Düssel¬
dorf, Köln 1974. - Godehard Ruppert. Burg
Tugendkatalog der Bewegung, die von der Amtskirche anfangs mit großem Mißtrauen
Rothenfels. Ein Beitrag zur Geschichte der Ju¬ beobachtet wurde, gehörten neben Tapferkeit, Ritterlichkeit, Treue und Anmut auch
gendbewegung und ihres Einflusses auf die katho¬ Gehorsam und Abstinenz von den Versuchungen der Epoche - Alkohol und Nikotin
lische Kirche. Rothenfelser Schriften 3. Rothen¬
vor allem. »Selbstzucht, Selbstbeherrschung, Selbsterziehung«, gab Hermann Hoff¬
fels 1979. - Johannes Binkowski. Jugend als
Wegbereiter. Der Quickborn von 1909 bis 1943. mann, ein Gründervater des Quickborn, dem Bund auf den Weg.103 In den ersten Jah¬
Stuttgart, Aalen 1981. ren hatte sich ein germanisierendes Ritual eingespielt. Man begrüßte sich mit Heil-
103 Hermann Floffmann. Ein Schlußwort. In: Her¬
Rufen, schrieb die Monatsnamen mit »germanischen« Bezeichnungen (»Hornung«,
mann Hoffmann (Hg.). Wehender Geist. Der
zweite deutsche Quickborntag. Rothenfels 1920. »Lenzing«) und veranstaltete Thing-Treffen im Halsgraben. Die Anredeform war
S. 120. nicht »Du«, sondern das antiquierte »Ihr«.

36
Dem Gemeinschaftsgefühl entsprach die Rolle der Führerfiguren, die sich freilich den
Gruppen gegenüber zu verantworten und zur Wahl zu stellen hatten. In der
Beschwörung charismatischer Eigenschaften scheint schon der spätere Mißbrauch von
Führertum und Gefolgschaftstreue anderswo angelegt: »Unser Innerstes verlangt nach
hührung, um seinen Weg nicht zu verfehlen und unterliegt tatsächlich ständig der
Beeinflussung von außen. Unsere Freiheit besteht vielmehr nur darin, die tatsächlich
Führenden herauszustellen und anzuerkennen.«10* Den Quickborn und seine Untergliede¬
rungen zeichnete ein ausgeprägtes und hierarchisches Ordnungsgefüge aus. Die Mit¬
gliederschaft rekrutierte sich großenteils aus dem akademisch gebildeten und katholisch
geprägten Bürgertum,105 auch wenn die Bewegung sich wie die anderen Jugendbünde
gegen die saturierte Bourgeoisie formiert hatte. Der katholischen Kirche fühlte sie sich EZ3 «l g£3 »

fest verbunden. »Wir anerkennen feste Ordnung und eiserne Manneszucht als Hilfs¬ 43 Burg Rothenfels. Lageplan. A Alte Ring¬
mittel und Stütze der inneren sittlichen Freiheit, die wir uns erkämpfen wollen... Reli¬ mauer, B Schildmauer, C Runder Turm, D
gion ist uns eine heilige Pflicht und unentbehrliche Quelle unserer Kraft.«106 Turm an der Südecke, E Bergfried, F Westpalas,
Zur Quickborn-Tagung 1919 kamen bereits sechshundert Jungen und Mädchen, zur G Südflügel, H Ostpalas, I Ostturm, K Inneres
Burgtor, a nördlicher Zugang, b Äußeres Burg¬
zweiten Tagung 1920 eintausendfünfhundert. Leiter von Burg Rothenfels wurde der
tor, c Wirtschaftsbauten, d Amtshaus. Nach:
Quickborn-Mitbegründer Bernhard Strehler, ein schlesischer Priester und Pädagoge.
Winfried Mogge. Burg Rothenfels am Main. In:
Eine kleine Gruppe von Quickbornern lebte ständig auf der Burg und suchte sich in Burgen und Schlösser 14 (1973) 1, S. 42.
den ersten Jahren mit Verlag, Früchteverwertung und »Zeugamt«, einer Verkaufsstelle
für Wanderbedarf, wirtschaftlich über Wasser zu halten. Es wurden nicht nur die
Quickborn-Tage veranstaltet und die hohen kirchlichen Feiertage festlich begangen,
sondern ab 1922 auch »Werkwochen« organisiert. Auch sie waren in ein liturgisches
Programm eingebettet. »Da soll wieder ein Bild vom wesenhaften Menschen erstehen,
der ist, wie Gott ihn gedacht hat, und vom Volk, das wirklich Volk ist und nicht
Masse.«107
Zu Ostern 1920 besuchte ein Mann die Burg, der für Rudolf Schwarz wie für viele
andere zu einer entscheidenden Lebensbegegnung wurde, Romano Guardini (1885 —
1968, Abb. 53). Guardinis Verständnis der Kirche als Gemeinschaft, seine Deutung der
Glaubenswahrheiten, seine Auffassung der liturgischen Handlungen, seine Lehre von
Freiheit und Gehorsam, aber auch seine Interpretationen zeitgeschichtlicher Phä¬
nomene inspirierten die Rothenfelser Treffen. Wie viele seiner Zeitgenossen hoffte
Guardini auf einen Neuen Menschen, auf eine Neue Zeit, die bei ihm - anders als bei
vielen seiner Zeitgenossen - religiös gefaßt war.
Die Autorität, die Guardini sich auf Rothenfels erwarb, schlug sich 1927 in seiner Beru¬
fung zum zweiten Burgleiter nieder. Obwohl Schwarz ihn schon in Berlin gut kannte
(vgl. S. 44ff.), scheint die Verpflichtung des jungen Architekten nicht von Guardini aus¬
gegangen zu sein, sondern von »Burgvater« Strehler und von Josef Äußern, der seit
1922 Burgkaplan war. »Letzte Woche war Josef Aussem von Rothenfels hier«, schrieb
Schwarz an seine Mutter, »und wimmerte kläglich, sie brauchten einen Architekt für 104 Anton Thi 11. Dürfen und können wir in der Ju¬
gendbewegung noch Führer haben? In: Die
den Aufbau der Burg (man schwimmt in Geld); stellte auch günstige persönliche Bedin¬
Schildgenossen 3 (1922/23) 3, S. 96.
gungen und ich denke, daß ich die Bauleitung zu meinen sonstigen Arbeiten auch noch 105 Vgl. Karin Becker. Rudolf Schwarz. i8()7-
übernehme«.108 1961. Kirchenarchitektur. a.a.O. S. 7off. — Ro¬
mano Guardini. Quickbom. Tatsachen und
Schwarz gehörte dem Verband Katholischer Akademiker an. Ob er ein richtiger Quick-
Grundsätze. Rothenfels 1921.
borner war, bezweifelte Ludwig Neundörfer: »Rudolf Schwarz war kein hündischer 106 Bernhard Strehler. Aus dem Werden und Leben
Mensch; er kam allein.« Er hatte 1922 Rothenfels besucht und veröffentlichte seit 1924 Quickborns. Würzburg 1927. S. 11.
107 Ludwig Neundörfer. Geschichte und Gestalt. In:
in der Zeitschrift Die Schildgenossen.109 Die Zweimonatszeitschrift, 1920 als publizisti¬
Burg Rothenfels. Rothenfels 1929. S. 12.
sches Forum der älteren Quickborner gegründet, fungierte bis 1925 als Organ der 108 RS an Paula Schwarz, 25. 5. 1924. - »Der
Bewegung, löste sich dann allerdings aus dieser organisatorischen Bindung. Plan, mich zur Burg zu rufen, stammt weder
Die ersten Arbeiten auf Rothenfels, noch vor der Beauftragung von Schwarz, hatten in von mir noch meines Wissens von Guardini.«
RS an Paula Schwarz, 20. 6. 1924.
Schuttbeseitigung und notdürftigen Reparaturen bestanden. Ein Jahr lang stellten drei
Wie sich aus der Korrespondenz ergibt, nahm
Karbidlampen die einzige Beleuchtung in der Burg dar. Für Schwarz lag die Aufgabe Guardini jedoch schon 1924 großen Anteil an
zunächst darin, die Bausubstanz aufzunehmen, ein Bauprogramm aufzustellen, Dächer allen Arbeiten auf der Burg. »Bekomme ich
das Bau- und Ausbauprogramm zu lesen?
zu decken, neue Wände zu ziehen und sanitäre Anlagen einzurichten. Zum Teil war es
Vielleicht einen Durchschlag?« Romano
Pinsel-Sanierung: neuer Anstrich für Wände und Möbel. Daß es dabei nicht bleiben Guardini an RS, 15. 10. 1924.
sollte, stand schon bald fest. »Es soll etwas ganz Feines aus dem alten Ding werden... 109 Ludwig Neundörfer. Rudolf Schwarz zum Ge¬
denken! In: Burgbrief (1962) 1, S. 3. - Walter
Der ganze Bau von oben bis unten wird durchentworfen« (Rudolf Schwarz).110
Zahner. Rudolf Schwarz. Baumeister der Neuen
Während dieses ersten Burg-Aufenthaltes kamen zwei andere Aufgaben auf Schwarz Gemeinde. Altenberge 1992. S. 27, 82 f.
zu. Zum einen stattete er ein Buch aus, Guardinis Heilige Zeit, eine Sammlung liturgi- 110 RS an Paula Schwarz, 15. 10. 1924.

37
44-46 Rudolf Schwarz. Zeichnungen für scher Texte in Guardinis Übersetzung. Zum anderen entwarf er einen Abendmahls¬
Abendmahlskelche. Bleistift. Ähnliche Blätter in kelch (vgl. Abb. 44-46), auf den er unendliche Mühen verwendete. Ein halbes Jahr
der Kunstbibliothek, Berlin, sind auf Sommer zeichnete er daran, wenn man der späteren Darstellung Glauben schenken will.1" In
1926 datiert.
seiner schönen, gespannten, ganz undogmatischen Form gewann dieses aus Tellerfuß,
Schaft, Schaftring und Schale gebildete Gerät in der Tat etwas Endgültiges. Schwarz
47 Rudolf Schwarz. Burg Rothenfels. Umbau
1927-28. Fensternische der Burgkapelle mit nannte ihn seine erste Kirche.112 Das Wort hat seinen Sinn, wenn man bedenkt, daß
Fenster von Anton Wendling. Kelch wie Kirche als Gefäß sowohl auf den Menschen hin angelegt sind, der ihn
benutzt, wie offen für ihren göttlichen Inhalt, im Falle des Kelches für den Wein als
Gottes Blut.
Eine Gelegenheit für die Quickborner, den neuen Burgbaumeister als reflektierenden
Architekturtheoretiker kennenzulernen - sofern sie nicht Leser der Schildgenossen waren
und schon Schwarz’ Aufsatz Über Baukunst gelesen hatten ergab sich während der
Werkwoche im August 1924. Schwarz übernahm den Arbeitskreis Baukunst. Den Teil¬
nehmern und vor allem Teilnehmerinnen erschien er als ungewöhnliche Gestalt nicht
ganz von dieser Welt, »wie ein junger, visionärer Eieiliger... als ob er immer innerlich
schaut«, erinnerte sich Vilma Mönckeberg, die einen Sprechchor leitete. Und eine
andere Quickbornerin vertraute ihrem Tagebuch an: »Rudolf Schwarz ist noch sehr
jung, ein feines, gütiges Gesicht, ein Ausdruck in den Augen - wie ein Kind so rein«.”3
Eine der Rothenfelser Begegnungen, mit Emmy Schweitzer (später verheiratete van
Weersch), führte zu einer lebenslangen, von beiden Seiten tief empfundenen Freund¬
111 ebda.: »In der letzten Woche habe ich Kelche schaft.
entworfen. Oder richtiger: Einen einzigen
Während der Rothenfelser Werkwoche sprach Schwarz über Plastik und Raum und
Kelch. Das war viel viel Arbeit und fertig ist
das alles noch nicht. Aber ich glaube, der ermutigte die Zuhörer an Hand von Abbildungen historischer Räume, ihre eigenen
Kelch wird gut und nicht alltäglich.« - vgl. Körperempfindungen im Erlebnis von Räumen und Bauten zum Maßstab zu machen.
Schwarz. Kirchenbau. S. 12.
Aus der Forderung nach Lebensräumen, die dem Wesen ihrer Bewohner entsprechen,
Es ist nicht sicher, ob der auf Burg Rothenfels
befindliche Kelch mit dem von 1924 identisch folgte die Forderung nach einer »Durchformung« des ganzen Landes. Technik sei
ist. Guardini listete 1930 unter den noch aus¬ nicht aus Zweckmäßigkeit geboren, sondern aus innerer Notwendigkeit entstanden; das
stehenden Geräten für die Rothenfelser Burg¬ heutige Weltbild von der Einsamkeit im unendlichen Raum geprägt. Eine Antwort
kapelle auch einen Kelch auf (an RS, 15. 6.
suchte Schwarz in der Formkraft, die dem Katholiken aus seinem Verständnis der Welt
1930). 1933 bestellte er abermals bei Schwarz
Entwürfe für einen Kelch für Mooshausen im erwachsen könne. Offenbar kam Schwarz auch hier auf den - schon mit Poelzig erör¬
Illertal, wo sein Freund Josef Weiger Pfarrer terten - Gedanken zurück, daß Bauen erst dort beginne, wo man für Gott baue.
war (an RS, 27. 5. 1933).
Bündisches Leben war ein Leben der ständigen Infragestellungen, der Konflikte zwi¬
112 RS. Kirchenbau. S. 12.
113 Vilma Mönckeberg. Rothenfels vor 50 Jahren. schen den Generationen und sozialen Gruppen, der Sezessionen, Abbrüche und
Zit.in: llanna-Barbara Gerl. Romano Guardini. Neuanfänge. Der Quickborn machte keine Ausnahme. Nach dem euphorischen Jahr
a.a.O. S. 217. - Katherina Kappes. Tagebuchno-
1924 schien Anfang 1925 auf Rothenfels bereits ein Ende erreicht. Der Bund verlor
tizen einer Quickbornerin... von der Werkwoche
August 1924 auf Burg Rothenfels. In: Burgbrief zahlreiche Mitglieder. Strehler, mit Guardini im Zwist über das Schicksal der Quick-
(16. 1. 1983) 1. S. 2 ff. born-Bewegung wie der Burg, verließ 1926 Rothenfels. »Es ist mit der Burg aus und

38
vorbei«, berichtete Schwarz voreilig nach Hause."4 Der Wirtschaftsbetrieb wurde auf¬
gelöst, der Verlag abgegeben.
Die Burg sollte nun als Ort der Begegnung, als katholische Akademie dienen, nicht
mehr als dauerhafte Wohn- und Werkstätte, und der Quickborn nicht nur als Jugend¬
bewegung, sondern auch als Kulturprogramm definiert sein. »Nicht hinreißende
Tagungen, sondern sorgsamer Dienst« seien erforderlich. Mit der Berufung Guardinis
zum neuen Bundes- und Burgleiter im Jahre 1927 wurde die Erneuerung des Burg¬
lebens auch personell gesichert. Das neue Programm führte zu neuer Bautätigkeit
(Abb. 47-52, WV 1), deren äußere Voraussetzung durch die Neuorganisation des Burg¬
lebens und die damit verbundene Freigabe bisher belegter Räume gegeben war. »Die
großen Säle (Rittersaal, Pfeiler und Heilbronner Saal) sollen zu reinen und edlen Räu¬
men ausgestaltet werden.«"5
In Rothenfels spielte Schwarz Themen durch, die ihn sein Leben lang beschäftigen
sollten. Eine Architektur der Armut war allein schon durch die Knappheit der Baumit¬
tel bedingt. Aber sie war auch Programm. Daß die Leere die Fülle zwingt, daß Ent¬
äußerung Voraussetzung jeder Erneuerung ist, entnahmen viele Zeitgenossen, auch und
gerade die Baukünstler der Nachkriegszeit, der Lektüre der Mystiker. Meister
Eckehart, Heinrich Seuse, Jakob Böhme haben damals viele als Zeugen ihres Weltbildes
angeführt. »Wäre ich leer und rein, so müßte auch Gott aus seiner eigenen Natur sich
mir hingeben und in mir beschlossen sein«, berief sich Bruno Taut auf Meister
Eckehart.”6 Auch Schwarz las in den zwanziger Jahren in den Predigten Eckeharts.
Leer und rein, arm, aber reich wünschte er sich seine Burg. Leere war nicht Abwesen¬
heit von etwas, sondern eine positive Qualität. »Wir fanden, daß die ganze Burg aus
einer solchen Tülle der Armut< neu erstehen müsse.«"7
Was gemeint war, verdeutlichen in der Publikation über die Burg aus dem Jahre 1929
Fotografien von Fritz Grieshaber (Abb. 48). Da steht vor dem schmalen Fenster mit
seinem tiefen Gewände ein Tisch, darauf eine Schale, davor ein Hocker. Das Licht fällt
ein, seitlich und von hinten, als wolle es die wenigen, einfachen Dinge heiligsprechen.
Die Räume wurden alles liebenswürdigen Plunders beraubt: keine Nebenaltäre, kein
auftrumpfendes Gerät, keine überflüssigen Bilder, »alles in einfachen, wir hoffen, ange¬
messenen Formen, aber in demütigem Dienst«."8 Die Reinigungsakte, von denen die
Moderne begleitet war, erfaßten auch die Burg. Schwarz war sich durchaus im klaren, in
Rothenfels exemplarisch gehandelt zu haben. Dafür beanspruchte er sogar Priorität:
»In grosser Bescheidenheit bemerke ich, daß schließlich doch der Gedanke, die Burg
als Folge grosser, reiner und fast leerer Räume mein höchst persönlicher Einfall war zu
einer Zeit, da die Architekten das sonst noch nicht wußten«."9
Technik war sichtbar zugelassen, wenn sie sich dem »demütigen Dienst« fügte. Aber
zumindest mit den drei Feldern stabförmiger Glühleuchten, die Schwarz an der Decke
des Rittersaals anordnete, war eine Lösung gefunden, die vielen Rothenfelsern nicht
selbstverständlich, sondern im Gegenteil pointiert avantgardistisch und unnötig tech¬
nisch vorkam. In der Tat gibt es im Neuen Bauen kein vergleichbares Beispiel, bei dem
Rudolf Schwarz. Burg Rothenfels.
Vorgefundene, fabrikmäßig hergestellte Serienelemente mit so selbstverständlicher
Umbau 1927-28.
Kompromißlosigkeit, aber auch so unaufgeregt einen festlichen Innenraum gestaltet
48 Südturmzimmer.
49 Burgkapelle. hätten. Da die Sofittenlampen aus durchsichtigem Glas bestanden, waren sie tagsüber
kaum sichtbar und störten die Einheit des Raumvolumens nicht. In der Burgkapelle
ordnete Schwarz über dem neuen kreisrunden Radleuchter, der Kerzen trug und aus
114 RS an Paula Schwarz, 2. 2. 1925.
115 Ludwig Neundörfer. Geschichte und Gestalt. In: silberblechbeschlagenem Eichenholz bestand, an der Decke einen Kranz unverkleideter
Burg Rothenfels 1919/1929. a.a.O. S. 5 ff. - vgl. Glühbirnen an - das Kunstlicht über dem Kerzenlicht. Ähnlich provokativ verwendete
Heinrich Kahlefeld (Hg.). Burg Rothenfels zu gleicher Zeit Le Corbusier einzelne nackte Glühbirnen in Wohnräumen, die tagsü¬
1979. Rothenfels 1955.
ber auf das großzügigste von Tageslicht erhellt waren.120 Hier, im sakralen Raum,
116 Vgl. Wolfgang Pehnt. Die Architektur des Ex¬
pressionismus. a.a.O. S. 35 ff. mußte das Design konservative Gäste noch mehr befremden.
117 RS. Eucharistischer Bau. In: Das Münster 13 Das moderne Dogma der Flexibilität wurde von Schwarz aufgegriffen, aber umgedeu¬
(i960) 9/10, S. 297.-- RS. Die Neue Burg. In:
tet. Die neu angefertigten, schwarz gebeizten Würfelhocker konnten entsprechend
Burg Rothenfels. Rothenfels 1929. S. 28.
118 ebda. S. 28. dem, was im Raum vorging, in verschiedenen Figurationen aufgestellt werden: als
119 RS an Romano Guardini, 15. 1. 1928. geschlossener oder offener Ring bei Beratung oder Gespräch, in den Reihen eines
120 So in der Villa Cook, Boulogne-sur-Seine,
Auditoriums, in dreiseitiger Aufstellung um den tragbaren Altartisch bei der Meßfeier
1926. - vgl. Reyner Banham. The Architecture
of the Well-tempered Environment. London (Abb. 50). Man konnte sie sogar kippen und dann als ganz niedrige Sitze mit Lehnen
19732- S- 148*. benutzten, brauchbar allerdings eher für Kinder als für Jugendliche. Entsprechend der

40
flexiblen Möblierung waren in Rittersaal und Burgkapelle die Lichtgruppen in Reihen,
im Kreis oder in 'Feilen davon zu schalten. Erst der Gebrauch bestimmte den Raum,
aber der Raum enthielt alle Möglichkeiten des Gebrauchs.
So findet sich das Wort vom Bau als Behälter der Lebensvorgänge, eine immer wieder¬
kehrende Vorstellung der Moderne, auch bei Schwarz. Architektur scheint sich in ein
Medium des Lebens zu verwandeln. Mit den denkbar einfachsten Mitteln entsteht »ein
ganz zartes, immer fließendes und immer hervorgebrachtes Gebilde aus Licht und
Leben.«'21 Der Gedanke des leeren, neutralen Raumgefäßes ist bei Schwarz religiös
gefaßt. »Es ist schön, wenn der heilige Raum ganz in der Gemeinde und ihrem Tun
gründet, aus der Liturgie errichtet wird und mit ihr wieder versinkt, und auf jede archi¬
tektonische Veranstaltung verzichtet wird, anfangs nichts da ist als Weltraum und nach¬
her nichts bleibt als Weltraum: der Herr ging vorüber.«122
Daß der erste größere Auftrag an Schwarz im Umbau eines Geschichtsdenkmals
bestand, war eine Erfahrung, auf die er nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgriff. Kein
heutiger Denkmalpfleger hätte den Umgang mit dem überlieferten Baubestand, wie
Schwarz ihn auf Rothenfels handhabte, gebilligt. Ein Wunder, daß es der damalige
tat.,23 Aus dem Rittersaal nahm Schwarz »allerlei barocke Ornamente« heraus, um ihn
»zu einem klaren Würfel« zu machen. Gotische Portale wurden im Palas kurzerhand
vermauert. Stattdessen ließ Schwarz im Erdgeschoß rechtwinklige Öffnungen durch¬
brechen, um eine neue Achsenbeziehung zu schaffen. Wappenmedaillons wurden weiß
überstrichen, ein spätromanischer Kamin entfernt. Den barocken Altar in der Burg¬
kapelle ersetzte eine Eichenholzplatte auf einem kubischem Sockel, der mit Silberblech
verkleidet wurde.
»Weil wir etwas ganz Neues erproben wollten, fanden wir den Mut, das Alte zu zer¬
stören.« Gelegentlich leistete das Alte Widerstand: so in der Burgkapelle, wo er an der
hangseitigen Außenwand eine hölzerne Ständerkonstruktion stehen lassen mußte. Auf
den zeitgenössischen Fotos ist der Blickwinkel so gewählt, daß sie nicht erscheint.
Wenn Schwarz die Spuren einer farbigen Vergangenheit eliminierte, so kann man sein
Vorgehen dennoch nicht als geschichtsfeindlich bezeichnen. Der Architekt war im
Gegenteil überzeugt, im wohlverstandenen Interesse des Bauwerks zu handeln. »Wir
sind aber dabei dem alten Bau im tiefsten treu geblieben, indem wir ihn anerkannten...
Uber all dem ist der Bau zugleich neu und unser geworden und doch zu sich selbst
gekommen.«12+
In den zwanziger Jahren war ein solches Vorgehen noch kaum problematisiert worden.
Die Diskussion um Grundsätze der Denkmalpflege, wie sie von den Kunsthistorikern
Georg Dehio, Alois Riegl oder Paul Clemen geführt wurde, kreiste um Begriffe wie
Authentizität, Konservation und Restaurierung. Historisierende Rekonstruktion wurde
von den meisten Denkmalpflegern abgelehnt. Von einer »echten, gesunden, modernen,
deutschen Baukunst«, die nichts mehr mit einer historisierenden Wiederherstellung
alter Denkmäler im Sinne hatte, versprach sich Dehio eine Ende der Verirrungen.I25
Daß das selbstbewußt Neue seinerseits eine Gefährdung des bewahrenswerten Alten
bedeuten könne, war den Theoretikern der Denkmalpflege noch kaum ins Blickfeld
geraten - auch, weil die Moderne in den historischen Stadtzentren bislang kaum in
Erscheinung getreten war und sich noch nicht als ein möglicher Kontrahent des histo¬
risch Überlieferten zu erkennen gegeben hatte. 121 RS. Über Baukunst. In: Die Schildgenossen 4

Noch bevor das Dilemma öffentlich wurde, wies Schwarz mit Rothenfels einen Weg, C1923/24) 3’ S. 277.
122 RS. Kirchenbau. S. 41.
der Versöhnung, aber nicht Kompromiß bedeutete: Das Neue sollte das Alte zu seinen 123 Der Provinzialkonservator Franz Graf Wolff
ihm innewohnenden, eigentlichen Möglichkeiten befreien. »>Frei< ist der, der Gewor¬ Metternich gratulierte zu der »nach jeder
Richtung mustergültige [n] denkmalpflegeri¬
denem seine, d.h. die lebendige Stellung findet«, meinte der mit Schwarz befreundete
sche [n] Arbeit in Verbindung mit bester neu¬
Kunsthistoriker Hans Karlinger 1930 und illustrierte seine These u.a. mit Aufnahmen zeitlicher Kunst«. An RS, 7. 11. 1932.
von Burg Rothenfels.'26 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine Reaktion wie die von 124 RS. Die Neue Burg. a.a.O. S. 28, 32 f.
Schwarz auf der Burg zum Ausweis weltoffenen Bauens - zumindest für anderthalb, 125 Georg Dehio. Denkmalschutz und Denkmal¬
pflege im neunzehnten Jahrhundert. Straßburg
zwei Jahrzehnte, in einigen Architektenoeuvres auch länger. So handelte, wer sich der
1905. In: Georg Dehio, Alois Riegl. Konset~'ie-
eigenen Zeit verpflichtet fühlte, aber der Vergangenheit seinen Respekt nicht verwei¬ ren, nicht restaurieren. Streitschriften zur Denk¬
gern wollte - bis (in Karlingers Begriffen) die »Stilform« wieder die »Werkform«, die malpflege um 1900. Braunschweig, Wiesbaden
1988. S. I02f.
»stilimitative Denkmalpflegerei« wieder die »lebendige Stellung« zurückdrängte.127
126 Plans Karlinger. Denkmalpflege und Nette Form.
Bei den Antworten, die Schwarz für Rothenfels fand, faßte er Architektur auch und In: Die Form 5 (1930) 2, S. 42.
gerade in ihren verschiedenen baulichen Zeitschichten als Abbreviatur für Städtebau 127 ebda. S. 44h, 42.

41
auf. Es lag nahe, die Burg mit ihren verschiedenen Höfen, Baulichkeiten und Gärten als
eine kleine Stadt zu verstehen. Schwarz führte diese Analogie weiter, indem er auch
innerhalb der Bauwerke Orte bestimmte und sie durch ihren Ausbau definierte, »Orte
zum Schlafen, zum Kochen, zum Essen, zum Arbeiten, zum Sprechen, zum Feiern, für
den Gottesdienst«. Eine hierarchische Ordnung - »Gottesdienst, Feier, Arbeit«128 -
suchte er auch in seinen späteren städtebaulichen Planungen einzuführen oder doch
die Reste einer solchen gestuften Ordnung zu bewahren. Rothenfels wurde zu einem
Modell für die Stadt, die in Schwarz’ Augen leer, entfremdet und langweilig, weil bar
ihrer wesentlichen Inhalte geworden war.
Mit Guardini, der seit 1927 als amtierender Burgherr die Bauherrschaft vertrat, wußte
Schwarz sich im Qualitätsanspruch einig. »Die Verantwortung für das, was an künstle¬
(I«ft(r, , (- rischen Werten auf die Burg kommt, tragen wir beide, Du und ich«, schrieb Guardini
an Schwarz.129 Konflikte gab es gleichwohl. Guardini befaßte sich mit jedem Detail, mit
tf(<« I1KHI,.,
dem Gewicht des Weihwasserkessels, mit der Größe der Tropfenfänger am Radleuch¬
ter. Der Ungeduld seines Bauherrn kam Schwarz oft nicht schnell genug nach, irritierte
auch jeweils durch neue Überlegungen und Revisionen seiner Pläne. Vor allem fürch¬
tete Guardini, die Quickborner könnten provoziert werden: »Ich möchte nicht, daß das
Ganze zu sehr den Charakter eines Experiments bekäme... Ich würde meinem persön¬
lichen Empfinden nach, eine sagen wir einmal, konservativere Form vorziehen.« Schon
in einem vertragsartigen Brief aus dem Jahre 1925 hatte Guardini präzisiert, daß
Schwarz »im einzelnen anderen Geschmacksrichtungen« als seinen strengen eigenen
entgegenkommen müsse.130 Man kann nicht behaupten, daß sich Schwarz an diese
Abmachung gehalten hätte. Im Konfliktfall gab der konziliantere Guardini nach.
Besonders bezog sich die Sorge des amtierenden Burgherrn auf die Konfrontation des
50 Rudolf Schwarz. Burg Rothenfels. Umbau
alten Bestandes mit zeitgenössischer Technik, so bei den Lichtinstallationen in Kapelle
1927-28. Grundrißskizze des Palas im Oberge¬
schoß. Burgkapelle mit Sakristei, Rittersaal, und Rittersaal, also auf eine wesentliche Qualität der Schwarzschen Interventionen.
Barocksälchen und Südturmzimmer. Tinte. »Die Räume der Burg haben doch alle einen ausgeprägten Charakter, der durchaus
>vortechnisch< ist. Da empfinde ich immer ein lebhaftes Unbehagen, wenn in diese
Rudolf Schwarz. Burg Rothenfels.
Räume ausgesprochen technische Formen - nimm das Wort als Ersatz für den eigentli¬
Umbau 1927-28.
chen Ausdruck, den ich nicht weiß - gesetzt werden.«’3'
51 Rittersaal.
52 Burgkapelle. Immerhin war es aber Guardini, der mit der Einrichtung der Burg bis hin zu Hausrat,
Textilien, Vasen, Bestecken und Geschirr ein erzieherisch wirkendes Vorbild für Besu¬
cher und Gäste geben und sogar ein Musterzimmer mit verkäuflichen Gegenständen
einrichten wollte.1’2 Guardini sorgte auch dafür, daß Bücher von Le Corbusier, Bruno
Taut und Heinrich de Fries für die Bibliothek von Rothenfels angeschafft wurden.
Bruno Tauts Buch Die neue Wohnung, Die Frau als Schöpferin (19241) fand er »sehr
128 RS. Die Neue Burg. a.a.O. S. 30, 32.
129 Romano Guardini an RS, 1. 3. 1927. bedeutend« und empfahl es zusammen mit Tauts Fr-ühlicht-YLehen (1921-22) und der
130 Romano Guardini an RS, 2. 11. 1927, 19.‘5. Auflösung der Städte (1920) Schwarz zur Rezension.’33 Der pädagogische Impuls der
!925 Moderne, der sich in ihrer unermüdlichen Publizistik, in zahllosen Lehrveranstaltun¬
131 Romano Guardini an RS, 11. 1. 1928.
132 Romano Guardini an RS, 16. 6. 1930. gen und Ausstellungen äußerte und stets das Schlechte durch das Gute zu ersetzen
133 Romano Guardini an RS, undatiert. suchte, war auch auf der Burg am Main zu Hause.

42
43
/
»Vom Geist der Liturgie«: Romano Guardini

Romano Guardini (1885-1968) hatte im Sommersemester 1923 seine Professur für


Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung an der Berliner Universität
angetreten. Schwarz’ Freundschaft mit dem um vierzehn Jahre älteren Priester und
Theologen datiert aus dieser Zeit oder vom Quickborn tag 1922. Während seines eige¬
nen kurzen Theologiestudiums in Bonn konnte er Guardini jedenfalls noch nicht per¬
sönlich kennengelernt haben. Zu dieser Zeit war Guardini als Kaplan und Militärkran¬
kenwärter in Mainz tätig. Erst 1920 ging er nach Bonn, um seine Habilitation
vorzubereiten. In Berlin war es Guardini, der die Veröffentlichung von Schwarz’ er¬
ster wichtiger Schrift Uber Baukunst in den Schildgenossen veranlaßte und redigierte134
53 Romano (iuardini und Rudolf Schwarz. (Abb. 55) - der Beginn von Schwarz’ langer und produktiver Karriere als Architektur-
schriftsteller.
54 Rudolf Schwarz. Titelblattentwurf für Die
Und auch als Redakteur und Herausgeber. Von 1927 an erscheint sein Name als Her¬
Schildgenossen. 1924. Bleistift.
ausgeber der Schildgenossen an der Seite von Guardini und (zunächst) Josef Aussem

Titelblätter Die Schildgenossen. (Abb. 56). Schwarz übernahm auch die Redaktion einzelner Hefte. Die Zeitschrift war
55 Jahrgang 4, Heft 4. 1924. 1920 zum ersten Mal als Organ der katholischen Jugendbewegung herausgekommen,
56 Jahrgang 7, Heft 3. 1927. gewann in den folgenden Jahren organisatorische Unabhängigkeit vom Quickborn,
dem sie ihren romantischen Titel verdankte, und definierte sich als »Zeitschrift aus der
katholischen Lebensbewegung«. Ihre Herausgeber sahen sie in Konkurrenz zu der
renommierten Zeitschrift Hochland.
Im Kreise der Kollegen war Schwarz derjenige, der die Schildgenossen »etwas zu feierlich
134 Romano Guardini an RS, undatiert: »Ich habe und fromm in der Form« fand, vor einem allzu besinnlichen oder zu stark theologi¬
meine Freude daran, wenngleich er [der Text] schen Kurs warnte und pointierte Äußerungen zur Aktualität anmahnte, »die wirk¬
nicht leicht zu verstehen ist.« Ähnlich am 20.
lichen fragen der wirklichen menschen bleiben aber nach wie vor unbekannt.«'33
2. 1924.
135 RS an Romano Guardini, 20. 7. 1931, 2. 11. Außerdem wurde von ihm natürlich der Kontakt zu Künstlern und Architekten erwar¬
1930. tet. Künstler aus Schwarz’ Umkreis, vor allem aus seiner späteren Aachener Tätigkeit,
136 So RS an Paula Schwarz, 7. 11. 1924: Er ent¬ fanden hier ein Forum - was Leser wie Redakteure nicht immer mit Wohlwollen sahen.
wirft zwei Schlafzimmer, ein Studierzimmer
Es war einer der Konfliktpunkte in der an Konflikten und Finanzierungskrisen reichen
»und dergleichen Dinge« für Guardini.
137 Romano Guardini an RS, 2. 8. 1926. Arbeit für die Zeitschrift.
138 Romano Guardini an RS, 8. 7. 1926. Mit dem Engagement beider Männer für Burg und Burggenossen stellte sich eine enge
139 Romano Guardini an RS, 11. 1. 1928.
Zusammenarbeit her, die Guardini auf private Aufträge ausdehnte. Schwarz entwarf
140 RS an Paula Schwarz, 4. 6. 1934.
141 Paul Fechter. An der Wende der Zeit. Gütersloh Möbel nicht nur für Guardinis Räume auf der Burg, sondern auch für dessen wech¬
1949. S. 165. selnde Wohnungen in Potsdam und Berlin.136 Guardini gab dazu zentimetergenaue An¬
142 Vgl. Hanna-Barbara Gerl. Romano Guardini.
weisungen, die dem Freund wenig Spielraum ließen. Die allgemeine Devise war aller¬
a.a.O. S. 3ioff.
143 Ludwig Neundörfer. Rudolf Schwarz zum Ge¬ dings ganz im Sinne von Schwarz: »Äußerste Einfachheit, aber gute Form und gutes
denken! a.a.O. S. 3. Material«.'37 Die Schränke, Betten, Lehnstühle, Bänke, das Stehpult und der Mappen¬
Daß von Schwarz »eine starke, manchmal an schrank waren gediegenes Handwerk fern aller Extravaganzen, blockhaft in den Kontu¬
Verächtlichkeit streifende, jedenfalls noch
ren, schwere Flächen, kantige Profile, die sich zu den Fußpunkten oft nicht verjüngten.
durchaus negativ wirkende Bewegung gegen
uns [Priester] ausgeht«, beklagte Aussem, der Ausgeführt wurden sie in Schreinerwerkstätten nach den Zeichnungen von Schwarz.
besonders unter seinem Verhältnis zu Schwarz Frühzeitig waren auch Baupläne in der Diskussion. Schon 1926 erwog Guardini, ein
litt. Er erklärte sie sich »mit der Dünne Dei¬
eigenes Haus zu bauen. »Nach einem eigenen Hause habe ich großes Verlangen.«'38
ner Lebenserfahrung und Deiner Abhängig¬
keit vom Urteil anderer«. An RS, 23. 11. Guardini dachte damals an ein zweistöckiges Haus, das auch einer Wirtschafterin und
1926, 25. 4. 1927. Laut Aussem opponierte einem Sekretär Platz bieten würde. Er wandte sich wieder an Schwarz, als er ein
Schwarz auch öfter gegen Guardini. »Du hast
Nebengebäude auf dem Grundstück einer befreundeten Familie in Berlin-Charlotten¬
eine Art, nach außen eine Fassade zu zeigen,
die es sehr schwer macht, wirklich dahinter zu burg beziehen konnte, das umgebaut und möbliert werden mußte.'39 1935-36 baute
kommen, wie Du denkst.« An RS, 5. 5. 1927. Schwarz in Berlin-Schlachtensee ein neues Haus (Abb. 57, 58, WV33), das er dem
144 Ildefons Herwegen. Zur Einführung. In: Ro¬ Freund vermietete und »das so etwas wie eine berliner Residenz für uns alle wird«‘4°.
mano Guardini. Vom Geist der Liturgie. Frei¬
Guardini bewohnte es bis 1943. Paul Fechter, der Berliner Feuilletonist, beschrieb es
burg I9204-5. S. IX.
145 Zit.in: Hanna Dannien-Maassen. Kirchenbau¬ als unauffällig, diskret und »ausgezeichnet zu ihm passend«: »Es ... hatte etwas auf sich
ten und -entwürfe von Johannes Krahn. Magi¬ Zurückgezogenes und war zugleich mit dem großen, hellen, fast den ganzen Umfang
sterarbeit Universität Marburg, 1989. S. 6f.
des Hauses ausfüllenden, sonnigen Arbeitsraum im ersten Stock von einer herrlichen
146 Vgl. Gustav Mensching. Die liturgische Be¬
wegung in der evangelischen Kirche, ihre For¬ Freiheit und Weltoffenheit«.'4'
men und Probleme. Tübingen 1925. - Hugo Der Kontakt zwischen Guardini und Schwarz blieb während ihrer ganzen gemeinsa¬
Schnell. Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in
men Lebenszeit erhalten, wenn auch die unterschiedlichen beruflichen Beanspruchun¬
Deutschland. München, Zürich 1973. passim.
147 Romano Guardini. Vom Geist der Liturgie. gen gemeinsame Unternehmungen oft vereitelten. Die Korrespondenz der späteren
a.a.O. S. 5, 13, 98h Jahre ist mit Entschuldigungsformeln für nicht beantwortete Briefe oder abgesagte Ter-

44
mine durchsetzt. Beide Männer hatten gemeinsame Züge. Ausstrahlungskraft ist beiden
bescheinigt worden, bei Guardini bis hin zum Charisma, das den zierlichen Mann zum
faszinierenden Mittelpunkt seiner Umgehung machte. Aber beide konnten auch von
einer Zurückgezogenheit und Versunkenheit sein, die bei Guardini mit Schwermut und
verstörendem Pessimismus zusammengingen,'42 bei Schwarz durch verletzende Wort¬
schärfe und Spottlust kompensiert wurden. Von Schwarz sagte Ludwig Neundörfer, er
habe manchen ignoriert oder durch Sarkasmus und Ironie gekränkt. Aber solche Ver¬
weigerungen menschlichen Kontaktes seien »die notwendige, wenn auch unangenehme
Hülle einer inneren Gesammeltheit« gewesen. »Es gibt auch eine Einsamkeit aus inne¬
rer Fülle, aus einem ganz nach innen Gewandtsein, einer Konzentration auf das Gei¬
stige, die bedrängt wird und die geschützt sein will vor Angriffen von außen.«14’ Begeg¬
nungen zwischen Guardini und Schwarz waren, wenn man Augenzeugen glauben darf,
durch einvernehmliches Schweigen statt durch wortreiche Diskussion geprägt.
Die Bedeutung, die Guardini für das katholische Geistesleben der Weimarer Republik
und vor allem innerhalb der Jugendbewegung erlangte, hatte sich bereits mit seiner
Stellungnahme zugunsten der Liturgischen Bewegung angekündigt. Eine Reform des
Gottesdienstes, die Hinwendung zu neuen Formen einer - wie der Abt von Maria
Laach, Ildefons Herwegen, es ausdrückte - »lebensvollen Gemeinschaft« bewegte die
Epoche mit einer heute kaum nachvollziehbaren Intensität. »Unsere Zeit, die den
Rationalismus überwunden hat, die der Mystik entgegenstrebt, ist mehr als die jüngste
Vergangenheit vom Wunsche beseelt, Gott näherzukommen.«144
Die neu verstandene Liturgie galt als ein Weg dazu. Ermutigt durch Dekrete des Vati¬
kans unter dem »konservativen Reformpapst« Pius X. reformierten Benediktiner¬
abteien - in Deutschland Beuron und später Maria Laach, das französische Kloster
Solesmes und das belgische Kloster Mont-Cesar in Löwen - die Mönchsliturgie, öffne¬
ten Priestern und Laien den Zutritt zu den Konventsfeiern. »II faudrait democratiser la
liturgie!«, lautete eine Forderung auf dem belgischen Kirchentag in Mecheln 1909.145
4. }af)r <DJter 1924 4. fjeft
In den Abteien wurden einerseits die Meßtexte in die Volkssprachen übersetzt und
paföa Domini ^ Romano ©uarömi ♦ ©etljfemani /
fyinrid) Bacfjmann ♦ fllenfd) und Ding ✓ ©uardinio
andererseits die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit liturgischen Texten ein¬ Bud): Ziturglfd)« Bildung ♦ lieber <Ct>rfurd)t und
Sonn, ßymbol und ©ebärde / Ruo ©oct^c: tDilbdm
geleitet. Nach dem Wunsch Pius’ X. sollten die Gläubigen die Kommunion möglichst IRri/lf« IDanderjabre ♦ }>\i fjafenfamp: Deutfdjec
fjymnus ^ paul Jldams ♦ Dtutfdjer ftymnua ^ Bott*
in jeder Meßfeier empfangen. Die Kommunion, die mancherorts auch vor oder nach fritd fjaftntamp ♦ ^eilige Hlufif / Rudolf Job- ©djula*
Bomburg 0 £iturgi|<f)e ITIuflf / ©tto fjctfmann * öora
den Gottesdiensten (speziell dem Hochamt) erfolgte, wurde in die Meßfeier zurück¬ Cbocalfingcn ^ P.JIdcliaBöferO.S.B. ♦ BomRbytf)*
mue des fatl)olifd)en Kirchenliedes ✓ Jlöolf tDortmann
geholt. Die Liturgie sollte sie wieder deutlicher als gemeinsam vollzogene Handlung Tan3 ♦ ^eilige Dichtung aus dem allen Irland •» fieilige
©eftalt ✓ Romano ©uardinl ♦ llnferc Hleinung 3um
von Priester und Gemeinde sichtbar machen. fiulturtfyeater ✓ Qelnr. Badjmann •> lieber Bautunfl
Rudolf 0<b®ar3 ♦ fladjbemerfung
Die Liturgische Bewegung war keineswegs auf den Katholizismus beschränkt. Schon
seit dem Ende des 19. Jahrhunderts erfaßte sie auch die protestantischen Kirchen.'46
Otto Bartning (1883-1959), der in seinem Leben mehr Kirchen gebaut hat als Rudolf
Uectogitottftiiee gmefbomhotm
Schwarz, publizierte 1919 in seinem Buch Vom Neuen Kirchbau Grundrisse, die in ihrer fitrcg&oihenffts mnTOumcuotcrfc)
zentralisierenden, T- oder kreisrunden Form und der gemeindenahen Position des
Altars ein neues Verhältnis von Gläubigen und Opfertisch vorwegnahmen.
Die
In der von Herwegen herausgegebenen Reihe Ecclesia orans fiel dem jungen Geistlichen
Guardini die Ehre zu, das erste Bändchen zu übernehmen. Vom Geist der Liturgie wurde Schildgenossen
Herausgeber
ein Bestseller. Fünf Jahre nach der Erstveröffentlichung im Jahre 1918 lagen bereits
Josef AuBem / Romano Guardini / Rudolf Schwarz
zwölf Auflagen vor. Der Erfolg des Büchleins erklärte sich nicht zuletzt aus der Offen¬
heit, mit der Guardini die Schwierigkeiten eines modernen Menschen mit der Liturgie
zum Thema machte. Das richtige Verständnis der Liturgie als des »ganz objektiven
Gebetslebens der Kirche« wurde als Hilfe für gegenwärtige innere Notlagen gedeutet. Maria / Ida Coudenhove, Wien. Lebendige Frei¬
heit / Romano Guardini. Das Erbe Rainer Maria
Anders als bei Herwegen ist der Nachdruck auffällig, mit dem Guardini das frei Rilkes / Heinrich Bachmann. Georges Bernanos :
Die Sonne Satans / Ein Roman, betrachtet von
Schweifende, Zufällige, Individualistische, die »zu fein gespitzten, zu zarten, weichen August H. Berning. Text: Madeleine S6mer
Vorbemerkung und Übersetzung von Romano
Empfindungen« zeitgenössischer Religiosität in die objektive Form des seit vielen Jahr¬ Guardini Aus der Zeit: Die Bedrohung der per¬
sonalen Freiheit / August H. Berning. Proleta¬
hunderten erarbeiteten Rituals einzubinden suchte. »Die Liturgie hat etwas an sich, was rier und Religion / Josef Emonds. Burg Rothen¬
fels / Rudolf Schwarz. Bücher und Bilder: Franz
an die Sterne erinnert, an ihren ewig gleichen Gang, ihre unverrückbare Ordnung, ihr Herwig: Die Eingeengten. F. J. Schneider
Der expressive Mensch und die Lyrik der Gegen¬
tiefes Schweigen, an die unendliche Weite, in der sie stehen«. So gesehen bedeutete wart Die keramischen Arbeiten von Theo Bög¬
ler. Aus Karl Neundörfers literarischer Werkstatt.
Vom Geist der Liturgie nicht nur ein Plädoyer für ein neu-altes, sinngefülltes Ritual, son¬
dern auch ein Loblied auf verschüttete kirchliche Umgangsformen, auf beherrschte
Haltung. Mit der Liturgie als dem Kunst gewordenen Leben, mit einem durch feste
Regeln gesicherten Spiel vor Gott suchte Guardini Erregungen der expressionistischen
Epoche entgegenzuwirken, die er als zerstörerisch empfand.'47 Auch für Guardini war 7. Jahr Mai 1927 3. Heft

45
Schv irz Haus für Romano Guardini.
in-Schlachtensee. 1935—36.

die Liturgiereform eine Antwort auf den Subjektivismus und Rationalismus der säkula¬
risierten Epoche, als Bild und Instrument konservativer Sozialutopie.148
Auf Burg Rothenfels wurden die in den Reformklöstern praktizierten liturgischen
Neuerungen schrittweise seit 1920 eingeführt. Messen feierten die Burggäste als »missa
recitata«, in der die beweglichen Teile der Messe von Vorbeter und Gemeinde in deut¬
scher Sprache gesprochen wurden. Die Eucharistie erhielt als gemeinsam begangenes
Mahl neue Bedeutung. Priester zelebrierten am Altartisch »versus populum«, den
Gläubigen zugewendet. So übernahm die Burg eine Mittlerrolle zwischen der monasti-
schen Reformbewegung und dem Gemeindeleben. Die architektonischen Veränderun¬
gen an Burgkapelle und Rittersaal, die Guardini und Schwarz Vornahmen, waren auf
diese Neuerungen bezogen. Die Gläubigen konnten sich dreiseitig oder im Dreiviertel¬
kreis um den Altar und den Zelebranten versammeln. Der Bau soll »>liturgisch< sein..
das heißt, daß er für das gemeinschaftliche Gebet gut sein sollte, mehr als für das pri¬
vate«.149 Was in den vergleichsweise intimen Räumen und unter den zur Improvisation
nötigenden Bedingungen von Rothenfels nahelag, die Gemeinschaftsmesse mit Zele¬
brant und Gemeinde in ein- und demselben Raum, im »einhelligen« Raum, wurde zum
Vorbild kirchlicher Neubauten, auch wenn es aus der Rothenfelser Sondersituation
nicht ohne weiteres in den kirchlichen Alltag zu übersetzen war.
Eine Schrift, die liturgische Forderungen nachdrücklich, aber nicht unbedingt im Sinne
Guardinis (und Schwarz’) vertrat, war Johannes van Ackens Christozentrische Kirchen¬
148 Vgl. Holger Brülls. Neue Dome. Wiederauf¬ kunst von 1922. Der Autor (1879-1937), Seelsorger und Rektor an einem Gladbecker
nahme romanischer Bauformen und antimodeme
Krankenhaus, nannte sie einen »Entwurf zum liturgischen Gesamtkunstwerk«. Bewegt
Kulturkritik im Kirchenbau der Weimarer Repu¬
blik und der NS-Zeit. Berlin, München 1994. von der Hoffnung der Nachkriegsavantgarde, die Architektur möge endlich wieder
Vor allem S. 143 ff. Führerin sein (»Fürstin muß werden die hohe Baukunst, wie es in großer Vergangen¬
Zur »politischen Theologie« der liturgi¬
heit war«), wollte van Acken den Altar als den »mystischen Christus« zum Mittelpunkt
schen Bewegung in Deutschland neuerdings:
Roberto Masiero. Rudolf Schwarz: l'altra mo- des Kirchenbaus machen.1?0 Die Gläubigen sollten zu Mitopfernden werden.
demita. In: Casabella (1996/97) 640/641, S. Auch räumlich sollten die Altäre möglichst im Zentrum der Kirche stehen oder zumin¬
2 8ff.
dest aus dem Chor in den Laienraum gerückt werden und die Gemeinde sich von drei
149 RS. Die Neue Burg. a.a.O. S. 34.
150 Johannes van Acken. Christozentrische Kirchen¬
Seiten um ihn versammeln. Erhöhung und Belichtung der Opferstätte waren als aus¬
kunst. Gladbeck 1923*. S. 67, III. zeichnende Mittel vorgesehen. In der zweiten Auflage seines Bändchens veröffentlichte
151 Adrian Seih. Der Kirchenbaumeister Martin van Acken zwei Entwürfe, Lumen Christi und Circumstantes von Dominikus Böhm, in
Weber (1890-1941). In: DAM Architektur
denen der Offenbacher Architekt solchen Vorschlägen nachkam (Abb. 59, 60). Hohl¬
Jahrbuch 1992. München 1992. S. 184. -
Adrian Seih. Der Kirchenbaumeister Martin türme schütten in diesen Projekten die Fülle des Lichts auf den in zentraler Position
Weber (1890-1941). Diss. Frankfurt 1996. Ty¬ aufgestellten Altar.
poskript. - Gesine Stalling. Studien zu Domini¬
Wie Böhm, dessen zeitweiliger Partner Martin Weber - der im Reformkloster Maria
kus Böhm, mit besonderer Berücksichtigung seiner
>Gotik<-Auffassung. Diss. Tübingen. Berlin, Laach eine Art Hausarchitekt war1?1 - und andere aufgeschlossene Architekten ging
Frankfurt 1974. S. 137, 226 (Anm. 561). S. 7. Schwarz bei neu zu errichtenden Kirchen von den Forderungen der Liturgischen

46
Bewegung aus, mit denen er in Rothenfels frühzeitig konfrontiert war. Er sah in ihr eine
mächtige Volksbewegung, an der die katholische Jugendbewegung und vor allem ihr
»verehrter Führer« Guardini besonderen Anteil gehabt habe. »Erfüllt von einem neuen
Gefühl für das Echte und das Ursprüngliche betrachtet diese Bewegung die heiligen
Gebräuche der Kirche wie neue Geschenke und erlebt sie aus ihrem ursprünglichen
Sinn.«1*2
Schwarz schloß sich jedoch der spezifischen Auslegung durch Guardini an (dessen
Büchlein Vom Geist der Liturgie er exzerpiert hatte'53). Guardini forderte: »Dinge,
Geräte, Werkzeuge werden ihrer zufälligen Art entkleidet, ihre Grundformen heraus¬
gearbeitet, ihre Gebrauchszwecke verdeutlicht«. Gegenstände werden vom Körperge¬
fühl des Menschen her gedeutet. Sie sind in Bewegungen und Handlungen einbezogen,
die sie fortsetzen, verdeutlichen und festhalten, so daß eine »reiche Welt inhaltsvoller
Zeichen und Bilder« entsteht. Guardinis einfühlende Analysen gleichen den Deutun¬
gen, in denen Schwarz später Baufiguren mit Sinn unterlegte oder, in seiner Perspek¬
tive, den Sinn aus ihnen herausfragte.‘54 Von heiligen Zeichen war der bezeichnende Titel
einer anderen Schrift Guardinis, in der er den sakralen Sinn von Formen beschrieb:
Stufe, Pforte, Kelch, Schale oder »heilige Raumformen«. Guardini suchte »an der leib¬
haftigen Gestalt das Innere abzulesen, am Leib die Seele, am irdischen Vorgang das
Geistlich-Verborgene«.‘55 Schwarz berief sich später auch ausdrücklich auf die »guten
Worte in Guardinis schönem Buch«.1?6
Schwarz’ architektonische Gestaltenlehre (vgl. S. 86 ff.) wirkt wie die Umsetzung Guar-
dinischer Wünsche. Auch seine großen Figuren von »Weg«, »Wurf« oder »offenem
Ring« vermeiden in ihrer Objektivität, ja Idealität jeden Ausdruck des »Sonderhaften«.
Sie unterwerfen »das wirr-mannigfaltige Leben« der Vereinfachung und streben
danach, »das Allgemein-Bedeutungsvolle herauszuheben«. »Die einfache Wirklichkeit,
die immer ganz besondert [sic] ist, wird... in der Weise umgestaltet, daß das Typische
hervortritt«.157 Sogar Guardinis Warnung, eine solche Stilisierung könne sich in Sche¬
matismus verwandeln, wenn sie übertrieben werde, hat Schwarz beherzigt. Vor allem
bei Kirchbauten nach dem Zweiten Weltkrieg erlaubte der Architekt Abweichungen
von der Regel, Läßlichkeiten und Zufälligkeiten, die dem Leben Spielraum gegenüber
der großen Form einräumen.
Mit dieser Haltung bezog Schwarz, vor allem im Alter, Stellung gegen einen liturgi¬
schen Funktionalismus, bei dem die Liturgie zum eigentlichen Bauherrn werde. Der
Bau sei keine »Liturgie-Maschine«. Es war der Widerspruch eines Baumeisters, der
sich die Autonomie und den eigenen Rang architektonischer Formen nicht zum Ergeb¬ Dominikus Böhm, Martin Weber. Entwurf
nis von Funktionen - und sei es auch liturgischer - machen lassen wollte. »Ich habe... Meßopferkirche Circumstantes. 1922. Veröf¬

niemals geglaubt, es sei die eigentliche Aufgabe des Baumeisters, Häuser zu errichten, fentlicht in: Johannes van Acken. Christozentri-
sche Kirchenbaukunst. Gladbeck 19232.
die der Liturgie zweckgemäß sind; Kirchenbau ist Teilnahme, nicht Bedienung... [Die
59 Innenansicht.
Baukunst] zergeht unter dem Zugriff der >Zwecke<.«‘58 Auch mit seiner Wendung
60 Grundriß.
gegen den »Christozentrismus« distanzierte er sich - mit der Rückendeckung Guardi¬
nis - von Autoren wie van Acken. Christlicher Gottesdienst sei nicht christozentrisch,
sondern theozentrisch, »per christum«. Der Altar bedeutete ihm nicht die Mitte, son¬ 152 RS. Liturgie und Kirchenbau. Denkschrift aus
Anlaß des Neubaus der Sankt-Annen-Kirche
dern den Mittler, eine »Schwelle zu Gott«.‘59 So wollte ihm die Anordnung des Altars
in Berlin-Lichteifelde. Typoskript. Undatiert
inmitten der Umstehenden, der circumstantes - wie Dominikus Böhm eines seiner Ideal¬ (1936). S. 4.
projekte genannt hatte - nur als eine von anderen Möglichkeiten erscheinen, anwend¬ 153 Walter Zahner. Rudolf Schwarz. Baumeister der
Neuen Gemeinde. a.a.O. S. 29.
bar auf eine in sich geeinte kleine Gemeinde wie in Rothenfels, aber nicht auf das Kir¬
154 Romano Guardini. Vom Geist der Liturgie.
chenvolk einer großen Pfarrei. a.a.O. S. 55, 175.
Frühzeitig meldete Schwarz Bedenken gegen eine Resakralisierung der Welt an, wie sie 155 Romano Guardini. Von heiligen Zeichen. Mainz
manchem Liturgiereformer im Sinne lag. »Es gibt heute wortreiche und leichtfertige o.J. (1928). S. 7.
156 RS. Liturgie und Kirchenbau. a.a.O. S. 22.
Programmatiker einer neuen sakralen Welt. Man wird ihnen mit Vorsicht und Zurück¬ 157 Romano Guardini. Von heiligen Zeichen. a.a.O.
haltung begegnen müssen... Denn noch verlangen sie mehr, als je ein wissender Mönch S. 37f.
von den Laien erwartete: sie setzen die theoretisch höchste Möglichkeit absolut, und 158 RS. Kirchenbau. S. 324.
159 RS. Liturgie und Kirchenbau. Gastvorlesung an
eben dieser Eifer ist verdächtig.«100 Die Mahnung war an Propheten wie van Acken
der TH Aachen. In: Baukunst und Werkform 8
gerichtet, die in ihrem »einheitlichen religiösen Kulturwillen« bereits das Reich Christi (1955) 2, S. 87ff.
auf Erden nahe wußten: »Die christusnahe Zeit kommt und mit ihr die christozentri- 160 Maria Schwarz, Ulrich Conrads (Hg.). Rudolf
Schwarz. Wegweisung der Technik und andere
sche Kunst«.101
Schriften zum Neuen Bauen. a.a.O. S. 86.
Ein Gegenstand, über den Guardini und Schwarz viel und in offensichtlichem Dialog 161 Johannes van Acken. Christozentrische Kirchen¬
nachgedacht haben, war der Weg, den die Technik und der Mensch mit ihr einschlagen kunst. a.a.O. S. 104.

47
:f ■ Posthi'm veröffentlicht in: Maria Schwarz, würde. Guardini wie Schwarz haben über dieses Thema ein Buch geschrieben. Beide
lrich ! >nrs 1s (Hg.). Rudolf Schwarz. IVeg- Veröffentlichungen, Briefe vom Corner See von Guardini und Wegweisung der Technik von
v def Technik a.a.O. S. 46 ff., 69 ff.
Schwarz, erschienen zunächst in Artikelfolgen der Zeitschrift Die Schildgenossen, Guar-
iano Gu irdini an RS,2. (4.?) 2.1928.
R »mano Guardini. Briefe vom Corner See. dinis Briefe von Pfingsten 1923 bis Herbst 1925, Schwarz’ Essay zum Teil in Vorab¬
Mainz 19534. Zit. S. 13, 96, 102, 103. drucken von Januar 1927 bis Mai 1928. Schwarz konnte also Gedanken aufnehmen, die
ig Ja Technik. Potsdam 1928. S.
Guardini in seinen neun Briefen entfaltet hatte. Weitere Passagen und ein viertes Kapi¬
• brift über die Xei/gestalt ung der tel der Wegweisung sind zu Lebzeiten von Schwarz nicht mehr erschienen.'62
I landwerker- und Kunstgewerbeschule. Aachen Guardini beginnt mit einer Klage über das Verlorene. »Ich habe offenbar noch sehr
1929. Typoskript. StA Aachen.
starke Bindungen an alte Formen in mir«, gestand er anläßlich der Rothenfelser Umge¬
167 Romano Guardini an RS, 1. 12. 1926, 22. 9.
1927. Abschrift.
staltungen. '6? In seinem Text beschwört er Bilder seiner oberitalienischen Heimat: die
168 Friedrich Dessauer. Philosophie der Technik. geordnete Klarheit, die selbstverständliche Fülle des »durchwohnten Landes«, die zur
Bonn 1927, 1928'. S. 133, 31. Kultur gewordene Natur. In diese Welt natürlicher Menschlichkeit bricht der grim¬
169 RS. Neue Schriften über die Technik. In: Die
mige Ernst der Maschine ein, die aus dem Norden kommt, nicht vollkommen durchge¬
Schildgenossen 12 (1932) 6, S. 278.
170 RS. Vom Sterben der Anmut. In: Die Schildge¬ bildet in langem Gebrauch wie eines der Segelboote auf dem Corner See, kein dem
nossen 8 (1928) 3. S. 291. Menschen nahes Gerät wie Herd, Pflug oder Kerzenlicht, sondern abstrakt, uneigent¬
171 ebda. S. 289.
lich, schematisch, barbarisch. Bis zum neunten und letzten Brief entschließt sich der
172 August Hoff. In: Hans Schwippen. Zum 60. Ge¬
bunstag 1964 von Freunden. Privatdruck, 1964. Autor widerstrebend und schließlich ins Unabwendbare einwilligend, Ja zum Neuen zu
- Dominikus Böhm an Romualdus Wolters, sagen, die andere Geistigkeit des Technischen zu akzeptieren, eine neue Ordnung jen¬
Abt von St. Benediktsberg, 28. 1. 1927. Nach¬
seits der alten, menschlichen zu schaffen. Auch diese neue Zeit, dieses neue Bild werde
laß Böhm, HAStK.
Der Familienüberlieferung nach suchte aus der Tiefe geschaffen. »Wir sehen seine Vorboten. Am gewaltigsten in Werken der
Schwarz nach einem Aufenthalt in Rothenfels Architektur.« Es werde nicht mehr die alte hierarchische Ordnung sein, sondern »ein
Böhm in Offenbach auf, um sich ihm vorzu¬ Nebeneinander, aber in Zucht und gebunden vom Wesen her.« Der geweihte Priester
stellen. Böhm förderte zwar Schwarz’ Beru¬
Guardini findet für sein in den elegischen Episteln so farbiges Buch nur einen matten
fung, entscheiden konnte er sie nicht: »Was
Ihre Anstellung betrifft, kann ich Ihnen un¬ Schluß, und er weiß es. Im Grunde könne er über dieses »Hervordrängen von Gestalt
verbindlich mitteilen, daß ich glaube, daß Sie überall« nicht mehr sagen als seinen Glauben, Gott sei am Werke.'64
wohl Aussicht haben, gewählt zu werden,
Von den Briefen vom Corner See unterscheidet sich die Wegweisung der Technik schon in
nachdem Ihre Zeugnisse, wie ich hörte, sehr
gut sind.« Dominikus Böhm an RS, 27. 12. der Form des Buches (Abb. 61-63). Großes Format, großer Satzgrad, fette serifenlose
1924. Schrifttype suggerieren die Unabweisbarkeit des Technischen. Vierzehn Bildtafeln mit
173 Johannes Krahn. Nachruf für Professor Dr. Ru¬
Fotografien von Albert Renger-Patzsch vermitteln die Faszination präzise arbeitender
dolf Schwarz. 23. 6. 1961. Typoskript. Archiv
Akademie der Kunst, Berlin. S. 1. Nockenwellen, den Marschtritt stählerner Halterungen, die unerschütterliche Stand¬
174 RS an Paula Schwarz, 9. i.(?) 1925, 2. 2. 1925. festigkeit einer Batterie von Kränen. Daß auch gotische Pfeiler und Strebebögen oder
der normierte Wuchs von Rottannen durch das Walten des rationalen Prinzips geprägt
sind, soll »als Hinweis auf die Weite und die Tiefe der Fragen« genommen werden.'6?
Typographie und Layout stammen von Ernst Birkner, dem Leiter der Satz- und Druck¬
werkstatt an der Aachener Kunstgewerbeschule. Die äußere Buchgestalt vermittelt auf
den ersten Blick ein anderes, fasziniertes Verhältnis zu allem Technischen als Guardinis
61 Ernst Birkner (Typographie). Titelblatt Weg¬
weisung der Technik. Potsdam 1928. Brevier. Schwarz hatte sich die Publikation als ersten Band einer Reihe von Aachener
Werkbüchern vorgestellt, in der die »großen Form- und Werkfragen der Zeit« behandelt
würden - nach dem Muster der Bauhausbücher.166
Bei anrührenden Schilderungen gefährdeter Kulturidyllen hält Schwarz sich in der
RUDOLF SCHWARZ
Wegweisung der Technik nicht auf. Bereits sein erster Satz wendet sich gegen die Vorur¬
WEGWEISUNG teile, mit der schon das Wort Technik übersättigt sei. Jenseits von Rationalität, Bere¬
chenbarkeit und Instrumentalität tritt Technik als eine der Natur ebenbürtige, unerbitt¬
DER TECHNIK liche, geistdurchdrungene Produktivkraft auf, als die irrationale Gewalt des entfesselten
ERSTER TEIL Triebs. In großartiger Monotonie stellt sie das Gesetz der Serie gegen das Gesetz des
Organisch-Einmaligen. Ihre Zeitkategorie ist die ewige Wiederkehr, die Geschichte
MIT BILDERN
NACH AUFNAHMEN aufhebt.
VON ALBERT RENGER-
PATZSCH
Die Wirkung der Großen Technik auf den Menschen analysiert Schwarz mit der Uner¬
bittlichkeit, wenn auch nicht mit dem Zynismus, die Ernst Jüngers wenig später, 1932,
erscheinende Studie Der Arbeiter kennzeichnen. Technik läßt, laut Schwarz, die Men¬
schen zur Masse werden, der sie die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit ihrer Pro¬
duktion garantiert, deren Glieder sie gleich und untereinander frei macht. Zugleich
entzieht sie ihnen alles, was der Liebe entspringt: Heimat, Tiefe, Ursprung, Keusch¬
heit. Humanistischen Rettungsversuchen, wie sie Schwarz in seinem Metier bei Peter
Behrens und beim Bauhaus erkennt, gibt er keine Chancen. Es kommt nicht auf Dome¬
stizierung durch gefällige Form an, sondern auf die Erfüllung des Gesetzes. Die
Abstraktion der Technik muß akzeptiert, ihr Rhythmus vollzogen, aber mit großen
Inhalten gefüllt werden. Guardini, der vom Manuskript »einen sehr starken Eindruck

48
gewonnen« hatte und den Freund ermunterte: »Mach die Schrift fertig und gib sie her¬
aus, es ist Zeit«, kritisierte - bezeichnend für die unterschiedlichen Standorte - die
»dynamische Auffassung« und die Schwarz sehe Idee von Person, die »etwas tiefer
gehen« könnte.'67
So sehr Schwarz auch die tiefe Skepsis Guardinis hinter sich ließ (und so sehr er ihn ja
auch schon mit seinen Rothenfelser Lösungen irritiert hatte), zu den vorbehaltlosen
Apologeten der 'Technik gehörte Schwarz nicht. In den zwanziger Jahren gab es eine
umfangreiche Literatur, die für ein produktives Verhältnis der Zeitgenossen zur Tech¬
nik warb. Friedrich Dessauer hat sie in seiner Philosophie der Technik resümiert. Dessau¬
ers Buch, dessen erste Auflagen gleichzeitig mit der Wegweisung erschienen, ist selbst
ein beredtes Beispiel für den heroischen Optimismus, den diese Generation so kurz
nach dem ersten volltechnisierten Weltkrieg aufbrachte. Der »große Inhalt« der Tech¬
nik ist die Technik selbst. Technik ist nicht ein Instrumentarium, das zu jedem Zweck
gebraucht und mißbraucht werden kann, sondern bedeutet ihrer Intention nach eine
neue Ethik, eine neue Ästhetik. Für Dessauer heißt Technik selbstloser Anschluß an die
Natur und ehrfürchtige Arbeit für die Allgemeinheit in einer Dienst- und Schicksalsge¬
meinschaft aller Menschen. »Ein Reich der Ordnung steigt zu uns aus der Welt der
Ideen nieder«, oder, noch apodiktischer: »Technik ist Begegnung mit Gott«.168
Dessauers »radikaler Optimismus« war für Schwarz nicht nachvollziehbar.169 Eine
Totalität des Technischen konnte und wollte er nicht proklamieren. Seine Wegweisung
der Technik läßt Alternativen zu. »Was auch entstehen mag, die neue abstrakte Form
bleibt eine Sache der Berufung und der Situation. Niemals darf und kann sie für alle
und allenthalben gelten.«170 Als zweiter Pol soll die organische Struktur gelten. Sie soll
neben der Abstraktion bestehen oder sich mit ihr durchdringen, so wie auch die goti¬
sche Architektur neben der kristallinen Klarheit die zarte Vegetation der Knospenkapi¬
telle gekannt habe. Aber ohne die Faszination durch die »kalte Hochglut«, die »zugleich
heißeste Inbrunst des Geistes und eisigste Kälte des Weltraums«'71 ist, wäre die weiße,
avanciert moderne Epoche in Schwarz’ Schaffen am Ende der zwanziger Jahre nicht
denkbar gewesen. Davor standen freilich die ersten Lehr- und Berufsjahre in Offen¬
bach.

»Der überzeugend wohnhafte Mann«: Dominikus Böhm

Mit dem Beginn des Jahres 1925, also wenige Monate nach Beginn seiner Tätigkeit für
Burg Rothenfels, ging Schwarz - empfohlen durch den Duisburger Museumsleiter
August Hoff und den großen Kirchenbaumeister Dominikus Böhm'72 - als Lehrer an
die Technischen Lehranstalten Offenbach. In dieser Schule waren eine Kunstgewerbe¬
schule, eine Baugewerkschule (»Hochbauabteilung«) für die mittleren technischen
Laufbahnen bei der Staatsbauverwaltung, eine Maschinenbauschule und eine Hand¬ Albert Renger-Patzsch. In: Rudolf Schwarz.
werkerschule zusammengefaßt. Ihr Direktor war seit 1907 der Offenbacher Architekt Wegweisung der Technik. Potsdam 1928.
62 Rottannenforst nach dem Schneesturm.
Hugo Eberhardt. Die Schule warb damit, daß die Schüler jeweils auch an den Lehrver¬
63 Kranreihe in einem deutschen Ostseehafen.
anstaltungen der anderen Abteilungen teilnehmen konnten, an Raumkunst und Innen¬
ausbau, an kunstgeschichtlichen Vorlesungen, an der Arbeit in Kunstschmiede und
Schreinerei, an Aktzeichnen und Malen nach der Natur. Besonderes Renomee hatte die
Werkstatt für Schrift mit dem Schriftkünstler Rudolf Koch. Eigentlich ein frühes Bau¬
haus, fand Johannes Krahn, ein Absolvent der Schule.'73
Schwarz, als »Hilfslehrer« eingestellt, hatte alle möglichen Lehrverpflichtungen. Er
gab Mathematik (»etwa die Stufe von Oberprima und Untersekunda«), Bauzeichnen,
sogar »Geschäftskunde« - wo die Studenten lernten, Bewerbungen und Ausschreibun¬
gen zu verfassen -, dann auch Kunstgeschichte, Baukonstruktionslehre und architekto¬
nischen Entwurf. Das Lehren machte ihm Spaß. Den Unterricht fand er selbst amüsant
und nicht sehr anstrengend. Es blieb genügend Zeit, mit der er »pompöse Dinge«
anfangen wollte.Krahn hat diese Epoche aus der Schüler-Perspektive geschildert.
»Seine Hilflosigkeit machte ihn persönlich liebenswert und jeder, auch der Stumpfeste,

49
spürte die starke Geistigkeit, die er ausstrahlte, und die verwandelnd in das Gefüge der
Schule eingriff.«'7.‘i
Ein Gewinn der Offenbacher Jahre war die Freundschaft mit Dominikus Böhm
(1880-1955, A^h. 64), der als »Hauptlehrer für Baukunst« und »Studienrat« seit 1908
in Offenbach lehrte. Böhm konnte zu diesem Zeitpunkt bereits auf ein bedeutendes
architektonisches Werk zurückblicken. In Offenbach und Dettingen hatte er nach dem
Ersten Weltkrieg zwei kleinere basilikale Kirchen errichtet, im südholländischen Vaals
eine Benediktinerabtei, in der er das ganze Register expressionistischer Architekturro¬
mantik gezogen hatte. Die Kriegergedächtniskirche St.Johann Baptist in Neu-Ulm, ein
Auftrag von 1926, deckte er wie die Sakralräume in Vaals mit vielteiligen, spitzbogigen
Gratgewölben (Abb. 65). Deren Beton wurde ohne Schalungen auf Eisengeflechte auf¬
gebracht, die unter den Konstruktionseisen befestigt waren. Die wichtigste ästhetische
Aufgabe dieser Rabitz-Faltwerke war es, prismatisch gebrochene Flächen von unter¬
schiedlicher Helligkeitsintensität zu erzeugen und das Licht als auszeichnendes, »zei¬
gendes« Moment einzusetzen. Böhm rechtfertigte solche starken Effekte damit, daß die
Mittel im »aufgeregten Erwerbsleben unserer Zeit« kräftiger ausfallen müßten als in
64 Dominikus Böhm.
früheren Epochen.17*5
Effektvolle Lichtregie war ein Charakteristikum der Böhmschen, nicht aber der
Schwarzschen Sakralbauten. Schwarz nannte die Bauten des älteren Freundes »aus¬
gesprochen einmalige Werke, Individualitäten« und schilderte Neu-Ulm mit einem
175 Johannes Krahn. Nachruf für Professor Dr. Ru¬ Anflug von Kritik als »feingliedrig, empfindlich, labil«.'77 Wenn er zugleich Böhm zu
dolfSchwarz. a.a.O. S. 1. jenen Architekten zählte, die den »Weg zur harten Einfachheit der einen großen Raum¬
176 Dominikus Böhm, Martin Weber. Der Bau
form« gingen,'78 beschrieb er eher die Absichten, denen zu diesem Zeitpunkt Böhm
und seine innere Ausgestaltung. In: Denkschrift
zur Einweihung der Katholischen Pfarrkirche Pe¬ (und er selbst) nachgingen, als die Realität dieser affektreichen Stimmungsarchitektur.
ter und Paul zu Dettinaen am Main. Dettingen Böhm nahm sich aus der Kunstgeschichte, was er brauchen konnte. Romanische West¬
1923. S. 8.
werke und Doppelturmfassaden, spätgotische Fächer-, Stern-, Zellen- und Spring¬
177 RS. Bischofsheim und Neu-Ulm. Zwei neue
Werke von Dominikus Böhm. Ln: Die Schild ge¬ gewölbe und barocke Lichtinszenierungen schmolz er in seine Entwürfe ein. »Corrado
nossen 7 (1927) 2, S. 158. Riccis Buch über die italienische Romanik lag stets auf dem Arbeitstisch, zerlesen und
Mit etwas deutlicheren Vorbehalten zu Böhm mit Notizen und Merkzeichen gespickt.«'79 Einen vergleichbar intensiven, wenngleich
äußerte sich Schwarz privatim: »Nebenbei
möchte ich bemerken, daß Dominikus Böhm
freien Umgang mit der Historie hat sich Schwarz in seinem Werk nie gestattet.
Aber Böhm gegenüber war Schwarz tolerant. Kritik erlaubte er sich öffentlich nur in
den vorsichtigsten Andeutungen: Eine solche »Durchglühung und Verlebendigung«
des Vergangenen sei »nicht der einzig denkbare Weg«. Im übrigen hielt Schwarz 1927
die früheren Kirchbauten mit ihrem Formenreichtum, ja -Überreichtum offensichtlich
für eine überwundene Phase im Schaffen Böhms. »Während die bisherigen Bauten mit

65 Dominikus Böhm. Kriegergedächtniskirche einer wahren Lust sich an der errungenen Form und der technischen Sicherheit genug
St.Johann Baptist. Neu-Ulm. 1926. Taufkapelle. tun, setzt nun Vereinfachung und Konzentration ein.«'80 Allerdings schlossen Verein¬
fachung und Konzentration auch im späteren Werk Böhms die Berufung auf historische
Architektur, besonders auf die mauernschwere und figurenstrenge Romanik nicht
aus.'8' Doch auch für solche Monumentalisierungen hatte Schwarz Verständnis, sofern
sie von Böhm kamen: »Dem in seiner Leiblichkeit so überzeugend wohnhaften Manne
liegt nun einmal das Dünne und Magere nicht.«'82
Beide Architekten entwarfen gemeinsam »umfangreiche Arbeiten kirchlicher
Kunst«.'83 Nachweisbar ist allerdings aus der Offenbacher Zeit nur ein Projekt für
einen einzigen Standort, so daß sich von einer Ateliergemeinschaft kaum sprechen läßt.
Ansicht und Lageplan eines von fünf unterschiedlich hohen Rundtürmen umstellten
Ovalbaus, datiert auf den 3. 5. 1925 (Abb. 66, 67, WV 2), sind von beiden signiert, eine
weitere Ansicht ist unsigniert.'84 Die Ansichten wirken wie realistische Fassungen jener
vielfach gestaffelten sakralen Stufenberge, die sich bei Schwarz als Kohlezeichnungen,
datiert auf den 30. 11. 1923 (oder 1925) (Abb. 25) erhalten haben.
Der Grundriß scheint aus dem Projekt der Meßopferkirche Circumstantes von Böhm
und dessen Mitarbeiter Martin Weber (1922, Abb. 59, 60) entwickelt. Bei Circumstantes
erhebt sich der Hauptturm über dem östlichen Brennpunkt der Grundrißellipse, und
die niedrigen vier turmartigen Kapellen assistieren an der Peripherie. Beim Böhm-
Schwarz-Projekt ist der Hauptturm als Chorturm nach Osten gewandert. Innen war ein
parabolisches Gewölbe geplant. Gemeindehaus, Schwesternhaus, Kaplan- und Küster¬
wohnung vervollständigen die Anlage. Den Verfassern stand eine konkrete Situation
vor Augen, da im Lageplan Höhenlinien und Straßenführung eingetragen sind.185

50
und sein Schüler bezw. zeitweiliger Minim,
ter Martin Weher durchaus nicht repi’.v :it..
tiv für eine Bewegung dastehen, sondern da
die Formensprache Böhms eine außerordent¬
lich starke und geistvolle ist. aber doch
im Ganzen nur als Beitrag und persönliche
Äußerung dieses Künstlers zu werten ist- (RS
an Karl Muth, Redakteur des Hochland, 16. 12.
1927). Im späteren Rückblick schienen ihm
einige frühe Arbeiten »etwas zuckerbäckerlich
geraten« (RS an Ulrich Conrads, 7. 1. 1954).
178 RS. Sakrale Baukunst. Ein langes Vorwort und
ein kurzes Beiwort zu einem neuen Werk des Do¬
minikus Böhm. In: Schritt der Zeit. Sonntagsbei¬
lage der Kölnischen Volkszeitung 66 (1925) 919,
U- 3-
179 RS. Dominikus Böhm. In: Baukunst und li 'erk-
form 8 (1955) 2, S. 73. - »Corrado Riccis
Buch«: Der reich illustrierte Band (Romanische
Baukunst in Italien. Stuttgart 1925) war in Ju¬
lius Hoffmanns Bauformen-Bibliothek erschie¬
nen. Auch Schwarz besaß den Band, ebenso
wie Julius Baums Romanische Baukunst in Ita¬
lien (Stuttgart 1929).
180 RS. Dominikus Böhm und sein Werk. In: Mo¬
derne Bauformen 26 (1927) 6, S. 226ff.
Es ist nicht auszuschließen, daß Schwarz
selbst das Werk Böhms im Sinne einer stärke¬
ren Formvereinfachung beeinflußte, vgl. Ve¬
ronika Darius. Für die Gemeinschaft bauen. Stu¬
dien zur Architektur Gottfiied Böhms von i960
bis 1970. Diss. Bonn o.J. (1983). S. i2off.
181 Die Vorbildlichkeit romanischer Architektur
auf dem Wege zu einem strengeren Bauen
deutete auch Schwarz an: »Das Romanik-Pro¬
blem, das eine gewisse .Aktualität hat... » RS
an Werner Becker und Romano Guardini, 21.
10. 1928. - vgl. auch Holger Brülls. Neue
Dome. a.a.O. S. 100 ff.
182 RS. Dominikus Böhm. 1955. a.a.O. S. 73.
183 RS. Lebenslauf für die Bewerbung als Direk¬
tor der Aachener Handwerker- und Kunstge-
werbeschule. StA Aachen.
184 Daß das in August Hoff, Herbert Muck, Rai¬
mund Thoma. Dominikus Böhm. München
1962. S. 143 (vgl. auch S. 504) abgebildete
»Idealprojekt« das einzige bekannte Blatt sei,
das beide Architekten signiert hätten, trifft da¬
her nicht zu. Das »Idealprojekt« gehört eben¬
falls in den Zusammenhang dieses Projekts,
auch wenn der gewählte .Ansichtswinkel
infolge der Überschneidungen nicht fiinf
Türme zeigt.
185 Zahner erinnert in diesem Zusammenhang an
eine »große Kathedrale für Menden a.d.
Ruhr«, von der Rudolf Schwarz seiner Mutter
am 2. 2. 1925 schreibt. In: Rudolf Schwarz.
Baumeister einer Neuen Gemeinde. a.a.O. S. 31.
Für diese Zuschreibung sprechen weitere In¬
dizien. Ein Heft im Nachlaß mit Eintragun¬
gen über Korrespondenz und Projekte führt
unter 1925 auf: »Entwürfe Menden (2 Ent¬
würfe).« Anfang 1926 korrespondiert Schwarz
mit einem Bekannten aus Menden wegen »der
Kirchenbausache« (Heinrich Kempfer an RS,
4. 2. 1926). Ein Modellfoto im Nachlaß ist mit
»Kirchberg für M« beschriftet. Am 19. 1.
1929 teilt Böhm seinem Freund mit, er werde
Preisrichter bei einem Wettbewerb in .Men¬
66 Dominikus Böhm, Rudolf Schwarz. Kirche
den sein: »Ich möchte gern wissen, ob das die¬
für Menden bei Iserlohn (?). 1925. Kohle. Nach¬ selbe Sache ist, für die wir in Offenbach 2
laß Dominikus Böhm, Köln. Projekte ausgearbeitet haben.« Bei der
Jurysitzung 1929 ging es um den Neubau von
67 Dominikus Böhm, Rudolf Schwarz. Kirche St. Walburga (Auskunft des .Archivs der Stadt
für Menden bei Iserlohn (?). 1925. Kohle. Menden).

51
ikus Bol m an RS, 22. 12. 1925. HA Es spricht für die Wertschätzung des Jüngeren durch den Alteren, daß Böhm den »lie¬
! kam nicht zustande, weil ben Doktor Schwarz« als Assistenten mitnehmen wollte, nachdem er einen Ruf nach
,(■ • !•;>, n<: Si**t; 1 tvcrordneten die Assistenten-
• : .-m-lunigten. Oberbürgermeister
Köln als Leiter der Abteilung für religiöse Kunst an den Kölner Werkschulen erhalten
K< nr:ui Vlea Hieran RS, 26. 3. 1926. hatte. Er erwähnt »große Verpflichtungen« Schwarz gegenüber - und auch, daß er
löhm an RS, 30. 12. 1925. ihn »auch als Mensch lieb gewonnen habe, ganz abgesehen von den fachlichen Quali¬
1 B ihm, r. 8. 1926. HAStk.
täten.«186 Böhm versprach sich »eine recht gedeihliche Zusammenarbeit auf dem
Böhm, 24. 6. 1926. IIAStk
Köln. Gebiete, das uns beiden viel Freude machen wird und das unsere Lebensaufgabe ist«,187
; Dominikus Böhm an RS, 16. 3. 1927. während Schwarz den Kirchenbau nicht mit der gleichen Ausschließlichkeit als seine
19t Dominikus Böhm an RS, 12.3. 1927. - Ähn¬
Lebensaufgabe betrachtete.
lich Dominikus Böhm an RS, 30. 11. 1928.
192 RS. Dominikus Böhm.. 1955. a.a.O. S. 72 ff. Lob Für Schwarz ergaben sich aus dem Weggang des »lieben Herrn und Meister«'88 aus
empfahl sich auch wegen der Empfindlichkeit Offenbach zusätzliche Pflichten im Lehramt. Er fühlte sich mißbraucht und wäre
Böhms: »Böhm hat nämlich außer mehreren »herzlich froh«, die Offenbacher Episode abzuschließen. »Hier gehöre ich nicht hin.
hunderttausend guten Eigenschaften eine
schlechte, daß er die herbe Höhenluft aufbau¬
Man vertut meine Arbeitskraft an gleichgültige Dinge.«'89 Die Entfernung zwischen
ender Kritik nicht liebt, weil er seine Ge¬ Köln und Offenbach schloß im Falle der Frauenfriedenskirche eine neuerliche Zusam¬
ruchsorgane lediglich auf Weihrauch einge¬ menarbeit zwischen Böhm und Schwarz nicht aus, zumal Schwarz’ sich in Köln aufhielt,
stellt hat.« RS an Ulrich Conrads, 8. 2. 1954.
wenn er seine Familie besuchte.
193 Dominikus Böhm an RS, 11. 3. 1955.
194 Emmy Schweitzer an RS, 8. 9. 1926. »Im Als Schwarz sich 1927 für das Direktorat an der Kunstgewerbeschule Aachen bewarb,
Preisrichter-Kollegium für die Frauenfrie¬ sondierte Böhm zugunsten des »alten« - und noch sehr jungen - Freundes. Befriedigt
denskirche sitzen die Leute, die Du Gerta
berichtete er von dem Eindruck, den Schwarz’ Vita gemacht hatte: »Katholik, Mensch
[Krabbel] angegeben hast... Ist es Dir so
recht?« - RS an Dominikus Böhm, 13. 9. und Künstler - wat willste noch mehr.«190 Der Ton der Briefe ist locker und meist
1926: »Das Preisgericht für die Frauen-Frie- humorig. Beide lieben es zu flaxen. Da am Dessauer Bauhaus die Neue Sachlichkeit
denskirche haben wir jetzt zusammenge¬ auch für die Typographie propagiert wird, übt auch Böhm die neue Kleinschreibung
bracht. Es scheint mir günstig. Jedenfalls
sind die bekannten Einflüsse von Frankfurt
und ergänzt sie ums Zusammenschreiben der Wörter: »böhmhatdieneueschreibweise
und München abgeriegelt.« Nachlaß Böhm, dessausindenschattengestellt; erstjetztisteserreicht«. Adressiert wird die Entdeckung -
HAStK. Schwarz hat bereits den Aachener Posten in Aussicht - an »Direktorprofessordoktor-
195 RS an Dominikus Böhm, 1. 8. 1926. HAStK.
schwarzrudolfoffenbachzurzeitnochspäteraachen«.'9'
196 Emmy Schweitzer an RS, 10. 2. 1927.
Die Verbindung mit Böhm blieb bis zum Tode des Alteren im Jahre 1955 herzlich, auch
wenn beide, durch siebzehn Lebensjahre getrennt, nie zum vertraulichen Du fanden.
Schwarz war in diesem Verhältnis der intellektuell argumentierende Partner, der sich
über seine Position und die des vitalen Weggefährten Rechenschaft ablegte und den
Kunstcharakter des Bauens einforderte. Böhm dachte da einfacher, wenn man will:
demütiger. Nach der Lektüre einer Schwarz’schen Eloge auf ihn'92 bekannte er, im
Todesjahr 1955, es sei ihm nicht gegeben, sich für den »schönen Aufsatz« angemessen
197 Gerta Krabbel an RS, 17. 4. 1925, 22. 6. 1925.
198 Dominikus Böhm, Telegramm an RS, 27. 9. zu revanchieren. »Und was Sie sonst schreiben über die Architektur ist so schön gesagt,
1926. »Mitmache mit Ihnen. Boehm.« daß ich darüber erstaunt war, da ich doch niemals an >hohe Kunst< bei meinen Arbeiten
199 In den Wettbewerbsprotokollen, die in den
gedacht habe. Ich wollte einfach ein schönes, vernünftiges Gotteshaus bauen. Man kann
Nachlässen Böhm und Schwarz liegen, sind
diese Projektbezeichnungen rot angestrichen. ja eigentlich selbst gar nichts dafür, denn alle wirkliche Kunst ist ja Gnade und der
Im Briefwechsel zwischen Böhm und Schwarz Künstler das Werkzeug Gottes. «'93
wird außerdem ein Projekt Treuherzig erwähnt
(Dominikus Böhm an RS, 14. 3. und 15. 3.
1927). Vielleicht war es identisch mit Commu-
nio und wurde wegen des einfältigen Mottos
im letzten Augenblick umgetauft?
Man darf jedenfalls davon ausgehen, daß die
Partner fünf Projekte eingereicht haben, zu¬
»Opfergang«: Die Frauenfriedenskirche
mal Rosa mystica im Briefwechsel erwähnt
wird. Auf eine entsprechende Mitteilung
bezieht sich Emmy Schweitzer, 12. 3. 1927:
Mit großem Erfolg, dem dann doch die Realisierung versagt blieb, arbeiteten beide
»Lieber Rudolf! 5 Modelle in Gips! Gerta
[Krabbel] verliert die Fassung, wenn sie das Architekten für die Frankfurter Frauenfriedenskirche zusammen. Der Wettbewerb war
hört«. Auch Böhms Anfrage vom 18. 9. 1928 unter den katholischen Architekten Deutschlands ausgeschrieben. Böhm lebte zum
läßt eher auf fünf als auf drei Projekte Zeitpunkt der Ausschreibung - die Abgabe der Projekte war ursprünglich zum 1.Januar
schließen: »Sollen wir nicht einmal einige
Frauenfriedens-Kirchenprojekte in die Schild¬
1927 verlangt - bereits in Köln. Über die Wettbewerbspläne war Schwarz frühzeitig
genossen geben?« (Dominikus Böhm an RS, informiert. Er scheint sogar Einfluß auf die Auswahl der Preisrichter genommen zu
HAStK Köln). Zu Communio und Rosa mystica haben.'94 Gerta Krabbel, die Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes
haben sich keine Materialien erhalten.
(»Krabbelchen«'93), erkundigte sich bereits 1925, ob Schwarz sich bei einem beschränk¬
200 Vgl. Karin Becker. Rudolf Schwarz 1897-1961.
Kirchenarchitektur. a.a.O. S. 34h ten Wettbewerb beteiligen würde, hielt ihn über die Entwicklung auf dem laufenden
201 Erläuterungsbericht. Typoskript. und sorgte sich - wider alle Jurorenmoral -, »ob sie wohl den Euren [Entwurf] unter
202 ebda.
den vielen anderen herausfinden würde.«'96 Den Plan, eine »Frauenfriedenskirche«
203 Dominikus Böhm an RS, 12. 3. 1927.
204 Im Nachlaß Böhm, HAStK. »um der Idee des Friedens willen« und zur Erinnerung an deutsche Gefallene zu bauen,
205 ebda. hatten katholische Frauenverbände schon kurz nach dem Kriege gefaßt. Zunächst war

52
an eine Realisierung in Marburg gedacht, dann aber ein Grundstück in Frankfurt-
Bockenheim erworben worden, mitten in einem Villenviertel an der Ginnheimer 1 lohe
und durch seine Lage an der Zeppelinallee gut sichtbar. Es gab Baupläne, »die einen
gotisch, die anderen harock.« Nachdem die Inflation das angesammelte Baukapital ver¬
zehrt hatte, war ein neuer Anfang nötig. Nun sollte es »etwas Eigenes aus der Gegen¬
wart sein«, wenn auch »Exzentrisches« keine Chance haben würde.197 Um die Finan¬
zierung zu erleichtern, sollte die Frauenfriedenskirche zugleich als Pfarrkirche der
Gemeinde St. Elisabeth dienen.
Schwarz erkundigte sich bei Böhm, oh sie gemeinsame Sache machen wollten.'98
Damals war es Architekten noch erlaubt, mehrere Entwürfe einzureichen - und auch
die noch in Varianten. Die fünf Projekte trugen dem Brauch der Zeit entsprechend
Namen: Auferstehung, Communio, Opfergang, Posteritati, Rosa mysticaDie Erläute¬
rungsberichte, von denen sich nur drei in den Nachlässen von Böhm und Schwarz
erhalten haben, schildern das siegreiche Projekt Opfergang als »klare, große Baumasse«,
Auferstehung als einen »mächtigen Centralbau« und Posteritati als »Kreuz mit energisch
betonten Querarmen«, einer angehängten Kapelle und einem Glockenturm auf der
Rückseite (Abb. 69). Im Sinne der Liturgischen Bewegung war Posteritati das kühnste
Projekt, da die Gläubigen bereits dreiseitig, also auch in den Querhäusern, um den
Altar geschart sein sollten.
Opfergang (Abb. 70-72, WM 4) beeindruckt durch die strenge Einheitlichkeit, die
Gemeinderaum und Altarhaus in eine einzige Kastenform faßt. Sogar der 26 m hohe aoö .pomtiwjr
Turm läuft bündig mit dem Kirchengiebel und teilt sich mit ihm die schräg ansteigende
Dachfläche. Das asymmetrische Fassadenbild wirkt sehr ungewöhnlich, wenn auch die
Ausbildung einer ausgesprochenen Schaufront von Böhms früheren Projekten her ver¬
traut ist.200 Schwarz dagegen faßte in seinen späteren Arbeiten die Kirchen stets als
Volumen oder als Gruppen von Volumen mit gleichberechtigten Ansichtsseiten auf, die
keiner eigentlichen Fassade bedurften. Textile Wundbehandlung - Böhm verwies auf S.
Stefano in Bologna201 -, horizontale Bänderung durch einen Wechsel von Klinker und
Backstein sowie zehn Apostelfiguren an der langen öffnungslosen Wand (die restlichen
zwei an der Stirnseite) sollten es den Betrachtern leichter machen, die »harte Einfach¬
heit« der Massenwirkung zu akzeptieren. Das Purgatorium, das Burg Rothenfels bevor¬
stand, wirkte sich auf die Frauenfriedenskirche noch nicht voll aus.
68 Dominikus Böhm, Rudolf Schwarz. Frauen¬
Im Opfergang-Projekt war der Raum der Gemeinde dunkel und nur von rückwärts durch
friedenskirche, Frankfurt am Main. Projekt Auf¬
eine Fensterrose belichtet. Aber das erhöhte Sanktuarium mit dem Altar und einer Kreu¬ erstehung. Ansicht. Bleistift, sign. Böhm. Da¬
zigungsgruppe empfing strahlendes Licht durch große seitliche Fenster oder, in der tiert 3.3.1927. Nachlaß Dominikus Böhm,
Variante, durch ein Fenster an der Stirnwand. »Der Raum ist eine große Sehnsucht hin Historisches Archiv der Stadt Köln.

zum Lichte, deren Erfüllung ist Die OPFERSTÄTTE. OPFERGANG.«202 Als Weg durch das
69 Dominikus Böhm, Rudolf Schwarz. Frauen-
Dunkel der Not, als Gang der Soldaten durch den Tod und zugleich als Erinnerung an
friedenskirche, Frankfurt am Main. 1927. Pro¬
den Kreuzweg Christi war der Entwurf eine überzeugende Umsetzung der Idee, die hin¬
jekt Posteritati. Ansicht. Bleistift, sign.Böhm.
ter dem Programm der Frauenfriedenskirche stand. Begleitet wurde das Langhaus von Nachlaß Böhm, Flistorisches Archiv der Stadt
einem Nebenschiff, das Beichtstühle und Taufstein aufnahm und im Wettbewerbspro¬ Köln.
jekt nur durch zwei kleine Durchlässe mit dem Hauptschiff kommunizierte. Eine ton¬
nengewölbte Krypta sollte quer zum Langhaus liegen und durch den Beichtraum
zugänglich sein. Die große Sängerempore wurde durch eine breite Außentreppe
erschlossen, die - ein irritierender Nachteil - als der Hauptzugang erschien. Ihn jedoch
bildete ein vergleichsweise niedriger, nur 3 m hoher Eingang an der Giebelseite. »Opfer-
gang ist schön geworden«, fand Böhm, obwohl ihm die Perspektive Probleme gemacht
habe. »Ich kann diese Schmierage nicht mehr - ich kann nicht mehr zeichnen!«205
Die Vorliebe Böhms galt aber dem Beinahe-Zentralbau Auferstehung (Abb. 68). Skizzen
und Risse204 sind von Böhm signiert. Um den von einem Mittelturm bekrönten
Gemeinderaum scharen sich zwölf kleinere Türme, wie der zentrale von Kegelhelmen
bedeckt. Nach innen bilden sie Konchen in einer ondulierenden Folge. Die des Sank¬
tuariums ist größer als die anderen. »Die >Auferstehung< wird noch viel großartiger wie
alles andere... Ich verspreche mir davon jetzt alles.«205 Die Helme sollten mit grünem
Kupfer gedeckt, ihre Spitzen ganz oben vergoldet werden. Der 8 m hohe Unterbau
sollte in dunklem Klinker gehalten sein.
Dieser Baugedanke ließ Böhm nicht mehr los. Sowohl die Form der zylindrischen
Türme mit den bündig aufsitzenden Kegelhelmen wie ihre Gruppierung wurde in sei-

53
nem späterem CEuvre, aber auch in dem seines Sohnes Gottfried noch lange Zeit später
weiterverarbeitet. Bei Schwarz dagegen läßt er sich sonst nicht nachweisen. Er ent¬
sprach auch nicht seiner grundsätzlichen Kritik am »christozentrischen Bauen«, die er
- nachsichtig auch hier - Böhm gegenüber nicht artikulierte. Der nicht bekannte Ent¬
wurf Rosa mystica könnte von Schwarz entworfen sein. Zumindest erbat die mit ihm
befreundete Emmy Schweitzer sich »ein Bildchen von Rosa mystica, dem Grundriß
und dem skizzierten Bild«,206 was sie wohl nicht getan hätte, wenn es nicht der Entwurf
des Freundes gewesen wäre. Wie immer die Entwurfsanteile beider Architekten an
Opfergang und Auferstehung zu bewerten sind207: Die unerbittliche Strenge von Opfer¬
gang, der kastenförmige Einraum mit dem begleitenden Nebenschiff, das »Rechteck
der Wegform«208, wurde zu einem Thema von Schwarz, die zentrierte, in ihren Über¬
schneidungen malerische und überaus frappierende Zeltstadt Gottes zu einem fortdau¬
ernden Baugedanken der Familie Böhm.
Bei der Jurierung der eingereichten Entwürfe schieden Rosa mystica, Auferstehung und
Posteritati im ersten, Communio im zweiten Rundgang aus, während Opfergang mit dem
ersten Preis ausgezeichnet wurde. Die Jury, in der unter anderen Peter Behrens, August
Eloff und Ernst May saßen, meinte zu Recht, das Projekt biete »mit seiner hervor¬
ragend einfachen und sakral überaus wirkungsvollen Lösung des Hauptkirchenraums
einen bedeutsamen Beitrag zur Lösung des Problems katholischer Sakralraum«.2°y Auf
Dominikus Böhm, Rudolf Schwarz. Frauenfrie¬
der Seite der Auftraggeber gab es jedoch Vorbehalte. Einige Mitglieder des Arbeitsaus¬
denskirche, Frankfurt am Main. 1927.
Projekt Opfergang. schusses hatten Bedenken, »ob der Entwurf auch den seelsorgerischen Bedürfnissen
70, 71 Außenansichten Rechnung trüge.«210
72 Innenansicht (Variante mit Chorfenster in Der Kritik an einzelnen Punkten kamen Böhm und Schwarz bei der Überarbeitung
der Längswand).
entgegen. Die ursprünglich fast vollständige Trennung des Nebenschiffes vom
Hauptraum hoben sie teilweise durch Rundbogen-Arkaden auf. Den niedrigen Ein¬
gang, der den »Gedanken einer Zufluchtsstätte, der sichtbaren Geborgenheit« aus-
206 Emmy Schweitzer an RS, 6. 5. 1927.
drücken sollte, vergrößerten sie. Am meisten Überwindung muß sie die Bereitschaft
207 Laut Raimund Thoma war Schwarz am Pro¬
jekt Auferstehung nicht beteiligt (Dominikus gekostet haben, den Turm zu erhöhen.211 Schwarz vermutete im nachhinein, die Beden¬
Böhm. a.a.O. S. 505), wogegen auch die Sig¬ ken der kirchlichen Auftraggeber hätten vor allem der von der liturgischen Erneue¬
nierung der Pläne durch Böhm spricht. Im¬
rungsbewegung inspirierten Zusammenfassung von Gemeinde und Altar in ein- und
merhin war Schwarz mit der Präsentation von
Rosa mystica und Auferstehung befaßt. »Wenn demselben Raunt gegolten.212
nicht anders möglich, dann machen Sie NUR Ihr »Opfergang« wurde den Architekten nicht gelohnt. Manchen Kritikern erschien
die >Rosa mystica< fertig.« »auferstehung un¬
der projektierte Raum zu dunkel. Auch die Hinweise, die Dominikus Böhm in den
bedingt modellieren« (Dominikus Böhm an
RS, 12. 3. 1927, Telegramm 14. 3. 1927). Erläuterungsberichten auf Vorbilder der italienischen Romanik gab - wieder einmal
208 RS. Kirchenbau. S. 13. hatte er bei Corrado Ricci geblättert! -, wirkten sich zum Nachteil aus. Ein Versuch
209 Preisgerichtsprotokoll. Typoskript. Böhms, den Juryvorsitzenden Behrens zum Eingreifen zu bewegen, stieß auf kühle
210 Protokoll der Sitzung des Arbeitsausschusses,
Reaktion.2I3 Der Auftrag ging an den Stuttgarter Architekten Hans Herkommen Des¬
27. 5. 1927. Typoskript. Archiv Katholischer
Deutscher Frauenbund, Köln. sen mit drei hohen Rundbogennischen monumentalisierter Fassadenturm hatte Ein¬
211 Erläuterungsbericht zum abgeänderten Projekt druck gemacht und wurde bis zum Jahre 1929 realisiert. Im Wettbewerb hatte Herkom-
Opfergang. Typoskript. - Der in Dominikus
mer nur einen Ankauf erhalten. Gerta Krabbel signalisierte im Mai 1927 ihren »großen
Böhm, a.a.O., S. 157 unten abgebildete Ent¬
wurf, dort als »Projekt IV« und »nicht einge¬ Schmerz« und tröstete: »Alles Große schafft sich langsam Raum«.21-4 In der Tat ging der
reicht« bezeichnet, ist die Überarbeitung mit Raumgedanke des Projekts nicht verloren. Zwei Jahre später führte ihn Schwarz in der
erhöhtem Turm. Diese Fassung ist auf den 30.
großen »Weg-Kirche« von St.Fronleichnam in Aachen weiter. Allerdings war es nun
4. 1927 datiert, entstand also einige Wochen
nach der Jurysitzung als Reaktion auf die ein heller, lichter Raum von einem Abstraktionsgrad, der ihm bei den katholischen
Jurybeurteilung. Frauenverbänden erst recht keine Chance gegeben hätte.

54
Den erfolgreichen Konkurrenten Herkommer schätzte Schwarz nicht übermäßig. Für
ein Buch über Kirchenbau, das er später in Aachen herausgeben wollte, war Böhm
herzlich eingeladen. Wie Schwarz über andere Sakralbau-Kollegen dachte, geht aus der
Aufzählung derer hervor, die in diesem Opus nicht vertreten sein sollten. »Nix [dreimal
unterstrichen!] Fahrenkamp + Holzmeister + Herkomer [sic] + Kurz + Pinand + Weber
+ Witte + Kill. Aber sehr Böhm + Van der Rohe + Aachen, usw.«2I5 Mit »Aachen« war
seine Architekturklasse an der Kunstgewerbeschule gemeint. Mies van der Rohes
Erwähnung ist umso bemerkenswerter, als es von Mies bis zu diesem Datum keinerlei
Sakralbau-Projekte gab.

»Bescheidener Gehorsam«: Die Kunstgewerbeschule Aachen

Die Verbindungen, die Rudolf Schwarz zu den Damen von Quickborn-Bewegung und
Katholischem Frauenbund unterhielt, waren jedoch nützlich, als er sich um das seit
1913 verwaiste Direktorat der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Aachen
bewarb.216 Auch Böhm hielt seine schützende Hand über seinen früheren Mitarbeiter
und nahm jede Gelegenheit wahr, seinen Schützling zu rühmen.2I? Obwohl der Dreißig¬
jährige der jüngste unter den 25 Bewerbern war218 - und obendrein, ein weiteres
Manko, unverheiratet! -, setzte Schwarz sich dank seines Konzepts, seiner persönlichen
Wirkung und seiner vorzüglichen Zeugnisse durch. Daß Schwarz noch keinerlei
Erfolge im eigenen Metier, der Architektur, vorzuweisen hatte - eine Kapelleneinrich¬
tung in Bendorf bei Koblenz (WV 3) war neben den Aufräumungsarbeiten in Rothen¬
fels der erste realisierte Auftrag -, schien nicht ins Gewicht zu fallen; der Wettbewerb
für die Frauenfriedenskirche wurde erst einige Wochen später entschieden.
Er selbst hatte enorm an Selbstvertrauen gewonnen. Ein gutes Jahr zuvor, als Böhm ihn
12 RS. Kirchenbau. S. 13.
nach Köln ziehen wollte, fürchtete er noch, die Aufgaben nicht zu bewältigen. »Unter
13 Peter Behrens an Dominikus Böhm, 27. 4.
so hohen Herren, dem besten Kirchenbaumeister und dem besten Monumentahnaler 1927. Behrens bedauert, »daß ich nicht wohl
der Welt [gemeint waren Böhm und Johan Thorn-Prikker], hat man es nicht leicht.«219 nachträglich etwas für Sie tun kann.«
14 Gerta Krabbel an RS, 26. 5. 1927.
Traute er sich damals kaum zu, den Assistenten zu machen, so war er ein gutes Jahr spä¬
15 RS an Dominikus Böhm, 19. 9. 1920. Nachlaß
ter bereit, den Direktor zu spielen. Am 8. März 1927 war die Sache perfekt. In der Sit¬ Böhm, HAStK.
zung des Schulvorstands wurde Schwarz einstimmig gewählt, drei Tage später von der 16 Gerta Krabbel und Emmy Schweitzer, die ihm
in den Tagen der Entscheidung über den
Stadtverordnetenversammlung bestätigt. Für fast sieben Jahre leitete Schwarz das Insti¬
Stand der Verhandlungen berichten, interve¬
tut im Hinterhof der Aachener Südstraße 40. Ein junger Besucher hat den Eindruck, nieren und geben Empfehlungen, welche Per¬
den er von dem ebenfalls jungen Direktor empfing, geschildert: »Sein einfaches Auftre¬ sonen Schwarz aufsuchen müsse - u.a. den
ten ist sehr angenehm, andererseits wirkte er auf mich reichlich selbstbewußt u. dok¬ Weihbischof Hermann-Josef Sträter: »Auf je¬
den Fall, vergiß nicht seinen Ring zu küssen!«
trinär, ein >typischer Künstler««220 Emmy Schweitzer an RS, 16. 2. 1927.
Die Aachener Handwerker- und Kunstgewerbeschule, in der Ara Schwarz KGSA 17 Dominikus Böhm an Romualdus Wolters, Abt
abgekürzt, war 1904 als »Zeichen- und Kunstgewerbeschule« gegründet worden und von St.Benediktsberg: »Er [Schwarz] ist über¬
zeugter Katholik, und ich stehe für ihn in
zog vier Jahre später in das umgebaute Fabrikgebäude an der Südstraße. Sie wurde als
allem ein, was seine Person betrifft.« 28. 1.
eine »Gemeindeanstalt« geführt und von Stadt und preußischem Staat zu gleichen Tei¬ 1927. Nachlaß Böhm, HAStK.
len finanziert.221 Ihrer Aufgabe, dem Handwerk künstlerisch und kunstgewerblich aus¬ 18 StA Aachen. - Böhm machte sich die Mühe,
andere frühe Berufungen an Kunstgewerbe¬
gebildete Kräfte zuzuführen, kam sie vor dem Direktorat Schwarz mit sieben hauptamt¬
schulen aufzuzählen. Hugo Eberhardt habe
lichen Lehrern nach, von denen sich vier Professor nennen durften, sowie mit weiteren im Alter von 2 8 Jahren die Leitung der Offen¬
nebenberuflich verpflichteten Lehrpersonen. bacher Kunstgewerbeschule übernommen,
Paul Thiersch das Direktorat von Burg Giebi-
Es gab Tagesschüler und Schüler, die zu Kursen am Abend oder am Sonntag kamen. In
chenstein bei Halle im Alter von 27. Domini¬
der Regel besuchten die Tagesschüler ein halbes Jahr lang die - von Schwarz eingerich¬ kus Böhm an den Aachener Schuldezernenten
tete - »allgemeine Abteilung« mit Mal- und Zeichenklasse, die als Vorschule galt, und und Bürgermeister Johannes Mundt, 15. 2.
wechselten dann in eine der Werkklassen über. Vorausgehende oder nachfolgende Aus¬ 1927. StA Aachen.
19 RS an Dominikus Böhm, 24. 12. 1925.
bildung in einem Handwerk mit Meisterprüfung waren erwünscht. Die Schule selbst
HAStK.
verlieh keine akademischen Abschlüsse oder Diplome. Nur für den öffentlichen Schul¬ 20 Hermann Schauffler an Walter Schwagen¬
dienst wurden bestimmte Lehrveranstaltungen angerechnet. Über die beruflichen Aus¬ scheidt, 9. 12. 1927. In: Burghard Preusler.
Walter Schwagenscheidt. 1886-1^68. Stuttgart
sichten des Absolventen ließ der offizielle Schulprospekt keinerlei Illusionen entstehen:
1985. S. 6of.
»Der Schüler, der die Schule verläßt, sieht sich als Angehöriger eines >freien Berufes< in 21 Statut der Handwerker- und Kunstgewerbeschule
den Konkurrenzkampf geschickt. Neben fachlicher Tüchtigkeit entscheiden über sei- zu Aachen. 30. 7. 1926. Typoskript.

55
nen Erfolg geschäftliche Begabung, persönliche Tatkraft und Gewandtheit, Beziehun¬
gen, Zufall und vieles andere. Deshalb können bestimmte Aussichten für ein späteres
Fortkommen nicht gemacht werden.«222
Den trostlosen Eindruck, den die Schule auf Schwarz bei seiner Amtsübernahme
machte, hat der junge Direktor beredt geschildert. In einer an den Oberbürgermeister
adressierten Denkschrift nennt er sie »personell hochgradig überaltet«. Sie habe die
Entwicklung in der kunstgewerblichen Entwicklung versäumt, erteile die Lehre als rei¬
nen Zeichenunterricht und gebe den Schülern keinerlei Chance, selbst Werkstücke
anzufertigen. Nicht einmal die Räume seien seit 1908 gestrichen worden. Stattdessen
stünden »viel ausgestopfte Tiere, Spirituspräparate, Gipsabgüsse u. dgl.« herum. Fazit:
»Die Schule spielt weder im Kunstleben des Rheinlandes noch dem des Reichs eine
irgendwie nennenswerte Rolle. Ihre Existenz ist so gut wie unbekannt.«223 Der »perso¬
nell hochgradig überaltete« Lehrkörper las die Attacke mit wenig Vergnügen. Der
Maler Josef Gollrad, der die Schule vertretungsweise von 1922 bis 1927 geleitet und
sich gleichfalls als Direktor beworben hatte, protestierte, verwies auf die miserablen
Umstände in Kriegs- und Nachkriegszeit und beklagte, daß der neue Direktor seine
Reformpläne nicht mit den älteren Kollegen diskutiert habe.
Schwarz forcierte den Ausbau von Werkstätten, wie es der fortschrittlichen Pädagogik
im Kunst- und Entwurfsbereich bereits seit der Jahrhundertwende entsprach.224 Schon
Gottfried Semper hatte sich 1852 in Wissenschaft, Industrie und Kunst für ein System der
Ateliers und Lehrwerkstätten ausgesprochen und für jenes brüderliche Verhältnis des
Meisters zu seinen Gesellen und Lehrlingen geworben, das angeblich im Mittelalter
bestanden habe. Im deutschen Sprachraum um und nach 1900 galten die Kunstgewer¬
beschulen in Berlin (unter Bruno Paul), Breslau (unter Hans Poelzig), Düsseldorf (unter
Peter Behrens), Halle-Burg Giebichenstein (unter Paul Thiersch), Magdeburg (unter
Rudolf Bosselt), die privaten Lehr- und Versuchsateliers Wilhelm von Debschitz’ in
München, Stuttgart (unter Bernhard Pankok), Straßburg und Wien als Lehrstätten, an
denen die handwerkliche Ausbildung besonders gepflegt wurde. In Preußen wurde sie
durch Hermann Muthesius gefördert, der seit 1904 im Preußischen Handelsministe¬
rium als zuständiger Referent für das gewerbliche Schulwesen amtierte.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden solche Ansätze mit noch einmal ver¬
mehrter Intensität diskutiert.223 Als Walter Gropius im Weimarer Bauhaus die Rück¬
kehr zum Handwerk forderte (»Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum
Handwerk zurück!«226), war seine Stimme eine von vielen - wenn auch eine besonders
emphatische. In Weimar selbst hatte Henry van de Velde mit seiner Kunstgewerbe¬
schule, einem Vorgänger des Bauhauses, schon über ein dutzend Jahre zuvor den Weg
gebahnt. Auch in Aachens Nachbarstadt Köln orientierte Richard Riemerschmid, der
1926 als Leiter der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule berufen wurde, die Lehr¬
tätigkeit auf praktische Arbeit, auf ein Klassen- und Werkstättensystem, auf »Werk¬
222 Handwerker- und Kunstgewerbeschule Aachen.
Prospekt. Aachen o.J. S. 13. kunst« statt »Kunstgewerbe«.227
223 RS. Denkschrift über die Neugestaltung der Die Benennung »Werkschule«, die in Aachen allerdings offiziell nie angewendet wer¬
Handwerker- und Kunstgewerbeschule. 1929. den durfte, war programmatisch. Schwarz brachte die Entwicklung auf eine kurze For¬
Typoskript, unpag. StA Aachen.
mel: »>Kunstschule< sagte man früher und man meinte damit Schulen, wo man das Bil¬
224 Eine frühe von zahlreichen Arbeiten zur
Pädagogik in Kunst und Kunstgewerbe: Ni¬ dermalen und dergleichen erlernen konnte. Dann sagte man >Kunstgewerbeschulen<,
kolaus Pevsner. Academies of Art. Past and Pre¬ was meinte, dort solle erlernt werden, wie man gewerbliche Dinge zu Kunstwerken
sent. Cambridge 1940.
hinaufverzieren könne; >Werkschule< (oder Gestaltungsschule) sagt man heute, und das
225 Vgl. u.a. Wilhelm Waetzoldt. Gedanken zur
Kunstschulreform. Leipzig 1921. meint, es solle gelehrt werden, wie man irgendein Werk ordentlich herstellt, so, daß es
226 Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar. recht und gut wird, wobei offen bleiben soll, ob man es nachher ein Kunstwerk nennen
Weimar, April 1919.
kann oder irgendwie anders.«228
227 Vgl. Ekkehard Mai. Vom Werkbund zur Kölner
Werkschule und Rüdiger Joppien. Richard Den Unterschied zwischen Akademie und Kunstgewerbe- oder Werkschule definierte
Riemerschmids Auftrag in Köln. In: Winfried Schwarz als den zwischen dem Bekenntnis des einzelnen großen Meisters einerseits
Nerdinger (Hg.). Richard Riemerschmid. Vom (wie er es bei Poelzig kennengelernt hatte) und der Bauhütte gleichgesinnter Mitarbei¬
Jugendstil zum Werkbund. Kat. Architektur¬
ter andererseits.229 Aachen sollte, natürlich, Bauhütte sein. Daß der Architekt Schwarz
sammlung TU München, Münchner Stadt¬
museum, Germanisches Nationalmuseum angesichts der Raumnöte des Instituts auch einen Neubau für die Schule anstrebte, ver¬
Nürnberg. München 1982. S. 39ff., 63 ff. steht sich. Die wirtschaftlichen Gegebenheiten ließen es nicht zu - ab 1929 herrschte
228 RS. Die christliche Kunst an Kunstgewerbeschu¬
Weltwirtschaftskrise.
len. In: Die Schildgenossen 9 (1929) 6, S. 523.
229 RS. Denkschrift über die Neugestaltung... a.a.O. Als erste neue Werkstatt richtete Schwarz ein Atelier für Monumentalmalerei ein (wor¬
unpag. unter auch Glasfenster, Mosaik und Fresko verstanden waren). Es folgte eine kerami-

56
73 Briefkopf des Direktors der Kunstge werU
schule Aachen.

derdirek Or derkun geujerbe cnu


aachen
sehe Werkstatt. Metall und Edelmetall, Bildhauerei, Porzellanmalerei, Satz und Druck,
Bucheinband, Paramentenstickerei und Schreinerarbeit waren weitere handwerkliche
Tätigkeitszweige. In bescheidenem Umfang sollte die Schule Aufträge von außen über¬
nehmen dürfen, um der Arbeit der Schüler einen konkreten Sinn zu geben. Es war
dabei an künstlerische Arbeiten gedacht, wie sie Handwerker in der Stadt, denen man
nicht Konkurrenz machen wollte, nicht ausführen konnten. In die neu begründete
»Fachabteilung Baukunst« teilte sich Schwarz mit Hans Schwippert. Sie »setzt im all¬
gemeinen Atelier- oder Baugewerkschulbildung voraus, die an theoretischen, prakti¬
schen und experimentellen Aufgaben ergänzt wird.«2?0 Entsprechend gliederte sich die
Lehrtätigkeit der Architekturabteilung in theoretischen Unterricht, in ein »aktives Ate¬
lier« mit der Bearbeitung praktischer Bauaufgaben, und in eine »Versuchsstätte«.2?1
Als festangestellte Lehrer mit lebenslangem Vertrag und Professorentitel hatte Schwarz
die Maler Hans Anetzberger, Josef Gollrad und Alfons Letailleur zu übernehmen, den
Kunstschlosser Wilhelm Giesbert, mit dem Schwarz auch bei eigenen Bauaufträgen
zusammenarbeitete, sowie die Architekten Hermann Arnold und Otto Karow. Zu
Karow entstand, schon aus der Konkurrenz der Fächer, ein dauerhaftes Konfliktver¬
hältnis. Die Planstellen ließen zwei Neuberufungen zu und weitere Neueinstellungen
bei den nebenberuflich beschäftigten Künstlern. So etwas wie ein Neuanfang wurde
möglich.
Hans (damals noch: Hanns) Schwippert (1899-1973, Abb. 271) kam aus dem Berliner
Atelier Erich Mendelsohns und brachte eine schmissige, eindrucksvolle Darstellungs¬
technik mit. Die Ansichtsskizzen des Büros profitierten davon. Bei Schwipperts Beru¬
fung wird Schwarz, als Sieger im Wettbewerb um die Frankfurter Frauenfriedenskirche
(gemeinsam mit Böhm), Schwipperts sensationelles Konkurrenzprojekt (Motto:
»Wandlung«) vor Augen gehabt haben. Schwippert hatte eine steil aufschießende, an
eine Sprungschanze erinnernde Baumasse über dreieckigem Grundriß vorgeschlagen,
eine »einzige Vertikale über dem Allerheiligsten« (Abb. 74). Die Jury - oder zumindest
die renommierten Architekten in ihr - hatte das gewagte Projekt als »gänzlich neuar¬
tige Lösung eines katholischen Kultraums« bezeichnet und mit einem Dritten Preis 230 Handwerker- und Kunstgewerbeschule Aachen.
a.a.O. S. 5.
belohnt.2?2 Andererseits hatte Schwippert bei Paul Schmitthenner in Stuttgart studiert 231 RS. Denkschrift über die Neugestaltung... a.a.O.
und war auf dessen Bekenntnis zur einfachen handwerklichen Fügung eingeschworen. unpag.
Baukunst war für Schmitthenner gesteigertes und verfeinertes Handwerk. 232 Hans Schwippert. Zit. in: Gerdamaria
Schwippert, Charlotte Werhahn (Hg.). Hans
Schwippert, nur um zwei Jahre jünger als sein neuer Partner, kam als ein Architekt mit
Schwippert. Schriftenreihe der Akademie der
eigenen Vorstellungen, der in dem von Schwarz geleiteten Atelier auch in größerer Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Ar¬
Selbständigkeit arbeitete.2?? Bei sehr unterschiedlichen Konzepten wie den drei Wett¬ chitektur und Denkmalpflege 23. Bonn 1984.
S. 28. - Bauwettbewerbe. Heft 17. Karlsruhe,
bewerbsarbeiten für die Heiliggeistkirche in Aachen liegt die Annahme nahe, daß den
August 1927. S. 28.
unterschiedlichen Handschriften auch eine unterschiedliche Autorenschaft entsprach Zu Schwippert: Charlotte M.E. Werhahn.
(vgl. S. 62ff.). Im Falle der Aachener Fronleichnamskirche entstand über die Urheber¬ Hans Schwippert (1899-1973). Architekt, Päda¬
goge und Vertreter der Werkbtindidee in der Zeit
schaft eine von beiden als lästig und unnötig empfundene Auseinandersetzung, in die
des deutschen Wiederaufbaus. Diss. TU Mün¬
Emil Steffann und August Hoff verwickelt waren.2?4 Beendet wurde sie mit einer chen. München 1987.
gemeinsamen Erklärung von Schwarz und Schwippert: Von Schwarz als dem verant¬ 233 ebda. S. 57ff. Die Autorin macht eine Zusam¬
wortlichen Architekten stammten Bauidee, formale Haltung, Anordnung und Dimen¬ menarbeit zwischen Schwarz und Schwippert,
»die über eine Mitarbeit von Schwippert hin¬
sionierung der Baukörper. Die Bearbeitung war durch Schwarz und Schwippert als
ausgeht«, für das Jugendheim in Aachen-
»architektonischem Mitarbeiter« gemeinsam erfolgt. Entwurf und Ausarbeitung des Burtscheid und den Wettbewerb für die Aa¬
Mobiliars und der Fenster stammten ausschließlich von Schwippert.2?5 chener Heiliggeistkirche geltend. S. 58.
234 Emil Steffann an RS, 25. 11. 1931. - August
An der Aachener Schule betreute Schwippert gemeinsam mit dem Direktor die Hoch¬
Hoffan RS, 8.1 2. 1931.
bauklasse und übernahm den Bereich Innenausbau. Schwippert engagierte sich für eine 235 Hanns Schwippert, RS. Gemeinsame Er¬
solide, gediegene Möbelproduktion, die dem Qualitätsbegriff von Schwarz’ eigenen klärung. Aachen, 11. 12. 1931. Typoskript.

57
Möbelentwürfen entsprach. Die »Haltung des anspruchslosen Dienens« war eine For¬
derung, die Schwippert an dieses gedrungene, ordentliche und brauchbare Hausgerät
stellte und die wie von Schwarz formuliert klang. »Das hat zur Folge gehabt, daß diese
Möbel... im Gegensatz zu den Erzeugnissen mancherlei zeitgenössischer Möbelbauerei
recht handfest dastehn.« Bei Möbeln für einen Montessori-Kindergarten (Abb. 75), von
Schwarz und Schwippert gemeinsam entworfen, war diese Haltung auch von dem
Gedanken motiviert, den Kindern »Grundformen des Möbels« zu vermitteln, neben
dem Materialerlebnis des unbehandelten Ffolzes.2,(’ Entwürfe und Prototypen der
Aachener Möbel wurden von örtlichen Flandwerksbetrieben ausgeführt, oft in billigem
Kiefernholz. Sie waren gewiß nicht für die Klientel bestimmt, an die Mies van der Rohe
oder Marcel Breuer bei ihren eleganten Stahlrohrsesseln dachten. Schwipperts Äuße¬
rungen gegen Eitelkeit, Renommiersucht und Kompliziertheit hatten durchaus eine
polemisch-aktuelle Spitze gegen die upper class-Moderne.
Herkunft aus dem Handwerk war ein gemeinsames Charakteristikum der anderen Neu¬

74 Hans Schwippert. Frauenfriedenskirche, berufungen durch Schwarz. 1927 verpflichtete Schwarz den Maler Anton Wendling
Frankfurt am Main. 1927. Projekt Wandlung. (1891-1965), der nach einer Probezeit 1929 auf die Dauer von fünf Jahren als Professor
Kohle. Architekturmuseum der Technischen eingestellt wurde. Wendling, ein ausgebildeter Glasmaler, aber auch in Fresko, Sgra-
Universität, München. fitto, Mosaik, Ffolzsclmitt und Textilien bewandert (Abb. 47, 78), war Schüler von
Johan Thorn-Prikker und Fritz Helmut EhmckeV7 Um 1930 ging er von kuboexpres-
75 Rudolf Schwarz, Flans Schwippert. Möbel
sionistischen Glasbildern zu Farbfeldkompositionen über, deren Flächenspiel an Arbei¬
für einen Montessori-Kindergarten. Vor 1930.
ten des holländischen De Stijl anknüpfte, oder entwickelte additiv-serielle Rhythmen.
Die Stelle eines Bildhauers, die in Aachen lange vakant geblieben war, besetzte Schwarz
1929 mit Hein Minkenberg (1889-1968), der ein Jahr später ebenfalls einen (von der
Stadt nicht eingehaltenen) F'ünfjahresvertrag erhielt (Abb. 80). Schwarz war sich im kla¬
ren, daß zeitgenössische Architekten nicht mehr viel Werkstein verwendeten. Anderer¬
seits gaben Denkmäler, Gedächtnisstätten und Sakralbauten Gelegenheiten zu pla¬
stischen Aufgaben. Minkenberg, Sohn eines Dachdeckers, war ohne akademische
Ausbildung zum Bildhauer geworden. Als fahrender Flandwerksgeselle hatte er in
Schreinereien und Steinbrüchen gearbeitet und in der erzwungenen Arbeitslosigkeit
seine künstlerischen Fähigkeiten entdeckt. Seine untersetzten, proletarisch gewalttäti¬
gen oder anrührend genrehaften Stein- und Holzfiguren erinnerten in den besten
2^6 Hans Schwippert. Neuer Hausrat. In: RS. Über Stücken an Barlach, der ihn stark beeindruckt hatte. »Es war ein echtes Märchen, ein¬
die Verfassung einer Werkschule. Aachen 1930.
fach und volkshafter Kraft« (Heinrich Lersch).2,8
Im rückwärtigen Teil unpag. - RS. Montessori
Möbel. In: Die Foi'm 5 (1930) 1, S. 13 f. Zu den nebenberuflich verpflichteten Lehrern, mit denen Schwarz in Aachen eng
237 A. Wendling. Kat. Reiffmuseum der RWTH zusammenarbeitete, gehörte Maria Eulenbruch (1899-1972), eine Bildhauerin, deren
Aachen. Aachen 1965. - Martha Vorberg. An¬
»fast kindhafte Einfalt« sich in lyrisch verhaltenen (Abb. 81), aber auch puppenhaft
ton Wendling. Kreuzlingen 1976.
238 Heinrich Lersch. Biografisches über Hein Min-
kenberg. In: RS. Uber die Verfassung einer Werk-
schule. a.a.O. unpag. - Zwei Bildhauer in Mön¬
chengladbach. Kat. Städtisches Museum Schloß
Rheydt. 1986.
239 Jacob Kneip. Die Bildwerke von Maria Eulen¬
bruch. In: RS. Über die Verfassung einer Werk¬
schule. a.a.O. unpag. — Leben und Werk der Ma¬
ria Hasemeier-Eulenbruch. Kat. Töpfermuseum
Raeren. 1993.
Maria Eulenbruch war ab 1917 Schülerin der
Kölner Werkschulen. Sie heiratete 1932 den
Bildhauer Robert Hasemeier und emigrierte
1934 nach Belgien.
240 Wilhelm Rupprecht. Neue Paramente. In: RS.
Über die Vetfassung einer Werkschule. a.a.O. un-
pag-
241 RS. Kirchenbau. a.a.O. S. 15.
242 RS. Die christliche Kunst an Kunstgewerbeschu¬
len. a.a.O. S. 529, 525.
243 Vgl. Martin Wagner. Die Sozialisierung der
Baubetriebe. Berlin 1919. - Marcel Francis-
cono. Walter Gropius and the creation of the
Bauhaus in Weimar. Urbana, Chicago, London
1971. S. 37 f. — Ludovica Scarpa. Martin Wag¬
ner und Berlin. Architektur und Städtebau in der
Weimarer Republik. Braunschweig, Wiesbaden
1986. S. 15 ff. - Jörn Janssen. Produktion und

58
süßen Frauenfiguren aussprach.259 Schwarz wies dieser Werkstatt die Aufgabe zu, sich
auf keramische Großplastik (statt nippeshafter Kleinkeramik) und Baukeramik zu kon¬ ABEND DER
zentrieren. Wilhelm Giesbert aus dem alten Lehrerstamm der Schule (1881-1951) und KUPPEL
Anton Schickei führten in den Metall- und Goldschmiedewerkstätten das liturgische
Gerät auf seine Grundformen zurück. Wilhelm Rupprecht (1886-1963, Abh. 79) in der
Textilklasse faßte das liturgische Gewand »als Gewand von uniformhafter Bedeu¬
tung«2-*0 auf, in seiner überpersönlichen, auf die Kulthandlung bezogenen Allgemein¬
heit.
Kirchliche Aufträge überwogen eindeutig, obwohl Schwarz seine Mitarbeiter ermu¬
tigte, weltliche Aufgaben anzunehmen: »Ich habe die religiöse Werkschule, die eigens
auf gottesdienstliche Dinge ausgerichtet ist, stets als Gefahr empfunden. Meistens ver¬
dorrt dort die Welt.«241 Das »Christliche« hielt er nicht für einen lehrbaren Stoff,
schon gar nicht in Zeiten, die nicht mehr über die »inbrünstigen Farben«, »die tieferen
Worte« und die »leuchtenderen Räume« anderer Epochen verfügten. »Nicht der also
ist ein christlicher Künstler, der sich ein besonders frommes Thema stellt, sondern der,
der irgend etwas, was gerade nötig ist, vollbringt, das aber als Christ.«242
Die Reform der Aachener Schule entsprach der Neuorientierung vieler Kunstgewerbe¬
schulen und Kunstakademien auf ein Ideal gemeinsamen Handelns und Lebens hin. BEHOUNEK
HEINE ERLEBNISSE BEI
Die Präambel des Lehrprogramms enthielt Formeln, die schon die Manifeste des Berli¬
DER NOBILE EXPEDITION
ner Arbeitsrats für Kunst und das Bauhaus-Programm von 1919 bestimmt hatten. Da 2JANUAR8UHR HEUES KURHAUS
wird eine »Lehr- und Werkgemeinschaff« beschworen, die Kunst und Handwerk verei¬
nen soll, wird der Begriff der mittelalterlichen »Bauhütte« benutzt. Von einer »Bau¬
hütte« hatte Walter Gropius gesprochen, bevor der Name »Bauhaus« für das Weimarer
Institut gefunden worden war. Als »Bauhütten-Bewegung« war die Initiative der bauge¬
werblichen Gewerkschaften bekannt geworden, die 1919 eine erste »Bauhütte« grün¬
deten - mit Beteiligung der Arbeiter und Angestellten in den Aufsichtsorganen und am
Reingewinn.245 Im frühen Bauhaus wurde als fernes Ziel »das Einheitskunstwerk - der
große Bau« avisiert, in Aachen kulminierte »das gesamte Werkschaffen« im »Mittel¬
punkt des großen Gemeinschaftsbaus«.244
Aber Schwarz wäre nicht Schwarz, wenn er es bei diesen zeittypischen (und zu diesem
Zeitpunkt kaum noch zeittypischen) Bekenntnissen belassen hätte. Sein Verständnis der
Aachener Schule und dessen, was sie leisten konnte, war durch seine eigenen Refle¬
xionen zur Rolle von Technik und Kultur bestimmt. Natürlich konnte er nicht davon
absehen, daß die KGSA eine kleine Schule mit begrenzten Mitteln war (auch wenn die
160 Tagesschüler, die sie im Wintersemester 1928 registrierte, sich durchaus mit der
Schülerzahl ähnlicher Institutionen messen konnte245). Auf die Berufung von Künst¬
lern, die ihr nationales oder gar internationales Prestige eingetragen hätten, mußte sie
von vornherein verzichten. Auch ihr Direktor war ja noch ein kaum bekannter junger
Mann, als er für sie die Verantwortung übernahm.
In dieser Zwangssituation wandte Schwarz seine Philosophie der Armut auf die Tätig¬
keit dieser Schule an.246 Die Intelligenz seiner Argumentation überspielt jeden Ver¬
KOLONIALFEST
76 Konrad Schmidt. SOS Behounek. Plakat.
dacht, hier versuche einer, die Not zur Tugend zu erheben. Natürlich ist es eine arme 1929-30.
Schule: Aber die Kargheit der Lage bewahrt sie vor vorzeitiger Vollständigkeit und
77 Anton Nachtigallen Kolonialfest. Plakat.
Abschließung, erlaubt den Dingen und Menschen die Freiheit unerwarteter Änderun¬
1930.
gen, bewahrt ihnen »einen chaotischen Rest als Ort neuer Bildungen«. Es versteht sich,
daß ein so kleines Unternehmen nicht vielerlei Unterschiedliches und spektakulär Uto¬
pisches leisten kann. Es muß daher fragen, was diese Menschen in der alten Stadt, im
niederrheinischen Land nötig haben, und wer denn diese Menschen sind: die Proleta¬
Konsum von Wohnungen sozialisieren? In: Mar¬
rier des Bergwerk- und Industriegebiets, die Angehörigen der alten Bürgerkultur oder
tin Wagner. 188^-1^^. Kat. Akademie der
jene einfachen und kleinen Leute, die nicht reich, aber auch nicht arm sind: Handwer¬ Künste. Berlin 1985. S. 25 ff.
ker, Bauern, Arbeiter? 244 RS. Handwerker- und Kunstgewerbeschule
Für diese letztere Schicht entscheidet sich Schwarz. Für sie muß man in der Serie arbei¬ Aachen. a.a.O. S. 5.
245 Am Bauhaus studierten nach einer Schätzung
ten, weil sie den einfachen, von gleichen Bedürfnissen erforderten Hausrat benötigen.
Hans Maria Winglers in den vierzehn Jahren
Aber für sie muß man auch jene Gemeinschaftswerke erschaffen, die einer höheren seiner Existenz nicht mehr als 1250 Schüler.
Ordnung angehören: wie Schulen, Volkshäuser oder Kirchen. Was er in der Wegweisung Hans Maria Wingler. Das Bauhaus. Bramsche
19682. S. 551.
der Technik empfiehlt, nämlich »eine Durchdringungsform personaler und serienhafter
246 RS. Über die Verfassung einer Werkschule. a.a.O.
Existenz zu finden«24?, serielle Wiederholung und individuelle Einmaligkeit gleichzei¬ S. 3 ff., wörtlich zitiert S. 13.
tig und in eins zu praktizieren, war durch die Aachener Aufgaben nahegelegt. Vielleicht 247 RS. Wegweisung der Technik. a.a.O. S. 48.

59
war es auch ein Grund, weshalb die Arbeiten der Schule bei auswärtigen Gastspielen -
1929 im Hagener Karl-Ernst-Osthaus-Bund und 1930 im Duisburger Museumsverein
- nur wohlwollende bis reservierte Resonanz erzielten. Avantgardismus war nicht der
Vorwurf. Man fand manches spielerisch, manches nicht überzeugend. Ein Rezensent
vermißte sogar den »bezwingend starken, einheitlichen Ausdruck der Jetztzeit«.248 In
der Aachener Öffentlichkeit wurden dagegen die Veränderungen in der Arbeit der
Schule mit Wohlwollen registriert.249
In Schwarz’ Argumentation erscheint die gegebene Beschränkung der Schularbeit als
eine gewollte Rückkehr zu Bescheidung, Mitleid und Liebe, fern des Hochmuts der
Programmatiker. Es ist »eine unendliche Besorgnis, eine zarte und liebevolle Rücksicht
des Geistes, der unter der menschlichen Enge leidet, sich sein Jenseits außerhalb ihrer
schaffen möchte und doch an die warmen und zärtlichen, aber engen Vorbedingungen
der leiblichen Existenz gebunden ist.«250 Die Wortführer der modernen Avantgarde -
dies sagt Schwarz in seinem Aachener Text nicht, aber er denkt es geradezu hörbar -
haben sich zu Alleswissern aufgeworfen, die den Menschen sagen, wie sie zu denken, zu
fühlen und zu handeln haben. Der Werkkünstler, den Schwarz meint, verhält sich zu
ihnen nicht diktatorisch, sondern pastoral. Er hört zu, ahnt ihre geheimen Wünsche,
deutet und übersetzt sie.
Dem Entwerfenden ist damit nicht Weniger zugetraut, sondern Anderes. Die Schule
kann ihm helfen, indem sie ihm vermittelt, was Schwarz die »Lehre zum rechten
Leben« nannte und was ihm wichtiger war als die Weitergabe von Kenntnissen über
Materialien und Funktionen. »Das muß also die Schule vorab erreichen; den Schüler
zum Leben ermuntern; ihm zeigen, wie das Leben ein Wagnis ist, bei dem man nicht
weiß, was sich ergibt; und ihm Mut machen, sein eigenes Leben zu wagen, ihm Selbst¬
vertrauen zu geben und ihm die Mittel zu zeigen, wie man sich helfen kann. Ihm zeigen,
daß da ein Strom ist und ihn ermuntern, den Sprung zu riskieren; ihn lehren, wie man
schwimmt.«251
Entsprechend der Idee der Werkgemeinschaft beschäftigte Schwarz die Aachener Kol¬
legen bei seinen Architekturaufträgen, nicht anders, als es Gropius und Hannes Meyer
am Bauhaus oder Hans Wittwer auf Burg Giebichenstein bei Halle taten. In Rothenfels
löste Maria Eulenbruchs Madonna, eine fast lebensgroße Skulptur aus gebranntem
78 Anton Wendling. Entwurf für ein Sgraffito.
Fon, Diskussionen aus, an denen sich auch Guardini zustimmend und einfühlend betei¬
Um 1930.
ligte. Wendling übernahm die Fenster der Burgkapelle mit abstrakten Scheiben, Min-
kenberg das kleine Altarkreuz. Ebenso kam das mit genageltem Silberblech beschlagene
liturgische Gerät - Altar, Leuchter, Tabernakel - aus den Aachener Werkstätten.
Auch für die Aachener Fronleichnamskirche wurden Inneneinrichtung und sakrale
Gegenstände an Meister der Schule vergeben, Ornamentscheiben für die Fenster an
Wendling (eingesetzt wurde allerdings einfaches Industrieglas), Gewänder und die
textilen Kreuzweg-Darstellungen an Rupprecht, Monstranz und Vortragekreuz an
Schickei und Giesbert, weiteres liturgisches Gerät an Schüler der Gold- und Metall-
79 Wilhelm Rupprecht. Kreuzwegstation für Klasse. Es ist alles »aus einem Willen gearbeitet, so daß man etwas von dem Geist und
St. Fronleichnam in Aachen. Um 1930. Stickerei den Möglichkeiten der alten Bauhütte erkennt« (Romano Guardini).252
auf Leinen. Schwarz hat von den vielen Querelen gesprochen, denen er in Aachen ausgesetzt war:
Auseinandersetzungen mit unverständigen Auftraggebern wie mit konservativ bornier¬
ten Kirchenkreisen. Die Architekten in der Stadt neideten ihm seine Aufträge. »Aachen
ist ein ganz kümmerliches Dorf, und die Dorfbewohner stellen uns nach, indem daß wir
ihnen doch gar nichts getan haben... Ja, das Licht leuchtet hier in der Finsternis, aber
die Finsternis will es nicht begreifen«, schreibt er launig an Böhm.255 Täglicher Klein¬
kram kam hinzu: Rügen der Verwaltung über die häufige Abwesenheit des Direktors,
über die hohen Telefonkosten, über die privaten Aufträge der Professoren, vor allem
wenn sie in den Schulwerkstätten unter Verbrauch kommunaler Heizkohle und Elektri¬
zität arbeiteten.
Solche Klagen waren, zusammen mit Etatproblemen und den Protesten von Handwer¬
kern, die von den Schulwerkstätten Konkurrenz befürchteten, das tägliche Brot der
Schulleiter. Im benachbarten Köln führten Umstände, wie Schwarz sie beklagte, zum
resignierten Verzicht Riemerschmids. »Wir merken, was es bedeutet, so allein zwischen
den abgestempelten Parteien, Überzeugungen und Richtungen zu stehn, sich unver¬
drossen seiner Haut wehren zu müssen und aus unmöglichen Situationen noch immer

60
80 Hein Minkenberg, Anton Schick I. I 1 .
Schwerdt. Kruzifixus. 1929-30. Elfenb, u<
Email, Silber. Burg Rothenfels.

81 Maria Eulenbruch. Frauenkopf. 1929 der


früher. Ton.

etwas Erträgliches und Vertretbares zu schaffen. Es ist nicht leicht und macht müde.«254
Später kamen die Anfeindungen der Schule durch nationalsozialistische Politiker hinzu,
die - zusammen mit den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Krisenjahre nach 1930 -
im Frühjahr 1934 zur Schließung der Schule führten (vgl. S. 79ff.). »Der Dreck, der
mit einer solchen Stellung zusammen heruntergefressen werden muß, macht mir kei¬
nen Spaß.«255
Es gab auch Auseinandersetzungen innerhalb der Schule, die mit den Empfindlichkei¬
ten der älteren Kollegen zusammenhingen, sich aber auch am Ehrgeiz des Direktors
248 Guido E. Neumann. Karl-Emst-Osthaus-Bund.
entzündeten. Rupprecht hat es in einem offenherzigen und begütigenden Brief an
September-Oktober-Ausstellung. In: Hagener Zei¬
Schwarz auf den Punkt gebracht: »Ein ziel kann man freilich nie hoch genug stecken, tung, 17. 9. 1929. - vgl. auch Duisburger Gene¬
aber in den forderungen an das erreichbare sollte man menschlich sein: man sollte auch ralanzeiger, 13. 1. 1930. - Kölnische Zeitung, 1.
2. 1930.
gegen sich selbst menschlich sein... wenn Sie krach mit der kirche haben, lieferanten
249 Vgl. Die Städtische Kunstgewerbe- und Hand-
trottel sind, wenn auftraggeber ochsen sind, wenn die erfolge Ihrer Schule noch keine werkerschule in Aachen. In: Freie Presse, 17. 9.
erdbebenkatastrofe hervorgerufen haben, so ist das alles zusammen und noch etwas 1927. - Aachener Post, 22. 9. 1928. - Neue Wege
zur Werkgesinnung und Foi~mgestaltung. Der
dazu noch immer kein Unglück.«256
neue Geist in der Aachener Handwerker- und
Kunstgewerbeschule. In: Aachener Post, 29. n.
1928. - Alle Kunst will gelernt sein. Eine Stätte
echten Kunstschaffens: die Aachener Handwer¬
ker-, Kunst- und Gewerbeschule. In: Volksfreund,
29. 11. 1928.
»Mathematische Formen«: Die Weiße Moderne 250 RS. Uber die Verfassung einer Werkschule. a.a.O.
S. 2of.
251 RS. Die christliche Kunst an Kunstgewerbeschu¬
len. a.a.O. S. 524.
Trotz aller Widrigkeiten und Beschränkungen: Die Aachener Zeit war ein Höhepunkt 252 Romano Guardini. Die neuerbaute Fronleich¬
in Schwarz’ Arbeitsleben. Sie hat seinen Ruf begründet. Sie hat ihm eine Werkgruppe namskirche in Aachen. In: Die Schildgenossen 11
(193O 3, S. 268.
erlaubt, die sich mit den bedeutendsten Hervorbringungen des Neuen Bauens messen
253 RS an Dominikus Böhm, 19. 9. 1928. Nachlaß
kann. Sie hat ihm Bedingungen geboten, unter denen ein Meisterwerk der gesamten Böhm, HAStK. - vgl. die Beschwerde des Ar¬
Epoche entstehen konnte, St. Fronleichnam in Aachen. Wenn Rudolf Schwarz trotz chitekten Josef Decker, eines Aachener Stadt¬
verordneten, Schwarz habe den Privatarchi¬
aller Kritik, die er sich an der Moderne erlaubte, ja auch trotz seiner - aber ironisch
tekten »alle bedeutenden Arbeiten in letzter
gefärbten! - Behauptung, er mache »ja keine modernen Sachen«, selbst zu den führen¬ Zeit« weggenommen. Decker an den Ober¬
den Meistern der Moderne strenger Observanz zählt, so ist es den fünf, sechs Projekten bürgermeister, 2. 8. 1930. StA Aachen.
und ausgeführten Bauten »in den herben Formen neuer Baukunst« zu danken, die 254 RS an Dominikus Böhm, 20. 1. 1929.
255 RS an Hans Spiegel, 15. 9. 1933.
während seiner Aachener Epoche entstanden.2” Es gab Zeitgenossen, die zu der Über¬
256 Wilhelm Rupprecht an RS, 24. 10. 1930.
zeugung kamen, »hier sei die Geburtsstätte des so lange gesuchten, neuen, modernen 257 RS an Romano Guardini, 22. 1. 1931. - RS.
Baustils.«258 Entwurf einer Marienkapelle. In: Der neue Ring.
Zeitschrifi für Mädchen und junge Frauen 1
Ein frühes Opus dieser Werkgruppe, entworfen in der Hochbauklasse der Aachener
(1928) 2, S. 25.
Schule unter der Leitung von Schwarz, ist der Entwurf einer kreisrunden Pfarrkirche 258 Alle Kunst will gelernt sein. In: Volksfrund, 29.
(Abb. 85, WV 6), den er in den Schildgenossen im dritten Heft 1928, also im Frühsom- 11. 1928.

61
RS. Ent runden Pfarrkirche. In: mer publizierte. Aus einem kreisrunden Sockel erheben sich drei gleich hohe, zylindri¬
Dir Scl'ilflqawssTn 8 (1928) 3, S. 262 f. sche Türme: der Hauptzylinder des Kirchsaals, ein Glockenturm und ein »Taufturm«.
Curt Horn 1928 auf dem III. Kongreß für
Genetisch kann man sich diese Konstellation aus dem Böhm-Schwarz-Projekt von 1925
evangelischen Kirchenbau in Magdeburg. Zit.
in I lugo Schnell. Der Kirchenbau des 10. Jahr¬ (vgl. S. 30 f.) entstanden denken. Die Türme wachsen nun nicht mehr neben dem
hunderts m Deutschland. München, Zürich Rundbau empor, sondern steigen aus ihm hervor.
1973. S. 38.
Aber welche Stilisierungsleistung war vollbracht, welcher Abstraktionsgrad gewählt!
RS. I./ttirrj und Kirchenbau. Denkschrift. a.a.O.
Nichts stört die perfekte Stereometrie der reinen Formen. Da das Stahlskelett mit
Majolikatafeln oder glasierten Zementplatten verkleidet werden sollte, war Abstraktion
auch durch das ebenmäßig quadratische Fugennetz der Außenhaut gewährleistet. Über
den grauen Häusern einer kleinen Stadt sollten die schneeweißen Bausäulen leuchten,
die jeweils nur ein Goldreif krönte. Nichts sollte an lastende Erdenschwere, an flüch¬
tige Vergänglichkeit erinnern. Denn der Bau »soll neben der Zeit stehen und soll in der
Reinheit seiner mathematischen Formen Gott ehren, der »Geometrie treibt<, das ist:
den Gott, von dem ein Mystiker sagt, er wohne in der stillen Wüste, und der in alle
Geschichte den Hang zur Festigkeit jenseits der Zeit gelegt hat; den Gott, der die For¬
men und Bewegungen der Atome und Sterne und die mathematischen Bewegungen des
menschlichen Geistes erdacht hat. Ihn soll diese Kirche in der Sprache des Gesetzes
ehren; denn es ist an der Zeit, Gott auch im Gesetz zu erkennen und zu zeigen, daß es
möglich ist, streng und doch nicht rational zu sein, abstrakt und doch nicht ohne Liebe,
und daß es jenseits von allem >Technizismus< eine neue Form geben könnte, die hart
und rein wäre, aber durchglüht von echtem Geist«.259 Daß »in dem Hang der Zeit zur
Abstraktion latent schon die Beziehung zum Ewigen« liege, wurde damals auch auf pro¬
testantischer Seite geltend gemacht.200
Für die Innenwandung des Hauptzylinders war an die ringförmig aufgetragenen Farben
des Prismas gedacht, eingefaßt von einem Ring Silberfarbe unten und einem Ring
Goldfarbe oben. Keine Fenster sollte es geben, alles Licht allein durch die horizontalen
Turmabschlüsse in Luxfer-Glasbausteinen einströmen. Der Altar würde in der Mitte
des Gemeinderaums stehen - der Ausnahmefall einer Zentralkirche bei Schwarz, die
ihm sonst aus liturgischen Gründen nicht vertretbar schien. »Es gibt menschliche
Architekturklasse der Handwerker- lind Kunst¬ Lagen, die ihrer Natur nach zentral sind. Aber das sind vorübergehende Augenblicke
gewerbeschule Aachen. Architekturmodelle. und sie zu erleben sucht der Mensch die Einsamkeit auf. Der große und gemeinsame
Zwischen 1927 und 1934. Gottesdienst kennt sie nicht und sieht sie nicht vor.«261
82 Manthey. Kapelle. Die Aachener Entwürfe, im Büro teils in Zusammenarbeit mit Schwippert und Johan¬
83 Smets. Halle.
nes Krahn oder in der Architekturklasse der Schule entstanden, sind von dem Wunsch
motiviert, die Möglichkeiten großer, einfacher Formen zu erkunden. Für eine »Marien¬
kapelle« wird aus einer Zylinderform gewissermaßen eine Hälfte bis auf den verblei¬
benden Sockel abgespalten und das Glockengeläut an einer Art überdimensionalem
Griff aufgehängt (WV 7). Bei einem anderen Projekt werden von einem imaginären
Block zwei Quader ausgeschnitten, so daß auf einem - hier rechtwinkligen Sockel - ein
T-förmiges Lang- und Altarhaus stehen bleibt, die Seiten großflächig verglast (Abb. 84,
WV 5).
Es sind jeweils Gebilde, die nicht aus der Zusammenfügung tragender und getragener,
jedenfalls kontrastierender Teile bestehen, sondern sich einem subtrahierenden, quasi
bildhauerischen Entstehungsprozeß verdanken. Aus einer Grobform wird durch Weg¬
nahme die Endform gewonnen. Statt um Ensembles aus Komponenten handelt es sich
um Ganzheiten. Das gibt ihnen etwas Dinghaftes, Geräteartiges. Da bei den Modellen
kaum maßstabgebende Details verwendet wurden, ist das Auge versucht, sie für Gegen¬
stände eines viel kleineren Maßstabs zu halten: ein Möbelstück, ein Gefäß, ein litur¬
gisches Gerät. Beim Modell einer T-förmigem Kirche ist es einzig die Türöffnung, aus
der man auf die enorme Bauhöhe einer eventuellen Realisierung schließen kann.
Projekte wie die kreisrunde Kirche, die Marienkapelle oder die T-förmige Kirche
gehören zweifellos in jene Sektion der architektonischen Lehrtätigkeit, die Schwarz die
»Versuchsstätte für Baukunst« nannte. Das heißt: Hier wurden Ideen formuliert, denen
in ihrer Unbedingtheit keine unmittelbaren Realisierungschancen eingeräumt waren
und die sich dafür, unbekümmert um Kompromisse, radikal äußern konnten. »An
irgend einer Stelle müssen schließlich neue Formen und Konstruktionen erprobt,
durchdacht, erfunden werden. Neue Gedanken müssen irgendeinen Raum haben, in
dem sie sich richtig entwickeln können... Ein solcher Versuchsraum soll hier zum

62
erstenmal entstehen. Es soll dadurch gerade verhindert werden, daß Gedanken, die 84 Rudolf Schwarz mit Architekturklasse der
noch viel zu sehr unfertige Ideen sind, um wirklich gebaut zu werden, die aber an sich Handwerker- und Kunstgewerbeschule Aachen.
wertvoll und zukunftsreich sind, entweder verloren gehen oder am falschen Ort, d.h. Entwurf einer Marienkapelle. 1927-28.

bei Bauten oder Wettbewerben zum Vorschein kommen.«262


85 Rudolf Schwarz mit Architekturklasse der
Schwarz vertraute in der Aachener Zeit auf die städtebauliche Ordnungsleistung von
Handwerker- und Kunstgewerbeschule Aachen.
Architektur. Die Wettbewerbsprojekte für die Heiliggeistkirche im Aachener Südvier¬ Entwurf einer kreisrunden Pfarrkirche. 1927-28.
tel, ein Neubau der Pfarrei St. Jakob (1928, Abb. 86-89, WV 10), schlagen kompro¬
mißlos strenge, geometrische Formen für die »verworrene Umgebung« vor,26' die ein
dramatisch ansteigendes Baugrundstück bot und zu deutlichen Zeichen einlud. Dage¬
gen kam ihm in den dreißiger Jahren, wohl auch unter dem Eindruck der von den
Nationalsozialisten mobilisierten Straße, der Glaube an die stadtbildprägende Wirkung
von Sakralbauten in einer profanisierten Welt abhanden. »Maß gegen Masse, christ¬
liche Seele gegen großstädtische Seelenlosigkeit«, war dann das Motto.204
Die drei Entwürfe für die Aachener Heiliggeistkirche zeigen jeweils einheitlich
gedachte Baufiguren. Schwarz und Schwippert fügen nicht vertraute Elemente der
Kirchbau-Typologie wie Hauptschiff, Seitenschiffe, Querhaus, Chor, Kapellen zusam¬
men, sondern wählen streng geometrische Gebilde, die jeweils die gesamte Erschei¬
nung ausmachen. Die Projekte lassen sich mit bildhaften Begriffen benennen: Kubus,
Mauer, Vierwandkirche - Bilder aber, die von einem hohen Grad an Allgemeinheit und
Idealität sind. Alle drei entstammen der Vorstellungswelt einer kristallinen Stereome¬
trie. Sie hätten nicht nur provozierend neuartige Außenansichten erzeugt, sondern auch
dramatische Sequenzen von Raumfolgen, die durch die Einordnung der kirchlichen
Funktionen in die ungewöhnlichen Baukörper verursacht worden wären. Der Geist der
»Versuchsstätte für Baukunst« bemächtigte sich hier des »aktiven Ateliers«, das mit
262 RS. Denkschrift über die Neugestaltung... a.a.O.
konkreten Bauaufgaben befaßt war.
unpag.
So sollte der Besucher beim Projekt »Kubus« aus dem schwarz verputzten Sockel (mit 263 RS .Zu den Bildern des Heftes [= Entwürfe für
einer »ernsten Unterkirche«) in den schneeweißen Würfel des Kirchenraums empor¬ die Heiliggeistkirche in Aachen], ln: Die
Schildgenossen 9 (1929) 3, S. 268. Dort auch
steigen. Bei der »Vierwandkirche« - vier Wände nicht als Umkleidung eines Raumqua¬
Beschreibung aller drei Projekte (S. 267 ff.).
ders, sondern parallel gestellt und entsprechende Raumschichten erzeugend - hätte der 264 RS. Liturgie und Kirchenbau. Denkschrift. a.a.O.
Gast den Eingang durch eine steile Außentreppe in einer Schlucht steil aufragender S. 12.

63
’ , i r>ii den Pfarrer von St.Jakob, Mauern erreicht. Uber der Treppe sollte ein riesiges Kreuz hängen. Auch die liturgi¬
■ • ;• laß Böhm, HAStK. schen Orte in den Flankenräumen, den »Doppelwänden« des Hauptraums - »Beicht¬
VVtrhahn. Hans Schwippet!
gang«, Taufkapelle, Marienkapelle -, kann man sich nicht schmal und steil genug vor¬
i 3 a O. S. 64.
i. Becker, undatiert. Entspre- stellen.
. r \V'iiffcntlichung der Schildge- Den zweiten Preis im Wettbewerb, in dessen Jury Dominikus Böhm saß,205 erhielt der
14:9) S. 267: »Der Wettbewerb...
Vorschlag »Mauer« auf L-förmigem Grundriß, der sich nach außen mit fensterlosen
ftsarbeit von Rudolf
1 ianns Schwippert und Hans Wänden, die mit Blausteintafeln verkleidet werden sollten, rigoros abschloß. Die bei¬
Krahn.« den anderen Projekte wurden mit Ankäufen gewürdigt. Über die Entwurfsanteile an
>68 1 lenentwürfe/ Johannes Krahn. In: Die
den drei Projekten läßt sich nur spekulieren. Schwippert hat später den »Kubus« für
1930) 5, S. 471 ff. - Zu bei¬
den Projekten Hanna Dannien-Maassen. Kir¬ sich in Anspruch genommen.266 Das Projekt »Mauer« steht in einer Entwicklungslinie
chenbauten und -Entwürfe von Johannes Krahn. von der Frauenfriedenskirche zur Fronleichnamskirche und dürfte schon deshalb
a.a.O. S. 28 ff. Schwarz zugehören, der ohnehin die Verantwortung als Atelierleiter trug. Johannes
269 Hans Karlinger. Wettbewerb für einen Kirchen¬
bau in Aachen. In: Volksfreund, 19. 11. 1928.
Krahn (vgl. S. 97 h), der dritte Architekt im Büro, war erst im Jahre des Wettbewerbs zu
Sowie in: Echo der Gegenwart, 18. 11. 1928. Schwarz gekommen. Immerhin bestand Schwarz darauf, daß seine »treuen Leute
270 Walter Müller-Wulckow. Deutsche Baukunst Hanns Schwippert und Hans Krahn« - beide also gleichwertig - bei der Veröffentli¬
der Gegenwat!. Bauten der Getneinschafi. Kö¬
chung der Entwürfe als Mitarbeiter genannt würden.26? In den Schildgenossen publizierte
nigstein im Taunus, Leipzig, 19291. - Gustav
Adolf Platz. Die Baukunst der neuesten Zeit. Schwarz Entwürfe seines Mitarbeiters für eine Pfarrkirche und eine monumental wir¬
Berlin 1927. kende Kapelle, die ihn vertraut mit dem Aachener Repertoire zeigen (Abb. 90, 91).268
271 Walter Müll er-Wulckow. ebda. S. 8.
Der Aachener Kunsthistoriker Hans Karlinger, Professor an der Technischen Hoch¬
schule und als Mitglied des Schulvorstandes nicht unparteiisch, versuchte in der Aache¬
ner Presse, das Blatt noch zugunsten von Schwarz und Schwippert zu wenden. Er
86, 87 Rudolf Schwarz und Hans Schwippert
zitierte Juror Dominikus Böhm mit einem positiven Urteil über die Projekte, verwies
mit Johannes Krahn. Wettbewerbsentwurf Hei¬
auf das »einzigartige Neue der Entwürfe« und nannte den ihm befreundeten Direktor
liggeistkirche, Aachen. 1928. Projekte Kubus
und Mauer. Ansichten. Kohle. der Kunstgewerbeschule die »stärkste geistige Potenz unter den Theoretikern des

64
A t r' •'

gegenwärtigen Sakralbaugedankens«.269 Der Auftrag ging jedoch an den ersten 88, 89 Rudolf Schwarz und Hans Schwippert
Preisträger, den Kölner Architekten Otto Bongartz. Er lieferte über einer großen stei¬ mit Johannes Krahn. Wettbewerbsentwurf Hei¬
liggeistkirche, Aachen. 1928. Projekt Vierwand¬
len Freitreppe eiüe Baugruppe von gemäßigter Modernität.
kirche. Ansichten. Kohle.
Die Kühle und Härte der Aachener Kirchbauprojekte mußten umso provozierender
wirken, als die Bauaufgabe Sakralbau bis dahin kaum je mit den Mitteln der konsequen¬
ten Moderne behandelt worden war. Die wenigen deutschen Sakralbauten, die Walter
Müller-Wulckow oder Gustav Adolf Platz gegen Ende der zwanziger Jahre in ihre Sam¬
meldarstellungen neuer Architektur aufnahmen,2?0 waren sämtlich Bauwerke von
expressionistischem, monumentalisierendem oder vage historisierendem Habitus. Auf
die Würde traditionsgeheiligter Materialien - Backstein, Klinker, Naturstein - verzich¬
tete keiner von ihnen, ausgenommen Otto Bartnings protestantische Stahlkirche von
der Kölner Pressa-Ausstellung (1928), der seine Rundkirche in Essen folgte (1930).
Bartnings Bauten assoziierten aber gebräuchliche Formen des Sakralbaus, die Pressa-
Kirche mit Chorhaupt und Doppelturmfassade, die Essener Rundkirche als Zentralbau
mit ringförmigem Umgang. Müller-Wulckow fand daher, allgemein sei die Baugestal¬
tung noch nicht »auf eindeutiges, klar faßbares Wollen der Gemeinden fundiert«.2?1
Auch Dominikus Böhm, die Leitfigur des katholischen Kirchenbaus jener Jahre, hat nur
ein einziges Mal eine Kirche im Stil der Radikalmoderne mit weiß geputzten Flächen,
Kastenräumen und einer interessanten Ambivalenz von Innen- und Außenraum riskiert,
auf Norderney im Jahre 1931. Sie war für Sommergäste gedacht, modernes fahrendes
Volk also, das keine Bodenständigkeit (oder gerade doch?) erwartete. Möglicherweise
ist sie, drei Jahre nach dem Aachener Heiliggeist-Wettbewerb und im Jahr nach der
Einweihung der Fronleichnamskirche, unter dem Eindruck der Bauten von Freund
Schwarz entstanden. Aber das membranhafte, schlanke Bauen entsprach dem Tempera¬
ment Böhms nicht.
Anders als mit den Kirchenprojekten verhielt es sich mit den Profanbauten, die
Schwarz um 1930 in Aachen errichten konnte. Für sie gab es durchaus zeitgenössisch¬
moderne Beispiele im Schul- und Sozialbau. Schwarz selbst sah die Soziale Frauen-

65
schule und das Haus der Jugend (Abb. 92-96, WV 9, 13) in der Tradition einer Bau¬
aufgabe, die für die jeweilige Avantgarde seit den frühsozialistischen Utopien, in
Deutschland aber zumindest seit Theodor Fischers Pfullinger Hallen (1906) im Zen¬
trum der Aufmerksamkeit stand: »Der Volkshausgedanke spielt dabei eine gewisse
Rolle«.272 Volkshäuser, die sozialen und pädagogischen Zwecken nachkamen und
zugleich Räumlichkeiten für Fest und Spiel boten, hatten kurz nach dem Ersten Welt¬
krieg die jüngeren Architekten zu Kristallhäusern und Stadtkronen inspiriert. Die
Moderne der späteren zwanziger Jahre brachte diesen gemeinschaftsstiftenden Impuls
in ihre eigene kühlere, aber nichtsdestoweniger sozial engagierte Sprache ein. Daß
Schwarz beiden für junge Menschen bestimmten Bauten eine dezidiert zeitgenössische
Gestalt verlieh und nicht einem »romantischem, heimatschützlerischem Geist« nach¬
gab, war mit einer besonderen pädagogischen Absicht begründet: »Die ganze Jugend¬
bewegung neigt leicht nach dieser Seite hin... Wirklich moderne Bauten würden mit¬
helfen, die Jugend zur Bejahung der neuen Zeit zu erziehen.«2”
Dem Haus der Jugend in Aachen-Burtscheid und der Frauenschule auf der Siegelhöhe
liegen die Gedanken an Offenheit und Transparenz zugrunde, an lichtdurchflutete und
der Natur zugewandte Räume, an Hygiene, freie Beweglichkeit im Raum, Nüchtern¬
heit, Objektivität und leichte Orientierung innerhalb der Gebäude, die für viele Schu¬
len und Sportbauten des Neuen Bauens bestimmend waren. »Eine große Klarheit und
Ersichtlichkeit der ganzen Anlage«, war das Ziel. »Man weiß jederzeit, an welcher
Stelle des Baues man steht und wie die anderen Räume darum herumliegen.« Von der
Übersichtlichkeit der Bauwerke versprach sich Schwarz, und auch das war eine geläu¬
Johannes Krahn. Entwurf einer Kapelle. 1928.
fige Argumentation der Moderne, psychische Entlastung, ein »Gefühl der Ruhe und
In: Die Schildgenossen 10(1930)5. »Die Mauer
Befriedigung«.274
umfaßt die Gemeinde, öffnet sich zum Licht.«
90 Ansicht. Daß die Frauenschule - auch »Wohlfahrtsschule« genannt - hoch oben am Rande des
91 Grundriß. Aachener Waldes, mit einem (damals) weiten Blick auf Stadt und Land errichtet werden
konnte und nicht auf dem ursprünglich vorgesehenen Bauplatz in der Stadt (WV 11)
gebaut werden mußte, war höchst willkommen. So ergab sich die Möglichkeit, hier ein
modernes Rothenfels zu errichten. »Streng und feierlich«, nannte Schwarz sie.275 Auch
dieses Gebäude enthielt eine Jugendherberge, von der sich Schwarz die Pflege der Kon¬
takte zur Jugendbewegung erhoffte. In der Schule wurde nur während einer Zeit von
sieben Monaten unterrichtet, so daß der Bau - ein veritables »Volkshaus« - in der übri¬
gen Zeit für Schulungskurse, Tagungen, Seminare und Gruppentreffen zur Verfügung
stand. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es solche Bauten, »ihre gesunde Nüchtern¬
heit, wenn man will auch Härte«, die Alfons Leitl in seiner Zeitschrift Baukunst und
Werkform den Lesern als Vorbild empfahl.276
Zum Ziel der »Ersichtlichkeit« trug bei, daß Schwarz die große Form bei beiden Anla¬
gen wahrte. Das Haus der Jugend, gemeinsam mit Schwippert entworfen, ist gewiß kein
weitläufiges Bauwerk, wirkt aber mit den tief in die Fassade versenkten Öffnungen des
Hauptgeschosses als ein gewichtiges und selbstbewußtes Gebäude. Die Tiefe der Lai¬
bungen wird vor allem an den Hauskanten deutlich, wo der Eckpfeiler weggelassen ist.
Es entsteht aber nicht ein um die Ecke geführtes, leichtes, flächenbündiges Fensterband
wie so oft im Internationalen Stil. Vielmehr wird Mauerschwere trotz hinter der Fas¬
sade tragendem Stahlbetongerüst veranschaulicht. Man empfindet sie daher auch im
Unter- wie im Obergeschoß der Vorderfront, wo die Öffnungen fast flächenbündig
geschlossen sind.
Bei der Frauenschule sind, vom Internat am Atriumhof abgesehen, fast alle, sehr unter¬
schiedlichen Funktionen in einem einzigen großen Baukörper untergebracht, wo sie
sich aber mit unterschiedlichsten Fensterformaten abzeichnen dürfen: punktförmigen
Fenstern, Lochfenstern, liegenden Formaten, großen Fenstern, die die gesamte Fläche
272 RS. Soziale Frauenschule Aachen. Typoskript. zwischen den in der Wand stehenden Stützen aufgezehrt haben, zwei Geschoß hohen
Undatiert (1930). Fensterbahnen vor dem großen Saal. Nur an der Hofseite des Hauptbaus ist der Treppe
273 (Ohne Autorenangabe). Haus der Jugend in
zum oberen Geschoß ein eigener, Vorgesetzter Glasturm zugestanden. Ein für Schwarz
Aachen. In: Die Form 4(1929) 19, S. 515.
274 RS. Die Soziale Frauenschule in Aachen. In: Die wichtiges Entwurfselement bildet der geschützte und schützende Innenhof. Er ist der
Form 6 (1931) 1, S. 21. gemeinsame offene Raum für alle Einzelwohnungen, die ihn umgeben, das Allgemeine
275 RS an Romano Guardini, 2. 3. 1930.
im Individuellen.
276 Alfons Leid. Jugendhaus und Soziale Frauen¬
schule. In: Baukunst und Werkform (1948)2, S. Die weitgehende Differenzierung von Bauteilen entsprechend ihrer Aufgaben, wie sie
106. Walter Gropius im Dessauer Bauhausgebäude (1925-26) oder Hannes Meyer, der

66
Rudolf Schwarz mit I Ians Schwippert. 1 laus der
Jugend. Aachen-Burtscheid. 1928.
92 Straßenfront.
93 Treppenhaus.

67
94 Rudolf Schwarz. Vorprojekt zur Sozialen zweite Bauhausdirektor, in der Bernauer Bundesschule des AJDGB (1928-30) vornah-
Frauenschule, Aachen. 1929. Kohle, Farbstift. men, war nicht Schwarz’ Sache. Selbst Heinrich Tessenow, der in seinen Schulbauten
aus den zwanziger Jahren die blockhaften Baukörper liebte (Klotzsche, 1925-27; Kas¬
sel, 1927-30, Abb. 97), pflegte einen Wechsel der Nutzung durch die Wahl eines ande¬
ren Baukörpers, mindestens aber durch kräftige Risalithbildung anzuzeigen. Für
Schwarz dagegen war es kein Problem, Küchen, Speisesaal, Seminarräume, Bibliothek,
Festsaal, Direktorinnenwohnung und eine Jugendherberge in ein- und demselben Bau¬
quader zu vereinen.
Schwarz komponierte nicht als ein Funktionalist, der jeder Funktion möglichst zu
ihrem Ausdruck verhelfen will, sondern als ein Baumeister, der in einheitlichen Bau¬
gestalten denkt. Der freie Rhythmus ganz unterschiedlicher Öffnungen, der ein Cha¬
rakteristikum auch von Wohnbauten dieses Architekten wurde (vgl. S. 93 ff.), sorgte für
hinreichende Belebung der Außenwände. Dazu kam die feine Grafik der Fensterteilun¬
gen, für die damals, vor dem Zeitalter der Wärmeschutzverordnung, noch schmale
Eisenprofile ausreichten. Fotos des Neubaus, die Schwenkflügel in die Horizontale
gekippt zeigen, verdeutlichen, wie sehr dieser grafische Reiz eingerechnet war. Bei den
beiden Aachener Sozialbauten, vor allem bei der Frauenschule, wirkte auch die Lage am
Hang aktivierend. Sie läßt den Bau bei gleichbleibender Traufhöhe zum Tal hin immer
höher und mächtiger erscheinen.

68
r

95 Rudolf Schwarz. Soziale Frauenschule.


Aachen. 1929. Fassadenstudie. Bleistift.

96 Rudolf Schwarz. Soziale Frauenschule.


Aachen. 1929-30.

97 Heinrich Tessenow. Malwida-von-Meysen-


bug-Schule. Kassel. 1927-30.

69
»Baukunst aus der Armut«: St. Fronleichnam

Es dürfte selten Vorkommen, daß die Sorge um ein Bauwerk Eingang in das Testament
eines Architekten findet, zumal wenn die Fertigstellung schon eine Reihe von Jahren
zurückliegt. Schwarz erwähnte in einer letztwilligen Verfügung vom 10. Mai 1944 nicht
nur seine Geschwister und Patenkinder, sondern auch seine Kirche St. Fronleichnam in
Aachen-Rothe Erde (Abb. 98-105, WV 12). Er hat um eine Untersuchung des Bau¬
werks durch einen Bauingenieur, weil er Schwankungen des Glockenturms und Senk¬
risse festgestellt habe und eine Unterspülung der Chorwand befürchte. Das bisher
bedeutendste Werk seines CEuvres beschäftigte ihn vor allen anderen. Auch zur Zeit der
Vollendung war er sich über den Rang dieses Bauwerks klar. Den Freund Guardini
ersuchte er um einen Besuch in Aachen, um ihm die Kirche zeigen zu können, obwohl
er fürchtete, daß sie Guardini »etwas schwer fällt«: »Es ist aber das Kompromissloseste,
was es zur Zeit gibt.«277
Das »kompromißloseste« Bauwerk konnte Schwarz nur aufgrund einer Verkettung glück¬
licher Umstände errichten.278 Die Aachener Pfarrgemeinde St. Josef war zu stark gewor¬
den, so daß der Bau einer Filialkirche notwendig wurde. Der neue Pfarrer Peter Tholen
galt zwar nicht als besonders kunstverständig oder progressiv, erwies sich aber als energisch
und durchsetzungsfähig. Die Kosten eines Wettbewerbs wollte er sparen und wandte sich
direkt an Schwarz, dessen Entwürfe für die Heiliggeistkirche Eindruck gemacht hatten.
Tholen setzte das Schwarz-Projekt gegen die massiven Einwände des Generalvikariats und
des Aachener Oberbürgermeisters Wilhelm Rombach durch, gedeckt durch den Kunstbei¬
rat der Stadt und anscheinend auch durch den Aachener Weihbischof Hermann-Josef
Sträter. Befördert wurden die Baupläne durch eine bevorstehende Reorganisation der Erz¬
diözese, bei der Aachen wieder zu einem eigenen Bistum wurde. In der Übergangszeit
hielt sich die Kölner Zentrale offenbar vor allzu strengen Eingriffen zurück.
Aus dem Ansatz des Fronleichnam-Projekts, das vom Beginn des Jahres 1929 bis zu sei¬
nem Ende mehrere, sehr unterschiedliche Phasen durchlief, ist zu schließen, daß es die
Variante »Mauer« war, die zum Ausgangspunkt der Entwurfsreihe wurde. Damit war
auch eine Anknüpfung an das »Opfergang«-Projekt für die Frankfurter Frauenfrie¬
denskirche gegeben, das seinerseits hinter dem Thema »Mauer« gestanden hatte. In
allen drei Projekten - Frankfurt, »Mauer« und Fronleichnam in Aachen - handelte es
sich um langgestreckte kastenförmige Räume. Begleitet wurden sie von jeweils einem
Nebenschiff. Abgesehen von einem Hauptportal in der Längsachse des großen Saals,
für Prozessionen an hohen kirchlichen Feiertagen bestimmt, war der Zugang in den
rechten Winkel zur Hauptachse gelegt. Der Altar stand auf einem »Stufenberg«,
erhöht also, vor allem in Frankfurt, aber mit der Gemeinde in ein- und demselben
Raum, unter ein- und derselben Decke. Seitlich einfallendes Licht (in einer Variante
der Frauenfriedens-, aber auch der Fronleichnamskirche auch frontales Licht) zeich¬
nete ihn aus, aber nicht durch dramatisch gelenkte Lichtbündel, sondern durch
großflächige Fenster, durch leuchtende Wände.
In Frankfurt war der Gedanke der Einraumkirche, des Laien- und Kultraums in einem
einzigen Raum, noch so neu, daß er mit der Strenge und Radikalität formuliert wurde,
die bei einer neuen Raumidee naheliegen. Beim »Mauer«-Projekt und bei den ersten
277 RS an Romano Guardini, 19. 12. 1930. - Ähn¬
Entwürfen für die Fronleichnamskirche forderten dagegen die anderen liturgischen
lich am 6. 12. 1930.
278 Vgl. August Brecher. Eine junge Pfarre im Aa¬ Orte ihr Recht. Rudolf Schwarz sprach in diesem Zusammenhang von »einem Wachs¬
chener Ostviertel. Aachen 1997. tum der Ideen«: »Es gab eine Zeit, da wurde der Gedanke, alles auf den Altar hinzu¬
279 RS. Die Fronleichnamskirche. a.a.O. S. 286. -
richten, so groß empfunden, daß alles andere >an die Wand gedrückt wurde. Jetzt stellt
RS. Erneuerung des Kirchenbaus? In: Die Form 5
(1930)21/22,5.555. sich aber wieder eine neue Ordnung her, was wohl eine echte Bereicherung ist«. In den
280 Vgl. vor allem: Karin Becker. Rudolf Schwarz. ersten Aachener Entwürfen für »Mauer« und St. Fronleichnam gab es - außer dem
1897-1961. Kirchenarchitektur. a.a.O. S. 16ff. - Nebenschiff - auch Vorkirche, Ttufkapelle oder Werktagskirche, die aber im Laufe der
Thomas Hasler. Die Ero nie ich namskirch e von
Entwurfsbearbeitung für die Fronleichnamskirche wieder zugunsten des dominieren¬
Rudolf Schwarz. Wahlfacharbeit Eth Zürich.
1989. Typoskript. - Britta Giebeler. Sakrale den Einraums gestrichen wurden. Die Sitzanordnung der letzten Fassungen »kann als
Gesamtkunstwerke zwischen Expressionismus und eine Marschordnung aufgefaßt werden. Keiner der zweitausend Menschen, die der
Sachlichkeit im Rheinland. Diss. Bonn. Weimar
Innenraum aufnimmt, kann dem anderen ins Gesicht sehen.«279
1996. S. 104fr - Nach Abschluß des Textes er¬
schien. August Brecher. Eine junge Pfarre... Selten ist wohl im modernen Kirchenbau so intensiv und mit so unterschiedlichen Zwi¬
a.a.O. schenergebnissen an einem Projekt gearbeitet worden.280 Vorhalle und freistehender

70
Turm wechseln ihren Platz. Sogar die Gesamtorientierung des Bauwerks und damit die 98 Rudolf Schwarz. St. Fronleichnam. Aachen-
Plazierung des Altars wird so und dann wieder anders entschieden: Im Zustand vom Rothe Erde. Anfang 1929. Grundrißskizzen.
18.-29. Januar rückt er vorübergehend nach Westen (genau gesagt: nach Nordwesten), Tusche.

im Mai steht er wieder im Osten. Am längsten blieben Zahl und Anordnung der Fen¬
ster offen. Zeitweise sind es großflächig verglaste Wandzonen, dann Lochfenster in
wechselnder Zahl. Schließlich werden die fünf bzw. zwölf Fenster der beiden Lang¬
wände auch nicht mehr mit horizontal betonter Sprossung versehen, sondern mit
jeweils fünfzehn hochrechteckigen Scheiben. Nach außen gehen sie bündig mit der
Wandfläche, von innen gesehen aber liegen sie tief im Gewände. Es ist die am wenig¬
sten elegante, die frugalste und nüchternste und zugleich die allerpoetischste Lösung.
Sie erinnert an Fabrik, auch wenn Schwarz eine Interpretation der Kirche als »Werk¬
halle Gottes« verwarf. Gebet sei nicht Arbeit, sondern »feiertägliches Werk«.281 281 RS. Kirchenban. S. 23.

71
99 Rudolf Schwarz (Zeichnung?). St. Fron¬
leichnam. Aachen-Rothe Erde. Um 1930. Blei-
und Buntstift.

72
Der endgültige Plan erhält seine Spannung gerade dadurch, daß die unterschiedlichen
kirchlichen Funktionen und Orte in einem einzigen, als widersprüchliche Einheit
erlebbaren Raum zusammengefaßt sind. Aus dem verglasten Eingangsraum, der ein
abgetrenntes Raumpartikel des sehr niedrigen Nebenschiffes bildet, geht der Blick - in
den orthogonalen Richtungen - entweder in den Feil des Hauptschiffes, den die Sän¬
gerempore überdeckt, oder, zur Rechten, in die Längserstreckung des Nebenschiffes.
In die diagonale Sichtlinie dagegen stellt sich die mit Blaustein verkleidete Wand¬
scheibe, die als einzige Stütze in der Länge des Nebenschiffes die Last der darüber auf¬
steigenden Hochwand aufnimmt. Ihre Position scheint durch keine Maßvorgabe festge¬
legt. Sie wirkt flottierend wie eine der Marmor- oder Halbedelstein-Wandscheiben, mit
denen Mies van der Rohe damals - Barcelona-Pavillon, 1928-29, Haus Tugendhat in
Brünn, 1928-30 - Räume gliederte. Gehalten ist sie aber durch die Aufgabe, die ihr
zukommt, nämlich das Allerheiligste dem ersten Blick zu entziehen. Erst wenn der
Besucher eintritt, im großen Saal sich zur Rechten wendet und in die Hauptachse des
Bauwerks einschwenkt, wird er des Altarberges ganz ansichtig.
Boden bedeutet Erde, die Wände und die Decke ihr Jenseits. Der Boden ist in St. Fron¬
leichnam mit schwarz erscheinendem Blaustein ausgelegt, der Altaraufbau mit
schwarzem Marmor. Alle anderen Raumbegrenzungen strahlen dagegen in reinem
Weiß. »Was >Erde< ist, wurde aus dem dunklen Naturstein hergestellt, während alles,
was von der Erde fortstrebt, ganz hoch und hell wurde.«282 Wie der Übergang von
Außen- zu Innenraum durch keine vermittelnde Geste abgemildert wird (es sei denn,
durch den verglasten Eintrittsraum), so gibt es - mit einer Ausnahme - auch keine Ver¬
bindung und Verschmelzung zwischen dem Schwarz des Unten und dem Weiß des
Oben. Die einzige Gebärde der Vermittlung, ja der Zuneigung wirkt umso stärker. In
der Wand am Altarbereich steigen die Fenster aus der Gadenzone mit zwei Fensterpaa¬
ren herunter zu den Menschen.
Die durch das Licht immaterialisierte Wand gibt dem Raum seine spirituelle Qualität.
Das Licht zehrt den materiellen Charakter der Wand auf, ohne daß sie darüber zur
puren Fläche wurde. Das Verdikt gegen die papierartige Wirkung moderner Wände
und das Bekenntnis zu Körper, Massen und Bewegung sah Schwarz mit der Fronleich¬
namskirche erfüllt. Niemand, der nicht den Konstruktionsplan der Bauingenieure Josef
Pirlet & Stephan Link studiert hat und weiß, daß in den Wänden ein (mit Schwemm¬
steinen ausgefachtes) Betongerüst steht, wird jedoch einen Gedanken auf die physische
Beschaffenheit der Wände verwenden. Ihre Schwere oder Leichtigkeit sind keine Kri¬
terien, ihre Materialität, ihr Gewicht oder ihre Leichtigkeit, spielen keine Rolle. Die
Wand ist, in Schwarz’ eigenen Worten, keine Mauer, sondern »gespannte Membran«,
»Membran, Scheibe. Das Mauerwerk als Masse ist verschwunden.«285
Damit fiel ein Stichwort, das wenige Jahre zuvor von dem Bauhaus-Schüler Siegfried
Ebeling zum Thema eines eigenartigen Traktats gemacht worden ist. Ebelings win¬
dungsreiche und schwer nachvollziehbare Gedankengänge stellen das Haus des Men¬
schen in ein Spannungsfeld zwischen »vielfach durchkräfteter Erde« und »periodisch
wechselnd durchstrahltem« Licht- und Luftmedium. Architektur bedeutete für ihn
nicht repräsentative Machtdarstellung oder Projektion menschlichen Innenlebens. Was
sie zu leisten habe, entspreche dem Prinzip der Rinde oder Hülle, die Einflüsse auf das
Mark, den Zellkern, das Raumgehäuse verträglich steuern. »Im ganzen bleibt festzuhal¬ 100 Rudolf Schwarz. Taufstein in St. Fronleich¬

ten, daß das Haus aufzufassen ist als Durchgangsmedium eines kontinuierlichen, wenn nam. Aachen-Rothe Erde. Um 1930. Blaustein.

auch in seiner Richtung mehrfach gebrochenen Kräftestroms. «2g4

Ebelings Bekenntnis zu »Werten« statt zu »Lösungen« hätte Schwarz befriedigen kön¬


nen, nicht aber dessen Polemik gegen »metaphysisches Pathos«.285 Auch Schwarz hat
282 RS. Die Fronleichnamskirche. a.a.O. S. 284.
die »Membran« dieser Wände als etwas Durchlässiges, Diaphanes, nicht als Abschluß 283 RS. Vom Bau der Kirche. Heidelberg 1947-. S.
empfunden. Aber bei Ebeling waren die osmotischen Prozesse, denen der Bau ausge¬ 4. - RS. Die Fronleichnamskirche. a.a.O. S. 286.
setzt ist, biologisch-physikalisch gemeint, bei Schwarz theologisch. Freund Guardini ist 284 Siegfried Ebeling. Der Raum als Membran.
Dessau 1926. - Fritz Neumeyer verwies erst¬
Schwarz in dieser Interpretation gefolgt. »Das ist keine Leere; das ist Stille! Und in der
mals auf die Bedeutung dieser Schrift für
Stille ist Gott. Aus der Stille dieser weiten Wände kann eine Ahnung der Gegenwart Mies, der sie mit zahlreichen Anstreichungen
Gottes hervorblühen«.286 Schwarz war ein Baumeister, der in Bildern dachte. Diese Bil¬ durchgearbeitet hat (Mies van der Rohe. Das
kunstlose Wort. Berlin 1986. S. 2 2off.).
der konnten unterschiedlichen, aber immer hohen Abstraktionsgrad haben. Von allen
285 Siegfried Ebeling. ebda. S. 5, 25.
ausgeführten Bauwerken war es die Fronleichnamskirche, in der sie den größten 286 Romano Guardini. Die neuerbaute Fronleich¬
Abstraktionsgrad annahmen. In den »Membranen« des Innenraums wurde die Bildlo- namskirche in Aachen. a.a.O. S. 267.

73
sigkeit zum Bild, die Gegenwart und gleichzeitige Abwesenheit Gottes zur Anschau¬
ung. Kirchenbau - und diese Überzeugung begleitete Schwarz in die Zukunft - war der
Versuch des Unmöglichen, eine Näherung an die »unlösbare Lösung«, ein gestaltetes
Versagen vor dem Göttlichen.287
Für den Außenbau der Fronleichnamskirche gilt die »negative Theologie« nicht in
demselben Maße. Guardini fühlte sich allzu sehr an einen Nutzbau erinnert,288 also
doch wohl an die »Werkhalle Gottes«. An der Eingangsseite kam Schwarz aber im
Gegenteil zu einer Lösung, die von ferne »Haus« assoziiert. Er schuf einen Giebel, der
in seinem oberen Abschluß die Steigungswinkel des Dachstuhls dahinter mitmacht und
in der Anordnung des Prozessionstores und der beiden oberen Fenster einen Anflug
von Gesicht, von Fassade ergibt. An dieser Stelle entsteht eine Ambivalenz zwischen
gewollter Ansichtsfront und allseitig den Raumquader einhüllender Membran.
Aber die Spannung von Flächen und sparsamen Öffnungen und die feinstgliedrige, ja
witzig pointierende Brücke zwischen Dachstuhl und Campanile machen diesen Bau
auch in seiner äußeren Gestalt zu einem Höhepunkt der Moderne in Deutschland. Man
erschrickt im nachhinein bei dem Gedanken, daß Schwarz es bei einer Entwurfsskizze
vom 22. Juni 1929 (Abb. 101) hätte bewenden lassen können. Da waren probeweise -
oder zur abschreckenden Belehrung von Kritikern seines Entwurfs? - Walm- und Zelt¬
ioi Rudolf Schwarz. St.Fronleichnam. Aachen- dächer auf den Baukörpern und reichlich plastischer Schmuck vorgesehen. Dieser
Rothe Erde. Datiert 22. 6. 1929. Außenansicht. Pilotbau des Neuen Bauens hätte leicht auch ein traditionelles Gebäude von nur eben
Kohle. passabler Qualität werden können.
Den Begriff »Neues Bauen« hat Schwarz in einem Aufsatz mit Fragezeichen verse¬
102-104 Rudolf Schwarz. St.Fronleichnam. Aa¬
hen.28’ Gab es überhaupt »Neues Bauen«? Schwarz sprach von einer Wiederholbarkeit
chen-Rothe Erde. Drei Studien für Wand und
Fenster. Datiert 11. 11. 1929. Kohle. der Geschichte, als mache Unwiederholbarkeit nicht die Geschichte und Wiederhol¬
barkeit nicht den Mythos aus. Aber er meinte die Verarbeitung alter Erfahrungen in
einem liebevolleren und weniger pedantischen Verhältnis, als es die Historisten zur
Vergangenheit unterhalten hatten. Er unterschied eine solche Haltung sehr wohl von
Geschichtshörigkeit. Für ihn gab es den Unterschied »zwischen dem Vorhandenen, das
feststeht und sein muß und dem, das ffeisteht, da ist, aber auch anders sein könnte«.2’0
In diesem Freiraum zwischen Müssen und Dürfen bewegt sich der Baumeister.
Dem Historismus galt sein distanziertes, abwägendes Urteil, aber dem, was er »Techni¬
zismus« und die »Fiktion der Zwecke« nannte, eine Verdammung aus ganzem Herzen.
Auch ein von der Moderne immer wieder vertretenes Dogma, die Verdeutlichung ihrer
Konstruktion, wurde von Schwarz nicht nur ignoriert: Er hat es geradezu konterkariert.
Nicht allein, daß er das tragende Gerüst der Fronleichnamskirche ebenso in den
Flächen des Raumkastens verbarg wie das zur Aussteifung des Gebäudes unentbehrli¬
che Stahlfachwerk des Dachstuhls. Mit den Vertikalen der lang herunterhängenden
Lichtschnüre für die künstliche Beleuchtung hätte er das Stützensystem des Bauwerks
verdeutlichen können. Aber er brachte sie in den Mittelachsen der Fenster an, nicht in
den Mittelachsen der Wandstücke zwischen ihnen. So übernehmen sie bei Dunkelheit
mit den Mitteln des elektrischen Lichts die Rolle des von oben nach unten einfallenden
Tageslichts. Wichtig für Schwarz war die Veranschaulichung von Werten, die er als
wesentlich, zum Wesen einer Sache gehörend empfand. Die Tatsache, daß ein Gebäude
steht, und wie es gemacht wird, daß es steht, war in der Hierarchie seiner Werte kein
wichtiges Kriterium.
Wenn es nach Schwarz gegangen wäre, hätte es nicht Neue Sachlichkeit, sondern Neue
Dinglichkeit heißen müssen.2’1 Mit den Dingen des täglichen Lebens ließen sich
Strenge, Armut und Demut verbinden, und sie ließen auch eine »Wiedergeburt der
Baukunst aus der Armut« erhoffen. Solche Werke müßten dann nicht dienen, sondern
dürften ihrerseits Dienst fordern. Gab es ein Neues Bauen in diesem Sinne? Im Jahre
1929, dem Entwurfsjahr von St.Fronleichnam, entzog sich Schwarz einer Antwort.
287 RS. Vom Bau der Kirche. S. 69. Manches sei besser geworden - er zählte den Wohnbau dazu -, manches schlechter.
288 Romano Guardini. Die neuerbaute Fronleich¬
Daß es ihm in Aachen-Rothe Erde auf Strenge und Armut und auch auf den Reichtum
namskirche in Aachen. a.a.O. S. 268.
289 RS. Neues Bauen? In: Die Schildgenossen 9 in der Armut ankam, darf als gewiß gelten. In seinem Aufsatz vom Neuen Bauen bleibt
(1929) 3, S. 207ff. das Fragezeichen erhalten. Aber aus seiner privatim an Guardini gerichteten Formulie¬
290 RS. Baustelle Deutschland. In: Die Schildgenossen
rung von der »gewissen Wendung«, die mit St.Fronleichnam verbunden sei,2’2 darf
12 (1932) 1, S. 1.
291 ebda. S. 214. man schließen, daß er doch hoffte, es könne ihm ein Monument jener neuen »Baukunst
292 RS an Romano Guardini, 6. 12. 1930. aus der Armut« gelungen sein. Zweifellos: Es ist eins geworden.

74
75
105 Rudolf Schwarz. St.Fronleichnam. Aachen-
Rothe Erde. 1929-30. Außenansicht.

76
/Vis die Kirche vollendet war, hat auch Schwarz das gelingende Neue bejubelt, das nicht
Technizismus und Funktionalität war, sondern »Werkwerdung«: »Etwas Großes
geschieht unter uns und die davon berührt sind im I lerzen oder daran mitwirken, emp¬
finden das tiefe Glück, daß es ein Neues ist: die Auferstehung der Baukunst. Klar und in
der leuchtenden Reinheit ihrer strengen Jugend entsteht eine neue Ordnung der
Räume und Werke, der Formen und Menschen auf den Trümmerstätten veralteter
Erinnerungen, sinnlos gewordener .Ansprüche und mißverstandener Embleme.« Noch
Jahrzehnte später hat Schwarz darauf bestanden, daß die Fronleichnamskirche vor
allem eine »Aussage religiöser Poesie« gewesen sei.2«

»Eine größere Ordnung«: Deutsche Werkhütten

Schon in der Philosophie, mit der Schwarz die Arbeit der Aachener Schule begründete
(vgl. S. 55ff.), war der Gedanke eines auf das ganze Land bezogenen Werkplans enthal¬
ten. Die Notzeit der Weltwirtschaftskrise und die politischen Unruhen in der krisenge¬
schüttelten Weimarer Republik gaben solchen Überlegungen Aktualität. Das soziale
Elend und die wirtschaftlichen Zusammenbrüche schienen diesem Denker Signale, daß
»eine neue Weltzeit sich meldete«.294 Schwarz in seinen ausgeprägten Ordo-Vorstel-
lungen fühlte sich aufgerufen, für »die rechte Gestalt und Ordnung der Dinge« einzu¬
treten. Zunächst, 1931, suchte er seine Kollegen vom Deutschen Werkbund für das
Konzept einer »Deutschen Bauhütte« - auch »Werkhütte« oder »Akademie« genannt
- zu gewinnen.
Schwarz verwendete den Begriff im Zusammenhang mit einer Arbeitsgruppe, die sich
»zu einer Instanz für die Gestaltung Deutschlands« entwickeln, ja einen »neuen Grund¬
riß für Deutschland« ausarbeiten sollte. Zunächst galt es, sie innerhalb des Werkbundes
zu konstituieren, als dessen Zweiter Vorsitzender Mies van der Rohe 1926-32 amtierte.
Schwarz selbst war natürlich Werkbund-Mitglied. 1931 wurde er für ein Jahr in den
Vorstand und am 15. Oktober 1932 erneut gewählt.29? Der Bund müsse, wie Schwarz
fand, aus seiner »ängstlichen Beschränkung... auf formale Dinge« herausgeführt wer¬
den. Es wäre einer der vielen Revisionsversuche innerhalb dieser Organisation gewesen, 293 RS. Baustelle Deutschland. a.a.O. S. 1. - RS an
zu deren Selbstverständnis es immer wieder gehört hatte, als »Instanz für die Gestal¬ Alfons Leid, 7. 1. 1954.
294 RS. Kirchenbau. a.a.O. S. 49 .
tung Deutschlands« zu wirken.296
295 Mitteilungen des Deutschen Werkhundes. In: Die
Tätigkeitsfeld dieser Bau- oder Werkhütte sollte ein »Vorentwurf der kommenden Form 7 (1932) 9, S. 11 f. - Protokolle der Vor¬
Ordnung«, ein »großer Plan«, eine neue Struktur für Wirtschaftsleben, Sozialordnung, standssitzungen am 24. 10. 1931, 28. 6. 1932,
Lebensform und Schulpolitik sein. Ansätze sah Schwarz in verschiedenen Gruppierun¬ 14. 10. 1932. Nachlaß Edwin Redslob, Bun¬
desarchiv Koblenz.
gen der Zeit, in Frauen-, Arbeiter-, Jugend-, Studenten- oder Sport-Bewegung. Daß Auf der Jahresversammlung vom 29. 9. — 1.
das Projekt so allgemein wie unverbindlich klang, bemerkte Schwarz anscheinend 10. 1933 in Würzburg trat der Vorstand
selbst. Er schlug konkrete planerische und bauliche LInternehmungen vor, die in zurück. Der Werkbund wurde nun nach dem
Führerprinzip als »eine Sa auf dem Gebiete
Zusammenarbeit mit existierenden Bewegungen in den unterschiedlichen Provinzen
aller schöpferischen Lebenskräfte« neu orga¬
entstehen sollten. »Das Endziel der Gruppe ist praktisch«.297 Viel wurde aus dieser nisiert (Jahresversammlung des Deutschen Werk¬
Sache nicht. Möglicherweise lag sie nur Schwarz selbst am Herzen. Man korrespon¬ hundes in Würzburg. In: Die Form (1933)10, S.
317). Schwarz gehörte demnach dem Vor¬
dierte, kam zusammen und gründete einen kleinen Arbeitskreis, als dessen Teilnehmer
stand zwei Jahre lang an. Wann er dem Deut¬
Schwarz lediglich den Berliner Stadtbaurat Martin Wagner und Mies nannte.298 schen Werkbund beitrat, ließ sich nicht ermit¬
Für Schwarz selbst blieb dieser Wunsch, die Welt »in baumeisterliche Hände« zu teln, da die Unterlagen des Dwb 1944 bei
einem Luftangriff vernichtet wurden. - Aus¬
legen, ein Fixpunkt seines Denkens. Als er lange nach dem Zweiten Weltkrieg in die
künfte von Gabriele Ganser (Werkbund-Ar¬
wiedergegründete Berliner Akademie der Künste berufen wurde, löste der Begriff chiv Berlin) und Regine Halter (Deutscher
»Akademie« abermals die Assoziation einer Verschwörung von Männern aus, die Werkbund, Frankfurt am Main).
gemeinsam das Notwendige durchsetzen (vgl. S. i84f.).2" Aber die Hoffnung auf die 2 96 RS an Ludwig Mies van der Rohe, 1. 1. 1931.
297 RS an Ludwig Mies van der Rohe, 1. 1. 1931,
Autorität der Wissenden verführte ihn auch, im Juli 1933 mit seinen Plänen Gehör hei
23. 7. 1931. - Faksimile eines »Organisations¬
den falschen »Baumeistern« zu suchen. Zusammen mit Rene von Schöfer, Professor für plans« in Manfred Sundermann, Claudia
Städtebau und Baugestaltung an der Technischen Hochschule Aachen, und Hans Spie¬ Lang, Maria Schwarz (Hg.). Rudolf Schwarz.
Düsseldorf 1981. S. 54.
gel, dem zeitweisen Landesleiter des Kampfbundes für Deutsche Kultur, dem Architek¬
298 RS. Kirchenbau. S. 49 h
ten und späteren Hauptreferenten beim Reichskommissar für den sozialen Wohnungs¬ 299 RS an Hans Scharoun, damals Präsident der
bau, verfaßte Schwarz eine Denkschrift, die ein streng hierarchisches Schulsystem Berliner Akademie der Künste, 7. 6. 1957.

77
vorschlug.Die Aufgabenüberschneidung von Bau-, Fach- und Gewerbeschulen soll
behoben werden. Die Schulen gehen in örtlichen »Werkhütten« auf, die jeweils eigene
»Aufträge« erhalten: Aachen beispielsweise für Bauschulung, Kirchliche Kunst, Deut¬
sche Mode, Maschinenbau. Die örtlichen Werkhütten sind in überregionalen Werkhüt¬
ten zusammengefaßt, über die eine staatlich-preußische Werkakademie die oberste Auf¬
sicht führt. Drei Aufgaben sind die wichtigsten: »Überwindung der physischen Not«,
»Begründung einer neuen Volkssitte« und »Neuordnung des deutschen Raumes durch
Auflösung der Großstätte [sic] und durch Umsiedlung«. Den letzteren Punkt (»Die
Großstadt ist der Tod der Nation«) vertrat auch der in den beiden Anfangsjahren des
Ns-Regimes einflußreiche Reichssiedlungskommissar und Staatssekretär im Reichs¬
wirtschaftsministerium Gottfried Feder, der unter einer älteren Parteinummer als Hit-
ler selbst registriert war.
Die privat gedruckte Denkschrift ist mit Appellen an die opferbereite Gemeinschaft
und mit Erinnerungen an »die hohe Zeit der germanischen Rasse«, sprich: der goti¬
schen Kathedrale durchsetzt. Dieses Schriftstück mag aus dem Wunsch entstanden
sein, die Zukunft der gefährdeten Aachener Kunstgewerbeschule zu retten und zugleich
im Vokabular der neuen Machthaber einen Lieblingsgedanken von Schwarz, die
»Werkhütte«, zu fördern. Aber Schwarz fühlte sich veranlaßt, seine Argumentation
auch in den katholischen Schildgenossen mit ähnlichen Elogen auf »die beglückende Ein¬
mütigkeit des Bekenntnisses zu Nation und Sozialismus« vorzutragen.,QI Taktik? Vor¬
übergehende Anfechtung? Pressionen durch die Fierausgeber der Zeitschrift können es
jedenfalls nicht gewesen sein. Schwarz war selbst Mitherausgeber.
Der Versuch, die politische Führung des neuen Regimes für die eigenen Ziele zu gewin¬
nen, ist 1933 und in den folgenden Jahren von vielen unternommen worden. Architekten
wie Theodor Fischer, Walter Gropius, Hugo Häring, Alfons Leitl, die Brüder Luckhardt
oder der junge Max Cetto suchten den neuen Machthabern das Neue Bauen als den
eigentlich deutschen Kulturbeitrag nahezubringen. Dieser Versuch schien insofern nicht
aussichtslos, als die Kultur- und speziell die Architekturpolitik der Nationalsozialisten
noch nicht kenntlich geworden war. Im Gegenteil entstand durch Auseinandersetzungen
etwa zwischen Alfred Rosenberg, dem kulturpolitischen Chefideologen der NSDAP und
300 Rene von Schöfer, RS, Hans Spiegel. Werk¬
schulung und Staat. Aachen, Juli 1933. Reichspropagandaminister Joseph Goebbels der Eindruck, daß die Positionen durchaus
301 RS. Deutsche Werkhütten. In: Die Schildgenossen im Flusse waren. Das Beispiel des faschistischen Italien, in dem die Futuristen und die
13 (1933) 2, S. 104h
Novecentisten sich der Gunst Mussolinis erfreuten, ließ - bevor Hitler in seinen Nürn¬
302 Bruno E. Werner. Der Aufstieg der Kunst. In:
Deutsche Allgemeine Zeitung 12. 5. 1933. Zit. berger Kulturreden jede Illusion beseitigte - auch für Ns-Deutschland eine Entschei¬
in: Anna Teut (Hg.). Architektur im Dritten dung zugunsten der Moderne möglich erscheinen. »Diese Künstler und keine anderen«,
Reich. 1933-2945. Berlin, Frankfurt, Wien
schrieb der Kritiker Bruno E. Werner im Mai 1933 und empfahl neben den Künstlern
1967. S. 147.
Diese Phase der Unsicherheit ist in der Lite¬ von »Brücke« und »Blauem Reiter« namentlich Hans Poelzig, Heinrich Tessenow und
ratur oft geschildert worden, vgl. u.a. Anna Mies van der Rohe, »sind die Repräsentanten des Faschismus in der Kunst.«302
Teut. Architektur im Dritten Reich. a.a.O., vor Für Leser von Schwarz-Aufsätzen dieser Jahre - und kurzfristig auch für den Autor? -
allem S. 118 ff.- Barbara Miller Lane. Architec-
ture and Politics in Germany 1918-1945. Cam¬
lag eine Möglichkeit des Mißverständnisses in der Argumentation seiner Schriften
bridge, Mass., 1968. Dt.: Architektur und Poli¬ selbst. Der Essay Baustelle Deutschland, der 1932 (also vor der »Machtergreifung«!)
tik in Deutschland 1918-1945. Braunschweig, zuversichtlicher als alle anderen seiner Äußerungen den Advent der neuen Baukunst
Wesbaden 1986. - Werner Durth u.a. in:
feierte, rief dringlicher als die übrigen Texte nach einer neuen Ordnung. Sie sollte
Deutsche Architekten. Biographische Verflechtun¬
gen 1900-1970. Braunschweig, Wiesbaden Liberalismus und Kapitalismus ablösen, gesellschaftlichen Ubelständen in den Augen
1986. vor allem S. 79 ff. - Hartmut Frank von Schwarz und vieler Angehöriger eines sich als überpolitisch verstehenden Katholi¬
(Hg.). Faschistische Architekturen. Planen und
zismus. Es waren Urteile, die aus einem Ungenügen an der demokratischen Parteien¬
Bauen in Europa 1950-1945. Hamburg 1985. -
Wnfried Nerdinger (Hg.) u.a. in: Bauhaus- landschaft kamen. Das Mißtrauen gegenüber den Parlamentariern und Parteien - auch
Moderne im Nationalsozialismus. Zwischen An- gegenüber dem christlichen Zentrum - war im Quickborn verbreitet und führte zu
biederung und Verfolgung. München 1993. - Jo¬ einer Distanz, die faktisch den Gegnern der Weimarer Republik in die Hände spielte.303
achim Petsch u.a. in: Baukunst und
Guardini, der anfangs selbst zur Zurückhaltung gegenüber der Tagespolitik gemahnt
Stadtplanung im Dritten Reich. München,
Wien 1976. hatte, fand später, diese Abstinenz sei ein Fehler gewesen, den die Rothenfelser mit der
3°3 Vgl. Godehard Ruppert. Burg Rothenfels. gesamten Jugendbewegung geteilt hätten. Auch wenn das Aufkommen des Nationalso¬
a.a.O. S. 64 ff. - Johannes Binkowski. Jugend
zialismus mit Sorge und Kritik beobachtet worden sei, hätten die Quickborner nicht bei
als Wegbereiter. Der Quickborn von 1909 bis
1948. a.a.O. S. 218ff. Zeiten erkannt, »was der Nationalsozialismus in seinem Wesen war, der sich dann so
304 Romano Guardini an Heinz Fleckenstein, 20. vieles von ihren Ideen und Formen angeeignet, freilich auch verfälscht hat.«304 Darin
5. 1963. In: Burgbrief Q\. 7. 1985) 3.
verhielten sich die Quickborner nicht anders als ein großer Teil der Kirche. So nahm
305 Ulrich von Hehl. Katholische Kirche und Natio¬
nalsozialismus im Erzbistum Köln 1955-1945. die Fuldaer Bischofskonferenz Ende März 1933 ihre früher geäußerten Vorbehalte
Mainz 1977. S. 35. zurück und ermahnte »zur Treue gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit«.305

78
Wenn Schwarz ein Gegenbild zur skeptisch gesehenen Gegenwart beschwor, tat er es
mit den Metaphern des Architekten. »Das Reich gleicht einer Baustelle, auf der die
Vorbereitungen getroffen werden, um die Fundamente einer neuen Architektur auszu¬
heben.« Den Arbeiter und den wirtschaftenden Menschen löst gut nietzscheanisch »der
freie, der herrschende Mensch ab... Es kommen neue Herren und es scheint, daß das in
einem neuen Sinne die »Menschen« sein werden... Neue Kultstätten entstehen, neue
Zentren der Herrschaft.« Wie bei Stefan George’06 konnte die Führer- und Reichsmy¬
thologie aut »neue Herren« bezogen werden, auf die sie in keiner Weise paßte. Schwarz
prophezeite »eine größere Ordnung«, die auch die Technik zu sich selbst bringen und
ihr Schönheit verleihen würde. An die Spitze seiner deutschen »Werkhütten«-Bewe-
gung wünschte Schwarz sich demgemäß einen Baumeister. »Das neue Europa... wird
ein haumeisterliches werden, und das gerade erhebt die Bauten der neuen Art weit über
ihre Zahl und Größe hinaus.« Und: »Ich sehe die Aufgabe des Politikers stark architek¬
tonisch. Er hat ein bestimmtes Material, etwa die Ganzheit Deutschlands mit allem was
darin ist oder Europa oder die Welt zu formen.«30?
Die Baumeister-Metapher war nach 1933 eine verbreitete rhetorische Formel für Hit¬
ler, den »Baumeister des Reiches«. Am peinlichsten hat sie Schwarz’ Architektenkol¬
lege Paul Schmitthenner in einer Tirade über den »unbekannten Steinmetzen« ausge¬
führt, den das Volk zu seinem »Werkführer« erwählte, »auf daß die alte reine Form
wieder erstünde«.308 Bei Schwarz waren die »neuen Herren«, von denen er die Aufer¬
stehung der Baukunst erhoffte, parteipolitisch nicht lokalisiert. Daß sie sich selbst über¬
heben und der Maßlosigkeit verfallen könnten, daß zum Wissen auch das Wissen um
die eigene Grenze gehöre, steht prophetischerweise auch bei Schwarz. »Kein Gesetz ist
da, das versichert, daß die besten Hoffnungen Welt werden.«30?

»Wer aber das Volk kennt...«: Beginn der NS-Zeit

Die von der öffentlichen Hand betriebenen Kunst- und Werkschulen waren bereits
durch die Weltwirtschaftskrise und deren Folgen gefährdet. Regierung und Kommu¬
nen legten Sparprogramme auf. So fielen 1932 in Preußen die Kunstakademien in Bres¬
lau, Kassel und Königsberg der 2. Preußischen Notverordnung zum Opfer, die das
Kabinett Heinrich Brüning eingebracht hatte. Das Dilemma war immer das gleiche.
Auf der einen Seite wurden die Etatmittel so gekürzt, daß die Schulen die Kürzungen
durch Einsparungen nicht mehr ausgleichen konnten. Auf der anderen Seite ging auch
die Schülerzahl infolge der wirtschaftlichen Notlage zurück, ein Faktum, mit dem wie¬
derum die Politiker argumentierten. In Aachen hatte sich im Wintersemester 1933/34

die Zahl der Tagesschüler gegenüber 1928 halbiert.


Die wirtschaftliche Zwangslage der Rechtsträger - im Falle Aachen die Stadt neben
dem Land Preußen - boten nach der Machtübernahme am 30.Januar 1933 durch die
NSDAP dem nationalsozialistischen Regime einen willkommenen Anlaß, die Schule zu
schließen, die in den Augen der Nationalsozialisten zwei gravierende Nachteile hatte:
Sie war modern (in welchem Sinne auch immer), und sie stand der katholischen Kirche
nahe. »Ich bin alles furchtbar leid und am liebsten würde ich alles hinwerfen. Es ist
unendlich schwer, den großen Apparat und all die Menschen durch soviel Schwierigkei¬
ten zu bringen«, gestand Schwarz der Mutter.310
Bis Anfang 1933 hatten die Nationalsozialisten in Aachen keine Rolle gespielt. In der
54köpfigen Stadtverordnetenversammlung saß ein einziger Nazi. Die Kommunalwahl 306 Schwarz besaß Teile der Gesamtausgabe Ste¬
von 1924 hatte dem Zentrum als der stärksten Partei knapp 42% der Wählerstimmen fan Georges (Berlin 1928 ff.) und die wichtig¬
sten Lyrikzyklen in Einzelveröffentlichungen.
eingebracht, 1929 sogar 46% (bei 2,7% für die Nsdap!). Mit der Reichskanzlerschaft
307 RS. Baustelle Deutschland. a.a.O. S. 10, 7 h - RS
Hitlers änderte sich die Situation schlagartig. Bei der Stadtverordnetenwahl vom 12. an die Teilnehmer einer Besprechung zu den
März 1933 kam die NSDAP auf 30,9% hinter dem noch immer stärkeren Zentrum. Schon Schildgenossen, 1. 8. 1926.
308 Paul Schmitthenner. Die Baukunst im neuen
auf der ersten Sitzung des neuen Stadtparlaments hatten die Mitglieder nichts Eiligeres
Reich. München 1934. S. 17.
zu tun, als Hitler zum Ehrenbürger zu machen. Die gesamte Verwaltungsspitze, die 309 RS. Baustelle Deutschland. a.a.O. S. 4.
Schwarz gewählt oder politisch unterstützt hatte, amtierte nicht mehr. Der zuständige 310 RS an Paula Schwarz, 11. 4. 1933.

79
Schuldezernent Johann Mundt war 1930 gestorben, Oberbürgermeister Wilhelm Far¬
wick bereits 1928 in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger Wilhelm Rombach wurde
im Juli 1933 beurlaubt und im November desjahres in Pension geschickt.3"
Das Jahr nach Hitlers Amtsantritt wurde eine peinvolle Zeit. Wie Mies van der Rohe in
Berlin um die Weiterführung des Bauhauses rang, Verbindungen spielen ließ und auch
später Kompromisse einging,3'2 so taktierte auch Schwarz. Er scheint sogar bereit
gewesen zu sein, das Opfer eines Eintritts in den Kampfbund Deutscher Architekten
und Ingenieure, eine Unterorganisation des von den Nazis gegründeten Kampfbundes
für Deutsche Kultur, auf sich zu nehmen: »An mich ist bisher niemand herangetreten.
Der gestrige Vortrag ergab keine Gelegenheit zu einer Fühlungnahme.«3'3
Eine Sondierung in den Berliner Ministerien und Gespräche mit »den verschiedenen
großen und kleinen Bonzen« ergeben ein unterschiedliches Bild. Es scheint nicht
schlimmer als früher zu sein. Früher saßen im Kultusministerium alte Leute, die wenig
Ahnung hatten, jetzt waren es junge, die auch keine Ahnung hatten. »Man wird gerne
angehört. Nachher geschieht dann natürlich ganz was anderes.« Die »höheren In¬
stanzen« geben sich sogar »ganz furchtbar nett. Ich habe ihnen einen Gedenkstein in
meinem Herzen gesetzt, nein, keinen Gedenkstein, eine Siegesallee. Nur die lokalen
Leutchen sind widerwärtig.« Angesichts der anständigen Nazis, die ihn »recht gern
mögen«, glaubt er, »daß man da schon mittun kann, ohne eine Beule ins Gewissen zu
bekommen. Nur über den Kulturbolschewismus können wir uns vorläufig noch nicht
einigen, was aber demnächst passiert.«314
io6 Ns-Kundgebung 1934 in Aachen mit
Bei dieser von heute aus gesehen naiven Lagebeurteilung gerieten auch die Schildgenos¬
Robert Ley, Leiter der Deutschen Arbeitsfront
sen in Zweifel, wo und gegen wen sie ihre Schilde aufstellen sollten. Daß der politische
(im Vordergrund, ohne Mütze). Links von Ley:
Oberbürgermeister Quirin Jansen und Reichsin¬ Katholizismus und die Zentrumspartei Schiffbruch erlitten hätten, war eine unter den
spektor Rudolf Schmeer, rechts vorne: Gauleiter Rothenfelsern verbreitete Meinung. Schwarz fand in dieser Übergangszeit den gemein¬
Josef Grohe. 1934. samen Boden zwischen der Ns-Politik und dem Katholizismus breiter, als man in den
früheren Auseinandersetzungen angenommen habe - eine Folge der zunächst konzili¬
311 Nach den Verwaltungsberichten der Stadt Aa¬ anten Politik Hitlers den Kirchen gegenüber. Guardini riet zur Zurückhaltung in politi¬
chen 1920-1934. - vgl. auch Bernhard Poll. schen Aussagen, »von denen wir doch nichts verstehen«.3'5 Andere, auch Schwarz,
Geschichte Aachens in Daten. Aachen i960.
drangen auf Frontverkürzung katholischerseits. Es galt, möglichst wenig Angriffs¬
312 Vgl. Peter Hahn (Hg.), bauhaus berlin. Wein¬
garten 1985. Besonders irritierte Mies van der flächen zu bieten. Man taktierte vorsichtig, um die neuen Plerren nicht zu verstimmen.
Rohes Unterschrift unter einer Solidaritäts¬ Schmidthüs meinte sogar - ironisch? -, man müsse die Zeitschrift in Fraktur setzen, um
bekundung der Kulturschaffenden für Hitler
sie der neuen Regierung angenehm zu machen.3'6
vom 18. 8. 1934 (S. 148).
313 RS an Hans Spiegel, 28. 6. 1933. In Aachen gingen die Querelen um den Bestand der Schule weiter. Am 24. September
314 RS an Georg Volk, 20. 5. 1933, den Lübecker 1933 kam Schwarz um seine Verabschiedung nach, ohne daß sie ihm zunächst gewährt
Museumsdirektor Curt Georg Heise, 13. n.
wurde. »Ich wurde nach Aachen als Schulleiter berufen, weil man diese Anstalt als
1933, an Karlheinz Schmidthüs, 10. 10. 1933.
- RS an Paula Schwarz, 1. 6. 1933: »Es stellt Kunstschule aufbauen wollte, und ich glaube, diesen Auftrag in den Grenzen des Mög¬
sich heraus, daß ich garnicht abgesetzt werde, lichen auch durchgeführt zu haben. Für die bevorstehende Neuordnung fehlt mir wohl
sondern daß man im Gegenteil meine Ver¬ die Eignung, denn ich könnte den Verzicht auf die hohe Kunst innerlich nicht voll¬
dienste ganz besonders zu würdigen weiß und
außerdem sind die Nazis furchtbar nett zu
ziehen.«3’7
mir. Ich weiß gar nicht, warum sie das sind, es In dem Versuch, die Schule zu retten, suchte Schwarz Bundesgenossen, wo er sie zu fin¬
ist aber so in der Ordnung.« den hoffte. Kirchlichen Würdenträgern schilderte er die Schule als eine wichtige Institu¬
315 RS an Karlheinz Schmidthüs, 10. 10. 1933. —
tion des katholischen Geisteslebens. »Dem kulturellen Leben der deutschen Katholiken
Karlheinz Schmidthüs an RS, Pfingsten 1933
(mit einem wörtlichen Zitat Guardinis). steht ein schwerer Verlust bevor.« Als die Schließung der Schule unabwendbar war,
316 Karlheinz Schmidthüs an RS, 5. 5. 1933. erwog er zeitweise - gemäß seiner Auffassung von Werkschulen - die Gründung einer
317 RS an den Oberbürgermeister, z.Hd. des Bür¬
»Werkstattgemeinde«, einer »freien Akademie«. Unbelastet durch die Verwaltungs¬
germeisters Kremer, 24. 9. 1933. StA Aachen.
318 RS an Conrad Gröber, 28. 12. 1933. Histori¬ strukturen und öffentlichen Verpflichtungen einer Schule sollte sie sich »ungeteilt und
sches Archiv des Erzbistums Köln. Gröber vorbehaltlos den Problemen und Aufgaben der Kirchenkunst widmen«.3'8 Der Adressat,
hoffte auf eine Verständigung mit den Natio¬ der Freiburger Erzbischof Conrad Gröber, war insofern ein wenig geeigneter Partner, als
nalsozialisten und war an der Ausarbeitung
er in seinen Äußerungen zur zeitgenössischen Kunst »das rücksichtslos Revolutionäre,
des Reichskonkordats von 1933 beteiligt.
319 Conrad Gröber. Kirche und Künstler. Freiburg die Überlieferung Zerschlagende, Verachtende, und Verhöhnende« bekämpfte.3'9
i.Br. 1932. S. 121. Den Nationalsozialisten gegenüber präsentierte Schwarz dagegen die Schule »als eine
320 RS an Robert Brandes, Landesleiter im
Stätte bodenständigen Deutschtums [bereits] zu einer Zeit, als eine solche Bemühung
Kampfbund für Deutsche Kultur, Baudezer¬
nent der von der Ns-Regierung eingesetzten wenig modern war«.320 Behauptungen eines örtlichen Vertreters des Kampfbundes für
Kölner Stadtverwaltung, 8. 11. 1933. Deutsche Kultur, Schwarz stünde dieser von Alfred Rosenberg geführten Organisation
321 Reinhold Zimmermann, Leiter der Orts¬
(und damit war wohl insinuiert: dem neuen Regime überhaupt) feindlich gegenüber,32'
gruppe Aachen des Kampfbundes, an Wil¬
helm Rupprecht, 8. 11. 1933. Durchschlag im waren gewiß nicht unbegründet. Sie wurden aber von Schwarz mit dem Hinweis auf
Archiv Schwarz. seine herzliche Freundschaft und die Gemeinsamkeit der Ideen mit führenden Män-

80
nern des Kampfbundes gekontert. »[Ich] kann diesen Protest stützen auf eine
langjährige vorkämpfende Arbeit für eine kompromißlos deutsche Kultur, auf meine
Herkunft aus der völkischen Jugendbewegung, durch Schrifttum und Werke«.322 Die
Denkschrift über eine Reform der Werkschulen, als deren Mitautor Schwarz zeichnete,
ging an die Prominenz des Dritten Reiches, u.a. an Hitler höchstpersönlich, an Rosen¬
berg und Feder. Briefe, die auf die Gefährdung der Schule aufmerksam machten, wur¬
den an Reichspropagandaminister Joseph Goebbels oder Vizekanzler Franz von Papen
geschickt.323
Alle diese Demarchen blieben vergeblich. Das preußische Wirtschaftsministerium ord¬
nete eine Neustrukturierung der Schule an, die zu ihrem Ruin führen mußte. Es sollten
Fachabteilungen eingerichtet werden, in denen nur noch handwerklicher Nachwuchs
ausgebildet und mit der Meisterprüfung entlassen wurde. Bisher habe die Schule das
Künstlerische zu sehr in den Vordergrund gestellt.324 Auch anderswo im Reich - bei¬
spielsweise in Halle und Kassel - war es das Ziel, Kunstgewerbeschulen in Handwer¬
kerschulen umzufunktionieren. Als sich in Aachen nicht genügend Schüler für das neue
Programm meldeten, wurde der Schule zum i. April 1934 die Genehmigung für den Der Kampfbund für Deutsche Kulmr, überre¬
gional seit 1929 aktiv, verfügte als Unterorga¬
weiteren Lehrbetrieb versagt. Schwarz teilte das Schicksal anderer verfemter oder nisation über den Kampfbund Deutscher Ar¬
zumindest nicht wohlgelittener Schulleiter wie Mies van der Rohe und Hans Poelzig in chitekten und Ingenieure Kdai, der für die
Berlin, Gerhard Mareks in Halle, Fritz Wiehert in Frankfurt, wenn auch die Modalitä¬ Gewinnung und Eingliederung der .Architek¬
ten und Ingenieure in den neuen Ständestaat
ten der Entlassung sich jeweils unterschieden. Mies gegenüber hat Schwarz später, nach
zuständig war. Unter den prominenten Archi¬
1945, seine Absetzung als politische Strafmaßnahme beschrieben. Er sei wegen politi¬ tekten waren vor allem Paul Schultze-Naum-
scher Unzuverlässigkeit »abgesägt« und von der Gestapo überwacht worden.323 burg, German Bestelmeyer und Paul Schmitt-
henner im Kampfbund aktiv. Mitglied war
Tatsächlich liegt in seinen Aachener Personal-Akten eine Anforderung der Geheimen
aber auch beispielsweise Dominikus Böhm
Staatspolizei, die um seine Unterlagen »zwecks Einsichtnahme« ersucht.326 (laut Holger Brülls. Neue Do?ne. a.a.O. S. 135).
Schwarz wurde zum 1. Februar in den Ruhestand versetzt. »Ich bin also nächstens in In den Rivalitätskämpfen der Ns-Organisatio-
nen überlebte Rosenbergs Kampfbund nicht.
dem blühenden Alter von 35 Jahren Staatsrentner, was weiter nicht so sehr schlimm ist,
Zur Begründung seiner Liquidation diente
aber doch ein wenig komisch ist.«327 Handhabe war das ominöse Gesetz zur Wiederher¬ u.a. die Beobachtung der Parteifunktionäre, in
stellung des Benifsbeamtentums vom 7. April 1933, das den Rechtsbruch zum Gesetz den Bund seien »allerhand Scheinnationale
erhob. Es schrieb entgegen seinem euphemistischen Titel Entlassungen aus bestehen¬ aufgenommen worden, die niemals national¬
sozialistisch denken lernen« (Ein Aufruf des
den Verträgen vor, »auch wenn die nach dein geltenden Recht hierfür erforderlichen
Gauleiters. In: Kasseler Post, 14. 5. 1933).
Voraussetzungen nicht vorliegen«, wie es in brutaler Offenheit hieß. In den Ruhestand 322 RS an Robert Brandes, 8. 11. 1933.
versetzt werden sollten Beamte, die nichtarischer Abstammung waren, nicht die 323 Am 13. 1. 1934.
324 Verwaltungsbericht der Stadt Aachen 1934. -
Gewähr boten, »jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat« einzutreten, oder deren
Der Oberbürgermeister von Aachen an den
Entlassung zur »Vereinfachung der Verwaltung« beitrug.328 Regierungspräsidenten, 27. 9. 1933- StA
Sogar die Zahlung der Pensionsbezüge stand bei Schwarz in Frage. Als sich das Regie¬ Aachen.
325 RS an Ludwig Mies van der Rohe, 21.5. 1947.
rungspräsidium nach der »Würdigkeit und Bedürftigkeit des Schwarz« erkundigte,
326 Geheime Staatspolizei an den Oberbürger¬
schrieb der Empfänger in der Stadtverwaltung - wahrscheinlich der von den Nazis ein¬ meister der Stadt Aachen, 22. 8. 1938. StA
gesetzte Oberbürgermeister Quirin Jansen - an den Rand »Nein!«. In der Antwort Aachen. Das Bundesarchiv Berlin verfügt le¬
begründete die Verwaltung, da Schwarz als Architekt auch weiterhin bauen werde, sei diglich im Aktenbestand des Reichsministeri¬
ums für Wissenschaft, Erziehung und Volks¬
Bedürftigkeit nicht gegeben. »Auch die Frage der Würdigkeit vermag ich nach den mit
bildung über eine Personalakte Schwarz aus
dem Direktor Dr. Schwarz während seiner Dienstzeit gemachten Erfahrungen nicht zu den Jahren 1927-34 (R 4901/PA Sch 598).
bejahen.«329 Schwarz wurde trotzdem seine Pension zugesprochen. Mitteilung vom 18. 12. 1996.
327 RS an Prof. Winde (Dresden), 5. 9. 1933.
Die übrigen Lehrkräfte der Aachener Schule erhielten im Laufe der folgenden Mona¬
328 Reichsgesetzblatt (7. 4. 1933) 34, S. 175 ff. - Da¬
ten ihren Abschied. Die unbefristet verpflichteten hauptamtlichen Dozenten Arnold, zu die Zweite Verordnung zur Durchfihrung
Giesbert, Karow und Letailleur wurden wie Schwarz in den Ruhestand entlassen, des Gesetzes zur Wiederherstellung des Benifs¬
beamtentums. In: Reichsgesetzblatt (4. 5. 1933)
Wendlings auslaufender Fünfjahresvertrag wurde nicht verlängert, Minkenbergs Ver¬
46, S. 233 ff.
trag gekündigt.330 Schwippert und Wendling fanden 1934 bzw. 1936 den Weg in 329 Oberbürgermeister/Schulrat an den Regie¬
Lehrämter der Technischen Hochschule. Ein Schülerkreis versuchte, in einem soge¬ rungspräsidenten, 20. 4. 1934. StA Aachen.
nannten »Werkhaus« die Gemeinsamkeit der Arbeit fortzusetzen. In den Aachener 330 Verwaltungsbericht der Stadt Aachen 1944.
331 Adam C. Oellers. Vor allem Sakralkunst. Zur
Schulräumen fanden nur noch einige Handwerkerkurse statt, ein Teil der Räume wurde Situation der Werkkunstschule Aachen. In: Klaus
vermietet. Erst 1948 wurde die Schule wieder eröffnet, als Meisterfachschule, später Honnef, Hans M. Schmidt (Hg.). Aus den
Werkkunst- und Fachhochschule.331 Im nachhinein konnte Schwarz sich nicht bekla¬ Trümmern. Kunst und Kultur in Rheinland und
Westfalen. 1945-1952. Kat. Rheinisches Lan¬
gen, daß seine Aachener Arbeit keine Wirkungen gezeitigt hätte - zuviel sogar, befand
desmuseum u.a. Bonn 1985. Köln, Bonn
der Skeptiker und Spötter: »Jetzt wimmelt der ganze Niederrhein von kleinen Wend¬ 1985. S. 401 f.
lings, Minkenbergs, Schwarzen, Schwipperten und dergleichen. Der Zauberlehrling 332 RS an Heinrich Kamps, 23. 6. 1951.
333 RS an Paula Schwarz, 30. 3. 1934. »Nächste
sieht dieser Flut bestürzt und bekümmert zu.«332
Woche muß ich wahrscheinlich nach Berlin,
Schwarz hoffte zunächst auf eine neue Berufung anderenorts.333 Für die ersten Monate mich beim Ministerium vorstellen, und dann
nach der Entlassung zog er sich in die vertraute Schutzburg Rothenfels, danach nach werde ich wohl wieder was. «

81
r/. Vorentwürfe für eine Ka-
. IQ?I.

rk

Offenbach zurück. In der Rothenfelser Außenburg standen umfangreiche Umbauten


an, sie sollte zur »Wohnburg« werden (WV 8). Das betraf vor allem die ehemalige
Zehntscheuer, die eine Stockwerkseinteilung und einen neuen Querflügel erhielt, damit
sie als Jugendherberge dienen konnte. »Von der alten Scheune bleibt nichts übrig«, 334
Rothenfels war allerdings auch nicht mehr eine abgeschirmte Enklave. Der Freiwillige
(und spätere Reichs-) Arbeitsdienst, der beim Bau einer Staustufe des Mains unterhalb
von Rothenfels eingesetzt war, und dann auch noch die Hitlerjugend hatten 1933 im
Mädchen- und Jungenheim sowie in der Zehntscheuer ihr Quartier aufgeschlagen,
beteiligten sich allerdings auch mit einem Zuschuß am weiteren Ausbau der Burg. Die
Burgleute betrieben nach außen hin diplomatische Beschwichtigungspolitik und gaben
Loyalitätserklärungen ab. »Eine große Hilfe ist uns auch der großzügige Kampf der
Reichsregierung gegenüber Arbeitslosigkeit und Not. Wir nehmen an ihm mit großer
Freude teil.«335
Die Verfügung über die Burg war durch die ungebetenen Gäste eingeschränkt. Als
Rechtsträger firmierte nicht mehr der Verein der Quickbornfreunde, sondern nach der
Auflösung des Quickborn-Alterenbundes eine Vereinigung der Freunde von Burg
Rothenfels. Weil man sich unter der Obhut des Reichskonkordats zwischen Kirche und
Ns-Staat vom 20. Juli 1933 wähnte, das den Schutz katholischer Organisationen und
Verbände garantierte,336 konstituierte sich der Bund dann doch wieder - ohne Guardini
- und setzte unter Behinderungen seine Arbeit fort. Die Burg blieb Tagungsort, war

334 ebda. aber nicht mehr das räumliche Zentrum der Bewegung. 1939 vereinten sich das Schick¬
335 RS. Burg-Ausbau. Umbau der Außenburg. In: sal von Burg und Bund wieder. Der Quickborn und die publizistische Tätigkeit seiner
Burgbrief (1934) 4/5, S. 40. Mitglieder wurden von der Gestapo verboten, die Burg als Quartier für Flüchtlinge und
336 In Artikel 31, der den Schutz aber auf Organi¬
Umsiedler beschlagnahmt.337
sationen mit ausschließlich religiösen, kultu¬
rellen und karitativen Zwecken beschränkte, Die Veränderungen in der Handschrift des Architekten Schwarz, die in den dreißiger
vgl. Theologische Realenzyklopädie. Bd. 24. Ber¬ Jahren sichtbar wurden, sind nicht nur auf politischen Druck und widerstrebende
lin, New York 1994. S. 58.
Anpassung zurückzuführen. Schon vor dem Anbruch des Dritten Reichs gab es resi¬
337 Johannes Binkowski. fugend als Wegbereiter.
a.a.O. S. 131 ff. - Hanna-Barbara Gerl. Ro¬ gnierte Äußerungen, die aus seinen Erfahrungen im Umgang mit kirchlichen Auftrag¬
mano Guardini. a.a.O. S. 240ff. gebern und Gemeindemitgliedern resultierten. Der Widerstand der Amtskirche gegen
In Rothenfels wird heute nach wie vor katho¬
neue Außerungsformen des Glaubens war anhaltend. Noch bis 1967 mußten alle Prie¬
lische Jugend- und Bildungsarbeit betrieben.
Die Burg ist Mitglied des Bayerischen Volks¬ ster den sogenannten Antimodernisten-Eid »contra errores modernismi« ablegen, der
hochschulverbandes. Kirche und Kult zeitgenössischen Veränderungen entziehen sollte. Entsprechend tief

82
338 Godehard Ruppert. Liturgie und Kunst In
Zur geistigen Gestalt Romano Guardinis. Rothen
felser Schriften 7. Rothenfels 1981. S. 42.
339 RS. Erneuerung des Kirchenbaus? In: Die I ■n vt 5
(1930) 21/22, S. 546.
340 RS. Kirchenbau. S. 31.

saßen die Reserven gegenüber einer neuen christlichen Kunst, wie sie Papst Pius X. Rudolf Schwarz. Kapelle St. Albert. Leversbach
artikuliert hatte - derselbe Papst, der die Liturgiereform angestoßen hatte.338 bei Düren. 1931-32.

»Grundsätzlich wäre die[se] Übernahme der Formen technoider Baukunst nicht eine 108 Innenraum.
109 Außenansicht.
Notwendigkeit, sondern ein Vorschlag. Aber Sie haben sicherlich recht«, schrieb
Schwarz an Walter Riezler, der die Werkbund-Zeitschrift Die Form herausgab, »diese
Form ist für den Kirchbau noch nicht bereit. Betende Menschen finden sich nicht in ihr
wieder.«^ Diese Erfahrung bestätigte sich beim Bau einer kleinen, fast winzigen Kir¬
che in Leversbach in der Voreifel (1931-32, Abb. 108, 109, WV 20). Schwarz nannte
sie das »Schwesterchen« der Fronleichnamskirche.34° Wenn irgendwo, dann hätten hier
die Bedingungen für ein aufgeschlossenes Verhältnis der Nutzer zur neuen Architektur
gegeben sein sollen. Der Auftrag kam vom Lehrer des Ortes, Elans Hilger. Die Arbeits¬
losen des Dorfes halfen beim Mauern und Zimmern. Für heutige Augen hat die Kapelle
überhaupt nichts Provokatives. Es ist ein scheunenartiger Bau mit flachem Satteldach.
Die roten Sandsteinwände sind außen ungeputzt. Innen steht eine Holzkonstruktion,
deren zehn Stützen, fünf auf jeder Seite, im kleinen Saal drei Schiffe andeuten. Das
Licht fällt von beiden Seiten durch wandhohe Fenster auf den Altar, der gegenüber dem
Gemeinderaum um nur eine Stufe erhöht steht. Das Dorf ist inzwischen weiter verhaut,
die schönen Eichenhäume in der Nachbarschaft sind seit langem gefällt.

83
Trotz der günstigen Voraussetzungen in Leversbach gab es große Verständnisschwie¬
rigkeiten. »Unsereins sah in den kahlen Mauern den edlen Raum und hinter allem
Rohen und Unfertigen immer das fertige Bild. Die Leute sahen... immer nur das Kahle
und Rohe und Unfertige« - es fehlten ihnen Gewölbe, Steildach, Turm und Sängerem¬
pore. Die Blumen für das Muttergottesbild mußte der Architekt selbst kaufen und war
glücklich, als eines Tages doch jemand aus dem Dorf welche mitgebracht hatte. Ein
Entwurf für einen Kirchbau in Großsteinheim (WV 21) wurde 1932 gar als »übermo¬
derner Bautyp«, der »direkt an die kommunistische Bauweise« grenze, im dortigen Kir¬
chenvorstand abgeschmettert.341 Schwarz zog aus diesen Erfahrungen eine Folgerung,
die ihn in die dreißiger Jahre begleitete, aber auch sein Schaffen nach 1945 nicht unbe¬
eindruckt ließ: »Wer aber das Volk kennt, weiß, daß es ein sehr großes Mißtrauen gegen
jegliches Andere hat, daß es eine Angst hat vor dem Anderssein.«342
Noch schlimmer: Das »Volk« - einer der Schwarzschen Schlüsselbegriffe - scheut nicht
11 o Rudolf Schwarz. Skizzen aus: Liturgie und
nur »jegliches Andere«, sondern die Kunst überhaupt. »Nein, seien wir ehrlich, das
Kirchenbau. Denkschrift aus Anlaß des Neubaus der
Sankt-Annen-Kirche in Berlin-Lichterfelde. 1936. Volk verlangt nicht nach dem, was wir mit pathetischem Beiklang die Kunst nennen, es
braucht sie nicht oder nicht zuerst.« Der neuen Bildenden Kunst geht es da noch
schlechter als der Baukunst. Ein Baumeister, der sich um einfache Formen bemühe,
könne zu Gestaltungen gelangen, wie sie »den absichtslosen Menschen«, den Hand¬
werkern und Technikern, alle Tage gelängen. Aber dem Bildenden Künstler kann er nur
empfehlen, auf Stilisierung und Pathos zu verzichten. »Heimkehr ins Volk, das kann für
eine Weile das Rechte sein... Rückkehr zum Volk ist der Gang zu den Quellen des
Großen.« Aber dieser Entschluß fällt offenbar auch dem Baukünstler nicht leicht. Es
klingt nicht nur wie ein Rat »an den Freund, der in Zweifel geraten war«, sondern wie
Selbstreflexion, wenn Schwarz bekennt: »Wer einmal das LIngewöhnliche kostete, dem
fällt es nicht leicht, zum Gewöhnlichen heimzukehren«.w

»Vom Bau der Kirche«: Sakralbau in den dreißiger Jahren

Die enttäuschenden Erfahrungen mit Bauherren und Gemeindemitgliedern dürften


sich bei Schwarz mit seinen Beobachtungen der politischen Szene gemischt haben. Das
Parteivolk, das sich von seiner Hierarchie den Geschmack vorschreiben ließ, verhielt
sich noch verständnisloser als das Kirchenvolk, und seine Urteile konnten die Existenz
eines Künstlers vernichten. Nicht nur Schwarz sprach von einer Diaspora-Situation der
Kirche; sie war Thema auch bei Diskussionen auf Burg Rothenfels.344 Von einer christ¬
lichen Rangordnung ließ sich in den großen Städten nicht mehr reden, einmal weil sie
moderne Städte waren, und zum anderen weil sie von Ns-Formationen beherrscht
waren.
Deutlicher konnte man es damals nicht formulieren als: »Unsere Städte werden von
anderen Mächten beherrscht.« Es galt umzudenken, den Gottesdienstraum ins Private
341 Kurzer Rückblick zur Entstehung des katholischen
Kirchen-Neubaues in Großsteinheim. Typoskript zurückzunehmen, Kirchengebäude als Häuser zu planen, die Wohnungen und unter
im Pfarrarchiv St. Johann Baptist, Hanau- anderem auch einen Raum für den Gottesdienst enthalten. »Ob ein Gebiet Gottesland
Steinheim. Zit.in: Karin Becker. Rudolf
ist, erkennt man nicht an der Höhe des Kirchturms, oder vielmehr doch daran, wenn sie
Schwan 1897-1961. Kirchenarchitektur a.a.O.
S. i57f. nämlich bescheiden bleibt, wo Gott ein anderes Werk erwartet.«345 Ein kirchenge¬
342 RS. Zwei Bauten von Rudolf Schwarz und ein schichtlich gebildeter Autor wie Schwarz dachte bei solchen Ratschlägen zweifellos an
Brief. In: Monatshefte für Baukunst und Städte¬ das verborgene Dasein der Urkirche.
bau 19 (1935) 8, S. 272, 271.
343 RS. Ein Brief über volkstwnliche und volksver¬
Uber den Verzicht auf die Entschiedenheit seiner früheren Positionen tröstete Schwarz
bundene Kunst an einen Freund, der in Zweifel sich mit Überlegungen hinweg, die an Selbstverleugnung grenzten. Nicht auf die Stil¬
geraten war. In: Die Schildgenossen 16 (1936) formen und die Erneuerung der Kunstsprache komme es an. In der formalen
2/3, S. 178fE. Zitate S. 181, 182, 188.
Bemühung sah er nur die unwichtigste Seite einer wirklichen »Neuwerdung des Kirch-
344 Kirche in der Verborgenheit. Aus den Rothenfelser
Gesprächen. In: Die Schildgenossen 17 (1938) baus«. Sub specie aeternitatis schwand der Unterschied zwischen Flach- und Walm¬
4/5, S. 277 ff. dach. »Wer an Ewiges glaubt, macht keine Religion aus flachen Dächern«, fand er noch
345 RS. Gottesland. In: Die Scbildgenosse?i 17 (1938)
1953.446 Die wichtigste Seite dagegen sei die rechte Teilhabe am Meßopfer und die ent¬
4/5, S. 271, 276.
346 RS. Was dennoch besprochen werden muß. In: sprechende Ordnung der liturgischen Orte. Schwarz unterstrich diese Überlegung mit
Baukunst und Werkform 6 (1953) 4, S. 198. einer Skizze, in der er einen modernen Kirchenbau im Sinne der Aachener Fronleich-

84
namskirche durchkreuzt und eine trauliche Dorfkirche mit Dachreiter billigt, sofern sie 347 RS. Liturgie und Kirchenbau. Denkschrift. a.j.()
nur entsprechend der liturgischen Reformbedürfnisse eingerichtet ist (Abb. i io). »Man S. 6, 7.
348 Adrian Seib. Der Kirchenbaumeister Martin
könnte sich vorstellen, daß eine Kirche, die nach neuem Grundriß in alten, historischen
Weber. In: DAM Architektur Jahrbuch 1 <)'}-■
Formen erbaut würde, eher zu unserem Wollen passen könnte, als eine, die in >moder- München 1992. S. 188.
nen< Formen über altem Grundriß entstanden wäre.«347 349 RS, Martin Weber. Nachwort [zur Rothen¬
felser 'Tagung von 1936 und der Veröffentli¬
Mit den Aufgaben, die sich in der gewandelten politischen und kulturellen Situation für
chung ihrer Ergebnisse]. In: Die Schildgenossen
Kirchenbau und christliche Kunst stellten, befaßte sich ein »Studienkreis für Kirchen¬ 16 (1936/37) 2/3, S. 220f.
kunst«, den Rudolf Schwarz und sein Frankfurter Kollege Martin Weber leiteten und der 350 RS an Paula Schwarz, 22. 10. 1938. - Schon
im August 1936 eine Rothenfelser Tagung zu diesem Thema veranstaltete. Auch Weber am 8. 12. 1933 teilt Schwarz Karlheinz
Schmidthüs mit, er arbeite an der »fragestel-
gehörte zu den Kirchenbauarchitekten, die einen zeitgemäßen Sakralbau unabhängig von lung kirchenbau«. »Wenn ich fertig bin, was
seiner äußeren Gestalt verwirklichen und die Errungenschaften der Liturgiereform wei¬ noch was dauert, dann wird es keine erreich¬
tertreiben wollten - im Falle Webers vorzugsweise mit Hilfe T-förmiger Grundrisse, bei bare bessere meinung geben, auf diesem ge¬
biet weiß ich zufällig wirklich bescheid. es
denen der Altar dreiseitig von der Gemeinde umgeben war (Abb. 11i).348
wird wohl eine broschüre werden.«
Das Gründungsschreiben des Studienkreises verriet die Handschrift von Schwarz. Es 351 Romano Guardini. Zum Geleit. In: RS. Vom
bestätigte, daß die Liturgische Bewegung ihre Einsichten auch im »neuen völkischen Bau der Kirche. Heidelberg 1947’. unpag.
352 Johannes Itten. Spruchblatt. In: Utopia. Doku¬
Leben« weiterentwickeln wollte. Daß Überprüfung und Einkehr nicht nur durch das
mente der Wirklichkeit. Weimar 1921.
politische Regime oktroyiert waren, ging auch aus diesem Text hervor. »Es ist nötig zu
überschauen, was an dem Werk der letzten Jahre richtig und was falsch war, welche
Linien in die Zukunft weisen, welche in die Vergangenheit, was an neuen und tragen¬
den Ideen entstand, was Zufall und Willkür waren.«349 Es war klar, daß Rudolf Schwarz
keine Fronleichnamskirche mehr bauen würde, weder jetzt noch irgendwann später.
Aber neben solchen resignierenden Liberlegungen stand auch ein Klärungsversuch, der
ganz weit ausholte: die Schrift Vom Bau der Kirche. Frei von Lehrverpflichtungen, fand
Schwarz Zeit, um im Grundsätzlichen seine Gedanken über den Sakralbau fortzuführen
und zu einem Buch zusammenzufassen, dem zweiten nach Wegweisung der Technik. Die
erste Auflage erschien 1938, er hatte nach eigener Aussage drei Jahre daran gearbeitet
und in Wirklichkeit wohl noch längeres0 Schon ein Blick in das Register belehrt den
Leser, daß es hier weder um eine Geschichte noch um ein praktisches Handbuch des
Kirchenbaus ging. Worte wie »Thron, Tiefe (siehe Erde, Welt), Tod, Tor, Treue und
Turm« stehen untereinander. Guardini, der auch diesmal Flebammendienste leistete,
fand im Vorwort zu Recht, daß dieses Buch aus einem neuen Ausgangspunkt geschrie¬
ben sei und eine ungewohnte Art zu sehen einführe.351 Guardini nannte als Vorgänger
Paracelsus, Meister Eckhart, den Schwarz auch selbst erwähnt, Notker - Autoren also, 111 Martin Weber. Kirchen über T-förmigem
Grundriß, der Altar dreiseitig von der Ge¬
die nicht einem diskursiven Denken folgen, sondern einer »Innenschau«. Man muß sie
meinde umgeben.
nachvollziehen, um Schwarz’ Auslegungen der sieben Planfiguren sakralen Bauens
nachvollziehen zu können.
Für Schwarz entwickelt sich die Form aus dem Handeln. Das hat er mit vielen Autoren
und Architekten der Moderne gemeinsam, die den Vorgang über den Zustand stellten
und das Leben für wichtiger hielten als die Gehäuse, in denen es spielte. Nicht zufällig
hatten die deutschen Avantgardisten ein Verbum, einen substantivierten Infinitiv, statt
eines Substantivs zur Bezeichnung ihres Wollens und Denkens gewählt: »Bauen« statt
»Architektur« - das »Neue Bauen«. So hat Hugo Häring, der Wortführer eines
»organhaften Bauens«, Dinge und somit auch Bauten als Organe eines alles durchpul¬
senden Lebenswillens verstanden. »Die Formen sind Gefäße der Bewegung und Bewe¬
gungen das Wesen der Form,« schrieb Johannes Itten 1921.352
Es gibt bei Schwarz allerdings auch die vermeintlich entgegengesetzte Argumentation,
die auf dem scheinbar autonomen Recht der Form besteht. Die »ungeheure Leistung«
des Architekten liegt im »Hinzudenken« und »Aufschließen von einer ganzen Welt von
Formen«. Solche Hervorbringungen haben die Gültigkeit von »Figuren der Geome¬
trie«. Ein Finder und Erfinder des »Überschüssigen« war für Schwarz immer wieder
Poelzig. Aber es kennzeichnet Schwarz, daß er die Leistung in den »durchweg ganz kla¬
ren, absolut unverschnörkelten Formen« sieht, ein Punkt, den Poelzig mit seinen
vibrierenden Oberflächenstrukturen nicht zur Zufriedenheit seines Meisterschülers
erfüllt hatte. Mit der Vorstellung von Architektur als einer Form des Handelns ver¬
knüpfte Schwarz diese Position, indem er die »große Form« nur dort gelingen sah, wo
sie von vielen gemeinsam Handelnden angefordert wurde. Die »Volksgemeinde« als
eine Gruppe von Menschen, die sich in eine gemeinsame Richtung bewegt, ruft gewis¬
sermaßen die große architektonische Form ab, und der Architekt »belohnt« sie mit

85
dem geglückten Grundriß, Schnitt, Aufriß, Maßverhältnis. Dieser Gedanke galt nicht
nur für die Planfiguren beim Bau der Kirche. Schwarz behielt ihn als eine Grundan¬
nahme bei und explizierte ihn noch 1951 auf dem Darmstädter Gespräch.«3

Daß es »arme« Zeit war, in der er und seine Zeitgenossen lebten, auch dies hatte sich
bei Schwarz zu einer Überzeugung verdichtet, die ihn sein Leben lang begleitete. Die
speziellen Erfahrungen der dreißiger Jahre mußten diese Einsicht noch verstärken. Die
Gleichheit der zum Apparat erniedrigten Massen ist weit entfernt von jener Gleichheit,
die allen Menschen auf dem langen Weg zu ihrem Gott zukommt. Aber wo beide Nöte
Zusammentreffen, die Anfechtung des Christenmenschen und die Demütigung der
Zeitgenossen, malt Schwarz ein apokalyptisches Gemälde: die Hoffnung verloren, das
Denken tief entartet, jede Bewegung ohne Sinn. Manche Beschreibungen lesen sich, als
habe Schwarz die Mobilisierung der Menge im Ns-Staat und nicht nur den Status der
Menschen im modernen Industriestaat im Sinne gehabt: »Diese Massen sind in ihrer
Freiheit bedroht, die äußeren Mächte wollen sie in die Kette zwingen.«354 Der Christ
Rudolf Schwarz setzt auf die Rettung in der Umkehr, die ihm sein Glaube ermöglicht.
Für den Architekten Schwarz schließt das Bekenntnis zur Armut die Absage an »jenes
historistische Tun« ein, das »die historischen Dinge« verwendet. Man muß sich »über
alldem davor hüten, alte Worte nachzusagen, wenn sich uns damit kein lebendiger
Inhalt verbindet«.”5 Daß eine solche Warnung nicht unnötig war, ergibt sich aus den
kirchenamtlichen Mahnungen, die Tradition des christlichen Kirchenbaus zu respektie¬
ren. Die Kirche könne keine Kunst fördern, die alles Vergangene verneine, schrieb der
Trierer Erzbischof Franz Rudolf Bornewasser 1929/30, und die Diözesansynode des
Erzbistums Köln verlangte 1937 nach wie vor und nun erst recht wieder die »dem
Volke verständliche Grundgestalt der Kirche«.356 Daß Schwarz 1938 so deutlich Stel¬
lung gegen den Historismus bezog, ist auch aus einem anderen Grunde bemerkenswert.
Seine Äußerung belegt, daß er seine größere stilistische Vorsicht in den dreißiger Jah¬
ren und den Verzicht auf alles, was durch Neuartigkeit provozieren könnte, nicht als
eine Wiederannäherung an den Historismus betrachtete. In seinen Augen gab es Zeit¬
genossenschaft auch diesseits einer radikalen Moderne.
Die Methode, die Schwarz in seinem Buch anwendete, kam der »Wesensschau« der
353 RS. Das Anliegen der Baukunst. Vortrag in
Darmstadt, 4.-6. 8. 1951. Wieder abgedruckt Phänomenologie nahe. Diese Richtung des Denkens war von Edmund Husserl in der
in: Mensch und Raum. Das Dannstädter Ge¬ zweiten und dritten Dekade ausgearbeitet und von Max Scheler mit der katholischen
spräch 1951. Bauwelt-Fundamente 94. Braun¬
Wertlehre verbunden worden.357 Die Erkenntnisorgane des Menschen, für Schwarz vor
schweig 1991. S. 80 ff.
354 RS. Vom Bau der Kirche. Heidelberg i947;. S. allem das Auge und die Hand, aber auch die großen Gestaltungsfiguren - der Ring, der
105. Weg, der Kelch, der Wurf - sind Gegebenheiten, denen er nach-denkt, um den Sinn
355 ebda. S. 6 bzw. 7.
der Gestaltungen zu ergründen. Die Phänomenologie sprach von der »anschaulichen
356 Franz Rudolf Bornewasser. In: Die christliche
Kunst 26 (1929/30), S. 44. - Erzbischöfliches Selbstgegebenheit der Gegenstände«. Auch die Sprache gehört zu den »Selbstgegeben¬
Generalvikariat Köln. Die Diözesansynode des heiten«, die Erkenntnis verheißen, wenn sie recht bedacht werden. Die »Sprache ist
Erzbistums Köln 1937. Köln 1937. S. 82. - vgl. voll von ermunternden und anweisenden Ausdrücken, die sich wie helfende Hände
Barbara Kahle. Rheinische Kirchen des 20. Jahr¬
hunderts. Landeskonservator Rheinland. Arbeits¬
unter die Dinge legen.«358 Es ist ein Denken mit der Sprache, das Schwarz mit dem
heft 39. Köln 1985. S. 13. Philosophen des »nichtenden Nichts«, mit Martin Heidegger teilte, von dem ihn sonst
357 Schwarz hat während der Abfassung seines so viel unterschied. In Heideggers Freiburger Antrittsrede Was ist Metaphysik?, die
Buchmanuskripts Scheler gelesen (an Paula
Schwarz las, während er an seinem Buch schrieb, konnte er den Satz finden: »Die Idee
Schwarz, 18.1.1935), besaß eine Reihe seiner
Bücher, u.a. Vom Umsturz der Werte, Vom Ewi¬ der >Logik< selbst löst sich auf im Wirbel eines ursprünglicheren Fragens. «359
gen im Menschen, Philosophische Weltanschauung Für Schwarz hatte das »ursprünglichere Fragen« einen anderen Namen. Er nannte es
und berief sich auf ihn, so in seinem Darm¬
das baumeisterliche Denken. Erbaulich war es im wörtlichen Sinne. Der Baumeister
städter Vortrag 1951. An einer Stelle des Bu¬
ches Vom Bau der Kirche, bei Schelers Formel habe seine besondere Art, über die Dinge zu sprechen. »Er nennt sie, und auf einmal
von der »werdenden Gottheit«, distanziert er sind sie über und über voll Möglichkeiten. Er redet sie an und sie tun sich auf, sie wer¬
sich kritisch von ihm. den zutraulich und beginnen beinahe von selbst, sich zu bewegen und zu fügen. Bau¬
358 RS. Vom Bau der Kirche. S. 143.
meisterlich sprechen heißt entwerfend sprechen.«36° Das »Nennen der Dinge« war
359 Martin Heidegger. Was ist Metaphysik? Bonn
1929. S. 22. - RS an Paula Schwarz, 18. 1. nicht nur die Sprache der Baumeister, sondern auch der Dichter. Eines Dichters vor
*935- allem: Rainer Maria Rilke. »Sag ihm die Dinge«, heißt es in der neunten der Duineser
In Schwarz’ Bibliothek auch: Sein und Zeit.
Elegien mit dem Blick auf den »Engel«, »Sind wir vielleicht hier, um zu sagen: Haus /
Halle 1929*.
360 RS. Vom Bau der Kirche. S. 143. Brücke, Brunnen, Tor, Krug, Obstbaum, Fenster, - / höchstens Säule, Turm... aber zu
361 Schwarz besaß u.a. die Duineser Elegien in ei¬ sagen, verstehs / oh zu sagen so, wie selber die Dinge niemals / innig meinten zu sein.«
ner Ausgabe von 1931 und die Deutung der
Rilke gehörte zur Schwarz-Lektüre - und zur Bibliothek von Rudolf Schwarz.361
Elegien durch Romano Guardini in der Fas¬
sung von 1941 {Zu Rainer Maria Rilkes Deu¬ Sieben Planfiguren sind es, die Schwarz entwickelte (Abb. 112-118). Mit ihnen meinte
tung des Daseins. Berlin 1941). er, den Kreis der möglichen Gestaltungen abgeschritten zu haben. Der »Heilige Ring«

86
ist die Form der kleinen, mit sich einigen Gemeinde, die vom Altar aus geht: Christus
in der Mitte und die Menschen, die circumstantes, »stehen darum«. Der »Heilige Auf¬
bruch« oder »Offene Ring«, der zweite Plan, öffnet den Raum im Osten, so daß der
Altai ■ nicht nur Mittelpunkt, sondern auch Schwelle zum Unbetretbaren ist. Auch den
dritten Plan nannte er »Heiligen Aufbruch« oder den »lichten Kelch«. Die Gemeinde
steht im Ring um den Altar, aber der Gewölbehimmel über ihr ist offen. Beim vierten
Plan, der »Heiligen Fahrt« oder dem »Weg«, sind die Menschen wie ein wandernder
Heerzug einem Ziele zugewendet. Schwarz nennt sie eine »arme, entsagende Form«.
Der fünfte Plan, »Heiliger Wurf« oder »der dunkle Kelch« läßt das Volk in das neue
Land einziehen und entläßt es wieder: Halbrund am Ende eines Weges oder Parabel.
Der sechste, seltene Plan, »Heiliges All« oder »Das lichte Gewölbe«, wird nur kurz
behandelt: Das Volk ist wieder um die Mitte versammelt, der erste Plan ist erfüllt. Das
Gewölbe besteht aus lauterem Licht. In der späteren Rekapitulation dieser Gedanken
spricht Schwarz von der »goldenen Rose«302. Der letzte Plan, nicht zufällig der siebte,
heißt »Der Dom aller Zeiten« und vereinigt, gewissermaßen am Ende der sechs Schöp¬
fungstage, die Folge aller anderen Zustände in sich. Es ist die Vollendung, das Ganze.
Kein Einzelner, keine geschichtliche Epoche kann ihn bauen. Nur als Versprechen
leuchtet dieser Dom durch die Architektur der Zeiten.
Die »großen Gestalten« sind nicht als Mustervorlagen gedacht, auch die ersten sechs
nicht. Dazu fehlt es ihnen allein schon an konkreter Ausfüllung des Schemas. Die Pläne
sind auch nicht als ein- für allemal feststehende Alternativen gemeint. Schwarz benutzte
eine biologische Metapher: Es sind »Samen von Dingen«.303 Diese »Dinge« gehen
ineinander über, unterliegen einer Metamorphose. Für die Gestaltenfolge, die Schwarz
entwickelte, gilt, was Johann Wolfgang Goethe in seinen morphologischen Schriften
ausführte. »Betrachten wir aber alle Gestalten, besonders die organischen, so finden
wir, daß nirgend ein Bestehendes, nirgend ein Ruhendes, ein Abgeschlossenes vor¬
kommt... Das Gebildete wird sogleich wieder umgebildet.«364
Der Wandel der Gestalten verband sich bei Goethe mit dem Gedanken einer ursprüng¬
lichen Identität, für die er das Bild der Urpflanze benutzte. Auch Schwarz dachte an
Wandel, der von einem einheitlichen Prinzip gesteuert wird, dem Heilsgeschehen.
Seine »Pläne« entwickeln sich in Transformationsprozessen, bei denen die Identität des
einen in der Verwandlung zum nächsten verändert erhalten bleibt. Wenn Schwarz den
Vergleich »mit dem Wachstum dei Pflanzen« zieht, »das eine Gestalt nach der anderen
hervorbringt und sich über eine Folge von Zuständen hinweg vollendet«, scheint er
sich unmittelbar an Goethes Formulierungen zu orientieren. Auch sein Exkurs zum
schaffenden Auge wirkt wie aus Goethe geschöpft. »Auge und Stern halten Zwiespra¬
che, ihre Gestalten ergänzen sich«, steht bei Schwarz, und bei Goethe: »Wär nicht das
Auge sonnenhaft,/ Die Sonne könnt’ es nie erblicken.«3<55
Eines von vielen Beispielen des transformierenden Denkens ist die Entstehung des
»lichten Kelches«, des dritten Plans, aus Elementen des ersten und des zweiten Plans.
Den kreisförmigen Grundriß mit dem Altar im Mittelpunkt hat der »lichte Kelch« mit
dem ersten Plan, dem »heiligen Ring«, gemeinsam. Sein Querschnitt dagegen gleicht
dem zweiten Plan, dem »offenen Ring«, der den Zirkel öffnet und den Menschen aus
dem umzirkelten Bereich verweist. Aber dadurch, daß diese Figur nicht in der Fläche
ausgebreitet, sondern in den Raum gestellt ist, verändert sie ihre Bedeutung. Thema ist
nun der Kampf zwischen Schwere und Leichtigkeit, Dunkel und Licht. Alle Pläne
gemeinsam betrachtete ihr Autor als eine Folge, als eine »Geschichte«, deren einzelne
Kapitel auseinander hervorgehen.
Die Richtigkeit seiner »Urbilder« kann nicht bewiesen werden. Sie muß einleuchten,
überzeugen durch das, was Husserl die »intuitive Evidenz« nannte. Die »Pläne« ver¬ 362 RS. Kirchenbau. S. 79.
deutlichen den eigentümlichen Schwebezustand von Bild und Symbol im Schwarzschen 363 ebda. S. 151.
Denken. Sie sind nicht Bilder im Sinne der Veranschaulichung einer dinglichen Vor¬ 364 Johann Wolfgang Goethe. Zur Morphologie.
Die Absicht eingeleitet. 1817. In: Goethes Werke.
stellung, auch wenn sich Angaben wie »Stufenberg« oder »mystische Rose« in
Bd.13. Hamburg 19624. S. 55 f.
Schwarz’ eigenen Texten finden. Sie sind auch nicht Symbole im Sinne einer festen Schwarz besaß keine Goethe-Gesamtausgabe,
Zuordnung von Inhalten zu Formen, aus denen sich die Richtigkeit oder Unsach- wohl aber die Motphologischen Schriften (Jena
1926).
gemäßheit ihrer Interpretation ergäben. Es sind vielmehr architektonische Urgebärden,
365 RS. Vom Bau der Kirche. S. 129, 10. - Johann
bauliche Fixierungen von Verhaltensweisen, die ihre Legitimation daraus nehmen, daß Wolfgang Goethe. Zahme Xenien. In: Goethes
sie jederzeit wieder in räumlich-körperlich-geistige Vorgänge umgesetzt werden kön- Werke. Bd.i. Hamburg 19647. S. 367.

87
88
116 »7
118
Rudolf Schwarz. Skizzen zu Vom Bau der Kirche.
Um 1938. Tinte.
112 Der erste Plan. Heiliger Ring. »Die kleine
Gemeinde sitzt oder steht um den Tisch, und
der Herr ist in der Mitte.«
113 Der zweite Plan. Heiliger Aufbruch (Der
offene Ring). »Aufgebrochen ist selbst die inner¬
ste Mitte.«
114 Der dritte Plan. Heiliger Aufbruch
(Der lichte Kelch). »Der offene Himmel läßt
sich auf den Altar herab und wohnt mitten unter
den Menschen.«
115 Der vierte Plan. Heilige Fahrt (Der Weg).
»Diesem Volk, das dahinzieht, ist es bestimmt,
>auf dem Wege< zu sein.«
116 Der fünfte Plan. Heiliger Wurf
(Der dunkle Kelch). »[Das Volk] kommt in lan¬
gem Zug aus der Ferne, hat seinen Weg beinahe
vollendet und erreicht jetzt das Ziel.«
117 Der sechste Plan. Heiliges All (Das lichte
Gewölbe). »Der Altfang hat sich vollendet. Wie¬
der schließen sich die Ringe des Volks und wie¬
der formt die Welt ihr Gewölbe.«
118 Der siebte Plan. Der Dom aller Zeiten
(Das Ganze). »Das Gebäude, das den ganzen
Ablauf der Zeit in sich vereint und all seine Zu¬
stände zu Stand gegenwärtigt, ist der Dom aller
Zeiten.«

89
nen. »Wir wissen heute, daß auch in dem gesammelten Da-Sein einer Gestalt echter
Vorgang ablaufen kann, ohne daß die Gestalt sich äußerlich regt.«366 Ein »Ring« bei¬
spielsweise enthält die Kreisbewegung und löst bei der Gemeinde, die ihn benutzt, neue
Kreisbewegung aus.
Schwarz beschreibt solche Vorgänge wie ein geistliches Spiel, wie ein Theatrum mundi,
ein Feuerwerk zu Ehren Gottes. Beispielsweise schildert er einen Formenablauf, eine
Bewegung im dritten Plan, dem »lichten Kelch«: »Im goldenen Regen des Lichts kehrt
die dunkle Flamme des Opfers zurück, die Tiefe wird hell und die Erde wird neu. Das
Licht fällt herab und kehrt das Bild der natürlichen Flamme, deren Bewegung ja steigt,
abermals um. Einer Stichflamme ist es vergleichbar, die gegen den Boden gerichtet
wird.«367 Formuliert werden solche Vorgänge in einer festlich-anspruchsvollen Sprache
izo Albert Bosslet. Abteikirche St. Salvator in
Münsterschwarzach. 1935. von außerordentlicher Differenzierung, in der Dichtung eines Eingeweihten, die sich
leicht der Geduld und dem nachfühlenden Einverständnis des Lesers entzieht.
Wie Schwarz sich gegen die »Liturgie-Maschinen« wandte, gegen einen liturgischen
Funktionalismus, bei dem die Form des Bauwerks aus der kultischen Funktion resultiert
(vgl. S. 45 ff.), so war ihm auch in seiner sakralen Figurenlehre daran gelegen, das eigene
Recht der jeweiligen Baugestalt zu verteidigen. Im Zusammenhang mit Böhms effekt¬
voller Lichtarchitektur und mit Poelzigs Filmbauten hatte Schwarz bereits eine Ablö¬
sung des Bauens durch das Lichtspiel ins Auge gefaßt. Sogar auf den Sakralbau wendete
er diesen Gedanken an. »Man könnte ja fortsetzen, was das Theater angefangen hat,
und den ganzen >Schauplatz< der heiligen Handlung in Bewegung versetzen. Die tech¬
nischen Mittel dafür wären da, um solche Lichträume abzuspielen«.368 Schwarz, dem so
oft Konservatismus bescheinigt wurde, als Propagandist der neuesten und flüchtigsten
Medien! Aber so wie er diesen Gedanken faßte, verwarf er ihn auch wieder und bestand
auf dem Bleibenden, Dauerhaften, in dem die Metamorphose jeweils zum Stillstand
kam. »Vorgang bleibt immer in Zustand gebettet.«309
Die Planfiguren, denen Schwarz in seiner Archetypenlehre nachsann, machten das Bil¬
derrepertoire aus, mit dem er im wesentlichen die vielen Kirchenaufträge nach 1945
bestritt. In den Schwarz-Kirchen der vierten Dekade ist von diesen »Urbildern« nicht
viel zu bemerken, hauptsächlich deshalb, weil es sich hier im wesentlichen um Umbau¬
ten oder Ergänzungen handelte. Ein Neubau in der Größenordnung von St. Fronleich¬
366 RS. Vom Bau der Kirche. S. 102. nam war in den gesamten dreißiger Jahren nicht dabei, nachdem die beiden kathedral-
367 ebda. S. 71.
großen Entwürfe für Milwaukee (1932, Abb. 119, WV 24) - »eine etwas neblige
368 ebda. S. 133.
369 ebda. S. 136. Aufforderung«370 - zu nichts geführt hatten. Und auch diese Projekte mit ihren
370 RS. Kirchenbau. S. 47. Flachtonnenschalen, die eine der beiden Fassungen als Hallenkirche mit einem Wald

90
121 Rudolf Schwarz, F.inil Steffann. Kntwui
für das Gemeindezentrum St.Anna, Berlin
Lichterfelde. 1936. Tusche.

371 RS an Romano Guardini, 15. 1. 1928.


372 Hugo Schnell behauptet: »Von 1936/37 bis
1945 konnten nur wenige Kirchen errichtet
werden« (Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts
in Deutschland. München, Zürich 1973. S. 51).
- Dagegen weist Birgit-Verena Karnapp
während des Dritten Reichs allein in Bayern
schmaler Rechteckstützen bepflanzt, ebenso ihre viel kleinere Variante für Großstein¬ mehr als 270 Neu- und Umbauten nach. In
heim (1933, WV 21), rückten bereits vom »reinen Raumwürfel« der Rothenfels-Säle,7, München seien zwischen 1900 und 1932 41
Neubauten entstanden, zwischen 1933 und
und der Aachener Kirchenprojekte ab.
1940, also in nur sieben Jahren, 28 (In: Win¬
Die verbreitete Vorstellung, unter dem Nationalsozialismus seien nur wenige Kirchen fried Nerdinger (Hg.). Bauen im Nationalsozia¬
gebaut worden, trifft pauschal nicht zu, wie die flächendeckende Untersuchung einer lismus. Bayern 1934-/945-. Kat. Architektur¬
museum TU München, Münchner Stadt¬
Region des Deutschen Reiches, Bayerns, ergeben hat.372 Die katholische Kirche zog sich
museum. München 1993. S. 303 ff.). In Köln
keineswegs auf Positionen demütiger Bescheidenheit zurück. Albert Bosslets Benedikti¬ wurden während des Dritten Reiches drei
nerabtei in Münsterschwarzach (1935-38, Abb. 120) ist eine von vier Türmen begleitete katholische Kirchen errichtet - allerdings in
Gottesfestung von auftrumpfender Monumentalität. Dominikus Böhm pflegte in den den Jahren 1928-32 vierzehn (Wilhelm
Schlombs. Der katholische Kirchenbau in Köln
dreißiger Jahren eine wehrhafte Neuromanik mit Westtürmen und Fensterrosen. Die 1928-1988. In: Architekten- und Ingenieur¬
Situation von Schwarz unterschied sich von der dieser Kollegen. Zwar hat er in den Jah¬ verein Köln. Köln - seine Bauten 1928-1988.
ren bis Kriegsbeginn nicht weniger kirchliche Aufträge bearbeitet als vor 1933. Aber es Köln 1991. S. 206).
373 Winfried Wendland. Die Kunst der Kirche.
waren zumeist kleinere Projekte oder Umbauten, in denen er den »neuen Grundriß« in
Berlin 1940. Zit. in: Anna Teut. Architektur im
die »alten, historischen Formen« eintrug: so bei der neugotischen Backsteinkirche im Dritten Reich. a.a.O. S. 240.
brandenburgischen Städtchen Ketzin (WV 52) oder bei der neoromanischen Liebffau- 374 Alfons Leid. Die Lage der Baukunst. In: Die
Schildgenossen 16 (1936/37) 2, S. 107.
enkirche in Leipzig-Lindenau (WV 29). Diese und andere Kirchen wurden den neuen
liturgischen Vorstellungen entsprechend umgestaltet, die Meßaltäre in die Mitte
122 Rudolf Schwarz. Entwurfsskizze für den
gerückt, die Nebenaltäre reduziert, die liturgischen Orte neugeordnet.
Umbau der Pfarrkirche in Krickerhau, Slowakei.
Den Kirchen waren 1933 durch das Reichskonkordat für die katholische und durch die
1942. Bleistift.
Reichskirchenverfassung für die evangelische Kirche, die zu Hitlers großen innen- und
außenpolitischen Erfolgen kurz nach der Machtübernahme zählten, erhebliche Spiel¬
räume zugestanden. Der Einfluß von Staat oder Partei - wenn er nicht über Einrich¬
tungen wie das evangelische Reichsamt für kirchliche Kunst ausgeübt wurde - ging
indirekte Wege. »Die hinter uns liegenden >modernen< Versuche zur Erneuerung des
Kirchenbaues sind zwar für dessen Fortentwicklung im einzelnen wichtig gewesen - vor
allem in der Grundrißgestaltung können aber heute in ihrer äußeren Gestalt nicht
mehr befriedigen«, befand Winfried Wendland, Kunstreferent im Preußischen Kultus¬
ministerium und Mitbegründer des Reichsamts, gönnerhaft.373 Kritik, des Ns-Regimes
wie der Laien und des Klerus, wurde von den Architekten verinnerlicht und akzeptiert.
Ein mit allen Leistungen und Höhepunkten der Weimarer Republik vertrauter Archi¬
tekt und Autor wie Alfons Leid fand harsche Worte gegen »die architektonischen Sen¬
sationen der Nachkriegszeit, denen die Wirkung so wichtig war.«37«
Wo Schwarz in den dreißiger Jahren neu baute, kam die Radikalität der späten zwanzi¬
ger Jahre aus äußeren, politischen wie inneren, kulturellen Gründen (»Wer aber das
Volk kennt...«) nicht mehr in Frage. Es gibt Feldsteinmauern, ausgeprägte Dächer,

91
behelmte Türme oder Dachreiter, Fenster oder Portalnischen mit flachen Segmentbö¬
gen, Chorrundungen; so im sauerländischen Oberrödinghausen (WV 53). Bei dieser
monumentalisierenden Dorfkirche schließt der Saal halbkreisförmig ab, der Chorbe¬
reich wird durch zwei hohe, über die Trauflinie hinaus gezogene Fensterpaare belichtet.
In welchem Maße auch innerhalb vertrauter Formen eine Originalität auf den zweiten
Blick möglich war, zeigt der Umbau der Pfarrkirche von Krickerhau in den Karpaten
(1942-44, Abb. 122, WV 83). Schwarz durchkreuzt die alte gotische Dorfkirche mit
einem neuen eindrucksvollen Querhaus, dessen Stirnwand große Fenster in zwei Eta¬
gen öffnen. Innen wirken die Gewölbe des alten Baus, dessen Außenwände und
Dachstuhl niedergelegt wurden, wie große Spolien und bilden einen Baldachin über
dem Altar. Mit dieser Lösung präludiert Krickerhau vielen Kirchbauten nach 1945, in
denen die Ruinen zerstörter Vorgängerbauten integriert wurden.

123 Rudolf Schwarz. Entwurf für das Einfami¬


lienhaus J. 1931. Kohle.

92
»Wohnlich auf eine besondere Art«:
Profanbau in den dreißiger Jahren

Die Baupolitik des Dritten Reiches beanspruchte Einwirkung und Überwachung auch
für die privaten Bauaufgaben. »Eine Weltanschauung, die das Recht der Gemeinschaft
vor die Willkür des einzelnen stellt..., muß notwendigerweise im gesamten Bauwesen
eine starke, einheitliche Führung anerkennen... Sicher ist es, daß das Ziel nur erreicht
werden kann, weil die staatliche Bauberatung (Reichsheimstättenamt, Amt für Schön¬
heit der Arbeit u.a.) und die zuständigen Dienststellen ordnend, mitgestaltend, führend
und gegenüber Unbelehrbaren zwingend in die deutsche Bauentwicklung eingrei-
fen.«??? Solche Willensäußerungen waren Absichtserklärungen. Tatsächlich erlaubte,
wie der Kirchenbau, auch das private Einfamilienhaus Spielräume. »Wir leben weiter¬
hin von Arzthäusern und so«, schrieb Schwarz.??6 Bauherren wie Georg Volk oder Josef
Enkling waren Mediziner, die Rothenfels nahestanden und wußten, welchen Architek¬
ten sie sich gewählt hatten. Daß es Arzthäuser mit ihren besonderen Anforderungen
waren, kam dem Architekten sehr gelegen. »Es gab ja auch jedesmal sachliche Gründe,
warum ein Arzthaus so sonderbar aussehen mußte.«?7?
Uber Bauten für solche Auftraggeber hat Schwarz Jahre später reflektiert, als er einen
Aufsatz über Das Haus der Christen schrieb. Wie so oft stellte er den hohen Anspruch
neben die Realität, ohne sich über die Unvereinbarkeit des einen mit dem anderen
besondere Sorgen zu machen. Einerseits solle jedes Haus eine kleine Kirche sein. Der
Baumeister müsse »die zarteren Linien einer himmlischen Orientierung den Gangli-
nien des weltlichen Ablaufs überlegen, und damit zurechtkommen, daß sich beide Pläne
durchkreuzen.« Andererseits kam es auf den guten Gebrauch an. »Nicht das Haus, das
am sakralsten verziert wurde, ist das tugendreichste, sondern jenes, das am besten
taugt.«??8 Die Finanzierungsprobleme eines Bauherrn wie Volk hatten ihm, wenn es
dessen noch bedurft hätte, deutlich gemacht, daß auch bekennende Christen Probleme
mit der Verzinsung ihrer Hypotheken haben konnten.
Für die Häuser galt wie für die Kirchbauten, daß sie »klar und notwendig in Inhalt und
Form, offen und stolz« sein sollten. Die weitgehende Ausdifferenzierung in Winkel,
Ecken, Anbauten, wie sie sich bei Hans Scharoun oder Hugo Häring finden, war nicht
die Sache dieses Architekten: Er faßte die verschiedenen Nutzungen in feste, über¬
schaubare Baukörper. Die produktive Leere, die er in den sakralen Aufgaben, in
Rothenfels oder in der Aachener Fronleichnamskirche, eingesetzt hatte, forderte er
auch für das Haus: »Es ist gut, daß unsere neuen Räume so >leer< sind, daß sie erst
durch die menschliche Gestalt erklärt werden.« Der freie Raum gab Freiheit. Niemals
sollte das Haus »fertig« sein, »immer noch voller Anlässe zur Verbesserung und Ergän¬
zung«.??9 Bei den begrenzten Raumprogrammen seiner Wohnhäuser konnte diese
gewollte Leere freilich kaum fühlbar werden. Wohl aber hätte sie sich bei dem großarti¬
gen Entwurf für das Haus J. (1931, Abb. 123, WV 16) hergestellt, der Wohnhaus,
Gästehaus und Kapelle entlang einer weit ausgreifenden Mauer, eines nicht endenwol¬
lenden Flurs reihte und den Weg zwischen den verschiedenen Orten des Llauses zele¬
brierte. Das bisher unbekannt gebliebene Projekt zeigt Schwarz an der Seite Mies van
der Rohes.
Die Behauptung, Schwarz habe sich für den Themenbereich des Wohnens »offenbar
nicht sonderlich interessiert«,?80 läßt sich nur damit erklären, daß bisher zu wenig
Material über die stattliche Wohnhausproduktion der dreißiger Jahre bekannt gewor¬
den ist. Die Häuser wirkten »wohnlich auf eine besondere, befreite Art« und waren
375 Gauverlag Bayerische Ostmark mit Gerdy
»von einer unbeirrbaren Baugesinnung«, wie Baukunst und Werkform 1948 feststellte.?81 Troost (Hg.). Das Bauen im Neuen Reich. Bay¬
Nach dem Ende der Ns-Herrschaft war es leicht, solche Urteile zu fällen. Aber auch reuth 19392. S. 132 h
während des Dritten Reiches wurden Schwarz-Häuser dank der subversiven Courage 376 RS an Emil Steffann, 9.4. 1937.
377 RS. Kirchenbau. S. 54.
von Redakteuren publiziert. Sie dokumentierten die Kontinuität des zeitgenössischen
378 RS. Das Ham der Christen. In: Die Schildgenos¬
Bauens und hielten gegenüber dem im Wohnungsbau geförderten Heimatstil an einer sen 19 (1940) 1, S. 1 ff. Zit.: S. 16, 15.
Alternative fest. 379 ebda. S. 10.
380 Karin Becker. Rudolf Schwarz 1897-1961. Kir¬
So wurde das Haus Volk in Offenbach (1933-34, Abb. 124, WV 30) in den Schildge¬
chenarchitektur. a.a.O. S. 96.
nossen - also gewiß von Schwarz gebilligt - sogar mit dem Dessauer Bauhausgebäude 381 Wohnhäuser von Rudolf Schwarz. In: Baukunst
verglichen. Das Stichwort ist: Richtungskontrast und Verzicht auf Zentralperspektive. und Werkform 1 (1948) 2. S. 65 ff.

93
Alfons Leitl stellte 1938 befriedigt und sicherlich nicht ganz risikolos für Autor wie
Architekten fest, Schwarz wahre »die kühle Klarheit,... die auch seine früheren Bauten
hatten«. Allerdings folgte sogleich die Absicherung, er habe sich zugleich »einer größe¬
ren Fülle und Heiterkeit« zugewendet und das »gedacht Sachliche zum sinnlich Wohl¬
gefälligen« umgestaltet.W Die Formulierung war nicht nur aus taktischen Überlegun¬
gen gewählt, sondern entsprach einer Position, die damals auch von Anhängern des
Neuen Bauens - wie Leitl einer war - vertreten wurde: »Vieles wurde schon zurückge¬
schnitten, was sich als ungesunder Trieb erwiesen hat, aber man braucht nicht die Wur¬
zel auszureißen«
Nach wie vor arbeitete Schwarz mit weißen Putzflächen, im Falle des Hauses Flüge in
Duisburg auch mit weißen Keramikplatten als Fassadenverkleidung. Nicht einmal Sat¬
tel- oder Pultdächer haben alle Schwarz-Häuser dieser Zeit; und wenn, dann konterka¬
rieren zumindest die ausnehmend großen, die Wand aufzehrenden Fenstergruppen -
oft sind es Fenstertüren - die Konvention. Beim Haus Frühauf in Offenbach (1936-37,
Abb. 128, WV 44), dem Umbau und der Erweiterung eines bestehenden Hauses, setzte
der Architekt auf die Terrasse des Erweiterungstraktes einen kecken Baldachin mit flach
gemuldetem Gewölbe. Die Gartenseite des Hauses Volk könnte im Neuen Frankfurt
der Ara Ernst May gestanden haben; freilich geht der Entwurf auch bereits auf die erste
Hälfte des Jahres 1933 zurück. Ausgeprägt ist der Kontrast zwischen dem zurückliegen¬
den Flügel, der im Erdgeschoß Räume der Arztpraxis enthält, und dem vorstoßenden
Wohnteil des Hauses. Eine freitragende Treppe schwebt vom Terrassenbalkon des
Obergeschosses hinab in den Garten. In den vorausgehenden Varianten spielte Schwarz
unterschiedliche Möglichkeiten durch, den Hausblock zu öffnen und den Innen- mit
dem Außenraum zu verzahnen (Abb. 125-127): Hausblock mit eingeschnittenen
Negativräumen oder mit angelagerten Bauteilen.
Die Straßenseite des Hauses Volk breitet ein Sortiment unterschiedlichster Fensterfor¬
mate innerhalb der einheitlich flächigen Fassade aus, ebenso wie die Eingangsfront des
Hauses Enkling in Duisburg (1934-37, Abb. i29,WV 34) und das Doppelhaus für die
eigenen Familienmitglieder in Lövenich bei Köln (WV 27). Schwarz hat es geliebt, an
den Schauseiten des Hausblocks solche Vielfalt zu inszenieren und einem eigenen span¬
nungsreichen Rhythmus zu unterwerfen. Manchmal geht sie auf die unterschiedlichen
Räume dahinter zurück. Aber oft werden auch die Funktionen so disponiert, daß sich
124 Rudolf Schwarz. Haus Volk. Offenbach.
Velfalt ergeben muß, beispielsweise wenn die Anordnung der Haustreppe neben dem
1933-34. Straßenseite.
Eingang ausnehmend große Treppenhausfenster erlaubt, die nicht über der Tür, son¬
dern schräg über ihr sitzen.
Zuweilen entsprechen die Außenformen den Innenräumen überhaupt nicht. Das Erd¬
geschoß des Hauses Flüge in Duisburg (WV 41) öffnet sich mit drei Gruppen von
jeweils einem Fenster und einer Glastür zum Garten, als steckten dahinter drei Appar¬
tements und nicht ein ineinander übergehender Eß- und Wohnbereich. Streng
geschnitten und geordnet war dagegen die Fassade des Doppelhauses in Frankfurt am
Main, dessen eine Hälfte Schwarz auf eigene Rechnung errichtete und im zweiten
Obergeschoß selbst bewohnte. Aus dem konventionellen Vorprojekt des Grundstücks¬
verkäufers machte Schwarz ein Musterstück gespannter Präzision (1938-39, Abb. 131,
WV 59). Die lichtdurchlässigen Drahtglastafeln, die als Regenschutz vor den
382 Ottmar Kerber. Das Einzelwohnhaus von heute. hochmütig schlanken Haustüren schwebten und sie in ungleiche Abschnitte teilten,
In: Die Schildgenossen 14 (1934/35) 5> S. 415. -
sandten, so bescheiden sie waren, Zeichen von Leichtigkeit und Modernität aus.
LI. [ Alfons Leid], Das Wohnhaus eines Arztes in
Duisburg. Architekt: Rudolf Schwarz. In: Mo¬ Die privaten Häuser von Rudolf Schwarz stehen in ihrer klaren kubischen Wirkung
natshefte für Baukunst und Städtebau 22 (1938) und in ihrer Weigerung, sich dem empfohlenen Heimatstil anzubequemen, nicht ganz
5.S. 153. singulär da. Ludwig Hilberseimer etwa, Egon Eiermann oder Hans Schwippert haben
Leid hielt, als Redakteur und Autor bei Bau¬
welt und den Monatsheften für Baukunst, auch
in der Mitte der dreißiger Jahre ähnlich kompromißfreie Häuser bauen können.38+ Aber
in den späteren Jahren des Regimes zu Haus Volk oder Haus Enkling verkörperten doch das Äußerste, was damals durchsetz¬
Schwarz ebenso wie zu anderen Architekten bar war. Schwarz genoß - so sah er es selbst - eine Art Narrenfreiheit. »Ich glaube, man
des Neuen Bauens wie Egon Eiermann, Ru¬
hat es mit mir aufgegeben, weil ich doch nicht mehr anders werde und hat sich damit
dolf Lodders oder Eritz Schupp, vgl. Johannes
Busmann. Die revidierte Moderne. Der Architekt abgefunden, daß man mich weitermachen lassen muß, so wie man sich mit dem Regen¬
Alfons Leitl 1909-1975. Wuppertal 1995. wetter abfinden muß.«385
383 Alfons Leid. In: Bauwelt 36 (1935) 17, S. 389.
Aber auch Schwarz hatte zähe Verhandlungen mit den Baugenehmigungsbehörden zu
384 Winfried Nerdinger. Bauhaus-Architekten iw
Dritten Reich. a.a.O. S. 158, 165. bestehen, bei denen es um die Neigungswinkel von Dächern ging und er die Rechtsab¬
385 RS an Paula Schwarz, 13. 1. 1940. teilung des Bundes Deutscher Architekten einschaltete. »Ich will also endgültig kein

94
125-127 Rudolf Schwarz mit Johannes Krahn
Vorentwürfe für das Haus Volk. Offenhach
1933. Bleistift.

95
Zipfelmützendach«, wehrte er sich bei seinem selbstfinanzierten, für Guardini errichte¬
ten I laus. 386 Wo er beigeben mußte, konnte er sich und seine Auftraggeber mit seiner
Philosophie der Armut und Bescheidung trösten. »Es kommt gar nicht zuerst auf die
Formen an, wir überschätzen ihre Bedeutung und sind geneigt, sie an den Anfang statt
an das Ende zu setzen. Alle diese Dinge sind umso besser, je demütiger sie dienen.«387
Andere Architekten des Neuen Bauens mußten mehr Kompromisse als Schwarz
schließen. Sie entwickelten allenfalls unter der Tarnkappe von Sattel-, Walm- oder
Pultdächern moderne Grundrisse oder fügten sich zumindest an den Straßenseiten der
erwünschten Konvention, während sie sich an den Gartenseiten mehr Freiheiten
erlaubten. Scharouns Flaus Baensch am Havelsee (1935) ist ein sprechendes Beispiel für
diese Strategie, die den Druck der Außenwelt und die Behauptung der privaten, sich
abschirmenden Innenwelt in ein widerspruchsvolles Gebilde übertrug.388 Offenbar rea¬
128 Rudolf Schwarz. Haus Frühauf. Offenbach.
gierten die jeweiligen Bauämter unterschiedlich in der Auslegung dessen, was laut
1936-37.
Architektengesetz von 1934 als »deutsche Baukultur« und laut Verordnung über Bau¬
gestaltung von 1936 als »Ausdruck anständiger Baugesinnung« und einwandfreie Ein¬
ordnung in die Umgebung zu gelten hatte.389
386 RS an Emil Steffann, 11. 6. 1935.
387 RS. Das Haus der Christen. a.a.O. S. 10. Privathäuser und Kirchen, die in den dreißiger Jahren den überwiegenden Teil von
388 Vgl. Andreas Tönnesmann. Im Dritten Reich. Schwarz’ Aufträgen ausmachten, waren Bauaufgaben, die außerhalb des aktiven Interes¬
In: Christine Hoh-Slodczyk u.a. Hans Scha- ses der Ns-Politiker lagen. Das machte sie trotz aller Probleme zu einem befriedigen¬
roun - Architekt in Deutschland. 1893-1972.
München 1992. S. 46 ff. den Arbeitsfeld. Auch aus einem anderen Grund bedeutete das Wohnhaus für Schwarz
389 Anna Teut. Architektur im Dritten Reich. a.a.O. nicht Resignation - und der Kirchenbau schon gar nicht. Haus und Kirche waren in sei¬
S. 100, 105. nen Augen die beiden sakralen Räume der Christenheit, beides Häuser Gottes. »Das
390 RS. Von der Behauung der Erde. S. 190.
Haus ist eine umgekehrte Kirche, aber eben darum hat es nicht nötig, in frommen Alle¬
391 RS an Paula Schwarz, 17. 12. 1939.
392 RS an Dominikus Böhm, 1. 4. 1955. gorien verärmlicht zu werden«.390
393 RS an Paula Schwarz, undat. Bis zum Kriegsausbruch konnte Schwarz als ein halbwegs gut beschäftigter Architekt
394 RS an Paula Schwarz, 12. 3. 1939.
gelten. Manchmal sah er das selbst so. 1939 schilderte er befriedigt, wie er in der
395 RS an Paula Schwarz, 28. 10. 1939. - Stadt
Aachen. Personal-Akten Rudolf Schwarz. StA Gegend von Hanau von einem Dorf zum anderen wandere, und in jedem finde sich ein
Aachen. Auftrag (die sich dann aber doch nicht alle realisierten): »Hanau, Ostheim, Froschhau¬
396 Werner Durth, Niels Gutschow. Träume in sen, Wasserlos, Auheim, jede Kirche soll neu oder umgebaut werden.«39' Manchmal
Trümmern. Braunschweig, Wiesbaden 1988.
S. 90.
klagte Schwarz - vor allem, wenn er an die Hoffnungen der fulminanten Aachener
397 Vgl. Christian Schneider. Stadtgründung im Anfänge zurückdachte. Seine spätere Behauptung, er habe in diesen Jahren seinen
Dritten Reich. Wolfsburg und Salzgitter. Mün¬ Lebensabend vorgezogen und sein Aachener Ruhegehalt gewissenhaft verzehrt,392 war
chen 1979.
jedenfalls eine humoristische Übertreibung.
398 Alfons Leitl. Etnil Steffann und die Verantwor¬
tung des Architekten. In: Christliche Kunstblätter Umfangreichere Profanaufträge wie vor 1933 die Aachener Frauenschule blieben bis in
(1969) 3, S. 53. die ersten Kriegsjahre hinein aus. Das Projekt einer »Katholischen Akademie mit aller¬
399 RS an Paula Schwarz, 18. 10. 1939. - Nach
hand drum und dran. Vielleicht auch eine Kunstschule«, ähnlich wie die Aachener
1945 fragte Rimpl bei Schwarz nach einem
Auftrag im Zusammenhang mit der Kölner Frauenschule, aber größer, zerschlug sich.393 Daß er nicht für Aufträge von Staats- und
Stadtplanung an. Die Rollen hatten sich ver¬ Parteibauten in Frage kam, war ihm klar. »Die Staatsbauten kann nun wiederum ich
kehrt, nun war Rimpl der Bittsteller. »Es nicht bauen, nicht so, wie sie verlangt und erwartet werden.«39"3
freute mich von Ihnen nach so langer Zeit
wieder zu hören.« RS an Herbert Rimpl, 3. 6. Not hat Schwarz nicht gelitten. Es kam hinzu, daß er über einigen Wohlstand verfügte.
1947- Das Testament von 1944 zählt als Eigentum drei Häuser auf, ein Wohnhaus am Kölner
400 RS an Emil Steffann, 11. 12. 1939, 17. 12. Hohenstaufenring 38, das aus dem Familienbesitz seiner Mutter stammte, und die bei¬
1939, 1. 2. 1940.
den von ihm selbst erbauten Häuser in Berlin-Schlachtensee, früher Chamberlainstraße
Alfons Leitl, ab 1940 selbst bei Rimpl als Ab¬
teilungsleiter tätig, behauptete in seinem 50 (das er auf eigene Rechnung für Guardini gebaut hatte), und in Frankfurt, Städel-
Nachruf auf Steffann, Schwarz habe sich straße 22. Schwarz konnte es sich sogar leisten, ein Angebot der Reichswerke Hermann
durch seine, Leids, Vermitdung bei Rimpl um
Göring für eine leitende Planertätigkeit auszuschlagen. »Ich müßte in einen furchtbar
eine Tätigkeit beworben und für eine Be¬
schäftigung Krahns im Planungskonzern großen Betrieb hinein - allein 460 Architekten - und da irgendwas leiten und bekäme
Rimpls eingesetzt. Leitl verlegte die Interven¬ 8000 M dafür.« Als Direktor der Aachener Kunstgewerbeschule hatte Schwarz in sei¬
tion Schwarz’ aufs Jahr 1941 (Emil Steffann nem letzten Amtsjahr ein Jahresgehalt von 6275 RM.393
und die Verantwortung des Architekten. In:
Christliche Kunstblätter (1969) 3, S. 53 ff.). Zwei
Die tiermann Göring-Werke waren gegründet worden, um Erzlager im Raum Salzgit¬
Jahre später erkundigte sich Schwarz aller¬ ter abzubauen und zu verhütten und die Produktion der deutschen Rüstungsindustrie
dings tatsächlich bei Leitl nach einer Tätig¬ von ausländischen, vor allem skandinavischen Importen unabhängiger zu machen. Sie
keit im »französischen Erzgebiet«, da seine
entwickelten sich zu einem Konzern, der große Industrieanlagen ebenso in der »Ost¬
»Zukunftsarbeit« in der Landesplanung mit
fortdauerndem Krieg obsolet werden könnte. mark« (nach dem »Anschluß« Österreichs) wie in der saarländisch-lothringischen
RS an Alfons Leitl, 22. 12. 1943. »Westmark« (nach dem Frankreich-Feldzug) errichtete und betrieb. Für die neuen
401 Johannes Krahn an RS, 25. 1. 1928.
Industrieanlagen in Niedersachsen lag die Planung bei Ernst Sagebiel (der wie Schwarz
402 RS an Dominikus Böhm, 19. 9. 1928. - RS an
Romano Guardini, 11. 8. 1930. anfangs bei Koerfer in Köln gearbeitet hatte), für den Wohnungsbau der Werkssiedlun¬
403 RS an Johannes Krahn, 19. 5. 1944. gen bei Herbert Rimpl, dem zeitweisen Mitarbeiter Theodor Fischers und Dominikus

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Böhms396. Rimpl hatte eine steile Karriere zum Hausarchitekten der Heinkel-Flugzeug- 129 Rudolf Schwarz. Haus Enkling. Duisburg.
werke und zum führenden Industriebauarchitekten im Dritten Reich gemacht. 1934-37. Eingangsseite.

Rimpl galt als ein Planungsleiter, der seine Berufungen nach fachlichen, nicht nach
130 Rudolf Schwarz. Entwurf Haus Enkling.
politischen Kriterien traf und sich auch der aus der Sowjetunion zurückkehrenden Kol¬
Duisburg. Datiert 1. 11. 1934. Bleistift.
legen des Arbeitsstabs May annahm. Zunächst war im Salzgitter-Gebiet die Ergänzung
vorhandener Siedlungen vorgesehen, dann aber, ab 1938, die Planung einer nationalso¬
zialistischen xMusterstadt für 130000 Bewohner.397 Nach der Annektierung Österreichs
und Lothringens wurde das Büro für die Reichswerke auch dort in großem Umfang
tätig - ein »wahrhaft den Kontinent umfassender Planungskonzern« (Leid).398 Welche
Rolle Schwarz in diesem Zusammenhang zugedacht war, bleibt offen. Aber die Höhe
des Gehalts läßt auf einen verantwortungsvollen Posten schließen. »Im Ganzen nicht
mehr verlockend, wenn man an ein freies und selbständiges Arbeiten gewöhnt ist«, fand
Schwarz trotzdem.399 Die Tätigkeit seines Mitarbeiters Johannes Krahn für Rimpl bzw.
die Hermann Göring-Werke teils in Frankfurt, teils in Berlin ging auf diese Kontakte
seines Chefs zurück.400
Krahn (1908-74) war fast zwei Jahrzehnte lang ein treuer Mitarbeiter von Schwarz
gewesen, den er in Offenbach kennengelernt hatte (vgl. S. 63ff.). 1928 war er aus
Böhms Atelier auf eigenes Drängen, aber mit vollem Einverständnis Böhms zu Schwarz
nach Aachen gewechselt. Dringlicher kann sich niemand bewerben, als Krahn es damals
getan hatte. »Ich will unbedingt zu Ihnen, unbedingt.«401 Der »Zauberlehrling Johan¬
nes« arbeitete im Team Schwarz und Schwippert mit und war ein wohlgelittener Mitar¬
beiter, nicht nur weil er ein Motorrad besaß und »den Lehrkörper spazieren« fuhr.
Guardini gegenüber nannte Schwarz ihn »eine Hoffnung«.402 Schon 1944 schlug
Schwarz vor, die »Weiterführung unseres Betriebes« nach dem Krieg zu diskutieren.403
Ahrständlicherweise drängte Krahn nach so langer Zeit auf Selbständigkeit. Auch bei

97
dem Nachkriegsauftrag der Frankfurter Paulskirche bestand er darauf, als Mitverfasser
des Projekts genannt zu werden.
Schwarz hielt große Stücke auf Krahn. Er setzte sich für eine Veröffentlichung von
Krahns Arbeiten ein, nominierte ihn als Mitglied in der Berliner Akademie der Künste
und versuchte, ihn für die Düsseldorfer Kunstakademie zu gewinnen: »Es wurmt mich
immer wieder, daß dort, wo Sie in der öffentlichen Einschätzung stehen müßten, ein
Schwarm kleiner Trottel steht«.4“4 Als selbständiger Architekt zeichnete Krahn nach
1945 verantwortlich für acht realisierte Kirchen4“5, Schulen, Hospitäler, diplomatische
Vertretungen, für den streng-geschlossenen Wiederaufbau des Städelschen Kunstinsti¬
tuts in Frankfurt und - umstrittener - für Hochhäuser der ersten und zweiten Nach¬
kriegsgeneration. 1954 wurde er Professor an der Frankfurter Städelschule.
Bei einigen Aufgaben der dreißiger Jahre kam es zur Zusammenarbeit zwischen
Schwarz und Emil Steffann (1899-1968).406 Steffann, Sohn eines Arztes, 1926 zum
katholischen Glauben konvertiert, hatte zunächst als Bildhauer gearbeitet. Die Freund¬
schaft mit ihm datierte von 1931. Steffann, in Lübeck lebend, hatte die Fronleichnams¬
kirche in Aachen besichtigt. Schwarz trug ihm die Bauleitung des Guardini-Hauses in
Berlin an, weil er seine »baulich saubere und klare Art« sehr schätzte.4“7 Von Steffann
hat er ein amüsantes Porträt entworfen. »Der Herr Steffann... ist ein netter langer
Mann, der sich jetzt mit einer Luftwaffenuniform verziert hat [1939-41 diente Steffann
beim Luftwaffenbaustab] und in seinem früheren Leben mit mir oder bei mir gearbeitet
hat. Er hat furchtbar viel piekfeine [sic] Bekannte und verschafft uns Aufträge.«4“8
Gemeint waren vor allem Steffanns Kontakte zur Firma Oetker, die Aussichten auf
Werkswohnungsbau und Industriebauten eröffneten. Lind für den Industriebau galt,
»daß dieser für >Experimente< ausdrücklich preisgegeben ist.«4“9 Es kam wenig genug
dabei heraus, zwei Häuser für Werksangehörige (WV 63). Auch die große Halle und
die Sozialbauten für die Stahlbau-Firma Fries & Sohn in Frankfurt-Fechenheim (WV
74) - umstandslose und disziplinierte Industriebauten - realisierten sich nicht.

131 Rudolf Schwarz. Doppelwohnhaus W.


Steffann ging später wie Schwarz - und wohl auf dessen Veranlassung41“ - nach
Fischbach und Rudolf Schwarz in der Städel- Lothringen und verfaßte die berühmte Baufibel für Lothringen, ein Dokument des
straße. Frankfurt am Main. 1938—39. Eingang. respektvollen, einfachen Bauens.4" Singulär war das Thema dieser Arbeit keineswegs,
denn nach 1941 sollten in allen Ns-Gauen Baufibeln die regionalen Bautypen erfassen

7 und als Grundlage für Entscheidungen der Bauämter, für die Entwurfstätigkeit der
Architekten und als Lehrmaterial an den Staatsbauschulen dienen.4" Mit Schwarz ver¬
band Steffann das Bekenntnis zu einem Bauen der »inneren Bilder« und des Offenhal¬
tens für die elementaren Vorgänge des Lebens, das bei Steffann mit souveräner Nicht¬
achtung aktueller Trends zusammenging und mit der einfühlenden Reaktion auf den
Vorgefundenen Ort, den Vorgefundenen Bautypus, das Vorgefundene Material. Auch
privatim blieben die Familien befreundet. Schwarz war Pate der Steffann-Tochter
Johanna.
Nach dem Angebot, sich für die Hermann Göring-Werke verpflichten zu lassen, kam
zu Beginn des Jahres 1940 ein weiterer offiziöser Auftrag ins Frankfurter Büro, aller¬
dings nicht für Bauten des Reiches oder der NSDAP, sondern für Ministerialbauten im
fernen Afghanistan (WV 69). Das Königreich befleißigte sich während des Zweiten
Weltkriegs der Neutralität gegenüber den kriegführenden Staaten, hatte aber in der
Vorkriegszeit enge Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland unterhalten. So mag sich
der Entschluß erklären, für den Bau des Wirtschaftsministeriums in Kabul deutsche
Planer hinzuziehen. Wie Schwarz an den Planungsauftrag kam und was daraus wurde,
ist nicht bekannt. Der »gräßliche Entwurf für Kabul« (Schwarz) bot, obwohl nur zwei¬
geschossig, eine beträchtliche Baumasse auf einschließlich eines gewissen Maßes an
zeitüblicher Repräsentanz,4’3 vergleichbar etwa den Staatsbauten Clemens Holzmei¬
sters für Ankara.
Es blieb nicht der einzige Antrag, der Schwarz gemacht wurde. Seine spätere Tätigkeit
in Lothringen wuchs sich von bescheidener Dorfplanung zu einer Planungstätigkeit in
großem Maßstab aus (vgl. S. iooff.) und wurde zu einem Sprungbrett seiner Nach¬
kriegskarriere. Wenn Schwarz im Dritten Reich keine persona grata war, eine persona
ingrata war er auch nicht. Nachdem das Ns-Reich zusammengebrochen war, kommen¬
tierte er: »Ich habe damals in hohen Tönen die Vorsehung und meinen Schutzengel
gepriesen, daß sie mich davor bewahrt habe, diesem schmutzigen Gesindel dienen zu

98
müssen.«4'4 Aber mit ganz reinen Händen kam keiner davon, der sich im Dritten Reich
durchschlagen mußte. Alfons Leitl, der für Rimpl und die Reichswerke Hermann
Göring gleichfalls in Lothringen arbeitete, hat nach dem Kriege einsichtig und gegen
die Meinung vieler Kollegen festgestellt: »Wir alle oder die meisten von uns sind keine
Helden gewesen, oder doch nur sehr partiell. Sonst wären wir nicht mehr da. Wir
haben alle irgendwo gesteckt, und gearbeitet haben wir auch. Die Arbeiten, die wir zu
leisten hatten, taten wir in einem gleichgeschalteten Deutschland, für gleichgeschaltete
Stellen. Ob wir Industriebauten planten, landwirtschaftliche Siedlungen, Unterkünfte
für Arbeiter, Baracken, Heeresbauten oder Autobahnbrücken - wir saßen alle auf dem
404 RS anjohannes Krahn, 29. 12. 1951.
gleichen braungestrichenen Schiff.«41?
405 Vgl. Hanna Dannien-Maassen. Kirchenbauten
Mit dem Kriegsausbruch am i. September 1939 kam die private Bautätigkeit so gut wie und -Entwürfe von Johannes Krahn. a.a.O.
ganz zum Erliegen. An Aufträgen fehlte es nicht, aber sie realisierten sich nicht oder 406 Vgl. Gisberth Hülsmann u.a. Emil Steffann.
Düsseldorf 1981.
kamen nicht voran. »Kirchenbauen ist fast nicht mehr möglich, andere Häuser auch, es
407 RS an Emil Steffann 12.4. 1935.
ist ein Elend.« In Mainz, wo Schwarz an der Ausstattung der Böhmschen Kirche in 408 RS an Paula Schwarz, 16. 2. 1940.
Bischofsheim arbeitet, »sitzt neben dem großen Neubau noch ein Maurer. Der holt 4°9 RS an Emil Steffann, 5. 11. 1937.
In den technischen Produktionsstätten war
sich immer einen kleinen Vorrat Steine, dann setzt er sich dazu und vermauert sie und
die Moderne auch im Dritten Reich willkom¬
dann sucht er wieder neue. Es ist zum Weinen, wenn man ihm zusieht.«416 Material men. Von Hitler hat Afbert Speer überliefert,
fehlte an allen Ecken und Enden. »Wir sind bald so weit, daß wir die Ziegelsteine mit er habe sich für Industriebauten in Glas und
der Post schicken.« Die Betteltour, die Schwarz Ende 1939 nach Berlin unternahm, Stahl geradezu begeistern können {Erinnerun¬
gen. Berlin 1969. S. 157).- vgl. u.a. Gerhard
sollte Krahn, Steffann und ihm selbst kriegswichtige Aufgaben verschaffen, die sie nicht
Fehl. Die Moderne unterm Hakenkreuz. In:
nur vor dem Militärdienst bewahrten, sondern ihnen auch ein Auskommen sicherten. Gerhard Fehl. Kleinstadt, Steildach, Volksge¬
Adressen waren die Organisation Todt wie auch das Architekturbüro Rimpl und damit meinschaft. Braunschweig, Wiesbaden 1995.
S. 176 h
die Reichswerke Hermann Göring.41? Möglicherweise waren die Lothringer Aufträge,
410 Clemens Weber, Leiter des Wiederaufbauam¬
vielleicht auch die Planungen für Afghanistan Folgen dieser Reise. Auch in Abwesen¬ tes im Gau Westmark, berichtete mündlich,
heit von Schwarz und Krahn konnte das Frankfurter Büro bis Kriegsende durch ihren Steffann sei ihm durch Schwarz empfohlen
worden. Eine entgegengesetzte Darstellung
Mitarbeiter Georg Müller weitergeführt werden.
von Jutta Steffann, der Witwe Steffanns. vgl.
Die Ns-Epoche und sein Verhalten in ihr spielt im späteren Briefwechsel von Schwarz Hartmut Frank. Die Stadtlandschaft Dieden-
- vor allem mit den Emigranten Mies van der Rohe und Martin Wagner - eine hofen. In: Jean Louis Cohen, Hartmut Frank
beträchtliche Rolle. Wenn es auch in seinem ständisch bestimmten Ordo-Denken (Hg.). Deutsch-französische Beziehungen 1940-
1940 und ihre Auswirkungen auf Architektur
Anknüpfungspunkte zur Ns-Ideologie gab, die ihm möglicherweise um 1933 zu Illusio¬ und Stadtgestalt. Unveröffentlichter For¬
nen verholfen hatten, konnte er in der Korrespondenz mit Wagner, der ihn gut kannte schungsbericht. Hamburg, Paris 1986-89.
und ihm keine nachträgliche Gesinnungskosmetik hätte durchgehen lassen, auf die S. 283.

Gemeinsamkeit des Urteilens unter Regimegegnern verweisen. Schwarz erinnerte an 411 Das nur auszugsweise veröffendichte Manu¬
skript im Deutschen Architektur-Museum
die Gespräche im Berliner Werkbund-Vorstand, wo sie bei eisgekühltem Himbeersaft Frankfurt am Main.
»überlegten, wie man Adolf Hitler mit Hilfe des Städtebaus hintanhalten könnte, ein 412 Die Aktion »Baufibeln« wurde vom Arbeits¬
kreis Baugestaltung in der Fachgruppe Bau¬
Plan, der mir allerdings damals schon etwas tollkühn vorkam.«418
wesen des Nationalsozialistischen Bundes
Zumindest seit den späteren dreißiger Jahren hatte Schwarz keine Illusionen über den Deutscher Techniker gesteuert und war durch
Charakter des Regimes. Die Briefe an die Mutter oder an Steffann enthalten unmißver¬ Erlasse des Reichswohnungskommissars in
ständliche Äußerungen. »Es ist deutlich, daß wir ganz großen Zeiten entgegengehen«, Gang gesetzt worden, vgl. Sid Auffarth. Bau¬
fibeln oder die Stabilisierung der Anneren Front<.
heißt es mit unüberhörbarer Ironie 1938. »Der Künstler ist der kulturelle Soldat«, In: Arch + (1983) 72. S. 29ff.
zitiert er den Völkischen Beobachter und fährt fort: »Ich bin so wenig militärisch veran¬ 413 »Ablehnen konnten wir die Arbeit wirklich
lagt, daß mich eine Gänsehaut bei solchen Formulierungen, die leider durchaus nicht nicht, dafür waren wir von viel zu feinen Leu¬
ten dazu aufgefordert worden.« RS an Paula
theoretischer Art sind, überläuft.«419
Schwarz, 16. 2., 2. 3. 1940.
Das einzige Monumental-Projekt dieser Jahre, das sich von Schwarz gefunden hat, 414 RS an Karla Lenz Ruland, 10. 5. 1952.
bestätigt seine Ungeeignetheit für die pathetischen Aufgaben der Ns-Zeit. Das Denk¬ 4U Alfons Leitl. Anmerkungen zur Zeit. In: Bau¬
kunst und Werkform (1949) 1, S. 3.
mal für Walther von der Vogelweide wollte er unter gewaltigem Aufwand an Erdbewe¬
416 RS an Paula Schwarz, 5. 2. 1938, 19. 11. 1939.
gungen, Terrassierungen und Freitreppen in halber Höhe bei Klosterneuburg errich¬
4U RS an Emil Steffann, ix. 12. 1939, 17. 12.
ten, ein Mißbrauch seines Lieblingsgedankens vom Stufenberg (WV 65). Zwischen 1939-
418 RS an Martin Wagner, 23. 12. 1949.
martialischen, freistehenden Pfeilerstelen wären dem Minnesänger alle holden Töne
Wagner beschrieb Schwarz’ Status während
vergangen. Schwarz war ebensowenig wie Tessenow für solche Kraftanstrengungen des Dritten Reiches: »Of course, the Hitler
geschaffen. »Das Heldische [ist] nun einmal in meiner Veranlagung nicht vorge¬ period saw him - as the rest of us - frustrated
and without the slightest hope to sow and to
sehen.«420
reap. While one part of us was forced to leave
Eine Emigration hat Schwarz nicht erwogen. Den Grund dafür hatte er mit vielen
Germany, Schwarz stayed and enshrined him-
anderen Intellektuellen gemeinsam: Sie glaubten nicht an eine lange Dauer des Regi¬ self in a Creative solitude.« Martin Wagner an
mes. »Ich bin in Deutschland geblieben, nicht aus heroischer Verzweiflung, obschon Thomas J. Wilson, 27. 1. 1950.

ich keinerlei Hoffnung hatte, sondern weil ich überzeugt war, daß der ganze Schwindel 419 RS an Paula Schwarz, 5. 2. 1938; an Emil Stef¬
fann, 15. 5. 1937.
so kurzlebig sei, daß die Reisekosten und die Mühen einer Umsiedlung nicht lohnen 420 RS an Dominikus Böhm, 1. 4. 1955.
würden.«421 4 21 RS an Martin Wagner, 27. 2. 1950.

99
es Einladungen für Gastvorlesungen in den USA 1938 wurde nichts, nicht zuletzt weil
er, der in Straßburg mit Französisch als moderner Fremdsprache aufgewachsen wrar,
kein Englisch konnte. Immerhin unternahm Schwarz doch eine Reise nach London,
um dort seinen potentiellen Gastgeber zu treffen.4“ Erschwerend kam hinzu, daß
Schwarz im englischsprachigen Raum kaum wahrgenommen wurde, anders als Gro-
pius, Mies oder Mendelsohn.4:4

»Eine alte und große Überlieferung«:


Landesplanung in Lothringen

Mit landesplanerischen Fragen w'ar Schwarz schon während seiner Aachener Tätigkeit
in Berührung gekommen, als es um die soziale Lage von Industriearbeiter-Dörfern
ging, um die Ansiedlung von Erwerbslosen und deren Ausbildung zu Siedlern. Eine
Liste von 1933 mit anstehenden Aufträgen des Ateliers verzeichnet bereits »Landespla¬
nungen« für die Eifel.424 Zur zeitweise ausschließlichen Tätigkeit wurden Probleme der
Raumplanung durch seine Verpflichtung für den Reichskommissar für die Saarpfalz
und Chef der Zivilverwaltung in Lothringen, der in Saarbrücken amtierte. Schrift¬
stücke ab 1942 tragen den Briefkopf »Der Reichsstatthalter in der Westmark«. Vom 23.
132 Arrich bei Metz. Holzschnitt. In: Wieder¬
Juni 1941 datiert eine Mitteilung über die Einstellung von Schwarz als »Planungsarchi¬
aufbau im Gau Westmark. Berlin 1944 (nicht er¬
tekt«. Es ging zunächst um den Wiederaufbau kriegszerstörter und die Planung neuer
schienen).
Dörfer.
Die Kulturpolitik der Nationalsozialisten suchte den Begriff eines »Westraums« aufzu¬
bauen, in dem die Niederlande, Flandern, Lothringen und das Elsaß aufgehoben wären.
422 RS an Emil Steffann, 20. 5. 1938 (Poststem¬
pel), 2. 8. 1938; an Pfarrer Reinhold, 12. 6. Entsprechend nannte sich eine Zeitschrift Westland, die der Reichsstatthalter der
i938- besetzten Niederlande, Arthur Seiss-Inquart, herausgab. Sie war für »Landschaft,
423 Eine Ausnahme bildet der Artikel von H. A.
Geschichte und Kultur an Rhein, Mosel, Maas und Schelde« bestimmt. »Gesamtger¬
Reinhold in der US-Fachzeitschrift The Archi-
tectural Forum. Schwarz wird mit »two Super¬
manische Verbundenheit« wurde geltend gemacht. Als konkretere historische Anknüp¬
lative ecclesiastical structures« vorgestellt, der fungspunkte für dieses »Westland«-Konstrukt und seine Zugehörigkeit zum Reich
Fronleichnamskirche in Aachen und der Ka¬ dienten das lotharingische Zwischenreich des 9. Jahrhunderts oder auch die hansestäd¬
pelle in Leversbach. The Architecture of Rudolf
tische Tradition im niederländisch-norddeutschen Raum. Der biografische Zufall
Schwarz. In: The ArchitecturalForum 70 (1939)
1, S. 22 ff. wollte es, daß die wichtigsten Stationen der Schwarz-Vita, Straßburg, Köln, Aachen,
424 RS. Übersicht der am 23. 3. 33 vorliegenden Auf¬ Eck- und Mittelpunkte des »Westlandes« bildeten.
gaben für das Atelier. Typoskript.
Als Teil des »Westlandes« war der Gau Westmark etabliert worden. Er reichte von
425 Clemens Weber. Ländliche Neuordnung beim
Wiederaufbau in der Westmark. In: Wiederauf¬ Ludwigshafen am Rhein bis westlich von Metz (Abb. 133), umfaßte also die Saarpfalz
bau im Gau Westmark. Schriften für Neues Bau¬ und einen größeren Teil des besetzten Lothringens. Zwischen dem Deutsch-Französi¬
erntum. (1944). S. 18 ff. Zit. S. 30, 18, 30. Ko¬
schen Krieg von 1870/71 und dem Ersten Weltkrieg hatte Lothringen zum Deutschen
pien der Satzfahnen im Archiv Schwarz. Der
Grafiker des Heftes Jupp Palm an RS, 12. 4.
Reich gehört und sollte nun wieder dem Reichsgebiet zugeschlagen werden. Bezeich¬
1948: »Der Ausdruck des Werkes war im nenderweise wurde das Departement Moselle nicht wrie das übrige besetzte Frankreich
Gang und ist dann nach meinen bisherigen einer Militärverwaltung, sondern der Zivilverwaltung unterstellt. Gauhauptstadt wur
Feststellungen den Angriffen restlos zum Op¬
Saarbrücken. Beiderseits von Westwall und Maginotlinie war auf deutschem wrie fran¬
fer gefallen. Die Herausgabe ist von 1942 an
unter der Hand bewußt verzögert worden.« zösischem Gebiet eine breite Zone geräumt und während der Kampfhandlungen 1939
Zur Planung in Lothringen vgl. vor allem: und 1940 in Mitleidenschaft gezogen worden. Fast 400 Dörfer und zahlreiche Land¬
Ulrich Hohns. Wiederaufbau in der Westmark
städte waren zerstört oder beschädigt, Brücken und Bergwerke gesprengt, Felder ver¬
1940-1950. Ulrich Hohns. Die Westmarknorm
und ihr Umfeld. Hartmut Frank. Die Stadtland¬ steppt, eine Vorwegnahme späterer Kriegsverwüstungen.
schaft Diedenhofen. In: Jean-Louis Cohen, Nach dem Waffenstillstand, unterzeichnet am 22. Juni 1940 in Compiegne, konnten
Hartmut Frank (Hg.). Deutsch-französische Be¬
die evakuierten deutschen Einwohner in ihre Heimat zurückkehren. Dagegen sollte das
ziehungen 1940-1950. a.a.O. S. 43ff, 177fr.,
281 ff. - Beide Autoren ähnlich auch an ande¬ »von der französischen Bevölkerung im Herbst 1940 freigemachte [n] Westlothringen«,
ren Stellen: Ulrich Hohns. Uno nuovo vemaco- wie die Deportationen euphemistischerweise umschrieben wurden, nach politischen
lare per la Lorena. Emil Steffann e la ricostru- Gesichtspunkten neu besiedelt werden. Mit der Ansiedlung von Pfälzer oder sogenann¬
zione di Boust. Hartmut Frank. La »Stadt¬
ten Volksdeutschen Siedlern aus Osteuropa sollte ein »neues bäuerliches Volkstum«
landschaft« Diedenhofen (Thionville). In: Casa-
bella (April 1990) 567, S. 55, 56. - Ulrich entstehen und ein »starker Menschenwall« das lothringische Gebiet als westlichen
Hohns. »Eine tief innere Scheu vor dem rechten Außenposten des Reiches sichern.42?
Winkel«. Ländlicher Wiederaufbau in Lothringen
Unter dem Gauleiter und Reichsstatthalter Josef Bürckel, der zuvor Gauleiter in Wien
um 1942. Hartmut Frank. Die Stadtlandschaft
Diedenhofen. S. 332 ff. In: Rainer Hudemann, gewusen war, wurde in Saarbrücken als landesplanerische Instanz ein Wiederaufbauamt
Rolf Wittenbrock. Stadtentwicklung im deutsch¬ eingerichtet, das Regierungsdirektor Oberbaurat Clemens Weber leitete.426 Rund 240

100
Orte, davon die Hälfte in Lothringen, wurden zu Neuordnungsgemeinden erklärt. französisch-luxemburgischen Grenzraum nmi
Dem Wiederaufbauamt unterstanden elf Wiederaufbau-Abteilungen, die bei den Land¬ 20. Jahrhundert). Saarbrücken 1991. S. 325 ff
- Ulrich Hohns. Grenzenloser Henna!,hu
räten angesiedelt waren. In Saarbrücken verfügte es u.a. über ein zentrales Planungs¬
Neues, altes Bauen in der >Ostmark< und der
büro für Orts- und Gebäudeplanung. In ihm entwickelten Richard Docker und Walther >lVestmark<. In: Yittorio Magnago-Lampug-
Hoss Typenprogramme für »Landwirtsstellen« und größere Erbhöfe (Abb. 138). nani, Romana Schneider (Hg.). Moderne Ar
chitektur in Deutschland 1900 bis 1950. Reform
Docker war vor 1933 ein Wortführer der Moderne in Württemberg und Streiter wider
und Tradition. Kat. Deutsches Architektur-
die konservative Stuttgarter Schule gewesen, LIoss hatte gleichfalls der Moderne nahe¬ Museum Frankfurt am Main. Stuttgart 1992.
gestanden. Innerhalb der Abteilung Ortsplanung im Wiederaufbauamt war Docker für S. 283 ff.
426 Clemens Weber hatte in München bei Ger¬
die Saarpfalz zuständig, Hoss für Lothringen. Beide konnten in ihrer Saarbrücker Posi¬
man Bestelmeyer studiert. Fr durchlief eine
tion der Leidenschaft der Moderne für Normung und Typung nachgehen.427 Karriere als Baubeamter in Pfalz und Saar¬
Docker, der schon 1923 über typisierte Kleinwohnungen promoviert hatte, forderte, land, wurde 1938 Stadtbaurat in Ludwigs¬
sich vom Meierlei der lokalen Bautypen zu verabschieden und Bauanlagen konsequent hafen und 1940 in die Saarbrücker Regierung
berufen.
auf Vorfertigung einzurichten.428 Zu diesem Zweck setzten er und Hoss sich für Stän¬
427 Vgl. Friederike Mehlau-Wiebking. Richard
der- und Gerippebauten ein, gegen die lothringische Tradition des steinernen Wand¬ Docker. Ein Architekt im Aufbruch zur Moderne.
schotten-Hauses. Daß die Planung im Wiederaufbaugebiet möglichst auf Typisierung Diss. Marburg 1985. Braunschweig, Wiesba¬
den 1989. S. 202. - Ulrich Hohns. Die West-
hinauslaufen solle, war Anweisung von oben. In die entsprechende Verlautbarung war
marknorm und ihr Umfeld. In: Jean-Louis
sogar Dockers Polemik gegen »leidlich brauchbare Höfe alter Art« eingegangen, auch Cohen, Hartmut Frank (Hg.). Deutsch- franzö¬
wenn sie »architektonisch schön... hingestellt« würden. »Der Bauer erwartet von seinem sische Beziehungen 1940-1950. a.a.O. S. 177ff.
428 Richard Docker. Entwicklung und Ergebnisse
Hof. ...er sei billig und einfach zu bauen und habe die zweckmäßigste, klare Raumauf¬
der Orts- und Gebäudeplanung im Sonderaufbau¬
teilung und Ausstattung der Einzelheiten mit kurzen, einfachen Arbeitsgängen, das ist gebiet des Gaues Westmark. In: Wiederaufbau im
alles!«w Gau Westmark. a.a.O. S. 82 ff.
Diese Planungsmoral entsprach der offiziellen Agrarpolitik, die für die rentable Bewirt¬
schaftung des Landes den vermehrten Einsatz von Maschinen vorsah, Grundstücksum¬
legung und Flurbereinigung großen Stils forderte und die Auflockerung der Ortsbilder
anstrebte. Im rationalisierten Agrarbau wurden, wie im Industriebau des Dritten Rei¬ 133 Landesplanungsgemeinschaft Westmark.
ches, Prinzipien einer konsequenten Modernisierung angewendet. »Etwa architektoni¬ Politische Grenzen im Gau Westmark. 1942.
sche Belange, Sehnsüchte eines Architektenherzens sollen... ausgeschaltet sein.«430 Das Eingezeichnet: Unterbringungsplan für die luft¬
gefährdete Bevölkerung im Gau Westmark.
Bauen auf dem Lande, wie Docker es forderte, entsprach darin dem allgemeinen Woh¬
Gez. i.A. Prof. Dr.Ing.Rudolf Schwarz.
nungsbau, wie ihn der Führererlaß vom 15. 11. 1940 formulierte. Mit ihm hatten Pla¬
nungstechnokraten und Wohnungswirtschaftler die Hoffnung verbunden, daß Nor¬ 134 Arrich bei Metz.
mung, Typisierung und Montagebau den Krieg überdauern und die Lösung der
enormen Friedensaufgaben erleichtern würden. 135 Industrieanlage in Lothringen.

101
136 Rudolf Schwarz. Skizze von Oberkontz, Zunehmende Restriktionen während des Krieges kassierten ohnehin die Spielräume für
Lothringen. Bleistift. Um 1941. Varianten regionalen Bauens. Auch die Sammlungen landschaftstypischer Bauformen,
die der Steffannschen Baufibel vorausgingen, dienten nicht nur den Heimatschützern,
die Besonderheiten der unterschiedlichen Hauslandschaften gewahrt wissen wollten.
Zwar war es das erklärte Ziel, die Vielfalt regionalen Bauens trotz aller Rationalisierung
zu bewahren. Aber indem die Baufibeln einheitliche Züge für die einzelnen Land¬
429 Wiederaufbaugebiet Westmark. Anweisung fiir schaftsräume festschrieben, wirkten sie ihrerseits innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche
Durchführung und Anführung des Ortsbaupla¬ vereinheitlichend und halfen den individuellen Reichtum zu beseitigen.431 »Eine sich
nes (Hochbauten). Saarbrücken, Februar 1942.
dem gesunden Fortschritt entgegenstemmende Heimatpflege hat kein Daseinsrecht«,
S. 19, 26.
430 Richard Docker. Entwicklung und Ergebnisse... schrieb Werner Lindner, der langjährige Geschäftsführer und Fachbeauftragte des
a.a.O. S. 92. Deutschen Heimatbundes, 1942.432
Vor Ort und im Freundeskreis um Schwarz wurde in den ersten Kriegsjahren anders
gedacht und entschieden als im Saarbrücker Zentralbüro. In derselben Publikation, in
der Docker sich für eine rigoros funktionalistische Planung einsetzte und Lösungen aus
der Führung von Futter- und Dungwegen oder der Standbreite von Rindvieh ent¬
wickelte, wirkte der Titel eines Schwarz-Beitrages wie eine Kampfansage: Lothringens
Bestand als Aufgabe. Das »ungeheure[n] Bruchsteingemäuer« der lothringischen Ge¬
137 Emil Steffann. Notscheune und späteres
Gemeinschaftshaus in Bust (Boust). Vor 1944. höfte, die fast bis zur Erde abgeschleppten, »sanft gehügelten« Ziegeldächer, die
In: Wiederauflau im Gau Westmark. Berlin 1944 schweigend verschlossenen Anwesen weckten in Schwarz ganz offensichtlich eben jene
(nicht erschienen). »Sehnsüchte eines Architektenherzens«, die Docker ein für allemal verdammt wissen
wollte. Wieder einmal war es Schwarz Vorbehalten, die Poesie einer Architekturland¬
138 Walther Hoss. Erbhof, Spangen-Pütz. Un¬
schaft zu formulieren: ihre Ermüdung durch allzu viel erlittenes Leid, das Langsame,
datiert (vor 1944). »Vollständig durchgebildetes
Stützensystem. Besonders klare Baukörper... Scheue, die innerliche Größe auch kleiner Häuser, die verborgene Verwandtschaft zu
Die beste technische Form liegt nicht in der Er¬ Umbrien oder Burgund oder zum »todestraurigen Verfall der Campagna«. Schwarz
schöpfung des Möglichen, sondern in der schö¬ witterte die Geschichte in jedem Stein: das Römische, das manchem Dorfgrundriß die
nen Gestaltung des Notwendigen.« In: Wieder¬ Form des Quadrats eingeschrieben habe, das düster-großartige frühe Frankentum, die
aufbau im Gau Westmark, Berlin 1944 (nicht
»reichsromanische« Geschichte. Bei welcher Gelegenheit Schwarz dann gleich die
erschienen).
»vielen Deutschen« für die nationale Historie vereinnahmte, die bedauerlicherweise
den romanischen »Dialekt« - Dialekt! nicht Sprache! - angenommen hätten.
Die Distanz zwischen Saarbrücken und Diedenhofen, der Zentrale und der Außen¬
stelle, war gleichbedeutend mit der Distanz zwischen strikt funktionalem Zweckdenken
und einem Denken in Bildern. Schwarz fühlte sich in Lothringen an Adalbert Stifters
Erzählungen erinnert, in denen »jedes Ding ruhig wird und unter dem Verbrauch der
nötigen Zeit ganz bis zu Ende beschrieben ist« - und Docker an die vom DlN-Ausschuß
aufgestellten Hochbaunormen.433 Diejenigen Dorfplanungen in der lothringischen
Zone, für die neben Schwarz (zunächst als Ortsplaner) Rudolf Steinbach (1941-43 Lei¬
ter der Wiederaufbau-Abteilung Diedenhofen) oder Steffann als Architekt verpflichtet
waren, gingen aus einer sorgfältigen Beobachtung der konkreten Einzelsituation her¬
vor. Der Kontrast wird deutlich, wenn Docker darauf bestand, die Wünsche des Städte¬
bauers nach geschlossenen oder malerischen Ortsbildern hätten hier nichts zu suchen.
Docker forderte den »beharrlichen Gehorsam gegen die Gebote der Praxis«, die er bei
Architekten wie Emil Steffan verletzt sah.434
Beispielsweise realisierte Steffann in seinen Planungen und wenigen Bauten für das
Dorf Bust (Boust) eben das: eine eindrucksvoll komponierte, zwar nicht pittoreske, aber

102
monumentale Architektur. Mit dem am Ort Vorgefundenen Trümmermaterial, mit
geschlossenen Wänden, schweren geböschten Strebepfeilern, großen rundbogigen
Toren und flach geneigten Dächern verhalf er seinen Bauten zu einer zeitlosen Präsenz
(Abb. 137). Seit den ersten Nachkriegsveröffentlichungen figurierte die Planung für
Bust als Ikone des inneren Widerstandes gegen das Ns-Regime, zumal Steffann die
große Gemeinschaftsscheune am zentralen Platz als spätere Kirche vorgesehen hatte.«3
Ein Akt des Widerstands gegen das Rationalisierungsprogramm der Saarbrücker Zen¬
trale war sie auf jeden Fall. In der Bauhaus-Debatte von 1953, in der Docker gegen
Schwarz Position bezog, sollte sich der Konflikt fortsetzen - Technizismus und Ratio¬
nalismus gegen das bildhafte Denken.
Aus seiner ersten Arbeitsphase in Lothringen sind von Schwarz städtebauliche Planun¬
gen für fünf Dörfer bekannt geworden, die er während seiner Zuordnung zur Wieder¬
aufbau-Abteilung Salzburgen (Chateau Salins) verfaßte: Dalheim (Dalhein), Böllingen
(Bellange, Abb. 139), Warnhofen (Vannecourt), Salzmar (Marsal) und Oberkontz
(Haute-Kontz). Es waren Vorplanungen, die Straßenführung, Raumbildung, Mittel¬ M-'

punkte und ungefähre Baumassen-Gruppierung skizzierten und die weitere Detaillie¬


rung der von den Wiederaufbau-Abteilungen verantworteten Bauplanung überließ.
139 Abteilung Wiederaufbau des Landkreises
Schwarz hielt sich an die Vorgabe der Auflockerung und der Aussiedlung größerer
Salzburgen (Rudolf Schwarz). Neuordnungsplan
Gehöfte (»Erbhöfe«). Er bestand aber darauf, »daß der Weg zum neuen Ortsplan in für Böllingen. 17. 8. 1941.
Lothringen jedesmal neu gesucht werden muß, da jedesmal ein altes, in vielen Jahrhun¬
derten gewachsenes Dorf neu zu durchdenken ist.« Eine »alte und große Überliefe¬
rung« müsse »in Treue gewahrt« bleiben.«6 Das hieß auch die Erhaltung, gegebenen¬
falls die Zusammenlegung des verbreiteten Elaustyps: Reihenhäuser auf tiefen
Grundstücken zwischen quer zur Straße stehenden Wandschotten. In den Dorfanlagen
behielt er die Grundfiguren der Weg- und Platzbildung bei oder arbeitete sie neu her¬
aus. Die natürliche Geländebeschaffenheit mit ihren Höhenlinien wurde dabei berück¬
sichtigt, Durchgangsverkehr so weit wie möglich aus den Ortsmitten genommen.
In sozialer Hinsicht beschwor Schwarz ein Idealbild von gegenseitiger Hilfe und wech¬
selseitigem Austausch zwischen den durchmischten Ständen, den Vollbauern auf Erb¬
höfen und den Arbeiterbauern, die Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben. Aber
dieses gesellschaftliche Programm, das Siedler unterschiedlicher Herkunft und vor 431 Sid Auffarth. Baufibeln. a.a.O. S. 30. - Ger¬
allem »deutsches Bauerntum« und »deutsches Arbeitertum« zusammenführen sollte, hard Fehl. »Führer-Wohnungsbau« und »Land-
schafsnormen«. In: Gerhard Fehl. Kleinstadt,
war im Dritten Reich verbreitetes Gedankengut. Wilhelm Ludowici, Leiter des Reichs¬
Steildach, Volksgemeinschaf. Braunschweig,
heimstättenamtes in der Deutschen Arbeitsfront, war einer der Autoren, die sich für die Wiesbaden 1995. S. 132 ff., vor allem S. 134ff.
Versöhnung der Stände und die Abschaffung der »Klassensiedlung« stark machten 432 Zit. in Gerhard Fehl. a.a.O. S. 139.
433 RS. Lothringens Bestand als Aufgabe. In: Wie¬
(Abb. 140).«7 Charakteristisch für Schwarz war dagegen, daß er sein bildhaftes Denken
deraufbau im Gau Westmark. a.a.O. S. 3 ff. -
auch auf die Anlage dieser Dörfer anwendete. »Die Gemeinschaftsbauten wurden wie Richard Docker. Entwicklung und Ergebnisse...
Edelsteine in den Ring [der breiten Straße] eingesetzt«, schrieb er über eine seiner Pla¬ a.a.O. S. 96.
nungen, Böllingen.«8 434 Richard Docker, ebda. S. 89.
435 Ulrich Hohns. »Veredelte Armut«. a.a.O. S.
Anfang 1942 wurde eine Planungsstelle Diedenhofen mit landesplanerischen Aufgaben 239fr.- vgl. auch: Gisberth Hülsmann, Jean
für die Industrieregion eingerichtet, die Clemens Weber in Saarbrücken direkt unter¬ Kail. Die >Notscheune< von Emil Steffann. In:
stellt war. Sie ist nicht zu verwechseln mit der beim Landrat angesiedelten und von Kunst und Kirche (1987) 3, s. 1941!'.
Das Thema, einen »sonst unkirchlichen
Rudolf Steinbach geleiteten Wiederaufbau-Abteilung Diedenhofen. Allerdings arbeite¬
Zwecken dienenden Raum« durch wenige
ten die Architekten allesamt am gleichen Ort, in Schloß Gentringen bei Diedenhofen. Veränderungen herzurichten und den »Zu¬
In der Praxis mögen die Kompetenzen auch weniger genau abgegrenzt gewesen sein. sammenhang mit den alten Nachbarhäusern«
zu wahren, hat Steffann schon lange vor Die¬
Schwarz übernahm Aufbau und Leitung der Planungsstelle - wieder als freischaffender
denhofen beschäftigt, vgl. Emil Steffann. Ein
Architekt gegen Honorar und mit der Verpflichtung, an Ort und Stelle präsent zu Kapellenbau in der Diaspora. In: Die Schildgenos¬
sein.«9 sen 17 (1938) 4, S. 282.
436 RS. Dorfplanung in Lothringen. In: Wiederauf¬
Diedenhofen, französisch Thionville, liegt im lothringischen Moseltal, in einem Erz¬
bau im Gau Westmark. a.a.O. S. 32 fr. Zit. S.
bergbaugebiet, dessen Betriebe nach der Annektion von 1871 von Stumm- und Roech-
33- 32-
ling-Konzern aufgebaut und nach der Besetzung von 1940 großenteils von den Her- 437 Wilhelm Ludowici. Das deutsche Siedlungs¬
mann-Göring-Werken übernommen worden waren. Die kleine Stadt kann auf eine werk. Heidelberg 1935.
438 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 82.
ehrwürdige Vergangenheit als karolingische Kaiserpfalz zurückblicken. Karl der Große
439 RS an Clemens Weber, 28.1. 1942.
hatte dort - wie Schwarz formulierte - »seine liebe Frau« Hildegard verloren.«0 Zu 440 RS. Stadtlandschaf Diedenhofen. Typoskript.
Schwarz’ Zeiten zählte der Ort rund 13000 Einwohner, ohne die Nachbargemeinden 1943. S. 1. — vgl. Francois Roth. Thionville ou
l'esquisse d’une politique urbaine. In: Rainer
und das benachbarte Fentschtal, die zum Planungsgebiet gehörten (Abb. 142-147).
Hudemann, Rolf Wittenbrock (Hg.). Stadtent¬
Aufgabe war die Erschließung neuer Industrie- und Wohngebiete, die Anlage von Ver¬ wicklung im deutsch-französisch-luxemburgischen
kehrswegen, der Ausweis von Erholungsflächen. Vor dem Auftritt von Schwarz hatten Grenzraum. a.a.O. S. 119 ff.

103
Pläne bestanden, Diedenhofen zu einer Stadt von über 100000 Einwohnern auszu¬
bauen und damit zu einer der Großstädte des Reiches zu machen.
Schwarz’ Denkschrift über die Stadtlandschaft Diedenhofen ist eine Monographie gewor¬
den, die den Bürgermeister von Diedenhofen, L. Liebei, »durch die Tiefe seiner Gedan¬
ken und die überaus klare Darstellung« so gefangen nahm, daß er sich von dem Schrift¬
stück gar nicht trennen wollte.44' Wo hätte auch ein Kommunalpolitiker in einem
Planungsdokument Sätze gefunden wie: »Das Land ist warm und das Obst gedeiht herr¬
lich in den Tälern, vorab der mühselig gekrümmte Mirabellenbaum, der in seiner
demütigen Fruchtbarkeit so sehr an den Ölbaum des Südlandes erinnert«?442 Schwarz
entwickelte hier den Blick für die Morphologie einer Landschaft, für die formenden
BAUER undARBEITER
Natur- und Geschichtskräfte, der ihm wenig später bei der Abfassung seines Buches Von
140 Bauer und Arbeiter. Die Werksiedlung der Bebauung der Erde die Feder führte. Dabei vernachlässigte er durchaus nicht das kon¬
macht den Arbeiter bodenständig. In: Johann krete Datenmaterial, setzte sich mit dem Wohnraum- und Flächenbedarf und mit den
Wilhelm Ludowici. Das deutsche Siedlungswerk. Pendlerbewegungen der einzelnen Bergwerke und Hütten auseinander (Abb. 141).
Heidelberg 1935.
Ökologische Folgen sind jeweils mitbedacht. Schwarz ging bei seiner Planung für Die¬
denhofen von der Zukunft des Erzbergbaus aus. Daß die Qualität des lothringischen
Eisens ähnlich wie im Salzgitter-Gebiet von minderer Qualität war, wußte man, nahm
aber an, daß die Lagerstätten in Kriegszeiten gebraucht und in Friedenszeiten als
Reserve gepflegt und vorgehalten werden müßten. Das Unheil unbedachter Industriali¬
sierung schilderte Schwarz bildkräftig: wie der Malstrom des Erzes gleichsam die Täler
hinunterfließt und, den Gletschermoränen vergleichbar, an seinen Rändern Hochöfen,
Walzwerke und Arbeitersiedlungen hinterläßt; wie bei den herrschenden Abbaumetho¬
den ganze Berge zu Schotter zerbrochen werden, das Wasser in den entstehenden
großen Schutthalden versickert und Vegetation wie Landwirtschaft zum Erliegen
bringt. In den Jahren einer an raschen Erfolgen orientierten Kriegswirtschaft waren das
ungewöhnliche Horrorszenarien, die nicht nur den Bürgermeister von Diedenhofen
verblüfft haben dürften. Daß diese Prozesse einer unerbittlich vorgehenden Technik
nicht rückgängig zu machen, sondern ins Gestalthafte zu übersetzen waren, wußte
Schwarz seit seinen Auseinandersetzungen mit dem Phänomen Technik in den späteren
zwanziger Jahren.

141 Planungsstelle Diedenhofen. gez. Prof. Schwarz setzte das Bild einer Stadtlandschaft dagegen. Auf der tragenden Erde, die als
Dr. Ing. Schwarz. Pendelwanderung im Raum Landschaft fühlbar bleibt, sollten Siedlungen abseits der Industriewerke entstehen, aber
Diedenhofen. April 1942. polar bezogen auf sie. Als Größe für diese Ortschaften faßte Schwarz 2000 bis 2500
Einwohner ins Auge, die eine Reihe gemeinschaftlicher Einrichtungen tragen könnten.
Vor allem der Einzugsbereich einer Volksschule war die Bezugsgröße - damals akzep¬
441 Bürgermeister L. Liebei an RS, 31.8. 1943. tierte Lehre. Andere Autoren der Zeit kamen auf etwas höhere Einwohnerzahlen.445
442 RS. Stadtlandschaft Diedenhofen. a.a.O. S. 2. Jeweils mehrere Gemeinden haben einen gemeinsamen »Vorort«, einen Mittelpunkt,
443 Gottfried Feder rechnete in seinem Standard;
eine Zwischenstufe zwischen Heimat und großer Welt. Sechs solcher »Vororte« waren
werk Die neue Stadt (Berlin 1939) mit einem
Einzugsbereich von 3500 Einwohnern. S. 19. für den Planungsraum Diedenhofen vorgesehen. Die Stadt selbst war der sechste und
In seiner Kölner Zeit kam Schwarz auf eine zugleich Hauptstadt des Kreises.
wesentlich höhere Zahl: 8000 Einwohner.
Der Gedanke der Stadtlandschaft, der die verlorene Überschaubarkeit der Siedlungsge¬
-133 Vgl. u.a. Werner Durth, Niels Gutschow.
Träume in Trümmern. a.a.O. S. 174ff. meinschaften zurückgewinnen sollte, stammte aus der Planungsdiskussion vor 1933,
445 ebda. S. 193 ff. - Elke Pahl-Weber. Die Orts¬ war aber von den Nationalsozialisten aufgegriffen und instrumentalisiert worden. Er
gruppe als Siedlungszelle. In: Hartmut Frank
wurde schließlich, entnazifiziert, von den Nachkriegsplanern übernommen - die weit¬
(Hg.). Faschistische Architekturen. a.a.O. - Til-
mann Harlander. Zwischen Heimstätte und gehend auch die Vorkriegsplaner gewesen waren.444 Gliederung und Hierarchisierung
Wohnmaschine. a.a.O. S. 227ff. der Siedlungsstruktur bezog die Fachliteratur des Dritten Reiches auf den organisatori¬
446 Carl Culemann. Die Gestaltung der städtischen schen Aufbau der NSDAP-Parteiformationen: so Gottfried Feder, Konstanty Gutschow
Siedlungsmasse. In: Bauen - Siedeln - Wohnen
(»Ortsgruppe als Siedlungszelle«), Werner Lindner, Karl Neupert, Fritz Rechenberg,
(1940) 24, S. 914. - RS. Stadtlandschaft Dieden¬
hofen. S. 13. Julius Schulte-Frohlinde, Wilhelm Wortmann.445 Ausdrücklich wird Carl Culemann
von Schwarz angeführt.
Culemann, Planer beim Generalreferenten für Raumordnung in Westpreußen, hatte
142 Lächere. Plan de Thionville. 1750 (1749). 1940 mit besonderer Schärfe das politische Gliederungsprinzip als planerisches Gestal¬
tungsmittel herausgestellt: »Das Gesetz, nach dem die Masse zu gestalten ist, ist not¬
143 Stadtbauamt Diedenhofen. Stadtplan Die¬ wendig das gleiche für die Zuordnung von Wohneinheiten in der städtischen Siedlung
denhofen (Thionville). Februar 1942.
und für die Zuordnung von... Männern in den Gliederungen der Partei oder in der

144 Planungsstelle Lothringen, Rudolf Schwarz.


Wehrmacht.« Schwarz gab Culemanns Äußerungen durchaus zustimmend wieder.446
Planung für den Raum Diedenhofen (Thion¬ Ein unentrinnbarer Militarismus des persönlichen Lebens werde daraus hoffentlich
ville). Modell. Um 1943. nicht erwachsen, meinte der zivile Schwarz und lieferte eine angenehmere Assoziation

104
105
>
»

145 Rudolf Schwarz. Planungsskizze für das In¬ nach. Das Siedlungsband, das nach seiner Planung entstehen würde, erinnere an eine
dustriegebiet westlich und südwestlich von Die- Milchstraße, in der kleinere Sterne um größere kreisten und diese wiederum von einer
denhofen (Thionville). Um 1942-43. Bleistift. Zentralsonne angezogen würden: Diedenhofen!447
Als Schwarz sein Diedenhofen-Gutachten - der literarischen Qualität nach ein
146 Planungsstelle Lothringen, gez. Prof. Dr.
anspruchsvoller Essay und kein trockenes Gutachten - schrieb, war er über die zeit¬
Ing. Rudolf Schwarz. Stadtlandschaft Dieden-
hofen (Thionville). Schema der Siedlungsstruk¬ genössische Planungstheorie auf dem laufenden. Die Stuttgarter Schule mit Paul
tur. Um 1943. Schmitthenner (»Das sanfte Gesetz in der Kunst«) und Heinz Wetzel dürften gemeint
sein, wenn er sich mokierte: »Es gibt Schulen des Städtebaus und gibt sie noch heute,
die sich vor lauter Herzlichkeit nicht zu lassen wissen.« Sogar Ernst Mays Frankfurter
Siedlungen erschienen ihm als allzu romantisch! Er referierte das Bandstadt-Konzept -
ein Streifen Industrie, zu einer oder beiden Seiten je ein Streifen Grün und außen ein
Siedlungsstreifen -, von dem man in den letzten Jahren nicht mehr viel gehört habe.448
Tatsächlich war die Bandstadt nach ihren frühen Ausprägungen im 19. Jahrhundert in
den zwanziger und frühen dreißiger Jahren von Ludwig Hilberseimer am Bauhaus,
Martin Wagner oder Walter Schwagenscheidt449 protegiert worden. Vor allem fand sie
sich in der - in dieser Zeit nicht zitierbaren - sowjetischen Planungstheorie; so bei
Nikolaj Alexandrowitsch Miljutin und den Desurbanisten. Doch auch der von Schwarz
hochgeschätzte Otto Ernst Schweizer in Karlsruhe und Hans Bernhard Reichow bei
seinen Planungen für Posen (Abb. 148) oder für Stettin hatten sie sich zunutze
gemacht. Gleichzeitig arbeiteten im feindlichen Großbritannien die Planer der MäRS-
Gruppe mit diesem Konzept.
Schwarz interpretierte das Bandstadt-Schema so lange, bis es in sein Bild von der Milch¬
straße umschlug. Die Abbildungen, die er 1947 in sein Buch Von der Behauung der Erde
übernahm, demonstrieren den Verwandlungsprozeß (Abb. 149-151). Da Querwege das
Band der industriellen Produktionsanlagen mit den Siedlungsbändern jenseits der Grün¬
bänder verbinden, werden die Siedlungen sich an den einmündenden Querstraßen ver¬
dichten. Die Siedlungen, aus denen die Arbeitermassen morgens zu den Fabriken quel¬
len und zu denen sie abends wieder zurückfluten, bilden eigene Schwerpunkte und
differenzieren sich je nach ihrer Lage aus. Schwarz zieht in der Bebauung der Erde, also
nach 1945, den verblüffenden Vergleich mit der Kathedrale (Abb. 152). Das längsgerich¬
447 RS. Stadtlandschaft Diedenhofen. a.a.O. S. 28.
448 ebda. S. 13, 24 verso. tete Mittelschiff (der »Malstrom« der Industriezone) wird von Kapellen begleitet, die
449 Schwarz hat Schwagenscheidt in Aachen ken¬ zum Mittelschiff hin offen sind: die »Perlenkette der Dörfer«. Den Altarraum, das Aller¬
nengelernt, wo der Verfasser der »Raumstadt«
heiligste, setzt er mit der »Hochstadt«, der »Zentralsonne« gleich.-^0 Die Tragkraft des
1921-27 als Assistent an der Technischen
Hochschule arbeitete. Bildes überbrückt profane und sakrale Welten. Daß sie überbrückbar sind, belegt
450 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 108. zugleich, daß Schwarz letztlich von ihrer Wesensverwandtschaft überzeugt war.

106
Je weiter das Wohnband von der Industriezone entfernt liegt und je mehr es von Arbei¬ 147 Planungsstelle Lothringen, gez. Prof. Dr.
terbauern und Bauern, Arbeitergärtnern und Gärtnern bewohnt ist, desto mehr wird es Rudolf Schwarz. Raum Diedenhofen (Thion-

eigene Mitten ausbilden und sich aus der strengen Zuordnung zum Industrieband ville). Lim 1943.

lösen. Schließlich begegnet es dem Kranz der alten Bauerndörfer. Aus dem mechanisti¬
148 Hans Bernhard Reichow. Stadtlandschaft
schen Schema der fünf- oder siebenstreifigen Bandstadt ist eine komplexe Stadtland¬
Posen. Vor 1945. In: Hans Bernhard Reichow.
schaft geworden. Der gesamten Landschaft dient die regionale Hauptstadt, die - wie Organische Stadtbaukunst. Braunschweig 1948.
nach dem Kriege oft praktiziert - durch einen neuen Straßenring vom Durchgangsver¬ »Die Landschaft ist... gestaltauslösender und zu
kehr freigehalten werden soll. gestaltender Hauptbestandteil eines einheitli¬
chen Ganzen, in dem eine Fülle von Einzelorga¬
Zwischen freieren (»organischen«) und strengeren (»mathematischen«) Ortsbildungen
nismen im wörtlichen und übertragenen Sinne
entschied Schwarz sich nicht oder richtiger: je nach ihrer sozialen Bestimmung und
eine Symbiose führen, in deren Verlauf sie sich
topographischen Situation. Die einen schienen ihm für die Bauerndörfer mit ihrer lan¬ einander >organisch< beeinflussen und anpassen
gen, individuellen Geschichte geeignet, die anderen - Typik und großartige Monotonie bis zur größtmöglichen Harmonie.«
- für die Arbeiterdörfer, deren Bewohner mit dem strengen Geist der Technik umgin¬
gen. »Der gute Städtebauer soll jedes Ding so formen, wie es innerlich ist.«451 Dagegen
stießen die viele Kilometer langen Achsenplanungen, gesäumt von den »ungeheuren
Bauten neuer Bürokratien«, auf seine Mißbilligung. Man darf in diesem Urteil wohl
weniger eine Anspielung auf die kapitalistische Verwaltungsstadt als auf die wahnhaften
Ns-Planungen in den »Führerstädten« ä la Speer sehen. Zumal Schwarz kurz zuvor,
mit etwas mehr Vorsicht, aber unüberhörbar skeptisch die Versuche der letzten Jahre
beschreibt, der alten Sehnsucht nach dem Dom einen neuen Ausdruck zu geben und in
die Stadtmitte »ein riesiges Haus« zu setzen.
Schwarz gibt denen den Vorzug, die weniger auf den »Staat« als auf das »Volk« achten.
Er erwähnt den Altnationalsozialisten Gottfried Feder, den frühzeitig in die Wüste
geschickten Reichssiedlungskommissar, der aber als Städtebauprofessor an der Berliner
Technischen Hochschule und als Verfasser des Standardwerks Die neue Stadt (1939)
großen Einfluß hatte, ebenso dessen Assistenten Fritz Rechenberg (Das Einmaleins der
Siedlung, 1940) und die Daf, die Deutsche Arbeitsfront.452 Deren Leiter Robert Ley
hatte als Reichskommissar für den sozialen Wohnungsbau sich bis in die Mitte des
Krieges noch für »landschaftsbedingte Grundlagen« und für die Anknüpfung an »die
landschaftlichen Bauformen aus guten Stilepochen« eingesetzt.453
Der Stadt Diedenhofen selbst wollte Schwarz nicht die große Einwohnerzahl zukom¬ 451 ebda. S. 110.
men lassen, an die manche Kommunalpolitiker gedacht hatten. Stattdessen sollte sie, als 452 RS. Stadtlandschaft Diedenhofen. S. 37.
453 Erlaß des Reichskommissars für den sozialen
»Hochstadt«, die vornehmsten Aufgaben eines Landesteils aufnehmen, »ganz strahlen¬
Wohnungsbau vom 10. 9. 1941. Zit. in: Til-
des Haupt. Sie enthüllte, was in der Landschaft lebte. Das Endziel der Arbeit, das sorg¬ mann Harlander. Zwischen Heimstätte und
lose Dasein wurde in ihr gastliche Gestalt, die Führungsstellen der Werke wurden in ihr Wohnmaschine. a.a.O. S. 233.

107
hwarz. Entwicklungsschema von der
Bandstadt zur Stadtlandschaft.
Dr ibänderstadt. Industrie-, Grün- und
Wohnband.
i , ürthiinderstadt. Wohn-, Grün-, Industrie-,
Gi hu- ■ ul Wohnband mit Verdichtungen an
den Querwegen (»Leiterstadt«).
15 i li dustrieband mit angehängten Wohnsied¬
lungen (»Tatzelwurm«).
Ir Ion der Bebauung der Erde. Heidelberg 1949.

152 Rudolf Schwarz. Grundrißschema einer


Kathedrale. In: Von der Bebauung der Erde. Hei¬
delberg 1949.

108
hohe klare Bauwerke und was draußen in dem organischen Planteil über viele Stufen
sich herausstellte, war hier endgültig ins Reine gekommen als Werk der Bildung, der
Hoheit, der Preisung.««-* Für Schwarz banden sich an den Begriff der Hochstadt nicht
quantitative, sondern ausschließlich qualitative Vorstellungen. Hier erstmals formuliert,
begleitete er Schwarz’ weiteres Planungsdenken. Ob allerdings seine lothringische
»Zentralsonne«, das bescheidene Diedenhofen, dem Anspruch genügt hätte, war ein
Zweifel, den Schwarz selbst hegte. Metz als ungleich größere und ruhmreichere Kathe-
dralstadt bot sich als würdigere »Hochstadt« des lothringischen Montanbezirks an.
I m die Innenstadt Diedenhofens, aber auch um Bahnhofsinsel und Zitadelle auf dem
anderen, östlichen Moselufer wollte Schwarz die schon von Joseph Stiibben in seinem
Erweiterungsplan von 1903 eingebrachte Ringstraße weiterfuhren (Abb. 144). Mit zwei
neuen Brücken ließ er sie den Fluß überspringen. Promenaden entlang der Mosel, ein
neuer Bahnhof anstelle des alten, ein Volksgarten an der Zitadelle waren vorgesehen.
»Außen an den Ring fügen sich dann die neuen Vororte, deren jeder eine kleine Welt
für sich bildet.««* Westlich der Innenstadt griff Schwarz den Gedanken einer neuen,
aber frei geführten Umgehungsstraße auf, den bereits Stadtbaurat Otto Oschmann vor¬
geschlagen hatte.
Mit ausgesprochener Nonchalance gegenüber den Forderungen der Nationalsoziali¬
sten kommentierte Schwarz die repräsentative neue Stadtmitte Diedenhofens, für die er
im Westen der Innenstadt allerdings einen Bauplatz von vergleichsweise gewaltigen
Dimensionen vorschlug. Von Parteiforum ist nicht die Rede, sondern von einem
»Volkshaus« neben Kirche, Rathaus, Gerichtsgebäude und Theater. Es war eine Bau¬
aufgabe, die in der deutschen Moderne Tradition besaß und neben vielen anderen
Architekten schon Theodor Fischer und dessen Schüler Bruno Taut gereizt hatte.«6
Das Wort von der Stadtkrone, durch Tauts gleichnamiges Buch von 1919 populär
gemacht, benutzte Schwarz denn auch; es gehörte damals zum allgemeinen Planer-
Vokabular.
Von anderen Inhalten dieser Gemeinschaftsbauten, die in den »Neugestaltungsstädten«
des Reiches die Zentren megalomaner Planungen bildeten und gelegentlich - Mün¬
chen, Nürnberg, Weimar - auch schon aus dem Boden wuchsen, wollte Schwarz nichts
wissen, sie änderten sich zu rasch. »Diese Dinge sind zu sehr im Fluß, als daß wir sie 153 Rudolf Schwarz. Industrieband mit Wohn¬
heute schon endgültig benennen könnten, es wird Sache des Lebens sein, die großen siedlungen, Dörfern, Städten und Hauptstadt
tragenden Inhalte hervorzubringen.««7 Das klang nahezu subversiv, als sei hier bereits (»Milchstraße«). In: Von der Bebauung der Erde.
Heidelberg 1949.
an eine Zeit nach dem Tausendjährigen Reich gedacht. Es mag schon sein, daß
Schwarz’ Chef Clemens Weber Anlaß hatte, sich »klug und geschickt« vor seinen
154 Rudolf Schwarz. Geäder und Blattwerk. In:
eigenwilligen xMitarbeiter zu stellen.«8 Und was mag Schwarz gemeint haben, wenn er Von der Bebauung der Erde. Heidelberg 1949.
»das helle Reich des deutschen Sozialismus« beschwor, als Aufgabe wohlgemerkt, nicht
als bereits vorhandene Realität? Der neue Bauherr sei das »freigewordene Volk««9:
welches? Das in allen Lebensäußerungen reglementierte und überwachte Staatsvolk des
Dritten Reiches? Oder war es das Volk im Gegensatz zum Ns-Staat, und ein befreites
zudem, eine Zukunftsforderung statt einer Zustandsbeschreibung?
Schwarz, der in Lothringen in verantwortliche Aufgaben hineinwuchs, war ebensowe¬
nig NSDAP-Mitglied wie Steffann oder Steinbach. Stellenweise konnten sich allerdings
auch nationalsozialistische Politiker von Schwarz bedient fühlen - so wenn der Autor
von der »Verderbnis des Bluts durch die Fremden« sprach, womit ausländische Zuwan¬
454 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 112.
derer gemeint waren, die das »alte [deutsche] Volkstum« gefährdeten. Um die Vermi¬
455 RS an den zum Militärdienst einberufenen
schung »fremdblütiger Arbeitskräfte« mit »deutschem Blut« zu vermeiden, schlug Stadtbaurat Otto Oschmann, 6. 11. 1942.
Schwarz vor, falls der Bergbau auf ausländische Arbeiter nicht verzichten könnte, sie 456 Vgl. u.a. Romana Schneider. V'olkshausgedanke
»in besonderen Lagern oder Siedlungen, fern ab von den bestehenden Ortschaften« und Volkshausarchitektur. In: Vittorio Mag-
nago-Lampugnani, Romana Schneider (Hg.).
unterzubringen!-*60 Es gibt auch bei Schwarz Wendungen, die man nur mit Beklem¬ Reform und Tradition. a.a.O.. S. 185 ff.
mung liest und die sich nicht von der Volkstumsplanung der Parteiorganisationen 457 RS. Stadtlandschaft Diedenhofen. a.a.O. S. 33.
unterscheiden. Tatsächlich mußten die Planungen des Wiederaufbauamtes und seiner 458 RS. Kirchenbau. S. 82.
459 RS. Stadtlandschaft Diedenhofen. a.a.O. S. 42
Außenabteilungen wie Diedenhofen mit dem ss-Bodenamt abgestimmt werden. Des¬
verso.
sen Politik wiederum stand in Konflikt mit den Interessen der Rüstungsindustrie, die 460 ebda. S. 3, 6 verso. - RS. Zwischenbericht über
auf eine ausreichende Versorgung mit Arbeitskräften gleich welcher Herkunft angewie¬ die Planungsaufgaben im Raum des lothringischen
Kohlenabbuugebietes. Typoskript. 17. 4. 1944.
sen war.-*61
S. 29.
Mit seinem in Diedenhofen gewonnenen oder bestätigten Konzept der Stadtlandschaft 461 Hartmut Frank. Die Stadtlandschaft Dieden¬
ging Schwarz in die Nachkriegszeit. In einem grundsätzlichen Punkt entsprach es dem hofen. a.a.O. S. 286.

109
vieler Kollegen. Schwarz beschrieb die Stadt als großen Leib, die Wasser- und Ver¬
kehrsstraßen als die Arterien, ihre Dominante als das Haupt. Von Feder, Reichow, auch
Ludwig Hilberseimer, Fritz Schumacher, Martin Wagner und wem nicht alles sind ähn¬
liche organische Metaphern überliefert. Demzufolge sah der Planer die Entwicklung
des Patienten mit den Augen des wohlmeinenden Mediziners. »Mit der ganzen Behut¬
samkeit des guten Arztes hatten wir zuerst eine große Diagnose aufzustellen«, wird
Schwarz seinen Bericht vor den Kölner Stadtverordneten über sein Planungskonzept
einleitend62 Der Arzt oder der Gärtner: Das war das Selbstbild aller jener, die sich von
technokratischer Allmacht distanzierten und eine organische Stadtbaukunst vertraten,
gleichwohl aber die Fürsorge des Wissenden auszuüben beanspruchten.
Bei Schwarz deckte sich dieses Rollenverständnis allerdings mehr als bei anderen Pla¬
nern mit Art und Inhalt seiner Äußerungen, den eidetischen Fähigkeiten, der phäno¬
menologischen »Wesensschau«, den Ratschlägen von hoher Warte. Die Arbeit für
Diedenhofen faßte er denn auch nicht als konkrete Handlungsanweisung auf, als Bau¬
leitplanung im verwaltungstechnischen Sinn. Es seien »gleichsam Urbilder und Keime
zukünftiger Planungen«.403 Allerdings hinderte ihn an detaillierterer Arbeit auch die
minimale Personalausstattung seiner Dienststelle. Mit nur zwei Architekten, F. W. Hirz
und Neuner, von denen der eine auch noch bald zum Militär eingezogen wurde, waren
keine Bebauungs- oder Fluchtlinienpläne auszuarbeiten.464 Die Planungsarbeit im Die-
denhofer Raum blieb bei den Führungsspitzen in Gau und Reich nicht unbeachtet. Im
Juli 1942 besuchte Reichsfinanzminister Johann Ludwig Graf Schwerin-Krosigk
zusammen mit dem Gauleiter Diedenhofen und ließ sich von Schwarz informieren.
»Hochinteressante Ausführungen«, befand die Nationalsozialistische ZeitungA6?
Diedenhofen trug ihm weitere Stadt- und landesplanerische Aufgaben ein. »Erst waren
einige Dörfer zu planen, die der Krieg und vorher schon die Armut vieler Geschlechter
verwüstet hatte, dann Landschaften, über die die Technik hereingebrochen war, und sie
wuchsen zu Ländern zusammen, und große Städte kamen hinzu.«466 Als die Planungs¬
stellen Diedenhofen und Metz 1943 zur Planungsstelle Lothringen zusammengelegt
wurden, übernahm Schwarz die Leitung der neuen Organisation, mit Dienstsitz in sei¬
nem »Planungspalast«467 in Metz. Nach eigener Auskunft arbeitete er an einem (nicht
bekannten) Plan für die Stadt Metz und an einem »Ostlothringenplan« für das Revier
um St.Avold.468 Auch aus dieser Zeit existieren Dorfplanungen, die Schwarz’ Lfiiter-
schrift tragen.409 Schließlich erhielt Schwarz einen Planungsauftrag für das lothrin¬
gisch-saarländische Kohlebecken mit der Gauhauptstadt Saarbrücken als Mitte. Daß
die weit in die Zukunft greifenden Planungen angesichts der Kriegslage zunehmend
illusorisch wurden, war den Planern natürlich bewußt. »Ich komme mir selbst ein
wenig komisch dabei vor.«47°
462 Berichte von Prof. Dt: Schwarz und Prof. Dr. Bei der Datenerhebung für die lothringische Regionalplanung - »mühselig und zeitrau¬
Neundörfer über die Kölner Stadtplanung in der bend« - ergaben sich Einschätzungen des wirtschaftlichen Potentials, die auch auf die
nichtöffentlichen Sitzung der Stadtvertretung am
bisherigen Diedenhofer Planungen ein anderes Licht warfen.47' Wenn die Qualität des
24. Juni 1948. Köln 1948. S. 3.
463 RS. Stadtlandschaft Diedenhofen. a.a.O. S. 29. lothringischen Erzes sehr zurückhaltend beurteilt wurde, so schätzten Fachleute die
464 Steffann gehörte dagegen zum Wiederaufbau¬ noch unerschlossenen Kohlevorkommen im lothringischen Steinkohlegebiet auf über 8
amt, nicht zur Planungsstelle Diedenhofen
Milliarden Tonnen in einer Tiefe bis zu 1200 Metern - das Sechsfache der Lager im
und später, am selben Ort, zur Gruppe Alfons
Leitls in der lothringischen Planungsabteilung Saarland. Man rechnete daher damit, daß der Kohlebergbau sich vom Saargebiet nach
Rimpl der Hermann-Göring-Werke. Lothringen verlagern würde. Für einen um Landschaftsgestalt und -gestaltung besorg¬
465 Der Reichsfinanzminister in Diedenhofen. In:
ten Planer wie Schwarz war es eine apokalyptische, gleichwohl nicht abzuweisende Vor¬
Nationalsozialistische Zeitung 25./26. 7. 1942.
466 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 14. stellung, daß ein Land mit großen Wäldern und stillen Seen in eine riesige Kohlen¬
467 RS an Romano Guardini, 27. 1. 1945. abbau-Zone verwandelt würde.
468 RS. Kirchenbau. S. 84h Infolgedessen mußten Möglichkeiten angedacht werden - mehr war angesichts der Ver¬
469 Buchen (Fey), Kleinprunach (Pournoy-la-
hältnisse von 1944 nicht mehr möglich -, wie der mittellothringische Raum um
Chetive), Kubern (Cuvry), Kuberneck (Coin-
les-Cuvry), Pommeringen (Pommerieux), St.Avold sowohl im Endzustand wie in den Zwischenphasen bewohnbar bleiben
Selzeck (Coin-sur-Seille). vgl. Ulrich Hohns. könnte. Das Planungsmodell, das Schwarz avisierte, war eine Region mit zwei neuen
Wiederaufbau in der Westmark. a.a.O. S. 67 h
Mittelstädten, Bischwald südlich und Bolchen nordwestlich von St.Avold. Die drei
470 Der Reichsstatthalter in der Westmark, 28. 7.
1943. - RS an Frankfurter Verlag, 15. 7. 1944. Städte sollten eine Nord-Süd-Achse quer zur Ost-West-Achse Saarbrücken-Metz bil¬
- RS an Alfons Leid, 22. 12. 1943. den. Der Gauhauptstadt Saarbrücken, der Schwarz eine Bedeutung wie Kopenhagen
471 RS. Zwischenbericht über die Planungsaufgaben
für Dänemark oder Preßburg für die Slowakei zuerkennen wollte, verschrieb er eine
im Raum des lothringischen Kohlenabbaugebietes.
17. 4. 1944. Typoskript. S. x. - Die weitere Stadtregion, die sich über die ehemalige Reichsgrenze hinweg bis tief nach Lothringen
Darstellung nach diesem Text. ziehen sollte. Diese Vorstellung war mit deutlicher Kritik am Kleinmut und Traditiona-

110
lismus der Saarbrücker Stadtplanung verknüpft, deren Kopf, Georg Laub, aus der 472 Georg Laub war Beigeordneter und seit 194;
Stuttgarter Schule stammte.-*?2 Die Bedeutung der Gauhauptstadt sei bisher falsch gese¬ Leiter der Planungsstelle Saarbnicken, also
gleichgeordneter Kollege von Schwarz, wah¬
hen und unterschätzt worden. Daß Schwarz nur wenig Zeit für seine Untersuchung zur
rend dessen Tätigkeit als Leiter der Planungs
Verfügung stand, er aber auch mit den pauschalen Durchsetzungsmöglichkeiten eines stelle Diedenhofen. Am 20. Oktober 1943
totalitären Staats rechnen konnte, mag das Summarische seines Vorschlags erklären. fand ein Abstimmungsgespräch zwischen bei¬
den Dienststellenleitern statt, vgl. Ulrich
Schwarz fand in seinem Zwischenbericht auch für Detailfragen überraschende Antwor¬
Hohns. Georg Laub und die Planungen für
ten. Beispielsweise sprach er sich für die unnatürliche Kegelform der Bergehalden aus, Saarbrücken zwischen 1940 und Kriegsende. In:
die durch die mechanische Schüttung des Abraums auf einen einzigen Punkt entsteht. Jean-Louis Cohen, Hartmut Frank (Hg.).
Ihm erschienen diese Pyramiden des Industriezeitalters fremdartig, aber als künftige Deutsch-französisch-luxemburgische Beziehungen
1940-1990. a.a.O. S. 21 ff., vor allem S. 30.
technische Denkmäler bewahrenswert. »Es wäre nicht richtig, ihre vernünftige techni¬ 473 ebda. S. 21. - Haldenschüttung der Zeche
sche Form künstlich zu verändern und aus den Schuttmassen so etwas wie eine Lothrin¬ Hugo als Doppelkegel in der Siedlung Schün-
ger Schweiz aufzubauen.« Zu gleicher Einsicht hat sich der Bergbau unserer eigenen gelberg bei Gelsenkirchen-Buer. Nach einem
Wettbewerbsentwurf von Rolf Keller aus dem
Epoche nur in wenigen Ausnahmen durchgerungen.-*?*
Jahre 1990.
Unterstellt war Schwarz nach wie vor dem Landesplaner Clemens Weber, der in Saar¬ 474 Hartmut Frank. Die Stadtlandschaft Dieden¬
brücken amtierte und dessen Stellvertreter er zum Schluß wurde. Mit vorrückendem hofen. a.a.O. S. 316.
475 Ulrich Hohns. Verzögerte Moderne in einer
Kriegsgeschehen scheint die Behörde ins pfälzische Neustadt ausgewichen zu sein.-*?'*
kleinen Großstadt. Saarbrücken. In: Klaus von
Dem 1943 auf Betreiben Albert Speers eingesetzten Arbeitsstab Wiederaufplanung Beyme u.a. (Hg.). Neue Städte aus Ruinen.
benannte Gauleiter Bürckel seine Fachplaner Weber und Schwarz als Planungsbeauf¬ Deutscher Städtebau der Nachkriegszeit. Mün¬
chen 1992. S. 289, 368. - Arbeitsstab Wie¬
tragte. Die Zuständigkeiten fluktuierten. Laut einer Anordnung Biirckels vom 17. April
deraufbauplanung. Zwischenbericht über den
1944 wurden Weber und Schwarz mit der übergreifenden Planung der Stadträume von Stand der Planung, 6. 11. 1944. In: Werner
Ludwigshafen, Frankenthal, Saarbrücken, Saarlautern (Saarlouis) und Saargemünd Durth, Niels Gutschow. Träume in Trümmern.
beauftragt, für die städtebauliche Planung im engeren Sinne aber andere Kollegen - a.a.O. S. 113 ff.
476 RS an Johannes Krahn, 16. 6. 1944. - Im
Laub zum Beispiel nach wie vor für Saarbrücken. Die Listen des Speerschen Arbeits¬
Aktenbestand der Stadt Ludwigshafen sind
stabs führen Weber und Schwarz erst für das zerstörte Ludwigshafen und das benach¬ keine Belege der planerischen Tätigkeit von
barte Frankenthal auf, danach für Frankenthal allein.-*?* Schwarz aufzufinden. Mitteilung des Stadt¬
archivs Ludwigshafen, 23. 5. 1995.
Für Ludwigshafen hatte Schwarz im Juni 1944 »mit vorläufig befriedigender Mitarbei¬
terschaft« die Arbeit aufgenommen.4?6 In ersten, erhaltenen Skizzen übertrug er das
Prinzip Stadtlandschaft auf den Ludwigshafener Stadtraum (Abb. 155). Ludwigshafen
hatte sich als Bandstadt entwickelt, aber als ungeordnetes, mit emissionsreicher Indu¬
strie durchmischtes Band, das es zu gliedern und zu akzentuieren galt. Für die Steue¬
rung des Individualverkehrs dachte Schwarz an einen eiförmigen Schnellstraßenring,
der - wie in Diedenhofen - mit zwei Flußübergängen den Strom, hier den Rhein, über¬
queren sollte. Mannheim auf dem rechten Rheinufer wäre zugleich vom neuen Ring
umschlossen und dem Mannheimer Schloßgarten seine unsägliche Zerstückelung nach
dem Kriege erspart worden.

155 Rudolf Schwarz. Planungsskizze für den


Stadtraum Ludwigshafen und Mannheim. 15. 7.
1944. Bleistift, Buntstift.

111
»Von der Bebauung der Erde«: Anfänge nach 1945

Als die Planungsarbeit in der Westmark eingestellt wurde, kam Schwarz, 47 Jahre alt,
zu den Pionieren. Der Pionier Schwarz meldete sich aus Germersheim am Rhein,
Brückenbau Ers. u. Ausb. Batl. 4, 2. Ausb.Komp., Zollkaserne, Stube 296. Sein Zug
bestand aus älteren oder kranken Leuten. Der Dienst war zumindest anfangs leicht.
Dann wurde die Truppe in Marsch gesetzt und in einem Güterwagen »im Lande her¬
umgefahren... Ich muß damit rechnen, daß ich nicht mehr auf dieser Erde zu einer
Erfüllung des reich Geplanten und Begonnenen komme.«1*77
Bei Kriegsende geriet Schwarz in Kriegsgefangenschaft, in der er es ein dreiviertel Jahr
aushalten mußte. Die Schilderungen des Gefangenenlagers in Rennes klingen idyllisch:
Er liest Goethe, genießt den herrlichen Wolkenhimmel über der Bretagne, jeden Abend
von der Sonne vergoldet, ohne jeden Mißklang, die Seelen vergessen das Denken und
Wünschen. Das enge Zusammenleben mit den Kameraden half, Menschen kennenzu¬
lernen. Aber ganz so war es wohl nicht, auch wenn Schwarz in einem Sonderlager, »das
aus Künstlern, Intellektuellen, einem Lazarett und achtzig Bäckern bestand«,47® bessere
Bedingungen hatte. Es gab Hunger und Tod. Es überlebte, wer den Willen zum Über¬
leben hatte. »[Ich] habe mir darauf den Vers gedichtet, daß es uns zwar beschieden war,
an dem Verbrechen und Irrsinn dieses Krieges nicht teilhaben zu müssen, nicht aber,
auch [von] dem Leiden unseres Volk[es] ausgenommen zu bleiben.«-*79
Freunde intervenierten. Hans Schwippert, der von 1945 bis November 1946 die Abtei¬
lung Wiederaufbau beim Oberpräsidenten der Nordrheinprovinz zu Düsseldorf leitete,
setzte sich für seine Entlassung ein und verwies auf Schwarz’ Unabkömmlichkeit für
den deutschen Wiederaufbau. Der deutsche Lagerarzt Alois Sass, für den Schwarz spä¬
ter ein Haus entwarf (WV 141), assistierte mit einer hilfreichen Krankendiagnose.
Anfang Februar 1946 kam Schwarz frei und ließ sich nach Lövenich bei Köln entlassen,
in das Doppelhaus, das er 1933/34 für Schwester, Mutter und Bruder gebaut hatte.
»Jetzt bin ich wieder da, man hat mich so laufen lassen durch einen besonders glück¬
lichen Zufall«.4®0
Im Gepäck hatte Schwarz das Konzept seines Buches Von der Bebauung der Erde, das als
Parallelveröffentlichung, ja als zweiter Teil zu seinem Buch Vorn Bau der Kirche gedacht
war. Der ursprünglich geplante Titel Vom Bau der Welt hätte diese Parallele noch deut¬
licher gemacht. Schwarz hatte die viele verfügbare Zeit in der Gefangenschaft genutzt,
um sich mit dem Stoff auseinanderzusetzen. »Die Grundgedanken sind, dank meiner
Internierung, beisammen, aber es fehlt noch die Form (und das Schreibpapier)«,
berichtete er seinem Verleger kurz nach der Heimkehr. Wichtig war ihm, daß das Buch
156 Rudolf Schwarz. Zikkurat von Ur. Unda¬
tiert. Tinte. nicht in einem katholischen Verlag erschien. Es kam schließlich bei Lambert Schneider
in Heidelberg heraus. »Typische Wiederaufbaudinge [gehören] nicht in einen katholi¬
157 Rudolf Schwarz. Schichtung der Erde. schen Verlag..., da sie ja nicht die CDU sondern das deutsche Volk betreffen.«4®1
Skizze für Von der Bebauung der Erde. Heidelberg Schwarz hatte schon vor 1945 mit einem Verlag verhandelt, um seine Planungstätigkeit
1949. Undatiert. Tinte.
in Lothringen zu veröffentlichen. Diese Vorarbeiten gingen in den Text ein, was der
Autor stellenweise auch andeutet. Wendungen der lothringischen Planungsgutachten,
die kompromittierend hätten wirken können, wurden natürlich nicht übernommen,
wohl aber Planmaterial, das, im einzelnen nicht nachgewiesen, zur Illustration des Tex¬
tes diente (Abb. 146, 303). Die konkreten Planfiguren, die Schwarz in Lothringen kon¬
zipiert hatte, kontrastieren merkwürdig mit der Perspektive über Äonen hinweg. Auch
Gedankengänge anderer früherer Aufsätze (wie z. B. über Das Haus der Christen4®2) fin¬
477 RS an [Clemens?] Weber, 23. 10. 1944. - RS den sich hier wieder. Schwarz betrachtete den Text offenbar als eine Enzyklopädie sei¬
an Romano Guardini, 27. 1. 1945. Bayerische
Staatsbibliothek, München. Nachlaß Guar¬
nes bisherigen Denkens.
dini. Von der Bebauung der Erde ist ein wahrhaft erstaunliches Buch, ein sonderbarer und
478 RS an Fritz Wiedemann, 10. 2. 1946. großartiger Text. Es geht darin nicht nur um den bauenden Menschen. Die mensch¬
479 RS. Kirchenbau. S. 85. - RS an den Kölner
lichen Taten sind nur der letzte, wenn auch alles entscheidende Eingriff in der Folge
Oberbürgermeister Robert Görlinger, 22. 6.
1949. - RS an Emil Steffann, 20. 4. 1946. der Zeiten und Schichten. Der Mensch verhilft der Natur gewissermaßen zum Bewußt¬
480 RS an Hans Schwippert, 10. 2. 1946. sein ihrer selbst. In seinem Tun »schlägt die Erde das Auge auf«, erfüllt er die »Werde¬
481 RS an Hans Waltmann, Verleger des Werk¬
wünsche« der Erde.4®* Über Jahrmillionen hinweg aber ist das handelnde Subjekt die
bund-Verlags, 20. 4. 1946.
482 RS. Das Haus der Christen. a.a.O. Natur, die Baukunst der Erde. Der Weltbaumeister hieß ein Spiel der Formen, ein
483 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 11, 70. »Architekturschauspiel«, das Bruno Taut 1920 in einem schmalen Buch mit einigen

112
wenigen Illustrationen publiziert hatte. Vom Weltbaumeister, ohne ihn so zu nennen,
handelt auch Schwarz in seiner Bebauung der Erde. Aber die verbalen Bilder, die er
beschwört, sind von einem unvergleichlichen Reichtum der Vision und erschöpfen sich
nicht in achtundzwanzig Bildvorstellungen, wie sie Taut seinem Bändchen beigegeben
hatte.
Der Bau der Welt wird mit einer Evokationskraft geschildert, die den Text zum Pflicht¬
studium jedes Geologen machen sollte: die Schichtungen der Sedimente, oben alles
hell, licht und jung, unten schwer, tief und alt; durchkreuzt von gewaltigen vulkani¬
schen Verwerfungen, Zerreißungen, Furchungen, Aufwölbungen, Verbiegungen; aus¬
gesetzt den chthonischen Kräften, dem glättenden Wind und der Erosion des Wassers;
an den Oberflächen dem Ausgleich durch Zerbröckelung, Verwitterung und Vegetation
überantwortet; in ständig gefährdetem Gleichgewicht der Kräfte. Der Autor läßt seinen
Leser an einem Welttheater des Werdens und Vergehens teilnehmen. Die großen Figu¬
ren des Bauens, die Elöhlungen und Türmungen, der Tempel und der Dom sind in die¬
sem Urbau der Erde bereits angelegt.
Aber Schwarz war kein Autor, der den Gang der Dinge - wie beispielsweise Oswald
Spengler - in Zyklen gedacht und Geschichte als einen Naturprozeß verstanden hätte.
Geschichte war für ihn ein unumkehrbarer Vorgang, »eine unaufhaltbare Bewegung«.
So war für ihn die Geschichte des Siedeins an jenem Punkt angekommen, zu dem die
große Stadt bereits überholt schien und sich in jenen Zustand verwandelte, in dem
Stadt und Landschaft eins wurden. Die Versöhnung von Land und Stadt war ein Desi¬
derat, das sich bei Karl Marx484 und Friedrich Engels ebenso wie bei den Wohnrefor-
mern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts findet. Aber bei Schwarz geht sie mit konser¬
vativen Positionen eine aufregende Verbindung ein. Er, der hierarchisch und territorial
argumentierte und ein geradezu antikes Gefühl für den genius loci, für das Besondere
eines Ortes entwickelt hatte, faßte zugleich den Gedanken der global über jede gege¬
bene Grenze sich erstreckenden Siedlung, einer »allgemeinen Durchgemeindung«.48*
Weltweiter urban sprawl hat ihn nachträglich bestätigt. Rudolf Schwarz. Von der Bebauung der Erde. Hei¬
Schwarz war sogar bereit, auf seine in Diedenhofen gefaßte Idee einer räumlich kon¬ delberg 1949.
158 Wingerte und Reisfelder als große Treppe.
zentrierten und ausgezeichneten »Hochstadt« zu verzichten, indem er die »Austei¬
»Die Erde erbaut immer wieder von sich aus die
lung« ihrer Funktionen erwog. »Man kann... die Hochstadt, die ja heimlich in der
Treppe und der Mensch gebraucht diese Form,
ganzen Landschaft gegenwärtig ist, über diese austeilen. Sie ist an keinen bestimmten die er nicht erfand. Er ummauert die Hänge der
Ort gebunden, und es kann sein, daß sich eines ihrer Bestandteile weit draußen im Berge und durchschichtet sie dann mit den Stie¬
Lande irgendwo ansiedelt.« Der Humanist Schwarz bindet diese Vorstellung an die gen der Wingerte und der Reisfelder.«

Geschichte zurück, denkt an das antike Griechenland (»jeder edel bemessene Raum 159 Zikkurat. »Der Stufenturm aber ist nichts
mehr als Treppe, nur noch Gestalt eines absolu¬
hatte seinen besonderen Dienst an dem Ganzen«), aber auch an das hauptstaddose Hei¬
ten Gebirges, Stufengang der Erde ins Über¬
lige Römische Reich Deutscher Nation.486
irdische und auch dessen Abstieg über himmli¬
Angesichts der Unendlichkeit der Zeiten, seit denen die Welt besteht, angesichts der sche Leiter.«
Ohnmacht des Einzelnen, aber auch angesichts des gescheiterten Planungsübermuts
des Ns-Regimes ist es nicht verwunderlich, daß den Planer Zweifel und Resignation
überkommen. Seine Allwissenheit wird zurückgenommen. Er weiß, daß sich das meiste
auf dieser Erde seiner Ordnung entzieht, daß es immer Halbheiten, Angefangenes und
Aufgegebenes, Wirrnis und Chaos gibt und geben muß. Das waren Worte, denen man
mehr Verbreitung unter seinen Kollegen gewünscht hätte. Ist es nicht, schließt Schwarz
mit Schopenhauerschem Pessimismus, als sehnten sich diese Welt und ihre Bewohner
im Grunde ihres Herzens nach dem Abend aller Dinge, nach der Heimkehr in Schlaf
und Traum, nach dem endlichen Frieden?
Den Deutschen sind merkwürdige, allerdings zeittypische Passagen gewidmet. Schwarz
hat die apokalyptischen Erlebnisse des Krieges, aber auch die Erfahrung von Bestialität
und Barbarei in sein Bild der Deutschen eingearbeitet. In seiner Geschichtsphilosophie 484 Das Kapital von Karl Marx befand sich in einer
ist dieses »hochbestimmte« Volk an die Kreuzung großer Wanderungen gestellt, von Ausgabe von 1929 in Schwarz’ Bibliothek.
Fern- und Heimweh erfaßt, Wächter »vor dem offenen Tor der asiatischen Ungestalt«. 485 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 207.
486 Zitate ebda. S. 211 f. - Einen Vergleich mit an¬
Die Adenauerzeit mit ihrer Furcht vor dem gefährlichen Osten kündigt sich an. Einfa¬
deren Theorien der Dispersion (Desurbani-
ches Dasein ist den Deutschen nicht vergönnt. Entweder gelingt es ihnen als Geschenk, sten in den UdSSR, Frank Lloyd Wright)
oder es verkommt ihnen zum Primitiven, zu Untaten, die sie nicht aus Leidenschaft, zieht Panos Mantziaras in seiner Diplom¬
arbeit Les Theories de la ville disperse'e au XXe
sondern in kalter Berechnung begehen. Dennoch und gerade wegen ihrer Verstrickung
siecle (Ecoles d’architecture Paris, 1994. Typo¬
in Schuld und Leid haben sie einen »unendlichen Auftrag«.487 Wer am tiefsten gesün¬ skript).
digt hat, ist bereit für die höchste Gnade. Im Erscheinungsjahr des Schwarz-Buches, 487 ebda. S. 17,16, 17.

113
i !■' Krt Görlinger, 22. 6. 1949. - RS. 1947, kam Thomas Manns Roman Doktor Faustus heraus, in dem die Lebensgeschichte
v'[7if Köln. S. 3. - RS an Romano Guar- des Tonsetzers Adrian Leverkühn mit dem Schicksal der Deutschen im nationalsoziali¬
dini, 17. 1. 1947.
stischen Regime gleichgesetzt wurde: Auch dort Verstrickung im Teufelspakt und Be¬
• u I • Mies van der Rohe, 21. 5.1947.
i.n S< i mitt. Der Neuaufbau der Stadt Köln. gnadung in einem. Offenbar war es schwer, sich von dem Gedanken zu trennen, die
Köln 1946. S. 69. Deutschen seien vor allen anderen ausgezeichnet - und sei es durch das Kainsmal.
..iy 1 \lii : Schulze Vellinghausen. Indirekte Fest-
i r:“ für Gropius. Frankfurter Allgemeine Zei¬
tung, 22. 5. 1953.
:<)i el)da. - Gottfried Benn. In: Egon Holthusen,
1 riedhelm Kemp (Hg.). Ergriffenes Dasein.
Ebenhausen bei München 1953. S. 196.
493 RS an Robert Görlinger, 22.6. 1949. »Lebendig durchbaute Landschaft«: Generalplaner in Köln
494 ebda.

Als Heimat der Eltern, Wohnort der Verwandten und mehrjähriger eigener Wohnsitz
hat Köln Schwarz immer beschäftigt. Es war die Stadt, in der er sich besser auskannte
als in jeder anderen, auf deren Herz und Witz er sich verstand. Für ihn war es eine
»heilige Stadt, brennend in dem Flammenmeer [ihrer] Türme«, eine »abendländische
Metropole« - und nun »der größte Trümmerhaufen der Welt«.488 Schwarz hat sich als
Abendländer empfunden. Unter Abendland verstand er die geistige Landschaft West¬
europas, die historisch durch das Reich Karls des Großen geprägt war. »Ich fühle meine
Existenz mit der des Abendlandes identisch.« Unter den politischen Bedingungen der
Nachkriegszeit, bei sich verschärfendem Ost-West-Konflikt, bedeutete der Rhein für
ihn die »letzte Rückzugslinie des Abendlandes, dahinter gibt es keine mehr, und das
Abendland hört hundert Kilometer von uns entfernt auf. Man fühlt sich wie ein Soldat,
der auf dem letzten Posten eingesetzt ist, der noch verteidigt werden kann.«48?
Das hat Konrad Adenauer, von der amerikanischen Besatzungsmacht 1945 eingesetzter,
von den Briten wenige Monate später abgesetzter Oberbürgermeister, Vorsitzender der
Cdu seit 1946 und erster Bundeskanzler seit 1949, ähnlich gesagt oder gedacht. Viel¬
leicht ist es eine spezifisch Kölner Perspektive, in der sich noch immer das rechtsseitige
Köln-Deutz als tapferer Brückenkopf auf der falschen Rheinseite darstellt, ein Hort
römisch-westlicher Zivilisation im Gebiet feindlicher Stämme - Limes-Gebiet. »Jen¬
seits der Brücken liegt ein fremdes Land«, resümierte Hans Schmitt-Rost, der sich auf
die Befindlichkeit seiner Kölner Mitbürger verstand.490 Daß dieses Verständnis von
Abendland ein wenig knapp gefaßt war, fiel auch damals auf. »Man sagt Europa. Und
meint Euskirchen«, merkte der Kritiker Albert Schulze Vellinghausen bissig an.4?1
In den Jahren der apokalyptischen Zerstörung war Schwarz’ Abendland-Begriff von
160 Brückenschlag der Deutzer Brücke in Köln. Spenglerschem Pessimismus eingefärbt. Daß die Idee der Alten Welt, wenn sie sich
20. 8. 1948. denn noch einmal realisieren ließe, nur auf Widerruf Zustandekommen, daß sie ihren
Zauber nur auf Augenblicke entfalten würde, diese Skepsis hatte der Katholik Rudolf
Schwarz mit dem Atheisten Gottfried Benn gemeinsam. »Wir müssen in kurzer Zeit
aufbieten, was noch zusammenzuraffen ist, noch einmal einen letzten Schimmer des
i alten untergehenden Lichtes über die Welt (unsere Welt, die so klein wurde) leuchten
lassen«, schrieb Schwarz an Mies van der Rohe. »Noch einmal ein Vermuten/ wo längst
Gewißheit wacht:/ die Schwalben streifen die Fluten/ und trinken Fahrt und Nacht«,
hieß es bei Benn, zitiert in der berühmtesten Gedichtanthologie der Nachkriegsjahre.4?2
Am liebsten, meinte Schwarz im Rückblick, wäre er bei seiner Heimkehr nach Deutsch¬
land seinen Liebhabereien nachgegangen: auf Berge zu steigen, in klarem Wasser zu
schwimmen, sein Buch zu schreiben und »einige schöne Bauten zu bauen«.4?3 Nun, das
Buch hat er geschrieben, und aus »einigen schönen Bauten« wurden viele. Bereits im
Sommer des Jahres 1946 hatte er nach eigener Angabe 28 Kirchen in Auftrag. Auch
seine stadt- und landesplanerische Arbeit während des Krieges war nicht unbemerkt
geblieben. »[Ich lebte] bei meiner Rückkehr in der Vorstellung, ein unbekannter Mann
zu sein. Aber diese Vorstellung erwies sich bald als ein Irrtum. Ich merkte mit einiger
Betroffenheit, daß man auf mich gewartet hatte.«4?4
Zu seiner fachlichen Kompetenz kam, daß Schwarz als einer der wenigen, vom Ns-
Regime nicht korrumpierten Planer galt. Der greise Fritz Schumacher legte ihm bei
einem Besuch das Schicksal seiner Wahlheimat Hamburg ans Herz. In Frankfurt am
Main hätte er Baudezernent werden können. Aus Schleswig-Holstein kam das Angebot,
in der Landesplanung zu arbeiten. Es gab die Aufforderung durch Otto Ernst Schwei-

114
i6i Plan und Karte GmbH Münster. Luftbild¬
aufnahme der Kölner Innenstadt, aufgenommen
am 24. oder 31. 5. 1951. Ifistorisches Archiv der
Stadt Köln.

zer, »den ich als besten deutschen Architekten und Städtebauer verehre« (Schwarz), in
Karlsruhe eine Professur zu übernehmen. Kontakte und Empfehlungen mit dem Blick
auf führende Positionen in der Stadtplanung gingen nach Lübeck und München. »Es
gibt beinahe keine Stadt mehr, die mich nicht zu entdecken willens wäre«, schrieb
Schwarz nicht ohne Stolz.495 Mies van der Rohe gegenüber gebrauchte Schwarz das
hübsche Bild von den vielen kleinen Töpfchen, die er auf seinem Ofen angesetzt habe.
In jedem war »was drin..., das eine gute Suppe geben sollte.« Sie hätten aber alle auf
einmal angefangen zu kochen, so daß er nicht mit Rühren beigehalten habe. Einige
seien ihm auch angebrannt.496
Von den dauerhaften Verpflichtungen, die an Schwarz herangetragen wurden, akzep¬
tierte er den Auftrag, der ihn an die viertgrößte deutsche Stadt, an seine Heimatstadt
Köln band. Vor der Berufung von Schwarz hatte die Stadtplanung Kölns einen umstrit¬
tenen Verlauf genommen, der typisch für die personelle Kontinuität über die vermeint¬
liche Stunde Null hinweg war.497 Man glaubte, auf das Fachwissen auch kompromittier¬
495 ebda. - RS. Kirchenbau. S. 89. - Theodor
ter Planer nicht verzichten zu können. Der Korpsgeist der Kollegenschaft tat das seine Steltzer [Oberpräsident des Provinzialverban¬
dazu. Auch in den Planerstuben von Düsseldorf, Hamburg, Kassel, Lübeck oder Mün¬ des Schleswig-Holstein] an RS, 17. 5. 1946. -
ster wirkten ununterbrochen oder nach kurzer Pause dieselben Planer weiter, die in den Otto Ernst Schweizer an RS, 11. 5. 1946. -
Emil Steffann an RS, 1. 4. 1946. - Fritz Wie¬
Gauhauptstädten die Monumentalplanungen der Nationalsozialisten verantwortet und
demann an RS, 22. 2. 1946. - RS an Fritz
dem Speerschen Arbeitsstab für den Wiederaufbau bombenzerstörter Städte angehört Wiedemann, 2. 6. 1946.
hatten. 496 RS an Ludwig Mies van der Rohe, 21.5. 1947.
497 Vgl. u.a. Werner Durth. Deutsche Architekten.
In Köln war nicht nur personelle, sondern auch institutionelle Kontinuität am Werke.
a.a.O. - Marina Hemmersbach. Die Wieder¬
Während des Dritten Reiches war im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Neugestaltung aufhauplanung der Stadt Köln 1945-4.6. Magi¬
der Städte von 1937 nach dem Vorbild Berlins und anderer Städte dem Stadtbauamt die sterarbeit Universität Köln 1989. Typoskript.
- Werner Keinen. Stadtplanung und Architek¬
zentrale Planungskompetenz entzogen und einer neu eingerichteten »Planungsstelle«
tur in 7944 bis 1945. In: Architekten- und In¬
übertragen worden. Diese Dienststelle wurde von dem Bonatz-Schüler Michael Flei¬ genieurverein Köln (Hg.). Köln - seine Bauten
scher zunächst bis 1939 geleitet. Fleischer erhielt die Leitung auch wieder, als die Pla- 1928-1988. Köln 1991. S. 77ff.

115
: «r-K*. nungsstelle am 13. Februar 1941 in eine Planungs GmbH aufgewertet und dem Gaulei¬
f'Z, \/*.VWA-l\\fl a S u*. Cj
; . .. b~ terjosef Grohe als dem »Beauftragten des Führers für die Neugestaltung der Hanse¬
1*»«^ if()eKdCj£ <Se.%*-W-f. stadt Köln« direkt unterstellt wurde.498
Of/pi- '■ iN v rcLj- Auf diese Konstruktion und nicht nur auf sie, sondern auch auf den derzeitigen Leiter
Ä<i »’V.K.Ä
i VAf* •* Afc. t)u 3 c*{ «tl/l/H 5 Fleischer besann sich die Stadt nach Kriegsende. Die Planungs GmbH wurde am 1.
kr^vy***
ikttf/u/fC$ , ixe&Yw Dezember 1945 in Wiederaufbau GmbH umbenannt, und Fleischer, ein ehemaliger
\J»k.<eO\/td Parteianwärter der NSDAP, wurde wohl auf Anregung des Dezernenten für Bau- und
ivln
P)a>w/*5S«i'*^'-/’s^ jy<>LtJ4ve.v'«'^J*se/c usu- Wohnungswesen Carl Schweyer abermals zum Leiter der Planungsabteilung bestellt.
Die offizielle Begründung für die Beauftragung einer privatrechtlichen Organisation
A t/c)
war die unbürokratische Flexibilität, die man sich von ihr erwartete. Aber im Schutze
der privaten Gesellschaft war es auch möglich, politisch kompromittierte Planer gegen
Honorar zu beschäftigen.
Die Tätigkeit des Mannes, der für die gigantomanen Umgestaltungspläne Kölns im
A AJ 5*-l'* Dritten Reich mitverantwortlich gewesen war, rief unter der Architektenschaft Proteste
WUc-VsyKII-c^
fAc5twvt-t4t, l-ett^^Csey TV/?pi(T hervor. Der GmbH wurde ein Planungsbeirat beigegeben, der im Juni 1946 zu einer
Uc(».yK»-Cty+c 1-wnjvA. yJ-o.^4
Planungskommission aufgewertet wurde. Eugen Blanck, ein ehemaliger Mitarbeiter
o _ o
. °^o]e>c*e - von Martin Elsaesser und von Ernst May in Frankfurt, gehörte ihr an, ebenso die Archi¬
tekten Karl Band und Wilhelm Riphahn, die sich bereits sofort nach Kriegsende mit
/Vd4<^p.ä.</,4
^ G(W UcAtr' städtebaulichen Stellungnahmen zu Wort gemeldet hatten. Fleischer trat zurück,
unmittelbar vor der bevorstehenden Kündigung durch die Besatzungsmacht.499 Es war
162 Rudolf Schwarz. Notizen für einen Vortrag eine der wenigen Interventionen engagierter Bürger gegen die Weiterbeschäftigung
über Kölner Stadtplanung. Um 1948.
exponierter Planer der Ns-Epoche. In anderen Städten verhielt man sich weniger sensi¬
a
bel. Eugen Blanck, der als Vorsitzender der Planungskommission Chancen für die
Architekten
Zufall, Schönheit, Verwahrlosung Berufung als Generalplaner gehabt hätte, entschied sich für das Stadtbauamt in Frank¬
Leben bedrängt. furt am Main. Robert Görlinger, bis zu seinem Tode 1954 der erste Mann der Kölner
Innere, lebendige Gestalt. Sozialdemokratie, äußerte noch 1948 sein Bedauern, daß es nicht gelungen sei, diesen
Doppelte Ehrfurcht »frischen, lebendig zupackenden Menschen« in Köln zu halten.500
Abstand
Als Stadt der britischen Besatzungszone verfügte Köln über eine doppelte Verwaltungs¬
Langsame Durchschauung
spitze. Von November 1945 bis März 1948 war Hermann Pünder (CDU) Oberbürger¬
Körper
Diagnosis, Prognosis meister, der auf die Berufung von Schwarz drängte. Oberstadtdirektor Wilhelm Suth
Ungeduld als gebürtiger Aachener schätzte Schwarz’ Aachener Fronleichnamskirche nicht und
iVJ war deren Baumeister anfangs nicht gewogen.501 Zugunsten von Schwarz sprach neben
Planungsausschuß, Stadtverordnete usw.
seiner Qualifikation seine Verbundenheit mit Köln. Denn da selbst künstlerisch ausge¬
Görlinger [Robert Görlinger, SPD, 1946-54
wiesene Städtebauer wie Fritz Schumacher oder Paul Bonatz in ihren früheren Planun¬
Kölner Bürgermeister, 1948-49, 1950-51 Ober¬
bürgermeister]
gen den Geist der Stadt nicht erfaßt hätten, dürfe die Wahl »nicht auf einen Fremdbür-
Die Bilder tigen fallen«.502 Für Schwarz kam es seinerseits darauf an, eine Rechtsform zu finden,
imperium hl. Stadt Stübben [Hermann Josef die nicht zu einem Beamtenstatus führte und ihm seine Arbeit als freier Architekt weiter
Stübben (1845-1936), ab 1881 Ingenieur der ermöglichte. Die bereits bestehende Wiederaufbau GmbH mußte ihm daher als geeig¬
Kölner Stadterweiterung] Adenauer
netes Instrument erscheinen. Ein entsprechendes Vertragsmodell fand er in Stuttgart,
4 Aufgaben.
wo Richard Docker als Leiter der »Zentralstelle für den Aufbau Stuttgarts« mit dem
Wuchswillen
Fadennetz, lebendiger Teppich
Titel Generalbaudirektor Privatarchitekt bleiben durfte und doch alle Bau- und Pla¬
Komplizierte Innenstadt nungsvorhaben der Stadt kontrollierte. Docker hatte wie Schwarz einen Fünfjahresver-
Kolonien trag, übte sein Amt aber nur ein paar Monate aus.505
Nebenstädte Am 27. Januar 1947 wurde der Vertrag zwischen Schwarz und der Stadt Köln unter¬
heimlicher Städtebund
zeichnet. Da Schwarz schon zwei Monate zuvor mit der Arbeit begonnen hatte, trat der
Vertrag rückwirkend zum 1. November 1946 in Kraft. Er enthielt tatsächlich eine Klau¬
sel, die dem Planer private Tätigkeit »in beschränktem Umfang« erlaubte, sofern sie
mit seinen stadtplanerischen Aufgaben zu vereinbaren sei. Es war eine Formulierung,
die in der Folge zu Auslegungsproblemen und entsprechendem Arger mit Architekten
und Verwaltung führte.504 Kölner Architektenkollegen fanden in den sechs Jahren der
Ägide Schwarz, der Generalplaner der Stadt baue entschieden zuviel selbst.
Der Vertrag übertrug Schwarz »die Aufbauplanung der zerstörten Stadt Köln«. Als
Generalplaner leitete er die Wiederaufbaugesellschaft mit ihren drei Abteilungen, der
wissenschaftlichen, Planungs- und technischen Abteilung, wobei der Vertrag die Pla¬
nungsabteilung besonders hervorhob. Zeitweise gehörten insgesamt 28 Mitarbeiter der
Wiederaufbau GmbH an, darunter acht Architekten.505 Zudem sollte der Generalplaner
auf den Wiederaufbau und die Neugestaltung wichtiger öffentlicher Gebäude wie Rat¬
haus und Gürzenich Einfluß nehmen. Die Laufzeit des Vertrages, der als Honorar-

116
oder Werkvertrag galt, konnte um ein Jahr verlängert werden. Davon wurde auch
Gebrauch gemacht.
Das Projekt des Kölner Aufbaus war ein gigantisches - Schwarz sagte: »faustisches« -
Unternehmen. Ungeheuer waren die Verwüstungen, die während der 262 auf Köln 498 Teilhaber der Wiederaufbau GmbH waren
geflogenen Luftangriffe des Zweiten Weltkrieges entstanden waren. »Köln, zumindest und blieben auch nach 1945 die Ernst-Cassel-
der Kern, die Altstadt mit ihren gerühmten Gotteshäusern und anderen wertvollen Stiftung und die Wohnungsbaugesellschaft
Grund und Boden, zwei Töchter der städti¬
alten Bauwerken, können wir nicht wiederaufbauen, so wir darunter die Schaffung des
schen gemeinnützigen Aktiengesellschaft für
alten Zustandes verstehen wollen«, hatte Paul Schmitthenner schon im Sommer 194} Wohnungsbau GAG. Im Verwaltungsrat der
geschrieben.'06 90%, nach anderen Darstellungen 95% der Altstadt lagen nach dem Wiederaufbau Gmbl I saßen Stadtkämmerer,
Oberbürgermeister und Oberstadtdirektor.
Ende des Zweiten Weltkriegs in Trümmern. 32 Millionen cbm Schuttmasse mußten
499 Protokoll der Gesellschaftsversammlung der
beseitigt werden. Die Infrastruktur war zusannnengebrochen.5°7 Die Brücken, von Wiederaufbau GmbH vom 18. 11. 1946.
denen die Lebensfähigkeit des Kölner Raumes abhing, waren sämtlich zerstört oder HAStK 953/17. - vgl. Marina I lemmersbach.
Die Wiederaufbauplanung der Stadt Köln. a.a.O.
gesprengt worden. Wohnungsnot und Versorgung mit Lebensmitteln stellten kaum lös¬
500 Verhandlungen der Stadtvertretung zu Köln
bare Probleme und spitzten sich im Winter 1946/47 noch weiter zu. Es ging um das 1948. 6. (nichtöffentliche) Sitzung vom 24. Juni
nackte Leben. Der hohe Zerstörungsgrad, aber auch die Randlage im Süden der briti¬ 1948. S. 226.
Blanck. Band und Riphahn agierten bis zur
schen Besatzungszone benachteiligten die Stadt auch in den kommenden Jahren. Erst
Berufung von Schwarz offensichtlich als
1958 erreichte die Bevölkerungszahl wieder den Vorkriegsstand. Köln war, so Schwarz planungsverantwortliches Triumvirat, worauf
an Guardini, der »größte Trümmerhaufen der Welt, was keine reine Freude ist.«5°8 auch ihr Honorar schließen läßt. Jeder erhielt
Auf seine 1 ätigkeit in Köln am Rhein hatte sich Schwarz in Diedenhofen an der Mosel monatlich 1500 Mark, Schwarz später als Ge¬
neralplaner 1800 Mark. Vgl. Carl Schweyer.
vorbereitet (vgl. S. iooff.). Die durchgliederte und aufgelockerte Stadtlandschaft, die
Die Wiederaufhau GmbH [1946]. Typoskript.
eine Hierarchie der Siedlungsgruppierungen herstellt; die Stadt als höchstes Sinnnbild HAStK 2/1321.
einer Landschaft; ihre Kulmination, die Hochstadt, in der sich die kostbarsten Inhalte 501 Helene E. Schmittmann an RS, 17. 10. 1946.
502 Karl Band. Gedanken zum Wiederaufbau unse¬
bündeln: solche Vorstellungen nahm Schwarz von der Planungsstelle Diedenhofen an
rer Stadt. 29. 6. 1945. Typoskript. HAStK
den Arbeitsplatz des Kölner Generalplaners mit. Im Schriftsatz über Diedenhofen-
2/1313-
Thionville hatte er den Vergleich beider Städte, des 13000-Einwohner-Städtchens mit 503 RS an Carl Schweyer, 22. 11. 1946. - Friede¬
rike Mehlau-Wiebking. Richard Docker. a.a.O.
der Beinahe-Millionen-Stadt Köln, auch ausdrücklich gezogen - als hätte er selbst die
S. 13.
Amtszeit von 1942 bereits als Vorspiel seiner Kölner Tätigkeit empfunden. Der Stadt¬ 504 Robert Görlinger an RS, 9. 6. 1949. - Auszug
plan, der bei der Entfestung Diedenhofens entstanden war, habe große Ähnlichkeit mit aus der Niederschrift über die Sitzung des Verwal¬
dem Kölner Grundriß: drei konzentrische Ringstraßen, die dort an der Mosel, hier am tungsrats der Wiederaufbaugesellschaf GmbH
am 25. 7. 1949. Typoskript. HAStK 953/22.
Rhein unvermutet endeten. Lind wie Diedenhofen sei auch Köln in eine lineare Dyna¬
505 Wirtschaftsprüfer Heinrich Kaus. Bericht über
mik gerissen worden, eine »Abdrift« entlang des Stromes, der Fritz Schumacher, ein im das Ergebnis der Abschlußprüfung zum 41. März
Grunde romantischer Planer, während seines Kölner Gastspiels nichts entgegengesetzt 1940 der Wiederaufbau-Gesellschaf. 17. 9. 1951.
Manuskript. HAStK 953/32.
habe.509 Daß sich der Ring der Stadt, beide Ufer vereinigend, über den Fluß legen
Mitarbeiter der Wiederaufbau GmbH waren
müsse, war ein Gedanke, der ihn so sehr beschäftigte, daß er ihm auch an unvermuteter u.a. die Architekten Josef Bernard, Gottfried
Stelle - in einer Buchrezension - nachhing.510 Während der Kölner Amtszeit lernte er Böhm, Kurtjatho, Wilhelm Kleinertz, Maria
Lang, Herman Peifer, Renard, Fritz Schaller,
allerdings, sich der Verführungskraft des radialsymmetrischen Schemas, von Rad und
Rudolf Schubert. Andere Mitarbeiter im
Speiche, zu widersetzen. Arbeitsstab von Schwarz - wie Ernst (?) Gon-
Als Planer, der sich dem organischen Bauen zurechnete, suchte Schwarz die Gestalt, der drom, Hans Herfurth, Harald Ludmann oder
Stadt und Umland quasi von sich aus zustrebten. Daß der Städtebau die vorhandenen Walter Boese - treten nicht in den Unterlagen
der Wiederaufbau auf, weil sie ohne Planstel¬
Wachstumskräfte und -richtungen aufspüren und ihnen zur Darstellung verhelfen len beschäftigt oder nach 1949 bei der Stadt
müsse, gehörte zu den Prämissen Schwarzschen Denkens. Entsprechend dem schon angestellt waren.
früher gefundenen Leitbild des Sternenhaufens formulierte Schwarz den Gedanken 506 Paul Schmitthenner. 27. 7. 1943. Typoskript.
Zit. in: Werner Durth, Niels Gutschow.
eines Städtebundes, dessen verschiedene Orte durch Garten- und Bauernland, Wälder
Träume in Trümmern. a.a.O. S. 254.
und Seen getrennt werden sollten. Dazu boten die Kölner Vororte mit ihrer Ausstat¬ 507 Die Zahlen nach: Peter Fuchs. Wiederaufbau
tung an öffentlichen und Handels-Einrichtungen bereits Ansätze. Ein konsequentes der Stadt Köln 1944 ■ 1970. Köln o.J. [1971]. -
Gerhard Brunn. Köln in den Jahren 1944 und
Konzept aber war durch die Verwaltungsgrenzen der Stadt verhindert worden. »Die
1946. In: Otto Dann (Hg.). Köln nach dem Na¬
neue Großstadt ist lebendig durchbaute Landschaft«, hatte es schon im Planungsgut¬ tionalsozialismus. Wuppertal 1981. S. 35!?.
achten für den Diedenhofener Raum geheißen.5“ Auch die Idee der Hochstadt, in der 508 Werner Schäfke (Hg.). Das neue Köln
1944-1994. Kat. Kölnisches Stadtmuseum.
sich die vornehmsten Inhalte des Landes vereinigten, hatte Schwarz dort bereits formu¬
Köln 1995. S. 119. - RS an Romano Guardini,
liert. Nun war das Alte Köln die Hochstadt, eine sehr viel angemessenere Besetzung für 17. 1. 1947.
diese Rolle, als sie das kleine lothringische Festungsstädtchen bieten konnte. 509 RS. Stadtlandschafi Diedenhofen. Typoskript.
Der Generalplaner trug seine Planung am 24. Juni 1948 - vier Tage nach der Wäh¬ 1943. Blatt 32, 24 verso.
510 RS. Landesbeschreibung durch Lichtbilder. In: Die
rungsreform - dem Stadtparlament in einer ganztägigen Sitzung vor, unter »lebhaftem,
Schildgenossen 20 (1941) 3, S. 127.
anhaltendem Beifall«.5'2 Vier Monate später wurde für die Allgemeinheit eine Kundge¬ 511 RS. Stadtlandschafi Diedenhofen. a.a.O. S. 39.
bung in der Messe veranstaltet. Im März 1950 wurde die Planung im Dischhaus vorge¬ 512 Verhandlungen der Stadtvertretung 1948. a.a.O.
- Auch als: Berichte von Prof. Dr. Schwarz und
stellt und einen Monat danach in einer schriftlichen Dokumentation Das neue Köln. Ein
Prof. Dr. Neundörfer über die Kölner Stadtpla¬
Vorentwurf publiziert. Sie visierte »eine ganze Stadtlandschaft« an, »die, einheitlich nung in der nichtöffentlichen Sitzung der Stadt¬
geplant, Grünräume, Siedlungen und Stadtmitten zu einer schönen und menschlichen vertretung am 24. Juni 1948. Köln o.J. (1948).

117
Ordnung vereinigt.«5” Mit diesem Ideal befand sich Schwarz in Übereinstimmung mit
den meisten Nachkriegsplanern, für die Hans Bernhard Reichows Organische Stadthau¬
kunst - im Untertitel Von der Großstadt zur Stadtlandschaft - das repräsentative Lehrbuch
war. Es stand auch in Schwarz’ Bibliothek. Mit diesem Konzept, das aus den zwanziger
Jahren überkommen und in den dreißiger Jahren weiterentwickelt worden war (vgl. S.
i04ff.), ließen sich die fließenden, rhythmischen Stadträume denken, die für die neuen
Zeiten stehen sollten.
Die Erfahrung der Bombenkriege, die in den dicht bewohnten Innenstädten besonders
verheerend gewütet hatten, war ein weiteres verbreitetes, wenn auch öffentlich nicht
diskutiertes Argument zugunsten der Stadtlandschaft. In einer Stadt, in der während
der Bombardements 20000 Menschen ihr Leben verloren hatten, war es immer gegen¬
wärtig. »Daß die Grünflächen wachsen«, schrieb Roland Rainer damals, »und Besitz
ergreifen werden von vielem, was bisher Stein war, gehört entscheidend zu unserer
Hoffnung, das Leben in den Städten menschlicher zu gestalten.«5”
Verkehr bedeutete für Schwarz wie für viele Nachkriegsplaner ein konstitutives Ele¬
ment. Der Optimismus - wenn es welcher war mit dem sie auf die Zunahme des
Pkw-Verkehrs setzten, ist angesichts der Verhältnisse in den ersten Nachkriegsjahren
erstaunlich. In Köln waren 1949 nicht mehr als 3300 Pkws registriert! Auch von einer
gewissen Mythologisierung des Verkehrs war Schwarz nicht frei, wenn er in der Pla¬
nungstradition der »autogerechten Stadt« über »jenen geheimnisvollen Strom« medi¬
tierte und »ihn im Stadtkörper hervorzuheben« suchte. »Die neue Stadt [ist] ein
Ding..., das in großer Bewegung da ist und in dieser Bewegung zu sich selbst
kommt.«515
Den Verkehrsfluß als ein quasi naturgegebenes Phänomen kontrapostierte Schwarz
dem naturgegebenen Strom. Der Hauptdurchgangsverkehr sollte gebündelt werden
und die Mäander des Rheins mit einem Gegenzug beantworten. Schwarz wollte ihn im
Halbkreis westlich der Innenstadt im Zuge der Kanalstraße zusammenfassen, über den
Rhein führen und in der Gegenbewegung Mülheim umkreisen lassen (Abb. 174). Diese
große, umgekehrte S-Bewegung sei ein neuer »Rheinstrom«, der den alten in weiter
Ausladung umkreise. Vorgeprägt war die Schwarzsche Doppelkurve durch die Trassie¬
rung der Eisenbahn, die allerdings innerhalb der Innenstadt nach der Meinung von
Schwarz und allen Fachgenossen das Stadtgebiet viel zu weit südlich, d.h. in unmittel¬
barer Nachbarschaft des Doms zerschnitt.
Schwarz sprach von einer Doppelnatur des modernen Menschen und knüpfte damit an
seine frühe Schrift Wegweisung der Technik an. Der technisierte Neue Mensch bewältige
mit seinen Werkzeugen, darunter das Auto, ungeheure Distanzen. Aber zugleich sei er
der Alte Mensch, der Zeit und Muße habe, die gemächlichen Wege liebe und sich von
Le Corbusier nicht die gewundenen »Eselspfade« seiner Vorfahren schlecht machen
lasse. Entsprechend müsse auch die zeitgenössische Stadt eine Doppelnatur aufweisen.
Der Mensch brauche eine großräumige Struktur für die technischen Fortbewegungsap¬
parate. Aber als »metatechnisches« Wesen benötige er auch die stillen Viertel und die
»altgeheiligten Bereiche«, die der Verkehr scheu zu umgehen habe.5'6 Neue Straßen
sollten auf den alten Grenzen der »Kirchspiele« angelegt werden und die Quartiere
selbst - jeweils ein oder zwei Kirchspiele - mit ihren Pfarr- und Stiftskirchen, Plätzen
und Einkaufsstraßen unberührt lassen.
Auch in der Idee der Doppelstadt (Abb. 175), um die sich die kleineren Gemeinwesen
des »Sternhaufens« scharen, steckt eine solche Antinomie von technischem und meta¬
technischem Menschen. Der Innenstadt Köln, der Alt- und umgebenden Neustadt, dem
großen Pol im Süden des Stadtbereichs also, bleibt der Rang der Kultur- und Handels¬
Illustrationen in: Rudolf Schwarz u.a. Das neue
stadt Vorbehalten. Sie birgt die »alten, ehrwürdigen Werke« und die neuen Stätten der
Köln. Ein Vorentwurf. Köln 1950.
163 »Das römische Köln. Die Welt einteilen Bildung und Gemeinschaft - eine mütterliche Stadt, Colonia. Den anderen Pol sollte im
und im Rechteckigen besitzen, war der Gedanke Norden die Stadt der schweren Arbeit bilden. Wie so vieles andere hatte Fritz Schuma¬
des römischen Städtebaus«. cher bei seinem Kölner Gastspiel 1920-23 auch diese Figur bereits vorgedacht (Abb.
164 »Gestaltwandel der Stadt. Das Zellenge¬ 173). Man spürt dem Text an, wie sehr Schwarz sich diesem Kapitel mit einem resignier¬
webe der Altstadt, umzogen von dem fließenden
ten Seufzer nähert. Freundlich ist der Süden und Westen Kölns, ein letzter Gruß des
Band der Ringstraßen« [Stadterweiterung nach
»sonnigen Mittelrheins«, grau dagegen die nördliche Landschaft der Arbeit.5'7
der Planung von Hermann-Josef Stübben].
165 »Das ungeplante Köln um 1900. Wild Um eine Mitte, »leer wie ein Binnensee«, würde sich ein Ring von Arbeitsstätten zie¬
wuchs die Stadt in ungeplante Räume«. hen - keine »wirkliche« Stadt, aber in kleine, überschaubare Einheiten gegliedert (Abb.

118
172). »Die entstehende Nordstadt hat im Gegensatz zur Südstadt kein Herz, denn da, 513 RS 11. a. Das neue Köln. S. 9.
wo dieses sitzen müßte, stehen Fabriken.«5,s Auch diese Figur war in Schwarz’ saarlän¬ 514 Roland Rainer. Städtebauliche Prosa. I übingcn
1950. S. 250.
disch-lothringischer Landesplanung vorweggenommen, in der Gestaltung tles Raums
515 RS u.a. Das neue Köln. S. 14L - Berichte von
um St. Avold (vgl. S. 110). In den ersten Nachkriegsjahren war noch nicht zu ahnen, mit Prof. Dr. Schwarz... a.a.O. S. 7.
wie wenig Arbeitskräften die automatisierte und digitalisierte Großindustrie auskom- 516 RS u. a. Das neue Köln. S. 12.
517 ebda. S. 17.
men würde. Schwarz setzte die Einwohnerzahl der Nordstadt mit 300 bis 350000 Ein¬
518 RS an Alfons Leid, 1. 6. 1957
wohnern an. Es dürfte kaum eine deutsche Aufbauplanung gegeben haben, die derart 519 RS u. a. Das neue Köln. S. 4.
bildhaft, aber auch in jedem Sinne meta-physisch begründet war wie das Schwarzsche 520 Franyois Roth. Thionville ou l'esquisse deine
Neue Köln. Für die Domstadt war es das bislang letzte große ideelle Konzept. politique urbaine. a.a.O. S. 12 2f.
521 RS. Das neue Köln. S. 6.
Schwarz, der bei allen seinen Entscheidungen geschichtlich dachte, war sich nicht nur 522 Fritz Schumacher. Köln. Entwicklungsfragen ei¬
der Tradition der römischen und mittelalterlichen Stadt bewußt, sondern auch seiner ner Großstadt. Köln, München 1923. - Hart¬
Vorgänger in der Kölner Stadtplanung. Die Neustadt-Planung Hermann Josef Stüb- mut Frank. Vom sozialen Gesamtkunstwerk zur
Stadtlandschaft. Fritz Schumachers Generalplan
bens (1845-1936) mit ihren Sternplätzen und entsprechend spitzwinkligem Parzellen¬
für Köln. In: I Iartmut Frank (1 lg.). Fritz Schu¬
zuschnitt, ihrem zeittypischen Denken in Fluchtlinien und ihrem Desinteresse daran, macher. Reformkultur und Moderne. Stuttgart
wie die Baublöcke durch private Bauherren und Spekulanten aufgefüllt wurden, war all¬ 1994. S. 133fr.
523 Der »Nierentisch [saß] damals auch im Auge
gemein heftiger Kritik ausgesetzt. Aber Schwarz wußte zu schätzen, daß mit der im
des Stadtplaners.« Hiltrud Kier. Städtebauliche
Zuge der niedergelegten Stadtmauern entstandenen Ringstraße ein Boulevard der fest¬ Entwicklung der 50er Jahre in Köln. In: Wolf¬
lichen Stadträume und ein fließendes Band entstanden sei, das jenseits des kleinteiligen ram Hagspiel, Hiltrud Kier, Ulrich Krings.
Köln. Architektur der 50er Jahre. Köln 1986. S.
Innenstadtgewebes die Stadt in Bewegung gebracht habe.5'9 In einer Epoche, in der die
17-
Ablehnung der steinernen Stadt allgemein war, wirkte dieses Urteil ungewöhnlich. 524 RS u.a. Das neue Köln. S. 7. - RS. Die Folgen
Stübben als Planer war Schwarz kurioserweise bereits in Diedenhofen begegnet. Stub¬ des Braunkohlenabbaues im Raume Lövenich-
ben hatte dort 1902 nach der Entfestung der Militärgarnison die Neustadt-Erweiterung Brauweiler für die landesplanerische Gestaltung
westlich von Köln. Typoskript. [1955].
geplant, wie im größeren Köln.520
Für Fritz Schumacher (1869-1947), »der wohl der klügste und weitestschauende Städ¬
tebauer seiner Zeit war«,521 fand Schwarz erst recht gute Worte. Schumacher war 1919
ebenso wie der renommierte Berliner Stadtplaner Hermann Jansen und der Kölner
Stadtbauinspektor Alfred Stooß aufgefordert worden, ein städtebauliches Gutachten für
den ehemaligen inneren Festungsrayon zu erarbeiten. Schumacher sah eine Kette von
Grünanlagen im Wechsel mit mehrgeschossiger Block- und Hofbebauung vor. Diese
Arbeit mit ihrem ausgesprochen baukünstlerischen, stadtbildnerischen und manchmal
auch monumentalisierenden Anspruch führte zur Einladung Oberbürgermeister Kon-
rad Adenauers an den Hamburger Baudirektor, die Planung für das gesamte Köln zu
übernehmen. Schumacher ließ sich von seinen Hamburger Amtspflichten beurlauben
und kam 1920 für drei Jahre nach Köln.522 Das Umlegungsgesetz vom März 1919, von
Adenauer veranlaßt und speziell auf die Bedürfnisse einer ehemaligen Festungsstadt
bezogen, eröffnete der Stadt ungewöhnliche Spielräume in der Verfügung über das ehe¬
malige Militärterrain im Westen.
Bei seinem Generalsiedlungsplan war Schumacher von einer künftigen Einwohnerzahl
von zwei Millionen ausgegangen. Schwarz nahm dagegen - in einer sehr viel realisti¬
scheren und von der Zukunft bestätigten Schätzung - eine Million an. Den Gedanken
einer Kölner Stadtlandschaft fand Schwarz schon bei seinem Hamburger Vorgänger
vor, bei dem er konfliktreich mit der Vorstellung eines städtebaulichen Gesamtkunst¬
werks zusammenging. Wenn Schwarz der geplanten Doppelstadt Köln mit ihren zahl¬
reichen Neben- und Unterzentren - dem »Kölner Städtebund« - eine amöbenhafte, an
die formalen Vorlieben der fünfziger Jahre erinnernde Figur unterlegte (Abb. 175),
scheint er diese Gestalt in der Auseinandersetzung mit Schumacher formuliert zu
haben.525 Jedenfalls wählte er zur Beschreibung des Schumacherschen Planschemas
(Abb. 166) nicht - was nahegelegen hätte - die Blatt- und Blütenmetapher, sondern
betonte das Spitzige und damit Unorganische: »Für ihn [Schumacher] war die große
Stadt immer noch ein zentrales Gebilde von der Form eines Seesterns mit lang ausge¬
zogenen Zacken, welche weit draußen spitz zulaufen. Negativ sollten hierein die Grün¬
zacken der Landschaft einschießen.« Schumacher habe noch zentralistisch gedacht.
Der heutige Planer denke organisch und hierarchisch.52*
Andererseits konnte Schwarz sich bei einem seiner zentralen Planungsgedanken - der
»imperialen«, rheinübergreifenden umgekehrten S-Kurve - auf Schumacher berufen
(Abb. 174). Ihre Voraussetzung war Schumachers Einsicht, daß Köln seiner inneren
Beschaffenheit nach nicht einen Vollkreis über den Rhein hinweg bildete, sondern 166 Fritz Schumacher. Schema der Kölner
einen größeren Halbkreis auf dem linken Ufer und eine versetzte Folge anderer Halb- Stadtentwicklung. Um 1923.

119
kreise nördlich und südlich (Abb. 173). Diese Beobachtung schloß die Ablehnung der
Ns-Planungen ein. In ihnen war nach wechselnden Varianten schließlich auf der Deut-
zer Seite ein gewaltiges Gauforum vorgesehen gewesen, das durch ebenso gewaltige,
gerade durchlaufende Verkehrs- und Sichtschneisen mit der linken Rheinseite zusam¬
mengeschweißt werden sollte. Durch die innere Stadt sollte ein gigantisches Achsen¬
kreuz geschlagen werden. Für dessen Ost-West-Achse waren bereits Teile der Quar¬
tiere um St. Aposteln, St. Cäcilien und St. Maria im Kapitol niedergelegt worden. Nach
einer vorläufigen Breite von 28 Metern sollte der Durchbruch auf 68 Meter (laut
Schwarz 72 Meter525) ausgeweitet werden
Von solchen gewaltsamen Eingriffen in die Stadtstruktur distanzierte sich Schwarz auf
das entschiedenste. Er fand, daß in ihren Vorschlägen ein die Epochen überdauernder
Technizismus am Werke gewesen sei, der die Stadt zu einer vollendeten Maschine
durchformen wolle.526 Gleichwohl war die neue innerstädtische Ost-West-Straße, die
heutige Hahnen- und Cäcilienstraße, durch Grundstückskäufe und Abbrüche so weit
vorbereitet, daß sie kaum rückgängig gemacht werden konnte.527 Schwarz hätte sich mit
der Trasse weiter südlich, an den »Bächen«, am Rande der ehemaligen römischen
Stadtmauer begnügt und erwog auch in der Planung von 1948, den begonnenen Ost-
West-Durchbruch lange vor dem Heumarkt, in der Höhe der heutigen Nord-Süd-
Fahrt abzufangen. Doch das Achsenkreuz setzte sich durch. Auch die neue Nord-Süd-
Straße folgte in zurückgenommenen Dimensionen und in »etwas geschlängelter und
gewinkelter Führung«528 dem in der Ns-Planung (und in bescheidenerer Form und
anderer Führung bereits bei Schumacher!) vorgezeichneten Straßenkreuz.
Der Optimismus der ersten Jahre war bewundernswert. Schwarz wurde nicht müde zu
betonen, daß die Aufgaben weder ihrer Größe noch ihrer Schwierigkeit nach unge¬
wöhnlich seien. Vor dem Kölner Stadtparlament verwies er darauf, welche Unmengen
an Geld und Intelligenz auf Düsenjäger, Atombomben »und derartigen Mumpitz« ver¬
schwendet würden. Demgegenüber sei der Wiederaufbau »von einer lächerlichen
Geringfügigkeit«. Freilich - und hier sprach der Autor von Wegweisung der Technik -
müßten die modernen Mittel des Maschinenzeitalters eingesetzt werden. Weder Trüm¬
merbeseitigung noch Wohnungsbau könnten mit steinzeitlichen Methoden gelöst wer¬
den.529 Tatsächlich wurden durch freiwilligen »Ehrendienst« und »Sühnedienst« (für
die ehemaligen Mitglieder der NSDAP), also per Spaten, Hacke und Schubkarre, nicht
mehr als 5% des Trümmerschutts der Stadt beseitigt.550
Nach drei Jahren Kölner Planungstätigkeit nahm bei Schwarz die Frustration über¬
hand. Lokale Querelen örtlicher Architekten, die sich zurückgesetzt fühlten, die Auf¬
forderung des Oberbürgermeisters, zu den gehäuften Anschuldigungen Stellung zu
nehmen, die Enttäuschung, die zerstörten Stadtteile in Südstadt, Mülheim, Kalk und in
167 Die Nord-Süd-Straße. In: Das neue Köln.
den westlichen Vororten, wo noch kein Bauwille vorhanden war, auf der Grundlage der
Ein Vorentwurf. Köln 1950.
vorhandenen Bebauungspläne planen zu müssen, statt sie völlig neu ordnen zu können,

525 Berichte von Prof.Dr.Schwarz... a.a.O. S. 30.


kamen zusammen. Auch Routine drohte sich einzustellen. »Begeisternd ist solche harte
526 RS. Gedanken zum Wiederauflau von Köln. In: Arbeit nicht, aber sie muß eben geleistet werden und ich tröste mich dauernd, daß sie
Gotdob Binder (Hg.). Grundfragen des Auflaus eines Tages zu Ende sein wird.« Schwarz hätte sich lieber »als erfahrener Berater«
von Stadt und Land. Stuttgart 1947. S. 14.
gesehen, der »über die großen Linien und Zusammenhänge wacht, künftigen Dingen
527 Von den Fachleuten, die sich unmittelbar
nach Kriegsende in Memoranden zu Wort nachspürt und beginnende Mißbildungen abstellt.«551 Zu Ende war die »harte Arbeit«
meldeten, erwog nur Karl Band, mit dem aber erst am 31.März 1952. Bis dahin waren die großen Linien der Stadtentwicklung
Schwarz später mehrfach zusammenarbeitete,
festgelegt. Die Aufgaben der Wiederaufbaugesellschaft und der größte Teil ihres Perso¬
eine Schließung des Ost-West-Durchbruchs.
Gedanken zum Wiederauflau unserer Stadt. 29. nals einschließlich Generalplaner wurden schon zum 1.Oktober 1949 in das Städtebau¬
6. 1945. Typoskript. HAStK 2/1313. - vgl. amt, also die Stadtverwaltung unter der politischen Verantwortung des Hochbaudezer¬
Marina Hemmersbach. Die Wiederauflaupla¬ nenten, eingegliedert.552
nung der Stadt Köln. a.a.O.
Auch wenn im Laufe der Jahre zahlreiche grundsätzliche wie detaillierte Vorschläge des
528 RS u.a. Das neue Köln. S. 36.
529 Berichte von Prof. Schwarz... a.a.O. Zit. S. 39. Generalplaners für Verkehrsführung, Ensemblebildung und Grünplanung realisiert
530 Robert Frohn. Köln 1945-1981. Vom Trümmer¬ wurden555 - Köln hat sich in vielen Zügen anders entwickelt als in der Neuordnungspla¬
haufen zur Millionenstadt. Köln 1982. S. 139h
nung von Schwarz vorgesehen. Jede Stadt entwickelt sich anders, als ihre Planer es vor¬
531 RS an Robert Görlinger, 9. 6. 1949.
532 Formal bestand die Wiederaufbau GmbH bis sehen, und Schwarz wußte es.554 Auch die Kölner Stadtentwicklung durchlief die wech¬
1958 weiter, ohne daß sie noch eine Geschäfts¬ selnden Planungsideologien der folgenden Jahrzehnte, vom technologischen Hochmut,
tätigkeit ausübte. HAStK 953/17, 32, 34.
der Verdichtungsstrategie, den Megaprojekten und der Hochhaus-Euphorie der sechzi¬
533 Harald Ludmann, Kurtjatho. Rudolf Schwarz
- sein Konzept für das neue Köln. In: Köln - seine ger und frühen siebziger Jahre bis zum kleinmütigen Parzellendenken, den illusionisti¬
Bauten 1928 - 1988. a.a.O. S. 1 i4ff. schen Stadtbild-Inszenierungen und dem Stadt-Recycling der späteren Dekaden.

120
Die »Hochstadt«, »Vorbehalten den hohen kostbaren Dingen«, wurde nicht »ins Stille 168 Großraumplan. In: Das neue Köln. Ein Vor¬
gebracht«, wie Schwarz es wünschte.535 Zentral angesiedelte Kommunikations- und entwurf. Köln 1950.
Dienstleistungsbetriebe wie Westdeutscher Rundfunk, Bundespost oder Gerling-Kon¬
zern expandierten und schränkten die erwünschte Vielfalt der Nutzungen ein. Anders
als in Heidelberg oder Braunschweig gelang es nicht, den Hauptbahnhof an die Peri¬ 534 »...wobei wir ziemlich sicher sein können,
daß die wirkliche Entwicklung anders ver¬
pherie der Innenstadt zu verlegen und damit auch den Preisdruck auf die verkehrsgün¬ läuft.« RS u.a. Das neue Köln. S. 23.
stig gelegenen Grundstücke der Innenstadt zu reduzieren. Schwarz hatte sich die in der 535 ebda. S. 15.
Stadt seit Stübbens Neustadt-Planung erhobene Forderung nach einer Auslagerung des 536 Eugen Blanck. Ausführungen über die städte¬
bauliche Planung Kölns. Rede am 11. 11. 1946.
bestehenden Hauptbahnhofs zu eigen gemacht. Schwarz wünschte ihn sich wie vor ihm
Typoskript. HAStK 1137.
Eugen Blanck536 auf das Gelände des Güterbahnhofs Gereon, mit Zugang vom Hansa¬ 537 Die Verlegung des Hauptbahnhofs zum Gü¬
ring (Abb. 170). Schumacher hatte ihn dagegen am Aachener Weiher errichten wol¬ terbahnhof Gereon war bereits 1934 von
Dombaumeister Hans Güldenpfennig vorge¬
len.537 Inzwischen muß man sich allerdings fragen, ob die konfliktreiche Nachbarschaft
schlagen worden, vgl. Werner Heinen. Stadt¬
von Bahnhof und Dom nicht zu den Elementen eines produktiven Chaos gehört, die planung und Architektur in 1933 bis 1943.
eine große Stadt ausmachen. a.a.O. S. 81 f.

121
Die innerstädtische Nord-Süd-Achse wurde - entgegen den Schwarzschen Intentionen
(Abb. 167) - zu einer (teils in Tieflage geführten) Stadtautobahn, die das historische
Zentrum zerteilte. Schwarz hatte sich diesen neuen Nord-Süd-Verkehrsweg »nicht
allzu flüssig« und »von bescheidener Breite« vorgestellt - 18 Meter Breite einschlie߬
lich der Bürgersteige, allerdings mit Verbreiterungsmöglichkeit, während schon die
Planungen der fünfziger Jahre eine Mindestbreite von 24 Metern erreichten.”8 Den
ostwestlichen Durchbruch hielt Schwarz für ein Unglück (»Rollbahn«). Die Randbe¬
bauung eines seiner Teilstücke, der Hahnenstraße, durch Wilhelm Riphahn - einge¬
schossige Ladenzeilen mit quergestellten Riegeln, hinterfangen von sechsgeschossigen
Wohnhäusern - hat seine Unwirtlichkeit noch verstärkt.
Tiefe Pfeilergänge sollten die neuen Straßen begleiten, um den Fußgängerverkehr auf¬
zunehmen und eine übermäßige Aufweitung der Straßenprofile zu verhindern (Abb.
169). Schwarz hatte in historischen Begriffen gedacht und mit dem jeweils unterschied¬
lichen sozialen Charakter der »Kirchspiele«, der »Veedel« argumentiert. Die neuen
Verkehrswege würden als gliedernde Quartiersgrenzen den »Stadtstädten« zu ihrem
eigenen Leben verhelfen.539 Stattdessen wirken die neu geplanten Straßen zwischen den
verkehrsberuhigten Vierteln heute als trennende Zäsuren. Der Zusammenhang der
Gesamtstadt geriet in Gefahr.
Der Grüngürtel des Inneren Rayons blieb zwar erhalten und wurde, wie auch von
Schwarz gewünscht, durch die Aufschüttung der Trümmerberge um die dritte Dimen¬
sion bereichert. Aber die in ihn eingelagerten Institutionen wie Universität, Japanische
169 Laubengänge entlang der Verkehrsstraßen. Kulturinstitute und Post beanspruchten große Teile von ihm, ebenso wie die Siedlungs¬
In: Das neue Köln. Ein Vorentwurf. Köln 1950. bauten der Besatzungsmächte, die Sportstadt in Junkersdorf und die neuen Wohn- und
Gewerbegebiete Bocklemünd, Mengenich und Ossendorf am äußeren Grüngürtel
zehrten. Die Hauptfigur der Schwarz’schen Planung, die rheiniibergreifende Doppel¬
kurve, die die Stadt als geschwungene Bandstadt organisieren sollte, wurde im Stadtbild
kaum wirksam, weil auch andere ehemalige Randlagen kräftig expandierten. Seit 1957
wurde die von Schumacher wie Schwarz vorgesehene Nordstadt (Chorweiler) realisiert,
geriet aber auf die Negativliste des bundespublikanischen Großsiedlungsbaus. Als zwei¬
ter, überörtlich wirksamer Brennpunkt konnte sich diese - durch maßstablose Banal¬
bauten diskredierte - Trabantenstadt nicht etablieren.54° Auch wenn die beiden Grün¬
ringe um die westliche Halbstadt und die radialen Grünzüge mehr oder weniger
respektiert wurden, fungierte die aufgelockerte Stadtlandschaft als Aufforderung zur
Zersiedlung. Die einst beabsichtigte Differenzierung und Hierarchisierung der neuen
Siedlungen wurde in Frage gestellt.
Die Planer-Generation von Schwarz hatte auch in den Notjahren bereits mit einem
enormen Zuwachs an Verkehr, an Individualverkehr vor allem, gerechnet. Aber wenn

170 Neuer Hauptbahnhof auf dem Gelände des


Güterbahnhofs Gereon. In: Das neue Köln. Ein
Vorentwurf. Köln 1950.

538 Werner Heinen. Köln: Moderne für die Römer¬


stadt. In: Klaus von Beyme u.a. (Hg.). Neue
Städte aus Ruinen. a.a.O. S. 227.
539 RS u.a. Das neue Köln. S. 55ff., 44.
540 Auch geologische Verhältnisse und die Pla¬
nung des Entsorgungssystems machten Ände¬
rungen am Nordstadt-Konzept notwendig.
Mündliche Mitteilung von Harald Ludmann.

122
/*Ot T«»n * HCUtlAMN
tjMfvtisnAnyrH
171 Begrünung der Trümmerberge entLng
der Universitätsstraße. In: Das neue Köln. I.rt
(ft Vorentwurf. Köln 1950.
,JC m

sie auch die künftige Zunahme des Verkehrs vorwegnahm, so konnte sie doch nicht
ahnen, in welchem Umfang die Nachfolger ihr nachgeben würden. Schwarz hatte sich
noch nachdrücklich für die Straßenbahn als zukunftsreiches Massenverkehrsmittel ein¬
gesetzt. Zu den verkehrspolitischen und städtebaulichen Fehlentwicklungen kamen die
Einbußen bei der Umsetzung des Plans in gebaute Architektur, nachdem die von 1946
bis 1949 geltende Bausperre im Stadtgebiet aufgehoben worden war. In Köln lebten
und wohnten Architekten, die jeweils zu den fähigsten in Deutschland gerechnet wur¬
den. Der Stadt sieht man es kaum an. Das fand schon Schwarz: »Der Abstand der Bau¬
ten in Köln - wie in ganz Deutschland - von dem durchschnittlichen Stand der Bau¬
kunst in den anderen europäischen Ländern ist noch immer erschütternd groß.«54'

Trotz allem hat der Schwarzsche Plan folgenreiche Entwicklungen in Gang gesetzt und
Entwicklungen gegengesteuert, die ohne ihn zum Schaden der Stadt verlaufen wären.
Viele seiner Ziele und Forderungen sind heute nach wie vor aktuell: die Nähe von
Wohnung und Arbeitsplatz, sofern die Freizügigkeit der Arbeitswahl und die Unabhän¬
gigkeit vom Arbeitgeber gewahrt bleiben; der eigene Haushesitz, vorzugsweise des
mehrgeschossigen Stadthauses mit Gärtchen (viele Jahre, bevor das »Stadthaus« zum
Programm wurde); die Wiederherstellung grüner Rheinufer; der behutsame Lhngang
mit historischer Stadtstruktur; Liberalität statt allzu strenger Gestaltungsvorschriften
über Traufhöhen und Dachneigungen; elastische, revidierbare Planung; der Verzicht
auf dogmatische Lösungen, ob sie die Größe der Untergliederungen oder das Verhält¬
nis von Dominanten und Nebenzentren betrafen. Schwarz, der Fürsprecher der
»Hochstadt« und Erfinder des Wortes, setzte sich zugleich auch in Köln für eine Stra¬
tegie ein, die er »die Austeilung der Hochstadt« nannte. Darunter verstand er im Köl¬
ner Fall die Verteilung zentraler Aufgaben auf die Teilstädte, wie die Universität in Lin¬
denthal, das Fest- und Messegelände in Deutz usw.542

Schwarz’ Warnung vor einer mechanischen Eingemeindungspolitik, bei der die Bürger
der vereinnahmten Orte die Verantwortung für ihre nächste Lebenswelt an ferne
Instanzen abgaben, hätte den sechziger und siebziger Jahren viele Irrwege erspart.
Stattdessen kam es zu einer Welle kommunaler Neuordnungen - gerade auch im Köl¬
ner Raum -, die alte Bindungen auflöste und die Balance gestufter Zuständigkeiten
störte. Das Problem eines unzureichenden Bodenrechts, das kaum Lhnlegungen und
Neuordnungen erlaubte, hat ihn beschäftigt wie jeden verantwortlichen Planer: Die
Privilegien der Grundbesitzer stellten unüberwindbare Hindernisse dar. In der Beurtei¬
172 Außenstadt am Fühlinger See. In: Das neue
lung dieser Situation spielten parteipolitische Präferenzen keine Rolle. Auch die katho¬ Köln. Ein Vorentwuif. Köln 1950.
lische Soziallehre hatte dazu eindeutige Aussagen getroffen. Dabei war Köln in einer
günstigeren Lage als andere Kommunen, insofern die Stadt eine aktive Bodenvorrats¬
politik betrieben hatte und über die Hälfte des Stadtterrains verfügen konnte.
Gegenstandslos geworden ist die Sorge Schwarz’, seine Planung werde als »ultra-kon¬
servativ« gelten und »vermutlich von den Vertretern einer entschlossenen Modernität
verabscheut werden«; in Köln könne man nicht, »wie die Idealisten des neuen Bauens
meinen, alles durcheinander werfen und nach irgendeinem abstrakten neuen Plan auf-
bauen.«543 Seinerzeit wurde der Generalplan in der Tat von Kritikern, die auf die künf¬
tigen Verkehrsprobleme fixiert waren, der »>Kirchsprengel<-Politik« bezichtigt.544 Aber
der überlieferte Stadtplan ist das bedeutendste Dokument der Stadt, das ihre
Geschichte enthält, gleich wichtig zum Wohlbefinden der Bürger wie zu ihrer Identifi¬
kation mit dem Ort, an dem sie leben.
Diese Einsicht gehört mittlerweile zum Wissen nicht nur konservativer Städtebauer.
Städte, die in Schwarz’ Lebzeiten als verdammenswerte Beispiele restaurativer Planung
galten - das kleine Freudenstadt und die größeren Städte Freiburg, Münster oder
Nürnberg wurden erst seit den siebziger Jahren anders bewertet als zu seiner Zeit. 541 RS u. a. Das neue Köln. S. 60.
542 ebda. S. 23.
Köln behauptete innerhalb der Aufbauplanungen der alten Bundesrepublik eine Mittel¬
543 RS an Ludwig Mies van der Rohe, 9. 10. 1948.
lage zwischen Modernismus und Traditionalismus, zwischen den radikalen, nur Traditi¬ 544 Peter Fuchs. Wiederauflau der Stadt Köln.
onsinseln aussparenden Modernisierungen ä la Frankfurt, Hannover oder Kassel und a.a.O. S. 2.

123
den am historischen Stadtgrundriß orientierten Rekonstruktionsversuchen. In der Köl¬
ner Planungsdiskussion der ersten Jahre waren diese Positionen etwa durch die Denk¬
schriften markiert, die Wilhelm Riphahn (»Es muß eine großzügige und weitsichtige
Planung werden«) einerseits und Karl Band andererseits (»Gerade bauen kann jeder!«)
bereits 1945 vorgelegt hatten.545 Schwarz seinerseits wollte den schwingenden Rhyth¬
mus der neuen Zeit, aber auch die Dichte und Enge der sinnenhaft erlebten alten Stadt.
Das trug seiner Planung Zustimmung wie Kritik von unterschiedlichen und wechseln¬
den Seiten ein, je nachdem ob das modernistische oder das traditionale Moment seines
Denkens das Augenmerk der Kritiker fand.
Zur Einordnung der Kölner Planung in die internationale Planungsdiskussion geben
die Studienreisen Aufschlüsse, die deutsche Planer in den entscheidenden Aufbaujahren
unternahmen. Schwarz nahm 1949 kurz hintereinander an zwei Expertenreisen nach
England und Frankreich teil, über die er den Kölner Stadtverordneten Bericht erstat¬
tete. 546 In England interessieren die umgesetzte Theorie der Gliederung in neighbour-
hoods, die Weiterführung der Gartenstadt-Ideen, die new towns (Abb. 176), ermöglicht
durch den Town and Country Planning Act von 1943, sowie Patrick Abercrombies Pla¬
nung der mehrfachen Ringe um London. Die M\RS-Gruppe, der britische Ableger der
Organisation internationaler moderner Planer ClAM, lädt ihn und Rudolf Hillebrecht,
den Stadtplaner von Hannover, ein: eine »sehr exklusive und einflußreiche Vereini¬
gung«. »Zusammenfassend kann man sagen, daß die Anstrengungen Englands auf dem
Gebiet der Stadt- und Landesplanung bewundernswert und im großen und ganzen
auch richtig sind.«547 Übertragbar seien die Ergebnisse wegen der anderen Vorausset¬
zungen und gesetzlichen Grundlagen nicht.
In Frankreich gibt es im Gegensatz zu Großbritannien »nicht viel Neues zu lernen«.
Immerhin beeindruckt ihn, daß auch in diesem Land, das in Fragen des Eigentums sehr
konventionell denke, der durch Planung entstehende Wertzuwachs den Anliegern nicht
vorbehaltlos zufließe - ein ständiges und begründetes Ärgernis für deutsche Nach¬
kriegsplaner. Die Gruppe besucht Auguste Perret (»immer noch Vorkämpfer des neuen
Bauens«), Le Corbusier (vgl. S. 13 7E), Marcel Lods. Überraschend nachsichtig fällt das
Urteil über Lods’ unrealisierte Mainzer Radikal-Kur aus: »sehr großzügig und in man¬
cher Beziehung genial«, wenn sie auch in die bürgerliche Atmosphäre von Mainz nicht
recht habe passen wollen. Perret zeigt seine monumentalen Pläne für Le Havre, und
auch hier gibt es unerwartetes Lob: »Man kann sich eine gewisse Vorstellung von der
späteren Wirkung machen, welche großartig sein wird.«548 Offensichtlich beeindruckte
nicht nur der angelsächsische Pragmatismus Schwarz, sondern - zumindest während
und kurz nach der Reise - auch die französische grandeur. Das Urteil wiegt umso
schwerer, als Schwarz, der expatriierte Elsaesser, sich aus seinen frühen biografischen
Erfahrungen heraus der gründe nation gegenüber stets sehr reserviert verhielt.
Neben und wohl noch vor Großbritannien und Frankreich waren nach 1945 Skandina¬
vien, die Niederlande und die Schweiz Exkursionsziele deutscher Architekten und Pla¬
ner. Bei den Eidgenossen könne man sehen, »wie es um uns stünde, wären wir uns
selbst treu geblieben«.549 Der Blick über die Grenzen, auch hinüber nach Großbritan¬
nien und Frankreich, nötigte Schwarz zu der Feststellung, Deutschland sei unter den
173 Fritz Schumacher. Schema der Kölner europäischen Völkern in dieser Beziehung auf die tiefste Stufe gesunken. Er sah Chaos
Stadtlandschaft. Um 1923. und Fiasko heraufziehen. Auch der Stadt, für die er als Planer selbst verantwortlich war,
machte er nun eine düstere Vorhersage: »Es gehört beispielsweise kein profetischer
174 Die doppelte Kurve des Verkehrs. In: Das
Blick dazu, die zukünftige Form der Stadt Köln vorauszusagen, die abgesehen aber von
neue Köln. Ein Vorentwurf. Köln 1950.
einigen Geschäftsstraßen aus einem formlosen Haufen von Elendshütten und Baracken
zum Wohnen, Arbeiten und Verkaufen bestehen wird.«550

Auch nachdem Schwarz von der planerischen Verantwortung für Köln entbunden war,
trieb ihn diese Sorge um Gestalt und Form der öffentlichen Räume um. Sein und Karl
Bands gemeinsamer Beitrag im internationalen städtebaulichen Ideenwettbewerb für
die Domumgebung (1956-57, Abb. 177, 178, WV 160) zeigt die Planverfasser bemüht,
die weiten fließenden Platzflächen in Form zu bringen, die Übergänge zu verengen und
gelenkartig auszubilden und eine akzentuierte Platzfolge vom Dom bis zum Heumarkt
herzustellen. Am Verkehrsgraben zwischen Domhügel und Bahnhofsvorplatz wäre
allerdings auch bei Band und Schwarz die Kontinuität des Stadtzusammenhangs geris¬
sen.

124
175 Köln eine Doppelstadt. In: Das neue Köln.
Ein Vorentwurf. Köln 1950.

176 Frederick Gibberd. Stadtschema von Har-


low New Town. 1947. In: Johannes Göderitz,
Roland Rainer, Hubert Hoffmann. Die geglie¬
derte und aufgelockerte Stadt. Tübingen 1957.

Karl Band, Rudolf Schwarz. Wettbewerbsent¬


wurf Domumgebimg. Köln. 1956-57.
177 Schnitte und Abfolge der Platzräume.
178 Lageplan.

545 Wilhelm Riphahn. Grundgedanken zur Neuge¬


staltung von Köln. 14. 7. 1945. Typoskript.
HAStK 1225/229. - Karl Band. Gedanken zum
Wiederauflau unserer Stadt. a.a.O.
546 RS. Bericht des Prof. Dr. Schwarz über eine auf
Einladung der englischen Regierung durchge¬
führte städtebauliche Studienreise durch England
vom 26. 2.-20. 5. 1949. - RS. Bericht über eine
Studienreise nach Frankreich vom 19. bis 25. Mai
1949. Typoskripte.
547 Studienreise durch England. a.a.O. Zitate S. 18.
548 Studienreise nach Frankreich. a.a.O. Zitate S. 7,
9-

549 RS. Helvetia docet. In: Schweizerische Architek¬


turausstellung. Köln 1948. S. 5.
550 ebda. Zitate S. 17, 18.

125
»Die reine und arme Gestalt«: Bauen in Ruinen

Ein großer Teil der Diskussionen, die in den ersten Jahren nach 1945 über das Bauen
geführt wurden, stand unter dem Stichwort Aufbau oder Wiederaufbau. Dem Neuen
Chancen geben, es als Eigenes aus dem Gewesenen entwickeln, oder das Alte nach
Möglichkeit wiedergewinnen, wie es gewesen war: Diese Alternative klang bereits in
einem der frühesten Texte an, die nach dem Krieg geschrieben wurden, in dem Aufsatz,
den Hans Schwippert, der Aachener Weggefährte von Schwarz, Ende 1944 verfaßt
hatte. In Aachen, der ersten vom NS-Regime befreiten Großstadt Deutschlands, war
der Krieg eher zu Ende als anderswo. Schwippert, der zunächst in der zerstörten Stadt
die Bauverwaltung übernahm, fürchtete - wie nach ihm viele andere -, daß über der
Flickarbeit des Aufräumens und notgedrungenen Improvisierens das Werk, das dem
Menschen Würde gebe, versäumt werden könne. »Rücksichtslosigkeit und Not in
schlimmer Verbrüderung, Besitzgier und Armut in üblem Verein werden eine heillose
Praxis machen und die Diktatur der halben und somit falschen Wirklichkeit wird durch
>Wiederaufbau den Aufbau zu verhindern suchen.«551

Es galt, nicht nur den äußeren Schutt zu beseitigen, sondern auch den inneren. Denn
die politische und wirtschaftliche Katastrophe hatte Ursachen - und hier argumentier¬
ten auch viele Wohlmeinende wenig konkret und mythisierend -, die weit zurückreich¬
ten; in Rationalismus, Materialismus, unfruchtbares Theoretisieren oder geistlose Pra¬
xis. Off erschienen der Krieg und sein Ende nicht als konkrete politische Schuld,
sondern als verhängtes Weltgericht. »Was an Zerstörung und Verwüstung, Unordnung
und Verwirrung, Jammer, Elend und Sorge jetzt unser Schicksal ist, das alles ist nur eine
greifbare, anschauliche und folgerichtige Verwirklichung jener Ruinen, jenes Zerfalls,
jener Irrtümer, welche längst vorher schon den Raum der Seele beherrscht und das
Reich des Geistes verwüstet haben« (Schwippert).552
Den Trümmern und Ruinen, die sich in allen Städten zu Bergen häuften, kam symboli¬
sche Bedeutung zu. Schon das Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, das die
Verwendung von Trümmersteinen nahelegte, hatte seine moralische Seite. Emil Stef¬
fann beschrieb bereits 1943, in seiner Lothringer Zeit, wie man jede Ruine, jede Mauer
geprüft habe, um daraus das Beste zu machen. Und das zerstörte Alte dankte es den
Baumeistern, indem es dem Neuen sein Leben weitergab: in der Verschiedenartigkeit
und Verschiedenfarbigkeit der neuen Mauern, die aus den alten Steinen entstand.
Architekten wie Schwarz und Steffann fühlten sich angeregt, »nicht das glatte perfekte
Baumaterial zu wählen, sondern gerade das Zerborstene und das Verwundete zu suchen
und lieben zu lernen«. Und Steffann fragte: »Könnten nicht unsere zerstörten Städte
die ideale Baustelle sein, aus Schutt und Trümmern die natürliche Schönheit des Bau¬
ens in ihrer Lebendigkeit ganz neu wieder zu erlernen?«553

Wie Emil Steffann bei St. Franziskus in Köln (1950-52), Hans Döllgast bei der Wie¬
derherstellung der Münchener Alten Pinakothek (1952-57) und seinen Münchener
Friedhofsbauten oder Otto Bartning bei der Ausmauerung der Holzbinder seiner 48
Notkirchen verwendete auch Schwarz die »uns von unserem Schicksal vor die Füße
551 Hans Schwippert. Theorie und Praxis. Geschrie¬ geworfenen Trümmer« (Steffann).554 St. Anna in Düren (1951-56, Abb. 180, 207-209,
ben Ende 1944. In: Baukunst und Werkform WV 128) oder die Wallfahrtskapelle in Köln-Kalk (1946-50, Abb. 199, WV 98) sind
(1947)1, S.18. Im gleichen Sinne Alfons Leid
aus den Trümmersteinen ihrer Vorgängerbauten errichtet. Der Stein nahm geradezu
in den Glossen des Herausgebers: »Wir haben
sie vor uns: Die Taten der nackten Selbster¬ sakramentalen Charakter an. »Da war noch die Masse des alten Gesteins,« schrieb
haltung, des krassen Egoismus, der unsozial¬ Schwarz über St. Anna, »und wir wollten sie in den neuen Bau wieder vermauern, daß
sten Einstellung, die Reaktion auf allen Ge¬ der geheiligte Stein Baustoff eines neuen Werks werden konnte und das Alte im Neuen
bieten, die Bewahrung und Verteidigung alter
wieder auferstand«.555 Das wiederverwendete Material bewahrte das Andenken an das,
Besitzpositionen, >Wiederherstellung< und
>Wiederaufbau um jeden Preis.« ebda. S. 3. was gewesen war, und sicherte der Gegenwart die Kräfte des Gewesenen. »Das Wesen
552 Hans Schwippert. Theorie und Praxis. a.a.O. der echten Reliquie haftet an der wirklichen, materiellen Identität der Gegenstände,«
5. 17.
konstatierte der katholische Publizist Walter Dirks im Jahre 1947, als es um den Wie¬
553 Emil Steffann. Beschriftetes Skizzenblatt, 15.
6. 1951. In: Gisberth Hülsmann u.a. Emil deraufbau des Frankfurter Goethehauses ging.5?6
Steffann. Düsseldorf 1981. S. 38. Von diesem fast magischen Umgang mit Ruinen, bei dem das Einst in das Jetzt einge¬
554 Emil Steffann. 1951. ebda. S. 123.
schmolzen wurde, war kaum zu trennen ein Verhältnis zum Vergangenen, das durch
555 RS. Kirchenbau. S. 223.
556 Walter Dirks. Mut zum Abschied. In: Frankfur¬ Erkenntnis, moralische Einsicht und Respekt vor dem Urteilsspruch der Geschichte
ter Hefte 1(1947), S. 819fr. bestimmt war. »Warum etwas vertuschen! Die Leute sollen sehen, daß die Pinakothek

126
ihre Geschichte hat und daß ihr auch der Krieg nicht erspart geblieben ist«, begründete
Döllgast seinen Vorschlag für die Alte Pinakothek, bei der er den ruinösen Zustand in
den Entwurf hineinnahm.557 Schwarz hat ähnlich argumentiert, als er die Ruine der
romanisch-gotisch-barock-neogotischen Pfarrkirche St. Alban in nächster Nachbar¬
schaft zum Festhaus des Kölner Gürzenich beließ und das Ziegelsteingemäuer der Kir¬
chenaußenwand zur Innenwand von Foyer und Treppenhaus machte (vgl. S. 163ff.,
Abb. 179): »Wir ließen den Raum kahl und zerstört. Er mahnt an die unerforschbare
Bosheit des menschlichen Herzens.«558
Sämtliche Probleme, die in den letzten Jahrzehnten die Denkmalpflege und mit ihr die
Öffentlichkeit beschäftigten, standen bereits in den ersten Nachkriegsjahren auf der
Agenda. Der Modernisierungsdrang der Bundesrepublik, die nach der Währungsre¬
form von 1948 allmählich über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügte, und das
sozialistische Pathos der Deutschen Demokratischen Republik, die nicht mehr von den
Erinnerungen an feudale oder kirchliche Vergangenheit behelligt werden wollte, besei¬
tigten mit den Trümmern auch die Ruinen, die im Wege standen. Die wenigen Aus¬
nahmen, in denen Ruinen als Ruinen erhalten blieben, waren zumeist - wie St. Alban -
ausdrücklich zu Erinnerungsstätten und Mahnmälern bestimmt. Das alte denkmalpfle¬
gerische Tabu über Total-Rekonstruktionen wurde aufgehoben. Dirks’ berühmter Auf¬
ruf »zum unwiderruflichen Abschied« und die Interventionen vieler Architekten und
Planer, vor allem aus dem Umkreis des wiedergegründeten Deutschen Werkbunds, ver¬
hinderten nicht, daß der fast vollständig zerstörte Fachwerkbau des Frankfurter
Goethehauses 1947-51 neu erstand. Auf der anderen Seite gerieten die Kritiker in
Begründungsnöte, wenn sie den (handwerklich überaus gewissenhaften) Wiederaufbau
der Heidelberger Alten Brücke durch Rudolf Steinbach, abgeschlossen 1947, akzeptier¬
ten. »Was gibt uns die Gewähr, daß diese Brücke nicht das schlimme Beispiel wird, auf
das man hinweist, wenn man in Frankfurt das Goethehaus, in Stuttgart den Königsbau,
in Ulm die Altstadt und in München das Hofbräuhaus wieder heraufzaubern will?«559
Alle diese Fragen stellten sich in Köln besonders dringlich angesichts des Schicksals,
des erlittenen wie des künftigen, der historischen, zumeist romanischen Kirchen. Von
den 87 katholischen Pfarr- und Rektoratskirchen des eigentlichen Stadtgebietes waren
67 zerstört oder schwer beschädigt, von den 18 evangelischen 17. Bis auf den Dom,
diese »Sonderbarkeit von erheblicher Größe« (Schwarz),560 die zur Verwunderung aller
die Bombenangriffe überstanden hatte, waren alle Gotteshäuser der Innenstadt schwer
versehrt, manche - wie Maria im Capitol - anscheinend kaum noch zu retten. Was mit
den gefährdeten Sakralbauten geschehen könne und solle, war Gegenstand fachöffentli¬
cher Diskussion. Aber es bewegte auch die Bürger der Stadt mehr als manche prakti¬
schen Nöte des Nachkriegsalltags. Im Winter 1947/48 nahmen viele Hunderte an sechs
Vortragsabenden teil, die im ungeheizten Auditorium Maximum der Universität statt¬
fanden.561
Schon vor der Verpflichtung von Schwarz hatte die Stadt in einem Memorandum ein
Bekenntnis zur Bewahrung und Erhaltung dessen abgelegt, was noch überkommen war:
»Ihre [der Stadt] endgültige Vernichtung durch eine wesensfremde Überbauung im
Sinne einer modernen Citybildung wäre nicht zu verantworten.«502 Diese Stellung¬
nahme meinte die Flächennutzung im allgemeinen und den ruinierten Baubestand,
soweit er die Zimelien der Stadt, die Kirchen und wenigen bürgerschaftlichen Profan¬
gebäude, betraf. Im übrigen ging man in Köln wie anderswo auch mit den meist
schwerbeschädigten Bauten ziemlich lax um. In derselben Schrift Das neue Köln, in der
Schwarz seine Planungsprinzipien darlegte, kann man mit einiger Verblüffung lesen, 557 Hans Döllgast. In: Münchener Merkur, 16. 6.
wie Hans Schmitt-Rost trotz aller Kriegsverluste Bauten auflistet, die ihm immer noch D52-
558 RS. Kirchenbau. S. 120.
als »überflüssige Architekturen« oder gar als »Monstren« erscheinen: als wäre es nicht 559 Rudolf Steinbach. Die Alte Brücke in Heidelberg
gerade genug der Zerstörungen gewesen. »Monstren« waren für ihn die Opernhaus¬ und Die Problematik des Wiederaußaus. In: Bau¬
ruine, das Gerichtsgebäude am Appellhofplatz und das Richmodis-Haus am Neumarkt kunst und Werkform (1948) 2, S. 34.
560 Rudolf Schwarz. In: Gesellschaft für christ¬
(von Paul Bonatz) wie die gründerzeitlichen Viertel. Schwarz sah dagegen in vielen Lei¬
liche Kultur. Kirchen in Trümmern. Zwölf Vor¬
stungen auch des 19. Jahrhunderts Qualitäten. träge zum The?na Was wird aus den Kölner Kir¬
In seinem Vortrag, dem zweiten der insgesamt zwölf, kündigte Schwarz an, als Städte¬ chen. Köln 1948. S. 28.
561 Veröffentlicht in: Kirchen in Trümmern. a.a.O.
bauer zu sprechen.5Ö3 Manchem seiner Zuhörer mochte es eher scheinen, einem Seel¬
562 Memorandum der Stadt Köln. 15. 3. 1946.
sorger zuzuhören. Schwarz erläuterte nicht die historische Rolle der großen Kölner Typoskript. HAStK 2/1396.
Stiftskirchen, ihren Stand im künftigen Stadtbild oder mögliche Konflikte mit den 563 In: Kirchen in Trümmern. a.a.O. S. i5ff.

127
Dii Ruine von St. Alban am wiederauf- Nutzungen der wiederaufzubauenden Stadt. Er breitete vielmehr seine Philosophie
uten Gürzenich. Köln. oder eher Theologie der Stadt aus, die er bereits in Von der Bebauung der Erde entwickelt
hatte. Stadt sei die Verdichtung des Landes, getreu der Gewohnheit des Lebens, sich
eine Mitte zu setzen. Dort, wo sie in ihrer dichtesten, hoheitsvollsten Lorm auftritt,
errichtet sie in Anbetung und Opfer den heiligen Bau. Manche Zeiten sind berufen,
Kathedralen zu bauen - die unseren nicht. Profanisierung hat begonnen, bevor die Kir¬
chen vom Leuer verzehrt wurden. Die Vernichtung war nur die letzte Schändung, lange
nachdem Neugier, Tourismus und Kleinmut sie entweiht hatten. Soll man also Rekon¬
struktion wollen, wo Wiedergeburt nicht möglich ist?
Ein Nein - wie es in den Kölner Veranstaltungen Hans Schmitt aussprach - schien
Schwarz auf der Zunge zu liegen. Aber es wurde doch ein Ja. Man pflegt Denkmäler,
um die Spur festzuhalten, die ein größeres Leben auf der Erde zurückließ. So wie
Schwarz das Baumaterial untergegangener Vorgängerbauten in seine Neubauten einbe¬
zog, so wünschte er sich auch den Umgang mit Baudenkmälern. Ein Denkmal ist erin¬
nertes Leben. Solange die Erinnerung noch wach ist, ist auch das Leben nicht erlo¬
schen. Für manche der wiedererrichteten Kirchen wird man neue, aber den alten nicht
fremde Bestimmungen suchen müssen. Bauten, die nur beschädigt wurden, sind unter
der Überwachung des Konservators zu reparieren. Bei weitgehend zerstörten müssen
Alternativen statt starrer Doktrin erlaubt sein: notdürftige Wiederherstellung, wo mehr
nicht möglich ist; einen großen Behälter Vorhalten, aber einen kleinen Raum, Kapelle
oder Krypta, »die unserem Ausmaß entsprechen«, nach eigenem Vermögen gestalten;
ein Zeichen, einen Hinweis setzen, wenn »heilige Gegenwärtigung« nicht gelingt.
Es war ein Fazit, auf das sich, bei weniger anspruchsvoller Wortwahl, die meisten Teil¬
nehmer verständigen konnten. Keiner war für die Abtragung der Ruinen. Keiner sprach
sich für historisierend wortgetreue Repliken aus (bei denen sich ohnehin sofort die
Frage gestellt hätte, welcher zeitliche Zustand in der vielschichtigen Entstehungsge¬
schichte denn rekonstruiert werden sollte). Die Marge der möglichen Entscheidungen
lag dazwischen. Alles kam auf den Anstand, die Würde und die Qualität der jeweiligen
Lösung an. Die Gesellschaft für Chrisdiche Kultur, die den Vortragszyklus veranstaltet
hatte, konnte befriedigt mit einem Aufruf zum Wiederaufbau schließen und sich zum
Sprecher aller zerstörten Kirchen machen: »In aller Bescheidenheit, die dem Ernst der
Stunde entspricht, ... bitten sie die Christen der Welt um Gehör.«56«
Schwarz resümierte später seinen Debattenbeitrag in dem Sinne, er habe zwischen kon¬
servierender, restaurierender und interpretierender Denkmalpflege unterschieden.
Sowohl die Erhaltung der Ruinen (konservierend) wie die genaue Wiederherstellung
(restaurierend, aber eigentlich: rekonstruierend) habe er für möglich gehalten, doch
beides nur als Ausnahmen. Zum Regelfall habe er die interpretierende Denkmalpflege
erklärt.56-5 Das entsprach einer differenzierenden Anwendung der Devise »Aufbau statt
Wiederaufbau« auf den Elmgang mit dem lädierten historischen Erbe. Man solle,
meinte Schwarz, das alte Werk ganz und gar ernst nehmen. Aber man nehme es ernst,
indem man in die Zwiesprache mit ihm eintrete und ihm »als lebendige Menschen«
antworte.566
Mit diesem Thema hat sich Schwarz, dem die Überlieferung und der rechte Umgang
mit ihr am Herzen lagen, oft auseinandergesetzt. In Von der Bebauung der Ei'de ist das
Schlußkapitel Das Unplanbare^i passagenweise diesem Gegenstand gewidmet. Was uns
treibt, die Schutthalden des Früheren zu durchwühlen, ist der heiße Hunger einer
armen Zeit - »arm« war sie für Schwarz nicht erst seit den Verwüstungen des Zweiten
Weltkriegs - nach dem reicheren alten Leben. Wenn es jetzt nicht wiederzuerwecken
ist, dann vielleicht später. Denkmalpflege ist deshalb »keine Behörde, mit der man sich
564 ebda. S. 233h
zankt«. Denkmalpflege, allzu oft noch »ein Konservieren von Altem«, ist »Hege des
565 RS. Kirchenbau. S. 93.
566 ebda. geschichtlichen Fortwuchses«.568
567 S. 225fr. Auch in: Baukunst und Werkform Für »interpretierende Denkmalpflege« sprach auch ein profaneres Argument: Sie war
(1948) 2, S. 8ofF.
billiger. »Wer die Rekonstruktion fordert, hat keine Ahnung, was die constructio geko¬
568 RS. Die Baukunst der Gegenwart. Immatriku¬
lationsrede Düsseldorf, 1958. In: Maria stet hat«!5®9 Die Denkmalpfleger hatte Schwarz bei dieser Diskussion auf seiner Seite.
Schwarz u.a. (Hg.). Rudolf Schwarz. Kat. Bda In der Kölner Vortragsserie reklamierte Graf Metternich die Forderung, Ergänzungen
Köln, Akademie der Künste Berlin. Heidel¬
an alten Bauten in neuzeitlichen Formen vorzunehmen, als ein von Denkmalpflegern
berg 1963. S. 25. - RS. Von der Bebauung der
Erde. S. 226. formuliertes Prinzip. Pragmatischen Politikern waren die Überlegungen der Vortra¬
569 RS. In: Kirchen in Trümmern. a.a.O. S. 22. genden allzu subtil. Ex-Oberbürgermeister Konrad Adenauer fand alles zu kompliziert

128
129
- .war/. St. Anna. Düren. 1951-56. und rief umstandslos zur Wiederherstellung der Kirchen auf. »Anfängen und arbeiten
[ist] unendlich viel besser als tausend Reflexionen, ob man’s kann und darf oder nicht
kann und nicht darf.«570
Aus der Vorkriegszeit gab es in Köln ein Beispiel »interpretierender Denkmalpflege«,
das nach 1945 Schule machte, die Restaurierung der romanischen Stifts- und Pfarrkir¬
che St. Georg durch Clemens Holzmeister in den Jahren 1929-30. Der Kunsthistoriker
Heinrich Lützeier erinnerte in seinem Kölner Vortrag daran.571 Damals mußte die dop-
pelchörige, dreischiffige Basilika mit ihrem Ostquerhaus und machtvollem Westwerk
statisch gesichert werden. Holzmeister restaurierte auf einen Zustand vom Ende des 12.
Jahrhunderts zurück. Er befreite den Bau »von dem Wust übler Zutaten aus dem letz¬
ten Jahrhundert« und wendete Grundsätze des Neuen Bauens auf das Alte Bauen an:
Reinigung, Materialehrlichkeit, die ungeschmälerte Wirkung großer geometrischer
Bau- und Raumformen. Putz wurde nur so dünn aufgetragen, daß die Mauerstruktur -
»die ursprüngliche Werkshaut« - sicht- und fühlbar blieb. Die Quader von Pfeiler und
Westchor blieben steinsichtig. Beim Wiederaufbau der schwer mitgenommenen Kir¬
che, der erst 1964 abgeschlossen war, orientierte man sich, wenn auch nicht genau, an
Holzmeisters eindrucksvoller und puristischer Fassung. Schwarz liebte diese Kirche,
wenn er sie auch nicht vor der Nachbarschaft des dominierenden Polizeipräsidiums
bewahren konnte. Am liebsten hätte er die Steinkuppel über dem Westbau freigelegt
erhalten; ein weiterer Akt der »Befreiung«.572- Stattdessen wurde sie von einem heute
noch bestehenden geduckten Walmdach überfangen.
In seinem Beitrag zur Diskussion über den Wiederaufbau der Kölner Kirchen hatte
Schwarz drei Beispiele aus der eigenen Baupraxis herangezogen, den Aufbau oder Wie¬
deraufbau der Wallfahrtskapelle in Köln-Kalk, der Pfarrkirche auf dem Johannisberg
im Rheingau und der Frankfurter Paulskirche. Johannisberg und Paulskirche waren
umstritten, wenn auch aus entgegengesetzten Ursachen - Johannisberg, weil es sich zu
eng an ein baugeschichtliches, wenngleich idealisiertes Vorstellungsbild hielt, die Pauls¬
kirche aus dem gegenteiligen Grund. Johannisberg (1943-51, Abb. 182-184, WV 85)
steht der Flolzmeisterschen Version von St. Georg nahe. Die ehemalige Benediktiner¬
kirche aus dem frühen 12. Jahrhundert hatte ein wechselndes Schicksal mit dement¬
sprechenden baulichen Veränderungen erlebt. Schon 1942 war sie zerstört worden.
»Eigentlich eine Wohltat«, fand Schwarz angesichts der historischen »Erniedrigun¬
gen« und »Verniedlichungen« dieses Bauwerks.573
Die Planung begann bereits während des Krieges. Aus einem heruntergekommenen
Dorfkirchlein wurde eine machtvolle Abteikirche, die hoheitsvoll über den Rebhängen
thront. Es ist »Denkmalpflege« aus dem Geiste von Rothenfels, streng und abstrahie¬
rend trotz der von Rudolf Steinbach als Bauleiter aktivierten Maurerkunst, freilich
nicht demütig, sondern selbstbewußt. Die großen stereometrischen Raumkörper, Qua¬
der, Würfel, Halbzylinder, Dachpyramide, sind scharf gegeneinandergesetzt. Der Autor

570 Zusammenfassung des »Ausspracheabends


der Dissertation über Fnihtypen der rheinischen Landkirche setzte den Stilwillen des ver¬
über die Vortragsreihe«. In: Kirchen in Trüm¬ muteten Ursprungszustands, die »königlich-karge Gestaltwelt der Frühe«574, imperativ
mern. a.a.O. S. 210. gegenüber dem gewordenen Bestand durch. Daß die eigene Gegenwart sich in
571 Heinrich Lützeier. ebda. S. 65.
Geschlossenheit und Askese, aber nicht in der Neuerfindung von Formen niederschlug,
572 Clemens Holzmeister. Bauten, Entwürfe und
Handzeichnungen. Salzburg, Leipzig 1937. trug den Architekten Kritik auch von modern gesinnten Zeitgenossen ein. In dem Bau
S. 15f. - Vgl. Christoph Machat. Der Wieder¬ mochten sie eher ein Fortleben neuromanischer Monumentalität im Sinne von Albert
aufbau der Kölner Kirchen. Landeskonservator
Bosslets St. Salvator in Münsterschwarzach (1935-38, Abb. 120) sehen als einen Akt
Rheinland. Arbeitsheft 40. Köln 1987. S. 54ff.
573 RS. Kirchenbau. S. 100. schöpferischer Denkmalpflege. Die Irritation war umso größer, als auch die von
574 ebda. S. 106. Schwarz selbst nicht sehr geliebte Allerheiligenkirche in Köln-Marienburg (1950-51,
575 Albert Schulze Vellinghausen. Indirekte Fest¬ WV 123), laut Albert Schulze Vellinghausen eine »neugotische Garage«, den Schöpfer
schrift für Gropius. Frankfurter Allgemeine
Zeitung, 22. 5. 1953. - Die Allerheiligenkir¬
der Aachener Fronleichnamskirche auf dem Wege zu einem trutzigen Traditionalismus
che - wenn schon »Garage«, dann eher eine vermuten ließ.575
neuromanische - entstand für die britischen Bei der Auseinandersetzung mit der gegebenen, wenn auch meist beschädigten Bausub¬
Besatzungsstreitkräfte. Der ursprüngliche
stanz kündigte sich ein Nutzungsproblem an, das die Amtskirchen bis in unsere Tage
Entwurf eines Rechtecksaals mit eingestellten
Stützen und flachen Tonnen quer zur beschäftigt. Die Kirchen waren zu groß geworden. St. Heribert in Köln-Deutz
Längsachse mußte auf Wunsch der Bauherren (1946-55, Abb. 185, 186, WV 96), ist eine dieser Kirchen, denen die Gemeinde kaum
in gotische oder romanische Formen verän¬
noch gewachsen ist. Die neuromanische Basilika, mit Doppeltürmen, Vierungsturm
dert werden. Vgl. Karin Becker. Rudolf
Schwarz. 1897-1961. Kirchenarchitektur. a.a.O. und dreischiffigem Querhaus eine Kathedrale des 19. Jahrhunderts, liegt auf dem rech¬
S. 366. ten Rheinufer und beherbergt den kostbaren Heribertschrein. Schwarz und sein Part-

130
131
ner Josef Bernard erwogen unter anderem, das dreischiffige Haupthaus mit einer Glas¬
wand zur Vierung ahzuschließen und in der Höhe für andere Gemeindezwecke zu tei¬
len. Die realisierte Lösung schloß sich dem nicht an. Sie legte den liturgischen Schwer¬
punkt, Altar und dahinter der Schrein, in die nun als räumlichen Schwerpunkt
empfundene Vierung. Es kennzeichnet Schwarz, den Schrein auf vier dunkelgrünen
Marmorsäulen so hoch zu heben, daß er der Betrachterneugierde entzogen und zum
weithin präsenten Reliquiar wurde.
Andererseits kürzte er die Kirche dort, wo der Anspruch nicht mehr gedeckt war: kein
Vierungsturm, flache Zeltdächer statt Rautenhelmen bei den Doppeltürmen, Zwergga¬
lerie und oberstes Stockwerk der Chortürme entfallen. Konservatorisch-historisierende
Einwände und auch die dominierende Rolle im rechtsrheinischen Panorama hatten
gegenüber Gründen der Angemessenheit zurückzustehen. Unter neuen, leichten
Dachüberständen schließt Ziegelmauerwerk die Lücken und tritt hinter den ruinösen
Kanten des alten Bruchsteinmauerwerks zurück. Improvisation und Vorläufigkeit gehen
in die Ästhetik des Wiederaufbaus ein.
Solche Aufgaben, interpretierender Wiederaufbau und gleichzeitig liturgische Neuord¬
nung, stellten sich damals immer wieder. Ein kostbarer Schöpfungsbau, frühlingshafte
« M/V
deutsche Frühgotik statt - wie bei St. Heribert - nachempfindendem 19. Jahrhundert,
181 Rudolf Schwarz. Umbau der Liebfrauen¬ wurde dem Architekten mit der Liebfrauenkirche in Trier anvertraut (1950-53, WV
kirche. Trier. 1953. Grundrißschema. 126). Schwarz, der 1940 schon als Gutachter für die Lüngestaltung des Trierer Doms
herangezogen worden war, wandte sein bildhaft-analytisches Denken auf die Neuord¬
nung des Innenraums an. Im zentralisierenden Grundriß der Liebfrauenkirche mit
ihrem zwölffach genischten Raummantel ist die östliche Kapelle als Chor durch Länge
und Größe ausgezeichnet. Schwarz sah in diesem Plan die Ubereinanderprojektion
dreier Figuren: Rose, Kreuz und Kuppel (Abb. 181). Die neue Altarinsel greift die
Interferenzen des gotischen Grundrisses auf. Der Altar steht auf einem der Vierung
einbeschriebenen Kreis, doch nicht in dessen Mittelpunkt. Das andere Ende der Insel
nimmt, schon im Chor, ein zweiter Altar mit dem Tabernakel ein. Das moderne
Wunschbild der »Einhelligkeit«, der Korrespondenz von Leistung und Raumform, war
hier nicht realisierbar, weil die Mehrdeutigkeit des mittelalterlichen Bauwerks sie nicht
zuließ. Sie mußte vielmehr erhalten und verdeutlicht werden, weil sie eine wesentliche
Qualität dieses Baudenkmals war.
Was Schwarz unter interpretierender Denkmalpflege verstand, wurde besonders deut¬
lich bei einem Bauwerk, das zwar auch der Wiederaufbau - oder soll man sagen: Neu¬
bau - eines ehemaligen Sakralgebäudes war, das aber für weltliche, staatliche Zwecke
bestimmt war. Die Frankfurter Paulskirche (1946-48, Abb. 187-191, WV 90) war in
den ersten Nachkriegsjahren das politisch bedeutsamste Bauwerk Deutschlands über¬
haupt.576 Der Ideenwettbewerb zum Aufbau des klassizistischen Bauwerks wurde bereits
im Juni 1946 unter hessischen Architekten ausgeschrieben. Die 109 Einreichungen
überzeugten jedoch weder Öffentlichkeit noch Auslober.
»Fast lauter SA-Männer«, befand der Architekt Hermann Mäckler angesichts der Ent¬
würfe. »Ja, das waren Luftfahrtministerien, Propagandaministerien, Braune Häuser,
Häuser des Fremdenverkehrs, Häuser der Deutschen Kunst, Reichskanzleien. Alles en
miniature, notabene«.577 Stadtbaurat Eugen Blanck nahm Kontakt zu seinem Kölner
Kollegen Rudolf Schwarz auf, der als Nicht-Hesse am Wettbewerb nicht hatte teilneh¬
men können. Die Planungsgemeinschaft Paulskirche umfaßte schließlich außer

576 Akten des Magistrats und der Stadtkanzlei der Schwarz dessen früheren Mitarbeiter Johannes Krahn, den Wettbewerbspreisträger
Stadt Frankfurt im Stadtarchiv Frankfurt am Gottlob Schaupp und Stadtbaurat (!) Blanck. Schwarz galt als »Hauptplanleger«.
Main. - Wolfgang Klötzer. Die Frankfurter Die Symbolik, die sich mit diesem Bau verknüpfte, war mehrfach: Anknüpfung an die
Paulskirche - Symbol der Deutschen Einheit.
Tradition des ersten gewählten deutschen Parlaments, Hoffnung auf ein neues demo¬
Frankfurt am Main 1978. - Maria Schwarz,
Klaus Wever. Paulskirche Frankfurt am Main. kratisches Staatswesen, in dem der Paulskirche als Versammlungsort und Festhaus eine
Werkstattgespräch über eine Instandsetzung. Ty¬ zentrale Rolle zugedacht war (zumal Frankfurt bis 1949 die Würde und Bürde einer
poskript. Frankfurt am Main 1984. - Magi¬
Bundeshauptstadt erstrebte), aber auch ein Zeichen der Lebenskraft und des Lebens¬
strat der Stadt Frankfurt. Dezernat Hochbau¬
amt (Hg.). Die Paulskirche in Frankfirrt am willens überhaupt. Im Aufruf der Stadt Frankfurt hieß es 1947: »Ganz Deutschland
Main. Frankfurt am Main 1988. muß die Paulskirche wieder aufbauen, von außen und von innen, im Stein wie im Gei¬
577 Hermann Mäckler. Anmerkungen zur Zeit. In:
ste!«578 Aus allen Teilen Deutschlands trafen Spenden ein, Geld, Steine, Fichten¬
Baukunst und Werkform (1948) 2, S. 12.
578 Aufruf der Stadt Frankfurt am Main zum Wie¬ stämme, Dachpappe, und als Tauschobjekte gegen Handwerkerleistungen auch
deraufbau der Paulskirche. 20. 1. 1947. Kornsäcke, Zigarren und, von der Gemeinde Bergen-Enkheim, fünf Zenter Apfel.

132
Rudolf Schwarz, Rudolf Steinbach. Wiederauf¬
bau Schloßkirche Johannisberg
(Rheingau). 1943-51.
182 Vierung und Querhaus.
183 Außenansicht.

184 Schloßkirche Johannisberg (Rheingau) vor


der Zerstörung 1942.

Rudolf Schwarz, Josef Bernard. Wiederaufbau


St. Heribert. Köln-Deutz. 1946-55.
185 Grundriß.
186 Schnitt.

133
Vom elliptischen Rundbau der Paulskirche stand 1945 nur noch die ausgeglühte Mau¬
erschale aus roten Sandsteinquadern, deren römisches Pathos viele Zeitgenossen
berührte. Diese in der Zerstörung offenharte Großartigkeit galt es in den Neubau zu
übernehmen. Schon der Aufruf der Stadt hatte solche Gedanken nahegelegt, wenn er
von einem »ehrwürdigen Raum« sprach, »in dessen aufsteigendem Rund das deutsche
Volk zu Aussprache und Feier sich immer wieder versammelt«. Schwarz nahm den Ton
auf und sprach die Hoffnung aus, die neu gefundene Form sei »von einer solch mönchi¬
schen Strenge, daß darin kein unwahres Wort möglich sein sollte«.579 Sowohl im
Außen- wie im Innenbau interpretierte das Planungskollegium den alten Baubestand,
statt ihn in seiner historischen Form zu übernehmen. Ein flach gewölbtes Dach, dem
Panzer einer Schildkröte vergleichbar, ersetzte das steilere, mit Gauben bestückte Dach
des klassizistischen Vorgängerbaus und ließ im Erscheinungsbild dem Mauerrund den
Vortritt. Unter ihm steckte eine Zeltdecke aus Holz mit einem zentralen Oberlicht. Die
Lichtführung läßt an das römische Pantheon mit seinem offenen Gewölbescheitel den¬
ken. Die säulengetragene Empore des Ursprungsbaus wurde gestrichen, ein gedrücktes
Foyer unterhalb der Sohlbänke der Hochfenster eingezogen.
Der Aufstieg aus dem Dunkel dieser niedrigen Wandelhalle hinauf in die Lichtfülle des
hohen Saals gehört zu den schöpferischen Ideen der Neugestaltung, wenn man so will:
zu ihrer Utopie. Er symbolisierte den schweren, aber letztlich hoffnungsfrohen Weg,
den das Volk zu gehen habe. »Die wiederhergestellte Paulskirche«, so Rudolf Schwarz,
»erinnert an den Willen unseres Volkes, eine bessere Ordnung aus dem Zusammen¬
bruch aufzubauen, durch ihre reine und arme Gestalt.«580 Von heiliger Nüchternheit,
nichts beschönigend, hilfreich der Wahrheit des Wortes und erfüllt von der Poesie
des Einfachen, so wollten die Baumeister und ihre Auftraggeber dieses Festhaus der
Deutschen.
Der tatsächliche Gebrauch, der von der wiederaufgebauten Paulskirche gemacht wurde,
entsprach nicht immer diesem hohen Anspruch. Hier fanden nicht nur Feste, Feiern und
Gottesdienste statt. Zeitweise waren auch Wunderheiler und Fastenkur-Spezialisten als
Nutzer zugelassen. Daß die Stadt der Bi- und Trizonenverwaltung, der Ort reichsstädti¬
scher Herrlichkeit, einstiger Kaiserwahlen und -krönungen und der Bundesversamm¬
lung von 1815 bis 1866 den Rang einer vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn überlassen
mußte, beraubte diese Inkunabel der deutschen Geschichte mancher ihrer denkbaren
Aufgaben. Als in den achtziger Jahren die erneute Renovierung des Bauwerks diskutiert
wurde, die aus bau-, installations- und sicherheitstechnischen, nicht zuletzt aber aus
akustischen Gründen nötig geworden war, drohte die konservative Zeitstimmung das
187 Frankfurt am Main mit Blick auf Nikolai¬
kirche, Römer und Paulskirche. 1947. Konzept von 1948 in Frage zu stellen und das Gebäude mit dem Blick auf den Zustand
des 19. Jahrhunderts zu restaurieren. Für dieses Mal unterlag die Partei der Archivare,
Planungsgemeinschaft Paulskirche. Wiederauf¬ die den ältesten Zustand für den einzig richtigen hält. Der Baubefund von 1948 blieb als
bau Paulskirche. Frankfurt am Main. 1946-48.
denkwürdiges Geschichtsdokument der Nachkriegszeit respektiert.
188, 189 Treppe zum Festsaal. Aufnahmen von
Das Schicksal der Paulskirche ist eng mit dem des Goethehauses verknüpft. Beide Bau¬
ca. 1948 und 1996.
werke, zwischen denen nur ein paar hundert Meter liegen, brannten im März 1944 aus.
Beiden kam im Deutschland der Nachkriegsjahre eine einzigartige Bedeutung zu, dem
Haus am Großen Hirschgraben 23 als der Geburtsstätte des Dichters, der immer wie¬
der als Symbol des »guten Deutschland« in Anspruch genommen wurde, der Paulskir¬
che als einer Geburtsstätte der deutschen Demokratie. Den symbolischen Rang beider
Denkmäler mag man heute mit größerer Gelassenheit betrachten. Im zerstörten Lande
wurde ihnen dagegen eine immer wieder und geradezu inbrünstig beschworene, natio¬
nale Aktualität zugemessen. Sie galten als »heilige Aufgaben«. Die Rekonstruktions¬
arbeiten liefen nicht nur gleichzeitig, sondern waren sogar voneinander abhängig. Zeit¬
weise mußten die Leute vom Goethehaus zähneknirschend dulden, daß die Bauarbeiter
von ihrer Baustelle zugunsten der Paulskirche abgezogen wurden.
Trotz zeitlicher und räumlicher Nähe wurden die beiden Frankfurter Gedenkstätten
nicht zu Pendants, sondern zu Alternativen im Umgang mit Vergangenheit. Das
Goethehaus wurde wortgetreu wiederaufgebaut, trotz heftiger Widerrede (und ebenso
579 RS. Kirchenbau. S. 94. heftiger Unterstützung). Die Kritiker fanden es nicht statthaft, in der Zeit unsagbarer
580 Planungsgemeinschaft Paulskirche. Denk¬
Wohnungsnot so viel Kraft und Mittel in die Errichtung eines historischen Patrizier¬
schrift zur Fortsetzung des Wiederaufbaus der
Paulskirche Frankfurt/Main. April 1960. Typo¬ hauses zu stecken. Sie stellten die Frage nach der moralischen Wahrhaftigkeit, bezich¬
skript. tigten die Kopie der Lüge und warfen den Rekonstrukteuren vor, mit der Rücknahme

134
135
Planungsgemeinschaft: Paulskirche. Wiederauf¬
bau Paulskirche. Frankfurt am Main. 1946-48.
190 Schnitt.
191 Festsaal.

der Zerstörung auch die Ursachen der Zerstörung vergessen machen zu wollen. Das
Goethehaus drohe zu einem Sinnbild der Restauration zu werden, argwöhnte Walter
Dirks. Dirks war es auch, der aus der Ehrfurcht vor dem Spruch der Geschichte die
Konsequenz ziehen wollte: »Die Haltung, die wirklich groß und Goethes würdig ist,
heißt: das Schicksal annehmen, Ja dazu sagen: gefallen sein lassen, was gefallen ist; die
Kraft zum Abschied haben, zum unwiderruflichen Abschied; sich selbst und niemandem
in frommer Täuschung vorschwindeln wollen, daß das Goethehaus eigentlich doch
noch da sei: es ist nicht mehr da.«5Sl
Der Paulskirchen-Neubau dagegen war keine fromme Täuschung. Seine Architekten
zauberten keine Illusionen. Sie akzeptierten, was geschehen war, und fanden aus dieser
Einsicht eine neue Gestalt. Es besagt etwas über die Kraft, die Planer wie die Paulskir-
581 Walter Dirks. Mut zum Abschied. a.a.O. - vgl. chen-Architekten beseelte, und besagt auch etwas über die Schwäche der späteren
Bettina Meier. Goethe in Trümmern. Vor vierzig
Generation, daß diese Leistung in Frage gestellt werden konnte und rückgängig
Jahren: Der Streit um den Wiederauflau des
Goethehauses in Frankfurt. In: The Germanic gemacht werden sollte, während Repliken und Falsifikate sich bei Politikern wie Publi¬
Review 53 (1988) 4, S. i83ff., kum größter Popularität erfreuen - und nicht nur in Frankfurt am Main.

136
»Tempelschändung« - Bauhaus- und andere Debatten

Die Bauhaus-Debatte, die Schwarz Anfang 1953 einem Aufsatz in Baukunst und
Werkform entfesselte,582 setzte nicht erst 1953 ein. Schwarz hat sie schon in den zwanzi¬
ger Jahren begonnen, ohne daß seine Äußerungen damals großes Aufsehen erregt hät¬
ten. Das Bauhaus kannte er natürlich aus der Publizistik, aber auch aus eigener
.Anschauung. Er war 1926 dort gewesen — möglicherweise sogar zur Eröffnung? — und
offenbar auch 1929, also in Jer Ära Hannes Meyerd85 Als Verrat an einem liberal aufge¬
faßten Begriff der Moderne hatte er »die verschiedenen Kundgebungen, mit denen das
Bauhaus die Erde beglückte«, schon frühzeitig ausgemacht. Schwarz hat sich 1929
nicht vorsichtiger ausgedrückt als 1953. Diese ästhetisierenden Technizisten übertrie¬
ben alles - im Gegensatz zu den Vertretern des »Sachlich-Konstruktiven«, die er
schätzte -, machten aus einer brauchbaren Kücheneinrichtung eine unbrauchbare Ideo¬
logie und neigten zu »widerlicher Orthodoxie«.58^ Ausgenommen vom Tadel blieb
damals wie auch später die Leistung des letzten Bauhaus-Direktors, seines Freundes
Mies van der Rohe.
Als bauhistorisch gebildeter Architekt hatte Schwarz ein in Zustimmung und Ableh¬
nung intensives Verhältnis zur älteren wie zur jüngsten Baugeschichte. Joseph Maria
Olbrich, August Endell, Otto Wagner, auch Hermann Billing gehörten für ihn zu den
»leuchtenden Baumeistergestalten«, Henry van de Velde zu den großen Künstlern aus
der »schwermütigen Zeit des Symbolismus«. War es seine Lust an der Provokation,
wenn er dieser Ahnengalerie auch den Monumenten-Spezialisten Bruno Schmitz (und
mit ihm in einem Atemzug Adolf Loos!) hinzufügte?585 Von den Zeitgenossen gehörte
»der große finnische Architekt Aalto« zu den Architekten, die Schwarz für eine Beru¬
fung an die Düsseldorfer Akademie vorschlug. Frank Lloyd Wrights »freie« und
»ungebundene« Kunst hoffte er auf einer geplanten, aber nicht realisierten Ameri¬
kareise aus eigener Anschauung kennenzulernen.s86
Schwarz nutzte das Beispiel Wright wie das Beispiel Mies van der Rohe, als positive
Bezugsfigur in seiner Auseinandersetzung mit dem Bauhaus. »Ich habe heraus zu
bekommen versucht, welches Anliegen eigentlich [bei Frank Lloyd Wright] dahinter¬
steckt, und gefunden, daß es weitgehend das gleiche ist, das auch ich ins Feld geführt
582 RS. »Bilde Künstler, rede nicht«. In: Baukunst
habe.«587 In der Tat lag Wright mit seinen Kollegen von der internationalen Moderne
und Werkform 6 (1953) 1, S. 9ff. - Die meisten
in einem ähnlichen Streit wie Schwarz. Gropius, Erich Mendelsohn (der sich für einen (auch die seinerzeit nicht veröffendichten)
seiner Freunde hielt), Marcel Breuer oder Le Corbusier, allerdings auch Mies waren für Dokumente dieser Kontroverse in: Ulrich
Conrads, Magdalena Droste, Winfried Ner-
Wright linke Modernisten, die sich den Segnungen des organischen (und laut Wright
dinger, Hilde Strohl (Hg.). Die Bauhaus-De¬
uramerikanischen) Bauens verschlossen. batte 1953. Bauwelt Fundatnetite 100. Braun¬
Zwiespältig war Schwarz’ Verhältnis zu Le Corbusier, den er in seinem klösterlichen schweig, Wiesbaden 1994.
Pariser Atelier, 35, Rue de Sevres, zusammen mit den Teilnehmern einer Studienreise¬ 583 RS an Dominikus Böhm, 8. 12. 1926. Nachlaß
Dominikus Böhm. HAStK. - RS. Notiz zu ei¬
gesellschaft 1949 auch persönlich kennenlernte. Die Beschreibung ist ein Kabinettstück
ner geplanten Reise nach Berlin, 5. 12. 1929.
der Ironie. Tom Wolfe hätte es ohne weiteres in seine Kritik der »weißen Götter« über¬ »Dessau: Bauhaus«. - Schwarz hatte sich
nehmen können.588 Im 3,5 m breiten Korridor, einer wahren »Galeere«, hocken »32 sogar, wie Hubert Hoffmann erinnerte, nach
einem seiner Besuche schriftlich nach bau¬
Adepten«. Können sie unter den beengten Umständen eine einzige Idee fassen? Nein,
technischen Details der Bauhausgebäude er¬
verrät ein junger Schweizer Architekt dem deutschen Gast, das sollen sie auch nicht. kundigt. Hubert Hoffmann. Stimme des Bau¬
»Denn der Meister liebe nicht, daß seine Mitarbeiter Einfälle hätten, das habe er sich hauses. In: Die Bauhaus-Debatte 1933. a.a.O.
S.78.
selbst Vorbehalten.« Le Corbusier führt der Reisegesellschaft einen neuen, körperbezo¬
584 RS. Neues Bauen? In: Die Schildgenossen 9
genen Maßstab vor - den Modulor, der ein Jahr später publiziert wurde. »Er hat jetzt (1929) 3. S. 212. Ähnlich in: Baustelle Deutsch¬
die Sache endgültig heraus.« land. In: Die Schildgenossen 12 (1932) 1, S. iff.
In den zwanziger Jahren war es das Bekenntnis zur Kunst gewesen, das den französi¬ 585 RS. Das Anliegen der Baukunst. Vortrag in
Darmstadt, 4.-6. 8. 1951. In: Otto Bartning
schen Kollegen von vielen anderen Vertretern der Moderne, den Funktionalisten, Kon¬ (Hg.). Darmstädter Gespräch. Mensch und
struktivsten und Technizisten unterschied. Insofern kam Le Corbusiers Position den Raum. Darmstadt 1952. S. 6off. - »Bilde
Auffassungen von Schwarz entgegen, für den Architektur Bau&wmt bedeutete. Auf der Künstler, rede nicht«. a.a.O. S. 12.
586 RS an Robert Grosche, 30. 5. 1949. - RS an
anderen Seite war die Kunst bei Le Corbusier dem Artistischen nicht fern, spielte mit
Martin Wagner, 23. 12. 1949.
dem Bildervorrat des Maschinenwesens, statt es als Wegweisung der Technik ernstzuneh¬ 587 RS an Alfons Leid, 4. 7. 1953.
men, und ermangelte scheinbar auch der essentiellen Begründungen, die Schwarz 588 RS. Bericht über eine Studienreise nach Frank¬
reich vom 13. bis 23. Mai 193.9. Typoskript.
immer wieder zu formulieren suchte.
Folgende Zitate S.uf. - Tom Wolfe. Front
Nach dem Kriege waren es vor allem zwei Bauten, mit denen Schwarz sich nicht einver¬ Bauhaus to our house. New York 1981. Dt.: Mit
standen erklären konnte. Die Unite d’Habitation, in ihrem ersten Marseiller Prototyp, dem Bauhaus leben. Königstein/Ts. 1981.

137
n erschien ihm als »Termitenbau«, ihre gebäudetiefen Maisonette-Wohnungen als viel zu
dunkel. Vor der Berliner Version der Unites (1956-58, Abb. 192), einem »opulenten
Gefängnis«, kam Schwarz zu dem überraschenden Urteil, eigentlich müsse sie viel
größer sein - dreißigmal so lang! Der enge Mittelflur der rue Interieure, in der Tat ein
Schwachstück der Konzeption, müsse zu einer Straße mit Öffnungen und Erweiterun¬
gen, zu »einem wirklichen Hochweg über der Stadt« werden.589
In seiner Zuständigkeit als Kirchenbauer fühlte Schwarz sich durch die Wallfahrtskir¬
che Notre-Dame du Haut in Ronchamp (1950-55, Abb. 193, 194) besonders betroffen.
Ronchamp hatte einen ungeheuren Publikumserfolg, bei Architekten wie bei Laien
gleichermaßen. Ein neuer Le Corbusier schien geboren, eine Wendung der modernen
Architektur erreicht. Aber Schwarz, der im Kirchenbau nichts von privaten Gefühlen
wissen wollte, sondern auf überpersönlichen Ordnungen bestand, rückte das »Kapell-
chen von Corbusier« in jenen großen Uberlieferungsstrang, der vom Barock über
Antoni Gaudi zu Erich Mendelsohns Einsteinturm führte, zu Peter Behrens’ Höchster
Verwaltungsgebäude, zum großen Lehrer Hans Poelzig und schließlich zu Frank Lloyd
Wrights Johnson Wax Building. Sogar Hermann Finsterlins »Architekturskizzen, die
wie große Tiere waren«, vergaß Schwarz nicht. Angesichts dessen erinnerte ihn die
Architekturplastik auf den Vogesenhöhen allzu sehr an Hollywood (vgl. S. 160).590 Es
war eine Kritik, die ihn - wie auch die Bauhaus-Debatte - ohne seine Absicht an die
Seite von Erzkonservativen wie Paul Schmitthenner brachte.
Die Willkür (statt der Notwendigkeit) des Künstlertums war die eine Position, gegen
die Schwarz sich wandte. Aber viel bedenklicher erschien ihm die ästhetisierend-techni-
zistische und einseitig rechnerisch-zweckmäßige Position, die für ihn seit je durch die
Person Walter Gropius verkörpert war. Daß Gropius Wohnform mit Weltanschauung
gleichsetze, »worunter er in Wirklichkeit Wirtschaftsanschauung« verstehe, kritisierte
Schwarz schon 1931. Nach 1945 kam er häufig auf diesen Tadel zurück. Gropius habe
»in fast leidenschaftlichem Haß gegen alles >Runde< seine ganze Schule zum kubischen
Glaubensbekenntnis geführt«. Zwar attestierte er dem Kollegen »in mancher Hinsicht
einseitigen schöpferischen Willen«. Gropius habe ihn aber dazu benutzt, in allen Erd¬
teilen das Kunstleben so zu beeinflussen, daß sein Name und der des Bauhauses nicht
mehr aus der Kunstgeschichte fortgedacht werden könnten, »und zwar mit einem
192 Le Corbusier. Unite d’Habitation. Berlin. äußerst bescheidenen Aufwand an Mitteln«.59'
1956-58. Uber eine notwendige Überprüfung der modernen Positionen hat natürlich nicht nur
Schwarz frühzeitig nachgedacht. Poelzig hatte 1931 in seiner großen Rede vor dem
Le Corbusier. Wallfahrtskirche Notre-Dame
Bund Deutscher Architekten Vergeistigung und Verlebendigung der Materie statt der
du Haut. Ronchamp. 1950-55.
193 Ansicht von Osten. Mechanisierung des Lebendigen angemahnt. Adolf Behnes berühmte Rezension der
194 Grundriß. Werkbund-Siedlung in Karlsruhe-Dammerstock und ihres dogmatischen Zeilenbaus
war die schärfste Kritik, die der Moderne aus ihren eigenen Reihen widerfahren
konnte. Josef Frank, Hugo Häring, Peter Meyer, Alexander Schwab, Bruno Taut hatten
von jeweils unterschiedlichen Positionen her, aber aus einer dem Neuen Bauen gegen¬
589 RS. Bericht über eine Studienreise nach über grundsätzlich positiven Haltung den drohenden Akademismus der Moderne
Frankreich... a.a.O. S. 11. - RS an Hans beklagt und eine von Dogmen freie, auf die Bedingungen des Lebens flexibel reagie¬
Schwippert, 6. 10. 1958.
rende Architektur eingefordert.592
590 RS. Brief über Ronchamp. In: Baukunst und
Werkform 9 (1956) 3, S. 117h Die Veröffentli¬ Zu Anfang der dreißiger Jahre, in Weltwirtschaftskrise und beginnendem Dritten
chung geht auf einen Brief von Schwarz an Reich, war diese Revision der Moderne nicht mehr ausgefochten worden und hatte
Ulrich Conrads vom 23.1. 1954 zurück.
nicht mehr zu sichtbaren Konsequenzen geführt. Daß sie nun fällig wurde, daß alte
Zu Schwarz’ Kritik an Le Corbusier auch: RS
an Herbert Freiherr von Butdar (der ihn als funktionalistische Rezepte nicht mehr blindlings akzeptiert werden konnten, war unter
Redner zur Eröffnung einer Le Corbusier- den Nachdenklichen eine verbreitete Einschätzung. Ein Aufruf Grundsätzliche Forde¬
Ausstellung gewinnen wollte), 22. 7. 1957: rungen aus dem Jahre 1947 verlangte statt der »Taten der nackten Selbsterhaltung, des
»Ich bin überzeugt, daß [Sie] in sämtlichen
krassen Egoismus, der unsozialsten Einstellung« die Neubesinnung von Grund auf;
fünf Erdteilen und auch den dazu gehörigen
Weltmeeren niemanden hätten finden kön¬ und damit waren nicht Funktionalismus und Rationalismus gemeint: »Wir sind auf den
nen, der weniger geeignet und willens wäre, Grund der Dinge verwiesen, von da aus muß die Aufgabe neu begriffen werden...
eine Hymne auf das Werk von Herrn Corbu¬
Denn nur das Gültig-Einfache ist vielfältig brauchbar.«595 Der Aufruf trug, von Otto
sier zu dichten, als gerade mich.« - RS an Al¬
fons Kirchgässner (Pfarrer von St. Michael in Bartning bis Hans Warnecke, fast vierzig Unterschriften. Darunter war auch die von
Frankfurt): »Wie ein Atheist sich die Religion Rudolf Schwarz.
vorstellt.«
Während des Darmstädter Gesprächs 1951 (aber auch bei anderen Anlässen) sprach
591 RS an Mies van der Rohe, 1. 1. 1931. - RS an
Martin Wagner, 2. 1. 1949. - RS an Robert Schwarz sich abermals gegen »Irrlehren materialistischer Art, funktionalistischer Art«
Grosche, 30. 5. 1949. aus. Das erste Darmstädter Gespräch 1950 hatte dem Menschenbild in unserer Zeit gegol-

138
tcn und war stellenweise - so beim Auftritt des Kunsthistorikers Hans Sedlmayr, Verfas¬
ser des Traktats vom Verlust der Mitte (1948) - zu einem Femegericht gegen die Moderne
geworden. Das sollte die nächste, von Otto Bartning geleitete Tagung zum Thema
Mensch und Raum vermeiden. Die begleitende Ausstellung resümierte - fünfzig Jahre
nach der Ausstellung Ein Dokument deutscher Kunst auf der Darmstädter Mathildenhöhe
- ein halbes Jahrhundert neuer Baukunst. Die Beispiele reichten von Alvar Aalto bis
Frank Lloyd YV right. Schwarz war mit der Fronleichnamskirche in Aachen, den Kapel¬
len in Leversbach und Köln-Kalk (Abb. 198, 199) und mit Wohnhäusern aus den dreißi¬
ger Jahren vertreten. Außerdem wurden Planungsaufträge der Stadt ausgestellt, die
sogenannten Meisterbauten. Schwarz war mit einem Entwurf für eine Mädchenberufs¬
schule beteiligt (Abb. 282, WV 127). Das Projekt blieb unrealisiert wie die meisten ande¬
ren, so daß die Stadt nicht zu einer Bauausstellung kam, die es mit den Mathildenhöhe- 195 Hans Schilling. St. Mariä Himmelfahrt.
Ausstellungen zwischen 1901 und dem Ersten Weltkrieg hätte aufnehmen könnend Wiehl-Feld. 1955-56. Grundriß.
Die Anwesenheitsliste der Darmstädter Tagung blieb, soweit es die Architekten betraf,
hinter den Erwartungen zurück. Aalto, Gropius, Mies, Oud, van de Velde hatten aus
unterschiedlichen Gründen abgesagt, ebenso Romano Guardini und Carl Friedrich von 592 Hans Poelzig. Der Architekt. Rede auf dem 28.
Bundestag des BDA. Berlin, 1931. Wiederab¬
Weizsäcker.595 Gleichwohl wurde das Symposium viel beachtet und auch nachträglich
gedruckt in: Julius Posener (Hg.). Hans Poel¬
publiziert. Schwarz war mit Otto Ernst Schweizer, Martin Heidegger und Ortega y zig. Gesammelte Schriften und Werke. Berlin,
Gasset ein Hauptredner. Eine Abrechnung war es auch in Darmstadt schon, die 1970. S. 2 29ff. - Adolf Behne. Dammerstock.
In: Die Form 6 (1930) 6, S. 163ff. - vgl. auch
Schwarz »im schönsten Rheinisch«596 der Architekturwelt präsentiert hatte: die
Kristiana Hartmann (Hg.), trotzdem modern.
Abstraktion des Lebens durch mißbrauchte Technik, die Verderbnis des Sehens durch Die wichtigsten Texte zur Architektur in Deutsch¬
die Fotografie, der Rang der »Weltbauabsicht«, die der Baumeister im Sinne haben land 79/9-/933. Bauwelt Fundamente 99.
Braunschweig, Wiesbaden 1994.
müsse und nicht über Zweck und Nutzen aus den Augen verlieren dürfe. »Eine Sache
593 Ohne Verf. Anmerkungen zur Zeit. In: Hefe
gelingt nie aus ihrer reinen Sachlichkeit.«59?
für Baukunst und Werkform. o.J. (1947) 1, S. 3.
So hätte die Position, die Schwarz anderthalb Jahre später auch im Bauhaus-Streit ein¬ - Ein Aufruf: Grundsätzliche Forderungen.
ebda. S. 29.
nahm, eigentlich niemanden verwundern können. Aber die Aufmerksamkeit von Zeit¬
594 Weitere Aufträge wurden erteilt für Grund-
genossen ist nicht kalkulierbar. Überraschend für alle Initiatoren nahm die Diskussion
und Volksschulen (Willem Marinus Dudok,
diesmal lawinenhafte Ausmaße an. Ein Grund dafür war sicherlich der Publikationsort, Hans Scharoun, Otto Ernst Schweizer), Gym¬
an dem sie stattfand. Schließlich war es nicht Rudolf Pfisters konservativer Baumeister, nasien (Max Taut, Hans Schwippert, beide
realisiert), ein Stadthaus (Peter Grund), eine
sondern Leids liberale und der Moderne kritisch gewogene Zeitschrift Baukunst und
Tonhalle (Paul Bonatz), eine Klinik (Otto
Werkform.w8 Deren Leser waren auf eine derart heftige und mit allen Registern Bartning, realisiert), ein Ledigenwohnheim
Schwarzseher Ironie geführte Attacke nicht vorbereitet. (Ernst Neufert, realisiert), einen Kindergarten
(Franz Schuster) und ein Gewerkschaftshaus
Der Text, der die Lawine auslöste, lag unter dem Niveau anderer Schwarz-Essays; der
(Schäfer & Besier). vgl. Heinrich Lickes.
Anlaß auch. Herausgeber Leitl wollte in einem seiner Zeitschriftenhefte eigene Kir¬ Darmstadt. In: Deutsches Nationalkomitee für
chenbauten veröffentlichen und sich als Architekt (und nicht immer nur als Journalist) Denkmalschutz (Hg.). Architektur und Städte¬
bau der Fünfziger Jahre. Bonn 1988. S. 8off.
präsentieren. Den Konflikt zwischen Schreiben und Bauen sollte der Beitrag von
595 Romano Guardini an RS, 1. 5. 1951. - Hans
Schwarz thematisieren, ohne ausdrücklich auf Leids eigene Position zwischen Journa¬ Schwippert an RS, 2 8. 6. 1951.
lismus und Architektur einzugehen. Das Vorgespräch, das beide Männer gehabt hatten, 596 Franz Meunier. Nachgeholter Kommentar zu ei¬
setzte sich im Plauderton des Aufsatzes fort. Es geht über dies und jenes, die ästhetisie- nem Kommentar. In: Baukunst und Werkform 6
Ä953) z/3, S. 61.
renden Kunstgelehrten, die Ausbildung der Architekten, den Bruch der abendländi¬
597 Rudolf Schwarz. Das Anliegen der Baukunst. In:
schen Überlieferung. Für ihn macht Schwarz nicht die Nazis verantwortlich, deren Mensch und Raum. a.a.O. S. 84.
Schwulst viel zu belanglos gewesen sei, sondern Materialismus und Funktionalismus, 598 Ursprünglich sollte die Zeitschrift sogar den
Titel tragen, zu dem sich die deutsche Archi¬
und für sie wiederum die »vorlauten und aufgeregten Terroristen«. Und dann fallen die
tekturmoderne bekannte: Neues Bauen. Das
Namen Bauhaus und Gropius. Gropius ist, immerhin, ein unverbindlicher Künstler, erste Heft der zunächst unregelmäßig erschei¬
»aber er konnte offenbar nicht denken« - zumindest nicht, »was nun einmal im abend¬ nenden Zeitschrift kam 1947 heraus. Alfons
Leitl fungierte als Herausgeber, Franz Meu¬
ländischen Raum Denken heißt«. Die Bauhäusler: »vergnügte Kubisten«, die sich zum
nier als Redakteur. Als Konsortium der Mitar¬
»historischen Materialismus« bekannten (und dies an die Adresse von Gropius, der beiter waren neben Schwarz genannt: Otto
stets lavierte, um jede politische Stellungnahme zu vermeiden!). Ihre Äußerungen: Bartning, Egon Eiermann, Werner Hebe¬
»unerträgliche Phraseologie«, »Jargon der Komintern«.5" brand, Hugo Häring, Georg Leowald, Rudolf
Lodders, Otto E.Schweizer, Hans Schwippert.
Daß Schwarz mit dieser Mischung aus Beiläufigkeit, Sarkasmus und fallweise auch Bereits im ersten Heft war Schwarz mit einer
patronisierendem Schulterklopfen die »große Berichtigung« der Architekturge¬ langen Reflexion über Das Unplanbare vertre¬
schichte, um die es ihm ging, erreichen würde, kann er selbst nicht erwartet haben. Der ten und konnte zum 50. Geburtstag die
Glückwunschadressen Rudolf Steinbachs und
Aufsatz wirkte wie ein Stoß ins Wespennest, fand Leitl, der die Tragweite des Artikels
des Herausgebers entgegennehmen. Heft 2
selbst falsch eingeschätzt hatte.600 Das nächste Doppelheft von Baukunst und Werkform (1948) war in seiner zweiten Hälfte dem Werk
wurde mit sieben überwiegend kritischen Stimmen gefüllt. Den ironischen Verbalinju¬ Rudolf Schwarz’ gewidmet.
599 RS.»Bilde Künstler, rede nicht«. a.a.O. Zitate
rien von Schwarz folgten die groben Verbalinjurien seiner Kontrahenten. Richard
S.i5ff.
Docker erwog einen Boykott der Zeitschrift. Hinter der Szene organisierten die Prota¬ 600 Alfons Leitl an Rudolf Schwarz, 19. 3. 1953.
gonisten ihre Anhänger. Nach außen entschied sich Walter Gropius klugerweise für die In: Die Bauhaus-Debatte 7953. a.a.O. S. 49.

139
wirksame Rolle des über den Tagesstreit erhabenen Patriarchen: »I myself will keep a
detached attitude.«601
Schwarz erhielt im nächsten Heft, April 1953, Gelegenheit zur Replik. So kleinlich und
flüchtig die erste Attacke geraten war, mit seinem zweiten Beitrag Was dennoch bespro¬
chen werden muß gelang ihm ein großer Wurf. Man spürt, daß hier ein Autor um etwas
kämpft, das ihm wesentlich ist. Die persönlichen Anwürfe sind zurückgenommen.
Pathos herrscht, aber auch Ironie, und der Ironie ist die Selbstironie beigesellt. Vor
allem gelingt es Schwarz, die Motive, die ihn zu seinem Angriff bewegten, darzulegen
und verständlich zu machen. Im ersten Text standen sie mehr zwischen als in den Zei¬
len.
Jetzt erst wurde deutlich, wie sehr es dem Verfasser des Buches Vom Bau des Kirche nach
wie vor auf die Urbilder ankam, auf die großen Wagnisse, der jüngsten wie der ältesten
Überlieferung. Was vorher als kleinliche Kritik am mangelhaft konstruierten Glaswür¬
fel der Alfelder Faguswerke oder des Dessauer Bauhausgebäudes erschien, wurde nun
zu einem Preislied auf die »strahlende gläserne Klarheit der mathematischen Urge-
stalt«. »Jemanden, der einen Glaswürfel baut, schließe ich an mein Flerz, denn er weiß
von einer Welt, die hoch über dem Brauchbaren thront«. Schwarz entsann sich, als er
diese Zeilen schrieb, der kreisrunden Kirche von 1928 (Abb. 85), die aus seiner Aache¬
ner Hochbauklasse hervorgegangen war602 - auch eine »mathematische Urgestalt«.
Angesichts der Notwendigkeit, seine Replik besser zu begründen als die erste Attacke,
scheint er sich das gesamte eigene Werk vergegenwärtigt zu haben. Aus der Wegweisung
der Technik stammt die Erinnerung an das Gestaltreich der Großen Technik, die nicht
zum kleinen Technizismus verharmlost werden dürfe. Max Scheler und Romano Guar-
dini, Kronzeugen seines Denkens schon in den zwanziger und dreißiger Jahren, werden
ins Feld geführt.
Sogar auf die Dombau-Träume der expressionistischen Tage, auf die sich 1919 auch
Gropius berufen hatte (»kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens«!605)
und die auch seine eigenen Träume gewesen waren, besann sich Schwarz. Mit ähnlicher
Dringlichkeit hat ein anderer Gropius-Gefährte der Jahre unmittelbar nach 1918, Her¬
mann Finsterlin, beim Weltstar Gropius die alten Visionen eingeklagt.60« Schwarz
gönnte seinem Kontrahenten Gropius nun, in dieser zweiten Äußerung, den Status
eines großen Abtrünnigen, statt ihn wie in seiner ersten Einlassung lächerlich zu
machen. »Die Architektur ist eine freie Kunst«, dieser Satz, den Schwarz zur allgemei¬
nen Abstimmung stellen wollte, war natürlich nach wie vor angreifbar - beispielsweise
für alle, die im Bauen vor allem den sozialen Dienst sahen. Aber dies war eine Position,
196 Walter Gropius.
um die zu streiten es sich lohnte.
Die Debatte zog sich noch bis zum Oktober/November-Heft 1953 von Baukunst und
197 Walter Gropius. Bauhaus-Gebäude. Des¬
sau. 1926.
Werkform hin. Ihr Risiko für Schwarz lag nicht zuletzt im unterschiedlichen Zeitver¬
ständnis von Autor und Leserschaft. Für Schwarz war es eine Auseinandersetzung, die
in die zwanziger Jahre zurückreichte und deren Argumente er, wenn auch weniger dra¬
stisch, schon vielfach geäußert hatte - und nicht nur er. Lange vor Ausbruch der Dis¬
kussion stand in Baukunst und Werkform zu lesen: »Ein sehr namhafter Schweizer Archi¬
tekturkritiker schrieb uns, er halte es für gefährlich, heute die Fahne des Bauhauses neu
zu entrollen, denn mit >neues bauern seien die Probleme, die uns gerade in den alten
Städten aufgegeben seien, keineswegs getan.«605 Für die jüngeren Teilnehmer dagegen
verkörperte das Bauhaus zwölf Jahre lang unterdrückte Fortschrittlichkeit. »Bauhaus«

601 Walter Gropius an Richard Docker, 29. 4. stand für Aufbruch und Neubeginn. Für sie war es eine noch frische Botschaft, bedeu¬
1953. ebda. S. 118. tete Unterstützung und Orientierung bei ihrer Selbstbehauptung gegenüber dem Kon¬
602 RS. Was dennoch besprochen werden muß. In: servatismus einer weitgehend kompromittierten Generation. Wer diese Berufungsin¬
Baukunst und Werkform 6(1953) 4, S. 192.
603 Walter Gropius. Bauhaus-Manifest. April
stanz in Zweifel zog, machte sich selbst des Konservatismus verdächtig.

I9I9- Schwierig wurden für Schwarz die politischen Implikationen des von ihm ausgelösten
604 »Ach Walter Gropius - warum hast Du Dei¬ Konflikts. Das Bauhaus und seine Freunde waren von den Nationalsozialisten verfolgt
nen treuesten Wunschhelden ein großes Le¬
worden, standen nach wie vor bei den Reaktionären des Bauens in Ost und West in
ben lang verleugnet wie Wotan seinen Sieg¬
mund?« Hermann Finsterlin an Walter Mißkredit und waren - trotz des angeblichen »Komintern-Jargons« - gerade eben wie¬
Gropius, Briefentwurf ca. 1968. In: Reinhard der in der Ddr Verleumdungen und Anfeindungen ausgesetzt. Bauhäusler und Bau¬
Döhl. Hermann Finsterlin. Eine Annäherung.
haus-Freunde galten als Verfechter der Demokratie. Die gastweise zurückkehrenden
Stuttgart 1968. S. 143.
605 Unsigniert (Alfons Leitl). Anmerkungen zur Protagonisten - Gropius das erste Mal 1947 als Berater der amerikanischen Militärre¬
Zeit. In: Baukunst und Werkform (1948) 2, S. 5. gierung - wurden als Lichtgestalten begrüßt, die während der dunklen Jahre das Land

140
verlassen und ihre Ideale in der freien Welt verteidigt hatten. Wie weit auch Gropius
oder Alles bis zum Zeitpunkt ihrer Auswanderung und auch noch in der Kmigration zu
politischen Kompromissen bereit gewesen waren, wurde erst viel später von der For¬
schung aufgearbeitet.
Las man Schwarz, so konnte man zu der Meinung gelangen, eine Diktatur, die des Drit¬
ten Reiches, sei der anderen, der des Bauhauses und seiner Zeitgenossen, gefolgt.
»Feinde der Menschheit, die sich einfach keine Rechenschaft mehr über ihr Treiben
gaben«'" das ließ sich auf beide, Bauhäusler wrie Nazis, beziehen. In der Maßlosigkeit
der Übertreibung verschwand der Kern von Richtigkeit, den solche Behauptungen
besaßen. In der Weimarer Republik hatten Henry Ford und der Rationalisierungspro¬
phet Frederick Winslow Iäylor auch im Baugewerbe, sofern es auf große Quantitäten
in der Produktion setzte, als Vorbilder gegolten. Die Probleme eines Bauens für das
Existenzminimum schienen nur so lösbar.
Die Rationalisierung des Bauwesens, die in der Weimarer Republik die Reichsfor¬
schungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen betrieb und
die Planer der neuen Großsiedlungen in die lat umzusetzen versuchten, fand nach
1933 ihre Fortsetzung in der Planung der technischen Infrastruktur, der Rüstungsindu¬
strie und, nach den großflächigen Zerstörungen des Luftkriegs, in der Industrialisie¬
rung des Wohnungsbaus, die Albert Speer als Rüstungsminister durchsetzen wollte. In
vielen Fällen waren es dieselben Personen, die in der Republik wie im Dritten Reich
vergleichbare Aufgaben bearbeiteten. Die Karriere des ehemaligen Gropius-Mitarbei-
ters und Normierungsexperten Ernst Neufert bot eines von vielen Beispielen.
Die Gefahr, mißverstanden zu werden, war für Schwarz umso größer, als die Architek¬
turszene der Bundesrepublik durch Auseinandersetzungen um die Weiterbeschäftigung
kompromittierter Planer und Architekten sensibilisiert war. So hatte der Streit um die
Wiederberufung des NSDAP-Mitglieds Paul Schmitthenner auf seinen Stuttgarter
Lehrstuhl alle Polemiken des traditionsverpflichteten (und im Kampfbund für deutsche
Kultur unrühmlich aktiv gewesenen) Baumeisters gegen die »Weißenhof«-Moderne
wieder in Erinnerung gebracht. In einem anderen politisch gefärbten Konflikt, dem
Protest des Düsseldorfer Architektenrings gegen die Baupolitik des neuen Stadtbaurats
Friedrich Tamms in Düsseldorf und gegen die Berufung des DAF-Chefarchitekten
Julius Schulte-Frohlinde zum Düsseldorfer Baudirektor, hatte Schwarz selbst kritisch
Stellung bezogen, vor und sogar auch in der Bauhaus-Debatte. Statt daß sich die Leute,
198 Rudolf Schwarz. St.Fronleichnam. Aachen-
die in der Ns-Zeit ins große Horn getutet hätten, nun ein wenig umschulten und still
Rothe Erde. 1929-30.
verhielten, »quellen [sie jetzt] aus allen Ritzen hervor und wenn man sie mit einer
Unmenge freundlicher Redensarten zur Tür geleitet hat, und man von dort zurück¬ 199 Rudolf Schwarz. Wiederaufbau Wallfahrts¬
kommt, findet man sie im eigenen Zimmer wieder, in das sie jetzt durch das Fenster kapelle. Köln-Kalk. 1946-50.

eingestiegen sind.«60? Fotos beider Bauten waren auf der Darmstädter


Ausstellung 1951 ausgestellt.
Gleichwohl fiel es schwer einzusehen, daß eine Stellungnahme gegen das Bauhaus, die¬
sen Hort der Moderne, nicht gleichbedeutend mit einer Stellungnahme zugunsten kon¬
servativer Reaktionäre oder gar alter Nazis war. Daß Schwarz’ Philippika ein Streit
nicht der Reaktion gegen die Avantgarde, sondern ein Bruderkrieg von Avantgardisten
untereinander war, erkannte nur einer, der selbst kein Avantgardist war, Rudolf Pfi¬
ster.608 Wer sich gegen die Ikone Bauhaus verging, verging sich an einem Vorbild der
jungen, noch anfälligen deutschen Demokratie und geriet in den Verdacht schlechter
Gesellschaft. Er mußte mindestens der »katholischen Aktion gegen den Fortschritt«
(Richard Docker) zugerechnet werden, wenn nicht gar den ultrarechten Bauhaus-Geg¬
nern von ehedem ä la Konrad Nonn oder Alexander von Senger (Hubert Hoffmann).609
Schwarz, so fand er selbst in fingierter Büßfertigkeit, kam sich »beinahe wie ein häßli¬
ches Bündel Schlechtigkeit« vor, hatte »ein Heiligtum besudelt, und jetzt verfolgen die 606 RS. »Bilde Künstler, rede nicht«. a.a.O. S. 17.
Erynnien den Tempelschänder.«610 Das Vertrackte der Debatte war, daß beide Parteien, 607 RS an Martin Wagner, 23. 12. 1949.
die zahlreichen Bauhaus-Anwälte und die weniger zahlreichen Schwarz-Verteidiger, in 608 Rudolf Pfister. Verwimtng auf der ganzen
Linie! In: Baumeister, Dezember 1953. Zit. in:
den jeweils anderen Schrittmacher oder Nachfolger des Ns-Unwesens vermuteten, und
Die Bauhaus-Debatte 1953. a.a.O. S. 204.
beide zumindest partiell dessen Opfer gewesen waren. 609 Richard Docker an Walter Gropius, 18. 4.
Als alles gesagt war, auch das, Was dennoch besprochen werden muß, und die Kontrahenten 1963. Hubert Hoffmann. Stimme des Bauhau¬
ses. In: Die Bauhaus-Debatte 1933. a.a.O. S. 117,
erschöpft die Schreibwaffen sinken ließen, fühlte Schwarz sich als Sieger im Streit. Er
?8 -
wurde zu Vorträgen eingeladen, die Studenten seien wie elektrisiert. »Die Diskussion 610 RS. Was dennoch besprochen werden muß. a.a.O.
ist zu ende gebracht und hat zu den von mir erwünschten Ergebnissen geführt. Das S. 192.

141
Gewäsch von dem Bauhausstil und der Entdeckung des neuen Bauens durch Herrn
Gropius und seine Jünger ist aus der Presse verschwunden.« Die Auseinandersetzung
habe sich »lediglich als die notwendige Beerdigung einer anrüchigen Leiche - nämlich
einer an Altersschwäche verstorbenen Weltanschauung erwiesen. Es war überigens [sic]
ein schlichtes Armenbegräbnis an der Friedhofshecke, zu der nur wenige Leidtragende
erschienen waren.«611
Das sahen andere nicht so, Gropius und die Seinen schon gar nicht, auch nicht unab¬
hängige Beobachter wie Albert Schulze Vellinghausen (»zehn zu eins für Gropius«611)
und nicht einmal Alfons Leid, der Chefredakteur von Baukunst und Werkform und
Moderator der Diskussion, der viele Sympathien für Schwarz und dessen Position
hegte. Selbst das Urteil Mies van der Rohes, das für Schwarz außerordentlich wichtig
sein mußte, brachte nicht die vorbehaltlose Bestätigung, sondern fiel sibyllinisch aus.
Als Mies sich im Juni 1953 bei seinem Aufenthalt in Deutschland und in Düsseldorf
erzählen ließ, was vorgefallen war, meinte er: »Schwarz, Sie haben eine wunderbare
Fähigkeit, die Dinge klarzumachen... Aber etwas: ich meine, man sollte immer nur für
etwas kämpfen, nie gegen etwas.«611 Die Bauhaus-Debatte hat ihn Freunde gekostet,
bei anderen Vorurteile begründet oder befestigt. Seit ihrem Ende ist Schwarz schwer¬
lich noch als ein Vertreter der modernen Architektur, einer anderen modernen Archi¬
tektur betrachtet worden.6l+
Schwarz hat es, glaubt man seinen Äußerungen, nicht sonderlich bekümmert. Seinem
eigenen Nachruhm stand die Einschätzung seiner Position, die sich nach der Bauhaus-
Debatte festsetzte, fraglos im Wege. Ob mit ihr eine fällige Revision der Moderne auf
den Weg gebracht war, wie Schwarz hoffte, darf man bezweifeln. Nach dem Schlag¬
wechsel in Baukunst und Werkform wurde die Frage nach den Defiziten der Architek¬
turmoderne für ein Jahrzehnt vertagt (und fiel dann umso heftiger aus). Die persön¬
lichen Attacken, das brillante Formulierungsgeschick, aber auch die Selbstgerechtig¬

611 Rudolf Schwarz an Martin Wagner, 4. 7. 1953,


keit, ja Arroganz, mit denen Schwarz seine Polemik führte, hatten einerseits dem Wort¬
12. 6. 1954. gefecht zu seiner kurzfristig gewaltigen Resonanz verholfen. Der scharfe Ton entsprach
612 Albert Schulze Vellinghausen. Indirekte Fest¬ dem Schwarz-Bonmot, man müsse den Leuten mit dem Vorschlaghammer vor den
schrift für Gropius. In: Frankfurter Allgemeine
Kopf hauen, dann sagen sie vielleicht beim dritten Mal: Ich glaube, da hat einer
Zeitung, 22. 5. 1953.
613 LI. (Alfons Leid). Anmerkungen zur Zeit. Mies geklopft!615
van der Rohe in Deutschland. In: Baukunst und Andererseits war die pointenstarke Polemik des Schwarz-Textes auch ein Grund, wes¬
Werkform 6 (1953) 6, S. 2 75ff.
halb die Debatte so schnell als persönliche Querele ad acta gelegt werden konnte. »Zu
614 Die Einschätzung Schwarz’ als eines konser¬
vativen Architekten hat lange vorgehalten. persönlich, zu hart und zu leidenschaftlich hatte er seine Kritik an einer technizistisch
Für Wiltrud und Joachim Petsch zählt er noch verkürzten Moderne vorgetragen, als daß er auf produktive Antwort und Fortsetzung
1985 weder zu den Modernen noch zu den
der Debatte hätte rechnen dürfen« (Werner Durth).616 Das beginnende Wirtschafts¬
»Halbmodernen«, sondern zu den Traditio¬
nalisten (Neuaufbau statt Wiederaufbau. Archi¬ wunder tat das seine. Mit der Konjunktur und den großen Aufträgen versiegte auch die
tektur und Städtebau in Nordrhein-Westfalen Lust, sich mit grundsätzlichen Erwägungen herumzuplagen, zumal sie sich nachteilig in
1945-1952. In: Klaus Honnef, Hans M. den Auftragsbüchern hätten auswirken können.
Schmidt (Hg.). Aus den Trümmern. Kunst und
Dem posthumen Siegeszug des Bauhauses tat die Debatte keinen Abtrag. Weit entfernt
Kultur in Rheinland und Westfalen. 1945-/952.
Köln 1985. S. 77). von einem »Armenbegräbnis an der Friedhofshecke«, stand dem Bauhaus seine Ver¬
615 Berichtet von Alfons Leid, in: Brief an den un¬ klärung erst noch bevor. Bauhaus-Pädagogik wurde in viele Designschulen eingeführt.
bekannten Leser, an Professor Schwarz, Walter
Die Ulmer nannte sich, wie das Bauhaus, »Hochschule für Gestaltung« und hatte einen
Gropius und an mich selber. In: Die Bauhaus-De¬
batte 1953. a.a.O. S. 241. Bauhäusler, Max Bill, zum Gründungsrektor, i960 konstituierte sich das Bauhaus-
616 Werner Durth. Deutsche Architekten. Biogra¬ Archiv, 1962 erschien Hans Maria Winglers monumentale Bauhaus-Dokumentation,
phische Verflechtungen. 1900-1970. Braun¬
1968 wurde das Bauhaus mit einer 4000 qm großen, von Gropius selbst eröffneten Aus¬
schweig, Wiesbaden 1986. S. 369. Dort auch
eine zusammenfassende Darstellung der De¬
stellung in Stuttgart zelebriert, 1979 der Berliner Museumsbau des Bauhaus-Archivs
batte (S. 3Ö7ff). eingeweiht.

142
»Gehärtete Form«: Kirchenbau nach 1945

Während Schwarz um 1930 mit der Gestaltung von Burg Rothenfels, mit dem Bau der
Aachener Fronleichnamskirche, mit den Entwürfen seines Ateliers und seinen Schriften
als ein Avantgardist des Kirchenbaus galt, kam ihm nach 1945 das Renomee eines Mei¬
sters zu. Nach dem lode Dominikus Böhms im Jahre 1955 gab es niemanden unter den
deutschen Architekten, der größere Autorität bei dieser Bauaufgabe besessen hätte. Die
theoretische Kompetenz hatte ihm im katholischen Kirchenbau sowieso keiner seiner
praktizierenden Kollegen streitig machen können, vielleicht mit der Ausnahme Martin
Webers, mit dem Schwarz im Studienkreis für Kirchenkunst auf Burg Rothenfels
zusammengearbeitet hatte. Aber Weber war 1941 gestorben. Die 39 wiederaufgebau¬
ten, umgestalteten oder neu errichteten Kirchen, die Schwarz nach 1945 ausführen
konnte, setzten großenteils Exempel. Was Schwarz baute, konnte man sich zum Vorbild
nehmen, oder man konnte dagegen opponieren. Ignorieren konnte man es nicht.
Schwarz selbst hat es sich mit dieser Aufgabe nicht leicht gemacht. »Wir bauen augen¬
blicklich fast nur Kirchen«, schrieb er 1957, »es ist jedes Mal eine gleich schwere und
verzweifelte Arbeit. Man möchte meinen, allmählich könnten wir das, aber in Wirklich¬
keit ist es gerade umgekehrt, es wird jedes Mal schwerer.«01? Die variantenreiche Vor¬
geschichte fast jeden Auftrags belegt es. In Wettbewerben reichte Schwarz oft mehrere
Vorschläge ein. Ihnen wiederum gingen Skizzen voraus, die die Fülle der Möglichkei¬
ten erkundeten. So endgültig und einfach auch die Planfiguren schließlich erscheinen,
es gab stets eine Mehrzahl von Alternativen. Beim Wettbewerb für die Gedächtniskir¬
che in Berlin-Plötzensee, wo sich die Handskizzen erhalten haben, bildete das Konvolut
geradezu eine Enzyklopädie Schwarzseher Kirchenbau-Ideen (Abb. 228, 229).
Die katholische Kirche nahm nach dem Zweiten Weltkrieg eine offenere Haltung
gegenüber sakraler Kunst und Architektur ein. »Man soll nicht allgemein und von
vornherein die neuen Formen und Bilder zurückweisen«, erklärte Papst Pius XII. in sei¬
ner Enzyklika Mediator Dei 1947. Die Richtlinien der deutschen Diözesen folgten dem
vatikanischen Vorbild, in einzelnen Bistümern auch mit konkreten Konsequenzen für
den Kirchenbau. So sprach sich die Kölner Diözesansynode von 1954 gegen alles Tren¬
nende zwischen Gemeinde und Altar, gegen weite Entfernungen zum Altar und die
betonte Hochlegung des Chores aus. Damit waren noch vor dem Zweiten Vatikani¬
schen Konzil Wünsche der Liturgischen Bewegung beherzigt.6'8 Konnte Schwarz sich
in wesentlichen Punkten bestätigt sehen, so traf die Kritik an gesonderten Kanzeln und

200 Rudolf Schwarz. Skizze einer Kirche. Un¬


datiert. Kohle. Kunstbibliothek, Stiftung Preu¬
ßischer Kulturbesitz, Berlin.

617 RS an Eminy van Weersch, 2. 4. 1957.


618 Hugo Schnell. Der Kirchenbau des 20. Jahrhun¬
derts in Deutschland. München, Zürich 1973.
S. 82.

143
bühnenhaft erhöhten Altarzonen auch frühere Schwarz-Lösungen wie das Frauenfrie-
denskirchen-Projekt und die Aachener Fronleichnamskirche. Der Wunsch, die liturgi¬
schen Handlungen am Altar durch vielstufige Aufhauten weithin sichtbar vollziehen zu
können, hatte die Gemeinde zu Zuschauern gemacht, während doch die aktive Teil¬
nahme der Gläubigen gemeint gewesen war.
Der quantitative Bedarf an Kirchenbauten war nach 1945 immens. Der eine Grund
waren die Zerstörung oder Beschädigung mehrerer tausend Kirchen. Dazu kamen die
unvorstellbaren Wanderungsbewegungen, die Ansiedlung von zwölf Millionen Flücht¬
lingen, aber auch die Binnenwanderungen, etwa aus den Stadtkernen in die Randbe¬
zirke. Wo früher innerstädtische Viertel dicht bewohnt waren, häuften sich jetzt die
Trümmerberge, entstanden in den späteren Nachkriegsjahren Verwaltungs- und
Geschäftsbauten. Kirchen in den Stadtmitten, soweit sie erhalten waren, standen leer,
an der Peripherie wurden Neubauten gebraucht. Allein im Erzbistum Köln waren bis
1956 367 Kirchen neu gebaut oder in einem Umfang wiederhergestellt worden, der
einem Neubau entsprach.6'1' In keiner historischen Epoche wurden so viele Sakral¬
bauten errichtet wie im Westdeutschland der fünfziger und sechziger Jahre. In vielen
Diözesen wurde fast jeden Sonntag eine Kirche eingeweiht.620
Den Architekten eröffneten sich mit dem Kirchenbau Spielräume, die ihnen die profa¬
nen Notbauten der ersten Nachkriegsjahre verwehrt hatten. Schwarz speziell sah hier
einen Ausweg aus den Beschränkungen und Selbstbeschränkungen der Architekten, die
zuletzt noch in der Bauhaus-Debatte seinen Unmut hervorgerufen hatten. »Ich habe
den Eindruck, daß gerade zu dieser Stunde der Kirchenbau eine unerwartete Bedeu¬
tung für die Architektur Deutschlands gewinnt und daß sich hier Auswege andeuten,
die aus dem technizistisch-funktionalistischen Unsinn und dem gerasterten Ungeist in
die Freiheit hinausführen.«621
Die Kirchen, die Schwarz in den letzten fünfzehn Jahren seines Lebens baute,622 waren
zum großen Teil Ausformungen eigener älterer Entwicklungsreihen. Schwarz über¬
raschte nicht mit jedem Kirchenbau aufs neue, wie es in den sechziger und siebziger
Jahren der Brauch wurde. In seinem Buch Vom Bau der Kirche, das 1947 neu aufgelegt
wurde, hatte er dargetan, daß es eine beschränkte Zahl von Grundformen gebe
(S. 86ff.). Jede dieser Hauptfiguren nahm für ihn ihren Platz in einer heilsgeschicht¬
lichen Entwicklung ein und besaß infolgedessen eine Notwendigkeit, die sich der indi¬
viduellen Verfügung des einzelnen Baumeisters entzog. »Welche er aber auch wählen
mag, er muß sie ganz ernstnehmen, denn sie bedeutet etwas, sie hat einen Sinn, und er
muß seinen Bau diesem Sinn getreu durchführen.«62*
In den einzelnen Realisierungen waren durchaus Wärme der Materialien, versöhnliches
Ornament und ein größeres Aufgebot an Bildender Kunst zugelassen, im Kontrast zur
asketischen Zeit um 1930. »Man wird in dieser strengen Welt nicht ganz leben können,
und man wird es nicht immer können.«624 Aber hinter den Konzepten stand nach wie
Rudolf Schwarz. St.Mechtern. Köln-Ehrenfeld, vor die Strenge des Denkens. Es war eine Provokation für alle, die im Kirchenbau auch
r946-54. die Selbstverwirklichung suchten, nachdem der Sakralbau - als Bauaufgabe jenseits der
2 o 1 Fassadenentwurf Wettbewerhsprojekt. engen Zwecke und wirtschaftlichen Restriktionen - zu einem Spielfeld der Architekten¬
202 Innenansicht.
individualität geworden war und nach Schwarz’ Tod erst recht wurde.
Die meisten Kirchbauten von Schwarz variierten einige wenige Grundriß- und Bauty¬
619 Willy Weyres. Neue Kirchen im Erzbistum Köln pen wie das Längsrechteck, gerade oder halbrund geschlossen, als kastenförmiger Saal
1945-56. Zit. in: Karl Josef Bollenbeck. Neue
oder mit eingestellten Stützen hallen- oder baldachinartig ausgeprägt. Einige Kirchen
Kirchen im Erzbistum Köln 1955-95. Köln
1995. Bd. 1. S. 14. dieses Grundrißtyps sind Wegkirchen, so der lange schmale Baukörper von St. Alhert in
620 ebda. S. 76h 93. Andernach (1952-54, WV 129) mit seinen raumhohen Fensterbahnen oder St. Anna in
621 RS an Ulrich Conrads, 8. 2. 1954. Duisburg (1952-55, Abb. 205, WV 131), wo die vertikalen Fensterstreifen Andernachs
622 Vgl. vor allem: Karin Becker. Rudolf Schwarz.
1897-1961. Kirchenarchitektur. a.a.O. - Volker
durch Sechsergruppen von Rundhogenfenstern ersetzt sind. Hier griff Schwarz auf jene
Siegburg. Kirchenräume - Kirchenträume. Zum Kaskaden von Kreisbögen zurück, die ihn seit den Aquarellen der frühen zwanziger
Gespräch über Konzeption und Gestaltung von Jahre (Abb. 32, 33, 37-41) fasziniert hatten. Das Motiv hat ein historisches Vorbild, die
Kirchenräumen der 50er Jahre. Dargestellt an
übereinander gestaffelten Entlastungsbögen im Mauerwerk der Festung Ehrenbreit¬
ausgewählten Kirchenräumen von Rudolf
Schwarz. Diplomarbeit Universität Bonn stein bei Koblenz, die er während seiner vielen Eisenbahnfahrten von Köln oder
1992. Typoskript. Aachen nach Offenbach, Frankfurt oder Rothenfels bewundern konnte.62*
623 RS. Kirchenbau. S. 245.
Bei St. Josef in Köln-Braunsfeld (1952-55, Abb. 231, WV 135) steht über dem langen
624 RS. Vom Sterben der Anmut. In: Die Schildge¬
nossen 8 (1928), S. 291. Rechteck ein Betonfaltwerk, aus dem sich Sechseck-Rauten als Lichtgaden ergeben. In
625 Mündliche Mitteilung von Maria Schwarz. der Altarzone ist der Raum um eine weitere Fensterwabe erhöht. Die Art, wie Querach-

144
15-
203 Rudolf Schwarz. Skizze einer Kirche mit
Kreisbogen fenstern. Undatiert. Bleistift. Kunst¬
bibliothek, Stiftung Preußischer Kulturbesitz,
Berlin.

204 Rudolf Schwarz und Architekturklasse.


Entwurf einer Kirche mit Kreisbogenfenstern.
Um 1930.

205 Rudolf Schwarz. St. Anna. Duisburg.


l952~55-

206 Rudolf Schwarz, Maria Schwarz. Christ¬


königskirche. Weinbach-Gräveneck. 1956-66.

145
sen der Raumdecke gegen die Längsachse des überdeckten Raumes gesetzt sind, erin¬
nert an die (seltenen) Quertonnen romanischer Kirchräume wie St. Philibert im bur-
gundischen Tournus. Von deren Mauerschwere unterscheidet sich das »helle Gezelt«626
St. Josefs freilich so sehr, wie sich ein moderner Raum von einem historischen nur
unterscheiden kann.
Die Wegkirche ist jene Raumfigur, die Schwarz am längsten begleitete, begonnen beim
»Opfergang«-Projekt des Wettbewerbs um die Frankfurter Frauenfriedenskirche
(1927) über die Fronleichnamskirche in Aachen (1929-30) bis zu St. Gertrud in Aschaf¬
fenburg (1956-60, WV 154), wo die hohe umlaufende Gadenzone den Kastenraum zu
einem durchsonnten Festsaal macht. Die Bedeutung der Wegkirche ist kein Zufall.
Laut Vom Bau der Kirche ist es die Planfigur des heimatlosen Volkes, der Men¬
schenheere, die Schulter an Schulter, aber ohne Blick ins Gesicht des Anderen, ihren
Weg zurücklegen. Und also ist es wohl der »Plan«, nach dem sich die große Menge
bewegt. Allerdings weist Schwarz daraufhin, daß Weg nicht gleich Weg sei.627 Erst der
Aufbau über dem Plan entscheidet über den Charakter des Bauwerks.
Unter den Rechteck-Kirchen heben sich zwei heraus, die eine vor allem durch die For¬
mulierung ihrer Aufgabe, die andere vor allem durch die gefundene Lösung. Im Titel
der Kirche St. Mechtern in Köln-Ehrenfeld (1946-54, Abb. 6, 201, 202, WV 97)
stecken die Märtyrer (vom Volksmund zu »Mechtern« gemacht) St. Gereon und seine
Legionäre, die an dieser Stelle im Umland der Colonia Claudia Ara Agrippinensium
Rudolf Schwarz. St. Anna. Düren. 1951-56. hingerichtet worden sein sollen. Wie so oft bei den Aufträgen, die Schwarz zu bewälti¬
207 Innenansicht.
gen hatte, ist die städtebauliche Lage, hier im Industrievorort Ehrenfeld, banal und
208 Ansicht von Süden.
bedrängt. Der Kirchbau mußte zwischen zwei schmalen Parallelstraßen und zwischen
209 Ostwand mit Lebensbaum.
Wohngrundstücken eingepaßt werden. Der Bauherr wollte aber mehr als die geistliche
Heimstätte einer Pfarrgemeinde. Er hatte eine europäische Friedenskirche im Sinn.
Schwarz entwarf ihm einen weiten festlichen Rechtecksaal, so groß wie das alte Kölner
Festhaus Gürzenich. Sechs Pfeiler sind in das Geviert gestellt. Die Wände wurden, bis
auf die vier Ecken, in Lichtteppiche (ursprünglich aus Glasbausteinen) aufgelöst.
Das milde, aber kräftige allgegenwärtige Licht läßt jede Beengung im Straßenraster
vergessen.
St. Anna in Düren (1951-56, Abb. 180, 207-209, WV 128), die katholische Hauptpfarr¬
kirche und Wallfahrtskirche der Stadt, war derjenige Kirchenbau von Schwarz, der
nach der Aachener Fronleichnamskirche und vor St. Michael in Frankfurt die größte
Resonanz fand. Weit über die schwer zerstörte Stadt hinaus konnte der Neubau als
Symbol des Aufbauwillens gelten. Trümmermaterial und auch ein Portal des vernichte¬
ten gotischen Vorgängerbaus wurden einbezogen. Vom L-förmigen Grundriß her erin¬
nert St. Anna in manchen Zügen, in dem kastenförmigen Einraum des Hauptbaus und
dem rechtwinklig angefügten Arm der Werktagskirche, an frühere Arbeiten von

626 RS. Kirchenbau. S. 199.


627 RS. Vorn Bau der Kirche. S. 78ff. - RS. Kirchen¬
bau. S. 314.

146
147
Schwarz, an den Wettbewerbsentwurf »Mauer« für die Heilig-Geist-Kirche in Aachen
(1928) und an Vorentwürfe für die Fronleichnamskirche (Anfang 1929). Wie die Fron-
leichnamskirche verfügt auch St. Anna über ein Seitenschiff. Hier war es als Pilgerhalle
gedacht, nahm aber zugleich die Orte der Taufe und Buße auf und sollte ursprünglich
auch das erhalten gebliebene Portal beherbergen, frei aufgestellt unter einem der
Oberlichter. Daß es eingebaut wurde, verdankt sich der Meinung Rudolf Steinbachs,
der in Düren die Bauleitung übernommen hatte, ein Portal müsse durchschritten
werden können.028
Das Seitenschiff von St. Anna fügt sich nicht der Bewegungsrichtung des Hauptschiffes
und ordnet sich ihm auch nicht widerspruchslos unter. Es ist schiefwinklig aus der
Orthogonalen geschwenkt und verfügt, obwohl insgesamt dunkel, über seine eigenen
Oberlichtkuppeln. Entsprechend gehen die Binderkreuze der Pilgerhalle, aber in ihrem
Zuge auch die des Hauptschiffs diagonal gegen die rektangulären Hauptschiffsbegren¬
zungen an. In einer der Planungsvarianten war übrigens vorgesehen, die Binder der
Schiffsdecke nicht scheinbar auf den Mauern, sondern auf vorgelegten Betonpfeilern
aufruhen zu lassen. Gegen die Strenge der früheren Stereometrie wird der Reichtum
der Raumüberschneidungen aufgeboten, gegen die Immaterialität der geputzten und
weiß gestrichenen Flächen von einst die Materialität des rötlichen Sandstein-Mauer¬
werks und der Sichtbetonteile.
Aus Askese ist Sinnenhaftigkeit geworden. Die Wände wirken nicht nur als Begrenzun¬
gen von Raumvolumen, sondern körperhaft in sich. Als durchgehende Mauerhüllen, als
schwerer Mantel legen sie sich um das gesamte komplexe Gebilde und fassen alle litur¬
gischen Orte und Funktionen schützend zusammen. Dieser Charakter der Mauer als
Mantel wird besonders an der Südseite deutlich, wo hinter dem schrägen Anschnitt der
Bruchsteinwände die Glaswände hervortreten wie ein Gewand unter dem zurückge¬
schlagenen Mantel.
Der Bau läßt Freiheiten zu. Bewegungen innerhalb des Gebäudes werden nicht mehr,
wie in St. Fronleichnam, von einer strikten Raumachse erfaßt und zum Altar hin orien¬
tiert. Man betritt das Bauwerk fast zufällig, irgendwo an der Seite, durch einen Vor¬
raum, der mehrere Wege ins Innere zuläßt. Die Festigkeit der Mauerzüge geht mit dem
Gewährenlassen innerhalb des Reviers zusammen, das sie begrenzen. Karin Becker hat
die einleuchtende Beobachtung gemacht, daß in St. Fronleichnam umherwandernde
Besucher stören. In der Architekturlandschaft von St. Anna würden sie dagegen als
belebend empfunden.629
Liberalität gilt zunehmend auch für die Behandlung der Wand, für die Wiederkehr des
Bedeutsam-Schmückenden. In St. Anna ist es noch lediglich der Lebensbaum, der in

Rudolf Schwarz. St. Maria Königin. Frechen bei


Köln. 1952-54.
210 Altarnische von innen.
211 Altarnische von außen.

628 Mündliche Mitteilung von Maria Schwarz.


629 Karin Becker. Rudolf Schwarz. 1897-1961.
Kirchenarchitektur. a.a.O. S. 242.

148
die Wand hinter dem Altar gemauert wurde. Dessen genaue Form fand Rudolf Stein¬ Rudolf Schwarz. St. Maria Königin. Saar¬
bach in engster Zusammenarbeit mit den engagierten Handwerkern: »Kapellmeister- brücken. 1954-61.
212 Außenansicht.
arbeit«.63° Bei anderen Bauten der frühen fünfziger Jahre besetzten Ornamente, meist
213 Innenansicht.
in der dekorativen Anordnung von Lichtöffnungen, ganze Flächen.631 Vor allem in den
Vorentwürfen ging Schwarz verschwenderisch mit Rosetten, Bögen und anderen
Kreismotiven um, nahm sie aber bei der Ausführung wieder weitgehend zurück.
Die Ornamentfreude der fünfziger Jahre war auch Schwarz nicht fremd. Allerdings
wußte er sie zu disziplinieren und im Kirchenbau meist auch inhaltlich, manchmal
auch - St. Josef in Köln-Braunsfeld, St. Florian in Wien-Matzleinsdorf - konstruktiv
zu rechtfertigen.
Trotz der taktil wirksamen Raumbegrenzungen, trotz des wiederkehrenden Ornaments
ist die Provokation eines Bauwerks wie St. Anna in Düren noch heute nachvollziehbar.
Für jeden Dürener Bürger, der die Silhouette des historisch gewordenen Vorgänger¬
baus in Erinnerung hatte, muß sie gewaltig gewesen sein. Hier stand nun ein Raumka¬
sten, mit Mauern, die an drei Seiten geschlossen oder fast geschlossen waren. Schwarz
hat gezögert, ob er die Bewohner der zerstörten Stadt dieser Zumutung aussetzen
sollte. Es gab Überlegungen, die schwere, feste Wand in Segmentbögen zu mauern, sie
mit einer Rose zu öffnen oder ihr Rundbogenarkaden vorzublenden. Es blieb bei den
Wänden, deren (fast einziger) Schmuck die Farbe und das Korn der wiederverwendeten
Sandsteinblöcke ist.
Die rechteckigen Kastenräume entsprachen in Schwarz’ Terminologie mehr oder
weniger dem Bild des »Heiligen Weges«. Wenn er T-förmige Aufbauten in quadrati¬
sche oder längsrechteckige Grundrisse einschrieb, die hohen Räume also von niedrige¬
ren Seitenschiffen begleiten ließ, war nach der Tpyologie, die Schwarz in Vom Bau der
Kirche entfaltet hatte, der Fall des »Offenen Rings« gegeben. Das Kirchenvolk sam¬
melte sich hier von drei Seiten um den Altar, im Längsraum und in den Armen des T,
mit der leeren, offenen Seite als Jenseits des begehbaren »Weltteils«. In Maria Köni¬
gin in Frechen (1952-54, Abb. 210, 211, WV 134), wo das Langhaus sich trapezförmig
erweitert, der Querriegel des T abgebogen ist und sich eine im Grundriß kopfförmige
Nische hinter dem Altar nach außen wölbt, entsteht ein geradezu anthropomorphes
Grundrißbild. Schwarz selbst erinnerte an eine Orantengestalt mit ausgebreiteten
Armen und umgekehrt an die antwortende Geste der Abschlußwand, die ihre Arme
um die Gemeinde lege: Hingabe einerseits, Vatergüte andererseits, und beides in 630 RS an Ulrich Conrads, 4. 2. 1957.
631 Vgl. St. Mechtem in Köln-F.hrenfeld, Aller¬
einem.632 heiligen in Köln-Marienburg, St. Josef in
Seit den fünfziger Jahren finden sich neben rechtwinkligen und allenfalls auch mit Apsi¬ Köln-Braunsfeld.
den geschlossenen Kastenräumen auch Grundrisse, die durch die Geometrien der 632 RS. Kirchenbau. S. 196.

149
Rudolf Schwarz. St. Michael. Frankfurt am Kurve bestimmt sind. Vorläufer waren beidseitig apsidial geschlossene Rechteckräume
Main. 1952-56. wie in den dreißiger Jahren ein Bremer Projekt für die Gemeinde St. Adalbert
214 Innenansicht. (1937-39, WV 48), wo Schwarz einen Saal mit Ost- wie Westkonche vorgesehen hatte.
215 Ansicht von Westen.
Zwanzig Jahre später wirkt St. Andreas in Essen (1954-57, Abb. 217, WV 143), einer
216 Luftansicht.
der raren Fast-Zentralbauten in seinem Werk, mit kreuzförmigem Grundriß und je
217 Rudolf Schwarz. St. Andreas. Essen-Rüt- einer Konche an jedem Kreuzarm, wie eine Durchdringung zweier Baukörper ä la Bre¬
terscheid. 1954-57. men, sofern man ihn nicht als die Begradigung und Versachlichung eines kurz zuvor in
Frankfurt entstandenen Gebäudes verstehen will.
Denn zu diesem Zeitpunkt hatte Schwarz schon einen Bau geschaffen, der ihm außer¬
ordentlich wichtig war, St. Michael in Frankfurt am Main (1952-56, Abb. 214-216,
WV 133). Bei St. Michael traf Schwarz auf einen Bauherrn, mit dem er ideal Zusam¬
menarbeiten konnte, Pfarrer Alfons Kirchgässner. »Sie wissen, wie sehr ich von Ihrem
Genie gefangen genommen bin und wie sehr ich an St. Michael, Ihrem vielleicht doch -
633 Alfons Kirchgässner an RS, 26. 5. 1957. bisher - schönstem Werk hänge.«633 St. Michael ist im Grundriß ein Ellipsoid, an das
634 RS. Einige Bemerkungen zu St. Michael in
zwei kleinere Ellipsoide gehängt sind. Aus statischen, aber auch aus Kostengründen
Frankfurt 1955. In: Das Münster 8 (1955) 7/8,
S. 247f. mußten punktförmig gegründete Stahlbetonpfeiler errichtet werden, zwischen die
635 RS an Heinrich Kamps, 27. 1. 1953. Backsteinwände mit Lichtgaden gezogen sind.
Ursprünglich hatte Schwarz an eine Decke aus Glasbausteinen gedacht, eine Idee, die
ihn schon seit der kreisrunden Kirche von 1927-28 (Abb. 85, WV 6) verfolgte. Bei St.
Michael hätte sie die Vorstellung einer Schlucht vervollständigt: Licht, das von oben
her in eine Raumerweiterung »inmitten einer rundum ragenden, bedrohlichen Welt«
einfällt, »vorläufige Heimat unter dem Offenen«. Schwarz bezieht sich auf das Erlebnis
einer Wanderung durch die Schweizer Aare-Schlucht »an einer Stelle, wo sich der
Wegraum,... der von starrenden Felsen umstanden war und nur hoch oben von einem
schmalen Spalt offenen Himmels erhellt wurde, zu einer bescheidenen Breite wei¬
tete.«634 Im Außenbau geht von den bugartigen Endungen der Schiffsteile straffe Präzi¬
sion aus. Die Chorpartie - nicht geostet, sondern nach Norden gerichtet - läßt an die
Kleeblattchöre Kölner romanischer Stiftskirchen denken, übersetzt in die gespannte,
verknappte Sprache des technischen Zeitalters. Taufbecken und Altar nehmen die bei¬
den Brennpunkte der Ellipse ein.
Im Innenraum sollte die Schrägstellung der Seitenkonchen, die den Verlauf der Wände
des elliptischen Hauptraums unterbrechen, den Raumfluß fördern. Ironie nahm bei
Schwarz auch das eigene Werk nicht aus: »Kennwort >Häschen< mit den beiden Varian¬
ten >Wackelohren< und >Tropfnase<«.635 Als Schwarz wieder auf die Ellipse zurückgriff,
fand er andere Lösungen. Bei Maria Königin in Saarbrücken (1954-61, Abb. 212, 213,

150
151
Rudolf Schwarz. Heilig Kreuz-Kirche. Bottrop. WV 149) stehen die Achsen der Konchen senkrecht zur Längsachse. Zusammen mit
T953-57- den nach oben sich verjüngenden Mauer»blättern« und den verglasten Winkeln erlau¬
218 Innenansicht. ben sie die Assoziation einer mystischen Rose - das Bild nicht als Übersetzung eines
219 Außenansicht.
Symbols in Architektur verstanden, sondern, worauf Schwarz Wert legte, aus einer
gleichlaufenden Formbewegung. Beim Ellipsoid der Theresienkirche in Linz (1956-63,
Abb. 221, 222, WV 161) schließt nur eine große Konche (neben der kleinen Tauf- und
Beichtkapelle) an das Hauptschiff an. In St. Bonifaz in Wetzlar (1959-64, WV 180) sind
die Konchen mit Apsis und Gemeindehaus zu einem gewellten Raummantel weich ver-
schliffen.
Einmal hat Schwarz auch die Parabel-Figur verwirklicht, die in Vom Bau der Kirche
unter dem »fünften Plan«, dem »Heiligen Wurf« verzeichnet ist. Als Aufriß-Figur sind
parabolische Tonnengewölbe in den zwanziger Jahren vor allem in Westdeutschland
mehrfach verwendet worden,636 als Grundrißfigur selten. »Die Parabel ist schlechthin
offen, jedes Stückchen ihres Verlaufs enthält Offenheit. Zieht man quer zur Achse eine
Linie, die das Scheitelstück abschneidet, dann steht sie, wie immer sie gerichtet sein
mag, schief zur Kurve, die Begrenzung bleibt zufällig und ergibt sich nicht aus dem
Verlauf der Figur (ganz anders als bei der Ellipse, deren beide Hauptachsen im innern
Verlauf vorgesehen sind).«037 In Schwarz’ Deutung weckt der Verlauf der Parabel
zunächst frohe Erwartung. Aber die Rückwendung der Bewegung, jenseits des Scheitel¬
punkts, enthalte den Verzicht auf das Glück und schicke den Menschen wieder in das
Dunkel hinaus.
Es nimmt nicht wunder, daß Schwarz zögerte, diese Figur anzuwenden, weil er sie eher
als theoretische Möglichkeit diskutiert hatte.638 Aber der Bauherr, der Pfarrer von Hei¬
lig Kreuz in Bottrop (1953-57, Abb. 218-220, WV 139), der Schwarz’ Buch gelesen
hatte, bestand auf ihr. Es war einer der seltenen Fälle in der Architektur, wo eine theo¬
retisch geschilderte Lösung zur Praxis wurde. Das Zufällige des Abschlusses einer ins
Unendliche geöffneten Figur wie der Parabel verdeutlichte Schwarz, indem er die
636 Parabolische Gewölbe verwendeten Domini¬
Wandschenkel über die westliche Fensterwand hinausführte. Georg Meistermanns
kus Böhm, Alfred Fischer, Josef Franke, Hu¬ großes Fenster überspielt das Betonfachwerk mit einem Farbwirbel, der wie die Parabel
bert Pinand, einen parabolischen Grundriß ein Bild des Unendlichen erzeugen soll. Hier, im Bergbaugebiet, mag es manchen auch
Otto Bartning bei der Kirche der Kölner
an das Schwungrad eines Fördergerüstes denken lassen.
Pressa-Ausstellung, 1928.
637 RS. Vom Bau der Kirche. S. 107 Im sakralen Spätwerk beschäftigte Schwarz zunehmend die Idee des Bauwerks als einer
638 Mündliche Mitteilung von Maria Schwarz. - kleinen Stadt, dieser Urgedanke der Architekturtheorie von Vitruv bis Oswald Mathias
»Ich habe für Bottrop eine Kirche gezeichnet,
Ungers. Im Kirchenbau lag er insofern nahe, als die liturgischen Orte sich wie die ver¬
die nur aus einer Parabel besteht und sehr ko¬
misch aussieht.« RS an Heinrich Kamps, 18. schiedenen wichtigen Orte eines Gemeinwesens denken und bestimmen lassen. In sei¬
4. 1953. nen städtebaulichen Schriften brauchte Schwarz gern den Begriff der »Hochstadt« als

152
220 Glasfenster von Georg Meistermann.

153
154
Rudolf Schwarz. St.Theresien. Linz. 1956-63.
221 Außenansicht des Hauptschiffs mit Gna¬
denkapelle in Bruchsteinmauerwerk.
222 Deckentragwerk der Nebenapsis.

155
Rudolf Schwarz. St. Antonius. Essen-Frohnhau¬ dem Ensemble ausgezeichneter Aufgaben, die den Kern einer Stadtgemeinde ausma¬
sen. 1956-59. chen. In den kleinen Maßstab des Einzelbaus übersetzt, konnte auch der Sakralbau zu
223 Taufstelle.
einer »Hochstadt« werden. In sie können »wir verschiedene Stätten eingründen..., so
224 Innensicht.
wie man in einer Stadt die öffentlichen Gebäude verteilt.«639
225 Außenansicht.
Schon im Zusammenhang mit St. Anna in Düren hatte Schwarz von »Städtebau« und
»Stadtteilen« (womit die »Quartiere« der Taufe, Beichte, Annen-Verehrung gemeint
waren), von »heiliger Siedlung« und sogar »heiliger Landesplanung« gesprochen.6,30 So
sind auch in St. Antonius in Essen (1956-59, Abb. 223-225, WV 157), einem T-förmi¬
gen, von niedrigeren Seitenschiffen begleiteten Hochbau, Marienaltar, Taufraum und
Beichtstühle wie die Bauwerke oder Plätze einer Stadt angeordnet und jeweils durch
eigene Oberlichtquellen erhellt. Ähnlich ging Schwarz bei St. Florian in Wien
(1956-63, WV 163) vor. Hier sollten die sakramentalen Orte in den Seitenschiffen
639 RS. Kirchenbau. S. 288.
ursprünglich über offene Höfchen belichtet werden. Die Dialektik von Laien- und
640 RS. Erläuterungsbericht zum Wettbewerbs¬
entwurf von St. Anna in Düren. 1951. - RS. Altarbereich, die trotz der Einheitsräume für die frühen Projekte wie die Frauen-
Kirchenbau. S. 234h friedenskirche (»Opfergang«) oder St. Fronleichnam konstitutiv war, wurde in diesen

156
157
Rudolf Schwarz. St. Bonifatius. Aachen-Forst. späten »urbanistischen« Kirchbauten durch die Verteilung der heiligen Orte gemildert,
1959-64. wenn nicht aufgehoben.
226 Blick in den Trägerrost der Gadenzone. Ein zentrales Bild im gesamten Werk Rudolf Schwarz’, der Stufenberg, dieser »höchste
227 Außenansicht.
Gedanke der Baukunst«641, prägte auch seinen späteren Kirchenbau. »Die Erde erbaut
sich immer wieder von sich aus die Treppe und der Mensch gebraucht diese Form, die
er nicht erfand« (vgl. S. 113). St. Bonifatius in Aachen-Forst (1959-64, Abb. 226-227,
WV 175) wendet diesen Gedanken auf die Möglichkeiten einer Pfarrkirche an. Die Sei¬
tenschiffe erreichen das erste Höhenniveau, Mittelschiff und Querarme, wieder in
Gestalt eines T, das zweite, das Altarhaus das höchste und hellste - »ein Stufenberg
gleichsam, dessen Gipfel über dem Altar ansteht«.642 Auch konstruktiv ist der Bau eine
ansehnliche Leistung. Die beiden Stahlbetonbalken in der Längsrichtung und der
Querbinder bilden einen Rost, der ohne innere Stützen auskommt. Da die Kirche auf
einem kräftig ansteigenden Hügel steht, trägt die Topographie zum beabsichtigten Ein¬
druck bei. Zwischen den Mietshäusern und Lagerhallen der Nachbarschaft wirkt der
Bau nüchtern wie eine Werkshalle und poetisch wie ein Lichtberg. Reichtum und Karg¬
heit schließen sich nicht aus.
Die Dreistufigkeit von St. Bonifatius, die von der Altarwand noch einmal innerhalb der
Fläche zusammengefaßt wird, wollte Schwarz für die Gedenkstätte der Ns-Opfer in
Plötzensee Regina Martyrum (Entwurf 1958, Abb. 228, 229, WV172) sogar zur Vier-
stufigkeit steigern. Plötzensee war für Schwarz eine Aufgabe von »geradezu kosmi¬
schem Rang... einzigartig und erregend«. Eine niedrige Grufthalle, die sich in eine aus¬
gehobene Geländegrube vorschob, sollte der dunkelste Raum sein. Dahinter hätte eine
raumbreite Treppe in den nun höheren und helleren, dreifach gestaffelten Gottes-

158
228, 229 Rudolf Schwarz. Wettbewerbsent¬
würfe Gedächtniskirche Regina Martyrum. Ber-
lin-Plötzensee. 1958. Bleistift.

641 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 217.


642 ebda. S. 35h - RS. Kirchenbau. S. 308.
643 RS. Regina martyrum. Erläuterungsbericht
Typoskript. S. 1. Den Auftrag erhielt der
Würzburger Diözesanbaumeister 1 lans Schä¬
del, einer der vier Teilnehmer des Gutachter¬
verfahrens.
644 Zit.in: Hugo Schnell. Der Kirchenbau. a.a.O.
S. 178.
645 Can. 803. Zit ebda. S. 197.
646 RS. Vom Bau der Kirche. S. 45.
647 RS. Kirchenbau. S. 269h

dienstraum geführt. »Unser Entwurf zeigt mit voller Absicht diesen vierfach ins immer
Höhere, immer Engere gestuften Weltenberg nach dem Bauplan des Vaterunsers.«643 K

Unten die Schuld, der Gedanke an das Böse und die Leiden, die es verursacht hatte,
oben Anbetung und Vergebung. Innerhalb der Typologie der Schwarzschen Kirchen¬
bauten führte der Gedanke des Stufenbergs, der sich zuvor schon bei St. Josef in Köln-
Braunsfeld angekündigt hatte, die Aufgipfelung und Überhöhung der Altarzonen ein. 5 i~

Bis dahin waren durchgehende Raumdecke oder offener Dachstuhl stets ein vereinheit¬
lichendes Moment von Gemeinde- und Altarraum gewesen.
Am 11.Oktober 1962, anderthalb Jahre nach Schwarz’ Tod, wurde in Rom das Zweite
Vatikanische Konzil eröffnet. Es brachte eine Bestätigung der Liturgischen Bewegung, I " h c.
für die sich Schwarz zeit seines Berufslebens engagiert hatte. Zwar sind die einschlägi¬
gen Formulierungen im siebten Kapitel der Konstitution von milder Blässe: »Beim Bau
von Kirchen ist sorgfältig darauf zu achten, daß sie für die Durchführung der liturgi¬
schen Feiern und für die Verwirklichung der tätigen Teilnahme der Gläubigen geeignet
sind.«644 Aber die Diskussionen, die mit dem Zweiten Vatikanum einhergingen, und die
inhaltlichen Ausfüllungen durch die verschiedenen Instanzen der Amtskirche stärkten
entschieden die Beteiligung der Gemeinden an den gottesdienstlichen Feiern und
eröffneten Architekten wie Künstlern neue Spielräume.
So sehr sich Schwarz hätte bestätigt fühlen können, führte das Konzil paradoxerweise
auch zu einer Konsequenz im Kirchenbau, mit der Schwarz immer sehr vorsichtig \ '.
umgegangen war. Die gewollte Nähe der Gläubigen zu den sakramentalen Orten för¬ \
1. ■
Ti
-p

derte die Zentralisierung der Grundrisse. Kreisformen, Polygone, Quadrate - sehr oft
diagonal erschlossen - finden sich nun zahlreich, im katholischen wie im protestanti¬
schen Kirchenbau. Noch 1954 hatte die Synode der Erzdiözese Köln verfügt, der Zen¬
tralraum mit dem Altar in der Mitte sei für den katholischen Kult ungeeignet, weil er
die Richtung des Opfers auf Gott nicht genügend zum Ausdruck bringe.645 Schwarz
hatte die strikte Form des Zentralraums - in seiner Terminologie der »erste Plan«, der
»Heilige Ring« - kleinen, mit sich einigen Gruppen Vorbehalten wollen, während »für
die »Durchschnittlichkeit aller Tage und Jahre«646 andere Formen, der »offene Ring«
zum Beispiel, gemäß seien.
Zentralformen wie der Kreis oder das Quadrat sind deshalb bei Schwarz ganz selten.
Eine Ausnahme machte die Pfarrkirche der Heiligen Familie in Oberhausen (1955-58,
Abb. 230, WV 153). Wie bei der frühen Burgkapelle von Rothenfels schien ihm hier die
Intimität der Gemeinschaft, für die der Bau gedacht war, einen zentralisierten Grundriß
zu erlauben. Die Gemeinde hatte sich seit langem zusammengefunden und lebte in
einem von Halden und Werksgleisen umschnürten Ortsteil. Zudem sprach das Patrozi¬
nium der Kirche für familiäre Nähe. »So konnte eine Kirche geplant werden, in der das
Volk wirklich als >heilige Familie< rund um den gemeinsamen Tisch zusammensitzt.«647

159
Die kaum erhöhte Altarinsel ist von vier bauchigen Pendelstützen umstanden, die
zusammen mit dem Deckenrost eine Art Baldachin bilden. Dominikus Böhm, Alfons
Leitl, Nikolaus Rosiny, Hans Schädel, Carlfried Mutschler, Giselher Wirsing und vor
allem Emil Steffann haben mit dem Quadrat gearbeitet, Schwarz sonst nicht mehr.
Aber auch in Oberhausen bleibt die Seite hinter dem Altar frei vom dreiseitig aufge¬
stellten Gestühl, und die im Vorhof beginnende Eingangsachse gibt auch dem Kirchen¬
quadrat eine Richtung.
Nicht nur die positiven Qualitäten charakterisieren die Arbeiten von Schwarz und set¬
zen sie gegen die Kirchbauten einer jüngeren Generation ab, sondern auch jene Eigen¬
schaften, auf die sie ganz oder überwiegend verzichten. Nur zweimal hat Schwarz einen
Plan gewählt, der mit freier Figuration verwechselt werden konnte, für St. Bonifatius in
Wetzlar (WV 180) und vor allem St. Ludger in Wuppertal-Vohwinkel. St. Ludger
(Abb. 232, 233, WV 181) ist ein später Bau, vollendet lange nach Schwarz’ Tod. Die
weiß geputzte Umfassungsmauer, die überraschenderweise innen als Ziegelsteinwand
erscheint, umhüllt buchtenreich die liturgischen Orte, Altar, Taufe, Bußkapelle, Mari¬
enaltar und bildet Faltenstege zwischen den Kurvungen.
»Es ist eine einheitlich durchgeführte Bewegung der weißen Wand, die sie alle hervor¬
bringt, und diese Wand ist der faltenreiche Mantel der Gottheit.« Schwarz verwandte
viel Mühe darauf zu betonen, daß es sich hier nicht um avantgardistische Willkür han¬
dele, »sondern es ist strenges Gesetz in strenger, über viele Entwürfe hin gehärteter
Form.«6-*8 Der zweite Blick zeigt, daß die weichen Konturen in der Tat nur zwei frei
geformte Auswölbungen eines im Osten und Westen ganz regelmäßig halbrund
geschlossenen Langhauses sind. Der Bau läßt an barocke Wallfahrtskapellen wie Georg
Dientzenhofers kleeblattförmige Kirche Kappel bei Waldsassen denken, die auch die
Rundung mit der Geometrie vereinbarte.
Wenn Schwarz sich anläßlich St. Ludgers dezidiert gegen den Vorwurf des freien Spiels
wendete, mag er gefürchtet haben, der Bau würde jenen Irrationalismen zugerechnet
werden, die in den späten fünfziger Jahren aufzubrechen begannen. Er fand es bedenk¬
lich, daß die Architekten »in allgemeinen und dumpfen Gefühlen zu schwärmen begin¬
nen, die man für Religion hielt«.649 Das verführerische Negativbeispiel war in Schwarz’
Augen Le Corbusiers Wallfahrtskapelle in Ronchamp (1950-55, vgl. S. 138) mit ihrem
irregulären Grundriß, dem Krabbenschalen-Dach, der mächtig wirkenden, pseudomas¬
siven Südmauer und dem Schachtlicht durch Türme und Fensterluken. Schwarz hat
diesen Bau gehaßt. »Die Kirche von Herrn Corbusier mag ich gar nicht, weil ich zu
lange in Westwallbunkern gesessen habe und noch nicht kapiere, wie Corbusier darauf
kommen konnte, aus einem Bunker samt Kanonenrohren eine Kirche zu bauen.«650
In Deutschland wurde Ronchamp ebenso heftig attackiert wie überschwänglich
begrüßt. Le Corbusiers Spuren zeigten sich bald. Hans Schillings Kapelle im oberber-
gischen Feld (1955-56, Abb. 195) oder die Gnadenkapelle in Süchterscheid (1955-57)
von Rudolf Steinbach, dem ehemaligen engen Mitarbeiter von Schwarz, waren erste
Beispiele für die konvex-konkaven Unregelmäßigkeiten, die sich dann in den sechziger
Jahren ausbreiteten und eine nicht mehr katalogisierbare Fülle schiefwinkliger,
230 Rudolf Schwarz, Josef Bernard. Heilige Fa¬ schluchtartiger, molluskenhafter oder zellularer Planfiguren einleiteten. Bei keiner
milie. Oberhausen. 1955-58. Bauaufgabe war die Libertinage so groß wie ausgerechnet im Kirchenbau. Erst in den
achtziger Jahren bot der Museumsbau den Exzentrikern ein neues und ähnlich großes
231 Rudolf Schwarz, Josef Bernard. St. Josef.
Spielfeld.
Köln-Braunsfeld. 1952-55.
Nicht allein die Strenge im Gebrauch der großen, greifbaren Raumgestalten, das Insi¬
stieren auf ihrem theologischen Sinn oder die Übersichtlichkeit der hohen Innenräume
machten das Schwarzsche Oeuvre bald nach seinem Tode zu Gebilden, die einer ver¬
gangenen Epoche angehörten. Auch in der Materialwahl unterschieden sich Schwarz-
Bauten von den Kirchen vieler Jüngerer. Weder die bildhauerischen Qualitäten des
Sichtbetons noch der Materialreiz der groben körnigen Oberflächenstruktur, die auf
Dominikus Böhms Nachfolger und Sohn Gottfried Böhm eine so große Anziehungs¬
kraft ausübten, haben ihn sonderlich interessiert. Er akzeptierte sie bei tragenden Glie¬
648 ebda. S. 311 f. dern, Pfeilern und Unterzügen, nicht aber bei großen Flächen.
649 ebda. S.332.
Auch die lichte, präzise Ästhetik des Stahls, für die im Rheinland die frühen Kölner Kir¬
650 RS an Emmy van Weersch, 21. 12. 1955.
651 St. Pius in Köln-Flittard (1959-60), St. Ste¬ chen von Joachim Schürmann stehen,65' hat bei Schwarz nie den Eindruck des ganzen
phan in Köln-Lindenthal (i960). Bauwerks bestimmt. Bei Liebfrauen in Köln-Mülheim (1952-55, WV 136) arbeitete er

160
mit einem filigranen, offenen Dachstuhl aus goldfarbenen Stahlrohr-Dreiecken, die wie Rudolf Schwarz. St. Ludger. Wuppertal-Voh¬
immaterialisierte Kreuzrippengewölbe wirken. In der Marienkirche in Köln-Kalk winkel. 1960-67.

(1950-52, WV 122) stehen feinnervige Stahlstützen, »und so ist unser Bau in einer viel 232 Blick in die Hauptapsis.
233 Chorpartie von außen.
wahreren Weise und einem viel höheren Maße gotisch geworden, als er es je war.«6*2
Bei dem Schwarz der fünfziger Jahre war die technische Innovation an die Erfahrungen
der Tradition gebunden, interpretierte sie, übertraf sie womöglich, aber: blieb auf sie
bezogen. Das ganz und gar Neuartige eines Bauteils, das die Aufmerksamkeit vom
Ganzen hätte abziehen und auf sich lenken können, versagte sich der Architekt. Von
Sensationen hielt er im Kirchenbau noch weniger als bei anderen Aufgaben.
Wenn Schwarz von Schalenbauten sprach, meinte er in der Regel Wandschalen.
Gekrümmte Wandungen, die einen höheren Grad statischer Steifigkeit besitzen als
ebene Wandflächen, hatte er seit St. Michael in Frankfurt eingesetzt. Gemeint waren
nicht die zentimeterdünnen hyperbolischen Paraboloide, wie sie der mexikanische
Architekt und Ingenieur Felix Candela 1954 als Raumbedeckungen in den Kirchenbau
eingeführt hatte. Schwarz sprach von »stehenden Tonnengewölben«6*’ und führte sie in
einer Wandstärke von 38 cm aus. So kräftig dreidimensional die Baukörper von
Schwarz-Kirchen erscheinen, ihre Plastizität bezieht sich nicht auf die oberen Raumab¬
schlüsse. Meist schloß Schwarz seine Innenräume flach ab, sei es mit von der Dachkon¬
struktion abgehängten Flachdecken, sei es mit den offen belassenen Trägern, Graten
oder Ringbalken einer Stahlbetonkonstruktion. In einer kleineren Zahl seiner Kirchen
bleibt der Blick in Satteldächer frei. Aber die Vielzahl anderer Deckungsmöglichkeiten,
schiefwinklige Dächer, Stahlgitterträger, Stabtragwerke, Hängeschalen, unsymmetri¬
sche Stahlbeton-Faltwerke, hat ihn nie interessiert. Der junge Böhm experimentierte in
den fünfziger Jahren mit Gewebedecken und Faltwerken wie der alte Böhm in den
zwanziger Jahren. Schwarz blieb jetzt wie damals davon ungerührt.
Sogar bei dem freier gekurvten Grundriß von St. Fudger in Wuppertal-Vohwinkel
blieb es bei dem traditionellen offenen Dachstuhl.6*4 Eine halbe Ausnahme macht St.
Josef in Köln-Braunsfeld (1952-55, Abb. 231, WV 135), wo ein Stahlbetonfaltwerk
quer zur Raumrichtung gelegt ist. Aber auch Dach und Decke von St. Josef wirken
nicht als eine ungewöhnliche Fösung im Sinne vieler anderer zeitgenössischer Experi¬
mente. Die Art, wie der Raum gedeckt wurde, erscheint eher als selbstverständlich und
den sechseckigen Waben angemessen, aus denen sich die Gadenzone aufbaut.
Zur Unlust des Architekten an solchen Exerzitien mag beigetragen haben, daß hier die 652 RS. Kirchenbau. S. 141.
653 ebda. S. 210.
Zusammenarbeit mit dem Statiker nicht die erwünschten Ergebnisse zeitigte. Schwarz
654 Schwarz hatte als Alternative ein flaches Dach
liebte es, eng mit Konstrukteuren und Statikern zusammenzuarbeiten. Er kam zu den erwogen. Mündliche Mitteilung von Maria
ihn am meisten befriedigenden Eösungen, wenn diese Zusammenarbeit stimmte. Josef Schwarz.

161
Pirlet und Wilhelm Schorn (»unser konstruktives Gewissen«, nannte ihn der jüngere
Kollege und Kölner Architekt Joachim Schürmann6”) waren Ingenieure, die als gleich¬
wertige Partner in den Entwurfsprozeß einbezogen waren. Mit ihnen kamen wirkliche
Gemeinschaftsleistungen zustande.
Von den sechziger und siebziger Jahren her gesehen nahmen die Kirchbauten von
Schwarz schnell den Charakter von Monumenten an. Hugo Schnells repräsentative
Darstellung über den deutschen Kirchenbau dieses Jahrhunderts, erschienen 1973, ent>
hält entsprechend kritische Einwände gegen das Liturgieverständnis und die Raum¬
typen von Schwarz.6*6 Schon Richard Biedrzynski, dessen Kirchenbau-Buch 1958 her¬
auskam, sprach - neben den gebotenen Respektsbekundungen - von »verbissener Kon¬
sequenz«, von Calvinismus, von »Machtworten«, vom »kategorischen Imperativ«.6*?
Man glaubt sich noch einmal in die Zeit von 1930 versetzt, in der Schwarz’ Radikal¬
moderne in der Tat wie eine ungeheure Provokation wirken mußte. Nach dem Krieg
war das Werk vielfältig in seinen Lösungsansätzen geworden und verschmähte weder
die Sinnlichkeit des Materials noch die Versöhnlichkeit des Ornaments. Aber im Ver¬
gleich zur Arbeit der Zeitgenossen in der Ara der Nierentische und Flugdächer wirkte
dieses CEuvre mit seinen großen, hellen, eindeutigen, ernsten und wie endgültigen
Raumfiguren anscheinend wieder - oder nach wie vor - als eine Herausforderung. Sein
Luxus war das Mehr an Raum, der Uberschuß an Leere und Freiheit, der »heilige
Überfluß«.6*8
In den Pfarrgemeinden traten nun die sozialen und kulturellen Dienstleistungen in den
Vordergrund. Das »Wohnhaus für die ecclesia«6*9 bedingte vermehrte Aufmerksamkeit
für Kindergärten, Jugendräume, Pfarrbibliothek, Gemeindesaal, die bei der älteren
Generation dem Kirchbau deutlich untergeordnet waren. Bei beiden Konfessionen kam
die Frage auf, ob der Kirchenraum zusätzlich profane Funktionen aufnehmen könne,
und welche. Damit wurde zugleich eine Diskussion über die Profanität und Sakralität
der kirchlichen Orte und über das Wesen des christlichen Kultbaus ausgelöst. Das
Zweite Vatikanum hatte mit seinem Hinweis auf die »Sonderart eines jeden Zeitalters«
auch in diesem Punkt Hemmschwellen abgebaut.660
Solche Überlegungen veränderten auch die Gestalt der Kirchbauten, indem sie die ein¬
deutige Funktionshierarchie aufzulösen begannen. Kirchen der späteren sechziger und
der siebziger Jahre sahen anders, unruhiger, individualistischer aus als die Schwarzschen
655 Joachim Schürmann. In: Ingeborg Flagge Baufiguren mit ihren gelassenen, ihres Auftrags gewissen Baukörpern, die das - in
(Hg.), schürmann, bauten und entwürfe. 1996.
Schwarz’ Verständnis - Bedeutende vom weniger Bedeutenden gesondert und beides in
S. 126.
656 Hugo Schnell. Der Kirchenbau des 20. Jahrhun¬ eine feste Ordnung gefügt hatten. »Es scheint uns, daß es gut wäre, wenn gerade in
derts. a.a.O. S. 81. einer Zeit, deren Kirchenbauten bedenklich in allgemeinen und dumpfen Gefühlen zu
657 Richard Biedrzynski. Kirchen unserer Zeit. schwärmen beginnen, die man für Religion hält, die kristallklare Ordnung der christli¬
München 1958. S. 52ff.
chen Welt groß und sichtbar Bau würde.«66'
658 RS. Kirchenbau. S. 288.
659 Fierwarth von Schade auf dem 11. Evangeli¬ Bei Schwarz war eine Kirche an ihrem nach Möglichkeit ausgezeichneten und in einer
schen Kirchenbautag Hamburg 1961. Zit. in: ablesbaren Figuration gehaltenen Hauptbau erkennbar, dem - sofern die Mittel aus¬
Hugo Schnell. Der Kirchenbau des 20. Jahrhun¬
reichten - zumeist ein freistehender Glockenturm beigegeben war. Die Kirchbauten
derts. a.a.O. S. 225.
660 Hugo Schnell, ebda. S. i82ff. vieler Jüngerer waren nicht an solchen verläßlichen Kriterien auszumachen. Die jeweils
661 RS. Regina Martyrum. Erläuternngsbericht. interessantesten Bauformen weit und breit: Daran waren ihre Kirchen zu erkennen.
1958. Typoskript. S. 4.
»Sie suchen die Architektur in allen Ecken und Winkeln ab, ob sie nicht doch ein Motiv
662 RS. Einige Bemerkungen zum Kirchenbau. In:
architektur Wettbewerbe 27. Kirchen von heute. finden, das in Vergessenheit geraten ist und mühen den eigenen Geist, ob ihm etwas
Stuttgart 1959. S. 57. einfällt, was es noch nie gegeben hat.«662

162
»Feste des Lebens«: Gürzenich und Wallraf-Richartz-Museum
in Köln

Wenn die Sakralbauten und nicht die weltlichen Bauten von Rudolf Schwarz im Vor¬
dergrund seines Nachkriegswerks zu stehen scheinen, so lag es nicht an ihm. In vielen
hallen hat er sich um bedeutende profane Aufgaben bemüht. In Köln konnte er, zusam¬
men mit Partnern, immerhin Gürzenich und ehemaliges Wallraf-Richartz-Museum
realisieren. Bei den Mannheimer und Düsseldorfer Theaterwettbewerben von 1952
und 1959 fanden seine Entwürfe größere Sympathien bei Theaterbauausschuß oder
Fachpresse, als der Ausgang der Konkurrenzen vermuten ließ, mußten aber hinter den
Projekten glücklicherer Mitbewerber zurückstehen, ln den letzten Lebensjahren waren
es Bauten der politischen Entscheidung, um die er sich (vergeblich) bewarb, obwohl es
eigentlich weder seine Gesundheit noch die Kapazität seines Büros erlaubten. So waren
es im wesentlichen die beiden Kölner Bauten der frühen und mittleren fünfziger Jahre,
die das Bild der Öffentlichkeit vom Profanbau-Architekten Schwarz prägten.
Mit dem Kölner Gürzenich (1949-55, Abb. 235-246, \W 1 i4)A<ü stellte sich erneut die
Frage nach dem Umgang mit ruinierten Geschichtsdenkmälern. Das ehemalige Spei¬
cher-, Kauf- und Festgebäude hatte sich die Freie Reichs- und Hansestadt 1441-47
geleistet, nachdem sie die teure Strapaze ihres mächtigen Rathausturmes bewältigt
hatte. Der zinnenbekrönte und mit rechtwinkligem Stabwerk dekorierte Vielzweckbau
überstand die Unbill der Zeiten nur mit der Substanz seiner Außenmauern. Die mittel¬
alterliche Holzbalkendecke des Großen Saals im Obergeschoß, von sechs in der Mittel¬
linie aufgestellten Holzstützen getragen, mußte in der Mitte des 19 Jahrhunderts dem
feinen, reichen Filigran neogotischer Ritterromantik weichen. Längst seiner merkantil¬
praktischen Funktion als Handelsort der Stadt entkleidet, wurde der mächtige Kasten¬
bau zum ausschließlich kulturell bestimmten Fest- und Konzerthaus.
Dieser Umbau durch Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner und Stadtbaumeister
Julius Raschdorff, der aus der zweischiffigen eine dreischiffige Halle machte, sowie ein
neuer Eingangsbau an der Nordseite des Gürzenich, gleichfalls von Raschdorff, fielen
den Luftangriffen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer. Nur die ausgeglühte Schale des
Baukomplexes stand noch. Die benachbarte romanisch-gotisch-barock-neogotische
Pfarrkirche St. Alban erlitt dasselbe Schicksal. Schon der Raschdorff-Anbau hatte sie
mit dem Gürzenich in einen architektonischen Zusammenhang gebracht. Nachdem
sich die Erzdiözese während des Gürzenich-Wiederaufbaus entschloß, in der entvölker-

234 Einweihung des Gürzenich 1955. Von links


nach rechts: Oberstadtdirektor Max Adenauer,
Vorsitzender der SPD-Fraktion Theo Burauen,
Josef Kardinal Frings, Oberbürgermeister Ernst
BOT
Schwering, Bundeskanzler Konrad Adenauer,
Ü44-44444u'H
Architekten Karl Band und Rudolf Schwarz.
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11 II 11 II
235 Rudolf Schwarz, Josef Bernard. Gürzenich
IIII II IIII TbUMIH ,
• —l— ■ in Köln. 1949. Wettbewerbsentwurf. Ostfassade.
-

H " 5 5 " fl fSSS I


236 Karl Band, Hans Schilling. Gürzenich in
Köln. 1949. Wettbewerbsentwurf. Ostfassade.

663 Vgl. auch im folgenden Angela Pfotenhauer.


Köln: Der Gürzenich und Alt St. Alban. Stadt¬
spuren - Denkmäler in Köln 22. Köln 1993.

163
237 Karl Band, Rudolf Schwarz. Gürzenich in ten Innenstadt St. Alban nicht mehr als Pfarrkirche zu nutzen, konnte die Kirchenruine
Köln. 1949. Grundriß Eingangsgeschoß (ausge¬ dem Ensemble zugeschlagen werden. In ihrer Unverfügbarkeit, aber unübersehbaren
führter Entwurf). Präsenz gab sie ihm eine einzigartige Qualität.
In der Stadt war man sich sofort einig, daß der Gürzenich - neben dem Rathaus der
238 Rudolf Schwarz, Josef Bernard. Gürzenich
in Köln. 1949. Grundriß Eingangsgeschoß
wichtigste bürgerschaftliche Bau der Stadt - nicht verlorengehen durfte. Schon in den

(Wettbewerbsentwurf). Monaten nach dem Brand wurde die Ruine mit Zugankern und inneren Strebepfeilern
abgesichert. Ein »Gürzenichausschuß« wurde 1948 gebildet, ein Wettbewerb ein Jahr
später ausgeschrieben - unter Kölner Architekten, denn nur ihnen traute man zu, den
Geist des Ortes zu erfassen. Die Sieger, Karl Band (1900-95) mit Hans Schilling und
Rudolf Schwarz mit Josef Bernard, hatten gehofft, leichter an den Auftrag zu kommen.
Der Ausschuß habe ursprünglich beschlossen, den Wettbewerb »auf den internen Kreis
der als schöpferisch bekannten Leute zu beschränken. Das war sinngemäß auf Sie und
mich gemünzt«, schrieb Band selbstbewußt an Schwarz, mit dem er sich nach dem
Wettbewerbserfolg zu einer Planungsgemeinschaft zusammenschloß.664
Daß Band und Schwarz gemeinsame Sache machten, war auch von der Verwandtschaft
ihrer Entwürfe her begründet (»Dur und M0II«665). Beide schlossen an der Ost- und
Westfassade des Gürzenichs Bauteile an, die dessen Maßordnungen aufnahmen, aber
eine dezidiert andere Formensprache benutzten. Bei Schwarz war sie klein- und vieltei¬
liger, bei Band horizontal gestreckt. Beide Architekten führten auch das Erdgeschoß des
Aitbaus als einen einzigen Raum in voller Gebäudetiefe durch, was sich bei der Aus¬
führung nicht durchhalten ließ, da eine Erweiterung der Baugruppe nach Norden nicht
realisierbar und das Programm daher nicht erfüllbar war. Beiden kam es auf fließende
Raumfolgen an. Bei Schwarz wirkt es, als breite sich der alte Raumkern in beiden
Geschossen expansiv aus und habe in der Wandelhalle zu der Kaskade von vier rotie¬
renden Treppenläufen geführt. Dagegen benutzt der Ausführungsentwurf für die
Haupttreppe das traditionelle barocke Schema der zunächst einläufigen, nach der
Kehre doppelläufigen Schloßtreppe, wenn auch variiert in der Abknickung der oberen
664 Karl Band an RS, 15. 6. 1949. - Kritik im Rat Läufe.
der Stadt galt der Beauftragung von Schwarz
als dem Generalplaner der Stadt Köln, von
Auf die Ruinen von St. Alban bezogen sich bereits beide Wettbewerbsentwürfe, indem
Band als Stadtverordnetem. Schwarz konnte sie die Treppenhalle mit Fenstern auf die unmittelbar benachbarte Außenwand von St.
auf seinen (auslegungsbedürftigen!) Vertrag Alban öffneten (Schwarz) oder sogar Teile der Treppe unmittelbar an die Außenwand
als Generalplaner verweisen, der ihm »Ein¬
von St. Alban legten (Band). Zu der endgültigen Lösung, bei der die Außenmauern des
fluß auf die Pläne über Wiederaufbau und
Neugestaltung der öffentlichen städtischen Chores zu Innenwänden der Wandelhalle wurden und von oben bis unten sichtbar
Gebäude wie Rathaus, Gürzenich und dergl.« durchlaufen, bedurfte es des Verzichts der Kirche auf den Ausbau von St. Alban, der
zusicherte.
zum Zeitpunkt des Wettbewerbs noch ausstand. Erst dann galt, was Schwarz beschrieb:
665 RS. Der neue Gürzenich. In: Johann Jakob
Hässlin (Hg.). Der Gürzenich zu Köln. Mün¬ »Die Gewölbe [von St. Alban] waren eingestürzt, und es stand nur noch eine unver¬
chen 1955. S. 175. ständliche Versammlung von Bögen, Pfeilern und Wänden unter dem offenen Himmel,

164
Karl Band, Rudolf Schwarz. Wiederaufbau des
Gürzenich. Köln. 1949-55.
239 Ansicht von Osten
240 Festsaal im Obergeschoß.
241 Garderobenfoyer im Erdgeschoß.

165
t i'.md, Rudolf Schwarz. Wiederaufbau
.[ r/cnnh. Köln. 1949-55. Treppenhalle.

•; >; 1 I liirtcn. Laibung einer Für zum Fest¬


saal lies Gürzenich.

: 44 Hans Lünenborg. Fenster im Beton-


ußwerk der Westfassade des Gürzenich (»Fal¬
lende Blätter«).

245 Elmar I lillebrand. Türklinke im Ober¬


geschoß des Gürzenich. Messing.

246 Türdrücker.

ein sinnloser, trauriger Rest... Er mahnt an die unerforschliche Bosheit des menschli¬
chen Herzens. So steht er neben dem Festhaus. Die Feste des Lebens werden vor den
Hintergrund des Todes gestellt.«666
Mit der Erhaltung der Ruine von St. Alban und dem Neuaufbau des Gürzenich befolg¬
ten die Architekten innerhalb eines einzigen Projekts zwei verschiedene denkmalpflege-
rische Verfahren, wie Schwarz sie in seinem Debattenbeitrag von 1947/48 geschildert
hatte (vgl. S. 128): das konservierende (St. Alban) und das interpretierende (Gürzenich).
Aber auch die Konservation war Interpretation. Die Konfrontation der Fülle mit der
Leere, des Festes mit dem Tod war Ergebnis einer sorgfältigen Inszenierung. Verun-
klärende Putzreste an den Kirchenwänden und Maßwerkteile in den Fenstern wurden
beseitigt, die erhaltenen Steinplatten des 19. Jahrhunderts im Kircheninneren durch
einen Belag aus Bruchsteinen und Kieseln ersetzt. Die Ruine erschien noch Hünen¬
hafter.
Nicht genug, daß durch die Fenster der Wandelhalle jedem Gast der Blick in die zer¬
störten Gewölbe nahegelegt wird. Eine gewendelte Nebentreppe im nordöstlichen Teil
des Foyers ist in ihrer Laufrichtung und in der Anordnung ihres Podestes so geführt,
daß sie ihren Benutzer zu unmittelbarem Kontakt mit dem Mauerwerk und zu einem
666 RS. Kirchenbau. S. 120.
667 Vgl. Angela Pfotenhauer. Köln: Der Gürzenich meditativen Blick hinunter in Chor und Schiffe von St. Alban anstiftet667 - eine emoti¬
und Alt St. Alban. a.a.O. S. 76ff. onsreiche promenade architecturale, wie der ungeliebte Le Corbusier gesagt hätte. Die
167
/ . ioll Schwarz, Josef Bernard. Wallraf- Aufstellung einer Kopie des trauernden Elternpaares von Käthe Kollwitz, die Ewald
i iv.-Museum (heute: Museum für Ange- Matare für den Chor angefertigt hatte, verschärfte den Kontrast. Nun war dem festli¬
u'.dte Kunst). Köln. 1951-58.
chen Leben nicht nur ein Ort melancholischer Vergänglichkeit gegenübergestellt, son¬
dern eine Gedenkstätte für Tod und Schuld. Für Schwarz war es eine Aufgabe, die in
das Sakrale hineinragte. »Von neuen Festhäusern träumen die Baumeister, die wie
Dome über dem Eläusermeer stünden«, formulierte er mit dem Pathos der Poelzig-
Jahre.668
Neben der Mauerhülle des Gürzenich griffen die vereinigten Architektenteams zu dezi¬
dierter Modernität. Dem Altbau wird der Vorrang nicht mehr durch mehr oder weniger
differenzierte Kleinteiligkeit verschafft, sondern durch den Kontrast des weiß gestri¬
chenen und mit Ziegel ausgefachten Betongerüsts zur gotischen Hausteinfassade. An
der Ostseite kragt der Isabellensaal im Obergeschoß aus, eine modern-funktionalisti-
sche Verdeutlichung der inneren Nutzung und zugleich Erinnerung an mittelalterliche
Kragkonstruktionen. Ließ sich diese Lösung aus dem Bandschen Wettbewerbsentwurf
entwickeln, so ist die Westseite mit dem farbig verglasten Betonmaßwerk (»Fallende
Blätter«) manchen Schwarz-Kirchen vergleichbar.
Wer wissen will, was die fünfziger Jahre in ihren inspiriertesten Augenblicken bewegte,
dem bietet der Gürzenich ein Anschauungsobjekt. Noch einmal wurde die alte Bauhüt¬
tenidee belebt. Architekten, Handwerker und Künstler lebten in vertrauter Gemein¬
schaft. Augenzeugen schildern die gemeinsame Arbeit in den letzten Monaten vor der
Einweihung wie ein Pfingstwunder.669 Herrschte anderswo die Hektik des einsetzenden
Wirtschaftswunders, so nahm sich das Gürzenich-Team Zeit - und Geld. Verständnis¬
volle Kommunalpolitiker verschafften den Künstlern Freiräume und rechneten ihnen
nicht jede Mark nach. Das Haus sollte nicht nur ein Tanzhaus sein, sondern »ein tan¬
zendes Haus... bis in den letzten Türgriff hinein«. Und bei allen Seufzern, die der Gür¬
zenich-Ausschuß und seine immer neuen Wünsche den Architekten abnötigten, konn¬
ten sie zum Schluß doch bekennen: »Es war schön, endlich einmal den Bauherrn zu
haben, mit dem man im Größten und Höchsten einig war.«670
Was dieser Epoche lieb und teuer war, im Gesamtkunstwerk Gürzenich fand es seinen
überreichen Niederschlag. Ihr künstlerisch-handwerklicher Ehrgeiz, ihre gefühlsselige
Liebe zum Dekor, ihr anstrengender Drang zur Heiterkeit, sie finden sich wieder in
den flutenden Räumen, aber auch in den Details, den schweren Bronzeportalen Ewald
Matares, den geschnitzten Türlaibungen, den geätzten Milchglasscheiben, den handge¬
arbeiteten Messingklinken, den Leuchtschnüren und dem Gliihbirnen-Besatz der vier¬
teiligen Stützen, den von Ludwig Gies entworfenen »Katzenzungen« der Decke im
Großen Saal und der Formenpolonaise im Garderobenfoyer, das viel mehr ist als das:
nämlich ein zweiter Festsaal, mit umlaufender Empore und einem dem Eintretenden
sich willig zuwendenden Treppenaufgang. Bei der jüngsten Überholung des Baukom¬
plexes stand seine Rettung auf Spitze und Knopf.
Kein anderer von Schwarz verantworteter oder mitverantworteter Bau unterbreitet ein
ähnlich opulentes Angebot von Kunst und Kunsthandwerk. Adolf Abel, einer der Preis¬
richter im Gürzenich-Wettbewerb, verglich den Entwurf mit der Paulskirche. Eine
erfreuliche Entwicklung aus dem rein Sachlichen in eine neue gemütvollere Ausdrucks¬
weise sei eingetreten. Hans Schmitt-Rost rechtfertigte zwar die klaren, hellen Zweck¬
formen des Neuen Bauens mit dem Hinweis auf die Härte und Tektonik altkölner Häu¬
ser - eine Charakteristik, die auf den mittelalterlichen Gürzenich zweifellos zutraf.
Aber auch er wünschte sich von neuen Gebäuden, wenn es die Architekten denn
zustande brächten: »Menschlichkeit, Heiterkeit, Anmut und Schönheit«.671 Unüber¬
sehbar waren die fünfziger Jahre in Köln eingezogen. Der neue Gürzenich-Komplex
668 RS. Der neue Gürzenich. a.a.O. S. 184.
wurde zu einem ihrer Schatzhäuser.
669 Mündliche Mitteilung von Maria Schwarz.
670 RS. Übergabe des Schlüssels zum Gürzenich am Funktional-praktisch hatte der wiederaufgebaute Gürzenich Nachteile. Der große
1.Oktober 1955. Typoskript. S. 2. Festsaal ist für seine Länge zu niedrig. Seine Höhe war durch die stabilisierende Beton¬
671 Adolf Abel. Zinn Gürzenich-Wettbewerb in Köln
decke aus der ersten Nachkriegszeit festgelegt, an deren Herausnahme nicht zu denken
am Rhein. In: Architektur und Wohnform 59
(1950/51) 1. Fachliche Mitteilungen. S. 3. - war. Schwarz neigte ursprünglich einem Saal zu, der die gesamte Höhe des Bauvolu¬
Hans Schmitt-Rost. In: RS. Das neue Köln. mens eingenommen hätte,072 wie es Fritz Schaller in seinem Wettbewerbsprojekt auch
5. 81.
tatsächlich vorschlug. Das wiederum ließ sich nicht mit dem Bauprogramm vereinba¬
672 Vgl. das von Schwarz verfaßte Protokoll der
ersten Sitzung des Gürzenich-Ausschusses am ren. Akustisch gab der Raum Probleme auf, vor allem bei der langjährigen Benutzung
6. 9. 1948. Typoskript. HAStK 953/22. als wichtigster Konzertsaal der Stadt vor der Errichtung der Philharmonie.

168
169
Wenn Schwarz beim Gürzenich den Überschwang der Formen förderte, so kam er im
anderen großen Kölner Profanbau aus seinem Atelier, dem Wallraf-Richartz-Museum
ililAJ
(1951-58, Abb. 2, 247-255, 308-310, WV 121), zu einer viel strengeren Auffassung.
Der Gürzenich ist leicht datierbar, das Museum nicht. War sein Ernst bereits eine
Reaktion auf den fröhlichen Pluralismus des Gürzenich oder entsprang er der Überzeu¬
gung, daß man die Kunstwerke eines Museums nicht der Konkurrenz architektonischer
Formenvielfalt aussetzen dürfe? »Im übrigen soll sich die Architektur gegenüber den
im Museum gezeigten Kunstwerken von säkularer Gültigkeit in geziemender Beschei¬
— .i j denheit verhalten.«6”
Das Wallraf-Richartz-Museum war der erste große Museumsneubau im Nachkriegs¬
deutschland. Für die Stadt Köln bedeutete es eine eindrucksvolle kulturpolitische
Anstrengung, sich diesen Bau gleichzeitig mit Gürzenich und Opernhaus zu leisten.

t-i ! ' M—i Zeitgenössische Vorbilder gab es in Deutschland nicht. Die Planungsverantwortlichen
mußten sich 1952 auf Studienfahrten in die Schweiz und die Niederlande begeben, um
sich Anregungen zu holen.674 Aber auch Paul Bonatz’ und Rudolf Christs Baseler
Kunstmuseum, das wie das Schwarz-Projekt einen großen steinernen Flof umfaßt (und
noch einen zweiten dazu), war bereits zwanzig Jahre alt, in seinem Flächenverbrauch
und seinen preziösen Mauertechniken das Produkt einer anderen Epoche. Nach Glarus
reiste die Kommission nicht. Dort entstand 1950-52 der kleine Kunstverein von Hans
Leuzinger, der am ehesten an die Kölner Lösung erinnert.6” Auch dort sitzen verglaste
Satteldächer auf Oberlichtsälen, die freilich im rechten Winkel zueinander stehen.
Von den sechs eingeladenen Architekten676 des Gutachterverfahrens entschied sich die
Mehrzahl für zwei oder mehrere Höfe. Schwarz und Bernard wählten (wie Böhm Vater
& Sohn) die naheliegende Lösung und schlossen den Neubau auf dem Grundrißgeviert
des früheren Minoritenklosters und des nachmaligen, zerstörten ^.Jahrhundert-
Gebäudes U-förmig an die gotische Minoritenkirche an. Dadurch waren sie gezwun¬
gen, für das geforderte Raumprogramm ein relativ massives Bauwerk zu entwickeln.
Schwarz hatte vor seinen Mitbewerbern Wettbewerbsvorteile, insofern er bereits im
Frühjahr 1950 mit einer Voruntersuchung beauftragt war. Geprüft werden sollte, ob das
Bauprogramm des Neubaus auf dem Grundstück unterzubringen war.677 Erste Versuche
zeigten einen wenig einnehmenden Kubus (Abb. 248).
Die zündende und alle weiteren Entscheidungen bedingende Idee war die Gliederung
248 Rudolf Schwarz. Wallraf-Richartz-Mu-
seum. Köln. 1950. Vorentwurf. Bleistift. des Komplexes in sechs ostwestlich laufende Züge, jeweils drei für den Hauptbau im
Norden, jeweils drei für die beiden Flügel des U. Mit Satteldächern gedeckt, ergaben
249 Dominikus und Gottfried Böhm. Wallraf- sie in den Ost- und Westansichten eine Addition von Giebelhäusern. Die Nordseite,
Richartz-Museum. Köln. 1951. Wettbewerbs¬ durch rückwärts gestaffelte Strebepfeiler gegliedert, wirkt stark, aber gewiß nicht einla¬
entwurf.
dend. Sie macht deutlich: Dieses Haus birgt einen Bilderhort, dessen Schätze - und mit
ihnen die Aufmerksamkeit der Besucher - gegen die Zumutungen der Großstadt abge¬
schirmt werden müssen. Die Jury, die die sechs Entwürfe zu bewerten hatte, beschrieb
die Schwarzsche Haltung: Der Bau konzentriere sich wie ein Igel auf die engste Masse
und die engste Grundfläche.678
673 RS, Josef Bernard. Wiederaufbau des Wallraf- Unter diesen Umständen bot sich das Schwarzsche Lieblingsmotiv des geschützten
Richartz-Museum zu Köln. Erläuterungsbericht
Innenhofs von selbst an. Fenster in stehenden Formaten und an jeder Hofseite der Sei¬
der Vetfasser. o. J. [1951]. Typoskript.
Vgl. Alexander Kierdorf. Das Wallraf-Rich¬ tenflügel ein Erker (mit Ruhezonen für die Museumsgäste) erlauben kontrollierte
artz-Museum von Rudolf Schwarz und Josef Ber¬ Sichtbeziehungen nach außen, Blicke in den Hof, auf erhaltene und hinter Glaswänden
nard. 1988. Typoskript.
geschützte Reste des Kreuzgangs, auf die Minoritenkirche, auf die in den Hof hineinra¬
674 Protokolle der Sitzungen des Arbeitskreises
Wallraf-Richartz-Museum. Typoskripte. genden Turmspitzen des Doms. Das Seitenschiff der Klosterkirche wurde leider durch
675 Abgebildet in: Hannelore Schubert. Moderner einen langen, kaum gegliederten Bau für die Restaurierungswerkstätten abgedeckt.
Museumsbau. Deutschland. Österreich. Schweiz. Innen entwickelt sich ein ziemlich kompliziertes Spiel der Räume mit eingehängten
Stuttgart 1986. S. 37, anschließend das Wall¬
Mezzaningeschossen und Sälen unterschiedlicher Höhe, teils durch Seitenlicht, teils
raf-Richartz-Museum S. 38ff.
676 Adolf Abel, Heinrich Bartmann, Dominikus durch Oberlicht erhellt. Abtrennbarer Zugang für Vortragssaal und Bibliothek war eine
Böhm, Ernst Panzer, Hans Schumacher, Ru¬ Bedingung für die Benutzung des Hauses. Aus dem niedrigen und bescheidenen Ein¬
dolf Schwarz.
gangsraum betritt man die großartige Treppenhalle: die Weite nach der Enge. Einige
677 RS. Vorschläge für den Wiederaufbau des Wall-
raf-Richartz-Museums zu Köln. Typoskript. 9. Stufen führen hinunter aufs Niveau von Halle und Hof, ein langer, langer, durch Pode¬
5. 1950. ste gegliederter Treppenlauf dagegen hinauf in die Hauptetagen des Museums. So
678 Stellungnahme der Gutachter zu den Entwürfen
konnte Schwarz auch hier sein Lieblingsmotiv des Stufenbergs bauen. Verglichen mit
Wallraf-Richartz-Museum in der nicht-öffent¬
lichen Sitzung der Stadtvertretung am 16. 10. den Treppenläufen, die Hans Döllgast zur gleichen Zeit in die Südloggia der Münche¬
1954. Typoskript. ner Alten Pinakothek einbaute, ist der Kölner Anstieg anstrengungslos zu bewältigen.

170
- V*-

Es war eine Lösung, an der die Architekten gearbeitet haben. Zunächst hatten sie an die 250, 251 Rudolf Schwarz, Josef Bernard. Wall-
seit dem Barock herkömmliche Aufteilung in eine dreiarmige Anlage gedacht: aufstei¬ raf-Richartz-Museum. Köln. 1951. Fassadenstu¬
gender Mittellauf zwischen zwei in entgegengesetzter Richtung hinabfiihrenden Läu¬ dien. Bleistift.

fen. Zum Treppenberg wurde der Entwurf erst, als der Hauptlauf - übrigens auf
Wunsch der Jury - an die Wand der Halle rückte und untermauert wurde. Von der
ersten oberen Museumsetage in die zweite ging es nach der Weiterbearbeitung nicht Seiten 172, 173:
mehr in geradem Lauf. »Zum obersten Geschoß führt eine runde Treppe, deren Trom¬ Rudolf Schwarz, Josef Bernard. Wallraf-Rich-
artz-Museum (heute: Museum für Angewandte
mel in die Nordsäle hineingesetzt ist. Wir finden diese kleine Abwechslung besonders
Kunst). Köln. 1951-58.
nett.«679 Nicht alle Kritiker teilten diese Meinung.
252 Treppenhalle. Blick vom Hofniveau zum
In die Entwurfszeit des Wallraf-Richartz-Museums fiel die Bauhaus-Debatte, in der Eingangsniveau.
Schwarz seine Attacke gegen die funktionalistisch-konstruktivistische Moderne ritt. 253 Treppenhalle. Blick vom Eingangsniveau
Das Kölner Museum gab ihm die Gelegenheit zu präzisieren, welche architektonischen zu den Obergeschossen.
Konsequenzen sich aus seiner Kritik ergaben. Tatsache war, daß die Resonanz auf die¬
sen herben und strengen Bau sehr unterschiedlich war. Einwände kamen aus entgegen¬
gesetzten Richtungen, weil »nämlich der Bau mit voller Absicht quer zu der traditiona-
listischen und modernistischen Front steht, und deshalb weder von der einen noch von 679 RS an Ulrich Conrads, 10. 12. 1957.

171
172
173
der anderen freudig begrüßt wird... Wir haben versucht, ein reines Bauwerk zu errich¬
ten, das in jeder Beziehung und ohne Rücksicht auf Verlust durchgeführt ist, wie es ver¬
nünftigerweise durchgeführt werden muß.«68°
Den Modernisten schien der Bau allzu angepaßt, in den Giebeln seiner Ost- und West¬
seiten auf bürgerliche Stadthäuser anspielend, mit den Wandpfeilern Gotik zitierend -
und nicht zuletzt die Gotik der Minoritenkirche. Den Traditionalisten war das Bauwerk
auch nicht recht. Sie attackierten es als unwirtlich-nüchternes Fabrikgebäude, das da
mitten in die alte Stadt gepflanzt worden sei und gegen alle Erwartungen über das
Äußere eines Museumsgebäudes verstieß. Fern jeder freundlichen Geste verfügt es
nicht einmal über einen repräsentativen Eingang. Man betritt das Gebäude irgendwo
an der Nordseite und wird allenfalls durch ein wenig auffälliges Eingangsdach auf die
Möglichkeit eines Zutritts aufmerksam gemacht. Konrad Adenauer verstieg sich so
weit, den Abriß zu fordern.68' Das Kunsturteil aus Kanzlermund dürfte allerdings die
Akzeptanz des Hauses in der Öffentlichkeit eher erhöht haben.
Schwarz mochte dieser Streit recht sein. Daß ihn Traditionalisten wie Modernisten kri¬
tisierten, empfand er als Bestätigung. In immer neuer Prüfung sei das Moderne -
Schwarz benutzte das Wort wie: »das Modische« -, das sich in die Planungen dränge,
auszuscheiden. Jeden Bestandteil gelte es »ganz ins Gültige, ganz in seine eigene
Bedeutung und Leistung zu bringen, jede Form so lange zu reinigen, bis sie das, was
nur modern ist, abtat und hinter sich ließ.«682 Im Gutachterwettbewerb war das radikal
moderne Gegenmodell zu dieser Haltung der von Dominikus und Gottfried Böhm ein¬
gereichte Entwurf gewesen (Abb. 249). Die Böhms schlugen frei unterteilbare Plattfor¬
men vor, die von einhüftig parabolischen Bindern abgehängt waren. So etwas hatte man
noch nie gesehen. Schwarz soll bei der Vorstellung seines eigenen Projekts im Rat die
Anekdote vom Metzger erzählt haben, der seinem Sohn auf dem Totenbett das
Geheimnis anvertraute: »Man kann Würste auch aus Fleisch machen«.68’ Es war ein
Plädoyer für das Selbstverständliche und gegen das Ausgefallene, das die Entscheidung
zu seinen Gunsten beeinflußt haben mag.
Dabei genügt der Schwarz-Bernardsche Bau rigoroser Modernisten-Moral durchaus.
Viele Entwurfsentscheidungen sind aus dem konstruktiven System abgeleitet. Die
Backsteinwände sind nicht Furnier, sondern tragendes Mauerwerk, das mit Rippen¬
decken und Stützen aus Beton kombiniert ist. Abmessungen von Deckenbindern wur¬
den entsprechend der Kräftebeanspruchung variiert, so daß sich ein strukturelles Orna¬
ment ergab, lebendig, aber in der Konstruktion begründet. Es gibt an diesem Bau keine
Rabitz-Schummeleien und keine aufgeklebten Fassaden. »In dieser Beziehung ist er so
ziemlich das Gegenteil von Riphans [sic] Theater, das ein paar hundert Meter daneben
entsteht.«684
Im Vergleich zu den zeitlich folgenden Museumsbauten in der Bundesrepublik behaup¬
tet das ehemalige Wallraf-Richartz-Museum einen souveränen Rang. Weder Sep Rufs
Kistenbauten für das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg noch Horst Loys
und Werner Kreutzbergers bescheiden-wohnliches Museum Folkwang in Essen kön¬
nen mit ihm konkurrieren. Bis zu den Museen der sechziger Jahre von Werner Dütt-
mann im Berliner Grunewald, Manfred Lehmbrock in Duisburg, Mies van der Rohe
am Berliner Tiergarten und Dieter Oesterlen in Hannover blieb der Bau von Schwarz
und Bernard ein einsames Beispiel charakterfesten Bauens. In seiner zeitlosen Gültig¬
keit ist er dem Kunsttempel des Freundes Mies van der Rohe verwandt.
Wie im Kirchenbau änderte sich auch im Museumsbau nach Schwarz’ Tod die Auffas¬
sung dieser Bauaufgabe. Seit den siebziger und erst recht den achtziger Jahren sollten
Museen ihr Publikum durch architektonische Inszenierungen gewinnen, durch breite
680 ebda.
681 Kölnische Rundschau, io. i. 1956. - Kölner
Öffnung und verheißungsvolle Einblicke, durch freundliche Cafeterien und Spielzonen
Stadtanzeiger, 10. 1. 1956. für die Sprößlinge der Besucher, durch öffentliche Wege, die durch die neuen Museums¬
682 RS. Kirchenbau. S. 124. komplexe geleitet wurden, durch effektvolle oder wissenschaftlich-experimentell erklü¬
683 Leopold Reidemeister. Ansprache zur Gedächt¬
gelte Lichtarrangements. Nichts wurde mehr gefürchtet als Langeweile. Konzentration
nis-Ausstellung Rudolf Schwarz in der Akademie
der Künste Berlin. 16. 2. 1964. Typoskript. und Intensität der Kunsterfahrung wurden zu altmodischen Begriffen. Für Schwarz
684 RS an Ulrich Conrads, u. 2. 1956. dagegen hatte die Sammlung der Bilder noch mit der Sammlung der Gedanken und
685 RS. Wie beleuchtet man Museen? Typoskript.
Gefühle zu tun. Schon gegen das indirekte, gefilterte, steuerbare Licht, das von oben in
S. 5. Teilweiser Abdruck in: Baukunst und
Werkform 11 (1958) 1, S. nf. vgl. auch S. die Säle wie in offene Abgründe stürze, äußerte er Bedenken und bevorzugte Seitenlicht
2 21 ff. aus einfachen, stehenden Fensterformaten.68*

174
Rudolf Schwarz, Josef Bemard. Wallraf-Rich-
artz-Museum (heute: Museum für Angewandte
Kunst). Köln. 1951-58.
254 Nordfassade, noch ohne h ingangsdach.
255 Westflügel, gesehen vom 1 lof, mit einge¬
bauten Arkaden des Kreuzgangs.

Museologisch begründete Einwände gab es bereits zur Eröffhungszeit des Wallraf-


Richartz-Museums.686 Die Kölner Direktoren und Generaldirektoren äußerten sich
abwechselnd enthusiastisch oder kritisch über das Gehäuse. Knapp war die Hängefläche
von Anfang an. Leopold Reidemeister, der erste Hausherr, hatte den Bau aus pädagogi¬
schen wie taktischen Gründen nicht größer gewollt. Schon vor dem Einzug war ein 686 Beanstandet wurden vor allem mangelnder
Neubau für die Kunstbestände des 20.Jahrhunderts - insbesondere die Expressionisten- Lichtschutz, Wegfuhrung (die engen Verbin¬
dungsräume hinter den zwei Geschoß hohen
Sammlung Haubrich - anvisiert worden, der mit Peter Ludwigs aktiver Sammlungs¬
Oberlichtsälen), zu häufige Unterbrechung
und Schenkungspolitik aktuell wurde und nicht der letzte Neubau für das Wallraf-Rich- der Wände durch Türen und Durchgänge
artz-Museum bleiben soll. Die Restaurierung des inzwischen »alten« Hauses für seinen und die klimatischen Bedingungen. Andere
jetzigen Nutzer, das Museum für Angewandte Kunst, ist von Walter von Lom sensibel Einwände wie der Raumaufwand der Trep¬
penhalle im Verhältnis zum Angebot an Aus¬
besorgt worden und konnte störende Veränderungen und Umbauten rückgängig stellungsflächen waren durch das Programm
machen. der Museumsleitung bedingt.

175
»Spielhaus gegen Zweckhaus«: Entwürfe fürs Theater

Ir . l.elumnn. Paläontologisches Wörterbuch. Unter Leitfossilien versteht die Paläontologie »für bestimmte Horizonte oder zeitliche
Stuttgart 1977h S. 205. Einheiten charakteristische Fossilien«68?. In der deutschen Baugeschichte der fünfziger
■ Vgl. Gerhard Storck. Probleme des modernen
Bauens - und die Theaterarchitektur des 20. Jahre waren »Leitfossilien« zwei kulturelle Bauaufgaben, die Kirchen und die Theater;
Jahrhunderts. Diss. Bonn 1971. Mannheim: S. die Museen wurden es erst in den achtziger Jahren. An ihnen ließen sich nach Quantität
1 , s. 697fr. Düsseldorf: S. 490fr., S. 675fr wie Qualität Tendenzen der Epoche ablesen. Sobald nach dem Zweiten Weltkrieg
689 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 154.
Kommunen und Bundesländer über ausreichende Mittel verfügten, wurden die zerstör¬
690 RS. Wiederaufbau des »National-Theaters in
.1 lannheim«. Erld'uterungsbericht. Typoskript. ten Bühnen wiederaufgebaut oder durch neue ersetzt. In der Bundesrepublik waren
[1953]. S. 4f. es bis zum Tode von Schwarz etwa 55 Häuser. Da die Neubaukosten eines Theaters
ein Fünftel bis ein Viertel des gesamten ordentlichen Haushaltsetats einer Stadt von
200 000 Einwohnern ausmachten, waren die Leistungen der öffentlichen Bauherren
wahrhaft erstaunlich. Eine Reihe von Städten nutzte überdies die Chance, sich beim
Neubau mit einer zweiten Bühne für Kammerspiele oder Experimentstücke zu ver¬
sorgen, über die sie zuvor nicht verfügt hatten.
Eine ausreichende Erklärung für den Theaterbau-Boom geben weder der Bildungs¬
wert, den man dem Theater beilegen mochte, noch eine spontane Lust der Deutschen
an Schau und Spiel. Fast scheint es angesichts des immensen Einsatzes an Kraft und
Mitteln, als ob dem Theater im Zusammenhang der unüberschaubar werdenden Städte
eine Aufgabe zugemessen wurde, die jenseits seiner eigentlichen Rolle lag: die Gliede¬
rung und Zusammenfassung einer überschaubaren Gruppe von Menschen, die Konzen¬
tration auf ein gemeinsames Erlebnis wenigstens für die Dauer einer Aufführung, die
Begründung einer Welt jenseits des Zuständigkeit der praktischen Zwecke, ein Ort der
Suche nach Sinn jenseits der Zuständigkeit der Konfessionen. Nicht zuletzt verschaffte
es den Kommunen kulturelles Ansehen.
Auf diese sozialen Funktionen des Theaters läßt die Bedeutung schließen, die bei den
deutschen Neubauten Foyer, Gesellschaftsräume und Zuschauerhaus besaßen. Bühnen¬
haus, Verwaltung und Werkstätten verhielten sich zum Vorderhaus, das dem Publikum
zugänglich ist, durchschnittlich wie 1:1. Die Überprüfung und Neuformulierung des
Verhältnisses von Zuschauer und Bühne stand dagegen nicht im Vordergrund. Wenn
sie anfangs noch häufiger diskutiert wurde, so trat sie zunehmend in den Hintergrund.
Im Mannheimer Theater-Wettbewerb, zu dem auch Schwarz aufgefordert wurde,
konnte Hans Scharoun noch mit der Hoffnung auf Erfolg Bühne und terrassierten
Zuschauerraum »aperspektivisch«, ohne ideale Sichtlinie einander zuordnen und von
256 Rudolf Schwarz. Bühnenbild. Auf dem Un¬
einer simultanen Nutzung der Bühnenzone ausgehen. Dagegen zielten beim Bauwett¬
terlagekarton datiert: 30. 7. 1926.
bewerb für das Düsseldorfer Schauspielhaus alle Programmvorgaben auf eine im thea¬
tertechnischen Sinn konventionelle Lösung. Für Großes wie Kleines Haus waren Por¬
tal- und Bühnengröße auf den Meter genau festgelegt. Für die Publikumsräume war
Großzügigkeit ausdrücklich verlangt.688 Das entsprach dem Düsseldorfer, aber auch
dem angewachsenen bundesrepublikanischen Prestigedenken.
Für Schwarz gehörte das Theater in die »Gegend der Hoheit«, zu den »großen Wer¬
ken der Stadt«. Die Künstler »rufen das Getane ins Drama, die Untat ins richtende
Verfahren, erbauen die großen Räume, wo das Reich aufbewahrt wird, und dichten die
Lieder und werden, wenn man sie anders nicht hört, zum Hofnarren, der das Recht hat,
die Wahrheit in der Form des Witzes zu sagen und nicht ernstgenommen zu werden,
damit doch wenigstens einer ernst bleiben darf«.689 Das war ein Begriff vom Theater,
der an Aischylos, Shakespeare, Strindberg oder Lorca, aber kaum an Brecht, Pirandello
oder Arthur Miller gewonnen scheint - und wenn es um Regisseure ging, eher an Max
Reinhardt als an Erwin Piscator. Schwarz war sich aber wohl bewußt, daß ein Theater
des »zusammengefaßten Volkes« mit seinen Mißbrauchsmöglichkeiten nicht der aktu¬
ellen Situation entsprach, sondern das Problem- und Diskussionsstück die lebendigste
Theaterform bot.690
Der Entwurf von Riphahn, Schwarz und dessen Partner Josef Bernard für Mannheim
bemühte sich um eine Gestalt, die unverwechselbar Theater signalisiert. Die Funktio¬
nen werden monumental herausgearbeitet (1952-53, Abb. 257, 258, WV 137). Der
Bühnenturm tritt mächtig hervor. Ihm lagern sich dreieckige Nebenbühnen und der
Fächer des Zuschauerbereichs an. Den Saal des Großen Hauses - eine ungeteilte Arena

176
für die erhoffte und erwünschte »Erneuerung des objektiven T heaters«691 - stemmen Wilhelm Riphahn, Rudolf Schwarz, Josef
Mauerscheiben empor, die radial dem gedachten Bühnenmittelpunkt zulaufen und Bernard. Wettbewerbsentwurf Nationaltheater

unter dem Parkettboden Foyer und Nebenräumen Platz geben. In der Verdeutlichung Mannheim. 1952-53.
257 Ansicht von Süden.
der Teile war es eine Gegenposition zu Mies van der Rohes faszinierendem Vorschlag.
258 Längsschnitt.
Mies stellte alle Funktionen des Theaters in einen gläsernen Quader, dessen durchlau¬
fende Dachfläche unter sieben Stahlfachwerk-Bindern schwebte (Abb. 260, vgl. S. 192). 259 Hans Scharoun. Wettbewerbsentwurf Na¬
Als Schwarz sich Jahre später bei Friedrich Tamms, dem Düsseldorfer Stadtbaurat, für tionaltheater Mannheim. 1952-53. Modell.
die Einladung zum Düsseldorfer Schauspielhaus-Wettbewerb bedanken konnte, ver¬
wies er auf sein frühes Interesse am Theater. »Als ich noch jung und schön war, habe 260 Ludwig Mies van der Rohe. Wettbewerbs¬
entwurf Nationaltheater Mannheim. 1952-53.
ich viel Zeit damit verbracht, über neuen Theaterbau nachzudenken.«692 Der Hinweis
Modell.
mag sich auf die Fehrzeit bei Poelzig, dem Theaterversessenen, beziehen, aber auch auf
Arbeiten, die Schwarz für die Magdeburger Theaterausstellung 1927 angefertigt hatte -
»Bühnenbild« (Abb. 256) und »Festspielhaus«.
Während der Außenbau des Mannheimer Projekts trotz seiner großen Geste zusammen¬
addiert wirkt, war Schwarz’ Düsseldorfer Projekt sieben Jahre später ein großer Wurf.
Mancher hätte ihm - vor den preisgekrönten Entwürfen von Richard Neutra, Ernst
F.F. Brockmann und Bernhard Pfau (Abb. 263) - die Verwirklichung gewünscht.6« Der 69t ebda. S. 5.
692 RS an Friedrich Tamms, 23. 3. 1959.
Bauplatz im Schatten des Dreischeiben-Hauses von Hentrich & Petschnigg forderte
693 »Zu niedrig wurde dagegen die ausgezeich¬
zur Originalität der Außenform heraus, denn mit schierer Baumasse war dem nete Arbeit von Schwarz eingestuft.« Jürgen
2 5geschossigen Nachbarn nicht beizukommen. Neutra griff zu weit auskragenden hori¬ Joedicke. Einleitung. In: architektnr Wettbewerbe
29. Stuttgart i960. S. 7. - Ähnlich Ulrich
zontalen Platten - ein »kalifornisches Klubhaus«, fand Ulrich Conrads694 -, Pfau
Conrads. Gestern heute morgen. In: Bauwelt 51
umwickelte die herkömmlichen Raumvolumen mit einer kurvenreichen Hülle, die nach (i960) 15, S. 399.
der Überarbeitung den Beifall der Auftraggeber fand. 694 Ulrich Conrads, ebda.

177
Schwarz wurde nur mit einem zweiten Ankauf ausgezeichnet. Abermals hatte er seinen
zentralen Baugedanken des Stufenbergs aufgenommen (Abb. 261, 264, WV 177). Das
Motiv zeigte an, daß dieses Bauwerk im Vergleich zum profanen Verwaltungsnachbarn
»höherer Art« sei: »Spielhaus gegen Zweckhaus«. Alle Saiten, die einst die Idealpro¬
jekte der Poelzig-Zeit angeschlagen hatten, klangen wieder an. »Der Bau... stuft sich
über viele Ebenen vom Eingang bis zum Kulissenhaus hoch, wie ein Gebirge aus Säu-
lung und Schichtung wird ein imaginärer Berg gebaut.« Man meint, den Poelzig des
Salzburger Festspielhauses zu hören: »Die gleichen Kräfte, welche die Berge draußen
und die in den Landschaften der Seelen drinnen errichten, erbauen diesen >Zauber-
berg<.«095
Die Eingangsseite zum Hofgarten hin staffelte sich von den Marmortürmen der Trep¬
penhauszylinder und den gläsernen Prismen des Foyers in Rücksprüngen hinauf bis
zum Bühnenturm. Um dieses Moments willen verzichtete Schwarz, der Meister der
langen schönen Treppen, diesmal auf freigestellte, innere Läufe, sondern brachte die
Aufgänge in den Rundtürmen unter. Es war ein Punkt, den das wenig verständnisvolle
Preisgericht kritisierte, ebenso wie den abweisenden Charakter der Ost- und Südfassa¬
den und den Reichtum in der Raumbildung des Foyers, das dem Eindruck im Zuschau¬
erraum zuviel vorwegnähme. In der Tat hätten Stufen im Boden der Wandelhalle,
Galerien und Stege, die zu den Treppentürmen hinüberspringen sollten, bereits im
Eingangsbereich ein belebtes Raum- und Menschenspiel erzeugt.
Die Figur der Treppe bestimmte auch die Gestalt des Zuschauersaals: kein Arena-
Theater, sondern gebrochen in drei große polygonale Nischen sowie Rangebenen in
verschiedenen Niveauhöhen. Die Guckkastenbühne war durch die Ausschreibung fest¬
gelegt. Aber Schwarz wollte auch das Gegenüber von Schauspielern im Licht und
Zuschauern im Dunkel, wollte die »brütende«, erwartungsvolle Menschentreppe vor
der Bühne. Ansätze zu einer freieren Gruppenbildung hatte es im T heater-, Kino- und
2Öi Rudolf Schwarz. Wettbewerbsentwurf Schau¬ Konzertsaalbau der fünfziger Jahre mehrfach gegeben. In den gebauten Beispielen war
spielhaus Düsseldorf. 1959. Modell Zuschauer¬ sie über Ränge, die ins Parkett hinuntergezogen wurden (Stuttgarter Liederhalle von
haus. Adolf Abel und Rolf Gutbrod, 1949-56), oder schubladenförmige Emporen und Logen
(seit der Londoner Royal Festival Hall von Robert H. Matthew, 1951) nicht hinausge¬
262 Alvar Aalto. Wettbewerbsentwurf Opern¬
kommen.
haus Essen. 1959. Zuschauerhaus.
Auf dem Papier hatten dagegen Scharouns »aperspektivisches Theater« für Mannheim
263 Bernhard Pfau. Wettbewerbsentwurf Schau¬ sowie der kurz zuvor, im August 1959, preisgekrönte Entwurf Alvar Aaltos für das Esse¬
spielhaus Düsseldorf. 1959. ner Opernhaus andere Möglichkeiten eröffnet. Aaltos unregelmäßig ausgebuchteter
Zuschauersaal (Abb. 262, vgl. S. 184)696 mußte noch viele Jahre bis zu seiner Verwirkli¬
264 Rudolf Schwarz. Wettbewerbsentwurf
chung warten. Scharoun konnte seine »Weinberge« und »Talschaften« der Berliner
Schauspielhaus Düsseldorf. 1959. Ansicht vom
Philharmonie zugrundelegen, wo sie aber - anders als bei seinem Mannheimer Projekt
Hofgarten. Entwurfsskizze. Bleistift.
- durch eine Symmetrieachse reguliert werden. Hätte Schwarz seinen Entwurf realisie¬
695 RS. Be?nerkungen des Architekten. Typoskript. ren können, wäre ein Bau entstanden, der ähnlich Furore gemacht hätte wie Hans
S. 1. Auch in: Maria Schwarz u.a. Rudolf Scharouns Berliner Philharmonie.
Schwarz. Kat. Bda Köln, Akademie der Kün¬
ste, Berlin. Heidelberg 1963. S. 99.
696 Gerhard Storck. Probleme des modernen Bauens.
a.a.O. S. 497.

178
»Zu ihrer Freiheit wecken«: Atelierchef und Architekturlehrer

Düsseldorf spielte auch in anderer Hinsicht eine Rolle in der Arbeit von Schwarz. Ein 697 RS an Heinrich Kamps, 22. 12. 1952.
knappes Jahr nach der Beendigung seiner Tätigkeit als Stadtplaner von Köln hatte er 698 RS an Johannes Krahn, 1.6. 1957.
699 RS an Ulrich Conrads, 5. 9. 1958.
einen Ruf an die Staatliche Kunstakademie Düsseldorf erhalten, um den er sich bemüht
700 Karl Wimmenauer. Vortrag... zur Eröffnung
hatte. Am 20. Februar 1953 nahm er die Lehrtätigkeit wieder auf, die er zwanzig Jahre der Ausstellung »Rudolf Schwarz« in der Düssel¬
zuvor, nach seiner Kündigung in Aachen, hatte abbrechen müssen. »Allmählich muß dorfer Kunstakademie. 15. 12. 1966. Typoskript.
701 Maria Schwarz. Mitarbeit - Zusammenarbeit.
man ja sehen, daß man den Ertrag seines Lebens an eine andere Generation weiter¬
In: Manfred Sundermann, Claudia Lang, Ma¬
gibt.«697
ria Schwarz. Rudolf Schwarz. a.a.O. S. 117.
Schwarz hatte sich im gesellschaftlichen Leben seiner Zeit eingerichtet. Freund Krahn 702 Karl Wimmenauer. Vortrag... zur Eröffnung
wurde streng verwiesen, als er sich über enttäuschte Hoffnungen beklagte. »Welche der Ausstellung »Rudolf Schwarz«. a.a.O. S. 6.

Enttäuschungen Sie seit dem Neuanfang 1945 zu verbuchen haben, sehe ich nicht
recht.« Wer ohne Illusionen ans Werk gegangen sei, müsse zugeben, »daß eigentlich
alles viel ordentlicher gekommen ist, als zu erwarten war.« Sogar die ehemaligen
heinde, heißt es generös, seien »noch ganz brauchbare Leute geworden«, die Russen
natürlich ausgenommen. »Wenn jetzt noch einmal eine Regierung käme, die das ABC
der sozialen Notwendigkeiten beherrschte, wäre ich sogar glücklich.«698 Vom Kabinett
Konrad Adenauers erhoffte er sich solche Einsichten offenbar nicht. Adenauer selbst,
der Kritiker seines Wallraf-Richartz-Museums, blieb der »Busenfeind«.6"
Im eigenen Leben waren die wichtigen Entscheidungen nun getroffen. Schwarz hatte,
als \ ierundfünfzigjähriger, geheiratet. Die neunundzwanzigjährige Architektin Maria
Lang hatte an der Technischen Hochschule Aachen bei Schwippert und bei dem Archi¬
tekten und Stadtplaner Rene von Schöfer und anschließend in der Wiederaufbau-GmbH
in der Kölner Stadtplanung gearbeitet. Viele Kirchenentwürfe des letzten Jahrzehnts tra¬
gen den Namen Maria Schwarz als Mitarbeiterin. Nach dem Tode von Schwarz trug sie
die Verantwortung für die Vollendung der Bauten und führte das Büro weiter.
Das Verhältnis der Mitarbeiter zu ihrem Chef ist, wie jedes Abhängigkeitsverhältnis,
nicht frei von Problemen. Bei einem so prägenden Architekten wie Rudolf Schwarz gilt
das erst recht. Karl Wimmenauer (geb.1914), der zehn Jahre lang bei Schwarz gearbei¬
tet hat und später wie Schwarz an der Düsseldorfer Kunstakademie unterrichtete, hat
die Mischung von Gemeinsamkeit und Bedrängtheit geschildert, die seine Mitarbeiter
empfanden, wenn der Meister im Zwei-Zimmer-Büro in Frankfurt, Baseler Platz Nr.6
(Abb. 265), »denkend und konzipierend auf knarrenden Dielen stundenlang die durch¬
gehenden Büroräume« durchmaß. »Wie gern hätten wir ihn dann aus unserem Raum
ausgesperrt.« Manchmal taten sie es seiner Erinnerung nach auch, und Schwarz quit¬
tierte diese Notwehrmaßnahme mit abwesendem Lächeln.?00
Es kam hinzu, daß Schwarz mit einem knappen Wort oder einer verletzenden Pointe
die Arbeit von Tagen oder Wochen kommentieren und manchmal zunichte machen
konnte. Ideen, auch den Entwurf einschneidend verändernde, akzeptierte er von allen 265 Das Architekturbüro Schwarz in Frankfurt
Mitarbeitern. Sie gingen in die Arbeit ein und gehörten dann zur Schöpfung des Mei¬ am Main, Baseler Platz 6, in den ersten Nach¬
kriegsjahren. Gedächtnisskizze von Karl Wim¬
sters, obwohl Schwarz penibel und korrekt bei der Nennung aller Beteiligten vorging.
menauer.
Die entscheidende Handskizze - meist in einer Fülle alternativer Entwürfe - kam in der
Von 1946 bis 1949 waren hier außerdem die Pla¬
Regel von Schwarz. Es gab »die Übereinstimmung der glücklichen Stunde«, aber auch nungsgemeinschaft Paulskirche und das Archi¬
»die Härten der Auseinandersetzung bis zur Grenze des Ertragbaren«, aus denen dann tekturbüro von Johannes Krahn untergebracht.
doch wieder »die gefundene Gestalt« hervorging, die allein zählte. Und dann fragte
»keiner mehr..., wer hat das richtige Wort gesagt?«701
Wer der Herr des Entwurfsverfahrens war, darüber gab es keinen Zweifel. Einfälle, Kri¬
tik und Vorschläge waren willkommen, aber es waren Einfälle, Kritik und Vorschläge
innerhalb der von Schwarz vorgegebenen Ansprüche und Konzeptionen. Stand der
Entwurf, so wandte sich der Meister anderen Aufgaben zu und übernahm erst dann
wieder, wenn die Zusammenarbeit mit Bildenden Künstlern bei der Ausstattung der
Bauten auf der Agenda stand. Wimmenauer ging so weit zu sagen, das gedachte Bau¬
werk sei Schwarz’ Anliegen gewesen, nicht das gebaute.702 Alles in allem muß die Arbeit
im Büro Schwarz inspirierend gewesen sein. Die Identifikation der Mitarbeiter mit den
gemeinsamen Erzeugnissen war groß.
Wenig überzeugend sind die Versuche, die Anteile »starker« Mitarbeiter im Büro von
denen des Meisters zu scheiden. Das gilt im späteren Werk sogar für die Zusammenar-

179
266 Maria Schwarz. Porträtskizze Rudolf beit mit Architekten, die unabhängige Büros führten und sich von Fall zu Fall mit
Schwarz. Federzeichnung. Schwarz bei bestimmten Projekten oder Wettbewerben zusammenschlossen, wie Wil¬
helm Riphahn (1889-1963).7°3 Gemeinsam mit Riphahn, dem Erbauer der Festungshaf¬
267 Kinder legen ein Bodenmosaik in der
ten Kölner Oper (die Schwarz überaus kollegial einen »sehr tapferen« Bau nannte7^),
Pfarrgemeinde St. Michael in Frankfurt am
Alain. Links kniend: Karl Wimmenauer, stehend
war es der Theaterentwurf für Mannheim und, vage am Horizont, der erhoffte Auftrag
Helmut Gutmann und Maria Schwarz, rechts für einen Theaterbau in der größten Stadt Pakistans, Karachi.
kniend: Pfarrer Alfons Kirchgässner. Vom Ende der vierziger Jahre an verbündete Schwarz sich häufig mit Josef Bernard
(1902-59), einem früheren Mitarbeiter Dominikus Böhms und Flerbert Rimpls. Die
gemeinsame Büroadresse in der Kölner Gereonstraße bedeutete nicht, daß jeder Auf¬
trag der beiden Architekten auf gemeinsame Rechnung bearbeitet wurde. Bernards
eigene Kirchen wirken oft gedrungen, dörflich, vertraut. Als Bernard starb und die
Übernahme der nur von ihm verantworteten Projekte durch Schwarz zur Debatte
stand, scheute Schwarz vor dieser Art »rekonstruierender Denkmalpflege« zurück. »Ich
J—3 ' r—- ■ ■— - —

J
muß beständig überlegen, wie die betreffende Sache nicht von mir geformt würde, son¬
J
F-1-
— m 0 I dern von Bernard geformt worden wäre, und das ist wahrhaftig nicht einfach.«70*
Schwarz habe mit ihrem Mann in Freundschaft und Verständnis zusammengearbeitet,
schrieb Bernards Frau. Gleichwohl fühlte Schwarz sich in seinem Frankfurter Atelier
268 Rudolf Schwarz. Eigenes Wohnhaus. Köln-
freier als in der Nähe seines zeitweisen Partners in Köln; von Bernard dürfte umgekehrt
Müngersdorf. 1954-56.
das gleiche gegolten haben.706
Räumlich war das Architekturbüro Schwarz mit seinen um die zehn Mitarbeitern zwei¬
geteilt. Ein Teil der Mitarbeiter war in Frankfurt tätig, ein Teil in Köln. Nach und nach
wurde auch das Haus, das Schwarz für sich und seine junge Frau in Köln-Müngersdorf
gebaut hatte, zu einem weiteren Büro, in dem Studenten und Mitarbeiter untergebracht
wurden. Im Unterschied zu vielen anderen Architektendomizilen ist das Schwarzsche
Haus kein gebautes Manifest geworden, sondern ein wohnliches und für zwei Personen
praktisches Gehäuse (1954-56, Abb. 268, WV 145). Dennoch erweckte es das Mitge¬
fühl der Passanten. »Jeder, der daran vorbeigeht, bleibt stehen und bekommt dann ein
ganz trauriges Gesicht«707 - aus Mitleid mit den Bewohnern, die in einem damals als
ungewöhnlich erscheinenden Hause leben mußten. Das Gelände unmittelbar am Stadt¬
wald hatte die Stadt für Bürger, die sie in ihren kommunalen Grenzen halten wollte, zu
einem günstigen Grundstückspreis abgegeben.
In Sichtmauerwerk errichtet, ist das Haus von bescheidenen Ausmaßen, der eigentliche
Wohnteil etwa 120 Quadratmeter groß. An den ebenerdigen Riegel mit Flachdach

180
schließt sich ein kleiner Atelierflügel im rechten Winkel an, ursprünglich für den 1 laus- 703 Wolfram IIagspiel. Ein Kölner Architekt. Wil¬
herrn gedacht. Der Wohnraum mit seinem Gartenhof und den über die 1 lofmauer helm Riphahn. Sein Lebenswerk von 19/5 bis
1945. Dissertation Universität Köln. Köln
ragenden Baumwipfeln bildet das Zentrum des I lauses. Alle weiteren Räume — »unzäh¬
1982.
lige kleine Kabäuschen«, übertrieb Schwarz — sind von ihm aus zugänglich. Der Gar¬ 704 RS an Ulrich Conrads, 11.2. 1956.
tenhof als geschützter Patio, für Schwarz stets ein wichtiges Motiv, war auch im prakti¬ 705 RS an Erzdiözesanbaumeister Wilhelm
Schlombs, 4. 7. 1959.
schen Gebrauch ein unentbehrlicher Peil des Hauses. Dem Hausherrn gab er die
706 Gertrud Bernard an Hannsjosef Schäfer, 4. 4.
Möglichkeit, bei unerwünscht eintreffendem Besuch durch eine Pforte in den Wald zu 1959. ~ Mündliche Mitteilung von Maria
entweichen, deswegen »Besuchstürchen« genannt. Zur Straße hin lag eine (inzwischen Schwarz.
überbaute) Wiese, »so daß das Haus wie auf einer Alm steht.«708 Schon Schwarz hatte 707 RS an Emmy van Weersch, 28. 5. 1956.
708 ebda.
einen vorgelagerten Bau erwogen, vielleicht mit Wohnmöglichkeiten für junge Mitar¬ 709 Mündliche Mitteilung von Maria Schwarz.
beiter, als eine kleine private Akademie.70’ 710 Staatliche Kunstakademie Düsseldorf. Hochschule
Von hier aus brach Schwarz allwöchentlich für mindestens zwei Tage nach Düsseldorf für Bildende Kunst. Düsseldorf i960. - Eduard
Irier (Hg.). 200 Jahre Kunstakademie Düssel¬
auf. Die Düsseldorfer Akademie (Abb. 270) war - vermutlich 1773 - durch den pfälzi¬
dorf. Düsseldorf 1973. - Lothar Romain.
schen Kurfürsten Karl 1 heodor als Akademie für Malerei und Bildhauerei gegründet »Nicht beim Alten bleiben!« Die Düsseldorfer
worden und erfreute sich im 19. Jahrhundert dank der Düsseldorfer Malerschule eines Kunstakademie in den Jahren nach dem Krieg.
In: Klaus Honnef, Hans M. Schmidt (Hg.).
europäischen Rufes. Unter dem Direktorat des Kunsthistorikers Walter Kaesbach hatte
Alis den Trümmern. a.a.O. S. 419ff.
der rheinische Expressionismus eine Hochburg an der Düsseldorfer Akademie. Bis zum
Dritten Reich waren es Künstler wie Heinrich Campendonk, Ewald Matare, Heinrich
Nauen, aber auch Paul Klee und Oskar Moll, die hier lehrten. Franz Radziwill wurde
erst von den Nationalsozialisten gefördert, dann gleichfalls entlassen. Die Studien¬
fächer, die zur Zeit von Schwarz den Lehrplan der Akademie ausmachten, waren Bau¬
kunst, Bildhauerei, Malerei, Angewandte Grafik, freie Grafik, Bühnenkunst und Kunst¬
erziehung, ergänzt durch Vorlesungen und Übungen in Anatomie, Zeichnen,
Dramaturgie, Kunstgeschichte, Philosophie, Pädagogik und Werkstoffkunde. Dem
Studium ging eine Probeklasse voraus, in der die Studenten - Architekten und Kunster¬
zieher allerdings ausgenommen - ihre Tauglichkeit fürs Studium unter Beweis stellen
sollten.710
Baukunst gehörte fast von Anfang an zum Lehrangebot. Wilhelm Kreis, der 1919 die
Düsseldorfer Kunstgewerbeschule in die Kunstakademie eingebracht hatte, unterrich¬
tete von 1919 bis 1926 und durfte sich ungeachtet seiner Verpflichtungen im Ns-Reich
nach 1945 als Vortragsgast über »Probleme der Baukunst der letzten 50 Jahre« äußern.
Emil Fahrenkamp, Dozent seit 1919, leitete die Akademie von 1937-45 kommissarisch.
Heinrich de Fries und Clemens Holzmeister vertraten vor 1933 ebenfalls das Fach.
Anders als bei der kleinen Aachener Kunstgewerbeschule, die Schwarz nach seinen Vor¬
stellungen, wenn auch im engen Rahmen der städtischen Finanzen reformieren konnte,
trat er in Düsseldorf in das Kollegium einer Institution ein, die eine lange und strecken¬
weise ruhmreiche Geschichte hinter sich hatte, in ihren wesentlichen Zielen festgelegt
war und ihre Tradition gediegener Künstlerförderung über die politischen Zäsuren hin¬
aus zu wahren suchte.
Die Abteilung Baukunst umfaßte seit 1919 drei Klassen, die jetzt von Walter Köngeter,
Rudolf Schwarz und Hans Schwippert geleitet wurden. Köngeter, in den ersten Nach-

269 Rudolf Schwarz mit Studenten der Düssel¬


dorfer Kunstakademie, Dieter Georg Baume-
('"'TU ' ; werd (links) und Ludwig Tiepelmann (rechts).

270 Das Gebäude der Kunstakademie Düssel¬


dorf, erbaut 1875-79 von Hermann Riffart.

181
kriegsjahren Düsseldorfer Baudezernent, und Schwippert unterrichteten seit 1947,
beide für zwanzig Jahre oder mehr. Schwippert hatte sich schon früh in einer Denk¬
schrift für den Ausbau der Kunstakademie zu einer »Werkhochschule« eingesetzt und
bereits 1946 auf eine Berufung als Direktor der Akademie gerechnet. Erst dreizehn
Jahre später erfolgte sie. Vor ihm amtierte von 1949 bis zu seinem Tode 1954 der Maler
und Glasbildner Heinrich Kamps. Das Aachener Verhältnis - Schwarz der Direktor der
Schule, Schwippert Dozent - kehrte sich 1959 um. Die freundschaftliche Beziehung
zwischen beiden Männern hat es nicht berührt. »Es ist eben doch schön, daß wrir mehr
als die Hälfte unseres Lebens treu und brav miteinander getrippelt sind und immer gute
Freundschaft hatten und in den Dingen, die nun einmal für unser Baumeisterleben die
wichtigen sind, eines Sinnes und einer Tat waren.«711
Architektur wurde auch anderswo an Kunsthochschulen oder -akademien gelehrt: in
Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München, Nürnberg und an der Werkakademie in Kas¬
sel. Wer in Düsseldorf Architektur studierte, mußte eine Grundausbildung in einer
Staatsbauschule oder eine Gesellenprüfung mit Erfahrungen in einem Architektenbüro
oder andere gleichwertige Ausbildungsgänge vorweisen. Was zählte, war die künstleri¬
sche Qualifikation. Mit technischer Ausbildung befaßte sich die Akademie nicht. »Man
ist der Meinung, die Hochschule sei dafür nicht da« (Schwarz). Auf kleine Klassen
wurde Wert gelegt, mit drei bis höchstens zehn Studierenden, die mindestens sechs
Semester studieren sollten. Sie konnten eine Abschlußprüfung ablegen, zu der sie je
einen Entwurf für Wohnbau, Inneneinrichtung und Städtebau sowie drei Studien zu
einem frei gewählten Architekturthema vorweisen mußten. Einen Titel konnte man in
Düsseldorf nicht erwerben. »Man kann durch das ganze Studium durchaus nichts ande¬
res werden als im günstigen Falle ein guter Architekt«.7'2
Die Düsseldorfer Lehr- und Lernbedingungen zielten auf eine enge Werkstattgemein¬
schaft, die Berichten der Teilnehmer nach sich tatsächlich auch einstellte. Schwarz sah
es skeptischer, zumindest was den Zusammenhalt der Disziplinen innerhalb der Akade¬
mie betraf. Die Akademie war zu groß, der Kontakt der Lehrer nicht eng genug, ein
»gemeinsamer Werkwille« kam nicht zustande.7'3 Die Architekturabteilung war auf
sich selbst veiwiesen. »Architekten ausbilden heißt, jungen Baumeistern ein produkti¬
ves Bild ihres eigenen Seins und Tuns zu wecken und ich möchte das so zusammenfas¬
sen, daß man diese zu ihrer Freiheit wecken muß, ähnlich wie der Wissenschaftler zur
Wahrheit gebildet werden muß.«7'4
Konkrete Aufgaben wurden, oft nach Vorschlag des Studenten und aus seinem heimat¬
lichen LJmkreis stammend, in langen Gesprächen diskutiert, auf ihre physio- und psy¬
chologischen, wirtschaftlichen, soziologischen und - Schwarz setzte hinzu: metaphysi¬
schen - Beziehungen hin bearbeitet. Es waren Jahre, in denen Empfehlungen der
Lehrer wörtlich genommen und befolgt wurden. So kümmerte Schwarz sich auch um
die Reiseziele seiner Studenten und um ihre zeichnerische Ausbeute. Wenn er meinte,
eine gotische Kathedrale müsse zu allen Tageszeiten erlebt werden, auch nachts, nah¬
men die Studenten einen solchen Rat wörtlich. Der Küster schloß ab, und eine kalte
Nacht zwischen Bündelpfeilern und Triforien stand bevor.7'3
ANSTA/YOIC, GEMALTEM 8ILD. VORAUF DAk.C,ESTELLT Natürlich färbten die Interessen und derzeitigen Beschäftigungen der Professoren ab.
ist, Wl£ OIE SCHÜLER IHREM NOBLEN MEISTER ?uM
C.Q CEFURTSrAQ IHRE OASEN UNO ClLICKWÖNSCHE
Von Schwarz wurde erwartet, daß er sich des Städte- und Kirchenbaus annahm, wie der
' darb ringeh. Lehrauftrag lautete.7'6 So genau nahm man es jedoch nicht. »Jede Klasse unterrichtet
C. - —»
über alles, was es in der Baukunst Lehrenswertes gibt, sie ist ein kleiner architektoni¬
r ?
scher Kosmos und der Schüler braucht von Anfang bis Ende seine Klasse nicht zu
271 Hans Schwippert.
wechseln, wenngleich solcher Wechsel als erwünscht gilt.« Auch das »städtebauliche
Studio« habe sich »ohne viel Absicht« ergeben.7'7
272 Karlheinz Greune. Glückwunsch der Schü¬
ler zum 60. Geburtstag von Rudolf Schwarz.
Soweit die Arbeiten publiziert wurden, weisen sie fast alle einen städtebaulichen Bezug
1957. Dargestellt sind u. a. Ludwig Tiepelmann, auf. Sie zeigen kulturelle oder administrative Zentren und Bebauungspläne für Siedlun¬
Franz Ladner, Dieter Georg Baumewerd, Peter gen (Abb. 273) oder kleinere Städte. Dem Einfamilienhaus als der »Wohnform der
Koller, Paul Eling. Zukunft« wurde eine privilegierte Rolle zugewiesen, aber in verdichteten Strukturen.
Auf jeden Fall gab Schwarz ihnen den Vorzug vor Wohnhochhäusern. Ketten- oder
Teppichbebauungen sind zumeist von üppig bemessenen Grünzonen durchschossen,
trotz seiner ausdrücklichen verbalen Stellungnahme gegen die Verschwendung von
Raum und Boden. Von der Gliederung nach Schulbezirken, die Schwarz in den
Lothringer und noch in den Kölner Planungen verwendet hatte, verabschiedete er sich.
Die »Schulschaft« mit etwa fünftausend Einwohnern sei zu groß, um menschliche
Nahe entstehen zu lassen, und zu klein, um nennenswertes Gemeindeleben hervorzu¬
03 ^-,0 ° *
bringen.
Eine der veröffentlichen Studenten-Planungen (von Kurt Faber, einem »hellen
Kopf«',N) setzte sich mit dem Braunkohlen-Abbaugebiet im Erfttal, zwischen Bedburg
und Grevenbroich westlich von Köln, auseinander (Abb. 27Es war ein Thema, mit
dem Schwarz 1954 von Seiten der Braunkohleindustrie als Planer befaßt wurde und bei
dem er auf die Vorarbeiten seines Schülers verweisen konnte. Faber wurde auch als
Bearbeiter eingestellt. Der Auftrag, der sich auf einen »Modellfall« nordwestlich von
Bedburg bezog, war als Gegen- oder Ergänzungsplanung zur staatlichen Landespla¬
nung gedacht (WV 147). Schwarz ging davon aus, daß Abbau und Rekultivierung nicht
notwendig zu einer Verschlimmerung der Verhältnisse führen müssen, im Gegenteil die
Zuordnung von Wirtschaftsflächen und Wohnstätten besser als zuvor ordnen können.
Der Klage, daß Landschaften von jahrtausendealter Kultur vernichtet würden, stand die
Hoffnung auf eine vernünftige Neugestaltung der Wohn- und Arbeitsbeziehungen
gegenüber.720
Diesem Planungsthema schloß sich ein Gutachten an, das die Interessen der Stadt Köln
aufs heikelste berührte. Unmittelbar westlich der damaligen Stadtgrenze wurden zwi¬
schen Lövenich, Brauweiler und Großkönigsdorf 80 Millionen Tonnen Braunkohle ver¬
mutet. Die Stadt Köln sah sich bei einem Abbau der Flöze in ihren Erweiterungsmög¬
lichkeiten bedroht und befürchtete die Gefährdung ihrer Wasserversorgung. Schwarz als
wohlwollender Gutachter war dem Verein Rheinischer Braunkohlenbergwerke beson¬
ders willkommen, weil die Öffentlichkeit davon ausgehen mußte, daß der ehemalige
Generalplaner Kölns das wohlverstandene Interesse der Stadt im Auge haben würde.
Zudem hatte er in Lövenich gewohnt und wohnte nun im nahen Müngersdorf, so daß
die Unterstützung durch einen auch persönlich Betroffenen doppelt zählte.
Schwarz seinerseits konnte sich auf seine Lothringer Erfahrungen berufen. »Mit hefti¬
gem Schmerz muß man allzuoft sehen, daß Werte des Gemütes und der Schönheit
geringer wiegen als solche der Wirtschaft.« Doch im Falle Lövenich schienen ihm die
Bedenken gegenstandslos. Die auszuräumende Fläche sei ohnehin eine völlig aus¬
geräumte Kultursteppe, der geplante Kohleabbau von »verhältnismäßig harmloser
273 Karl Heinz Hohmann (Architekturklasse
Art«.721 Im Gegenteil biete sich die Chance, ein vergleichsweise nahes Erholungsgebiet
Rudolf Schwarz). Neuordnungsplan für Neuen¬
zu schaffen, das Kölns äußeren Grüngürtel, den Stadtwald, mit dem Ville-Gebiet ver¬
burg. Vor 1959. S Schule, G Öffentliches Grün,
binden könnte. Aus dem »Endloch« der Abbaumaßnahmen im Westen oder Osten Z Gemeindezentrum, K Kirche, A Altersheim,
sollte ein See entstehen, der die romanische (und natürlich zu erhaltende) Abtei Brau¬ F Festsaal, M Markt, V Verwaltung.
weiler zu einem zweiten - ebenfalls an einem See gelegenen - Maria Laach machen
würde. Die Behelligung der umliegenden Ortschaften durch einen drei, vier Jahrzehnte 274 Kurt Faber (Student in der Architektur¬
klasse Rudolf Schwarz und Mitarbeiter). Pla¬
dauernden Landschaftsumbau schien dagegen ein Übel, das man vernachlässigen
nung im Rheinischen Braunkohlengebiet. Vor
konnte. Von der Technik ging auch beim älter gewordenen Schwarz »Wegweisung«
I959-
aus.
Bei ihrer Themenwahl waren die Düsseldorfer Studenten zu eigener Initiative aufge¬
fordert, die umgekehrt auch den Lehrer inspirierte. So drängten die Schüler den Mei¬
711 RS an Hans Schwippert, 22. 6. 1959. Ähnlich
ster, als Schwarz 1959 zum bundesoffenen Wettbewerb für das Düsseldorfer Schau¬
am 31. 12. 1951.
spielhaus eingeladen worden war, aber aus gesundheitlichen Gründen zögerte. Mit 712 RS. Die Abteilung Baukunst der Staatlichen
ihren Entwürfen suchten die Mitglieder des »kleinen, fröhlichen und überaus fleißigen Kunstakademie Düsseldorf. In: Studienarbeilen
aus der Abteilung Baukunst. Düsseldorf 1959.
Teams«, das Schwarz für den Theater-Wettbewerb aus seinen Studenten gebildet hatte,
S.4.
ihn mehrfach am Frankfurter Krankenlager auf.722 Als Mitarbeiter wurden denn auch Eine Liste aller Studenten der Abteilung Bau¬
Dieter Georg Baumewerd, Paul Eling und Ludwig Tiepelmann genannt. kunst von 1945 bis 1966 vom 14. 10. 1966 führt
als Schüler von Schwarz nur 19 Namen auf:
Es ist kein Zufall der Überlieferung, daß die erhaltenen Fotos der Studentenarbeiten
Dieter Baumewerd, Karl-Heinz Charles, Hei¬
eine intensive Auseinandersetzung mit einem der beiden Haupträume der gesellschaft¬ ner Cremer, Helmut Dierks, Kurt Faber,
lichen Selbstdarstellung, dem Zuschauerraum, zeigen (Abb. 275-280), sondern ein Horst Flügel, Harald Günther, Gustav Kos-
Indiz für die Interessen von Klasse und Lehrer. »Inzwischen haben wir einige vier¬ sak, Martin Kreuzer, Franz Ladner, Siegfried
Luckenbach, Moustafa Moussa, Edward von
eckige, polygonale und rundliche Eier ausgebrütet... Bewußt haben wir uns bisher auf Olencki [der nicht Schüler, sondern Gast
eine gründliche Untersuchung des Zuschauerraums beschränkt.«72-1 Das Wettbewerbs¬ war], Rudolf Rausch, Irmelie Schnackers,
programm schloß Experimente bei der Zuordnung von Zuschauersaal und Bühne aus, Herbert Scholz, Karl-Heinz Schönlau, I lans
Schüller, Hans Straetmans. Wechsel von ei¬
so daß sich die Aufmerksamkeit auf das Zuschauerhaus selbst, dann auch auf Wandel¬
nem Dozenten zum anderen sind in dieser
halle und Außenbau konzentrierte. Wie Menschen sich bewegen und zueinander ver¬ Aufstellung offensichtlich nicht berücksich¬
halten, beschäftigte Schwarz wie seine Schüler. Eine Aufbrechung von Parkett und tigt. Paul Eling und Ludwig Tiepelmann, die

183
275-280 Dieter Georg Baumewerd, Paul Eling, Rang in abgewinkelte, asymmetrische Raumkeile, die drei der sechs Studentenarbeiten
Ludwig Tiepelmann. Entwürfe für das Schau¬ zeigen, findet sich in Schwarz’ Wettbewerbsentwurf wieder (Abb. 261, WV 177). Sie
spielhaus Düsseldorf. 1959. Sechs Modelle.
lag allerdings auch nahe, nach Hans Scharouns Mannheimer Wettbewerbsbeitrag von
1953 und dem noch ganz frischen Erfolg, den Alvar Aaltos Entwurf in der Essener
Opernhaus-Konkurrenz errungen hatte (vgl. S. 17Öff.).724
Mit einer anderen Akademie hatte Schwarz seit 1955 zu tun, mit der neu konstituierten
(West-)Berliner Akademie der Künste, in die er als eines der 53 Gründungsmitglieder
zu Schwarz wechselten, sind als Schüler von berufen wurde.725 Der Name rief in ihm jene Gedanken an eine »Instanz für die Gestal¬
Köngeter verzeichnet. tung Deutschlands« wach, die sich für ihn schon früh an das Wort Akademie geknüpft
Auf einer weiteren, unbetitelten Liste in der
hatten (vgl. S. 77ff.) und die er nach wie vor hegte: »eine Verbindung von Einsicht,
Schwarz-Akte zur Düsseldorfer Akademie, ab¬
gelegt unter dem Jahr 1958, stehen 16 Na¬ Weisheit und Tatkraft«, eine »höchste Einrichtung zur Erarbeitung eines Weltbil¬
men, darunter die in der Liste von 1966 nicht des«.226 Wer so hoch von Akademien dachte, konnte unschwer zu der Meinung kom¬
erwähnten: Rolf Bächtold, Hans Werner
men, die Berliner Akademie scheine »im öffentlichen Leben noch nicht ihren richtigen
Brandt, Karl Heinz Hohmann, Peter Koller,
Herbert Milles [?], Friedrich Schmitt. Standort gefunden zu haben«. Freunden gegenüber drückte Schwarz es drastischer aus.
713 RS an Johannes Krahn, 28. 3. 1959. »Ob die ganze Sache wichtig ist, kann ich schwer beurteilen. Ich vermute, daß es sich
714 RS an den BDA-Präsidenten Wilhelm Wich¬ um eine Einrichtung mit einem Obersekretär und mehreren Sekretärinnen handelt,
tendahl. Zit. in: Johannes Krahn. Nachruf für
welche in angenehmen Räumen Zeitung lesen.«227
Professor Dr. Rudolf Schwarz. Typoskript. Stif¬
tung Archiv der Akademie der Künste, Berlin. Dem Präsidenten der Berliner Akademie, Hans Scharoun, einem »menschlich gütigen
Sign. 213. und klugen Baumeister«, brachte Schwarz Hochachtung entgegen. Dessen Geschwister
715 Mündliche Mitteilung von Dieter G. Baume¬
Scholl-Gymnasium in Lünen (Abb. 281) besichtigte Schwarz 1959 noch vor der end¬
werd.
716 RS an Heinrich Kamps, 19. 1. 1953. gültigen Fertigstellung des Bauwerks. Es kennzeichnet Schwarz’ eigene Ästhetik, daß er
717 RS. Die Abteilung Baukunst... a.a.O. S. 4, 22. die scheinbar hingestreuten Pavillons allzu spontan geraten fand, »so daß manchmal
718 RS an Peter H. Werhahn von den Braunkohle¬
der Eindruck einer arrangierten Unvollständigkeit« entsteht. Schwarz hätte sich eine
werken Wilhelm Werhahn, 3. 8. 1954.
719 RS. Die Abteilung Baukunst... a.a.O. S. 24. Form gewünscht, die »etwas mehr von der Hoheit absoluter geistiger Forderungen ent¬
Möglicherweise handelt es sich bei Fabers halten sollte. Es tut dem jungen Menschen gut, in das große Gesetz eingewöhnt zu wer¬
veröffentlichtem Projekt nicht um die Semi¬ den.«728 Die Unterscheidung ist charakteristisch und wird durch den Vergleich mit
nararbeit, die Schwarz in seinem Brief an
Schwarz’ eigenem Schulentwurf für Darmstadt erläutert (1951, Abb. 282, WV 127).
Werhahn vom 3. 8. 1954 erwähnt, sondern
bereits um eine Weiterbearbeitung. Scharoun gruppiert Innen- und Außenräume in fast anarchischer Welfalt und Individu¬
720 Später teilte Schwarz diese Hoffnung nicht alisierung, Schwarz faßt zusammen und stellt das Einzelne unter eine regierende Form¬
mehr. »Mit der gewohnten Offenheit gestehe
idee.
ich allerdings, daß ich damals die neuen Dör¬
fer, welche die Braunkohle errichtet, in ihrer Die Vorschläge, die Schwarz seinen Mitakademikern unterbreitete, überforderten die
ganzen Geistlosigkeit und Dürftigkeit noch Möglichkeiten der Institution entschieden. Schwarz wollte nicht weniger, als daß die
nicht gesehen hatte, und daß ich wahrschein¬
Akademie »amtlich und verantwortlich die Kulturpolitik eines Staates« - in diesem Fall
lich skeptischer gewesen wäre, wenn ich diese
Veranstaltungen gekannt hätte.« RS an Peter des Landes Westberlin - führen solle. In einer richtigen Volksordnung müsse der
LI. Werhahn, 1. 7. 1957. Künstlerstand autonom sein und seine Dinge selbst entscheiden. Schwarz stand, natür-

184
lieh, die staatsunabhängige Institution der Kirche vor Augen. Nach ihrem Vorbild 2Si 11ans Scharoun. Geschwister-Scholl-Gym-
wollte er auch die Kunstwelt organisiert wissen. »Richten wir eine autonome Künstler¬ nasium. Lünen. i960.

schaft ein mit der Akademie als Oberhaus!«729 Der Vorschlag übersah, daß Kulturpolitik
282 Rudolf Schwarz. Entwurf für die Alice-
nicht nur Kunst und Künstlern, sondern dem Wechselspiel zwischen ihnen und ihrem
Eleonoren-Schule (Städtische Mädchen berufs-
Adressaten, der Öffentlichkeit, zu dienen hat und infolgedessen auch der parlamentari¬
schule und Frauenfachschule). Darmstadt. 1951.
schen Kontrolle durch die Öffentlichkeit unterworfen sein muß.
Nicht weniger ehrgeizig war der Gedanke, die Akademie möge eine Gesamtausgabe der
Werke großer Architekten in Einzelbänden veranlassen. Diese monumentae architecturae
- Schwarz nannte das Projekt auch corpus architecturae - sollten in Originalzeichnungen
oder in Schnitten und Grundrissen, beileibe aber nicht in den von Schwarz gehaßten
Fotografien die großen Giuvres der Baugeschichte veröffentlichen. Als Beispiele nannte
Schwarz Otto Wagner oder Joseph Maria Olbrich. Ziel war die lebendige Wirkung,
nicht die kunstgeschichtliche Detailforschung. »Man muß die Kunsthistoriker sehr
bändigen, weil es denen immer um Vollständigkeit und Wissenschaftlichkeit geht.«”0
Es klingt zwar großartig, aber auch ein wenig resigniert, wenn Schwarz später, nach
dem Scheitern solcher Pläne, formulierte, die Bedeutung der Akademie liege »mehr im
Sein als im Tun«.”1

721 Die Zusammenfassung des Schwarzschen


Gutachtens in einer Denkschrift des »Berg¬
bauberechtigten« macht aus dem »verhältnis¬
mäßig harmlos« ein »völlig harmlos«. RS. Die
Folgen des Braunkohlenabbaues im Raume Löve¬
nich-Brauweiler für die landesplanerische Gestal¬
tungwestlich von Köln. [1955] Typoskript. S. 2,
8. - Erläuterungen des Bergbauberechtigten zu
dem Projekt des Braunkohlenabbaues in den im
Gebiet Lövenich verliehenen Konzessionen. S. 7.
722 RS an Ludwig Tiepelmann, 23. 3. 1959. -
Reisekostenabrechnung der Studenten in den
Akten. - Mündliche Mitteilung von Dieter G.
Baumewerd.
723 Ludwig Tiepelmann an RS, 8. 8. 1959.
724 Gerhard Storck. Probleme des modernen Bauens
und die Theaterarchitektur des 20. Jahrhunderts
in Deutschland. a.a.O. S. 472ff. - Ludwig Tie¬
pelmann, Teilnehmer des Schwarzschen Stu-
denten-Teams, war bei der Besichtigung der
ausgestellten Essener Openhaus-Wettbe-
werbsarbeiten nur von Aaltos »poetischem
Entwurf« angetan. An RS, 21. 11. 1959.
725 Joachim Tiburtius, Berliner Senator für
Volksbildung, an RS, 25. 4. 1955. - vgl. Akade¬
mie der Künste. Dreihundert Jahre. Hochschule
der Künste. »Die Kunst hat nie ein Mensch allein
besessen«. Berlin 1996. S. 599ff.
726 RS. Von der Bebauung der Erde. S. 153. - RS an
Heinrich Kamps, 23. 6. 1951.
727 RS an Hans Scharoun, 13. 2. 1956. Stiftung
Archiv der Akademie der Künste, Berlin. - RS
an Johannes Krahn, 31. 10. 1955.
728 RS an den Oberstudiendirektor in Lünen, 22.
12. 1959.
729 RS an Hans Scharoun, 13. 2. 1956.
730 RS an Hans Scharoun, 27. 2. 1956. Stiftung
Archiv der Akademie der Künste, Berlin. -
vgl. auch RS an Hans Scharoun, 3. 6. 1956.
Hans Scharoun an RS, 15. 5. 1956.
731 RS an den Generalsekretär der Akademie
Herbert Freiherr von Buttlar, 3. 12. 1958.
Stiftung Archiv der Akademie der Künste,
Berlin.

185
»Zeichen der Hoheit«: Häuser der Demokratie

Viermal nahm Schwarz an Wettbewerben teil, die parlamentarischen Vertretungen und


kommunalen oder staatlichen Verwaltungen ein angemessenes und das hieß für ihn:
würdevolles Gehäuse verschaffen sollten: Rathäuser für Köln und Marl, das Haus der
Bürgerschaft im Stadtstaat Bremen und der Westflügel des Berliner Reichstagsgebäu¬
des. Alle diese Entwürfe für Häuser der Demokratie fallen in die letzten Jahre seines
Lebens, in denen das Büro und sein Chef zugleich zahlreiche andere Aufgaben und also
ein enormes Arbeitspensum zu bewältigen hatten. Es wirkt, als habe sich Schwarz, der
1959 einen ersten Herzinfarkt erlitt, unter allen Umständen nach Paulskirche, Gürze¬
nich und Wallraf-Richartz-Museum weiterhin als Architekt wichtiger öffentlicher Bau¬
ten bewähren wollen, als habe er das Gefühl gehabt, das Eigentliche sei noch nicht voll¬
bracht. Daß er nicht mit dem Reichstag beauftragt wurde, hat ihn tief verletzt wie sonst
nur die Vergabe von Regina Martyrum an einen anderen Architekten, an Hans Schä¬
del.732
Der Wiederaufbau des Reichstagsgebäudes war ein Sonderfall. Mit ihm wollte die Bun¬
desregierung ihre Berlin-Präsenz unterstreichen, obwohl die politischen Umstände
eine Übersiedlung des Bundestages nach Berlin erst dreißig Jahre später erlaubten.
Rathäuser waren dagegen eine verbreitete Aufgabe, nachdem die kommunalen Haus¬
halte in den späten fünfziger Jahren Spielräume erhielten und der »soziale Verpflich¬
tungsfaktor«, wie der Hannoveraner Stadtplaner Rudolf Hillebrecht es ausdrückte,733
nicht mehr ganz so drückend wirkte.
Vielbeachtete Wettbewerbe fanden nicht nur für Marl und Köln statt, sondern auch für
Essen, Mannheim, Kaiserslautern oder Wolfsburg. Im Ausland waren Arne Jacobsens
Rathaus für Rodovre, Kenzo Tanges Rathaus für Tokio und Viljo Revells Hochhaus¬
schalen für Toronto bewunderte Beispiele der fünfziger Jahre, auch wenn ihre platz¬
greifende Modernität nicht als Vorbild für mitteleuropäische Innenstadtlagen taugte.
Für Schwarz waren es die großen historischen Kommunalbauten von Gent bis Verona,
deren »Hoheit, Stolz, Kraft«734 er auf die anstehenden Neubauten zu übertragen
suchte. Bei der Größe heutiger Administrationen mußten die technischen Ämter und
die meisten Verwaltungsbüros in aller Regel abgetrennt und anderswo untergebracht
werden, so daß es - in Bremen und Köln - allein um den Sitz der Behördenspitzen, der
parlamentarischen Gremien und der repräsentativen Veranstaltungen ging. Die Rats¬
versammlung brauchte unvergleichlich viel weniger Fläche als die Ämter, die ihre
Beschlüsse auszuführen hatten.
»Hoheit« ist laut Schwarz ein Ziel, »das sich nicht ökonomisch entschuldigen muß«.
So enthalten die Entwürfe repräsentative Elemente und Gesten, obwohl Schwarz weiß:
»Unsere Zeit ist wenig zu Symbolen aufgelegt, die alten Zeichen der Hoheit ermat¬
ten.« Wo das Volk sich versammelt und berät, stellt er sich - zumindest in den Jahren,
als er Von der Bebauung der Erde abfaßte - ein »offenes Gezelt« vor, also etwa ein Dach
auf schlanken Stützen, »auf einer hochgelegenen Aue, von der aus man weit hinaus in
das Land schaut und vor Augen hat, was man bespricht«.73-3 Das war näherungsweise
dem Freunde Hans Schwippert vergönnt, als Schwippert 1949/50 den Umbau der Bon¬
ner Pädagogischen Akademie zum Bundeshaus plante und den Plenarsaal zur Rheinaue
durchsichtig machte. Aber in Bremen oder Köln boten die städtebaulichen Situationen
nichts, was einer hochgelegenen Aue nahekam, in Berlin allenfalls die Wiese vor dem
Tiergarten. Das »Gezelt« blieb auf die Eindeckung der Treppen- und Wandelhallen
beschränkt.
Neben dem Haus der beratenden Volksgemeinde, dem »offenen Gezelt«, dachte
Schwarz für die »künftige Hauptstadt des Reichs« (nicht Berlin, denn: »Sie ist nicht
groß«) an einen zweiten Bau. In diesem anderen Volkshaus tritt das Volk, nun ständisch
732 Mündliche Mitteilung von Maria Schwarz.
geordnet, zusammen, »nach der Ordnung der Landschaft und also als natio«. In den
733 Rudolf Hillebrecht. Uber den Neubau von Rat¬
häusern. In: architektur Wettbewerbe 55. Rathäu¬ Formulierungen des Buches von 1949, die ja älteren Datums und noch nicht von den
ser. Stuttgart 1962. S. 6. Erfahrungen der Nachkriegsdemokratie geprägt waren, raunt die Schwarzsche Sprache
734 RS. Wettbewerb Rathaus Köln. Entwurf zu dem
an dieser Stelle noch mehr als sonst. Das »andere« Haus »dient ganz der großen
Erläuterungsbericht. 1961. Typoskript.
735 RS. Von der Bebauung der Erde. S.145, 147, Gegenwärtigung, ist ganz erhabener Bau, Setzung von Hoheit, erfüllt von dem Dasein
152* der verstorbenen Großen und ihrer langgültigen Taten, die aus ihrer Fernnähe das Volk

186
283 Rudolf Schwär/. Rathaus Marl. 1957. E ut-
wurfsskizze.

und sein Vorhaben beschaun.«736 Das Pathos klingt mehr nach Regensburger Walhalla
als nach Bonner Bundesrat.
Sogar bei dem trocken wirkenden Entwurf für das Rathaus in Marl (1957, WV 166), an
dem Werner Hebebrand nicht zu Unrecht aussetzte, die niedrigen langen Flügel seien
zur Beamtenlaufbahn geworden,™ war Schwarz von Begriffen wie Hoheit und Dienst
ausgegangen. »Hoheit« kam den Versammlungsorten der Bürgerschaft, den Fraktions¬
sälen und dem Sitzungsaal zu, nicht den Kanzleien. Verwaltung müsse bürgernah sein,
man dürfe sie nicht erst über Treppen und Aufzüge erreichen. Infolgedessen wurden die
Büros in Flachtrakte verwiesen, während Bleistiftskizzen und -anweisungen des Archi¬
tekten seine Faszination durch den Gedanken eines »Festturms« belegen: »Der Fest¬
turm sakral, bester Kirchenbau. Ganz Ornament ganz farbig«. Skizzen stellen eine
selbstbewußte Stadtkrone aus einem Guß vor (Abb. 283). Sogar die Idee des Stufen¬
turms, bei Schwarz sicheres Indiz für die Bedeutung, die er einer Aufgabe zumaß, findet 284 Paul Wallot. Kriegsbeschädigte Kuppel¬
halle im Westflügel des Berliner Reichstagsge¬
sich in der Serie der Überlegungen, und auch der Gedanke des ummauerten Hofes,
bäude. 1950erJahre.
eines »inneren Ringes«, wird in das Projekt eingebracht. »Bei Festen und Kundgebun¬
gen kann dort viel Volk stehen.«738
In Berlin ging es i960 um den inneren Ausbau von Paul Wallots ausgebranntem
Reichstagsgebäude, genauer gesagt: der Eingangs- und Wandelhalle (Abb. 284) und der
Repräsentationssäle im Westflügel. Zuvor hatte sich der Deutsche Bundestag für die
Wiederherstellung des Bauwerks entschieden, um es für parlamentarische Zwecke zu
nutzen. Der Plenarsaal stand bei der Ausschreibung noch nicht zur Diskussion.7^ Die
Bauwelt hatte vorgeschlagen: »Man gebe einem Baumeister unserer Zeit... den Auftrag,
die große Eingangshalle, nicht mehr, zu einer demokratischen Gedenkstätte auszu¬ 736 ebda. S. 151k
737 Werner Hebebrand. U?n die Marler Stadt¬
bauen.«7+° Problematisch war, daß eine Eingangsfront errichtet werden sollte, noch
krone. In: Bauwelt 49(1958)14, S.317.
bevor feststand, wie es dahinter weitergehen sollte. Eine radikale Säuberungsaktion 738 RS. Skizzenblatt mit Erläuterungen. - RS. Er¬
hatte bereits stattgefunden. Ihr waren die statisch gefährdeten Teile des Altbaus, Bau¬ läuterungs-Bericht. 1957. Typoskript. S. 2.
plastik und Kuppelgerippe, zum Opfer gefallen, aber auch Partien, die dem Antihisto¬ 739 Ausschreibung eines engeren Wettbewerbs... fiir
die Gestaltung der Haupteingangs- und Wandel¬
rismus und Purismus der Zeit mißfallen hatten.^1
hallen... des ehemaligen Reichstagsgebäudes in
Schwarz war einer der drei (von zehn eingeladenen) Architekten, die in die engste Wahl Berlin. 1960. Typoskript.
kamen. Er plädierte für eine weitgehende Erhaltung des Wallot-Baus, nicht weil er ihn 740 Hans Josef Zechlin. Bauwelt 48 (1957) 27.
741 Michael S. Cullen. Der Reichstag. Die Ge¬
sonderlich geschätzt hätte, sondern weil er in ihm ein Geschichtsdenkmal sah, in dem
schichte eines Monumentes. Stuttgart 1990'.
die Vertreter des deutschen Volkes ein halbes Jahrhundert lang mit den jeweiligen S. 393ff-
Machthabern gerungen oder auch für sie gestimmt hatten. Das Schicksal des Braun¬ 742 Das 1831-38 von Karl Ottmer errichtete klas¬
sizistische Stadtschloß, im Krieg ebenfalls
schweiger Schlosses, eines anderen Baudenkmals aus dem 19. Jahrhundert,742 stand ihm
stark beschädigt, wurde 1960 auf einen Be¬
warnend vor Augen; und das des vom SED-Regime niedergelegten Berliner Schlosses schluß des Braunschweiger Stadtrats hin abge¬
ohnehin. brochen.

187
Im Vergleich zu Wassili Luckhardts unentschiedener Neutralität (Abb. 286) und Paul
Baumgartens transparentem Raumfluß (Abb. 285) gab Schwarz (in zwei Varianten) den
repräsentativsten Entwurf ab (Abb. 287-289, WV 182). »Die Räume sind von starker
Innerlichkeit und im Ausdruck fast sakral«, meinte der Leiter der Bundesbauverwaltung
Hans Rossig.743 Nicht zuletzt hatte daran ein »märchenhaft schöner Marmorboden«744
Anteil, der mit ein- und demselben Muster, einer Rechteckschnecke, durch den ganzen
Bau führen und zu seiner Vereinheitlichung beitragen sollte. Die Eckpfeiler des alten
Kuppelsaals, der vor dem früheren Plenarsaal unter der gläsernen Vierkantkuppel gele¬
gen hatte, wollte Schwarz in einer der beiden Fassungen weit über die seitlich an¬
schließenden Räume hinausragen lassen.
Schwarz hatte eher den »erhabenen Bau« als das »leichte Gezelt« im Sinne. Zur eige¬
nen Forderung nach Erhaltung des Baudenkmals sah er offenbar keinen Widerspruch,
wenn er vorschlug, das alte Raumgefüge durch ein neues zu ersetzen: Beseitigung von
Kuppelteilen in der Eingangshalle und »einer Menge Ornamente«, die Wandelgänge
nicht mehr mit Tonnengewölben, sondern mit flachen Decken abgeschlossen, wie sie
bei den ersten Sicherungsmaßnahmen bereits eingezogen worden waren.745 Dem Archi¬
tekten des Paulskirchen-Umbaus ging es auch hier nicht um Buchstabentreue, sondern
um eine Neuinterpretation des Bestandes.
Daß nicht Schwarz, sondern Paul Baumgarten im Januar 1961 den Zuschlag für den
Wiederaufbau des Berliner Reichstagsgebäudes erhielt, hat selbst den begünstigten
Konkurrenten überrascht. Nach einer mündlichen Erläuterung vor der Auswahlkom¬
mission, die den Bundestagspräsidenten Eugen Gerstenmaier zur spontanen Gratula¬
tion veranlaßte, schien alles zugunsten von Schwarz geklärt. Die beiden noch verbliebe¬
nen Konkurrenten Wassili Luckhardt und Paul Baumgarten, denen Rede wie Entwurf
auch gefallen hatten, brachten Schwarz mit den besten Wünschen zum Bahnhof. Aber
Ehemalige Kuppelhalle im Westflügel des Berli¬ den Auftrag erhielt nicht der Kölner Schwarz, sondern der Berliner Baumgarten.746
ner Reichstagsbäudes. 1960-61. Wettbewerbs¬ Was Baumgarten den Sieg verschaffte, war die Kühnheit, mit der er sich über das Wett¬
entwürfe. Stiftung Archiv der Akademie der
bewerbsprogramm hinwegsetzte. Baumgarten plante unverlangt den Plenarsaal gleich
Künste, Berlin.
mit. Er räumte den Westtrakt radikal aus und öffnete seine große Empfangshalle (für
285 Paul Baumgarten. Blick von innen auf das
Westportal. Federzeichnung. 1500 Personen!) mit einer riesigen Glaswand zum künftigen Plenarsaal. In der inzwi¬
286 Wassili Luckhardt. Lichtpause in Misch¬ schen etablierten Gleichsetzung von Demokratie und Glas symbolisierte diese Transpa¬
technik. renz »Weltoffenheit und Verbindung mit der Öffentlichkeit«.747 Viel Freude hat der
Auftrag dem Architekten nicht gemacht. Bei seinem Versuch, der Monumentalität des
wilhelminisch-antiwilhelminischen Wallot-Baus mit neuzeitlicher Durchsichtigkeit zu
begegnen, geriet Baumgarten in einen Dauerkonflikt mit der Bundesbaudirektion. Was
von seinen Eingriffen übrigblieb, beseitigt nach der deutschen Wiedervereinigung der

743 Hans Rossig. Wettbewerb Innem-aumgestaltung erneute Um- und Ausbau durch Sir Norman Foster mit der gleichen Radikalität, die
im Westbau des ehemaligen Reichstagsgebäudes in Baumgarten gegenüber Wallot hatte walten lassen.
Berlin. In: Die Bauverwaltung 10(1961)4, Kaum hatte Schwarz seinen Reichstags-Entwurf abgeschlossen, erreichte ihn - ebenso
S' I57> wie Sep Ruf - die Anfrage, ob er einen Vorentwurf für das Haus der Bürgerschaft in
744 RS an Ludwig Tiepelmann, 15.3.1960. Ähn¬
lich im Erläuterungsbericht. Bremen anfertigen wolle. Schwarz antwortete, wie er in den letzten Jahren auf solche
745 RS. Wiederaufbau des Reichstagsgebäudes. Erläu¬ Aufforderungen zu antworten pflegte: erfreut, aber mit dem Vorbehalt, er müsse den
terungsbericht. 1960. Typoskript.
Auftrag zurückgeben, falls er ihm keine große Idee abgewinnen könne.748 Die Planungs¬
746 Paul Baumgarten. Notizen. In: Elisabeth Lux,
Martin Wiedemann u.a. Paul Baumgarten. geschichte hatte einen langen und unglücklichen Vorlauf. An zwei Wettbewerben 1952
Bauten und Projekte 1924-1981. Berlin 1988. und 1959 hatten sich die Architekten die Zähne ausgebissen, ohne daß der Bauherr mit
S. 2 2of.
den Ergebnissen zufrieden sein konnte. Der Bauplatz, auf dem vor dem Krieg ein neugo¬
747 Paul Baumgarten. Erläuterungsbericht zum
Vorentwurf für die Wiederherstellung des Reichs- tisches Börsengebäude gestanden hatte, zwischen Domshof und Markt, war delikat.
tagsgebäudes. 4. 12. 1964. Stiftung Archiv der Rathaus, Schütting und das hereinragende Turmpaar des Doms setzten Maßstäbe.
Akademie der Künste, Berlin. - vgl. Will Schwarz reagierte in seinem Entwurf (1960-61, Abb. 290-291, WV 183), indem er den
Grohmann. Der Umbau des Reichstagsgebäudes.
verschiedenen Funktionen erlaubte, sich nach außen darzustellen. Den in seinen Augen
In: Frankfiirter Allgemeine Zeitung, Bilder und
Zeiten, 27. 3. 1965 und Architektur und Wohn- wichtigsten Zwecken, Sitzungssaal und Präsidentenräumen, gab er einen Platz an der
form 73 (1965) 5, S. 2Ö7ff. , Marktseite. Der Festsaal erhielt seinen Ort zum Dom hin. »Sorglosigkeit und Freude«
Das Konzept der transparenten Empfangs¬
dieses Bereichs waren mit »Strenge und Ernst« des Sitzungstraktes gekoppelt,749 wie
halle gehörte bereits zum Wettbewerbsent¬
wurf von i960. beim Kölner Gürzenich, wenn auch das Stimmungsgefälle nicht so stark ausgebildet
748 RS an Oberbaudirektor Franz Rosenberg, war wie zwischen dem festlichen Foyer des Gürzenich und der Ruine von St. Alban mit
21.5. i960.
ihrer Totengedenkstätte. Die inneren Raumfolgen wurden nur möglich, weil Schwarz
749 RS. Vorentwurf für den Neubau des Hauses der
Bürgerschaft in Bremen. Erläuterungsbericht. 28. von der bisherigen Maßgabe abwich, den inneren, Fußgängern zugänglichen Hof offen
2. 1961. Typoskript. S. 4. zu lassen. Stattdessen sollte eine Halle das ganze Haus erschließen.

188
Rudolf Schwarz. Ehemalige Kuppelhalle des
Berliner Reichstagsbäudes. 1960-61. Wettbe¬
werbsentwurf.
287 Längsschnitt mit Ansicht der Ostwand.
288 Längsschnitt mit Ansicht der Ostwand.
»Konservative Variante«.
289 Fußbodenmosaik im Hauptgeschoß.

189
Rudolf Schwarz. Haus der Bürgerschaft, Bre¬ Seit dem Gürzenich waren die Differenzierung des Baukomplexes und die unterschied¬
men. 1960-61. Wettbewerbsentwurf. liche Charaktisierung seiner Teile für Schwarz ein Mittel, große Volumen in die klein-
290 Modell. Ansicht vom Markt.
teiligen Strukturen alter Städte einzufügen: der Baukörper des Sitzungssaals von »stol¬
291 Ansicht vom Dom.
zer Kargheit«, der Präsidentenbau »hoheitsvoll, aber gewissermaßen bürgerlicher«, die
anderen Bauteile schlichter, etwa in farbig gestrichenem Stahlbeton.75° Innen sollte die
Baugruppe durch eine dreistöckige Halle erschlossen werden, die Schwarz den Bre¬
mern mit der Erinnerung an die Dielen hanseatischer Bürgerhäuser schmackhaft zu
machen suchte. Wie in Köln beim Gürzenich, vor allem im Wettbewerbsentwurf,
suchte Schwarz den großen Einzelbau zu einem kleinen Stadtteil zu machen. Auch die
Abfolge der Innenräume wechselte zwischen Enge und Weite, höheren und niedrigeren
Räumen. Den Auftrag erhielt einer der früheren Wettbewerbsteilnehmer, Wassili
Luckhardt, nachdem er seinen rigorosen Baublock in Hochfenster gegliedert und ihm
an der Marktseite kompromißbereit acht Dreiecksgiebelchen aufgesetzt hatte.
Die Differenzierung der Baugruppe und die Bedeutung der zentralen Halle bestimmten
auch den letzten Rathausentwurf von Rudolf Schwarz, für Köln (1960-61, Abb. 292,
WV 184). Wie beim Gürzenich waren stadtprägende historische Bauten zusammenzu¬
binden - der spätgotische Rathausturm, die Renaissancelaube Wilhelm Vernukkens und
292 Rudolf Schwarz. Rathaus, Köln. 1960-61.
der Baukörper des Hansasaals aus dem 14. Jahrhundert. Schwarz zog auch hier
Modell. Ansicht von Nordosten (vom Alter
geschichtliche und topographische Kategorien heran, die dem ehemaligen Kölner
Markt).
Generalplaner in seiner Heimatstadt besonders vertraut waren. Die einstige Stadt¬
mauer und die erste Rheinterrasse durchliefen im nordsüdlichen Zug das Grundstück.
Das sollte durch eine hohe, zum Alter Markt hin in Erscheinung tretende Halle, einen
umschlossenen Baldachin, herausgearbeitet werden.
Schwarz dachte sie sich ein wenig wie die überdachte Halle in Ragnar Ostbergs Stock¬
holmer Rathaus, das in den zwanziger Jahren vollendet worden war und zum Gedächt¬
nisrepertoire aller älteren deutschen Planer gehörte. Davor, an der Seite des Alter
Markts, sollten sich »zarte Glashäuschen« für die Verwaltungs- und Repräsentations¬
spitze der Stadt dem mächtigen Kernbau anschließen.Hier hatte Schwarz das
Lübecker Rathaus in Erinnerung, dessen niedrige Sandsteinlaube sich an die hohe goti¬
sche Schildwand lehnt. Mit dem Kontrast der Halle zu den Vorbauten bot sich die
Gelegenheit, das kleine Einzelne, Individuelle zum großen Gemeinsamen ins Verhält¬
nis zu setzen. Dagegen hatte das Preisgericht seine Zweifel an der Wirkung des monu¬
mentalen, schweren Bauwürfels. Dessen innere Schauseite sollte die Hochwand des
Hansasaals bilden, wie die Außenmauern von St. Alban Innenseiten des Gürzenich-
Foyers bilden.
Schwarz erhielt einen dritten Preis, Karl Band den ersten. Beide Arbeiten zeigten sehr
ähnliche Dispositionen: innere Wegfoige vom Rathausplatz zum Alter Markt unter
Ausnutzung des Terraingefälles, zentrale, überdachte Piazza, Aufgliederung der Bau¬
masse in Einzelbauten, allerdings bei Band ein martialisches, repräsentativ gemeintes
Loggiengebäude an der Front zum Alter Markt statt der »Glashäuschen«, die bei
Schwarz seinem überragenden Hallenbau vorgelagert waren. Band und Schwarz hatten
750 ebda. S. 6.
für den Fall eines Wettbewerbssieges Zusammenarbeit verabredet, wie beim Gürzenich
751 RS. Wettbewerb Rathaus Köln. Köln 1961. Ty¬
poskript.
ein Jahrzehnt zuvor.?*2 Dazu kam es nicht mehr. Die Entscheidung des Preisgerichts fiel
752 Mündliche Mitteilung von Maria Schwarz. einen Monat nach Schwarz’ Tod.

190
»Licht im Dunkel«: Mies van der Rohe und Rudolf Schwarz

Das allerletzte Manuskript, das Rudolf Schwarz geschrieben und veröffentlicht hat, war
eine Adresse der Düsseldorfer Kunstakademie an Mies van der Rohe. Mies beging am
27• März 1961 seinen 75. Geburtstag. Schwarz war beauftragt, die Glückwünsche der
Akademie zu formulieren. Nicht zum ersten Mal unternahm er den Versuch, das
»Urereignis des Bauens« zu erklären, das sich im Werk des großen Kollegen begeben
habe. Es ist deutlich, daß Schwarz auch von sich selber sprach, wenn er von Mies
sprach. 753
So große Skepsis Schwarz zahlreichen seiner Zeitgenossen und nicht zuletzt den »Ver¬
tretern einer entschlossenen Modernität«75-* entgegenbrachte, einer war davon ausge¬
nommen: Zu Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) hatte er ein von Respekt und
Hochachtung geprägtes Verhältnis. Die Wertschätzung war gegenseitig. Schwarz wie
Mies sprachen von Freundschaft. Beide Männer dürften sich in den frühen zwanziger
Jahren in Berlin kennengelernt haben. »In Berlin gehörte er zu dem Kreis um Romano
Guardini«, schrieb Schwarz, beeindruckt von dem »weltanschaulich auf festem Boden
stehenden Mann«.7” Aachen, die Geburtsstadt Mies van der Rohes, war ein weiterer
Anknüpfungspunkt in beiden Biographien. Mies, Sohn einer Aachener Steinmetzfami¬
lie, verkörperte in Schwarz’ Augen »als Mensch und Künstler« die »rheinische Art in
ihrer weltweiten Humanität und klaren Schönheit«. Der Rang Mies van der Rohes als
Architekt oder - für Schwarz eine Steigerung - als »Baumeister« stand für ihn ohnehin 753 RS. An Mies van der Rohe. Heidelberg 1961. -
Typoskript im Schwarz-Archiv, Köln.
außer jeder Diskussion. »Wir verehren in ihm weitaus den größten Baumeister, den
Schwarz schickte den Text an Hans Schwip-
Deutschland in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg hervorgebracht hat.«”6 pert mit Zeilen, in denen er das Gewicht des
Umgekehrt fanden sich in Mies van der Rohes Bibliothek die wichtigsten Schriften von Dokuments herunterspielte: »ein Wischlein
für den Mies [...] Ich hatte nur ein paar Stun¬
Schwarz, der auch nach dem Kriege dafür sorgte, daß der prominente Kollege in Chi¬
den, um gestern etwas zusammenzuschrei¬
cago mit seinen schriftstellerischen Arbeiten versorgt wurde. Anstreichungen in Mies’ ben«. RS an Hans Schwippert, 21. 3. 1961.
Exemplaren, so im Essay Vom Sterben der Anmut (1927), aber auch offenkundige Zitate 754 RS an Ludwig Mies van der Rohe, 9. 10. 1948.
bekunden, daß Mies »die wunderbaren Schriften« seines Briefpartners intensiv durch¬ 755 RS an den Kölner Stadtdechanten Robert
Grosche, 30. 5. 1949. - In den späten zwanzi¬
gearbeitet hat. Von Schwarz’ Band Vom Bau der Kirche, für dessen amerikanische Aus¬
ger Jahren standen sich Mies und Schwarz
gabe Mies ein Vorwort schrieb, bekannte er: »Ich habe es immer wieder gelesen«. Eine aber noch so fern, daß Schwarz bei dem Ver¬
Notiz, die im Zusammenhang mit Dankreden steht, die Mies im Alter mehrfach zu hal¬ such, Mies für eine Mitarbeit in den Schild¬
genossen zu gewinnen, sich der Vermittlung
ten hatte, enthält den Hinweis »In this peculiar year - 1926 - Schwarz - Max Scheeler
Guardinis bediente, vgl. Walter Zahner.
[sic] - Whitehead«.”7 Schwarz, der Architekt, rangiert in dieser Reihenfolge vor dem Rudolf Schwarz. Baumeister der Neuen Ge¬
deutschen »Wesenswissenschaftler« und philosophischen Anthropologen und dem meinde. a.a.O. S. 173ff-
756 RS an Robert Grosche, 30. 5. 1949.
englischen Neurealisten! Mies besaß in seiner Bibliothek mehrere Hefte der Schildge¬
757 Fritz Neumeyer. Mies van der Rohe. Das kunst¬
nossen, für die ihn Schwarz immer wieder als Autor zu gewinnen suchte.758 »Der Mann lose Wort. Berlin 1986. u.a. S. 87T, 2ioff, 394,
ist eine unserer wertvollsten Bekanntschaften und wie alle anständigen Katholiken 398. Neumeyer betonte als erster das enge
innerhalb des katholischen Kulturkreises so gut wie unbekannt, während ihn die ande¬ Verhältnis zwischen beiden Architekten, ob¬
wohl er den Schwarz-Nachlaß nicht kannte.
ren sehr schätzen«, empfahl ihn Schwarz damals.759 758 RS. Notiz betr. Schildgenossen. Typoskript. 5. 7.
Was das Schwarzsche Denken für Mies bedeutsam machte, war die Rolle, die Schwarz - 1929. - RS an Romano Guardini, 16. 11.
freilich nicht als einziger - der Technik zuwies. Schwarz war wie der Theologe Romano 1929. - Veröffentlicht wurde lediglich ein Bei¬
trag: Ludwig Mies van der Rohe. Haus
Guardini, wie der Kulturphilosoph Friedrich Dessauer kein Skeptiker, der sich den
H.[ubbe], Magdeburg. In: Die Schildgenossen 14
neuen Möglichkeiten der Technik verschlossen hätte. Er forderte, sich mit dem Neuen (1934-35) nach S. 514. - vgl. Fritz Neu¬
auseinanderzusetzen und sich zu dessen Herrn zu machen. Es galt, dem Pragmatismus meyer. Mies van der Rohe. a.a.O. S .212, 378.
759 RS an Werner Becker, 1. 5. 1929.
der Zeit zu wehren, sich nicht auf den Kompromiß eines milden Humanismus einzulas¬
760 RS. Vom Sterben der Anmut. In: Die Schildge¬
sen, den »dunklen und brutalen anonyme(n) Gewalten« und der »nackten Brutalität« nossen 8(1928-29)3, S. 284, 286, 289, 289,
die »kalte Hochglut« der abstrakten Gestalt entgegenzusetzen und in den »geistes¬ 291.
761 Ludwig Mies van der Rohe. [Technik und Ar¬
durchdringenden Urkörpern der Stereometrie« »das Angebot einer großen neuen Kul¬
chitektur}. 1950. In: Philip C. Johnson. Mies
tur« zu erkennen.700 Wenn Technik ihre »wirkliche Erfüllung« (Mies van der Rohe), van der Rohe. Stuttgart o. J. S. 219. - RS. Bau¬
ihre »wesentliche Erfüllung« (Schwarz) finde, könne sie Großes bewirken und sich in stelle Deutschland. In: Die Schildgenossen 12
Baukunst verwandeln: Diese Überzeugung und diese Formulierungen finden sich in (1932-33) 1, S. 7. - vgl. Fritz Neumeyer. Mies
van der Rohe. a.a.O. S. 2 ioff.
Äußerungen beider Architekten.701 Für Mies war Rudolf Schwarz ein Kronzeuge in sei¬
762 Ludwig Mies van der Rohe. Vorwort in: Ru¬
ner Auseinandersetzung mit den »Voraussetzungen baukünstlerischen Schaffens«, dolf Schwarz. The Church lncamate. Chicago
beredter und argumentativer als er selbst, »einer der tiefsten Denker unserer Zeit«. Das 1958. »One of the most profound thinkers of
our time... It is not only a great book on ar-
spätere Buch Vom Bau der Kirche galt ihm nicht nur als ein »großes Buch über Architek¬
chitecture, indeed it is one of the truly great
tur, sondern es ist eines der wahrhaft großen Bücher - eines von denen, die die Kraft books - one of those which have the power to
besitzen, unser Denken zu verändern.«762 Mit Schwarz’ Hilfe - aber auch der Guardinis transform our thinking.« (S. III).

191
oder Dessauers - kam Mies zu einer Position, mit der er sich nun auch theoretisch von
der Position pragmatischer Konstruktivisten und Funktionalisten absetzen und zu einer
»neuen Art von Schönheit« gelangen konnte. »Baukunst ist in Wahrheit immer der
räumliche Vollzug geistiger Entscheidungen« (Mies van der Rohe).76?
Schwarz und Mies haben sich nicht nur in Berlin, sondern auch in Aachen gesehen.
Schwarz rief Mies sehr viel später eine Aachener Begegnung ins Gedächnis. »Ich erin¬
nere mich noch daran, wie Sie mich einmal besuchten und ich mit Ihnen in den Wald
gehen mußte, weil da ein Strauch wuchs, der wunderbar roch und an dem Sie als Junge
so gerne gerochen hatten. Sehen Sie, dieser Strauch wächst nur im Aachener Wald!«
Für Schwarz war es ein Beleg dafür, wie sehr Menschen in ihrer Fleimat verwurzelt
sind, wie sehr nicht zuletzt Mies »ganz tief in den Boden Europas und Deutschlands
eingewachsen« sei, »diesen Boden, den Sie bis in die Tiefe kannten und von dem Sie
wußten, daß er Herrliches hervorbringen kann, wenn man ihn richtig bestellt.«76“?
Schwarz zitierte 1956 diese Erinnerung, um Mies wenn nicht zur Rückkehr, so doch zur
Arbeit in seinem Vaterland zu ermutigen. Bis zur Neuen Nationalgalerie in Berlin
(1962-67) ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung. Für den Entwurf des Mannheimer
Nationaltheaters (1952-53, Abb. 260) erntete Mies zwar viel Lob, aber den Auftrag
erhielt ein anderer Architekt, sein ehemaliger Schüler Gerhard Weber. Schwarz, der
selbst bei dem Mannheimer Wettwerb eingereicht hatte (vgl. S. 176L), drückte seinen
Respekt gewohnt launig aus: »Wir haben uns gerade um das Mannheimer Theater

293 Ludwig Mies van der Rohe.


bemüht, und einige haben sich sehr mit seinen Funktionen gequält. Mies aber, dieses
Scheusal, hat eine große Holzleiste geschickt, und darin war als Modell eine beinahe
294 Rudolf Schwarz. St. Christophorus. Köln- ebenso große Glaskiste.«76?
Niehl. 1954-59. Fassadendetail. Ähnlich ergebnislos wie Mannheim gingen die Projekte für ein Krupp-Verwaltungsge¬
bäude in Essen und für das Georg-Schäfer-Museum in Schweinfurt aus. »Ihren Ruhm«,
schrieb Schwarz, »kann das nicht mindern - wie wäre das noch möglich - aber es min¬
dert unsere Ehre.«766 Schwarz selbst hat sich immer wieder für einen Auftrag an Mies
eingesetzt, ebenso für Ehrungen wie den Großen Staatspreis des Landes Nordrhein-
Westfalen oder die Ehrenbürgerschaft der Stadt Aachen.707 1949 hatte er Mies sogar als
Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie vorgeschlagen, wohlwissend, daß es schwer
werden würde, Mies, diesen »wahrhaft gebildeten und fein empfindenden Deutschen
und Künstler«, zu einer auch nur periodischen Lehrtätigkeit in Düsseldorf zu bewegen:
»Er ist ein behäbiger und gewichtiger Mann und es ist ihm anstrengend, sich von einem
Stuhl zu erheben auf dem er sich niedergelassen hat.«768
Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg korrespondierte Schwarz mehrfach mit
Mies,709 der ihm in den Notjahren Lebensmittelpakete schickte. Schwarz schildert ver¬
trauensvoll die Lebensumstände in Nazizeit, Krieg und Nachkriegsepoche. Der erste
Brief von 1947 ist geradezu eine Lebensbeichte (vgl. S. 2ioff.). Dem großen Kollegen,
der seine eigene Arbeit selbst als »radikal« und »konservativ« bezeichnete,770 bekennt
er: »Im Grunde bin ich, wie ich immer mehr merke ein stockkonservativer Mann, dem
es immer schwerer fällt an die Visionen unserer Freunde Corbusier oder [Martin] Wag¬
ner zu glauben«. Statt der Namen ersetzt Schwarz im Briefkonzept: »unserer moder¬
nen Freunde« und fährt fort: »Es ist so furchtbar viel Gewachsenes roh zerstört wor¬
763 Ludwig Mies van der Rohe. Die Voraussetzun¬
gen baukünstlerischen Schaffens. Vortrag 1928. den, daß einem jede Erinnerung an das Gewachsene kostbar geworden ist.«771 Dieser
In: Fritz Neumeyer. a.a.O. S. 362. einfache Gedanke ist die plausibelste Erklärung, warum Schwarz, in seiner Aachener
764 RS an Ludwig Mies van der Rohe, 30. 3. 1956
Zeit selbst ein radikaler Moderner, nach 1945 mit größerer Vorsicht, mit ortsüblichen
(versehendich datiert: 1936).
765 RS. Was dennoch besprochen werden muß. 1953. Materialien, in Mauerschwere und Bilderreichtum gebaut hat. Es ist zu viel Gewachse¬
In: Baukunst und Werkform 6(1953)4, S. 195. nes roh zerstört worden.
766 RS an Ludwig Mies van der Rohe, 30. 3. 1956. Zweifellos hat Schwarz Mies auf seiner Seite und nicht auf der einer »entschlossenen
767 RS an Hans Schwippert, 19. 5. 1959, 29. 5.
Modernität« gesehen. »Sie waren mir immer so etwas wie ein Licht im Dunkel gewe¬
1959, an Willy Weyres, 3. 6. 1959.
768 RS an Robert Grosche, 30. 5. 1949. sen, an dem man sich trösten konnte, ein Mensch, der niemals das Geistige an das Vor¬
769 RS an Ludwig Mies van der Rohe, 21. 5. 1947, teilhafte verriet.«772 Daß Schwarz auch den Architekten der amerikanischen Hoch¬
25. 6. 1948, 9. 10. 1948, 5. 4. 1951, 30. 3.
häuser für sich in Anspruch nahm, mag mit der Beharrungskraft des Alters Zu¬
1956.
770 Zit. in David Spaeth. Ludwig Mies van der sammenhängen. Man verabschiedet sich nicht gern von einem Vorbild, das einen Jahr¬
Rohe: Ein biographischer Abriß. In: Mies van der zehnte begleitet hat, so wie auch Mies den ihm vertrauten Denker und Schriftsteller
Rohe, Vorbild und Vermächtnis. Kat. Deutsches
Schwarz unterschiedslos in dessen frühen wie späten Bauten gespiegelt sah.
Architektur-Museum. Frankfurt 1986. S. 22.
771 RS an Ludwig Mies van der Rohe, 9. 10. 1948. Bestätigung der alten freundschaftlichen Beziehungen brachte offenbar der Deutsch¬
772 ebda. land-Besuch Mies van der Rohes im Juni 1953. Die Düsseldorfer Kunstakademie

192
193
' !'/. St. Christophorus. Köln-Niehl.

nsicht mit Blick /.um Altar.

ernannte Mies zum Ehrenmitglied und veranstaltete ein Colloquium. Die Nachwehen
der Bauhaus-Debatte waren Gesprächsthema, aber nicht das einzige, wie sich einer gut
gelaunten Beschreibung von Schwarz entnehmen läßt. »Es war ein schönes Fest, wel¬
ches zwei Tage und eine Nacht kostete und als greifbarstes Ergebnis zeitigte, daß Mies
den deutschen Wein für erheblich besser erklärte als den amerikanischen.«773
Zwei große Themen sind es, die Schwarz bei Mies erkennt. Das eine ist die Freiheit des
Menschen im Raum. Der Baumeister sichert sie, indem er dem Leben in der Objekti¬
vität der baulichen Gestalt zu seinem Recht verhilft. Er gibt »die Bewegung des
Geschöpflichen ins Räumliche frei [...], und dann zieht er darum die Wand als letzte
Begrenzung.«7^ Der alte freundschaftliche Streit, den Mies und Hugo Häring, der zeit¬
weise Atelier-Gefährte Mies van der Rohes in den zwanziger Jahren, austrugen, bringt
sich in Erinnerung. Häring, der Vertreter organhaften Bauens und dienender Lei¬
773 RS an Martin Wagner, 14. 7. 1953. - vgl. auch stungserfüllung, legte die Grundrisse entsprechend der zu erwartenden Vorgänge des
die Schilderung von Alfons Leitl. Anmerkung Lebens aus. Mies dagegen gab Spielraum frei, damit sich das Leben entsprechend sei¬
zur Zeit. Mies van der Robe in Deutschland. In:
ner eigenen Notwendigkeiten einrichten konnte.
Baukunst und IVerkfotyn 6 (1953) 6, S. 275ff.
774 RS. An Mies van der Rohe. a.a.O. Zitiert nach Die Formulierungen Rudolf Schwarz’ wirken wie eine späte Parteinahme für Mies und
dem Typoskript. gegen Häring. Wenn Mies dem Freunde Häring empfahl: »Menschenskind, mach doch

194
296 Außenansicht.

die Bude groß genug, da kannst du hin- und herlaufen und nicht nur in einer vorge¬
zeichneten Bewegung«,775 So scheinen die Äußerungen von Rudolf Schwarz wie eine
Übersetzung des burschikosen Ratschlags in schönes, gepflegtes Schriftdeutsch: »In
Ihren Bauten hat sich das uralte Wissen bewahrt, daß das Leben nie besser gerät, als
wenn es in das große Gesetz einer strengen objektiven Form eingebettet ist, die seine
Zartheit behütet, und daß das Leben am menschlichsten gelingt, wenn es vor dem offe¬
nen Horizont des großen Masses geführt wird. Nicht dort, wo dem Leben vorgesagt
wird, wie es sich spontan zu verhalten habe und schon die weichen Gehäuse einer Spon¬
taneität vorgeplant werden, sondern dort, wo es lediglich] unter das Firmament eines
großen Gesetzes gestellt wird, erwacht es zu seinen höchsten Einsichten und tapfersten
Taten und wagt es sein zeitlichstes Spiel; es erwacht zu seiner wirklichen Freiheit«.?76
Schwarz variiert hier ein letztes Mal den Gedanken vom Raum, der erst zu erwachen
und sein räumliches Leben zu führen beginnt, wenn Menschen ihn betreten: der 297 Ludwig Mies van der Rohe. Kapelle St. Sa¬
vior. Illinois Institute of Technology. Chicago,
Gedanke, den er auf Burg Rothenfels zum ersten Mal verwirklicht hatte.
1949-52.
Demgemäß war der stehende oder liegende Quader der amerikanischen Bauten Mies
van der Rohes in den Augen von Schwarz auch nicht eine beliebig fortsetzbare, nur
durch die Qualität der eingesetzten Elemente bestimmte Form. Schwarz sah die Bauten
des Freundes als jeweils einmalige Gebilde, nicht als repetierbare Strukturen, nicht als
»Bude«, sondern als Bild, auch wenn es ein spartanisches Bild war. »In Ihren ganz ein¬
fachen Formen lebt das Geheimnis der Schöpfung, daß die mathematisch erdachte [kor-
rigiert: mathematische] Urgestalt, das Rechteck, der Würfel und dergleichen die
unnachahmliche Sprache eines einmaligen Geistes werden kann, der sich darin inkar¬
nierte«.777
Der Revolutionär Mies war daher zutiefst auch ein Konservativer. Er war »überhaupt
kein moderner Architekt, sondern Klassizist mit anderen Mitteln«, der bei seinem
Europabesuch 1953 nicht moderne Architektur besichtigte, wohl aber Berlages Amster¬
damer Börsengebäude, und zwar gleich dreimal hintereinander. Mies nahm sich die
Freiheit des Künstlers, »der... aus der unendlichen Fülle des Möglichen sich seine
Stoffe und seine Formen heraussucht, weil sie ihm eben so passen.« In seinem Fall
waren es Stahl und Backstein, nicht aber Stahlbeton. »So haben Sie Ihre Werke in die
große Überlieferung eingefügt, die uns aus Zeiten herüberleuchtete, welche wohl
menschlicher waren als unsere.«778 Zweifellos betrachtete Schwarz seine eigenen »ganz
775 Mies in Berlin. Ein biographisches Gespräch, auf¬
einfachen Formen« gleichfalls als solche Gefäße des Lebens, die in einer Tradition alter gezeichnet von Horst Eifler und Ulrich Conrads.
Wahrheiten standen. Schallplatte. Bauwelt Archiv 1. Berlin 1966.
776 RS. An Mies van der Rohe. a.a.O.
Der Übereinstimmung der Worte entspricht die Übereinstimmung von Bauten.
777 ebda.
Schwarz hat viele sakrale Bauten jeder Größe entworfen und gebaut, Mies einen einzi¬ 778 RS an Alfons Leid, 4. 7. 1953. - RS. An Mies
gen und sehr kleinen, die Kapelle St. Savior auf dem Campus des Illinois Institute of van der Rohe. a.a.O.

195
Technology in Chicago (1949-52, Ahb. 297). »Ich weiß, wie er sich immer danach
gesehnt hat, doch auch einmal eine Kirche bauen zu dürfen«, erinnerte sich Schwarz,
der versuchte, seinem Freund einen kirchlichen Auftrag in Deutschland zu verschaffen.
»Es würde ein sehr schöner Bau herauskommen... So etwas würde auch das Ansehen
der Kirche gewaltig heben.«779
Ursprünglich war Mies van der Rohes Chicagoer Kapelle wie die anderen Bauten des
Iit als eine Stahlskelett-Konstruktion entworfen, die mit Backstein und Glas ausgefacht
werden sollte. Die Kosten für Stahl legten es nahe, nur das Dach in diesem Material zu
konstruieren, während die Wände in tragendem Ziegelstein aufgeführt wurden. Im
Inneren blieb der Trägerrost der Decke sichtbar. Wenige Elemente sind in den Raum
eingestellt: ein zweistufiges Podest, ein Altarblock aus Travertin und ein Kreuz aus
Edelstahl vor einem Seidenvorhang. Mies kam es auf eine Architektur an, die nicht
altert, die aus guten Materialien und edlen Proportionen besteht.780
Mies ist der Vorwurf gemacht worden, seine Kapelle gleiche einem Industriebau. Das
könnte man von einem Schwarzschen Bau wie St. Christophorus in Köln-Niehl
(1954-59, Abb. 294-296) erst recht sagen. St. Christophorus ist einige Jahre später als
St. Savior entstanden. Die Gerüstkonstruktion, die Mies ursprünglich vorgesehen
hatte, prägt bei Schwarz den gesamten Bau - hier in außen tiefblau, innen smaragdgrün
gestrichenem Stahlbeton. Sie teilt den Innenraum in drei Schiffe (ähnlich wie ein Vier¬
teljahrhundert zuvor die Holzkonstruktion im Eifeldorf Leversbach, vgl. S. 83) und
zeichnet sich in den Außenwänden ab, die mit Backsteinen ausgefacht sind. Wie bei
Mies blieb die Rippendecke sichtbar. Die neunteiligen Obergadenfenster, neunteilig
wie der Grundriß, erinnern an Industrieverglasung, der überwiegend dunkelrote, aber
ein heftiges Farbspiel aufweisende Ziegelstein an die Backstein-Mauern von Werkshal¬
298 Albrecht Dürer. Christi Geburt. Kupfer¬ len und -schuppen. Mies auf seinem Hochschulgelände hatte den vornehmen ledergel¬
stich. Weihnachtsglückwunsch Alies van der Ro¬ ben Backstein gewählt, den er auch für die anderen Campus-Gebäude benutzte. In
hes an Rudolf Schwarz. Köln dagegen ist der Standort einem großen Werksterrain, unter anderem der Ford¬
werke, benachbart. Schwarz wollte sich auf diese Nachbarschaft beziehen und den
Gemeindemitgliedern das Unvertraute im Vertrauten bieten.
Die beiden quaderförmigen Sakralbauten sind von gleicher Radikalität, die aber bei
Schwarz noch stärker durchschlägt. Bei Mies wird sie durch die Einordnung des Bau¬
werks ins Gesamtraster des Campus, in dessen Materialität, in die sorgfältig geplante,
lichte Vegetation des Geländes zurückgenommen. Mies ist abstrakter, edler, kühler,
Schwarz ruppiger, gröber, taktiler, wärmer. Das war von Schwarz gewollt: »ein Raum
von starker Innigkeit und Kraft«. Mit der Aggressivität der Architektursprache gehen
bei Schwarz Kunst und Kunstgewerbe zusammen, an denen sich das Gemüt festmachen
kann - starkfarbige Fenster, die Kirchenfeste evozieren (von Georg Meistermann), auf
Putzflächen aufgetragene große Zeichnungen, gemusterte Fußböden, schließlich auch
An- und Nebenbauten. Mies hätte dergleichen menschen- und gottesfreundliches
Detail nicht gestattet. Aber in der Vorherrschaft der kubischen Hauptform gaben sich
beide Architekten nichts nach. »Sie ist gemacht, wie die Dinge heute gemacht werden
sollten« (Mies van der Rohe). »Wir wollten die Vereinfachung so weit treiben, daß
schließlich durchaus nichts mehr da wäre als die letzten, notwendigen Bestandteile«
(Rudolf Schwarz).781
Von Schwarz’ Briefwechsel mit Mies haben sich in Köln Durchschläge, Konzepte oder
Entwürfe der Schwarz-Briefe erhalten, aber so gut wie keine Äußerungen Mies van der
779 RS an Willy Weyres, 3. 6. 1959. Rohes. Der große Schweiger schrieb auch nicht gern. Die Ausnahme ist ein Kärtchen
780 Mies van der Robe. A Chapel. In: Arts and Archi- mit Christmas Greetings (Abb. 298). Der zu Weltruhm gekommene Emigrant schickt
tecture. (1953) 1, S. 19. - Vgl. David Spaeth.
Mies van der Rohe. Der Architekt der technischen
dem in Deutschland zurückgebliebenen Gefährten ein Kunstmotiv, so deutsch wie nur
Perfektion. Stuttgart 1985. S. 123fF. möglich, die Reproduktion eines Albrecht Dürer-Stiches mit der Geburt Christi - aus
781 Ludwig Mies van der Rohe. a.a.O. S. 130. - dem Besitz des Art Institute in Chicago! Der Nachruf, den Mies 1963 dem »denkenden
RS. Kirchenban. Heidelberg i960. S. 303.
Baumeister« Schwarz widmet, ist lapidar wie alle seine Äußerungen. Aber höher konnte
782 Ludwig Mies van der Rohe. Rudolf Schwarz.
In: Kat. Bda Köln und Akademie der Künste, sein Autor nicht greifen: »Denken und Bauen zeugen von der einzigartigen Größe
Berlin. Heidelberg 1963. S. 5. unseres verstorbenen Freundes«.7*2

196
Lebensdaten

15.5.1897
Geboren in Straßburg/Elsaß als zweites von drei Kindern. Sohn des Gymnasialdirek¬
tors Prof. Dr. I lilar Schwarz und seiner krau Paula Johanna, geb.Bayer, getauft auf die
Vornamen Rudolph Maria
Herbst 1904 - 2. 8. 1914
Besucht \ orschule und Bischöfliches Gymnasium St. Stephan in Straßburg. Notabitur
mit Prädikat »sehr gut«
3. 8. 1914
Einberufung zum Landsturm
15. 11. 1914
Aus dem Militärdienst entlassen
7. 12. 1914
Beginn des Architekturstudiums an der Königlichen Technischen Hochschule Berlin
1. 10. 1916
Dipl.Ing. Vorprüfung »mit Auszeichnung«
7. 12 .1918
Dipl.Ing. Hauptprüfung »mit Auszeichnung«
12. 2. 1919
Immatrikulation an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn für zwei Seme¬
ster, im Wintersemester 1919/20 beurlaubt. Studiert Katholische Theologie, Ge¬
schichte, Philosophie
13. 6. 1919
»Preisdenkmünze« des Preußischen Staatsministeriums als Anerkennung für das
Diplomexamen
1. 8. 1919
Beginn der Ausbildung zum Regierungsbaumeister, als Regierungsbauführer beim
Hochbauamt des Preußischen Regierungspräsidiums in Köln
1. 8. 1919 - 15. 7. 1920
Im Rahmen der Ausbildung an die Fa. Jacob Koerfer, Köln, überstellt
16. 7. 1920 - 15. 1. 1922
Im Rahmen der Ausbildung im Architektenbüro Heinrich Krings tätig
24. 5. 1922
Schreibt sich während der Ausbildungszeit als Gasthörer an der Universität Köln ein,
belegt Kunstgeschichtliche Übungen bei Prof. Dr. Albert Erich Brinckmann
16. 3. 1923
Promotion an der Technischen Hochschule Berlin zum Dr. Ing. mit einer Arbeit über
Fiiihtypen der rheinischen Kleinkirchen (»mit Auszeichnung«)
1. 5. 1923 - 1. 2. 1924
Mitarbeiter bei Hans Poelzig und dessen Meisterschüler im Meisteratelier der Akade¬
mie der Künste
10. 11. 1923
An der Technischen Hochschule Berlin Prüfung als Regierungsbaumeister mit Prädikat
»gut« bestanden

x3- 3- _ I4- 4- x924


Mitarbeiter bei Prof.Georg Steinmetz, Berlin
Frühjahr 1924
Studienreise nach Italien und Griechenland
1924
Wird »Burgbaumeister« von Burg Rothenfels am Main, einem Sitz der katholischen
Jugendbewegung Quickborn. Beginn der Mitarbeit an der Zeitschrift Die Schildgenossen,
Zeitschrift aus der Katholischen Lehensbewegung
1. 1. 1925-31.3.1927
Lehrer für architektonischen Entwurf und Kunstgeschichte an den Technischen Lehr¬
anstalten (Baugewerk- und Kunstgewerbeschule) Offenbach. Zusammenarbeit mit
Dominikus Böhm bis zu dessen Berufung nach Köln.
i. 4. i927
Berufung zum Leiter der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Aachen
Nach einer Probezeit erhält er mit Wirkung vom i. io. 1928 einen Vertrag auf Lebens¬
zeit mit der Amtsbezeichnung »Direktor und Professor«
1927
Wird neben Josef Aussem und Romano Guardini Mitherausgeber der Zeitschrift Die
Schildgenossen

J931
Wird für ein Jahr in den Vorstand des Deutschen Werkbunds gewählt, am 15. 10. 1932
erneute Wahl
1. 2. 1934
Schwarz wird auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den
Ruhestand versetzt, die Kunstgewerbeschule Aachen am 1. 4. 1934 geschlossen
x934- 1944

Freischaffender Architekt zunächst in Offenbach, ab 1937 in Frankfurt am Main


23. 6. 1941
Planungsarchitekt beim Wiederaufbauamt des »Reichsstatthalter in der Westmark und
Chef der Zivilverwaltung in Lothringen«
1.2. 1942
Übernimmt den Aufbau der Planungsstelle Diedenhofen. Landesplanerische Tätigkeit
für den Raum Diedenhofen (Thionville)
30. 6. 1943
Übernimmt die Planungsstelle Metz beim Reichsstatthalter in der Westmark, die mit
der Planungsstelle Diedenhofen zur Planungsstelle Lothringen vereinigt wird
10. 3. 1944
Zum Vertreter des Landesplaners der »Westmark« bestellt und mit der Geschäfts¬
führung der Hauptgeschäftsstelle Saarbrücken beauftragt
4. 9. 1944-8. 5. 1945
Militärdienst in einer Pioniereinheit
8. 5. 1945 - Anfang Februar 1946
Kriegsgefangenschaft u.a.in Rennes, Bretagne
1946 - 61
Freischaffender Architekt in Frankfurt am Main und Köln
1. 11. 1946
Fünfjahresvertrag für die Aufbauplanung der Stadt Köln mit der Amtsbezeichnung
»Generalplaner«. Nach Verlängerung des Vertrages ist die Generalplanung am 31.3.

1952 abgeschlossen
21. 12. 1949

Professorentitel durch die Landesregierung Nordrhein-Westfalen


29. 6. 1951
Heiratet die neunundzwanzigjährige Architektin Maria Lang
5. 6. 1952
Verdienstkreuz zum Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland
23. 7. 1952
Fritz-Schumacher-Preis der Freiherr vom Stein-Stiftung (F.V.S.), Hamburg
20. 2. 1953
Nimmt seine Lehrtätigkeit als Ordentlicher Professor für Städtebau und Kirchenbau an
der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf auf
195 5
Mitglied der Akademie der Künste, Berlin
!958
Großer Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen
J959
Viermonatiger Klinikaufenthalt
3.4. 1961
Erliegt in Köln-Müngersdorf einem Herzinfarkt
Rudolf Schwarz
Aufsätze und Vorträge
Der Dom
[Um 1920]1

l n-, cröffentlichtes Typoskript. Die gottähnliche Seele trägt einen edlen Schmerz um ihre sündige Verkettung und eine
Interpunktion und Wortschreibung sind in
stille Scham wegen ihrer ständigen Befleckung durch ihre eigene gottwidrige Unvollen¬
diesem ind den folgenden Texten heutigem
Gebrauch vorsichtig angeglichen.
dung; in der stillen Einsamkeit erhebt sich ein grosser Hunger, und eine grosse Sehn¬
sucht steigt steil über die fesselnde Körperwelt und möchte sie zersprengen. Dieser De
profundis-Ruf ist menschlich und wird in christlichen Kirchen nie verstummen, denn
alle grosse Liebe, die je entstand, ist aus diesem Sehnen gewachsen, das eigentlich
immer sich Gott benachbart fühlt und nie ohne die Gewissheit irgendeiner endlichen
Erfüllung bleibt; es ist etwas Heimweh darin und etwas Profetendrang, der die noch
feindliche Welt in langem Kampf freimacht.
Durch unsere Zeit geht aber ein anderes Leid, das man unter dem Schlagwort vom
»gotischen Menschen« wie unter einem fremden Gewand von unbezweifelter Ehrwür¬
digkeit verstecken möchte. Dieses Leiden will in ewiger Zwiespältigkeit aus tiefen
Abgründen rufen und sich in endlosem Schmerz wollüstig selbst vernichten, da es zwar
seine Gottferne und die ewige Unerreichbarkeit der Idee fühlt, aber keine Brücke oder
Himmelsleiter findet. Es verlangt und ruft nach einem Erlöser, aber es kennt ihn nicht,
und in häretischer Selbstbeschränkung möchte es ihn im Grunde gar nicht sehen, denn
dann würde ein Weg sich öffnen, eine grosse Demut und ein grosses Opfer würden sich
erschliessen, und davor scheut der isoliert zwischen Gott und Welt als Fremder ste¬
hende Mensch zurück, dessen hochmütige Einsamkeit bis ins Innere unchristlich ist
und dessen Gottsuchen die schreckhafte Erkenntnis des verirrten Heiden ist, der unter
sich keinen Platz mehr zum Stehen hat und über sich einen unendlichen fernen Him¬
mel ahnt. Auch ihm kann sich ein Weg auftun, denn auch seine Ratlosigkeit ist Gnade,
aber diese kalte eisige Einsamkeit ist ein moderner Geisteszustand und hat nichts mit
dem Geist der christlichen Gotik zu tun; was sie baut, scheint langsam zum Ketzer¬
tempel schwärmender Geister zu wachsen, dessen Struktur schon die Risse des nahen
Einsturzes zeigt.
In unerreichter Majestät steht daneben der katholische Dom, wie ihn die Zeit der gros¬
sen Gnadenmenschen und der grossen Heiligen in liebender Besorgnis aufbaute. Auch
der Dom ruft nach Gott. Auch die Säulen des Domes dringen in harter und schmuckloser
Linie erdfliehend und unaufhaltsam aufwärts, aber die Kluft, die zwischen ihnen ent¬
299 Rudolf Schwarz. Gotische Bögen. Datiert steht, bleibt nicht geöffnet, sondern die Säulen breiten sich zu gerundeten Gewölben
25. 11. 1923. Aquarell. Privatbesitz, Köln. aus, die den Abgrund schliessen und in mütterlicher Umfänglichkeit das Sanktissimum
der menschgewordenen Gottheit umfassen. Der strenge Anfang in der Entzweiung der
Erkenntnis krönt sich in der Wiedervereinigung der Liebe, und beide als Vater und
Mutter beschirmen das Lachen des Kindes, den Erlöser und die erlöste Natur, die frohe
bunte Welt, die sich auf alle Kapitelle und auf alle Spitzen schwingt, in hüpfender
Freude über alle Firste hinwegspringt und selbst noch über das Sakramentshäuschen als
steinernes Pflänzchen und Tierchen harmlos neugierig hinkrabbelt. Der Dom enthält
alles, den immanenten Gott, der allem Kleinen beiwohnt, und den transzendenten
Gott, der die Mengen und Massen aufreisst, und die letzte und äusserste Spitze des
Domes bietet mit der Gebärde des schenkenden Kindes dem hohen Himmel die freie
Erde dar: die Blume in der Form des Kreuzes. Der Dom enthält die Lösung aller Fra¬
gen und die Erfüllung jeden Wunsches; hier wird das bange Leiden der Nacht und die
jubelnde Freude des Tages, Schuldgefühl und Erlösungsbedürfnis, Einzelmensch und
Gesamtheit eine grosse Einheit und eine singende Harmonie, und das ist es, was die
Gotik zur unerreicht edlen Kunst macht: Sie ist vollendet und allumfassend, das heisst
katholisch. Ihr Wesen ist nicht in ein ängstliches Suchen und eine Negation der Schöp¬
fung eingeengt. Das ist nur der Anfang, der seine Vollendung findet in der Liebe und in
der weiten freien Tat, die sich der Welt öffnet und die Welt läuternd erlöst. Nicht Eck¬
harts häretische Vereinsamung liess diese Bauten entstehen, sondern Bernhards weltbe¬
herrschende Liebe legte den Grund dazu, und jede Fiale umspielt der Sonnengesang
des heiligen Franz. In geheimnisreich geschlossener Trinität führt der gotische Weg
von Weihnachten über Karfreitag zum Pfingsttag des Schöpfergeistes und ist ein gewal¬
tiges Neuerleben der Welterlösung und der Kirche als des weiterlebenden Christus, so
dass auch der gotische Weg in seiner Art ein liturgischer Weg ist, also ein Gemein-

200
schaftsweg und Menschheitsweg, der einer weiten Gesamtheit ebenso offensteht wie
einem einzelnen, denn seihst die einsamen Säulen ordnen sich schon im Aufschiessen
zu Hallen, die bereitstehen für den Hymnensang und den Umzug eines grossen Volkes.
Im Dom löst sich der Konflikt zwischen dem anachoretdschen und dem sozialen Men¬
schen in ein Dienen des einen an allen, in ein bereitwilliges Ausbreiten seines hohen
Geistes, das den echten tiefen Kern der gotischen Kultur bildet, einer reichen, frohen
und weiten Kultur.
Es ist kein Zufall, dass der Eingang des Domes meist geschützt wird von Maria und
ihrem Kind. Wer nicht grüssend durch dieses Portal das Innere betritt, sondern genies¬
send und gnadenfeindlich ausserhalb des Baues steht, wird diesen nie verstehen,
sondern beim armen leeren Schlagwort von der gotischen Einsamkeit beharren, da er
nichts von der Mutter und dem Kind, von der Erlösung und dem fortlebenden Christus
weiss, und ratlos und hilflos vor einem Reichtum steht, den zu fassen sein Geist keine
Truhen hat, und den niemand ganz ausschöpfen wird, den aber am besten wohl immer
noch das in den Hallen umziehende gottgewisse Volk verstehen wird.

Die Lehre zum Tun


[Um 192 7]2

Auf unsern Werken liegt etwas wie ein geheimnisvoller Fluch. Es gelingt nichts. Der
Verlauf ist immer der gleiche. Neue Gedanken tauchen auf, und sie scheinen die rech¬
ten zu sein, man beginnt sie zu bauen, und dann kommt etwas über sie wie ein
Mißwuchs, es bricht etwas aus ihnen hervor wie eine geheime Verderbnis, und wieder
versagt sich die Geschichte, sie will nicht. So folgt ein Einsturz dem andern, und lang¬
sam bekommt die Landschaft unserer Geschichte das Aussehen eines Haufens von
Abfällen. Mutlosigkeit ergreift auch die Geduldigen und die Zähen, es hat alles keinen
Sinn mehr. Bedrückende Erinnerungen an alte Zeiten der Geschichte tauchen auf, wo
es auch so war, wo auch eine Wiederherstellung der andern, eine Stützung der andern
folgte und doch alles nicht galt, weil alles vorbei war, weil die Nacht da war, an deren
anderem Morgen neue Völker nach neuen Gedanken eine junge Erde bebauten. Man
fühlt die Verwandtschaft. Die Zeit der Programme und der Reformationen scheint Vie¬
len vorbei, und ihnen erheben sich wieder die großen ewigen Dinge, aus denen
Geschichte wird und die Geschichte wenden. In neuer Zuwendung zu diesen letzten
und heiligsten Mächten wollten neue Anachoreten aushalten, bis die traurige Zeit vor¬
beiging, vielleicht, daß so hinübergerettet wird, was nun und nimmer verlorengehen
darf, wenn schon auch so das Elend nicht mehr zu bessern ist.
Auch wir meinen, daß die Wurzeln unserer Mißerfolge tiefer liegen, als die Zeitungen
sagen, und daß sie weiter zurückreichen, bis in eine Zeit, als es uns gut ging und nur
Wenige den Verfall ahnten. Auch wir glauben, daß man die Unglücksfälle unserer Zeit,
die verhängnisschwere Kette düsterer Katastrofen und das viel unheimlichere Wüten
gegen das eigene Leben und die einfachen Grundlagen des menschlichen Daseins so
schwer nehmen muß, als man nur kann. Es sind keine Zufälle, denn alle haben die glei¬
che Grundstruktur der Verzweiflung, der Verwirrung und des Irrsinns. Wir glauben,
daß man diese furchtbaren Ereignisse als Symptome nehmen muß einer schweren
Erkrankung der Produktion in den tiefsten Wurzeln, Symptome einer Produktionskri¬
sis, die alles umfaßt, die Kraft und die Frucht, den Beginn und das Werk, Wurzel und
Krone, und daß alle diese Verwirrungen nur Folgen sind von traurigen Irrtümern des
menschlichen Herzens, schlimmen Blendungen des menschlichen Denkens. Das läßt
sich zeigen und in Geschichte und Gegenwart wohl auch richtig beweisen. In der Tiefe
begann das Übel, und es vergiftete zuerst auch die tiefsten Wurzeln, aus denen die
höchsten Dinge sich nährten. Als diese abstarben, war alles andere lose gewordenes
Erdreich, das fortschwamm. Die Fäulnis stieg höher und ergriff auch die kleineren
Dinge an ihren seichteren Wurzeln und schließlich das Korn auf den Feldern, aus dem
man das Brot backt. Im innersten und verborgensten Winkel des menschlichen Her¬
zens war die Wüste zuerst ausgebrochen, und erst viel später verfielen die Bauten und 2 Unveröffentlichtes Typoskript.

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■ S'. hu .ir?. Kwiglicht-Leuchter. Burg- wurden die Äcker nicht mehr bestellt. Jetzt ist wieder etwas da, was lange zurückging:
n Burg Rothenfels. Um 1930. ödes Land und hungerndes Volk. Die Völker können nur unter dem Schutze dessen
leben, was hoch ist, und sterben, wenn das nicht mehr da ist. Zuletzt hat alles keinen
Sinn mehr; es ist sinnlos, etwas zu beginnen, sinnlos zu schaffen und sinnlos, Kinder zu
haben. So ergreift die Völker ein trauriges und müdes Hinwegsterben, weil es nicht
mehr möglich ist, weiter zu leben. Die Krankheit meint wohl das Ganze, sie ist eine von
denen, woran die Völker sterben. Einen Tod ohne Ehre und Nachruhm, besser hätte
sich noch im Krieg sterben lassen.
So wäre dieses Elend eben dann doch nur durch eine große conversio der Herzen und
der Gesinnungen zu wenden. Es wäre alles umsonst, wenn nicht der Verfall eine neue
und tiefe Erschütterung der Grundlagen brächte. Jedoch gibt es zwei Arten der conver¬
sio. Ist ein Leben völlig verwirrt, so gibt es den einen Weg, es gibt sich ganz auf und
befiehlt sich besseren Mächten. Es gibt aber auch den anderen Weg der langsamen
Umgestaltung von den kleinen Dingen aus. So kommt man auch weiter. Alles vorerst
einmal für fraglich zu halten und in diesem Ozean der Nichtigkeiten einige Dinge, viel¬
leicht kleine und ganz besonders alltägliche Dinge neu anzufangen, so daß wenigstens
diese in allem Mißwuchs geraten und echt sind. Gewissermaßen kleine Herde der
Gesundung gründen, kleine, aber feste Halte schaffen und von dort aus nicht in hero¬
ischem Ansturm und pathetischer Buße, sondern in unüberwindbar gutem Willen und
in unbeirrbarer Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit ein vielleicht kleines und banales Tage¬
werk fortsetzen und ausdehnen. Es hat auch das einen sehr tiefen Sinn, daß eine ganze
Stadt gerettet werden kann, weil darin sieben Menschen wohnen, die recht sind. Unter
den beiden Wegen, deren einer immer die große Katastrofe vor Augen hat und die
Volksbewegung der Konversion predigt, aber eine große und impulsive, wie sie auch
metafysisch zufällig bleibt, und dem andern, das was jetzt gleich getan werden muß,
einmal fundamental richtig zu tun, hat vielleicht dieser zweite die größere Aussicht -
jetzt im Augenblick, und zwar deshalb, weil ja kein ganz klares Bild da ist, zu dem man
die Menschen führen kann, man kann ihnen ja nicht einfach zeigen, seht, was Ihr auf¬
gabt und was Ihr gewonnen habt, wendet euch also zurück, weil es ganz sicher nicht die
Absicht der Geschichte ist, sich diesesmal zurückzuwenden. So gehört eigentlich unsere
Sympathie ganz den kleinen und ehrlichen Gruppen von Menschen, die allenthalben
im Lande in der Stille arbeiten und ehrlich versuchen, es richtig zu machen - es sind
auch die, die sich am wenigsten in Streitgespräche und Zänkereien verwickeln, und sie
repräsentieren so recht das ideale Bild des schaffenden Menschen, dessen einziger Aus¬
weis sein sollte, ob die Dinge, die er arbeitete, gelangen. Sie sind auch die Menschen,
denen man etwas Größeres in die Hand geben darf, und wir meinen, in diesen Schulen
wüchsen erst die Menschen heran, die durch ihr verführendes Beispiel einmal die wirk¬
lich neue und wirklich bessere Ordnung schüfen. Vielleicht ist es in dieser Atmosfäre
des Mißlingens, der leeren Proklamationen, der dilettantischen Rettungsentwürfe, in
dieser Atmosfäre auch des perversen Wütens gegen das Leben in jeder seiner mannig¬
fachen lieben Gestalten heut das wichtigste, das allein wichtige, daß irgendwo etwas
nun endlich gelingt, sei es auch ein noch so kleines und unscheinbares etwas. Ein einzi¬
ger Mensch, der wohl geboren und wohlgebildet heranwächst, ein einziges Haus, das
gut gerichtet und richtig geführt ist, ein einziges Kunstwerk, das wahrhafte Größe hat,
das mag wichtiger sein als eine ganze Welt voll Geschrei.
Es ist chinesische Weisheit, man solle erst sein Haus, dann sein Dorf und so fort,
schließlich den Staat in Ordnung bringen, und so liegt es uns nicht. Wir verlangen die
großen Taten. Aber vielen, die sie aus ganzem Herzen ersehnen, sind die Gelegenheiten
dazu vorenthalten. Man kann ihnen sagen, daß in einem bestimmten Sinne nichts daran
liege, ob eine Tat groß sei oder nicht, wenn sie nur recht ist, denn das setzt je schon ein
Großes voraus, nämlich daß das Herz sich bekehrt und in seinem innersten Winkel nun
recht wird. Irgendwie liegt den kleinen und den ganz rechten Dingen, die aus der rech¬
ten Gesinnung geschehen, eine große Kraft inne, vielleicht, daß sie von unbezweifelter
Demut sein müssen und in ihrer Winzigkeit nichts verheimlichen von dem gewaltigen
Abstand, der sie von größeren Dingen trennt, die nur etwas taugen, wenn sie reine
Gnade sind, und die sonst bombastisch und dumm werden. Der Demutcharakter dieser
Bescheidung auf das, was möglich und erreichbar ist - möglich, einem Herzen, das sich
endlich aufgibt -, macht sie dann wohl auch so wichtig für den Schaffenden selbst, des-

202
Mm

203
sen Werk ja durch nichts so sehr in Gefahr kommt als durch die Überheblichkeit. Die
Dinge werden durch unsere Hand, mit uns, aber nicht von uns. Im gleichen Augen¬
blick, wo der Schaffende sagt, ich habe dieses bewirkt, und er meint mit »ich« wirklich
und wörtlich sich selbst, nur sich, sich als principium, im gleichen Augenblick verdorrt
ihm sein Werk, da er dann nicht mehr aufsteht - oder er steht noch offen, aber bedenk¬
lichen Mächten. Vielleicht kann ihn dann nichts anderes retten, als daß ihm auch nicht
gestattet ist, das zu tun, was in solchem Zustand noch allenfalls getan werden kann,
etwas zu machen statt etwas zu schaffen. Solange ihm auch das nicht gelingt, das Ge¬
machte, wo früher das Werk und die Tat war, solange darf man noch hoffen, er komme
zu sich, das heißt, zu seinem wahren, seinem gehorsamen Ich. Ganz gedemütigt und
ganz geheilt mag er glücklich ein ganz kleines Werkchen dann aufnehmen, es mag ihm
ein Zeichen sein, daß nicht alles vorbei ist, wenn ihm vielleicht auch niemals mehr
etwas Größeres anvertraut wird. Selig ist noch der Zustand dieses gedemütigten
Großen, der einmal wirkliche Werke vollbrachte, sich dann überhob und dem sie dann
genommen wurden, der aber jetzt alles das einsieht, weiß, warum er klein wurde, und
wartet, ob nicht vielleicht etwas wieder zurückkommt. Er ist zu vergleichen mit den
seligen unseligen Büßern der älteren Zeit, die wußten, warum ihnen das Hohe nicht
mehr zukam, die vielleicht alles Recht darauf wirklich verwirkt hatten, aber das eben als
gerecht erkannten und die sicher ihren Anteil am Erbarmen erhielten, wenn auch nicht
jetzt mehr. Für sie war immer noch eine Fülle von Gnaden da, denn sie erkannten ihren
Zustand als Buße. Sie machten sich und andern nichts vor.
Das Vorwacheir ist erst das Ende alles Schaffens, die absolute Verderbnis, die Finsternis
selbst, das Unwerk, die Schande. Hier ist die letzte Scheidung vollzogen, die Scheidung
der Werke vor dem Herrn und vor seinem Gericht, das ist die Geschichte, und wir set¬
zen diese Scheidung füglich an den Anfang von allem, was noch zu sagen sein wird. Es
ist die letzte und damit die erste Unterscheidung für alles, was mit dem Tun und dem
Werk zusammenhängt. Die Unterscheidung von Tun und Machen, von Werk und
Mache. Nicht, als ob man das nicht schon wüßte. Es ist ja bekannt, aber gewissermaßen
nur privatim bemerkt. Das weiß ja jeder, daß es wertlose Machwerke gibt, vielleicht
mehr als solche von Echtheitswert. Aber man hat noch niemals ganz mit dem Erstaunen
einer unschuldigen Seele, eines herbeigekommenen Engels die furchtbare Tatsache
gesehen, nicht daß es Werke gibt, das versteht sich aus der Natur der Menschen, son¬
dern daß es auch möglich ist, Unwerke zu machen. Daß man Dinge vollbringen kann,
die nicht bewirkt sind, keine Werke und nicht wirklich sind, daß es solche Dinge gibt,
die da sind und doch gleichsam nicht da sind, die da sind und doch nicht gelten. Daß es
möglich ist, die Erde ganz anzufüllen mit Dingen, die nicht sind. Mit Dingen, die halb
sind, mit Dingen, die nicht das sind, was sie andererseits doch sind. Wäre einfach nichts
da, wo diese doch da sind, dann wäre es auch noch zu verstehen, die Natur füllte diese
Lücke dann aus. Aber das ist eine Lücke, die kann man nicht füllen, denn sie beruft sich
auf das Naturgesetz, daß dort, wo ein Körper ist, kein anderer sein kann. Das Gesetz
hat die Lücke für sich, es kann dort nichts anderes sein als ein Loch, ein schreckliches
Nichts, wo weder Natur noch Werk mehr wachsen kann.
Die Menschen werden nicht müde, die wirklichen Werke zu preisen, zu betrachten, zu
beschreiben, die Werke der Geschichte, der Kunst, der Technik, der Religion, und so ist
es auch recht. Aber sie vergessen darüber, daß es daneben auch anderes gibt, und sie
verfälschen die Wirklichkeit vollends. Sie idealisieren, aus guter Meinung natürlich, da
sie die Schande der Menschheit nicht sehen mögen. Aber es ist die Meinung dieser
unserer durchaus bescheiden gemeinten Untersuchung, nicht erstaunliche und nie
bemerkte Dinge zu verkünden, tiefgründige Theorien zu konstruieren, sondern den
Schaffenden einmal ganz schlicht zu sagen »seht, so ist es in der Welt nun wirklich,
damit habt ihr zu rechnen, das Leben ist so, man hat euch das niemals gesagt, daß die
ganz und gar offenbare, die alleralltäglichste Welt, Euer ganz alltäglicher Stoff und
Euere ganz alltägliche Arbeit gar nicht so sind, wie die Gelehrten das sagen, die Gelehr¬
ten sind gute Idealisten, die man nicht stören darf, aber sie machen die Augen nicht
auf, und ihr müßt das für euch tun, wenn eure Arbeit nicht schlecht werden soll. Inner¬
liche, idealistische harmonische Menschen sind die Gelehrten, und sie erziehen auch
guten Nachwuchs, gutmütigen und befangenen, der die Welt mit der Theorie verwech¬
selt, die man von ihr macht. Aber die Theorie, seht das ist die gesäuberte, die nach
Prinzipien geordnete Welt, und gerade die werdet ihr nicht finden, es ist alles ganz
anders.«
\\rir wollen das nur in der Form einer Reihe von Hinweisen tun, denn uns fehlen die
\ oraussetzungen, es in einer schönen und zusammenhängenden Lehre zu gehen. Viel¬
leicht kann das niemand schon jetzt, denn so etwas muß fortgesetzt werden, und man
muß seine Erfahrungen austauschen. Eine unübersehbare, wenn auch schlechte Litera¬
tur gibt es über die Werke, aber nichts ist da über die Unwerke, über all das, was nun
nicht gelang und was jetzt die Welt versperrt, was ihr seinen Stempel aufdrückt, was sie
so heimlos-unheimlich, so unwirklich macht. Den Schaffenden möchten wir vor Augen
stellen, was wird, wenn sie in all das blind, geschult von harmlosen Liberalen mit ihren
naiven Gleichgewichtsvorstellungen, von Naturwissenschaftlern, die so gut sind, daß sie
für die alltägliche, die oberflächliche Natur keine Ausdrücke haben oder diese wohl
haben, sie in ihre Formeln hineingenommen haben, aber sich niemals klarmachten, ihre
eigenen Ausdrücke niemals bei Lichte besahen. Es wird nämlich nichts gutes, wenn ein
derart verbildeter Mensch an sein Werk geht. Daß man ihn zum Idealisten verbildet
hat, das nützt dabei gar nichts. Keiner, der je es mit den Menschen ehrlich gemeint hat,
hat sie zu Idealisten erzogen. Furchtbares geschieht, wenn ein Innerlicher, ein Harmo¬
nischer, ein I heoretiker die Welt in die Hand bekommt, eine grauenhafte Zerstörung
beginnt. Er richtet die Welt an seiner Lehre, und siehe sie ist falsch - nicht die Lehre,
sondern die Welt. Er projiziert seine Innerlichkeit auf die Welt und die Menschen: sie
müssen zurechtgeschnitten werden, bis sie ins Schema passen. Es läßt ihm keine Ruhe,
daß die Welt nicht viereckig ist, und er mordet und raubt, verbrennt und enteignet, er
macht sich und den andern etwas vor, bis es so aussieht, als habe sie nunmehr vier
Ecken. Die furchtbaren Despoten, deren Namen verflucht sind von der Menschheit,
das waren manchesmal satanische Bestien, aber zumeist waren es Idealisten, Idealisten
theologischer Systeme, Idealisten wirtschaftlicher Lehren, Idealisten nationaler Ideen,
und wenn je einmal die Menschen ihre eigene Welt zerstören sollten, dann werden sie
sich hierzu eines wissenschaftlich gebildeten Idealisten bedienen. Es gibt keine schlim¬
mere Sünde gegen den Geist als die Sünde, die Dinge und die Menschen nicht erken¬
nen zu wollen. Wie soll man da helfen können! So wie es gewisse Theologien gibt,
denen das Böse eine Privatio boni, ein lediglicher Mangel, bedeutet, so rechnet unsere
Werkphilosophie und auch unsere Geschichte nicht ernstlich damit, daß das Werk mi߬
lingen und dann als ein verdorbenes da sein kann. Jener theologischen Meinung von
der Natur des Bösen würde es etwa entsprechen, wenn man verträte, daß dieses und
jenes Werk nicht erreichten, was zu erwarten gewesen wäre, daß sie in gewissem Sinne
versagten, daß sie aber doch noch zum einen oder anderen gut seien.
Von einer Metafysik ohne den Menschen aus gesehen, mag das stimmen. Selbst wenn
ein Ding gar nichts anderes kann, als den Raum füllen, dann mag das für diese immer
noch als etwas Gutes erscheinen. Man kann in diesem Sinne sagen, es sei besser, daß
überhaupt etwas sei »und nicht lieber nichts«. Das bleibt auch noch den mißratensten
Dingen übrig, daß es nicht nichts ist. Eine geheimnisvolle Verpflichtung weist den
Menschen ja noch sogar an, all diesem Falsch-Geborenen, all diesem sichtbaren Elend,
all dieser erbärmlichen Kreatur noch zu dienen und mit ihr zu leiden, und nicht einmal
die offenbare Tatsache, daß es besser wäre, dieses sei nicht geboren, befreit von dieser
Verpflichtung zum demütigen Dienst. Die Gründe für dieses Verhalten liegen aber
ganz im Religiösen und außerdem dort, wo die Meinung der Theoretiker, daß die Welt
eine glatte Ordnung sei oder je eine würde, ganz offenbar falsch ist. Es gibt das nicht,
die vollendete Ordnung, und gäbe es sie, dann wäre sie zugleich das Ende, sondern es
gibt nur manchmal das Gute, eingehüllt in niedrige und beschämende Hüllen, verstreut
über einen Wust des Verwirrten, und selbst dann noch mehr eine Verheißung, eine
Ankündigung, ein Gleichnis als eine Vollendung. Diese Pflicht entspringt einer unvor¬
eingenommenen Einsicht in die Natur der Schöpfung, wie sie nun einmal ist und wie
sie bleibt. Es ist dies der äußerste Gegensatz zu diesen armen Ordnungsfanatikern, die¬
sen Weltverbesserern, deren Besserungsarbeit sich gegen die Wurzel und Art dieser
Welt selber boshaft wenden möchte. Es muß alles hingenommen werden, was da ist, das
bedeutet ja nicht, daß dieses alles recht ist, sondern es sagt, daß eben in der Natur der
Welt gegeben ist, daß vieles mißrät und einiges recht wird, und daß man, will man über¬
haupt mit der richtigen Gesinnung und mit einiger Hoffnung arbeiten, sich dazu
bekennen muß, daß es so ist, so ist nun einmal das Leben. Diese wahrhaft hohe und
große Überzeugung und Einsicht, auf der ja auch diese bescheidene Untersuchung sich
aufbaut, verkehrt sich aber sogleich ganz und gar in ein schlimmes Gegenteil, wenn
man der Welt dient, weil und indem sie verkehrt ist, diese widerliche und böse Hyper-
trofie des Mitleids, die zu einer Bevorrechtung des Kranken vor dem Gesunden, des
Ungebildeten vor dem Gebildeten, des Ordinären vor dem Edlen führt, die dem Ver¬
kommenen sein Brot in Fülle gibt, »aus Mitleid«, und den Edlen darüber verkommen
läßt, dem Lmtauglichen die Arbeit gibt und den Tauglichen zur Ruhe setzt, weil er ja
ohnehin taugt. Eine ekelhaft und wüste Verderbnis, die sich immer wieder als ein trau¬
riger Schatten des Christentums und der Demokratie einstellt. Es ist gut, daß etwas ist
und nicht nichts. Das ist ganz gut. Aber noch besser und unvergleichlich erwünschter
wäre, daß das, was nun da ist, auch gut wäre und wenn zwei Dinge um einen Platz
kämpfen, wo nur eines davon sein kann, da hat das schlechtere zu verschwinden. Der
perverse Hang mitleidiger Menschen zum Verdorbenen, weil es so rührend aussieht
(das heißt, man meint das so, es sähe so aus) hat sicher auch mit der christlichen Mei¬
nung nicht das Geringste zu tun, und wir erwarten hier eine deutliche und unmißver¬
ständliche Umkehr der Politiker und der Frommen. Es ist ihre Sache, sich zu dem zu
bekennen, was groß ist, was stark ist, was schön ist und wohlgeraten, wohlgewachsen
und edel. Und wir erwarten von ihnen die deutliche Aussage an alle muffigen Gefühl-
chen des Mitleids mit dem Erbärmlichen, insofern es erbärmlich ist und nichts als
erbärmlich.

Vom Widerstand gegen die Gewalt


[Um 1927)3

Es ist nicht meine Sache, hier eine Rede zu halten.


Einmal aus persönlichen Gründen: Mein Beruf ist nicht die Redekunst. Dann aber auch
aus sachlichen. Diese Dinge sind in Fluss. Die Probleme formen sich eben erst; wenig
ist bisher darüber gesagt, und dieses Wenige hält nicht Stand. Es ist darum heute nicht
möglich, Endgültiges hierüber zu sagen, und da verstösst es gegen die Vornehmheit, für
Dinge, die unfertig sind, Lösungen diktieren zu wollen. Was ich also geben kann, sind
Beiträge zu einer offenen Frage.
Ich werde sprechen vom Widerstand gegen die Gewalt; also von einem Doppelten: Von
einem neuen Ereignis, das Gewalt heisst, und von einem geistigen Widerstand, der ihm
zu leisten ist.

In der grossen Werkwoche 19244 sprach Romano Guardini von einer heraufkommen¬
den Welt der Technik. Er zeigte zuerst, wie eine alte gewachsene Kultur im Zerbrechen
ist. Als Kennzeichen dieser nannte er das Bodenständige, Bau und Bildung, Wuchs und
Anmut. Als Kennzeichen des kommenden Neuen: das Kalte, das Verstandesmässige, das
restlos Bewusste, das Mechanisierte.
Er stellte dann die Frage, was nun zu tun sei, und seine Antwort lautete, das Letzte, was
wir zu sagen hätten, sei ein Ja zu dieser Welt; dieses Ja dürfe aber nicht aus der Über¬
zeugung kommen, es habe keinen Zweck, sich zu sträuben und zu widersetzen, weil das
Neue sich eben doch durchsetzen werde, sondern aus der Überzeugung, dass diese
Welt die unsere sei.
Seitdem sind drei Jahre vergangen. Wir stellen die Frage: Was ist inzwischen gewor¬
3 Mitschrift eines in Rothenfels gehaltenen den? Lind können wir das Ja, das damals gesprochen wurde, aufrechterhalten?
Vortrags, nach dem Stenogramm überarbei¬
Da müssen wir sagen: Unsere Zusage hat eine Einschränkung gefunden. Gerade die
tet. In: Manfred Sundermann, Claudia Lang,
Maria Schwarz. Rudolf Schwarz. Schriftenreihe letzte Zeit war eine Zeit der Enthüllung. Hüllen sind gefallen, die Mächte, die werden
der Akademie der Architektenkammer Nord¬ wollen, beginnen unverhüllt und bloss dazustehen. Und mit den Dekorationen fielen
rhein-Westfalen und der Deutschen Unesco-Kom-
dann auch die guten und angenehmen Theorien. Im Mass aber, wie das Neue sichtbar
mission 17. Bonn 1981. S. 99fr
4 Die Werkwoche fand vom 19. bis 29. August wird, wird auch seine Bedenklichkeit deutlich, und im gleichen Mass formt sich der
auf Burg Rothenfels am Main statt. Widerstand.
Zur Sache selbst:
Es handelt sich um das Problem der Entseelung.
Seele, das war der Sinn mittelalterlicher Kultur.
Ihr grosses Symbol war der Dom. In ihm schul sich die Epoche ihren gemässen Aus¬
druck: Die Seele baute sich den Dom, und er wurde ihr Bild. Diese Seele ist etwas I Ier-
bes, Starkes, Eief-Innerliches, Mystisch-Versenktes, etwas so Starkes, dass es kaum zu
ertragen ist, wenn das Wort heute zum Programm von allerhand fragwürdigen Versu¬
chen und Heimtümeleien gemacht wird. Die mittelalterliche Seele ist stolz, streng, vor¬
nehm, ist gross und stark und eng mit dem Gottesbild verbunden.
Unsere heutige Zeit baut keine Dome mehr. Die mittelalterliche Seele ist untergegan¬
gen, und die Zeit wird entseelt. In den germanischen Ländern insbesondere, in den
Industriegebieten, ist ein anderes Bild anstelle der Seele getreten: Das Bild der Maschine.
Sie ist nicht etwa das einzige Sinnbild der Zeit, aber doch ihr stärkstes und überzeu¬
gendstes. Sie ist es vor allem dadurch, dass sie »von selbst« wächst. Und sie ist es durch
ihre Grösse. Maschine, Fabrik, Grosstadt sind keine zufälligen Dinge, sind nicht etwas,
was man tun oder auch lassen kann. Sie sind vielmehr das echte und notwendige Bild der
Zeit. In ihm stellt sie sich ebensosehr dar wie das Mittelalter in seinen Domen.
Nebenbei gesagt: Die Notwendigkeit der Maschine ist keine physische, sondern eine
geistige, kein Zwang des physikalischen, sondern des geistigen Müssens echter Schöp-
fung.
Mit der Maschine nun entsteht zugleich die neue Problematik. Um ihr gerecht zu wer¬
den, dürfen wir aus dem Ding Maschine keine Abstraktion machen, müssen es als
Ganzes nehmen, so wie wir den Dom nehmen, allgemeinste Formgesetze suchen und
diese kritisieren.

Ein solches Formgesetz ist sicherlich:


Alles Technische kann mehrfach gemacht werden, kann wiederholt und ersetzt werden.
Das Gesetz der Serie.
Was das bedeutet, erkennen wir am Gegenbild des Organischen. Organismus, das ist
Same und Frucht. Der Same wird in den Boden gelegt, keimt, wächst, blüht, trägt seine
Frucht und stirbt. Organisch sein heisst im dunkeln Boden verwurzelt sein, ineinander-
leben und gewachsen sein. Organisch ist das Bild des demokratischen Staates mit seinen
Stufen, Schichtungen und Hierarchien. Organisch denkt man sich das Leben der
Gnade, die eingesenkt wird, sich entfaltet, ihre Frucht trägt und sich dann wieder zum
Tode senkt.
Dies Bild des Organischen widerspricht dem, was Serie heisst. Die neuen Dinge leben
nicht mehr ineinander, sondern nebeneinander, und sie leben von ihrer Wurzel
abgeschnitten. Eines gilt so viel wie das andere, eines wird neben das andere ins Helle
gestellt. Das ist aber nicht nur das alte Recht der Demokratie, sondern ein neues Recht,
das ehrlos ist. Dinge, die untereinander gleich sind, können nicht wachsen, sondern sich
nur vervielfachen. Sie sind unschöpferisch und darum ohne Freiheit und Ehre.
Es kommt eine Zeit, wo Freiheit nicht mehr sein wird und wo es möglich sein wird, ohne die
alten Begriffe der Ehre und Würde zu leben.
Ein anderes Formgesetz:
Die neuen Dinge sind abstrakte Dinge.
Sie haben ein anderes Formgesetz als die alten, die immer irgendwie Spiel waren. Spiel
gehört zu einer ganz bestimmten Lebensform, die nahe bei Baum und Tier ist, eine
Lebensform der Melodien und der Grazie. Zu dieser Form gehört die Güte und Liebe,
die Hingabe und das Mitleid. Die neue Form will die gradlinige Bewegung, Takt und
Rotation.
Ein drittes Formgesetz möchte ich wenigstens andeuten.
Es ist das, was man mit »Wucht« bezeichnen könnte; etwas Elementares, Anonymes,
Übermenschliches und Gewaltiges. Die Häuserzeilen neuer Grosstädte, der dahinfah¬
rende Schnellzug sprechen von dieser ganz neuen Qualität.
Dreierlei sehen wir also:
Die Serie mit ihrer Vervielfältigung und Wiederholung löst das Gewachsene auf, und
das heisst, sie macht Unmittelbarkeit, Wachsen aus freier Gnade, Freiheit und Ehre
unmöglich.
Die Tendenz der Zeit ist abstrakt zu werden, und das heisst wiederum, Grazie, Anmut,
Spiel, Liebe, Demut unmöglich zu machen.
Ein neues Formideal der Wucht ist Ausdruck einer anonymen Gewalt, eines »ES«
anstelle der alten, von Persönlichkeiten getragenen Kraft, Ehre, Wahrhaftigkeit.
Das alles hängt tief innerlich zusammen: Von einem einzigen zentralen Punkt, von
einem einzigen Prinzip geht letztlich alles aus. Diese Welt steht nun da; diese Tenden¬
zen sind in ihr gegeben; dieses alles will werden. Dabei ist das Neue ein Ganzes, von
dem man nicht das eine oder andere ausnehmen kann. Wir sehen es mit unbeirrbarer
Selbstverständlichkeit kommen. Liier gibt es keine LTsicherheit, kein »Experiment«.
Und seine Grösse lässt sich nicht leugnen.

Sollen wir nun zu diesem Neuen, nachdem wir es recht sahen, wirklich und wahrhaftig
Ja sagen? Und können wir die Folgen tragen von einer Bejahung, die ohne Ausnahme
sein muss und das Ganze meint?
Wir fragen zuerst, was geht denn eigentlich hier vor? Es kann doch nicht so sein, dass
dieses Neue aus dem Nichts entstanden wäre. Es müssen doch Kräfte und Anlagen dazu
dagewesen sein, und diese müssen sich nennen lassen. Wenn wir sie einmal sehen, lässt
sich dann viel leichter bejahen oder verneinen.
Wenn ich recht verstehe, so ist der neue Vorgang der, dass eine grosse Welt in uns und
um uns erwachte, die bis heute geruht hatte: Das Reich der toten Natur. Es war immer
da, aber es war ein unbekanntes Land. Seit dem Beginn der Neuzeit, vielleicht erst seit
dem siebzehnten Jahrhundert ist etwas in uns erwacht, was über die Welt der Pflanzen
und Tiere hinausgreift in die der Atome und Gestirne. Das plötzliche Aufbrechen der
Naturwissenschaft wird doch wohl bedeuten, dass irgend etwas in uns hell geworden ist.
Ein plötzliches Sehendwerden. Diese Welt der Wiederkehr, der abstrakten Form, der
Wucht, ist die Welt der toten Natur um uns und auch in uns. Und wir sind hineinge¬
drungen in diese Welt, über die wir bisher unwissend hinweggeschritten waren.
Was aber ist tote Natur?
Sicher nichts Rationales. Das Wort von der Rationalisierung ist eines der dümmsten
Schlagworte unserer Zeit. Diese Natur ist etwas ganz anderes. Blaise Pascal, der einzige
moderne Mensch vielleicht, der zugleich gläubiger Christ war und wirklicher Natur¬
wissender, sagt einmal: Mir graut vor dem tiefen Schweigen des Weltalls. Diese Natur ist
nichts, das uns anredet, in dem man wohnen kann. Pascal fühlt ihre Grösse und Schön¬
heit, aber es ist eine kalte Grösse und Schönheit.
Unsere Vorfahren erlebten eine feindliche organische Natur. Sie mussten Urwälder
roden und wilde Tiere erschlagen, und ihre eigenen Leidenschaften waren, wie man
sagen könnte, tierische. Was heute in uns losbricht, ist der Kampf mit der toten Natur
ausser uns und in uns. Es ist kein Kampf zwischen Leidenschaften; nicht um Gut und
Böse geht es. Sondern gegen das Eiskalte, das Elerzlose, das Rechenhafte, und neue
Dämonen sind in uns wachgeworden: merkwürdige Gestalten anonymer Brutalität.
Sehen wir etwa auf das Politische. Wir finden eine kalte rechenhafte Politik der Gewalt
zwischen drei oder vier riesenhaften anonymen Mächten. Ähnlich im Wirtschaftlichen,
mitunter selbst im Religiösen. Es geht nicht mehr um Wahrheit und Ehre und Recht,
sondern um das Aufeinanderprallen brutaler kalter »Es-Gewalten«. Darum dieses Auf¬
lösen alles Gewachsenen und Zusammenhängenden, dieses Zerreissen und Zerlegen,
dieses Einschieben von Kontrollinstanzen in die Fragen des Organismus, Kontroll-
mechanismen, deren Ziel ist, die Menschen zu gleichartigen Individuen zu machen und
sie zu überwachen, dieses Misstrauen gegen echte Demokratie, oder gegen das Walten
des heiligen Geistes. Das ist ein Kampf, wie ihn die Elemente der toten Natur mitein¬
ander fuhren.
Was uns all diesen gegenüber überkommt, ist keine freudige Bejahung. Wer wirklich
diese tote, kalte, mechanistische Welt sieht, der wird an ihr nicht froh werden; er wird
mit Pascal sagen: Mir graut vor dieser Welt. Es sind rohe Gewalten, die heraufkommen,
und es scheint fast, als hätten wir bisher in einem Paradiesgarten gelebt und plötzlich
schliesse sich eine neue harte Welt auf.
Was aber soll nun werden?
Ein grosser Versuch, Abhilfe zu schaffen, geht von dem alten Bild der Seele aus. Er will
die heraufkommende Welt »beseelen«. Es ist kein Wunder, dass es besonders die
Katholiken sind, bei denen ja das alte Bild der Seele noch am lebendigsten ist, die den
Versuch tragen. In ihrer Gewerkschaftsbewegung etwa, hei den Frauen und oft auch bei
der Jugend. Ich sage nicht, dass der Hinweis auf die Seele sinnlos sei; er wird wohl sei¬
nen Sinn haben. Mir scheint aber, dass die wirkliche Seele etwas sehr grosses und star¬
kes war und dass wir sie nur in äusserster Vorsicht nennen dürfen. Das Bild der Seele,
das wir heute in diesen Versuchen sehen, ist das Ergebnis furchtbarer Verkleinerung
und Verbürgerlichung. Wer die Seele heute wirklich nennt, muss die Kraft in sich
haben, Dome zu bauen. Muss die Kraft haben, ein Leben zu führen wie die Mönche des
Mittelalters, und übrigens eine glaubwürdige und vernünftige Kraft.
Ein zweiter Versuch geht durch die Zeit: Der Versuch eines neuen Humanismus. Ein
Zurückgehen auf das Bild des edlen lind guten Menschen. Dieser Versuch will die brutalen
Kräfte in Fesseln legen, er stellt das Bild des edlen Menschen ihnen entgegen. Dabei
geht er sehr weit, selbst bis in die technische Produktion, bis ins Wissenschaftliche hin¬
ein; bis in die Weise hinein, wie Städte gebaut werden. Er versucht ebenso, das
Gebrauchsgerät kunstgewerblich zu verzieren, wie er versucht, ganze Städte fassaden-
haft zu bauen; wie er volksbildnerisch versucht, den Arbeiter mit einer humanen, bür¬
gerlichen Schicht zu überziehen. Zu befürchten ist aber, dass man ihm Ähnliches sagen
muss wie das, was für die »Beseelung« gilt: Dass er eine wirkliche Auseinandersetzung
mit den neuen Dingen vermeidet. Mit einer Dekoration ist nichts geschehen. Damit ist
das Neue unterdrückt, überkleidet, aber nicht bewältigt. Unter der Oberfläche, die
unter verborgenen Eruptionen zittert, wollen die neuen Formen dennoch hervorbre¬
chen. Und von Tag zu Tag glaubt man weniger an Ornament und Verzierung.
So mag es sein, dass diese Versuche ihre Mission haben; ich rede nicht gegen sie. Ich
bezweifle nur, dass es ihnen gelingt, sich wirklich mit dem Kommenden auseinanderzu¬
setzen.

So bleibt denn schliesslich eine grosse Angst vor den kommenden Dingen. Es ist eine
Zeit, wo alle Massnahmen hoffnungslos, alle Worte dünn werden; wo es ist, als seien
wir machtlos geworden gegen das Kommende. Und wer sich dennoch zum Schutz von
Ehre und Freiheit, von Wahrheit und Kraft, von Güte und Anmut aufmacht, wird hin¬
weggefegt.
Wo mir ein Ansatz zur wirklichen Lösung der Frage zu stecken scheint, möchte ich
wenigstens noch andeuten.
Es gibt ein Ding, das man Geist nennt. Gewiss, ich weiss, dass heute jeder kleine Literat
davon spricht; aber es gibt ihn trotzdem. Es gibt nicht nur die brutale Gewalt, und es
gibt auch nicht nur die »Seele«, es gibt auch den »Geist«. Und mir scheint, dass gerade
dieses Geistige in einer ganz tiefen Korrespondenz zur Natur steht. LTter dem Ster¬
nenhimmel, in den grossen Wüsten, auf den Wasserflächen des Ozeans oder im Ange¬
sichte Gottes erwacht etwas ganz Allerletztes. Das, was Geist heisst. Lind gerade dies
steht in einer formalen Kongruenz zur Natur, und in ihm findet tote Natur ihren wür¬
digen Gegner. In dieser Auseinandersetzung des Obersten und LIntersten entstanden
Werke wie die Pyramide oder der gotische Dom, kalt, hart, rechnerisch und doch wohl
das Geistigste, was je geschaffen wurde. Im Angesichte Gottes gibt es wohl auch den
neuen Gewalten gegenüber ein letztes: »Fürchtet euch nicht.«
Das verlangt, dass wir frei werden; dass wir fähig sind, jeden Augenblick in der Zeit und
über der Zeit und jenseits der Zeit zu stehen. Das verlangt ein Bewusstsein, das auch
heute sprechen kann: Ich bin der Herr. Das verlangt, dass wir uns binden in einer unbe¬
dingten Freiheit.
n CL wen. Ritterstraße in Köln.

Brief an Ludwig Mies van der Rohe

Lövenich bei Köln, Kölner Straße 33.


21. Mai 1947.5

Lieber Herr Mies,


eben zu meinem fünfzigsten Geburtstag und zwar genau auf die Stunde, kam Ihr großes
Paket an, und es war mir eine große Freude und Überraschung. Es geht uns ja nicht
besonders gut, wir haben kaum das Nötigste und manchmal auch das nicht, und der
Winter war schwer. Viele Dinge, die in anderen Ländern unbeachtete Kleinigkeiten
sind, haben bei uns den Glanz seltener Kostbarkeiten angenommen, und man hat bei¬
nahe vergessen, daß es sie gibt. So freut es, einmal allerlei Dinge dieser Art zusammen
zu sehn und auch dem einen oder andern lieben Menschen eine kleine Freude damit zu
machen. Vielleicht können Sie sich in der anderen Welt, darin Sie leben, das nicht recht
vorstellen, es ist ja auch alles so sinnlos, und was noch kommen mag, scheint noch viel
sinnloser zu sein.
Mehr aber als diese unerwartete Gabe hat mich gefreut, daß Sie sich überhaupt noch
meiner entsinnen und daß Sie nach so langer Zeit an mich denken. Ich hatte es immer
als eine unterlassene Pflicht empfunden, daß ich Ihnen nicht einmal schrieb, aber es ist
so vieles geschehen, dessen wir Deutsche uns nicht rühmen können, und hat uns etwas
scheu gemacht, der Alltag ist auch so mühsam, daß man kaum mehr Zeit für die
Freunde findet - auch von den besten weiß man kaum mehr, ob sie leben und was sie so
treiben. Es ist, als sei jedes Ding mit Zentnerlasten behängen, das Selbstverständlichste
frißt unendliche Zeit, und was ein Architekt alles durchstehen muß, wenn er bauen will,
das kann man einem Einwohner glücklicherer Länder kaum klarmachen. Daß Sie nun
von sich aus dieses Schweigen brechen, tut mir wohl und nimmt mir einen Vorwurf von
der Seele.
Ich höre, es ginge Ihnen als Baumeister gut, Sie hätten große und schöne Aufgaben in
Chikago gefunden, und das freut mich sehr, denn wie man Sie bei uns behandelt hat,
das war ja wirklich armselig. Hoffentlich wird man recht bald etwas von Ihren Arbei¬
ten in deutschen Zeitschriften oder Büchern zu sehen bekommen (irgendwelche
ausländische Veröffentlichungen dürfen ja nicht zu uns eingeführt werden), daß man
5 Unveröffentlichtes Typoskript. sich daran freuen kann. Allerdings geht es uns mit dem Bauen ebenso wie mit dem

210
Essen und den Büchern, man kann eigentlich nur davon träumen und, falls man noch
ein Endchen Papier gerettet hat, sich ein Bildchen davon malen. Unsere Aufgabe
bleibt vorerst auf unabsehbare Zeit ein unendliches Flicken, obschon der Wiederauf¬
bau der Kriegsschäden an sich ein technisches Problem von mittlerem Umfang und
mittlerer Schwere wäre und in keiner Weise etwa vergleichbar mit den Aufgaben, wie
sie die Kriegswirtschaft stellte. Es ist nicht tunlich zu sagen, warum es zu keinem Auf¬
bau in einer unserem technischen Zeitalter entsprechenden Weise kommt und wir
unsere Städte mit den Hilfsmitteln der jüngeren Steinzeit unsagbar häßlich zusam¬
menflicken.
Vielleicht erwarten Sie so etwas wie einen Bericht darüber, was ich getan habe und tue,
in all den Jahren, die wir uns nicht mehr sprachen (so wie ich in irgendeiner Weise
hoffe, einmal von Ihnen zu lesen). Das ist nun so schnell nicht gesagt. Ich war mir in
den ersten Monaten des Krieges darüber klar, wie alles kommen mußte, und habe mich
darauf eingerichtet und mich auf das Kommende vorbereitet mit einem Eifer wie ein
Student auf das große Examen. Glückliche Zufälle brachten es mit sich, daß ich,
obschon man mich in Aachen ja wegen politischer Unzuverlässigkeit abgesägt hatte und
ich seitdem unter Bewachung der Gestapo stand, mit der Wiederaufbauplanung eines
sehr großen Gebietes, das die Maginotlinie, Lothringen, die Pfalz und das Saargebiet
umfaßte, als Landesplaner betraut wurde, wohl weil man unter den Gesinnungstreuen
niemand gefunden hatte, der so etwas konnte. Ich ging an diese Aufgabe unvorbereitet
heran, denn ich hatte nie etwas dieser Art gemacht, und fand, daß nicht nur ich, son¬
dern mindestens unser ganzes Volk auf diese Dinge nicht vorbereitet war. So mußte ich
in kurzer Zeit einen recht großen Fragenkreis durchdenken und in vorläufigen konkre¬
ten Lösungen darstellen. Ich mußte also zugleich ein dickes Buch6 darüber schreiben,
von dem ich zuerst nur die Fragestellung wußte, nämlich, wie sich ein Volk auf seiner
Erde einrichten solle, und über dessen Bearbeitung mir dann allmählich, ganz, ganz
langsam und in unendlicher Quälerei die Antworten auftauchten, die sehr weit von dem
Üblichen und Gedruckten abwichen. Ich mußte gleichzeitig meine vierhundert Dörfer
planen, dazu das lothringische Erzgebiet, das Saarkohlengebiet und den Großraum
Ludwigshafen und das alles in dem sicheren Wissen, daß die Arbeit an und für sich
sinnlos war, weil es zum Zusammenbruch der Politik kommen mußte, die sie voraus¬
setzte, und daß die Zeit eilte. Aber ich möchte diese Jahre nicht missen, ich habe noch
einmal studiert, diesmal aber an der Wirklichkeit, und ich wußte nachher Vieles, was
sonst niemand wußte. Ganz gegen Ende des Krieges entdeckte man noch meine
militärische Veranlagung, verkleidete mich als Pionier und schickte mich auf einen
durchaus harmonisch und weit vom Schuß verlaufenden Feldzug, der mir leider ein
Jahr Gefangenschaft eintrug, welches mich zur Lektüre der gesammelten Werke von
Göthe zwang, wobei ich erst gewahr wurde, was der alte Herr für einen Lüisinn zusam¬
mengeschrieben hat. Dann habe ich mich erst einige Monate erholt, und auf meinen
Ofen lauter kleine Töpfchen angesetzt, in denen jedem was drin war, das eine gute
Suppe geben sollte. Letzten Herbst fingen die alle auf einmal an zu kochen, und ich
konnte mit Rühren nicht beihalten, ein paar sind mir angebrannt. Aber immerhin habe
ich die Wiederaufbauplanung von Köln vor dem Anbrennen gerettet, sie ist interessant
und außerordentlich schwierig und wird mich noch eine ganze Weile sehr stark
beschäftigen. Falls nämlich nicht vorzeitig irgendein Krach ausbricht, was im demokra¬
tischen Deutschland leicht und häufig der Fall ist, und mich um diese Last erleichtert.
Ich höre, daß ich über diese Sache ein Bändchen7 verfassen soll, Sie werden also etwas
davon lesen können, wenn es Ihnen Spaß macht. In Frankfurt bauen wir die Paulskirche
wieder auf. Dort ist der große Krach bereits überstanden, denn eigentlich meinten die
Frankfurter, es sollte alles wieder so nett werden, wie es war, mit allerlei Emporen und
Zwischengeschossen und so, während wir uns in den ausgebrannten Raum verliebt hat¬
ten, der gegen die Absichten seines Erbauers zu einer römischen Größe gediehen war.
Ich will diesen Raum so lassen, wie er ist, und ihm nur unten eine niedrige Halle ein¬
bauen, aus der man dann in den 24 Meter hohen Saal kommt. Anscheinend tagt dort
demnächst der westdeutsche Reichstag, soweit ich etwas von Politik verstehe, denn in
6 RS. Von der Bebauung der Erde. Heidelberg
Frankfurt sammeln sich allerlei Ministerien. Aber das übersehe ich nicht.
*949-
Im Übrigen quäle ich mich gewaltig darum, daß mein begonnenes Buch endlich fertig 7 RS u.a. Das neue Köln - Ein Vorentwurf. Köln
wird und all die andere literarische Arbeit, ich muß im Lande herum Reden halten wie 195°.

211
ein Mormonenmissionar und hätte eigentlich eine Menge Kirchen zu bauen, die mir
unsagbar leid tun, denn das wären schöne und konkrete Aufgaben.
Eigentlich sagt man sich selbst, daß dieses Leben, wie man es führt, sinnlos ist, und Sie
mögen es auch meinen, denn es wäre doch besser, eine Sache gut und sauber durchzu-
führen, statt so viele nebeneinander hinzuquälen, aber ich fürchte, daß Sie auch das von
drüben nicht ganz recht verstehen können. Unsere Lage ist unvergleichbar. Wir stehen
am Rhein, genau gesagt in Köln und in Lrankfurt, in der letzten Rückzugslinie des
Abendlandes, dahinter gibt es keine mehr, und das Abendland hört hundert Kilometer
von uns entfernt auf. Man fühlt sich wie ein Soldat, der auf dem letzten Posten einge¬
setzt ist, der noch verteidigt werden kann, und fragt nicht mehr danach, ob er zu halten
ist. Es klingt so unecht, aber wir haben die Meinung, diese Stellung zu halten oder in
ihr zu fallen, denn ich fühle meine Existenz mit der des Abendlandes identisch, so alter¬
tümlich das alles sein mag. Wir müssen in kurzer Zeit aufbieten, was noch zusammen¬
zuraffen ist, noch einmal einen letzten Schimmer des alten untergehenden Lichtes über
die Welt (unsere Welt, die so klein wurde) leuchten lassen, damit die alten Völker noch
einmal sehen, wie sie gemeint sind und die Erinnerung mit in das nehmen, was ihnen
bevorsteht. Ich fürchte, Sie werden das alles kaum nachempfinden können und viel¬
leicht darüber lächeln - die Kontinente sind weit voneinander abgetrieben und hören
kaum mehr voneinander. So bin ich eigentlich schon wieder in der gleichen Lage wie in
Lothringen auch, die Zeit drängt, es müssen Pläne gefunden werden, die wohl nicht
mehr zur Durchführung kommen und doch sein müssen, damit eine spätere Zeit sich
ihrer erinnern kann. Sehr lustig ist das alles nicht, aber man vergaß das Nachdenken,
und lebt von einem Tag in den andern.
Seien Sie in herzlicher Dankbarkeit gegrüßt von Ihrem
Rudolf Schwarz
NB. Ich habe diesen Brief eigenhändig getippt, darum sieht er so schön aus.

Bildung des fachlichen Nachwuchses an einer Akademie


für den Neubau Deutschlands
[Um 1948]8

I.
Der Wiederaufbau der zerstörten deutschen Städte, die Wiederherstellung von vielen
Millionen deutscher Haushalte, das Wiedererwachen des gewerblichen Lebens werden
eine große Zahl von Lachkräften erfordern, die im Stande sind, aus eigener Verantwor¬
tung und eigenem Können ein anvertrautes Werk zu entwerfen und auszuführen: Bau¬
meister, Schreinermeister, Maler, Schmiede und viele andere. Darüber hinaus werden
Lachleute des Siedlungswesens gefordert werden, Bauzeichner, Städtebauer, Gärtner,
Kulturbautechniker und viele andere. Der Abbau großer Teile der deutschen Industrie
wird es nötig machen, das verbleibende Veredelungsgewerbe zu besonders hoher Lei¬
stung, nicht zuletzt auch in geschmacklicher Beziehung, zu bringen, denn es ist kein
Zweifel, daß die augenblickliche Konjunktur kunstgewerblich sein wollender Schund¬
ware sehr bald enden wird und sich am inländischen und ausländischen Markt nur das
Beste durchsetzen wird. Dieses anzufertigen braucht man tüchtige Peintäschner,
Drucker, Weber, Glasschleifer, Schneider, Gold- und Silberschmiede. Die Zerstörung
so vieler deutscher Haushalte durch Krieg und Vertreibung gibt die einmalige Möglich¬
keit, diese Haushalte mit vielleicht nicht zahlreichem und auch nicht teurem, aber in
Ausführung und Gestalt anständigem Hausrat auszustatten, und hierfür braucht man
Lachleute, welche die Modelle für Serienherstellung solchen Hausrats ausarbeiten, und
diese müssen handwerklich-technisch und geschmacklich sicher sein. Schließlich
braucht unser Volk die Ermutigung und Sinndeutung, wie sie vom hohen Bau, vom
großen Gemälde und Standbild herkommt, Ermutigung zu einem neuen, freien und
stolzen Leben - vielleicht braucht es diese in seiner Niedergeschlagenheit am meisten
und mehr als Obdach und Hausrat, und es braucht also auch die Menschen, die ihm die
8 Unveröffentlichtes Typoskript. hohen Vorbilder schaffen.

212
Diese zahlreichen Fachleute sind heute nicht mehr da. Die wenigen, die es vor 1933 auf
diesen Gebieten zur Meisterschaft gebracht hatten, sind zum großen Teil gefallen oder
in Mißachtung gealtert. Schulen für einen guten Nachwuchs sind kaum mehr da. Die
dafür geeigneten Menschen verloren sechs Jahre in Krieg und Gefangenschaft oder
sind in militärische oder Parteilaufbahnen oder in die Rüstungsindustrie verführt wor¬
den. Schon vor 1933 war unser Fachschulwesen unzulänglich, aber mitten in einer
Neubesinnung, und einige Anstalten hatten in Lehre und Werk einen hohen Stand.

2.

Damals befand sich das deutsche Fachschulwesen einschließlich der Kunstakademien in


Neuordnung. Man hatte Mängel an der überkommenen Organisation gefunden, die zu
Ausfällen der Leistung führten, und sann darauf, sie zu beheben. Manches, was damals
geschaffen wurde, blieb Versuch, der nicht völlig gelang und dadurch Stoff zu demago¬
gischen .Angriffen bot; aber man hatte doch den Mut zum Versuch, und heute, wo wir
die Fäden unserer völkischen Kontinuität an der Stelle wieder anknüpfen müssen, an
der sie abrissen, müssen wir auch das LTnzulängliche dieser Bewegung bis auf ihren ech¬
ten und trächtigen Kern durchschauen. Die Grundgedanken, welche die Bewegung tru¬
gen, lassen sich in drei Worten Werk, Dienst und Gemeinschaft zusammenfassen. Wir
nehmen diese drei Worte wieder auf.

3-
LTm die Jahrhundertwende waren die gewerblichen Schulen Lehrstätten für Muster¬
zeichner. In zahlreichen Zeichenklassen erlernten junge Leute, wie man Gegenstände,
die an sich und ohne ihr Zutun schon da waren, mit hinzugefügten Ornamenten verzie¬
ren konnte. Aber bald ergab sich, daß dies ein Irrweg war. Die so angefertigten Dinge
wirkten wie sinnlos behängen mit einem Schmuck, der gleichsam papieren war. Was
aber an diesen Dingen wesentlich war, ihr Dasein und Sosein, das entstand ohne Mit¬
wirkung des kunstgewerblichen Zeichners. Ein ordentliches Werkstück entsteht nur,
wenn begabte Menschen mit klugen Händen und klugem Kopf einer Aufgabe und
einem Werkstoff schöpferisch begegnen. Darum hörte man auf, das Verzieren zu leh¬
ren, und begann, das Gestalten zu üben, und setzte man an die Stelle der Zeichenklasse
die Lehrwerkstätte (was natürlich nicht hinderte, daß auch in dieser und neben dieser
das Zeichnen fleißig geübt wurde). Die Lehrwerkstätte war jetzt der Ort, wo der junge
Fachmann einer Aufgabe und einem Stoff unter Leitung eines begabten Meisters
begegnete. Diese Begegnung aber geschah so, daß er an der Arbeit seines Meisters teil¬
nehmen durfte, so Mitarbeiter eines vorbildlichen Vollzugs und allmählich selbst Mei¬
ster wurde. Damals wurden die Kunstschulen und Gewerbeschulen zu Werkschulen.

4*
Man hatte verstanden, daß auch das höchste Werk dienen will und daß es eine »voraus¬
setzungslose« Kunst nicht gibt. Auch der Tempel der Antike und der Dom des Mittel¬
alters wären überhaupt nicht entstanden, wäre nicht zuvor eine hohe Aufgabe da gewe¬
sen, der das Werk diente. Der Dienst an einer bestimmten Aufgabe erst begeistert die
Schaffenden: In der Aufgabe meldet sich der Geist, der sich einleiben will, und er bahnt
im Stoff die angemessene Methode und weckt ihm die ausdrückende Form. Erst einge¬
fügt in solchen Dienst entsteht echtes Werk. Das gilt natürlich noch viel mehr für die
Dinge des alltäglichen Gebrauches.
Diese Erkenntnis bedeutete das Ende der humanistischen Kunstakademie: Auch die
höchste Kunst will Dienst sein, höchster Dienst an höchstem Auftrag, den dieser
gegenwärtige geschichtliche Augenblick zu schenken vermag. Als die Medizeer in Flo¬
renz die erste Kunstakademie gründeten, stellten sie in die Mitte den Aktsaal: Der
Mensch an und für sich sollte begeisternde Mitte werden; aber diesen Menschen an und
für sich gibt es nicht. Die Kunst selbst hat das bald verstanden, Michel-Angele hat Bra-
mantes Irrtum widerrufen. Doch die Akademien krankten an dem humanistischen Irr¬
tum bis auf unsere Tage.
Die Erkenntnis, daß Werk erst aus Dienst an begeisternden Aufgaben kommt, machte
aus den jungen Werkschulen die Werkstätten, das Bauhaus oder wie man sie nun
nannte. Die Schule als ganzes war eine einzige große Werkstätte, die sich in den Dienst
einer großen Aufgabe stellte. Wie der Lehrling der Dombauhütte am ersten Tag und
mit dem ersten Meißelschlag in den Vorgang eines großen Werkes an seiner Stelle ein¬
trat, so sollte auch der Schüler der neuen Werkhütte sogleich in einem großen Werk
Dienst nehmen.

5-
Man mag darüber streiten, welches dieses eine und eben jetzt gebotene Werk ist, aber
es wird sicher kein privates, sondern ein öffentliches, ein Anliegen des ganzen Volkes
sein müssen, und zwar des Volkes in einer bestimmten geschichtlichen Lage und
bodenständig in einer bestimmten Landschaft. Das aber bedeutet das Ende eines
nebeneinander bestehenden Vieierleis von Fachlehren und Fachschulen, deren jede
einem zufälligen und privat geforderten Inhalt dient. Alle diese Fächer und Schulen
sind jetzt Glieder eines gemeinsamen Werkorganismus, jedes dient an seiner Stelle dem
großen Ganzen, hat in seiner Weise das Ganze zu besorgen und bleibt ins Ganze ver¬
pflichtet. Die große öffentliche Aufgabe wird in einer Gemeinschaft Schaffender bear¬
beitet. Werkgemeinschaft ist nicht Addierung einzelner Bemühungen, sondern deren
Multiplikation, Uberhebung in die ganz andere und höhere Seinsweise des Gemein¬
samen.

6.
Solche Erkenntnisse, gewonnen in lebendiger Erfahrung, konnten die Hoffnung
wecken, es werde aus ihnen eine neue Blüte von Lehre und Werk kommen, aber die
hoffnungsvolle Bewegung wurde 1933 abgebrochen. Was folgte, war die Vernichtung
gerade der besten und fortgeschrittensten Werkschulen, die Umformung anderer in
reine Meister-Schulen, die auf die Lehre eines Handwerks eingeengt waren, entgegen
der pädagogischen Erfahrung, daß man auch einen echten Fachmann nur bilden kann,
wenn man ihm aus der Enge des Fachs den ständigen Einblick auf das Hohe und Ganze
auftut. Für die meisten muß es bei dem demütigen Ausblick über die Grenzen des
bescheidenen eigenen Talents bleiben, für die wenigen Berufenen aber sollte sich der
Aufstieg dorthin auftun. Die Lehrer müssen deshalb selbst in dem besonderen Fach
gute Meister und darüber hinaus begnadete Künstler sein, und die Schule muß bis ins
Höchste durchgebaut werden. Wie die Entwicklung weiter gegangen wäre, mag bei¬
spielsweise aus Denkschriften und Aufsätzen des Verfassers ersehen werden9 [...] Die
Grundgedanken waren folgende: Es ist gut, daß die alten Kunstgewerbeschulen, die
lediglich der Verschönerung von Dingen dienten, für deren Entstehen und Dasein sie
keine Verantwortung übernehmen konnten, sich zu Werkschulen entwickelt hatten und
daß aus diesen Werkhütten wurden, in denen die Dinge selbst in der Begegnung mit
echten Aufgaben und echten Stoffen erschaffen wurden. Das ist gut, aber es muß zu
Ende geführt werden. Diese neue Schule, die zugleich Werkstätte mit öffentlichem
Auftrag ist, muß vollständig werden. Es müssen noch viele überkommene Vorstellun¬
gen einer abstrakten Künstlichkeit und Kunstgewerblichkeit überwunden werden: Auch
der Ingenieur, der unseren Bauten die edle Konstruktion plant, der Gärtner, der Kul¬
turbautechniker können Künstler ihres Faches sein. Wie gut wäre es, alle schaffenden
Berufe fänden sich unter dem gemeinsamen Dache der gemeinsamen Werkstätte zu
gemeinsamem Dienst zusammen und das Erlebnis wäre so stark, daß die Schüler es nie
mehr vergäßen und sich auch später im Berufsleben ins Ganze gebunden und verpflich¬
tet wüßten. Wie gut auch, wenn jeder einzelne Schüler im täglichen Zusammenleben
die Schaffensweise des anderen sähe, der Baumeister sähe, wie der Schreiner den Haus¬
rat anfertigt, der Maler, wie die großen Räume geplant werden, denen er Bild und
Farbe geben wird. Wie könnte die Lehre fachlich vertieft, von Leerläufen und Gleich¬
läufen befreit werden, wenn der Schüler des einen Faches sich in den Nachbarberufen
ergänzen könnte. Wie täte es auch der Kunstakademie gut, wenn sie aus ihrer Bezie-
hungslosigkeit erlöst und ganz klar in den Dienst einer bestimmten Aufgabe und in eine
RS. Uber die Verfassung einer Werkscbule.
Aachen 1930. - RS, Rene von Schoefer, Hans Werkgemeinschaft eingefügt würde, indem sie dem gemeinsamen Werk das Höchste
Spiegel. Werkschulung und Staat. Aachen 1933. schenkte. Das waren übrigens keine theoretischen Forderungen, sondern lebendige
Schwarz lehrte 1925-27 an den Technischen
Erfahrungen. Der Berichterstatter hat selbst an Bauschulen gelehrt und beinahe ein
Lehranstalten Offenbach und leitete 1927-34
die Handwerker- und Kunstgewerbeschule Jahrzehnt eine große Werkschule geleitet.10 Er hat dort diese Gedanken verwirklicht,
Aachen. soweit es die Umstände zuließen, indem er die Schule zur Bauhütte umformte, in deren
Alitte die I lochbauklasse stand. Dort wurde Architektur über den großen Aufgaben
gelehrt, wie sie damals zu errichten waren, und darumherum lag ein Kranz von etwa 20
Werkstätten, die von Lehrern geführt waren, deren jeder zugleich ein namhafter
Künstler war. Hier wurde ausgearbeitet, was diese Bauten und das Leben, das sie
erfüllte, an Ausstattung und Hausrat, an Schmuck und Bild brauchten,
ln einer anderen Darlegung des Verfassers" wurde noch einmal darauf gedrungen, die
Werkschulen amtlich zu beauftragen:
»Wir glauben, es gebe nur den einen Weg einer gesunden Erneuerung der Werkschu¬
len: Sie hineinzustellen in den Betrieb der großen Baustelle, zu der Deutschland all¬
mählich wird, und sie, in Anlehnung an die Verfassung der alten Bauhütten, regional zu
beauftragen mit der Durchführung dieses Neubaus. Die Bauhütten lagen zu Füßen der
Kathedrale, ähnlich müßten die neuen Werkhütten ganz in der Nähe ihres Neubaus lie¬
gen. Da dieser aber der Neubau des Volkes selbst in seiner Landschaft ist, müßte man
die deutschen Werkhütten planvoll in dieser Landschaft verteilen und ihnen die Voll¬
macht geben, den zugewiesenen Landesteil zu erneuern und umzubauen. Ohne diese
strenge und verantwortliche Bindung an die vorliegende Aufgabe, an die konkrete
Landschaft mit ihren konkreten Atenschen, Alitteln und Alängeln könnte alles wieder
ins Unverbindliche einer allgemeinen Bemühung um ein Irgendetwas, »das Volk« viel¬
leicht, entgleiten wie die glücklich vergangene Zeit sich um den Alenschen, Die Form,
Die Zeit, oder ein anderes Abstraktum bemüht hat. Wir fordern die Schaffung nationa¬ *
ler Werkhütten, wrelche mit voller Verantwortung und voller Vollmacht für das Schick¬
sal eines Bezirkes auszustatten sind und übergeordneten Werkstätten für die Länder
und das Reich ihre Arbeiten verantworten.«

7-
Seitdem ist viel Zeit verflossen, und der Verfasser ist in seinem Leben den langen Weg
weitergegangen, der ihn von dem Entwerfer eines Kelches, eines Stuhles, zum bekann¬
ten Kirchenbauer und dann zum Planer und Ordner großer Städte und ganzer Länder
geführt hat. Er glaubt heute, von seinen damaligen Darlegungen und Vorschlägen
nichts zurücknehmen zu müssen. Aber es ist zu fragen, wie heute die große öffentliche
Aufgabe der Werkhütte aussieht. Wo ist sie, die so groß und so dringlich ist wie der Bau
302 Rudolf Schwarz. Zeichnung für Abend¬
des Doms, groß genug, allem Werk Inhalt, Verfahren und Form zu schenken?
mahlskelch. Bleistift. Ähnliche Blätter in der
Sicherlich bleibt die Rangordnung der öffentlichen Aufgaben für immer bestehen: Die
Kunstbibliothek, Berlin, sind auf Sommer 1926
Heiligkeit des Domes, die Hoheit des Staates, Anmut und Liebreiz der Bildung, Kraft datiert.
und Klarheit der Arbeit. Aber nicht jederzeit ist dieses alles in der gleichen Weise auf¬
gegeben, jede muß das Besondere, eben jetzt Geforderte und Zeitgebotene besorgen. 303 Planungsstelle Lothringen, gez. Prof. Dr.
Als unsere besondere Pflicht scheint uns aber aufgegeben, den ganzen Lebensraum des Ing. Rudolf Schwarz. Ornetal. Schema der Sied¬
lungsstruktur. Lbn 1943.
deutschen Volkes neu zu bestellen. Was wir von den Vätern übernahmen, war eine
durch die Irrlehren des Liberalismus entstellte Gesellschaft, gedunsene Großstädte,
»Der Verfasser ist in seinem Leben den langen
unwürdige Behausungen, von dem Ausbruch der Technik verwüstete Erde. Was wir Weg weitergegangen, der ihn von dem Entwer¬
hinzutaten, war namenloses Leid, verwüstete Familien, verbrannte Städte, unüberseh¬ fen eines Kelches, eines Stuhles, zum bekannten
bare Alengen aus ihrer Heimat verwiesener Flüchtlinge. Was wir aber zu leisten haben, Kirchenbauer und dann zum Planer und Ordner
ist Linderung. Alles ist neu zu errichten, so daß es Gestalt wird eines einträchtigen, ins großer Städte und ganzer Länder geführt hat.«

Gemeinsame verpflichteten Volks in seiner guten, würdigen Ordnung, in der jede ein¬
zelne Familie im schön errichteten, wenn auch bescheiden, mit gutem Hausrat ausge¬
statteten Heim auf eigenem Besitz an der Heimaterde berechtigt ist, in der sich das
Volk in immer weiteren Einkreisungen über Dorf, Stadt und Landschaft gliedert. Die
neue Ordnung braucht die gemeinsamen Räume und muß hohen Sinnbildern untertan
werden, in denen die Seele, die das Ganze durchlebt, sichtbare Gestalt nimmt. Alan
mag diese neue Aufgabe Sozialismus oder wie immer anders nennen, sie scheint uns der
große Auftrag zu sein, der unserem Volk mitten in Leid und Zerstörung kommt, und er
vermag zu begeistern.

8.
Es ist hier noch nicht der Ort, den genauen Plan einer Wiederaufbau-Akademie zu ent¬
wickeln. Es kommt ja auf die vorhandenen Alöglichkeiten und Alittel an, wie weit man
den Kreis dieser Anstalt ziehen kann. Was man in die Werkhütte einbezieht, das wird 11 Zitat aus: RS. Deutsche Werkhiitten. In: Die
sich aus der Aufgabe selbst allmählich ergeben müssen. Schildgenossen 13 (1933) 2, S. 106.

215
Es ist nicht gesagt, daß die neue Schule überhaupt sehr groß oder sehr teuer sein muß.
Fachschulen, die in sie zu überführen wären, sind ja da. Was fehlt, ist eine Sache des
geistigen Entschlusses, nicht eines gewaltigen neu zu erfindenden Apparates, und eines
geistigen Ordnungsbildes, aus dem sich die neue Besetzung vorhandener Lehrstellen,
die Auflösung oder Gründung von Lehrwerkstätten ergibt. Aber auch eine sehr kleine
Schar von Menschen, die wissen, was sie selbst wollen und was die Zeit will, kann der
Nation Wichtigstes leisten.
Es ist aber auch nicht gesagt, die Werkhütte solle ein Monopol auf Aufträge oder auf
Beurteilung des Werklebens bekommen (obschon bereits vorJahrhunderten die Berli¬
ner Kunstakademie ein solches Recht der Beurteilung hatte). Selbst die gültigen Lehr-
und Prüfungspläne können unangetastet bleiben, denn was zu lehren ist und was zu
prüfen ist, bleibt ja im Grunde das gleiche. Neu ist nur, daß es einer obersten Aufgabe
zugewendet ist, daß keine abstrakten, sondern wirkliche Aufgaben gestellt sind, die aus
der Not der Zeit kommen. Es ist notwendig, die Wiederaufbau-Akademie mit wirk¬
lichen Aufgaben des deutschen Neubaues zu betreuen, und zwar in einer großzügigen
Gesinnung. Aber es kommt nicht auf die Menge und nicht einmal auf die Größe der
Aufträge an, sondern darauf, daß diese bis ins Entscheidende hineinreichen; zudem
werden es ja meist Entwicklungsaufgaben sein. Die Akademie ist mit der Sorge um das
Ganze zu betreuen, aber sie braucht nicht alles selbst zu besorgen. Sie soll Vorbilder
schaffen.
Schließlich sei noch gesagt, daß das Wort von der Wiederaufbauakademie nicht falsch
verstanden werden darf. Gewiß ist im Augenblick vieles in Deutschland wieder aufzu¬
bauen, aber so wie Deutschland war, darf es nicht wieder werden, denn von dem, was
unterging, war vieles untergangsreif. Eine andere Zeit verlangt ihre andere Form. Neu¬
bau ist zu leisten, und er reicht tief in den Bestand des zufällig Erhaltenen, auch der
geschonten Dörfer und Kleinstädte hinein. Das Werk, das zu tun ist, ist geeignet, unse¬
rem Volk für ein halbes Jahrhundert Arbeit zu geben, aber auch, dieses verbitterte,
ermüdete Volk zu ermutigen, seinem Dasein einen neuen und schöneren Sinn zu
geben.
Ganz schließlich sei auch gesagt, daß die Wiederaufbauhütte den Namen der Stadt, die
sie errichtet und trägt, ehren würde.

Was eigentlich ist der Gegenstand des Städtebaus?


[1948]12

Wir hatten auf der Schule gelernt, daß der Städtebauer seine Aufgabe vorfindet, und
man hat uns auch allerhand Winke gegeben, wie man sie kunstvoll formt, wie man
Straßen und Plätze in ein gutes Verhältnis und öffentliche Gebäude als »Dominante«
in den Blick bringt, aber dabei war eben immer vorausgesetzt worden, daß uns irgend¬
jemand sagte, was denn eigentlich getan werden sollte. Die Stadt selbst, ihr Was war
eine ausgemachte Angelegenheit, was man uns lehrte, war reine Ästhetik. So war es
damals, als ich lernte auf den Hochschulen, und ich denke, es wird noch immer so
sein.
In Wirklichkeit ist aber gar nicht ausgemacht, was eigentlich der Gegenstand des
Städtebaus ist; was das ist, eine Straße, ein Platz, ein öffentliches Gebäude, ein Wohn¬
haus, und was es in Zukunft wohl sein mag, aus welchem Grunde überhaupt eine Stadt
ersteht, welche Gewalten sie hochbringen und erhalten, welchen Mächten sie dient,
welche Übungen sie heil halten und woran ihr Volk stirbt; das alles sagt uns niemand,
und wir wissen aus der Geschichte des Städtebaus, wie schnell die Städte sich ändern,
wie in Jahrhunderten, oftmals noch schneller, aus der Kathedralstadt, deren Inhalt die
Anbetung war, die Fürstenstadt wurde, die Inbild staatlicher Hoheit war, dann aus die¬
12 Aus »Gedanken zum Wiederauftau von Köln«. ser die Bürgerstadt, die recht eigentlich eine Stätte der Bildung und der Menschlichkeit
In: Baukunst und Werkform (1948) 2, S. 56ff.
war, und daraus wieder die Wirtschaftsstadt, die Gerät und Ausdruck undurchschau¬
Vorher in: Gottlob Binder (Hg.). Grundfragen
des Auftaus von Stadt und Land. Stuttgart 1947. barer und nicht immer lichter Gewalten wurde, und wie darüber jedesmal diese Stadt,
S. 8ff. die ihren alten Namen behielt, eine andere wurde. Das heilige Köln hat mit New York

216
beinahe gar nichts gemeinsam, außer, daß man beide eine Stadt nennt, also einen Ort
auf der Erde. Im Stillen und Undurchschauten verwandelt sich der Inhalt der Stadt,
und am anderen Tage ist sie ein anderes Geschöpf, das kein Städtebauer erwartete, da er
noch den früheren Mächten dienen zu müssen vermeinte. Auch hier bei uns hat man in
den allerletzten Jahren am wirklich neuen Bedarf vorbei geplant, weil man ihn nicht
erkannte. Das ist unsere Schwierigkeit: Was wir tun sollen, sagt uns kein Auftraggeber,
das müssen wir selbst wissen und sagen. Man hat uns Regeln gelehrt, wie man eine
Stadt baut, wenn sie schön gebaut werden soll, aber man hat uns nicht über das Was,
das sie zu sein hat, und noch viel weniger über das Was, das sie sein werde, aufgeklärt,
die Lehre war damals erblindet, so wie die Tat blind war. Das gilt nicht nur für den
Städtebauer, sondern wohl für alle Schaffenden dieser Zeit, und uns scheint, sie müssen
alle umdenken. Der Städtebauer muß sich gleichsam selbst überschreiten und auf einen
Standpunkt erheben, von dem aus er einsieht, was er tun soll. Hier scheint sich mir eine
Umwandlung anzukündigen, die nicht nur für den Städtebauer bezeichnend ist. Wir
werden nicht mehr so sehr nach dem Wie und mehr nach dem Was unseres Tuns fra¬
gen. Der Städtebauer muß sozusagen einen neuen Städtebauer gebären, sich über sich
selbst hinausstellen und sich selbst als Bauherrn hervorbringen, um sich angeben zu
können, was er eigentlich planen soll. Weiß er das, dann ergibt sich das Wie beinahe
von selbst.
Die Inhalte einer Stadt wechseln schnell, aber der durchgängige Städtebauer nimmt an,
bisher sei alles so verlaufen, und also werde es nächstens noch viel mehr so verlaufen.
Die Statistiker etwa erzählen ihm, wie die Wirtschaftsstadt bisher hemmungslos
gewachsen ist, also wird sie das auch weiter tun; wir haben in New York Hochhäuser,
also werden wir später noch höhere Hochhäuser haben, die noch einmal so hoch sind.
Unsere lieben Nachbarn, die Statistiker, haben ihre Kurven und Tabellen, aus denen
sich deutlich ergibt, wie alles weiter verlaufen wird, weil es bisher so verlief, während
man in Wirklichkeit daraus, daß es nur bisher ziemlich lange so lief, nur schließen kann,
daß es also jetzt bald ganz anders kommen wird.
Hätte man vor fünfzig Jahren Städte geplant, die den Umfang haben würden, wie sie
ihn heute tatsächlich haben, wäre man größenwahnsinnig gewesen. Die Stadt streckte
damals gerade vorsichtig ihre ersten Vororte aus, und auch der klügste Städtebauer hat
nicht an eine so unförmige Aufblähung gedacht. Oder wenn man Anlagen für Leibes¬
übungen, Freibäder und dergleichen geplant hätte, wie sie fortschrittliche Städte heute
tatsächlich haben, wäre man ein verirrter Träumer gewesen, denn damals bestiegen
eben einige verwegene Jünglinge in Ringelstrümpfen das erste Veloziped, um die Land¬
straße unsicher zu machen, und andere vertrauten sich, verborgen durch Plankenzäune,
dem gefährlichen Wasser der Flüsse an. Es ist alles ganz anders gekommen, als zu
erwarten war, aber es kam im Stillen und ohne viele Aufsehen, und wenn ich jetzt zu
sagen wagte, daß vielleicht in weiteren fünfzig Jahren dieses Ding, das wir Sport nen¬
nen, nicht mehr sein wird, diese tobende Masse von vierzig- oder fünfzigtausend Men¬
schen um zwei Dutzend Athleten, daß es unsicher ist, ob wir dann noch die neue Errun¬
304 Rudolf Schwarz. Skizze für Von der Bebau¬
genschaft der Strandbäder haben, wo Hunderttausende ihren geölten Körper in der
ung der Erde. Heidelberg 1949. »Der große
Sonne braten, dann wäre ich kein moderner Mann mehr, und trotzdem wird alles Schichtenbau der hierarchischen Ordnung ist
anders kommen, als man erwartet. Darum ist Städtebau, gerade wenn er sein eigenes nach oben zu immer einfacher zusammenge¬
Wesen richtig versteht, ein Spiel mit Utopien. Wir genügen unserm Beruf nur, wenn faßt... Die höhere Stufe steht für die tiefere ein

wir prophezeihen und weissagen, das ist aber schwer. Es ist gar nichts Schlechtes dabei, und ist für sie die übergeordnete Stelle, die man
anruft um Schutz und um Klärung, denn nach
wenn man einem Städtebauer sagt, er handle nach Utopien, sondern eher ein Lob. Es
oben hin wird alles mächtiger und klarer.«
fragt sich nur, ob das schöpferische Utopien sind, echte Wunschbilder des Künftigen.
Das Formale, das noch die Arbeiten von Camillo Sitte, Theodor Fischer und auch so
manchen Modernen leitete, ist eine Frage zweiten Ranges geworden, unsere städtebau¬
liche Auseinandersetzung geht heute von Wunschbild zu Wunschbild, wobei man dann
raten mag, ob die künftige Großstadt wieder eine Stätte der Bildung sein wird, Bildung
aber tiefer verstanden als ein Selbstwerden, ein Menschwerden, ein Werkwerden, ein
Dingwerden, ein unbehelligtes und unbeängstigtes Sichdarstellen in einer gebildeten
Form, oder, wie man uns neulich einreden wollte, eine Äußerung staatlicher Allmacht,
oder vielleicht ein Zeichen eines neuen Sozialismus, oder was weiß ich, man gerät ins
Raten und, fügen wir hinzu, ins Glauben. Wir kommen ins Schwimmen und das ist gut
so, denn wir saßen zu lange fest.

217
Wir Leute vom Bau sind auf der Suche nach unserin Bauherrn, und da er nicht da ist,
müssen wir uns diesen Bauherrn selber entwerfen, wir müssen gleichsam erst unsern
eigenen Bauherrn hervorbringen.
Was ist überhaupt eine Stadt?
Wir fanden schon eine Antwort: Die andere Landschaft. Landschaft ist doppelt da,
einmal draußen ausgebreitet und dann, ins Enge zusammengefaßt, Haupt und Antlitz
geworden als Stadt. Die geheimnisvollen Kräfte, die aus dem Leib das Haupt hervor¬
bringen, bringen aus der Landschaft die Stadt hervor. Die Stadt ist der Sieg der land¬
schaftsformenden Kräfte, die sich selber strahlend im Haupte bekrönen. Doch diese
Stadt selbst ist wiederum doppelt, ausgebreitet und verheimlicht in der unabsehbaren
Menge der Heime, ins Heimliche, Sittige, ins Gewohnte und Verborgene gebracht,
und dann wieder als öffentliches Werk, das sie zur großen Form zusammenfaßt und
ins Sichtbare stellt, so wie auch die Menschheit selbst als Frau da ist, die das Heim,
und als Mann, der das öffentliche Werk zu leisten hat. Aber ganz schließlich kann die
Stadt doch wieder Frau sein, die alle die strahlenden Werke in ihren Mauerring heim¬
bringt.
Sie kennen den Begriff der Dominante von der Schule her, und man hat ihn Ihnen als
Blickpunkt erklärt: Irgendein Turm, eine Schauseite oder sonst etwas wird groß hinge¬
stellt, damit die Stadt sich daran ordne. Aber man hat vergessen, diese Lehre zu
erklären. Was heißt es denn schließlich, daß ein Werk herrsche, anders, als daß es jetzt
305 Rudolf Schwarz. Skizze für Von der Bebau¬ Herr ist und diese Weltzeit regiert? Ein einzelnes Werk und in ihm ein einziges Anlie¬
ung der Erde. Heidelberg 1949. »Nehmen wir gen macht sich auf und wird groß, die Stadt, und das heißt die Erde, zu beherrschen
die Hochstadt als Beispiel. Sie enthält minde¬ und ihre Sinnmitte zu werden. In diesem Werk schlägt die Stadt ihr Auge auf, das sich
stens vier Mitten, deren jede in einer anderen
in den Heimen geschlossen hatte, oder aber, die ganze Stadt ist ein Auge, in dessen
Weise für die ganze Landschaft zuständig ist, die
Brennpunkt das Eine jetzt steht. Tiefer sind diese Dinge, als man an den Schulen gesagt
Stätten der Arbeit, der Bildung, der Hoheit, der
.Anbetung... Man kann wohl alle diese Mitten hat. Das öffentliche Werk ist ein Haus, in dem alle Bürger dicht geschart beieinander
an einer Stelle zusammenfassen... Man kann sind, sie gehen dorthin aus den Heimen ins Öffentliche, aus der Zerstreuung in die Ver¬
aber auch... jedem Stadtviertel aufgeben, je eine sammlung.
der Mitten für die ganze Hochstadt auszugestal¬ Was sollen wir in dieser Stunde der sinkenden Wirtschaft nun tun? Was ist jetzt am
ten und zu unterhalten... Man kann schließlich
Steigen? Verirrt man sich nicht, so fragend in die unendliche Menge des Möglichen?
die Hochstadt, die ja heimlich in der ganzen
Und kann man dem Möglichen anders als in Unverbindlichkeit dienen, die alles offen
Landschaft gegenwärtig ist, über diese austeilen.
Sie ist ja an keinen bestimmten Ort gebunden«. läßt, oder soll man auf all dieses Lhisichere verzichten und hinter den Dingen herlau¬
fen? Die Inhalte der Stadt wechseln, aber ich glaube, sie sind nicht unzählig. Ist es nicht
immer beim Lebendigen so, daß zwar die Spielarten unabsehbar sind, daß sie aber nur
wenigen Grundgestalten verdankt werden? Unzählige Kristalle beruhen auf wenigen
Grundformen, unendliche Melodien auf der Folge von wenigen Tönen, die Farben¬
pracht der Welt auf der einfachen Ordnung des Prismas. So, scheint mir, läßt sich auch
die Anzahl der Städte auf ganz wenige Ursachen zurückführen, und zwar auf nur vier,
Wirtschaft, Bildung, Hoheit und Anbetung. Sie sind in ihrer Art ewig und müssen
heimlich alle vier immer da sein. Einer muß herrschen, aber alle andern müssen ihm
beistehen, und in seltenen erfüllten Zeiten wie denen der griechischen Antike oder des
deutschen Mittelalters stehen alle nebeneinander im Sichtbaren. Sonst aber tritt nur
einer hervor, und die Stadt liegt ihm zu Füßen, und alles andere liegt nebenan.
Es gibt Städte, die aus einem einzigen Grund entstanden und mit ihm starben. Die
Goldgräberstadt verödet mit der Erschöpfung des Vorkommens, die Handelsstadt stirbt
an ihrem versandenden Hafen, die Kathedralstadt schläft ein, wenn die Zeit der Dome
vorbei ist. Aber es gibt auch Städte, die den Wandel der Zeit überstehen. Sie leben im
anderen Zeitraum, der um alle Zeitalter herum ist. Das sind die eigentlichen alten
Städte. Ein Inhalt wird groß und bringt ein Werk hervor, das bleibt bestehen. Die Zeit
wechselt darüber und bringt andere Werke hoch, doch eine kleine Gemeinde der
Unzeitgemäßen pflegt das immer noch vorhandene Frühere und sorgt, daß sein Dienst
nicht ausstirbt, so tritt ein Werk zum andern und die Stadt wird alt darüber. Sie durch¬
steht den Wandel der Zeiten und wächst allmählich ins Überzeitliche. Das ist die
eigentliche unvergleichbare Aufgabe der alten Stadt, zu überdauern, die Dominanten
der Jahrtausende in sich zu versammeln, sie alle am Leben zu erhalten, sie nicht als
Denkmale und Erinnerungen zu konservieren, sondern ihren lebendigen Dienst zu
erneuern und ihnen die Gemeinde der Unzeitgemäßen beizubehalten. Das sind die
eigentlichen abendländischen Städte, und das ist auch die Aufgabe und Leistung von

218
Köln. Darin unterscheidet es sich von Gelsenkirchen, Gladbeck oder Bielefeld und
allen diesen neuen Städten, die so groß in die Zahl geschossen sind, daß es das Ganze zu
leisten hat und die vier großen städtebauenden Mächte lebendig erhält. Es scheint mir
seine unvergleichliche Verpflichtung zu sein, die große Geschichte des Abendlandes,
seine ganze Gemeintheit am Leben zu erhalten. Das heißt auch, daß wir nicht daran
denken können, Köln neu zu erbauen, denn diese Stadt muß bleiben, und was in ihr
wiederherzustellen ist, darf nicht das Werk eines Zeitalters sein und auch nicht des
unsern, ihre Seele lebt jederzeit über den Zeiten. Das macht unseren Wiederaufbau zu
einer großen abendländischen Tat und verpflichtet auch das Abendland, uns dabei zu
helfen.

Der Aufbau zerstörter Städte


[1955]13

Als die großen europäischen Städte zerstört wurden, hofften viele Menschen, die den
Zustand dieser Städte schon lange mit tiefer Sorge bedacht hatten und wußten, daß die¬
ser Zustand in beinahe jeder Beziehung nicht mehr haltbar war, da er oft den einfach¬
sten Forderungen der Menschlichkeit, der Entwicklung des Verkehrs und der städte¬
baulichen Kunst widersprach, nun sei die Möglichkeit gegeben, neue, menschlichere
und bedachtere Städte an die Stelle der zerstörten zu bauen. Die Deutschen durften das
vorab hoffen, denn sie hatten einmal einen besonders großen Anteil an der Entwicklung
der städtebaulichen Lehre. Entgegen solchen Hoffnungen hat aber der Wiederaufbau
der europäischen Städte nur sehr bescheidene Ergebnisse gebracht, wobei kaum ein
Unterschied besteht zwischen jenen Städten, die ihrem Neubau einen ganz neuen Plan
unterlegten, und den anderen, die sich mehr oder weniger konservativ verhielten. Das
gilt für den Wiederaufbau von beinahe allen Ländern Europas, und es hat sich die völlig
paradoxe Tatsache ergeben, daß, wer wirklich großen Wiederaufbau studieren will,
nach Nordamerika fahren muß, wo in die formlosen Häufungen wild gewachsener Rie¬
senstädte endlich echte Stadtmitten eingefügt werden, nachdem man das Gelände dafür
ausgerodet hat.
Aber vielleicht haben die Deutschen für die bescheidenen Ergebnisse ihres Wiederauf¬
baues besonders gute Entschuldigungen. Wer einen großen Bau errichten will, braucht
dafür gute Gesetze, gutes Geld und einen guten Plan. Für eine ganze Stadt braucht man
also sehr gute Gesetze, einen besonders großen Haufen Geld und ganz ausgezeichnete
Pläne; und das alles fehlte den Deutschen, deren gesetzliche Möglichkeiten großer
Geländeenteignungen ungültig erklärt worden waren, die ihren Wiederaufbau in völli¬
ger Armut beginnen mußten und deren Pläne von der Last des Erhaltenen bedrückt
wurden. Auf diesen letzten Punkt müssen wir noch näher eingehen.
Gerade die ehrwürdigsten Städte Deutschlands waren zwar furchtbar zerstört, aber die
Ruinen der alten Kirchen, Rathäuser und anderer Bauten waren noch da und mußten
unter allen Umständen gerettet werden; und diese verlangten dann wieder eine Umge¬
bung von ihnen angemessenem Maßstab; es war noch der Grundriß des Straßennetzes,
das Gewebe der Gassen und Plätze da, und an all dem hing das, was man die »Seele«
einer Stadt nennen mag, die über die Zerstörung gerettet und in den neuen Plan einge¬
bracht werden mußte.
Als ich 1946 begann, den Wiederaufbau des uralten und vormals so glorreichen Kölns zu
planen, war mir von vornherein klar, daß diese Planung bescheiden ausfallen werde,
wenn sie Aussicht auf Verwirklichung haben sollte.
Köln setzte sich aus drei Bestandteilen zusammen. Die römische Stadt war als rechtwink¬
liges Gefüge von Straßen und Plätzen bebaut worden, das sich bis heute erhalten hat.
Es ist räumlich gebaut wie Bologna oder Florenz, und dieser Grundriß ruft ein Gefühl
der Geborgenheit hervor, recht geeignet, sich darin wohlzufühlen. Wenn auch kaum
13 Vortrag in der Sendereihe Der deutsche Wie-
ein altes Haus erhalten war, so war doch das alte Maß erhalten, und die Kirchen und
deraufbau nach dem Kriege. Hessischer Rund¬
Gemeinschaftsbauten standen noch auf der Stelle römischer Tempel und öffentlicher funk, 13. 2. 1955. Unveröffentlichtes Typo¬
Gebäude. skript.

219
Die mittelalterliche Stadt ist über die römische kaum hinausgewachsen, aber man hat in
ottonischer Zeit weit darum einen beinahe sechs Kilometer langen Mauerring gezogen
mit einer breiten Zone von Abteien und Gärten. Erst das neunzehnte Jahrhundert hat
dann diesen freien Raum mit Miethäusern gefüllt, er war bald unerträglich übervölkert,
die Wohndichte stieg stellenweise über 2000 Menschen je Hektar, und viel Elend
häufte sich. Vor 1933 hatte der Oberbürgermeister Adenauer das Recht erwirkt, alle
Grundstücke der Altstadt zum Zwecke einer großen Gesundung zu enteignen, aber die¬
ses Recht ist nie wirksam geworden. Damals wohnten in der Altstadt 150000 Men¬
schen.
Ende des vorigen Jahrhunderts hat man die Stadtmauer recht roh niedergerissen und in
ihrem Zug eine Ringstraße gebaut, die als neue Verkehrsstraße die ganze Altstadt
umzog. Sie war innen und außen von parallelen Straßenzügen begleitet, so daß dem
alten, räumlich bemessenen Stadtteil ein neuer, linear gedachter beigefügt wurde. Das
Zellengewebe der Altstadt wurde von einer »Bandstadt« umschlungen, eine dyna¬
mische der statischen Form beigelegt. Auch diese Neustadt enthielt 150000 Einwohner,
und auch sie wohnten nicht gut in eng verschachtelten, lichtarmen Miethäusern, zum
Teil noch dichter als in der Altstadt und wiederum eingeengt durch einen sehr breiten
Festungsgürtel. Als man diesen aufließ, wollte Fritz Schumacher eine zweite Neustadt
um die erste ziehen, und es ist wahrhaft ein Glück, daß dieser Plan nie Wirklichkeit
wurde, so daß man heute dort einen breiten Grüngürtel anlegen kann.
Die wachsende Bevölkerung war bald über den Festungsgürtel hinaus ins freie Land
übergequollen, wo ohne jeden Plan und Gedanken Vorstädte entstanden, wüste Häufun¬
306 Der kölnische Städtebund. In: Rudolf gen von Fabriken und Miethäusern am Rand der römischen Ausfallstraßen.
Schwarz u.a. Das neue Köln. Ein Vorentwurf. Köln
Das war der Zustand, den wir übernahmen, und er war recht entmutigend. Inzwischen
1950.
aber hatte sich durch die Erfindung der selbstbeweglichen Wagen der Verkehr
»Ein neues Gefüge ergibt sich, das mit dem ra¬
dialen Schema wenig zu tun hat, eine Art Stern¬ gemehrt. Die alten Straßen waren zu reißenden Strömen geworden, gefährlich zu über¬
haufen, der aus Gebilden verschiedenster Grö¬ schreiten und viel zu eng. Der Verkehr brauchte neue Bahnen, die seinem äußeren und
ßen besteht.« inneren Maßstab entsprachen. Seinem äußeren: Sie mußten breit und flüssig sein. Sei¬
nem inneren: Sie waren auf den raumraffenden Blick des Kraftfahrers als einen neuen
optischen Maßstab zu entwerfen. Selbstverständlich war diese Verkehrsnot schon
früher den Stadtplanern aufgefallen. Man hatte vor dem Krieg neue Verkehrsstraßen
erdacht und auch schon begonnen, die bis zu 100 Metern breit werden sollten, was zu
einer Zerfetzung des Stadtleibes, einer völligen Zerreißung der Zusammenhänge
geführt hätte und einer Vernichtung aller Maßstäbe, denn so breite Straßen verlangen
die Fassung durch sehr hohe Gebäude oder besser durch gar keine, also die anbaufreie
Durchführung.
Es war uns klar, daß diese Stadt aus zwei verschiedenen Maßstäben zu planen war, dem
dynamischen der Verkehrsbänder und dem statischen des Fußgängers, Band und
Bereich waren ineinander zu weben.
Es ist eine sehr alte Entdeckung, daß der Verkehr einer Stadt in eine untere Ebene zu
verlegen und darüber auf einer Hochebene die Stadt der Menschen zu bauen ist. Lio-
nardo hat sie gemacht, die Amerikaner machen es heute so, wahrscheinlich ist es richtig
und ganz sicher ist es sehr teuer. So mußten wir einen ganz anderen Ausweg suchen:
Wir umschlangen die Bereiche der Fußgänger mit den Bändern des Verkehrs und plan¬
ten sie als Gefüge, das nicht für die Autos bestimmt ist. Wir teilten die Altstadt in neun
Stadtstädte, in denen je 10000 Menschen wohnen werden. Hierbei kam uns zu Hilfe,
daß die Altstadt auch früher in solche, wenn auch kleinere »Viertel« geteilt war, die sich
stark von einander unterschieden in ihrer sozialen Zusammensetzung und ihrer Arbeit,
mit eigenen Hauptstraßen, Märkten, Kirchen und Schulen und eigener Überlieferung.
Nun sollen die alten Hauptstraßen erhalten bleiben, aber in ihnen wird nicht mehr der
Verkehr pochen, sie werden Arterien des Volkslebens und schmale, überschaubare und
überschreitbare Kaufwege. Um die Stadtstädte aber werden die neuen Verkehrsbänder
geschlungen, so wie um eine alte Stadt die Mauer.
Es ist schwer, diese Bänder anbaufrei zu halten, und nicht immer möglich. Aber es
mußte die Gefahr vermieden werden, daß sich an ihnen neue Geschäfte ansetzen und
sie die alten Kaufstraßen leersaugen. Wir haben uns zu helfen versucht, indem wir sie
mit einer beiderseitigen Kette von Parkplätzen säumten. So verhinderten wir das Par¬
ken am Bordstein und konnten die Straßenbreite erträglich halten, weiteten die Straßen

220
in platzähnliche Außenräume und haben zudem an diesen Straßen viele Verwaltungsge¬
bäude und dergleichen untergebracht, die, hoch und mit weiten Abständen errichtet,
dem Maß des Bandes besser entsprechen.
Aller Verkehr, der die Innenstadt nicht zum Ziel hat, kann vorher abgefangen werden.
Glücklicherweise wird Köln ähnlich wie Berlin in einem geschlossenen Ring von Auto¬
bahnen eingehängt werden, der zum großen Teil schon gebaut oder im Bau ist. Aber lei¬
der ist er sehr weitläufig und verlangt er viel Zeit und Brennstoff. So bleibt der Übel¬
stand, daß auch in Zukunft das Rheinufer dem Durchgangsverkehr preisgegeben sein
wird. Dicht westlich der Stadt haben wir noch eine Sammeltangente geplant, welche die
Innenstadt und vorab die zu eng werdende Ringstraße abschirmt. Es wird sich zu ihr
hin ein Verkehrsgefälle aus den Vororten und der Innenstadt einstellen, und die Ring¬
straße wird zur geplanten Haupt- und Kaufstraße der Neustadt.
Die gleichen Plangedanken haben wir auch auf die Vorstädte angewendet. Dabei kam
uns zu Hilfe, daß diese den Ausfallstraßen entlang gewachsen sind und zwischen sich
breites offenes Gelände ließen. Dort hin kommen wenige, aber breite Straßen. Wir
haben auch die Vorstädte so geordnet, daß sie in ihrem eigenen Bereich ihr eigenes
Leben führen können, haben ihnen neue grüne Mitten vorgesehen, große Innenparks,
und die alte Ausfallstraße als Hauptstraße gedacht. Während bisher diese Vororte, 307 Die Verkehrsplanung. Das Leitbild. In: Ru¬
deren einige beinahe Großstädte sind, nur wie Fangarme der Innenstadt waren, wer¬ dolf Schwarz u. a. Das neue Köln. Ein Vorentwurf.
den sie nun zu großen oder kleinen Gestirnen. Der ganze riesige Leib der Stadt wird Köln 1950.»Die Hierarchie der Verkehrsbänder
zum Sternbild, gebildet aus Stadtstädten, deren jede doppelt lebt, sich selbst genügen¬ gleicht einem sich immer feiner verzweigenden
Baum.«
des, aus eigenem Schwerpunkt lebendes Gemeinwesen, das sich zum großen Ganzen
beiträgt.
Es war zu bedenken, was dieses Ganze denn ist, welchen Sinn es hat. Es war zu prüfen,
warum die große Stadt da war und wie sie sich geistig bewies. Was eine Stadt wie Köln
von den vielen Städten rundum unterscheidet, ist, daß in ihr eine große Zahl von Din¬
gen vorhanden ist, die es in einem großen Landraum nur einmal gibt, und daß das über¬
geordnete Dinge sind, hohe. Das macht die Stadt zur Metropole, Mutter von Städten.
Diese Stadt ist da, um Hohes zu pflegen und für eine weite Umgebung zu leisten. Wir
fanden hierfür das Wort »Hochstadt«. Hierbei schien uns richtig, möglichst viele hohe
Inhalte in die Mitte zu nehmen, daß dort, in der Stadtmitte, der Gedanke der Hoch¬
stadt besonders ersichtlich werde. Aber wir haben auch äußere Stadtteile zum hochstäd¬
tischen Dienst herangezogen, daß sie das Ihre dazu beitragen. Eine Großstadt bewoh¬
nen heißt, zum Dienst am Hohen verpflichtet sein.

Wie beleuchtet man Museen?


[1957]14

Man hat mich gebeten, auf dieser Versammlung, die die Frage des neuen Museums
bespricht, etwas darüber zu sagen, wie solche Gebäude zu beleuchten seien. Das ist nun
eine Frage, die recht praktischer Art zu sein scheint und die man nach Gründen der
Zweckmäßigkeit entscheiden mag. Man mag die verschiedenen Weisen der Beleuch¬
tung überlegen, mag erproben, wie das Museumsgut dabei zur Geltung kommt, wie die
Farben der Bilder erhalten oder verändert werden, Körperlichkeit und Oberflächen der
Plastiken hervortreten oder verschwimmen und sich dann für die beste Art der
Beleuchtung entscheiden.
Denkt man aber dieser so nebensächlichen und praktischen Frage nach, dann findet
man bald, wie das bei solchen Dingen zu gehen pflegt, daß sie sich nur beantworten
läßt, wenn man zuvor die große und umfassende Frage nach dem Sinn und Dienst des
Museums überhaupt beantwortet hat. Denn schließlich leben ja die Dinge, die im
Museum beisammen sind, nur, wenn sie geschaut werden, ihre Botschaft für uns geht
durch die Augen, und das Licht ist ihr Träger. Das Licht, in dem sie aufleuchten, ist das
14 Vortrag vor der Arbeitsgemeinschaft kulturel¬
Mittel ihrer Kundgabe, oder ihrer Verheimlichung, je nachdem, ob sie ins rechte oder
ler Organisationen. Düsseldorf, 27. 4. 1957.
falsche Licht gerückt werden. Die rechte Beleuchtung ist die Voraussetzung, daß wir Typoskript. Teilabdruck in: Baukunst und
ihnen recht begegnen, daß also das gerät, wozu das Museum bestimmt ist. Wozu aber Werkform 11 (1958) 1, S. 11 f.

221
■ \ . Josef Bernard. Wallraf- eigentlich das Museum bestimmt ist, müssen wir wissen, um uns klar zu werden, in wel¬
Vioseuin (heute: Museum für Ange- ches Licht die zu betrachtenden Dinge gerückt werden sollen.
Kunst). Köln. 195 i-^S.Treppenhalle.
Hier stocken wir nun, denn wir wissen vorerst noch nicht ganz genau, was es denn
m ersten zum zweiten Obergeschoß.
eigentlich mit den Kunstmuseen für eine Bewandtnis hat. Die anderen großen Aufga¬
ben, die uns Architekten gestellt werden, daß wir sie zu ihrer Gestalt bringen, haben
alle ihren redlichen Namen: ein Haus ist ein Haus, das ist ein Urwort der Sprache, an
dem nicht zu deuteln ist; ein Hof ist ein Hof, das ist auch so ein Urwort, und woraus
solche Dinge bestehen, das sind auch alles Dinge, die in unserer Menschlichkeit ge¬
geben und mit guten Worten benannt sind: Wand, Boden, Dach, Fenster, Tür. Eine
Kirche ist ein Haus für die Herrngemeinde, ein Rathaus ein Haus eines Rates und selbst
ein Bahnhof ist ein Hof, von dem Bahnen in die Welt hinaus gehen. Das Ding aber, das
wir Museum nennen, hat keinen rechten Namen, denn die neun Musen, die Apollo
begleiten, haben damit nichts zu tun, sie haben überhaupt nichts mit uns zu tun, denn
es gibt sie ja gar nicht und hat sie niemals gegeben, sie sind etwas mißglückte Erfindun¬
gen und wirken auf uns heute ein wenig komisch, so wie klassizistische Gipsfiguren.
Was dieses Märchen allenfalls meinen könnte, wäre, daß die Künste einen Reigen
anmutiger Mädchen um den Chorführer Apollo bilden, und das ist offenbar mit dem
Museum, wie es nun einmal heute ist, gar nicht gemeint, denn es dient ja nicht der Ein¬
heit der Künste - die vielleicht eine Hoffnung oder eine programmatische Forderung
sein mag, zu deren Verwirklichung aber das Ding, das uns hier beschäftigt, wenig geeig¬
net wäre. Unsere Museen sind Sammlungen von Bildern, mehr doch wohl nicht, und
mit solchen Sammlungen hat Apoll sehr viel weniger zu tun als die Archivare.
Das anspruchsvolle Wort »Sammlung« könnte eine heilsame Ernüchterung enthalten.
Man hätte dann ein Haus für Dinge zu bauen, die unter irgendeinem Gesichtspunkt
(der Kunst oder der Wirtschaftsgeschichte oder der Käferkunde) zusammengebracht
wären und dort vorrätig gehalten würden für den Fall, daß jemand sie interessant fände.
Die Pinakothek etwa stünde dann neben der Bibliothek und wäre ein sauber konstruier¬
tes Vorratshaus für Bilder, so wie es diese für Bücher ist, ausgestattet mit allen Bequem¬
lichkeiten für den Besucher und musterhaft in Ordnung gehalten, und der Sammlungs¬
direktor müßte entscheiden, was wertvoll genug wäre, daß man es für diese Sammlung
erwürbe.
Solch nüchterne Art würde unserem Geistesleben nicht übel entsprechen, das nun ein¬
mal in der Kühle der ratio lebt. Aber ganz so nüchtern wäre es dann doch wieder nicht
zu machen, denn es wäre ja doch jemand da, der über Wert und Unwert entscheiden
müßte, Auszeichnungen zu vergeben hätte, denn die Aufnahme in die Sammlung wäre
ja jedenfalls eine Auszeichnung, und diese Entschlüsse an Hand eines geistigen Ma߬
stabs treffen, das heißt, eine Ganzheitsvorstellung haben müßte, und das würde ja alles
über den Gedanken einer reinen Sammlung hinausreichen in den Bereich eines geisti¬
gen Bildes, das die Sammlung durchwaltet. Dieses Inbild und seine Ausarbeitung wäre
der eigentliche Sinn der ganzen Veranstaltung. Erst ein solches Inbild, das zur Darstel¬
lung und Ausgestaltung drängt, würde das Museum zu einer geistigen Aufgabe machen,
auch zu einer der Architektur, die ja eine freie Kunst ist.
Würde man nun einen unserer Museumsdirektoren nach dem Maßstab fragen, den er
an Neuerwerbungen lege, so würden sie wohl alle sagen, für sie gäbe es keinen anderen
als den Kunstwert. Sie würden sich also zur Kunst als einer geistigen Wirklichkeit
bekennen und die Dinge danach prüfen, wie kunstreich sie sind. Aber da zögern wir
wieder. In unseren Museen ist ja so viel, was gar nicht als Kunstwerk gedacht war; in
unseren Kölner Museen sind herrliche Altartafeln; die Menschen, die sie bestellten, und
die anderen, die sie malten, wollten sicherlich keine Kunst schaffen, sie hätten uns gar
nicht verstanden, wenn wir sie danach gefragt hätten, denn sie wollten dadurch Gott
Ehre und Anbetung darbringen. Diese Bilder leben und wirklichen sich nur im Gebet,
sie leuchten im Schimmer der Kerzen, die sich vor ihnen auf Altären verzehren und
leuchten wieder in betenden Herzen, denn nur diese verstehen sie wirklich. Wer sie den
Altären entwurzelt, entwurzelt sie ihrem Sinn, was sie innerlichst sind, wird dem Kunst¬
betrachter nicht lebendig, es sei denn, sie befreiten in seiner Seele verschüttete Urtiefen
des Glaubens und der Frömmigkeit. Gilt das nicht auch von den frommen Werken der
frühen Griechen? Sie sind fromm zu den Göttern, zu Zeus, Athene, Afrodite und zu
den numinosen Weltmächten, die unter diesen vorläufigen Namen angerufen sind und

222
223
sich in ihnen inkarnieren. Kunstwerke im Sinn von uns Heutigen sind sie wohl kaum.
Die innigen Werke des Buddhismus sind es wohl auch nicht. Man kann das alles Kunst
nennen, aber dann meint das Wort eben jedes Mal etwas anderes, so wie auch das Wort
»religio« immer ein anderes meint, irgendeine Beziehung zu den Gegenden des Glau¬
bens, die Einung mit übermenschlichen Kräften, die da ins Sichtbare treten. Wenig hat
das mit dem zu tun, was wir seit der Renaissance so »Kunst« nennen - mit dem Begriff,
meine ich —; ob auch mit dem, was der wirkliche Künstler auch heute noch als Kunst
erlebt, ist eine andere Frage. Die Generation des Jugendstils empfand jedenfalls anders;
dem Kreis der »Blätter für die Kunst«1* war ihre Kunst keine ästhetische Sache.
In ratlosen Stunden melden sich die Geisterbeschwörer. Auch in den Museen sind sie
am Werk. Sie vermauern die Fenster und bestreichen Wände und Decken mit makab¬
rem Schwarz. Doch sieh, als Ersatz göttlicher Gnade fällt aus geheimer Apparatur ein
Lichtstrahl ins Dunkel und hebt ein Sammlungsstück hervor, daß es in die Finsternis
leuchtet wie ein Stern am Nachthimmel. So verbilligt kann man heute die Erklärung
der Geheimnisse haben. Wer aber mit nüchterner, heller Seele die spiritistischen Vor¬
kehrungen wahrnimmt, den erfaßt ein Gefühl des Erstickens: schlagt Löcher in die
Wände, daß das saubere Tageslicht all dieses Dumpfe verzehre. Scheucht nicht die
Dinge aus ihrem Schlaf, denn nur, wer den Weg ginge, den die gingen, die sie einmal
schufen, könnte sie wecken, aber diese Wege sind für uns verwachsen.
Mir scheint, daß der tiefste Grund solchen Mißbehagens der deutlich verspürte Versuch
einer Magie mit billigsten technischen Mitteln ist, der Versuch also einer ungeistigen
Rekonstruktion. Was Rekonstruktion bedeutet, das wissen wir Architekten genügend,
wir wissen es alle, also braucht man nicht darüber zu sprechen.
Da liegt in Olympia der Tempel des Zeus. Ein Erdbeben legte die Säulenhalle des
Gottes, der lange schon tot war, um, und es ist, als sei die Hand der Vorsehung leise
darüber gestrichen, daß er nicht von Menschenhänden zerstört werde. Nun liegen die
Säulen, Trommel bei Trommel, im Gras unter dem strahlenden Himmel und werden
wieder zu Erde und nehmen ihr Geheimnis mit. Das ist die Art des Hohen zu sterben.
Wir aber verharren davor, im nüchtern-heiligen Licht des Tages und betrachten das
Scheiden des Werkstoffs und sinnen über das Geheimnis, das in ihm besiegelt ist und
sich uns mit dem Fortgang der Geschichte verschweigt und nur langsam verläßt.
Natürlich gibt es Menschen genug, die alles, was da nebeneinander liegt, wieder aufein¬
ander setzen möchte, es wäre so einfach und die Touristen sähen es gerne.
Sieh, da hätten wir die Ursituation des Museums: große Niederschriften uralten Gei¬
stes, eingeschrieben in Stein, in Ton, in Kalk, auf Holz, auf Leinwand, versammelt und
ausgebreitet unter dem hellen Licht des Tages in der Landschaft des Heute, und vor
ihnen verharrend der heutige Mensch, mit heller Seele die Reste des Hohen betrach¬
tend, ihren sich allmählich verschließenden Sinn bedenkend, der ihm im eigenen Her¬
zen weckt, was darin frühzeitig blieb. Das ist eines der Uranliegen des Menschen: die
Betrachtung der alten »Bilder«, die meistens mehr sind als »Kunstwerke«, die Vertie¬
fung der Seele ins Frühe und ihre Ernährung mit wirklichen Bildern, und solcher
Betrachtung kann man ein Haus bauen. Es sei ein helles Haus, durchleuchtet von wirk¬
lichem Licht, von den Aufgängen und Niedergängen der Sonne und ihrer mittäglichen
Helle, geöffnet der Landschaft, wie sie sich in Himmel und Gewächsen erneuert. Ein
schlichtes Haus, in dem der Mensch ein heutiger ist, lebend in der Welt, wie sie heute
ist und verkehrend mit den alten Gestalten, so wie sie heute am Tag dicht versammelt
noch liegen als gegenwärtige Reste hoher Vergangenheit, offen unter der gleichen
Sonne, unter der sie schon standen, als sie noch jung waren. Die beste Art, sie ins rechte
Licht zu rücken, ist das einfache Fenster, das das Licht unverkünstelt und unverändert
hereinläßt, auch nicht das indirekte, gefilterte Licht, das von oben in die Räume wie in
offene Abgründe hereinfällt.
Ich denke, daß man aus dieser Grundbestimmung des »Museums« auch dartun kann,
daß es nicht in der Weise vergangener Zeiten gebaut werden darf. Die klassizistische
bietet sich ja immer wieder an, da die meisten »Museen« in ihr als »Musentempel«
gebaut sind - denn das würde ja heißen, daß, wer das Haus betritt, in einen früheren
Zeitraum zurückversetzt würde, um aus ihm heraus die alten Bilder zu betrachten, was
15 Von Stefan George gegründete Zeitschrift,
deren einzelne Folgen unregelmäßig zwischen alles verdürbe, denn er wäre ja kein »Heutiger« mehr aber das »Gegenwärtige« ist -
1892 und 1919 erschienen. und dies scheint mir wichtig - auch nicht unbedingt das Moderne. Gegenwart ist viel-

224
schichtig und vielräumig gebaut. Was wir Gegenwart nennen, ist Stadium in einem
bestimmten Zeitpunkt, der vielfältig eingeräumt ist in die Stunde, den Tag, das Jahr, die
Generation, das Zeitalter, die ganze Geschichte als gegenwärtige und zukünftige. Wer
im Jetzt steht, ist in all diesen Räumen Einwohner, die sich um seinen Standpunkt mit
immer weiteren Firmamenten wölben und jeder sein eigenes Gesetz hat. Je größer der
gegenwärtige Raum, desto langsamer die geschichtliche Bewegung, desto zögernder ihr
Fortschritt, desto gültiger ihre Aussage. Im Größten ist die Geschichte nur noch still
gegenwärtiger Zustand.
Das Haus aber, über dessen Gestaltung wir hier sprechen, scheint mir nicht der Stunde
und dem Tag zugeordnet zu sein, denn denen ist ein ganz anderes zugeordnet, die Aus¬
stellungshalle. Das Museum lebt in viel weiterem Raum, zumindest im Zeitalter, denn
was dort gesammelt wird, muß sich über den Hingang der Tage und Jahreszeiten hinaus
als dauerhaft erwiesen haben. Deshalb muß auch das Haus ins Dauerhafte, für lange
Bewährte gebracht sein und doch gegenwärtig sein. Hier allerdings fordern wir etwas,
das heute sicher schwer zu verstehen ist, denn diese Art der Gegenwärtigkeit - was
durchaus etwas anderes ist als Zeit und Zeitlosigkeit - ist von unserem journalistischen
Denken beinahe vergessen worden, gegenwärtig ist auch für die meisten Baumeister,
die es doch besser wissen müßten, gleichbedeutend mit modern, und so befremdet die
Forderung, ein Haus dem größeren Zeitraum zuzuplanen, in immer neuer strengster
Prüfung das nur »Moderne«, das sich immer wieder in die Planungen drängt, daraus
auszuscheiden, jeden Bestandteil ganz ins Gültige, ganz in seine eigene Bedeutung und
Leistung zu bringen, jede Form so lange zu reinigen, bis sie das, was nur modern ist,
abtat und hinter sich ließ. Für den Baumeister ist das eine heilsame harte Übung, und er
muß wissen, daß er damit ein Fremdling unter den Modernen wird, ein Empörer bei¬
nahe, und daß sie beide ihn nicht lieben werden, die Vertreter des Früheren und die des
Modernen. Er muß auch wissen, daß er sich selbst die Arbeit nicht leicht macht, denn
das Moderne ist ja auch das mit immer neuen Einfällen lockende, das ewig Verführe¬
rische, und es ist ja doch auch so leicht, modern zu sein. Man braucht nur einige Zeit¬
schriften zu bestellen.
Mir scheint es auch dem Gedanken des Museums zu widersprechen, wenn man darin
eine Stätte der Wissenschaft sieht und also aus dieser Sammlung von Bildern eine
Präparatsammlung macht. Mancher Museumsleiter ist stolz auf seine strenge Wissen¬
schaftlichkeit. Ich sprach einmal mit solch einem Mann, dessen Haus ohnehin fast nur
aus Neon-beleuchteten Oberlichttümpeln besteht, in die nur diffuses, zweifach gefilter¬
tes Tageslicht fällt, und der beklagte, daß auch dieses präparierte Licht nicht zuverlässig
genug wäre, da es mit dem Stand der Sonne und mit der Bewölkung wechsle und die
Bilder nicht in einem Zustand völliger Exaktheit zeige. Bei aller Achtung vor solch
hoher Objektivität des Wissenschaftlers schien mir hier der Sinn des Museums ver¬
kannt zu sein, das nun einmal kein Naturalienkabinett ist, wobei unerörtert bleibe, was
hier überhaupt wissenschaftlich-begrifflich an Dingen zu ermitteln ist, deren jedes sei¬
nen Ursprung im Unmittelbaren, Schöpferischen und Unerwarteten hat, und ob all
diese Wissenschaftlichkeit zu mehr nützt als zum sauber gearbeiteten Katalog. So
präpariert, verstummen die Bilder; schon jenes Licht, das nur Helligkeit ist und nicht
mehr Strahlung, wie es diese neuen Röhren liefern, schüchtert sie ein. Die beste Art, sie Rudolf Schwarz, Josef Bernard. Wallraf-Rich-
artz-Museum (heute: Museum für Angewandte
künstlich zu beleuchten, was nur an trüben Tagen oder bei Nacht geschehen sollte,
Kunst). Köln. 1951-58.
scheint mir noch immer der Strahl der Glühlampe zu sein, der deutlich von einem
309 Treppenhalle im zweiten Obergeschoß.
Punkte her kommt, wie das Tageslicht von der Sonne. 310 Hofseite des Ostflügels.

225
Hilde Strohl
Werkverzeichnis Rudolf Schwarz
Schriftenverzeichnis Rudolf Schwarz
Vorbemerkung

Das Verzeichnis umfaßt die Planungen und Bauten von Rudolf Schwarz. Nicht ausge¬
führte Planungen sind als »Entwurf« gekennzeichnet. Schwarz’ Tätigkeit als Entwerfer
kirchlichen Geräts und von Möbeln ist nicht berücksichtigt. Das Verzeichnis ist chrono¬
logisch geordnet. Innerhalb eines jeden Jahres erfolgt die Einordnung nach Orten. Die
angegebene Zeitspanne umfaßt den jeweiligen Zeitraum von der ersten Nennung eines
Bauvorhabens bis zu dessen Fertigstellung bzw. bis zur Beendigung der Planung bei
nicht ausgeführten Entwürfen. Die Planunterlagen befinden sich bis auf wenige Ausnah¬
men im Historischen Archiv des Erzbistums Köln. Darauf beziehen sich die Archivanga¬
ben PK (Plankammer) mit der anschließenden laufenden Nummer. Unterlagen aus an¬
deren Quellen sind als solche gekennzeichnet.
Die Literaturangaben zu den Werken können nicht den xAnspruch auf Vollständigkeit er¬
heben. Der Name Rudolf Schwarz ist im Literaturverzeichnis immer als RS angegeben.
Nicht veröffentlichte Schriften von Schwarz haben den Zusatz »Typoskript« oder
»Manuskript«. Sie sind im Nachlaß geordnet.
1 sammenwachsen sollten und in großer und
Umbau Kapelle, Festsaal und weitere würdiger Form leben, arbeiten und der Zeit
Räume und ihrer Not helfen konnten, wo sie den ge¬
Burg Rothenfels am Main meinsamen Gottesdienst und ihre Feste feiern
Bauherr: Vereinigung der Quickhornfreunde konnten, wo Dinge zu ihrem Recht kommen
1924-1928 sollten, über die das öffentliche Leben fortgeht
und die dennoch zum Bestand des Lebens un¬
entbehrlich sind. Zur Unterstützung dieser
Ziele sollte die schöne, aber leere Burg so aus¬
gebaut werden, daß ihre architektonische und
farbige Gestalt selbst schon formend wirken
sollte. Sie sollte groß, herb und arm werden.
Als erste Maßnahme wurden nur die Bilder
und Figuren aus der Kapelle, die auch den
Dorfbewohnern als Kirche diente, geräumt.
Wände, Altar und Bänke erhielten einen neuen
hellen Anstrich. Dadurch kam »...etwas sehr
Lichtes, Klares und Herbes in den Raum, ...
alles war arm, aber doch erfüllt.« Die ganze
Burg sollte aus einer solchen Fülle der Armut
neu erstehen.
1927 entstanden im ersten Bauabschnitt die
großen Gemeinschaftsräume, und die Kapelle
erhielt ihre endgültige Gestalt: Sie wmrde
nochmals vereinfacht.
Der Barockaltar aus dem Jahr 1711 und die
Bänke wurden entfernt. Auf die Sandsteinplat¬
ten des Fußbodens legte Schwarz ein dreistu¬
figes Holzpodest, auf dem ein eichener Altar
steht, dessen Sockel Anton Schickei nach ei¬ wurde, und das Südturmzimmer als Werkraum
Die Burg Rothenfels wurde 1919 der katholi¬ nem Entwurf von Schwarz mit Silberblech für Arbeitskreise mit umlaufenden einfachen
schen Jugendbewegung Quickborn vom Für¬ beschlug. In der gleichen Art sind die Altar- Wandbänken und schwerem Tisch an.
sten Löwenstein überlassen. Sie bestand aus um¬ leuchter gearbeitet. Das Kruzifix mit Elfen¬ Der Pfeilersaal im Erdgeschoß wurde ebenfalls
fangreichen, mehr oder weniger renovierungs¬ beinkorpus gestaltete Hein Minkenberg. Ein entkernt. Den Mittelpfeiler ersetzt nun eine
bedürftigen Gebäudekomplexen: der Innenburg großer, ebenfalls silberner Radleuchter, mit Reihe hölzerner Stützen, so daß eine zweischif-
mit Palas, Kemenatenbau, Südflügel, Bergfried sechzehn Kerzen besteckt, hängt in der Raum¬ fige Halle entstanden ist. Die ehemaligen Seh¬
und Torhäusem und der Außenburg mit Zehnt¬ mitte, um ihn herum sind ebenfalls ringförmig schlitze sind zu Fenstern mit tiefen Nischen
scheune, Amtshaus und Wirtschaftsgebäuden. kleine Deckenlampen angebracht, die so ge¬ erweitert. Anstelle der gotischen Spitzbogen¬
Die Burg war für Tagungen wie die Werk¬ schaltet werden können, daß sie einen ge¬ türen ist eine Flucht genügend großer Türöff¬
wochen des Quickborn und als Wohn- und schlossenen oder einen offenen Ring bilden nungen nun so angeordnet, daß die Räume des
Arbeitsstätte derjenigen gedacht, die für den können. Anton Wendling entwarf die farbigen Erdgeschosses wie an einer Achse aufgereiht
Quickborn und die Burg tätig waren. Darüber Glasfenster. Die Madonnenstatue aus Terra¬ erscheinen. Einfache kubische Holztische und
hinaus sollte sie Herberge sein für wandernde kotta stammt von Maria Eulenbruch. Minken¬
Gruppen und nicht nur zum LTernachten, berg, Wendling und Eulenbruch waren Lehrer
sondern auch dem Zusammenleben von Ge¬ an der Handwerker- und Kunstgewerbeschule
meinschaften dienen. Aachen, an der Schwarz seit Anfang 1927 als
Nachdem in den ersten Jahren nach Inbe¬ Direktor tätig war.
sitznahme der Burg durch den Quickborn die Der Rittersaal entstand durch Zusammenle¬
allernotwendigsten Baumaßnahmen zur Erhal¬ gung mehrerer Räume, so daß er den größten
tung durchgeführt waren, wurde Schwarz 1924 Teil des Obergeschosses des Pallas einnimmt.
zum Burgbaumeister gewählt mit einem Ver¬ Alle barocken Ornamente wurden entfernt,
trag, der sich von Jahr zu Jahr verlängerte. Er Decken und Wände ebenfalls hell gestrichen
endete 1940. Die Aufgabe umfaßte die Umge¬ und an der Decke drei Reihen Soffitten als
staltung der Burg als Gesamtwerk. Lichtquellen angebracht. Als einzige Ausstat¬
Schwarz verfaßte eine Denkschrift zum Ausbau tung erhielt der Raum hunderte Schemel,
der Burg, die von Idealzielen geprägt war. Die schwarze kleine Würfel aus Holz, in der Ab¬
Burg sollte eine Stätte werden, in der Men¬ sicht, daß die Gemeinde aus sich heraus die
schen, die durch ihre Berufe vereinzelt und im Raumgestalt hervorbringen könne. Der Raum
Leben getrennt waren, zu Gemeinschaften zu¬ selbst ist auf keinen bestimmten Zweck gerich¬
tet, er soll für Vortrag, Ansprache, Aussprache,
Gesang, Tanz und für die liturgische Feier die¬
nen. Die Schaltung der Lichtquellen kann mit
der Aufstellung der Schemel korrespondieren.
Schwarz wollte auf diese Weise den Raum
durch das Licht jeweils neu erschaffen.
An den Rittersaal schließen sich das Barocksäl¬
chen, dessen ursprüngliche Decke freigelegt

229
liir'vn <Iit Räume, die als Speisesaal geschnitten. Die drei Türme sind im oberen 3
' uiVnihaltsräume dienen. Bereich in Betonmaßwerk aufgelöst. Einrichtung Kapelle Hedwig Dransfeld-Haus
Zweiten Weltkrieg wurde die Burg Die umgebenden Pfarrbauten: Pfarrhaus, Ge¬ Bendorf, Am Wenigerbach 8
I l hin von Flüchtlingen bewohnt. In meinderäume, Kaplanei, Küsterei sind in den Bauherr: Katholischer Deutscher Frauenbund
ui /iger Jahren wurde sie renoviert und Ansichten ganz im Stil der frühen zwanziger 1925-1927
modernisiert. Jahre entworfen.
!< im dient Burg Rothenfels als Heimvolks¬
Archiv: PK ia; Historisches Archiv der Stadt Köln,
hochschule.
Nachlaß Dominikus Böhm
Archiv: PK 3
Literatur: Josef Habbel (Hg.). Dominikus Böhm. Ein
deutscher Baumeister. Regensburg 1943. S.143; August
Literatur: RS. Aushau der Burg Rothenfels. 1927 (?) 8 S.
Hoff, Herbert Muck, Raimund Thoma. Dominikus
Iyposkript; RS. Burg Rothenfels. In: Die Schildgenos¬
Böhm. München 1962. S. 50-52; Karin Becker. RS
sen - (1927) 3, S. 241-244; Lene Merz. Ein Gang durch
1897 - 1961. Kirchenarchitektur (Dissertation). Biele¬
die Burg. In: Burg Rothenfels 1919/1929. Rothenfels
feld 1981. S. 10, 318-319; Walter Zahner. RS-Baumei¬
1929. S. 6-“; RS. Die neue Burg. In: Burg Rothenfels
ster der Neuen Gemeinde. Altenberge 1992. S. 31.
1919/1929. Rothenfels 1929. S. 27-35; RS. Neubau aus
der Gemeinde. In: Die Schildgenossen 16 (1936) 2/3,
S. 153—156; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 34-
46; Hans Weckerle. Ein lebendiger Raum. In: Werk Anfang der zwanziger Jahre kaufte der Katho¬
und Zeit 12 (1963) 1, S. 3; Winfried Mogge. Burg lische Deutsche Frauenbund in Bendorf ein
Rothenfels am Main. In: Burgen und Schlösser 14 Anwesen mit großem Garten, in dem ein Tee¬
(1973) 1, S. 41-50; Elisabeth Wilmes. Jahre auf der
pavillon stand. Ein Erholungsheim für Frauen
Burg Rothenfels. 1926-1937. 1982. 51 S.; Barbara Kahle.
Deutsche Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts. Darm¬ und Mütter, ein Jugendheim und eine Aus-
stadt 1990. S. 10; Volker Siegburg. Kirchenräume - und Fortbildungsstätte für weibliche Jugend¬
Kirchenträume (Diplomarbeit). Bonn 1992. S. 9-15; liche sollten dort eingerichtet werden.
Walter Zahner. RS - Baumeister der Neuen Gemeinde. Schwarz wurde beauftragt, das Teehaus zu ei¬
Altenberge 1992. S.56-187.
ner Kapelle umzugestalten. Hinweise auf die¬
ses Projekt sind aus einigen Briefen erhalten.
2 Im Oktober 1953 schreibt Gerta Krabbel:
Entwurf Kirche mit Pfarrgebäuden »Das ehemalige Teehaus wurde als Kapelle
Menden (?) ausersehen... Dann wurde Rudolf Schwarz be¬
1925 auftragt, den Altar zu schaffen ... Der Altar ist
Zusammen mit Dominikus Böhm außerordentlich schön, er war eine große
Freude, wir haben uns danach bemüht, die Ka¬
Dieser von Raimund Thoma auf 1927 datierte pelle sehr schlicht zu gestalten, so daß der Al¬
Entwurf stammt bereits aus dem Mai 1925. Er tar, wie es ja auch wirklich ist, der Mittelpunkt
entstand also in der allerersten Zeit der Zu¬ von allem war.«
sammenarbeit zwischen Böhm und Schwarz, Der Altar besteht aus einem mit Messingplat¬
die von 1925 bis 1927 dauerte. ten beschlagenen Holzkern. Auf der Vorder¬
Es ist anzunehmen, daß es sich hier um einen seite sind in zwei Platten die Worte »Jesus
Vorentwurf gehandelt hat und nicht, wie Christus« getrieben. Eine auf allen Seiten
Thoma glaubte, um einen Idealentwurf. Der überstehende Holzplatte bildet die Mensa.
Lageplan mit genauen Höhenlinien und Man kann diesen Entwurf als Vorstufe zum ei¬
Straßenzügen weist auf ein real existierendes nige Jahre später entstandenen Altar auf Burg
Grundstück hin. (Vgl. S. 50) Rothenfels ansehen. Uber dem Altar hängt ein
Der Grundriß ähnelt christozentrischen Ent¬ großes Holzkreuz mit einem Kruzifixus.
würfen Böhms aus dem Jahr 1922, der Aufriß 1952 wurde das Teehaus abgerissen. Ein Neu¬
dem der Kriegergedächtniskirche Neu-Ulm bau von Alfons Leid wurde an seine Stelle
von 1924. Um den ovalen Kirchenraum grup¬ gesetzt. Der Altar wurde leicht verändert über¬
pieren sich fünf verschieden hohe zylindrische nommen, ebenso sind die Fenster von Anton
Baukörper: Zwei sehr niedrige Beichtkapellen Wendling in der neuen Kapelle eingesetzt.
in der Nähe des Chors, zwei 21 Meter hohe Planunterlagen sind nicht vorhanden.
Türme, die den Eingang flankieren - einer ist
Archiv: PK ra; Archiv des Katholischen Deutschen
als Taufkapelle ausgebildet - und der 25 Meter
Frauenbundes, Köln
hohe Turm über dem Chor. Schmale hohe
Spitzbogenfenster sind in den Hauptbau ein¬

230
4 Schon Ende April - das Preisgericht hatte am
Wettbewerb Frauenfriedenskirche 7. April 1927 getagt - wurde klar, daß der erste
Frankfurt am Main, Zeppelinallee/ Preis nicht verwirklicht werden sollte. Mitglie¬
Franz Rücker-Allee der des Arbeitsausschusses für den Bau der
Auslober: Kirchenvorstand St. Elisabeth, Frauenfriedenskirche äußerten Bedenken, oh
Frankfurt in Gemeinschaft mit dem Arbeits¬ der erste Preis den seelsorgerischen Bedürfnis¬
ausschuß für den Bau der Frauen-Friedens- sen Rechnung trüge. Der Ausschuß beschloß,
Kirche, Frankfurt (Vereinigung katholischer die Entwürfe von Böhm/Schwarz, sowie die
Frauen-Organisationen) von Herkommer und Holzhauer, die beide
1926-1927 dritte Preise erhalten hatten, in die engere
Zusammen mit Dominikus Böhm Wahl zu ziehen und sie aufzufordern, von ihm
gewünschte Änderungen vorzunehmen. Ob¬
LL_1 wohl sich Ernst May und andere für die Arbeit
ff)
[0©
iiiiiiin von Böhm/Schwarz einsetzten, wurde der Auf¬

0
T ■i[i
1 0
trag an Herkommer vergeben.
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1d
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Glas oder Glasbausteinen aufgelöst, während


die Seitenschiffe fensterlos bleiben. Der Ein¬
gang liegt in der Mittelachse des Gebäudes.
Der Bau ist als weiße Betonform gedacht.

Archiv: PK ib

Eine Aufgabe des Wettbewerbs sollte sein, eine Archiv: PK 1


Kirche zum Gedächtnis all derer zu entwerfen,
die im Kriege unsagbares Leid erlitten und ihr Literatur: Frauen-Friedenskirche in Frankfurt/Main.
6
Auferstehung. Posteritati. Opfergang. (Erläuterungsbe¬
Leben gelassen hatten. Mit dem Neubau woll¬ Entwurf kreisrunde Pfarrkirche
richt) 1927. 13 S. Typoskript; Erläuterungsbericht zum
ten die katholischen deutschen Frauen und abgeänderten Entwurf Opfergang. 1927. 4 S. Typo¬ ohne Ort
Mädchen am Aufbau eines »geistigen Frie¬ skript; Frauentriedenskirche in Frankfurt. In: Bauwett¬ 1927-1928
densreiches« mitarbeiten. bewerbe (1927) 17, S. 1-8; Josef Habbel (Hg.). Domini¬ Zusammen mit Schülern der Handwerker- und
Gefordert wurde eine Kirche mit 750 Plätzen, kus Böhm. Ein deutscher Baumeister. Regensburg 1943.
Kunstgewerbeschule Aachen
S. 47-49; RS. Kirchenbau. Heidelberg 1960. S. 12-14;
dazu Chor, Taufkapelle, eine LTterkirche als
August Hoff, Herbert Muck, Raimund Thoma. Domini¬
Gedächtniskapelle für die Gefallenen. Pfarr¬ kus Böhm. München 1962. S.143; 153-159; Karin
haus und Gemeinderäume brauchten nur als Becker. RS 1897 - 1961. Kirchenarchitektur (Disserta¬
Baumassen eingeplant zu werden. (Vgl. S. 52 ff) tion). Bielefeld 1981. S. 10-11; 34-35; 319-320; Tho¬
Schwarz bat Böhm um Zusammenarbeit bei mas Hasler. Die Fronleichnamskirche von RS (Wahl¬
facharbeit). Zürich 1989. S. 35-37; Walter Zahner. RS-
diesem Wettbewerb. Böhm sagte sofort zu. Es
Baumeister der Neuen Gemeinde. Altenberge 1992. S.
entstanden fünf sehr voneinander verschiedene 189-192.
Entwürfe: »Auferstehung«, »Communio«,
»Opfergang«, »Posteritati« und »Rosa My-
stica«, wobei »Opfergang« in mehreren Va¬ 5
rianten abgeliefert wurde. Aus dem Erläute¬ Entwurf Kirche
rungsbericht zu diesem Entwurf: »Der Ver¬ ohne Ort
fasser legte Wert auf einfache übersichtliche 1927-1928
Baumassen. Wie einfacher diese sind, umso Zusammen mit Schülern der Handwerker- und
eindringlicher ist deren Wirkung. Die hohe Kunstgewerbeschule Aachen
Wand bedeutet etwas im Stadtbilde... Die Be¬
lebung erhält sie durch... zwölf Apostel in ge¬ Der PJntwurf dieser Kirche existiert nur in drei
triebenem Messing (1,5 m hoch) auf Konsolen Modellfotos. Er gehört in die Reihe der Ent¬
aus Stein vor der Wand stehend. Das Dach ist würfe für eine kreisrunde Pfarrkirche und für
mit Kupfer eingedeckt... Der Raumgedanke ist eine Marienkapelle und ist offenbar in der
einfach: eine Schlucht führt hinauf den Berg Hochbauklasse der Handwerker- und Kunst¬
zum Altar, der in seiner Wirkung durch das gewerbeschule Aachen unter der Leitung von
reiche Licht gesteigert wird... Nur am Altar ist Schwarz entstanden. Schwarz weist in dem Artikel »Was dennoch
ein großes Fenster geplant. Die Decke soll ver¬ Auf quadratischem Grundriß erheben sich T- besprochen werden muß« darauf hin, daß die¬
goldet sein, Gold teilweise an den Wänden förmig sehr hoch und sehr schmal Lang- und ser Entwurf unter seiner Leitung in der Hoch¬
heruntergeführt als Grund für eine reiche Ma¬ Querschiff der Kirche. Die Vierung ist durch bauklasse der Handwerker- und Kunstgewer¬
lerei der Wände.« einen offenen Glockenstuhl nochmals über¬ beschule Aachen entstanden sei. Pläne sind
157 Entwürfe wurden eingereicht. Unter dem höht. Niedrige Seitenschiffe sind dem Lang¬ nicht vorhanden, lediglich zwei Modellfotos
Vorsitz von Peter Behrens erkannte das Preis¬ schiff in der Breite des Querschiffs angelagert. und eine Baubeschreibung.
gericht einstimmig dem Entwurf »Opfergang« Die Seitenwände des Langschiffs und die an¬ Innerhalb eines kreisförmigen Grundrisses er¬
den ersten Preis zu und empfahl ihn zur Aus¬ grenzenden Wände des Querschiffs sind bis heben sich drei gleich hohe, ebenfalls runde
führung. auf eine breite dreiseitige Umrahmung ganz in Türme unterschiedlichen Durchmessers, de-

231
.i her die einzigen Lichtquellen der niedrige Kirchenraum ist sonst fensterlos. statt, nachdem die gesamte Burg Rothenfels
Li >il(i<_n. Der niedrige umschließende Über den Turm hinaus ragt ein Betonbogen, von 1945 bis zu diesem Zeitpunkt der Auf¬
oii 8 Metern Höhe ist die Vorkirche, der als Glockenstuhl dient. Das Bauwerk ist als nahme zahlreicher Flüchtlingsfamilien gedient
. 'i größten Durchmesser die Haupt- weiß gestrichene Betonform gedacht. hatte.
, der mit den Schallöffnungen der Ein weiterer Umbau mit Erweiterung der
Archiv: PK icl
i'. kentumi und der vierte der Taufturm. Zehntscheune wurde in den neunziger Jahren
Türme sind 42 Meter hoch. Die Kirche ist Literatur: RS. Entwurf einer Marienkapelle. In: Der
von Roland Ritter durchgeführt.
Stahlgerüst entworfen, das mit 1 x 1 Meter neue Ring 1(1928)2, S. 25-28; Karin Becker. RS
Archiv: PK 3/2
roßen Keramikplatten innen und außen ver¬ 1897-1961. Kirchenarchitektur (Dissertation) Bielefeld
kleidet ist. 1981. S. 322.
Literatur: RS. Burgausbäu. Umbau der Außenburg. In:
Burgbrief (1934) 4/5,8. 38-40; Alfons Leitl. Ein Erei-
Archiv: PK ic
zeitheim. In: Monatshefte für Baukunst und Städtebau
8 22 (1938) 5, S. 149-152; Burg Rothenfels am Main. In:
Literatur: RS. Bücher und Bilder. Entwurf einer kreis¬
Baukunst und Werkform (1948)2, S. 108-109.
runden Pfarrkirche, ln: Die Schildgenossen 8 (1928) 3, Umbau Außenburg
S. 262 263; RS. Entwurf einer kreisrunden Pfarrkirche. Burg Rothenfels am Main
In: Baukunst und Werkform 6 (1953) 2/3, S. 64; RS. Bauherr: Vereinigung der Quickbornfreunde
Was dennoch besprochen werden muß. In: Baukunst 9
1928-1934
und Werkform 6 (1953) 4, S. 191-199; Kirchenbau. Haus der Jugend
Mitarbeiter: Johannes Krahn
Gott treibt Geometrie. In: Der Spiegel 17 (1953) 52, S.
30-37; RS. Was dennoch besprochen werden muß. In: Aachen-Burtscheid, Abteistraße
Die Bauhaus-Debatte 1953. Dokumente einer verdräng¬ Bauherr: Katholische Pfarrgemeinde
ten Kontroverse. Braunschweig 1994. S. 162-168; Karin St. Johann-Baptist, Aachen-Burtscheid
Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Disserta¬ 1928
tion). Bielefeld 1981. S. 321.
Zusammen mit Hans Schwippert

7
Entwurf Marienkapelle
ohne Ort
1927-1928
Zusammen mit Schülern der Handwerker- und
Kunstgewerbeschule Aachen

Die Ideen der freiheitlichen Jugendbewegung


beruhten auf der Schaffung und Pflege einer
neuen Gemeinschaft. In diesem Sinne entstan¬
den in den zwanziger Jahren die ersten Bauten,
die nicht den tüinelnden und heimatschützleri-
schen Geist enthielten, den später die Nazis
Nach Beendigung der Lhnbauarbeiten an der für ihre Jugendbauten wieder aufnahmen.
Innenburg als Ort für Fest, Feier, Übung und Als ein nach den Ideen der neuen Jugendbe¬
Werkarbeit sollte die Außenburg der Burg Ro¬ wegung gebautes Heim entstand das Haus der
thenfels als Wohnburg für Gäste, Wander¬ Jugend.
gruppen und als Jugendherberge hergerichtet Das Bauprogramm forderte vier Säle, drei da¬
werden. von so anzuordnen, daß sie zu einem einzigen
Kernstück des Ausbaus wurde die Herrichtung vereint werden konnten, dazu Halle, Biblio¬
der ehemaligen Zehntscheune. thek, Umkleideräume für die Sportler und eine
In der Mitte des Scheunenbaus ist ein Flügel Hausmeisterwohnung. Das Baugelände weist
im rechten Winkel angebaut mit Eingang, einen Höhenunterschied von fast vier Metern
Schwarz beschreibt den Entwurf in der Zeit¬ Treppenhaus und den notwendigen Feuchträu¬ auf, der durch geschickte Aufteilung genutzt
schrift »Der neue Ring«. Wahrscheinlich men. In den beiden Hauptgeschossen der wurde. Die Straße liegt auf dem niedrigen, die
handelt es sich hier ebenfalls um eine Arbeit Scheune sind je elf Einzelzimmer sowie Ar- rückwärts gelegenen Sportplätze auf dem
unter seiner Leitung aus der Hochbauklasse beits- und Gruppenräume angeordnet. Im höheren Niveau.
der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Erdgeschoß ist außerdem eine große Küche Durch das Flachdach mit einer Attika zur
Aachen. mit den dazugehörigen Nebenräumen einge¬ Straße hin entsteht ein kubischer Baukörper,
Das Modell jedenfalls ist dort entstanden. richtet. Im Dachgeschoß befinden sich zwei dessen Straßenfront durch die weit zurücklie¬
Pläne existieren nicht. Schlafsäle und zwei Gruppenräume. genden Fenster der Säle im Hauptgeschoß
Auf kreisrundem Grundriß erhebt sich über ei¬ Von 1933 bis 1935 benutzte der Deutsche Ar¬ stark strukturiert ist. Die beiden Schmalseiten
nem Kreisabschnitt ein 36 Meter hoher Turm, beitsdienst (DAD), später Reichsarbeitsdienst sind last fensterlos, während die Rückseite zu
dessen gerade Wand vollständig verglast ist, so (RAD) die Zehntscheune als Unterkunft. Die den Spielplätzen hin über den Toren gro߬
daß das Licht innen auf die hohe gerundete jungen Männer bauten eine Staustufe im Main. flächig mit Luxferfliesen geschlossen werden.
Rückwand und den Altar fällt, der als silberne In den fünfziger Jahren fand ein nochmaliger Von der großen Eingangshalle im Sockelge¬
Säule bis zur Decke reichend gedacht ist. Der Umbau mit den notwendigen Renovierungen schoß führen zwei einläufige Treppen ins

232
die von einem Hof her belichtet ist. Der Kir¬
chenraum selbst liegt im rechten Winkel zu
der Kapelle an der Körnerstraße. Sein langer
rechteckiger Raum erhält Licht vom I lof ober¬
halb der ihm angelagerten niedrigen Beicht¬
kapelle. Der Altarberg in der Breite des Fang¬
schiffes ist zehn Stufen hoch und unbelichtet.
Sakristei und Gemeinderäume schließen sich
auf der linken Seite an. Sie bilden mit den
Wohnungen einen offenen I lof zur Körner¬
straße.
Die gesamte Anlage besteht aus zwei gegenein¬
ander gesetzten U-förmigen Baukörpern.
Aus dem Erläuterungsbericht: »Innen: eine
Melodie ganz strenger einfacher Räume führt
Beim Entwurf »Mauer« wird versucht, eine langsam im Prozessionsweg durch die kleine
große Ordnung ins Wirrsal der zufälligen Taufkapelle und die Schlucht der Vorkirche in
Kreuzung mehrerer Straßen zu setzen. Das den großen Gottesdienstreaum. Dieser, ganz
Eckgrundstück wird an der Körnerstraße und streng aus Stein, Glas und Metall errichtet, ist
Hohenstaufenallee von einer zwanzig Meter von der Straße ganz geschlossen.
hohen Mauer abgeschlossen, so daß von der Er soll das Mysterium behüten ... Auf breiter
inneren Struktur der Kirche nichts nach außen Treppe steigt man zum Altar. Die Chorwand
sichtbar wird. Man betritt die Kirche über die schließt ab. Vielleicht dort ein einziges großes
Taufkapelle auf Straßenniveau vom Barba¬ Bildwerk.« Als Baustoffe sind gedacht: Kern¬
Hauptgeschoß mit den drei Sälen. Sie können rossaplatz; eine Anzahl von Stufen führt zur mauerwerk aus Hintermauerungssteinen, in¬
durch Trennwände, die in Stahlfutteralen ver¬ langgestreckten schmalen Kreuzwegkapelle, nen und außen mit Blausteinplatten verkleidet.
senkbar sind, zu einem großen Saal vereinigt Fußboden: schwarze Schieferplatten; Decke:
werden. Vom Flur öffnen sich auf dieser Ebene verbleites Eisenblech; Fenster: Stahl, spritzver¬
sieben Doppeltore auf die Spielplätze hinter silbert; Verglasung: Spiegelglas; Beleuchtung:
dem Gebäude. Im Obergeschoß liegen ein wei¬ nackte Glühbirnen, als Lichttropfen von der
terer Saal, die Bibliothek und die Hausmeister¬
wohnung.
In den fünfziger Jahren wurde das Gebäude in¬
nen völlig umgebaut und zu den rückwärtigen
Spielplätzen hin durch einen Anbau über die
osaii
i-Hlu
Decke bis drei Meter über den Boden herab¬
hängend: .Altar: schwarzer Schiefer.
Beim Entwurf »Kubus« wird der 25 x 25 Ale-
ter messende Würfel des Kirchenraums wie ein
Monument in den Barbarossaplatz gestellt.
gesamte Gebäudebreite verändert. Der helle Kubus ruht auf dem zurückgesetzten
Konstruktion: Stahlbetonskelettbau mit innen schwarzen Sockel der Unterkirche, auf deren
liegenden Stützen; Ausfachung mit Zement¬ Ebene man die Kirche betritt. Über zwei breite
schwemmsteinen, innen und außen geputzt; einläufige Treppen gelangt man in den Kir¬
Dach: Flachdach, bekiest; Stahlfenster, quadra¬ chenraum. Im Sockelgeschoß liegen auch die
tisch unterteilt, nach außen aufschlagend, Fen¬ Vereinsräume, während das Wohnhaus recht¬
sterflächen zum Spielplatz: Luxferfliesen in winklig zur Körnerstraße angeordnet ist.
Zementrahmen. Bodenbelag der Flure und Konstruktion: Sockel: Sichtbeton; Kirchen¬
Treppen: Hartbrandsteine. raum: Stahlskelett, ausgefacht, außen mit hel-

Archiv: PK 4

Literatur: RS. Haus der Jugend in Aachen-Burtscheid.


1928. 1 S. Typoskript; Haus der Jugend in Aachen. In:
Die Form 4(1929)19, 8.515-520; Ein Jugendhaus in
Aachen. In: Baukunst und Werkform (1948)2, S. 107.

10
Wettbewerb Kirche Heilig Geist mit
Pfarrhaus und Vereinsräumen
Aachen, Barbarossaplatz / Hohenstaufenallee /
Körnerstraße
Auslober: Kirchenvorstand der katholischen
Pfarrgemeinde St. Jakob, Aachen
1928
Zusammen mit Hans Schwippert
Alitarbeiter: Johannes Krahn

Trotz der kurzen Bearbeitungszeit von Ende


Juli bis Ende Oktober 1928 reichten Schwarz
und Schwippert drei völlig voneinander ver¬
schiedene Entwürfe ein.

233
Literatur: RS. Erläuterungsberichte zum Wettbewerb kleinen, aber sehr sorgfältig geplanten Zimmer
Heilig Geist-Kirche Aachen. 1928. 10 S. Typoskript;
mit Einbauschrank und Naßzelle haben eine
August Hoff. Kirchenbau und Kirchenplanung am Nie¬
i>Ci'cwou. gemeinsame Loggia. Das Dach des gesamten
derrhein. ln: Die Christliche Kunst 25(1928/29), S.
368-371; RS. Zu den Bildern des Heftes. Heiliggeist¬ Baukörpers ist als Terrasse ausgebildet.
kirche zu Aachen, ln: Die Schildgenossen 9(1929)3, S. Zur Ausführung des Projektes kam es nicht.
267-269; Hans Karlinger. Das Problem des Sakralbaus Am Stadtrand von Aachen fand sich ein besser
in der Gegenwart, ln: Die Schildgenossen 9 (1929) 3, S.
geeignetes Grundstück.
169-174; Hugo Schnell. Kirchenbau des 20. Jahrhun¬
derts in Deutschland. München 1973. S. 51 f; Karin Archiv: PK 4a
Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Disserta¬
tion). Bielefeld 1981. S. 13-15; 323-324; Hanna Dan-
nien-Maßen. Kirchenbau zwischen Tradition und Mo¬
derne. In: Jahrbuch für Architektur. Braunschweig 1991. 12
S. 265-269; Walter Zahner. RS - Baumeister der Neuen
Pfarrkirche St. Fronleichnam mit Pfarrhaus
Gemeinde. Altenberge 1992. S. 193-196.
Aachen - Rothe Erde, DüppeL/Leipziger
Straße
Bauherr: Katholische Pfarrgemeinde St. Josef,
11 Aachen
Entwurf Wohlfahrtsschule I929-I93°
Aachen, Luisenstraße Mitarbeiter: Hans Schwippert, Johannes
Bauherr: Dr. Gerta Krabbel für den Krahn
Katholischen Deutschen Frauenbund
1928

Mitarbeiter: Hans Schwippert


len Betonplatten verkleidet, innen weiß ge¬
putzt; Fußboden: schwarzer Schmelzbasalt; Al¬
täre, Taufstein, Türen: silberbeschlagen.
Der Entwurf »Vierwandkirche« verfolgt den
Grundgedanken, die Längswände der Kirche
zu verdoppeln, so daß eine Vielzahl von inein¬
ander übergehenden Raumgebilden mit Mög¬
lichkeiten gemeinsamen und privaten Gebets
entsteht. Die weit vorgezogenen Doppelwände
bilden vom Barbarossaplatz her eine Schlucht,
in der eine Treppe zum Eingang hinaufführt.
Von Wand zu Wand ist ein schwerer Kruzifi-
xus aufgehängt. Uber die niedrige halbdunkle
Vorhalle betritt man durch seitliche Eingänge
den hohen hellen Kirchenraum, der durch die Im Anschluß an den Wettbewerb für die Hei¬
Verdoppelung der Wände auf beiden Seiten Die sozialen Frauenschulen entstanden Anfang liggeistkirche in Aachen erhielt Schwarz den
durch eine Vielzahl von Kapellen gerahmt ist. des zwanzigsten Jahrhunderts. In ihnen sollten Auftrag, für eine sich neu bildende Gemeinde
Asymmetrisch angeordnete Fensternischen be¬ Frauen und Mädchen für die hauptberufliche im Arbeitervorort Rothe Erde eine neue Pfarr¬
lichten den Raum unterschiedlich. Auch bei Tätigkeit als Wohlfahrtspflegerinnen für die kirche zu bauen. Schwarz hielt damals die Ge¬
diesem Entwurf ist der Altarbereich fensterlos. Gesundheits-, Jugend- und Berufsfürsorge gend für verwahrlost und städtebaulich verdor¬
Die Gemeinderäume liegen an der Ecke Bar- ausgebildet werden. Die Räume der 1916 in ben. Die Kirche sollte als ordnende Domi¬
barossaplatz und Körnerstraße. Es entsteht ein Köln gegründeten und 1918 nach Aachen ver¬ nante in diese LTnordnung gestellt werden. Es
Hof an der Körnerstraße. Das Wohngebäude legten Schule reichten nicht mehr aus. Es sind mehrere gut ausgearbeitete Entwurfsva¬
liegt langgestreckt an der Körnerstraße, abge¬ wurde ein innerstädtischer Neubau in der Lui¬ rianten i.M. 1:200 vorhanden, die alle verwor¬
setzt von der Kirche. senstraße geplant. fen wurden, bis es zu dem zur Ausführung be¬
Konstruktion: Backsteinmauerwerk, innen und An einer 48 Meter langen Straßenfront liegt in stimmten kam. Allen Entwurfsstufen gemein¬
außen weiß geputzt; Fußboden: roter Klinker; der Mittelachse das 14 Meter breite fünfge¬ sam ist der langgestreckte, hohe, rechteckige
Altar: Kupfer; Taufstein und Kreuzwegstatio¬ schossige Hauptgebäude, flankiert von zwei Hauptraum der Kirche.
nen: Blaustein; Gestühl: in Gruppen aufge¬ zur Straße ein-, zum Hof hin zweigeschossigen Entwurf 1 (Anfang Januar 1929):
stellte Eichenholzbänke in einfachster Form. Seitenflügeln. In dem zum Hof hin ebenerdi¬ Die Kirche mit den Grundmaßen 60 x 18 Me¬
71 Projekte wurden bei dem Wettbewerb ein¬ gen Untergeschoß liegen Küche, Speisesaal tern und mit einer Höhe von 12,6 Metern ist
gereicht. Das Preisgericht unter dem Vorsitz und ein Vorlesungsraum. Zwei symmetrische von der Düppelstraße um 2 2 Meter zurück ge¬
von Dominikus Böhm zeichnete den Entwurf Treppen, in den Winkeln zwischen Hauptge¬ setzt. Sie bildet nach dorthin einen Hof, der
von Otto Bongartz, Köln, mit dem ersten Preis bäude und Querflügel angeordnet, führen von nach Westen zur Leipziger Straße begrenzt
aus, der auch zur Auführung kam. Der Entwurf hier aus in die Halle des Erdgeschosses, in dem wird von der ebenfalls 22 Meter langen schma¬
»Mauer« erhielt den zweiten Preis, die Ent¬ drei Vorlesungsräume und die Büros des Frau¬ len Vorhalle, ebenso hoch wie die Kirche,
würfe »Kubus« und »Vierwandkirche« wurden enbundes untergebracht sind. Die oberen Ge¬ durch die der einzige Zugang führt. Sie ist zu¬
zum Ankauf empfohlen. schosse werden durch eine breite dreiläufige gleich Taufkapelle. Die gegenüberliegende Be¬
Treppe erschlossen. Im ersten und zweiten grenzung bildet der eingeschossige Pfarrsaal,
Archiv: FR 2
Obergeschoß sind weitere Vorlesungs- und Se¬ an den zur Düppelstraße hin ein hoher quadra¬
minarräume, die Verwaltung und zwei Woh¬ tischer Kirchturm anschließt. An der vierten
nungen untergebracht, während in den beiden Seite zur Düppelstraße hin ist der Hof offen.
oberen Geschossen Internatsräume für 24 Ein niedriges vier Meter breites, durch zwei
Schülerinnen liegen. Jeweils zwei der relativ mächtige Pfeiler vom Hauptschiff getrenntes

234
Seitenschiff, das als Beichtkapelle dient, er¬ Die Pfarrbauten stehen bei diesen Entwürfen
streckt sich auf der linken Seite des I lauptrau- für sich gesondert an der Leipziger Straße.
mes. Die Sakristei schließt sich an. Der neun Ausgeführter Entwurf:
Stufen hohe Altarberg hat die Breite des Bei dem schließlich zur Ausführung gelangten
Hauptschiffes. Die einzige Lichtquelle der Entwurf ist das Hauptschiff in den Maßen 47 x
Kirche bilden zwölf i ,8 Meter breite, eng bei¬ 13 Metern mit einer Höhe von 21 Metern an
einander liegende Lichtschlitze. Sie reichen die Düppelstraße herangerückt. Einzige Un¬
vom Boden bis unter die Decke im südwest¬ terteilung bilden die im oberen Viertel der
lichen Bereich des Hauptschiffes zur Düppel¬ Wände eingeschnittenen 3x3 Meter großen
straße hin. Der Altarbereich ist ohne direktes Fenster, die im Altarbereich in zwei Reihen ab-
Licht. Ebenso ist die schmale Vorhalle völlig steigen. Die Altarrückwand bleibt fensterlos.
fensterlos.
Das zweigeschossige Pfarrhaus mit drei Woh¬
nungen schließt direkt an den Kirchenbau
nach Norden an der Leipziger Straße an.
Bei diesem Entwurf ist die aufsteigende Bewe¬
gung zur Düppelstraße hin: Pfarrhaus - Kirche
- Turm, die im ausgeführten Entwurf zum
Tragen kommt, schon vorgesehen.
Entwurf 2 (Ende Januar 1929):
Auch bei diesem Entwurf ist die Kirche, die die
Grundmaße von Entwurf 1 hat, von der Düp¬
pelstraße zurückgesetzt. Der Hof ist hier aber
nur nach Osten hin durch einen Anbau, ebenso und Pfarrhaus. Das große Portal an der West¬
hoch wie die Kirche, begrenzt. Zur Leipziger front dient nur feierlichen Anlässen.
Straße liegt, sieben Meter vorspringend, die Der 40 Meter hohe Turm auf quadratischem
Werktagskapelle. Sie liegt um einige Stufen Grundriß ist an der Düppelstraße vor das Sei¬
tiefer als die Kirche. Die Ecke Düppel- Leipzi¬ tenschiff gesetzt, das in diesem Bereich als Sa¬
ger Straße bleibt offen. Der Hauptzugang zur kristei ausgebildet ist. Zwei Farben beherr¬
Kirche liegt nahe der Werktagskapelle. Der Al¬ schen den Innenraum der Kirche: Das Weiß
tarraum ist hier nach Westen gelegt. Fünf rie¬ der Wände und der Decke und das Schwarz
sige Pfeiler teilen nach Süden zum Hof ein des Fußbodens, der Altäre, der Bänke und der
Seitenschiff von gleicher Höhe wie das Haupt¬ Beichtstühle.
schiff von diesem ab. Die Belichtung der Kir¬ Die Ausstattung der Kirche ist äußerst spar¬
che erfolgt durch vier zwei Meter breite Fen¬ sam. Der Tabernakel ist ein einfacher silberner
ster, die von 2 Metern über dem Boden bis Schrein, auf dem ein kleiner, ebenfalls silber¬
unter die Decke reichen, jeweils in der Mitte ner Kruzifixus steht, dessen Korpus von Hein
zwischen den Pfeilern im Seitenschiff angeord¬ Minkenberg gestaltet ist. Der Altar besteht aus
net. Im Chorraum ist die südliche Wand ober¬ einem schwarzen Block, aus dem nur die Platte
halb der Kapelle in Glas aufgelöst. nach vorne vorsteht. Die dreizehn Teppiche
Altarrückwand und die Nordseite bleiben fen¬ des Kreuzwegs wurden von Wilhelm Rupp-
sterlos. Da der Altarbereich nun nach Westen recht gestickt.
zur Leipziger Straße hin gelegen ist, kann die »Die Beleuchtung. Früher hatte man die Kerze
Sakristei in der Verlängerung des Pfarrhauses und die Öllampe. Das waren Lichter, die in der
angeordnet werden. Zwischen ihr und dem Finsternis brannten, und es war schön so.
Pfarrhaus ist ein breiter Durchgang vorgese¬ Gleicht nicht solch ein Licht der christlichen
hen. Eine zweite Kapelle begrenzt den Hof im Seele? Unser neues elektrisches Licht ist aber
Osten. Hier liegt ein weiterer Eingang. Uber Helligkeit, leuchtender Raum. Auch das ist
der Kapelle befindet sich der Pfarrsaal. Dieser sehr schön. Aber eine Lampe wie eine Kerze zu
Entwurf ist einmal mit, einmal ohne Turm ge¬ verwenden, das ist sehr schlecht, und doch ge¬
zeichnet. Er steht an der gleichen Stelle wie bei schieht es oft. Bei unserer Kirche wurde ver¬
der vorher beschriebenen Variante. Das nun 6 Meter breite niedrige Seitenschiff, sucht, den Raum ohne Lampe und Leuchtkör¬
Weitere Entwurfsvarianten (Juni 1929): zur Düppelstraße hin gelegen, Beicht- und per hell zu machen. Die Sofitten hängen an
Für diese Entwicklungsstufen liegen Grund¬ Kreuzwegkapelle zugleich, ist vom Hauptschiff Seilen. Auch wurde versucht, diesen Lichtraum
risse und perspektivische Schaubilder vor. Jetzt nur durch einen mächtigen Pfeiler von 4 Meter verwandeln zu können. Jeder Strang zerfällt in
ist die Kirche an die Düppelstraße herange¬ Länge getrennt. Er ist mit geschliffenem drei Gruppen, und alle diese Gruppen kann
rückt und schließt mit dem niedrigen Seiten¬ schwarzem belgischem Marmor bekleidet, dem man einzeln anzünden.« (RS. In: Die Schildge¬
schiff an ihr ab. Dieser flache Anbau führt um Material der Altäre und des Bodens. nossen 11 (1931) 3, S. 284-287).
die Ecke und grenzt hier an die Leipziger An ihm hängt die Kanzel wie ein kleiner Wür¬ Anfang der fünfziger Jahre wurde die Kirche,
Straße. Das Hauptschiff der Kirche wird von fel. Das Seitenschiff wird nach Westen be¬ die im Krieg eine Reihe von Artillerietreffern
dem es umgebenden Bau fast umschlossen. Im grenzt durch die Vorhalle, die zugleich Taufka¬ erhalten hatte, instandgesetzt.
Innenraum ist das Hauptschiff einmal mit fünf, pelle ist. Hier liegt ein Eingang von der Eine große Renovierung mit Veränderungen
einmal mit sieben Pfeilern vom Seitenschiff Düppelstraße. Eine große Spiegelglasscheibe des Kirchenraumes erfolgte in der zweiten
abgetrennt. Die Lage des Turms variiert eben¬ trennt die Vorhalle vom Kirchenraum, gibt Hälfte der siebziger Jahre. Die Kommunion¬
falls. Einmal steht er an der Leipziger Straße, aber den Blick auf die Altäre frei. Weitere Ein¬ bänke wurden entfernt. Näher zur Gemeinde
einmal wächst er an der Ostseite aus dem Sei¬ gänge zur Kirche befinden sich am Seitenschiff wurde auf ein Zwischenpodest in den unteren
tenschiff heraus. und an der Leipziger Straße zwischen Kirche Stufen des Altarberges ein neuer kleinerer Al-

235
,, ( ■. !! Klaus Iserlohe bildhauerisch 389; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur gruppiert. Durch geschickte Ausnutzung der
(Dissertation). Bielefeld 1981. S. 16-19, I57_I64,
Dei weite Eingang an der Düppel- beträchtlichen Geländeunterschiede konnten
324-333; Karl Wimmenauer. Ein neuer Altar für die
•\ dfde geschlossen. Der freie Raum zwi- die Haupträume, Klassen und Internat auf ei¬
Fronleichnamskirche? In: Kunst und Kirche (1981)2, S.
i ärrhaus und Kirche wurde zugebaut; 100; Manfred Speidel. Zwischen Tradition und Mo¬ ner Ebene angelegt werden.
' n r 'er aus betritt man nun die Kirche. derne. In: Umrisse 1982. S. 11-13; Barbara Kahle. Das Hauptgebäude ist zum Innenhof dreige¬
großflächige Spiegelglasscheibe zwischen Rheinische Kirchen des 20. Jahrhunderts. Köln 1985. S. schossig, zur Straße teilweise viergeschossig.
17; 34; Hanna Dannien-Maassen. Kirchenbauten und
Vorhalle und Seitenschiff ist durch eine viel- Auf diese Weise erhalten die im Untergeschoß
Entwürfe von Johannes Krahn (Magisterarbeit). Mar¬
i >c h unterteilte ersetzt worden. Neue Fenster hegenden Speiseräume Tageslicht. In diesem
burg 1989. S. 21-27; Thomas Hasler. Die Fronleich¬
wurden von Ludwig Schaffrath gestaltet. Por¬ namskirche von RS (Wahlfacharbeit). Zürich 1989. 56 Gebäude sind weiter die Verwaltung, Seminar
tale und Türen wurden neu bearbeitet. Den S.; Barbara Kahle. Deutsche Kirchenbaukunst des 20. und Unterrichtsräume einhüftig angeordnet.
ursprünglichen silbernen Tabernakel ersetzt Jahrhunderts. Darmstadt 1990. S. 55-56; Walter Vom Erdgeschoß öffnen sich die Flure mit
nun ein stark farbiger emaillierter. Zahner. RS - Baumeister der Neuen Gemeinde. Alten¬ großen Türen zum Innenhof. Das die Unter¬
berge 1992. S. 198-220; Britta Giebeler. Sakrale Ge¬
Konstruktion der Kirche: Stahlbetonfachwerk, richtsräume erschließende Treppenhaus ist als
samtkunstwerke zwischen Expressionismus und Sach¬
mit Doppelwänden aus Schwemmsteinen aus¬ lichkeit im Rheinland. Weimar 1996. S. 136-160; Glaskasten vor das Gebäude in den Innenhof
gefacht, innen und außen weiß verputzt; Dach: Chiara Baglione. II mondo sulla soglia. In: Casabella gesetzt.
Stahlbinder, flach geneigt, mit untergehängter 60(1996)640/641. S. 34-55; August Brecher. Eine junge Die Wohnungen sind über eine gesonderte
Rabitzdecke; Fußboden, Altäre, Kommunion¬ Pfarre im Aachener Ostviertel. Aachen 1997. 252 S. Treppe zugänglich. Der Festsaal im oberen
bänke, Taufstein: schwarzer belgischer Mar¬ Stockwerk des Hauptbaus ist über eine fest¬
mor; Fenster: Stahl mit hellem Opakglas aus¬ liche Treppe erreichbar. Er nimmt die gesamte
gefacht; Türen und Portal: Stahl mit aufge¬ 13 Tiefe des Gebäudes ein und ist von beiden Sei¬
presster glatter Kupferummantelung. Soziale Frauenschule ten belichtet.
Aachen, Robert Schumann-Straße/ Die Jugendherberge, die als öffentliche Wan¬
Archiv: PK 7
Bayern-Allee derherberge geführt wurde, ist mit eigenem
Bauherr: Katholischer Deutscher Frauenbund Zugang und eigenem Treppenhaus in der
Literatur: RS. Erneuerung des Kirchenbaus? In: Die 1929-193° Westseite im obersten Stockwerk des Flaupt-
Form 5(1930)21/22, S. 545-556; RS. Fronleichnamskir¬ Mitarbeiter: Johannes Krahn, Hans Schwippert gebäudes eingeplant.
che. ln: Die Schildgenossen 11(1931)3, S. 284-287; Ro¬
Die erdgeschossigen Internatsräume, die sich
mano Guardini. Neu erbaute Fronleichnamskirche in
Aachen. In: Die Schildgenossen 11(1931)3, S. 266-
zum Innenhof öffnen, enthalten neben einge¬
268; RS. Fronleichnamskirche in Aachen. In: Zen¬ bautem Bett und begehbarem Schrank eine gut
tralblatt der Bauverwaltung 51(1931)30, S. 441-445; installierte Naßzelle mit Waschbecken und
RS. Fronleichnamskirche in Aachen. In: Baumeister Dusche. Alle Räume öffnen sich auf den In¬
30(1932)1, S. 35-40; Hans Karlinger. Die Fronleich¬
nenhof.
namskirche in Aachen. In: Die christliche Kunst
Infolge der Umnutzung der Schule als Katho¬
(1930/31)27, S. 248!'; Willy Weyres. Der Kirchenbau im
Erzbistum Köln. Düsseldorf 1932. S. 15b Heinrich lische Fachhochschule des Landes Nordrhein-
Lützeier. Der deutsche Kirchenbau der Gegenwart. Westfalen wurde sie in den fünfziger Jahren
Düsseldorf 1934. S. 17b Emil Steffann. Neue Wege im weitgehend umgebaut und mit Anbauten ver¬
Kirchenbau. In: Die Schildgenossen 14(1934/35)1, S.
sehen. Lediglich die Südwestfassade des Haupt¬
85b August Hoff. Ein gestickter Kreuzweg von Wil¬
baus ist noch in der ursprünglichen Form er¬
helm Rupprecht. In: Die Christliche Kunst 33(1937)5,
S. 138; H. A. Reinhold. The architecture of Rudolf halten.
Schwarz. In: The Architectural Forum (1939) Jan., S. Konstruktion: Mauerwerksbau, weiß verputzt;
22-25; Hans Weigert: Geschichte der deutschen Kunst. Stahlbetondecken; Flachdach; Dachdeckung:
Berlin 1942. S. 577; Ferdinand Pfammater: Betonkir¬
Pappe, bekiest; Fenster: Stahl, nach außen auf-
chen. Einsiedeln 1948. S. 73; Fronleichnamskirche Aa¬
schlagend.
chen 1930. In: Baukunst und Werkform (1948)2, S. 87;
RS. Fronleichnamskirche in Aachen 1930. In: Baukunst’
Archiv: PK 8
und Werkform 6(1953)2/3, S. 67; Anton Henze. Kirch¬
liche Kunst der Gegenwart. Recklinghausen 1954. S. 7;
Literatur: RS. Angaben über den Neubau der sozialen
Anton Henze. RS und das Gotteshaus der neuen Archi¬
Frauenschule zu Aachen. 1930. 4 S. Typoskript; Fest¬
tektur. In: Unser Bocholt 8(1957)3, S. 26-34; Willy
schrift der sozialen Frauenschule. Aachen. 1930. 59 S.;
Weyres. Neue Kirchen im Erzbistum Köln 1945 - 1956.
Aus der Arbeit der Kunstgewerbeschule. In: Der Volks¬
Düsseldorf 1957. S.14; Richard Biedrzynski. Kirchen
freund (1930)7. 3.; RS. Die soziale Frauenschule in Aa¬
unserer Zeit. München 1958. S. 52; Anton Henze.
chen. In: Die Form 6 (1931) 1, S. 11-22; RS. Die soziale
Neue kirchliche Kunst. Recklinghausen 1958. S. 49-50;
Frauenschule in Aachen. In: Zentralblatt der Bauverwal¬
Jürgen Joedicke. Kirchenbau in unserer Zeit. In: Bauen
tung 51(1931)2. S. 17-21; Soziale Frauenschule in Aa¬
und Wohnen 13(1958)11, S. 354-358; Alexander v.
chen. In: Baukunst und Werkform (1948)2, S. 105-106.
Branca. Architettura sacra nel dopoguerra in Germania.
In: Fede e Arte 7(1959)3, S. 318-321; RS. Eucharisti-
scher Bau. In: Das Münster (i960) 9/10, S. 296-299;
Reinhard Gieselmann, Werner Aebli. Kirchenbau. Das Raumprogramm dieser Schule ist gegen¬
Zürich i960. S. 49-51; RS. Kirchenbau. Heidelberg über dem Entwurf für die Wohlfahrtsschule in
i960. S. 16-30; Felix Kreusch. Neue Kirchen im Bistum
der Luisenstraße aus dem Jahr 1928 erheblich
Aachen 1930-1960. Recklinghausen 1961. S. 2of; Her¬
bert Muck. Sakralbau heute. Aschaffenburg 1961. S.
erweitert worden. Es umfaßt nun Unterrichts¬
37-70, 100, 106; Herbert Muck. Zur Auseinanderset¬ und Seminarräume für 130-140 Schülerinnen,
zung mit dem neuen Kirchenbau. In: Der große Ent¬ ein Internat für 32 Mädchen, zwei Wohnungen
schluß 20 (1965) S. 215-220: Siegfried Schink. RS und eine Mädchenjugendherberge mit eige¬
1897-1961. (Wiss. Zulassungsarbeit). Paderborn 1971;
nem Zugang.
Reinhard Gieselmann. Neue Kirchen. Stuttgart 1972. S.
13b Hugo Schnell. Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in
Das zur Verfügung stehende Grundstück liegt
Deutschland. München 1973. S. 50b Wolfgang Pehnt. auf einem Hügel, zur Zeit des Baus etwas
In: Giulio Claudio Argan. Die Kunst des 20. Jahrhun¬ außerhalb der Stadt. Der Bau ist um einen fast
derts. Propyläen Kunstgeschichte 12, Berlin 1977. S. quadratischen Blumen- und Gymnastikhof

236
14 Literatur: RS. Erläuterungsbericht zum Entwurf einer 16
Totenkreuz Kriegerehrung für die Gemeinde Mariadorf. 1929. 1 S.
Entwurf Einfamilienhaus mit Kapelle
Typoskript; Einweihung des Kriegerdenkmals in .Maria¬
Alsdorf-Mariadorf bei Aachen, Eschweiler-/ (»Haus J«)
dorf. In: Aachener Allgemeine Zeitung (1929) 6.6.;
Marienstraße ohne Ort
Bildnachrichten. In: Zentralblatt der Bauverwaltung
Bauherr: Kriegsgefallenendenkmal-Ausschuß 50(1930)44, S. 776; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. 1931
Mariadorf S. 44, 46. Mitarbeiter: Johannes Krahn
1929

15
Entwurf Friedhofsgebäude
Aachen-Burtscheid, Monschauer Straße
193°
Mitarbeiter: Johannes Krahn

Im August 1930 wurde Schwarz als Direktor


der Kunstgewerbeschule Aachen vom Ober¬
bürgermeister der Stadt eingeladen, einer Be¬
ratungsstelle für Friedhofskunst beizutreten.
Er sagte zu und bot gleichzeitig an, daß die
Kunstgewerbeschule einen Vorschlag für die
Hochbauten und das Hochkreuz des neuen Es ist nicht bekannt, ob es sich um einen /Auf¬
1928 war vom Auftraggeber eine wettbewerbs¬ Waldfriedhofs ausarbeiten werde, obschon er trag oder um einen Idealentwurf bei diesem ei¬
ähnliche Ausschreibung für ein Kriegerdenk¬ nicht mit einem Auftrag rechnete, da bereits genwilligen Wohnhaus in Verbindung mit ei¬
mal erfolgt, bei der siebzehn Entwürfe einge¬ ein Entwurf des Hochbauamts vorlag. ner Kapelle handelt. Die meisten Pläne jener
reicht worden waren. Der Friedhof liegt als Lichtung in einem frühen Zeit wurden mit einem Buchstaben ge¬
Uber ein Preisgericht ist nichts bekannt. Hochtal, dessen Ränder in klarer Linie eine kennzeichnet, der entweder Hinweis auf den
Schwarz wurde, nachdem einige Entwürfe be¬ rechteckige Gräberfläche begrenzen. Die An¬ Namen des Bauherrn oder den Ort des zu bau¬
reits wieder an die Verfasser zurückgegeben lage umfaßt als Kernstück eine einhundert Me¬ enden Objektes gab. Deshalb ist anzunehmen,
worden waren, als Gutachter herangezogen. ter lange offene Halle, an der die notwendigen daß der Auftrag für einen Vorentwurf bestand.
Seiner Beurteilung nach kam keine der Arbei¬ Verwaltungsräume, Leichenkammern und die An einer rechtwinkligen Mauer, deren einer
ten für die Ausführung infrage. Anfang 1929 Einsegnungshalle liegen. Letztere wird in zwei Schenkel 30, der andere 2 1 Meter lang ist, sind
wurde er mit der Ausführung des Denkmals Varianten angeboten: einer kreisrunden und an einem Ende die Hauskapelle, am anderen
beauftragt. Das vom Eschweiler Bergwerks¬ einer hufeisenförmigen. In beiden Fällen ste¬ vier Schlafräume mit Bädern angeordnet.
verein gestiftete Grundstück liegt an der Kreu¬ hen die Leidtragenden im Dreiviertelkreis um Im Scheitelpunkt des Mauerwinkels liegen am
zung von vier Straßen in städtebaulich un¬ den Sarg, der vor einer Wand aufgestellt ist. längeren Schenkel Wohn-Eßraum, Arbeits¬
übersichtlicher Lage. Schwarz entwarf ein Feierlichkeit wird durch die elementare zimmer, Küche und Zimmer für eine Hausan¬
gleicharmiges Kreuz von fünf Metern Höhe Grundform des Kreises und durch einfache, gestellte. Nur der Eingang ist als kleiner Block
und einem Meter Tiefe aus Eisenplatten, das vom Boden bis zur Decke reichende Fenster in den Winkel gebaut. Die einzelnen Gebäu¬
Wegkreuz und Eisernes Kreuz zugleich dar¬ gesucht. deteile sind jeweils durch schmale Gänge ent¬
stellen sollte. Die 1 x 1 Meter großen Gußei¬ Am Ende der Friedhofsachse bilden drei Holz¬ lang der Mauer miteinander verbunden, deren
senplatten waren aut einem schmiedeeisernen kreuze, in engem Kreis zusammengestellt, ei¬ offene Seiten verglast sind. Die Anlage ist ein¬
Gerüst aufgebracht und mit großen sichtbaren nen Kalvarienberg. Der Besucher steht auf ein¬ geschossig und mit flachem Dach versehen.
Klammern aneinandergefügt. Auf den unteren geschränkter Fläche zu Füßen der drei 12 Über die Konstruktion ist nichts ausgesagt.
acht Platten des Kreuzstammes sind die Na¬ Meter hohen Kreuze. Die gewählten Größen¬
Archiv: PK 9
men der Gefallenen des Ersten Weltkrieges verhältnisse ergeben eine eindringliche Wir¬
aufgebracht, die aus der Gemeinde stammten. kung. Konstruktion der Hochbauten: Stahlbe¬
Von Curt Schwippert wurde die Schrift gestal¬ ton mit Kalkanstrich. Dachdeckung: Gußdach;
tet. Den hinteren Abschluß der Gedenkstätte Stahlfenster. Kreuze: Vollholzkonstruktion. 17
zu einem kleinen parkähnlichen Grünbereich Entwurf Kapelle »J1«
Archiv: PK 6
bildeten eine massive Wand und eine breite ohne Ort
Sitzbank. Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Entwurf der 1931
»Nichts von einer Preisung des Heldentums, Hochbauten auf dem Neuen Friedhof am Bismarck¬ Mitarbeiter: Johannes Krahn
das diese Toten ja doch bewiesen hatten, auch denkmal zu Aachen. 1930. 5 S. Typoskript.
nichts von einer Erklärung ihres Leides. Das Vom Entwurf dieser Kapelle existieren ledig¬
Kreuz lastet schwer auf der Erde als Frage« lich ein Grundriß i.M. 1:100, eine perspektivi¬
(RS). sche Außen- und eine perspektivische In¬
1955/56 wurde die Gedenkstätte erweitert zum nenansicht als Kohleskizzen. Die kleine Kirche
Gedenken an die Mariadorfer Toten des Zwei¬ mit den Außenmaßen 16,5 x 10 Meter ist für
ten Weltkrieges. Im Zuge dieser Erweiterung einhundert Personen bestimmt. Durch zwei
wurde das Schwarzsche Kreuz entfernt. Dieje¬ Stützen, die im Abstand von 2,5 Metern von
nigen Eisenplatten, die die Namen der Toten der linken Wand stehen, wird eine Art Seiten¬
des Ersten Weltkrieges tragen, wurden in zwei schiff gebildet, das so hoch wie die Kirche ist.
Gruppen zu je vier Platten auf den Boden der Der Altarbereich nimmt die gesamte Gebäude¬
Gedenkstätte gelegt. breite von 10 Metern ein. Er ist um eine Stufe
erhöht. Ein kleiner niedriger Anbau auf der
Archiv: PK 5 rechten Seite beherbergt die Sakristei, von der
aus man den Altarraum betritt und den Beicht-

237
i einzige Lichtquelle bildet die völlig 20 kenberg und Josef Zeller geschmückt. Im
L mrkclöste linke Chorwand. Der Zu- Kapelle St. Albert Zweiten Weltkrieg wurde die Kapelle zerstört.
1 Kirche erfolgt über einen schluchtar- Kreuzau-Leversbach Anfang der fünfziger Jahre wurde sie wieder
. < rhof, dessen Wände so hoch sind wie Bauherr: Kapellenverein Leversbach aufgebaut nach den alten Plänen mit der einzi¬
Kirche und dessen offene Seite von einem I93i-I932 gen Änderung, daß die seitlichen Lichtwände
1-funnigen Kreuz unterbrochen wird, das Mitarbeiter: Johannes Krahn durch 0,5 Meter hohe Brüstungen zu Fenstern
linlich ausgebildet ist wie das des Modells wurden. Heute steht die auf einer baumbestan¬
Vierwandkirche« beim Wettbewerb für die denen Wiese geplante und gebaute Kirche in¬
Ileiliggeistkirehe in Aachen aus dem Jahr mitten von Wohnhäusern.
i 928. In der Gesamtkonzeption ähnelt dieser Konstruktion: Bruchsteinmauerwerk aus Bunt¬
Entwurf der Kapelle St. Albert in Leversbach, sandstein, innen weiß verputzt; Dach: sichtbare
die zur gleichen Zeit entstanden ist. Holzkonstruktion, flach geneigt, mit Pappe
eingedeckt; Fenster: Holz mit Rohglas ausge¬
Archiv: PK 11 b
facht; Fußboden: schwarzer Schiefer; Altar:
Sandstein.

Archiv: PK 12
18
Entwürfe für Minimalhaustypen
Literatur: I lans I Iilger. Vre die Leversbacher ihre Ka¬
ohne Ort pelle gebaut haben. In: Die Schildgenossen 13(1933)2,
1931 S. 153-158; Bildbeilage. In: Die Schildgenossen
Mitarbeiter: Johannes Krahn l3(l933)3; Guido Harbers. Kleine Steinkirche in Le¬
versbach für etwa 200 Besucher. In: Baumeister
31(1933)9, S. 325-328; Zwei Bauten von RS und ein
Bei den vorliegenden insgesamt elf Varianten
Brief. In: Monatshefte für Baukunst und Städtebau
(neun i.M. 1:100; zwei i.M. 1:50) handelt es 19(1935)8. S. 267-272; Zwei Bauten von RS und ein
sich um Einfamlienhäuser einfachster Art, die Brief. In: Bauwelt 26(1935) 26, S. 3-8; Kapelle in Le¬
offenbar z.T. in Selbsthilfe für kinderreiche Ar¬ versbach in der Eifel. In: Werk 36(1949)4, S. 106; Ka¬
pelle in Leversbach in der Eifel, ln: Baukunst und Werk-
beiterfamilien erstellt werden konnten. Alle
fornt (1948)2, S. 91-92; RS. Kirchenbau. Heidelberg
Entwürfe sind in mehreren Stufen erweiterbar
i960. S. 30-35; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchen¬
und somit den Bedürfnissen einer wachsenden architektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 333-335;
Familie angepasst. Die barackenähnlichen Walter Zahner. RS - Baumeister der Neuen Gemeinde.
Häuschen sind nicht unterkellert, die Wände Altenberge 1992. S. 221-226.
teilweise aus Schwemmsteinen, teilweise aus
Fachwerk, mit flach geneigten Pappdächern
auf Holzbalken. Es kann wegen fehlender 21
schriftlicher Unterlagen nicht mehr festgestellt 1931, in der Zeit größter Arbeitslosigkeit in¬ Entwurf Pfarrkirche Johann Baptist
werden, ob diesen Entwürfen ein Planungsauf¬ folge der anhaltenden Wirtschaftskrise, gelang Hanau - Groß Steinheim, Albanusstraße
trag zugrunde lag. es dem Leversbacher Lehrer Hans Hilger, 1932_I933
einen bereits vor 1914 bestehenden Kapellen¬ Mitarbeiter: Johannes Krahn
Archiv: PK 7a
verein zu reaktivieren und Schwarz als Archi¬
tekten sowie weitere Künstler der Kunstgewer¬
beschule Aachen für einen Kapellenbau zu
19 gewinnen. Die kirchlichen Behörden waren
Entwurf Umbau Wohn- und Geschäftshaus wegen fehlender finanzieller Mittel gegen den
Köln, Hohenstaufenring 38 Bau. Trotzdem setzten sich die Bauwilligen
1931 durch, und es gelang, mit Stiftungen in Geld
Mitarbeiter: Johannes Krahn und Material Mittel für den Bau des Kirchleins
aufzubringen.
Aus dem vorhandenen Grundrißplan i.M. Die kleine Kirche hat die Grundmaße 17,8 x
1:100 geht hervor, daß das Erdgeschoß dieses 8,8 Meter. Der Altarbereich nimmt fast ein
Wohnhauses, das sich im Besitz der Familie Drittel des Raumes ein. Hier sind die Seiten als
Schwarz befand, für die Röntgenpraxis eines Lichtwände aufgelöst, während die Altarrück¬ Die Kirche ist für fast eintausend Gläubige
Arztes in den hinter dem Haus gelegenen Gar¬ wand geschlossen bleibt. Ihr gegenüber liegt konzipiert. Es liegen mehrere Entwurfsvarian¬
ten hinein erweitert werden sollte. der Eingang, durch ein Vordach und eine ten vor.
Zwei Varianten zeigen unterschiedliche Auftei¬ Windfangmauer geschützt. Zwei Reihen von je Entwurf 1: Diese wiederholt publizierte Va¬
lungen der Praxisräume. Da jede Zeichnung in fünf Holzstützen tragen das mit seiner Holz¬ riante baut auf einem T-förmigen Grundriß
größerem Maßstab fehlt, scheint es sich um ei¬ konstruktion sichtbare, flach geneigte Sattel¬ auf. Das Hauptschiff mißt 32 x 17 Meter, die
nen Vorentwurf gehandelt zu haben, der nicht dach. Eine kleine Sakristei ist seitlich an der Arme des Querschiffs stehen auf quadrati¬
zur Ausführung kam. Längswand der Kirche angebaut. Zwei stark schem Grundriß 10 x 10 Meter. Der Chor ist
abgeschrägte Pfeilervorlagen stützen die Altar¬ mit einer kleinen Apside von 6 Meter Durch¬
Archiv: PK 8a
rückwand. messer gerundet, um die sich ebenfalls halb¬
Ausstattung und Geräte wurden von den Gold¬ kreisförmig sehr niedrig die Beichtkapelle mit
schmieden Fritz Schwerdt und Anton Schickei der Sakristei legt. Die Altarinsel ragt weit in
gearbeitet. Das Marienbild im Altarbereich den Kirchenraum hinein. Um sie gruppieren
stammte von Maria Eulenbruch. In die Wind¬ sich die Gläubigen in Form des offenen Rin¬
fangmauer vor der Kapelle wurde ein ehe¬ ges. Der Turm erhebt sich auf quadratischem
maliges Maschinenfundament aus Blaustein Grundriß in der Ebene der Eingangsfront. Die
eingemauert und durch Reliefs von Hein Min- Stirnwände des Querschiffs sind in Glas aufge-

238
löst, ebenso die Rückwand des Hauptschiffes, 23
wahrend die Seitenwände geschlossen bleiben. Entwurf Erweiterung Pfarrkirche
Die Kirche hat vier Eingänge, je einen an den Kahl am Main, Hörsteiner Weg
beiden Armen des Querschiffs und zwei seitli¬ 1932
che im rückwärtigen Bereich des I Iauptschiffs. Mitarbeiter: Johannes Krahn
In der Längsachse führt ein 25 Meter langer
gedeckter Gang von der Sakristei zum Pfarr¬
haus, das im hinteren Teil des langen, schma¬
len Grundstücks geplant ist. Als Dach ist eine
n
flach gewölbte Betonschale vorgesehen. Eine
Reihe von Fassadenvarianten - offenbar auf
Wunsch des Bauherrn entstanden - zeigen
Rundbogenfenster, die sich gleichmäßig über
den Bau verteilen, oft in zwei Reihen überein¬ hen. Der Altar steht im Mittelpunkt der
ander angeordnet. Konche, die Altarinsel ist jedoch weit in den
Kirchenraum hineingezogen. Vom I lauptpor-
tal führt ein Mittelgang auf den Altar zu. Die¬
ser Entwurf ist für etwa 600 Plätze ausgelegt.
Die Vorentwürfe sind nicht so weit ausgearbei¬
Die Planunterlagen zu diesem Entwurf sind tet, daß sich Aussagen über die Konstruktion
unvollständig. Es liegen zwei Grundrisse vor machen ließen.
und eine Reihe von Schnitten und Ansichten,
Archiv: PK nc; Deutsches Architektur-Museum Frank¬
die offensichtlich zu anderen Grundrissen
furt, Nachlaß Johannes Krahn
gehören, die verloren sind.
Die kleine barocke Kirche sollte erweitert wer¬
den, um der wachsenden Gemeinde Platz zu 24
Entwurf 2 ist als Wegkirche entworfen. Das geben. Entwurf große Kirche
ebenfalls 17 Meter breite Hauptschiff ist von Entwurf 1 sieht vor, daß der Chorraum des Milwaukee, Wisconsin, USA
zwei schmalen Seitenschiffen flankiert, die nur vorhandenen Kirchleins von einem Querschiff 193 2
durch jeweils drei dünne Stützen abgetrennt mit zwei ungleich langen Armen durchbrochen Mitarbeiter: Johannes Krahn
sind. Der mit 15 Metern sehr tiefe Chorraum wird, wobei der größere fast die Maße des
hat die Breite des Hauptschiffes. Seine beiden Längsschiffs hat. Die Stirnwände des Quer¬ Weder der Name des Auftraggebers noch der
Seiten sind als Lichtwände aufgelöst. Hinter schiffs sind in senkrechte Lichtschlitze auf¬ Name der Kirche sind bekannt, schriftliche
dem Chor liegen Beichtraum und Sakristei. gelöst. Zwei Eingänge sind mit kleinen Wind¬ Unterlagen sind nicht vorhanden. Schwarz
Der rechteckige Turm steht in der Mittelachse fängen im äußeren Teil eines jeden Armes selbst erwähnt in seinem Buch »Kirchenbau«,
der Kirche zur Straße hin, durch einen Wind¬ angeordnet. Der Anbau ist einmal mit flachem, daß die Aufforderung zum Entwuirf dieses
fang von ihr getrennt. Durch ihn führt der einmal mit Satteldach gezeichnet. Der Altar Doms etwas »neblig« war. Die sehr große
Eingang in die Kirche. steht auf einer Insel, die fast die Breite des Kirche ist für 1200 Plätze geplant. Schwarz
Beide Entwürfe fanden weder die Zustimmung Hauptschiffes hat und weit in den Raum hin¬ schreibt, daß er bei dieser Arbeit die Bedeu¬
des Kirchenvorstandes noch die des General¬ einragt. Durch die breiten Arme ordnen sich tung absoluter Maße erfahren habe, weil der
vikariats. Für den Kirchenneubau wurde ein die Gläubigen in Form eines offenen Ringes Bau der unabänderlichen Größe des mensch¬
beschränkter Wettbewerb ausgeschrieben, zu um den Altar. Die Kirche ist für 360 Plätze lichen Körpers gegenüberstehe und daß der
dem Schwarz nicht mehr eingeladen wurde. ausgelegt. große Bau, je größer er wird, desto mehr zur
absoluten mathematischen Form, zum Kristall
Archiv: PK 15
wird. Es entstanden zwrei Varianten für diesen
Bau.
Literatur: Entwurf der Pfarrkirche Groß-Steinheim
1932. In: Baukunst und Werkform (1948)2, S. 94; RS. Entwurf 1 basiert auf einem kreuzförmigen
Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 55—56; Karin Becker. Grundriß mit einer Gesamtlänge von 80 Me¬
RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Dissertation). Biele¬ tern, einer Breite von 20 Metern und einer
feld 1981. S. 21-22; 336-338; Hanna Dannien-Maas- Höhe von 30 Metern. Die Arme des Quer¬
sen. Kirchenbauten und Entwürfe von Johannes Krahn
schiffs und der Chorraum bilden jeweils ein
(Magisterarbeit). Marburg 1989. S. 33—35.
Quadrat mit einer Kantenlänge von 20 Me¬
tern. Der Grundriß ist somit auf sechs Feldern
22 von 20 x 20 Metern aufgebaut. Ein weiteres
Entwurf Pfarrkirche
Ilsenburg/Harz, Schloß-Straße 1
1932
Mitarbeiter: Johannes Krahn Entwurf 2 beläßt die kleine Kirche in ihrer
Grundform und stellt auf den freien Platz da¬
Der einzige Hinweis auf den Entwurf für die vor einen Neubau, der nur durch einen sehr
Pfarrkirche stammt aus Listen über bearbeitete schmalen Gang mit dem Altbau verbunden I
oder zu bearbeitende Projekte von Schwarz. ist. Der T-förmige Grundriß hat einen kleinen I
Die Kirche wurde 1935 von einem Architekten in Glas aufgelösten halbkreisförmigen Chor.
aus Halle realisiert. Es kann sich bei dem Die Stirnwände der Querarme sind auch hier
erwähnten Entwurf um einen Wettbewerb in senkrechte Lichtschlitze aufgelöst. Der
gehandelt haben, obwohl im Pfarramt Ilsen- Grundriß des Längsschiffs ist fast quadratisch.
burg darüber nichts mehr bekannt ist. Im hinteren Bereich ist eine Empore vorgese-

239
1 :i.!e; die dem Langschiff Vorgeh¬ Entwurf 2 baut auf einem T-förmigen Grund¬ 26
en.'Ege Vorhalle mit drei Eingän- riß auf. Das Langschiff ist mit 33 Metern brei¬ Einfamilienhaus
tirnwand. Der zwölf Stufen hohe ter als das des Entwurfs 1, die Maße des Quer¬ Köln-Brück, Lehmbacher Weg 29
: hat die Breite und Tiefe des Chor- schiffs und die Höhe entsprechen ihm. Der Bauherr: Josef Schräge
' ;ner ihm liegt die Krypta mit einem Innenraum ist durch schlanke Stahlstützen in 1933 — 1934
i ■ ( ■ r6 Stützen. Eine leicht geschwun- quadratische Grundrißfelder von 10 x 10 Me¬ Mitarbeiter: Johannes Krahn
. ic Empore ist wie eine Brücke über das tern gegliedert. Der um fünf Stufen erhöhte
Jm Querschiff gespannt. Die Stirnwände Altarbereich ist einem dieser Felder einbezo¬
der Querschiffe und die Rückwand des Haupt¬ gen und bildet eine Insel. Die Krypta liegt un¬
raums sind von oben bis unten in schmale ter dem rechten Arm des Querschiffs. Sie hat
Glasstreifen aufgelöst, die durch tiefe senk¬ bei diesem Entwurf nur eine dicke Mittel¬
rechte Sprossen gegliedert sind. stütze. Die Empore ist wie bei Entwurf 1 als
Die Konstruktion besteht, soweit erkennbar, leicht geschwungene Brücke, hier über dem
aus doppelschaligem verputztem Mauerwerk linken Arm des Querschiffs ausgebildet. An¬
mit innenliegendem Rahmenwerk aus Stahl¬ ders als in Entwurf 1 betritt man die Kirche
beton, ähnlich der Konstruktion der Fronleich¬ durch einen sehr kleinen Windfang von 3x3
namskirche in Aachen. Die Decke besteht aus Metern mit seitlichen Türen. Die Licht¬
leicht geschwungenen Stahlbetonkappen über führung ist ähnlich wie beim ersten Plan. Die
den Grundrissfeldern von 20 x 20 Metern. Stirnwände des Querschiffs sind in senkrechte
Glasstreifen aufgelöst. In der Rückwand des
Längsschiffs sind zwei fast 10 Meter breite,
ebenfalls senkrecht gegliederte Felder durch
einen breiten Pfeiler getrennt. Die angedeu¬
tete Konstruktion gleicht der von Entwurf 1,
nur sind die Deckenfelder entsprechend den
Stützenabständen über Quadraten von 10 x 10
Metern geschwungen.
Bei beiden Varianten steht ein 88 Meter hoher
quadratischer Turm auf einer Grundfläche von
7,5 x 7,5 Metern als Campanile neben der Ein¬
gangsfront. Er ist als nicht ausgefachter Stahl¬
betonskelettbau mit Querträgern in jeweils
15 Metern Höhenabstand ausgebildet. Frei
sichtbar steigt die Treppe zum ebenfalls offe¬
nen Glockenstuhl hinauf.
Auf einem schmalen, aber tiefen Grundstück
Archiv: PK 11
ist das eingeschossige Gebäude auf T-förmi-

□ Literatur: Baukunst und Werkform (1947)1, S.93; Bau¬


kunst und Werkform (1948)2, S. 95; RS. Kirchenbau.
gem Grundriß als »wachsendes Haus« geplant.
Zunächst wurde - wahrscheinlich aus Geld¬
Heidelberg i960. S. 46-48; Karin Becker. RS mangel - nur ein winkelförmiger Kernbereich
1897-1961. Kirchenarchitektur (Dissertation). Bielefeld gebaut, bestehend aus Diele, Küche, Eßzim¬
1981. S. 20-21, 335-336.
mer und Wohnraum.
Der Wohnraum ist nach Südosten zum Garten
hin mit drei Fenstertüren geöffnet. Das E߬
25 zimmer liegt zum Wohnraum im rechten Win¬
Umbau Kapelle kel und öffnet sich einmal auf die Südostter¬
Petersberg rasse wie der Wohnraum, zum andern auf der

x932 gegenüberliegenden Seite zu einer anderen


Mitarbeiter: Johannes Krahn Terrasse nach Westen hin. Es entsteht eine
Durchdringung Innen - Außen, und die
Die kleine Kapelle Petersberg erhielt einen Räume erhalten einmal Frühstücks-, einmal
neuen Fußboden aus an Ort und Stelle ge¬ Abendbrotlicht.
stampftem Feinbeton und einen neuen Altar, Im folgenden Jahr wurde das Kerngebäude in
von dem in den Planunterlagen zwei Varianten drei Richtungen erweitert. An das Eßzimmer
vorliegen: eine als Werksteinaltar aus Sand¬ schließen sich Zimmer für vier Kinder, Bad
stein, die andere als dicke Holzplatte auf ge¬ und Elternschlafzimmer an, nach Nordosten
mauertem Sockel. Die von der Decke hän¬ an die Küche das Zimmer für die Hausange¬
gende Ewiglichtschale ist ähnlich der in der stellte und ein Nutzraum, ans Wohnzimmer in
Kapelle von Leversbach gestaltet. Die beiden Richtung zur Straße die Garage.
Fenster sind mit Vorhängen von der Decke bis Der Trakt der Kinderzimmer ist unterkellert.
zum Fußboden verhängt. Da das Gebäude zum Nutzgarten hinter dem
Es ist nicht bekannt, ob der Entwurf realisiert Haus abfällt, ist die Zweigeschossigkeit auf
wurde. dieser Seite durch die Fenstergliederung ables¬
rpjiDii
I* In Archiv: PK 1 ia
bar. Die unteren Räume sind mit eigenem Ein¬
gang versehen und können gegebenenfalls als
Einliegerwohnung benutzt werden. Die Fas¬
1_ sade ist mit einfachen Mitteln gegliedert. Die

240
Hauptfronten, die im Winkel zum Wohn- schiedliche, für die Bedürfnisse der Bewohner
garten gelegenen Fassaden sind bis auf die zugeschnittene Grundrisse. Für die Familie
großen Öffnungen von Wohn- und Eßraum der Schwester sind im Erdgeschoß drei Zim¬
zur Terrasse hin ebenfalls fast geschlossen, mer und die Küche, für Mutter und Bruder
lediglich ein schmales hohes Fenster dient der zwei Wohnräume und Küche angeordnet. In
Belichtung des Flurs bei den Kinderzimmern. den Obergeschossen liegen jeweils drei ver¬
Der Bau ist mit einem nur gering überstehen¬ schieden große Zimmer und geräumige Bäder.
den Flachdach versehen. Er ist glatt weiß ver¬ Durch das flach geneigte Pultdach entsteht die
putzt. Wirkung eines kubischen Baukörpers, der zum
In den achtziger Jahren wechselte das Haus rückwärts gelegenen Garten hin durch ein erd¬
den Besitzer. Es wurde abgerissen, das Grund¬ geschossig um 1,2 Meter herausragendes Bau¬
stück wurde unterteilt und mit mehreren Ein¬ teil am I laus der Schwester unterbrochen wird.
familienhäusern bebaut. Die Fensteröffnungen sind der Bedeutung der
Räume gemäß unterschiedlich groß bemessen
Archiv: PK 14
und unregelmäßig über die Fassade verteilt.
Literamr: Zwei Landhäuser von Rudolf Schwarz und In den sechziger Jahren wurde das Haus ge¬
Johannes Krahn. In: Monatshefte für Baukunst und ringfügig erweitert durch Aufstockung des erd¬
Städtebau 24(1940)1, S. 13—16; Susanne Willen. Einfa¬ geschossigen Bauteils, der zum Garten hin
milienhäuser im Stil des Neuen Bauens in Köln (Ma¬ liegt.
gisterarbeit). Köln 1989. S. 66-69.
Konstruktion: Mauerwerksbau, glatt verputzt,
Dach: flach geneigtes Pultdach in Stahlbeton,
mit Pappe gedeckt.
27
Doppelhaus Archiv: PK 70

Köln-Lövenich, Kölner Straße 33-35 Treppe, die ins Mittelschiff führt, betreten.
Literatur: Susanne W illen. Einfamilienhäuser im Stil des
Bauherren: Dr. jur. Otto Schwab; Josef Schwarz Neuen Bauens (Magisterarbeit). Köln 1989. S. 65-67. Die beiden Seitenschiffe endeten im Chor¬
1933 bereich jeweils mit einem Meßaltar. Der
Mitarbeiter: Johannes Krahn Hauptaltar stand als Retabelaltar in einem sehr
28 kleinen Chorraum.
Entwurf Friedhofsanlage Schwarz ließ zunächst die stark zerstörte far¬
Kreuzau-Leversbach benprächtige Ausmalung der gesamten Kirche
193 3 hell überstreichen. Dann entfernte er die bei¬
den Nebenaltäre. Im rechten Seitenschiff
An der Kapelle, die nach dem Entwurf von stellte er den Tabernakel in eine schmale, vom
Schwarz 1933 fertiggestellt worden war, sollte Fußboden bis unter die Decke reichende Ni¬
der Friedhof angelegt werden. sche. Dieser wie ein Felsspalt wirkende Schlitz
Schwarz entwarf die Aufteilung für 60 Erwach¬ ist mit dunklem Mosaik belegt, in das ab und
senen- und 56 Kindergräber, die sich um eine zu goldene Plättchen eingestreut sind. Der
Wiese, auf der ein Baum steht, auf einem fast schmale hohe Tabernakel ist Oranz einfach in
quadratischen Grundstück gruppieren. In der Gold gehalten, die aufsteigende Taube in
W lese erhebt sich ein massives 3 Aleter hohes Email gestaltete Ludwig Gies. Von der Decke
Holzkreuz. hängt die Ewiglichtschale, ähnlich der in der
Wie aus der Korrespondenz mit dem Amts¬ Kapelle von Leversbach. Ins linke Seitenschiff
direktor aus dem Jahr 1948 hervorgeht, ist der stellte Schwarz das Marienbild ohne Mensa auf
Friedhof nicht in der vorgeschlagenen Form den Fußboden zwischen Kerzen.
angelegt worden. Eine Werktagskapelle wurde unter der Em¬
pore hinter dem Treppenaufgang ins Haupt¬
Archiv: PK 12/3
schiff quer zu den Schiffen gelegt. Der ein¬
fache Altar ist als Tisch aus Eichenholz
gearbeitet, darüber hängt ein Kruzifixus von
29 Maria Stapp. Anton Wendling entwarf die far¬
Umbau Liebfrauenkirche bige Fensterverglasung.
Leipzig-Lindenau, Karl Heine-Straße 110 Zu der Neugestaltung des Chorraumes kam es
Bauherr: Oratorium des heiligen Philipp Neri, damals nicht mehr. Vorschläge aus dem Jahr
Leipzig 1957 (WV 165) kamen auch nicht zur Aus¬
!933—x934 führung. Erst 1964 wurde die Erneuerung
Mit dem Auftrag für das Doppelwohnhaus in Mitarbeiter: Johannes Krahn durchgeführt. Der emaillierte Radleuchter ist
Lövenich für die vierköpfige Familie der von Maria Schwarz entworfen. Im linken Sei¬
Schwester und für seine Mutter und den Bru¬ Die im Jahr 1907 im romanischen Stil erbaute tenschiff wurde die Marienfigur durch ein
der beginnt die Serie der Wohnhäuser, die Kirche sollte erneuert und eiweitert werden. Wandmosaik von Thea Schneiders ersetzt.
Schwarz zwischen 1933 und 1940 baute. Die Kirche war 1931 dem Oratorium des heili¬
Archiv: PK 23a; Katholisches Pfarramt Liebfrauen, Leip¬
Das am Ortsausgang der Gemeinde Lövenich gen Philipp Neri anvertraut worden, einer
zig-Lindenau
gelegene Grundstück ist lang, aber relativ geistlichen Gemeinschaft, die sich nach dem
schmal, für jede Partei nur 11,5 Meter breit. Vorbild des Heiligen und der von ihm gegrün¬
Literatur: RS. Raumordnung des Gottesdienstes. In: Die
Diese Grundstücksform bedingt die kompakte deten Gemeinde in Rom ausrichtet. Schildgenossen 16(1936/37)2/3, S. 151—153; RS. Um¬
Bauweise. Die von den jeweiligen Seitenfron¬ Die Kirche liegt im Obergeschoß eines Ge¬ formung von drei Kirchen aus der Zeit des I listorismus.
ten erschlossenen Haushälften haben unter¬ bäudekomplexes. Sie wird durch eine breite In: Die Schildgenossen 17 (1938) 4/5, S. 370-374; RS.

241
■ k*n drei Kirchen aus der Zeit des Eßzimmer und eine große überdachte Ter¬ den. Fest steht, daß sie 1934 zu einer Gebiets¬
In: RS (Hg.). Betendes Werk. Würzburg rasse. führerschule umgebaut wurde, nachdem sie
Kirche der Oratorianer in Leipzig.
Im Obergeschoß sind neun Räume unter¬ 1932 ein Schullandheim beherbergt hatte.
;t-i und Werkform (1948)2, S. 96; RS. Kir-
hai Heidelberg 1960. S. 71-73; Clemens Rosner. gebracht: das große Wohn- und Gesprächs¬ 1945 brannte die Burg im Zuge der Kriegs¬
u.iuenkirehe in Leipzig-Lindenau und die Ge- zimmer, das hauptsächlich der Aussprache des handlungen des Zweiten Weltkrieges völlig
der Gemeinde. Leipzig 1991. 15 S. Arztes mit den Patienten in größerem Kreis aus. Inzwischen ist sie restauriert worden.
dient mit dem Balkon über der Terrasse, von
dem eine einläufige Treppe in den Garten
30 führt, Bibliothek, ein kleines Wohnzimmer für 32
Einfamilienhaus mit Arztpraxis die Familie, Schlaf- und Gastzimmer und An- und Umbau Einfamilienhaus
Offenbach, Frankfurter Straße iio Räume für Hausangestellte. Die drei nach Offenbach, Tambourweg 3
Bauherr: Dr. med. Georg Volk Süden zum Garten gelegenen Zimmer haben Bauherr: Dr. med. Hermann Frühauf
!933_I934 breite Fenstertüren mit kleinen Austritten. 1934
Mitarbeiter: Johannes Krahn Die Straßenfront mit ihren unregelmäßig ver¬ Mitarbeiter: Johannes Krahn
teilten unterschiedlich großen Fenstern hat
eine ähnliche Wirkung wie die des zur gleichen Das kleine zweigeschossige Wohnhaus konnte
Zeit entstandenen Doppelhauses Schwab/ durch Zukauf von Gelände erweitert und auch
Schwarz in Lövenich. Die Südfassade zum im Innenbereich umgebaut werden. Im Erd¬
Garten hin ist weitgehend aufgerissen. geschoß wurden nach Süden zwei Räume an¬
Das sehr flach geneigte Pultdach steht nur an gebaut, die 3 Meter über den vorhandenen
den Längsfronten geringfügig über, so daß der Baukörper in den Garten hineinragen. Das bis¬
Eindruck eines kubischen Baukörpers entsteht. herige Atelier, das die gesamte Nordseite des
© © © © Die zarte Wirkung der Fensterteilung wird Hauses einnimmt, wurde geteilt. Hier entstan¬
durch die Verwendung von Stahl hervorgeru¬ den das Arbeitszimmer des Hausherrn und ein
fen. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg Gastzimmer. Von der Diele, die ebenfalls die
teilweise zerstört, nach dem Krieg aber in der Tiefe des Hauses einnahm, wurde ein Wirt¬
ursprünglichen Form wiederhergestellt. schaftsflur abgeteilt, der zum Garten hin liegt.
Konstruktion: Stahlbetongerippebau, mit Das bisherige Wohnzimmer ist jetzt Eßraum,
Schwemmsteinen ausgefacht und außen rauh der mit dem angebauten Wohnzimmer durch
verputzt; Stahlbetongeschoßdecken; Dach: eine großzügige Öffnung verbunden ist. Ein
flach geneigtes Pultdach in Stahlbeton, mit Kinderwohnzimmer schließt sich zum Garten
Pappe gedeckt; Fenster: Stahl; Geländer: hin an den Wohnraum an.
Stahlrohr. Im Obergeschoß ist der gesamte Anbau als
Dachterrasse ausgebildet, die im mittleren Teil
Archiv: PK 17
überdacht ist. Das Geländer dieser Terrasse ist
zum Garten in der für Schwarz typischen
Literatur: Alfons Leid. Das Haus eines Arztes. In: Bau¬
welt 25(1934)52, S. 1-8; Wohnhäuser von RS. In: Bau¬ Weise in Stahlrohr ausgebildet, dazwischen
kunst und Werkform (1948)2, S. 68-72. sind Drahtgeflechtrahmen gehängt. Nach
Westen ist die Terrasse mit einer fast gescho߬
hohen Drahtglaswand geschlossen, während
31 die Ostseite eine gemauerte Brüstung hat.
Umbau Cadolzburg Das im Zweiten Weltkrieg ausgebrannte Haus
Cadolzburg bei Fürth wurde 1948 von Johannes Krahn wieder auf¬
1934 gebaut.
Mitarbeiter: Johannes Krahn
.Archiv: Deutsches Architektur-Museum Frankfurt,
Nachlaß Johannes Krahn
Nur aus der Korrespondenz mit der Mutter im
Juni 1934 ist zu ersehen, daß Schwarz die im Literatur: Zwei Bauten von RS und ein Brief. In: Mo¬
Besitz der Hohenzollern befindliche Cadolz¬ natshefte für Baukunst und Städtebau 19(1935)8, S.
Mit dem Auftrag des Hauses für Dr. Volk, den burg umbaute. 267-272; Zwei Bauten von RS und ein Brief. In: Bau¬
welt 26(1935)26, S. 3-8; Wohnungsbauten. In: Nach¬
er vom Quickborn und der Burg Rothenfels »In der Nürnberger Gegend baue ich eine der
richten der Deutsche Linoleumwerke AG. (1937)30,
kannte, begann die Serie der Arzthäuser, die schönsten deutschen Burgen um, den Stamm¬
S. 30; Alfons Leid. Wohnhäuser von RS. In: Baukunst
Schwarz bis zum Kriegsausbruch 1939 baute. sitz der Hohenzollern ... Himmelhohe Mau¬ und Werkform (1948)2, S. 69.
Das Grundstück mit altem Baumbestand liegt ern rundum und innen darin ganz zarte goti¬
zwischen Frankfurt und Offenbach. sche Bauwerke mit schönen alten Werken und
Der zweigeschossige L-förmige Baukörper ist Gewölben.« (4. Juni 1934).
so angeordnet, daß ein geschützter Südwest¬ Am 25. Juni 1934 folgt der zweite Bericht: 33
winkel im Garten entsteht. Praxis und Privat¬ »Inzwischen mußt Du mich auf der Cadolz¬ Einfamilienhaus
wohnung werden durch einen gemeinsamen burg vermuten, was eine sehr schöne aber arg Berlin-Schlachtensee, Niklasstraße 50
zur Straße liegenden Eingang erschlossen. Dr. verwahrloste Burg ist, die sehr schön werden Bauherr: Rudolf Schwarz
Volk lehnte die sonst übliche Trennung von soll mit großen Sälen und so was allem, nicht 1935
Praxis- und Privaträumen ab, was auch darin unähnlich wie Rothenfels. Vorläufig ist es aber Mitarbeiter: Johannes Krahn
zum Ausdruck kommt, daß die Sprechzimmer sehr spartanisch da...« Bauleitung: Emil Steffann
sich mit ihren großen Fenstern zum Garten Ob die Baumaßnahmen, die Schwarz offen¬
hin öffnen. Im Erdgeschoß befinden sich die sichtlich durchführen ließ, im Zusammenhang Schwarz baute dieses ihm selbst gehörende
ausgedehnte Arztpraxis mit sieben Räumen, an mit der Übernahme der Burg durch die Hitler¬ Haus für seinen Freund Romano Guardini, der
Privatzimmern die Küche mit Anrichte, das jugend standen, kann nicht nachgewiesen wer¬ zu jener Zeit in Berlin lebte und lehrte.

242
Konstruktion: Mauerwerksbau, rauh verputzt; liegenden für die Praxis, die mit v ier Räumen
Dach: Walmdach, mit Biberschwänzen ge¬ relativ klein bemessen ist.
deckt; Fenster: I lolz. An Privaträumen enthält das Frdgeschoß nur
ein Kinderzimmer mit breitem Austritt in den
Archiv: PK 19a
Garten, ein kleines weiteres Zimmer und die
Literatur: RS. Krläuterungsbericht za dem Bauvorhaben Küche mit einem Speiseaufzug. Im ersten
l)r. Rudolf Schwarz in der Niklasstraße in Berlin-Zeh¬ Obergeschoß liegen das im Winkel angeord¬
lendorf. Offenbach 1935. 1 S., Typoskript. nete große Wohn-Eßzimmer sowie Eltern-
schlafzimmer und mehrere Kinderzimmer mit
Bädern.
34 Das zweite Obergeschoß nimmt nur noch die
Einfamilienhaus mit Arztpraxis halbe Grundrißfläche ein mit mehreren klei¬
Duisburg, Karl Jarres-Straße 154 nen Zimmern. Die nach Süden liegende an¬
Bauherr: Dr. med. Josef Enkling dere Hälfte ist zu einer großen Dachterrasse
I935~I937 ausgebaut. Auch bei diesem I laus kragen an
Mitarbeiter: Johannes Krahn den Fenstertüren des ersten Obergeschosses
Austritte aus, deren Geländer aus Stahlrohr
bestehen. Konstruktion: Mauerwerksbau, rauh
verputzt; Dach: Flachdach mit Überstand;
Dachdeckung: Pappe; Fenster: Holz.

Archiv: PK 19

Literatur: RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 51: ag


arch ruhrgebiet: Architektur in Duisburg. Duisburg
1994. S. 119.

35
Entwurf Einfamilienhaus »Lo«
Duisburg
193 5
Mitarbeiter: Johannes Krahn

Das zweigeschossige Haus mit den Grund¬


maßen 12,5 x 8,5 Metern liegt im hinteren Teil
des mit alten Bäumen bestandenen Grund¬
stücks, so daß sich der Garten nach Süden zur
Niklasstraße hin erstreckt. Man betritt das
Haus in der östlichen Seitenfront. Im Erdge¬
schoß liegen die Räume für das gesellschaft¬
liche Leben des Hochschullehrers: Sprechzim¬
mer, Eßzimmer und die Küche mit einem
weiteren Zimmer, während der private Ar¬
beitsbereich des Wissenschaftlers mit Biblio¬
thek, großem Arbeitszimmer und Schlafräu¬
men im Obergeschoß untergebracht ist.
Das Haus zeigt in seiner äußeren und inneren Dieses Arzthaus weist in der Gestaltung und
Gestaltung schlichte Zurückhaltung. In den Grundauffassung Ähnlichkeiten mit dem
einfachen, mit flach geneigtem Walmdach ge¬ 1933/34 gebauten Haus von Dr. Volk in Offen¬
deckten Baukörper sind schmale zweiflügelige bach auf. Die kubische Wirkung des Baukör¬
Fenster mit niedrigen Brüstungen eingeschnit¬ pers wird hier durch den gedrungenen recht¬
ten. Nur vom Eßzimmer im Erdgeschoß aus eckigen Grundriß und das zur Straße hin
öffnen sich drei Flügeltüren nach Süden und fensterlose zweite Obergeschoß sowie die For¬
Westen auf die Terrasse, und im Obergeschoß mate der Fenster und ihre fast willkürliche
hat das Arbeitszimmer einen kleinen Austritt. Verteilung über die Fassaden und das flache
Alle Öffnungen sind mit Klappläden versehen. Dach besonders hervorgehoben. Die Straße
Von der kleinen Diele führt eine schmale ein¬ liegt im Norden des Grundstückes. Die Fas¬
läufige Treppe zwischen Wänden ins obere sade nach Süden zum Garten hin ist weit¬
Geschoß. gehend in Glas aufgelöst.
Im Kriege wurde das Haus mehrere Male Die Erschließung des Gebäudes erfolgt durch
beschädigt, blieb aber bewohnbar. Nach dem den zur Straße gelegenen Eingang für die Pri¬
Kriege wurde es renoviert. vatwohnung und durch den an der Schmalseite

243
•m V■ ihnhans existieren drei Vorent- rauh verputzt; Dach: Satteldach mit Falzziegeln die Ansichtszeichnungen kein hängiges Ge¬
T . . ioo. Das nur 16 Meter breite gedeckt; Fenster: Holz. lände zeigen. Die Fassaden haben einfache
erfordert einen langgestreckten Fenster und Fenstertüren, im Erdgeschoß mit
Archiv: PK 31b; Deutsches .Architektur-Museum,
rinden Grundriß. Klappläden versehen.
Frankfurt, Nachlass Johannes Krahn; Katholisches Pfar¬
ist zweigeschossig geplant mit flach ramt Liebfrauen, Leipzig-Lindenau
Archiv: PK 22c
r. . nt Satteldach. Der Eingang von der
. her erschließt im Erdgeschoß vier Wohn- Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Bauvorhaben
u . und die Küche. Im Obergeschoß sind Errichtung eines Wohnhauses und einer Kapelle in der
Dieskaustraße. o.J. 2 S. Typoskript; Karin Becker. RS
zwei Kinderzimmer, Elternzimmer, Gastzim- 39
1897-1961. Kirchenarchitektur (Dissertation) . Bielefeld
n r und ein Zimmer für Hausangestellte sowie Entwurf Pfarrkirche St. Konrad
1981. S. 340-341; Clemens Rosner. Die Liebfrauenkir¬
zwei Bäder geplant. Die Front zum Garten hin che in Leipzig-Lindenau und die Geschichte der Ge¬ Aschaffenburg-Damm, Konradstraße
ist bei allen Varianten aufgerissen, während die meinde. Leipzig 1991. 15 S. 1936
Seitenfronten bis auf den Eingang geschlossen Zusammen mit Johannes Krahn
bleiben.
37
Archiv: Deutsches Architektur-Museum Frankfurt,
Entwurf Jugendherberge
Nachlaß Johannes Krahn
Treuchtlingen/Altmühltal
193 5
Mitarbeiter: Johannes Krahn
36
Dreifamilienhaus Zu diesem Projekt gibt es nur unvermaßte
Leipzig-Großzschocher, Dieskaustraße 297 Vorentwurfszeichnungen i. M. 1:100, aus de¬
Bauherr: Rudolf Peuser, Bauunternehmer nen hervorgeht, daß die Jugendherberge als
Eigentümer: Katholisches Pfarramt langgestreckter, zweigeschossiger Bau mit
Liebffauen, Leipzig-Lindenau flach geneigtem Satteldach geplant war. In je¬
1935-1942 dem Geschoß befinden sich ein Schlafsaal mit
Mitarbeiter: Johannes Krahn 60 Betten, die dazugehörigen Naß- und Putz¬
räume und ein großer Tagesraum. Die Küche
Von 1935 bis 1939 zogen sich die Kaufver¬ ist im Erdgeschoß angeordnet, der entspre¬
handlungen der Pfarrgemeinde Liebfrauen für chende Raum darüber ist als Gruppenraum
ein Grundstück hin, auf dem eine kleine Nie¬ ausgewiesen. Vorhalle und Treppenhaus sind
derlassung der Liobaschwestern und eine herausgezogen, so daß beide Geschosse unab¬
Kapelle errichtet werden sollten. Die weit aus¬ hängig voneinander benutzt werden können.
einandergezogene Gemeinde mußte ihren Wie bei Schwarz häufig, gibt es bei den vor¬
Gottesdienst im Saal eines Gasthauses abhal¬ handenen Unterlagen keinen Lageplan, der
ten, was naturgemäß zu Unannehmlichkeiten die eindeutige örtliche Zuordnung gestatten
führte. würde. Ebenso gibt es keinen Hinweis auf
Schwarz hat, wie aus der Korrespondenz her¬ einen Auftraggeber.
vorgeht, für die verschiedenen Grundstücke,
Archiv: PK 19b
deren Kauf dann doch nicht zustande kam, Die Kirche ist für eine neu entstehende Sied¬
Skizzen und Vorentwürfe vorgelegt. Schlie߬ lung geplant. Das vorgesehene Grundstück
lich gelang ein Grundstückskauf am Ende der liegt oberhalb der Siedlung an einem Hang.
Dieskaustraße in einer auströpfelnden Vor¬ 38 Der Entwurf ist aus einem T-förmigen Grund¬
stadtgegend. Entwurf Einfamilienhaus »D« riß entwickelt, jedoch mit ungleich langen
Da kirchliche Bauten zu jener Zeit, Anfang ohne Ort Armen des Querschiffs. Das Hauptschiff mißt
1939, nicht mehr opportun waren, wurden die 1936 20x11 Meter, der rechte Arm des Querschiffs
eingereichten Entwürfe vom Ministerium des Mitarbeiter: Johannes Krahn 11 x 7,8, der linke 5 x 7,8 Meter. Das rechte
Innern, Dresden, abgelehnt. Ein letzter Ver¬ größere Querschiff ist um drei Stufen vertieft
such, die Kapelle zunächst als Garage für zwei Zu diesem Projekt, von dem nähere Angaben als Werktagskapelle mit einem in den Stufen
Lastwagen zu kaschieren, mißlang ebenfalls. über Ort und Bauherrn fehlen, liegen mehrere stehenden Altar ausgebildet. Das linke kleinere
Gebaut wurde schließlich 1941 ein drei¬ Varianten i. M. 1:100 vor. Vier basieren auf Querschiff ist dem Sängerchor Vorbehalten.
geschossiges Dreifamilienhaus, bei dem der einem Haus von 6 Metern Breite, ein weiteres Der Altar steht im Mittelpunkt einer halbrun¬
Bauunternehmer Peuser als Bauherr auftrat. auf einem von 5,5 Metern und ein anderes auf den Apsis, die sich mit einem Durchmesser von
Im Erdgeschoß entstand durch Zusammen¬ einem von 7,3 Metern. Alle Entwürfe sind 6 Metern aus der Wand wölbt. In der Breite
legung zweier Räume ein kleiner Andachts¬ zweigeschossig geplant und für allerbeschei¬ des Hauptschiffs erhält die Kirche eine geräu¬
raum. denste Wohnbedürfnisse ausgelegt. Die klein¬ mige, aber niedrige Vorhalle mit einer eben¬
Das Gebäude schließt direkt an einen vorhan¬ sten Grundrisse enthalten einen Wohnraum, falls halbrunden Nische in der Mittelachse, in
denen Brandgiebel an; damit sind Stockwerks¬ Küche und zwei Schlafzimmer für insgesamt der der Taufstein steht. Über der Taufapside
höhen und Dachform vorgegeben. Der Ein¬ fünf Personen; die Bäder sind im Keller mit hängen offen die Glocken im Bereich des Ein¬
gang hegt seitlich an der Giebelseite. Die der Waschküche kombiniert. Im Grundriß von gangs.
Fensteraufteilung ist zurückhaltend. Lediglich 6 x 10,8 Metern liegt das Bad neben der Küche Die Höhenentwicklung der Kirche ist gering
zum Garten hin sind die Wohnraumfenster der und zwei Wohnräumen im Erdgeschoß, drei mit einer Firsthöhe von 8 Metern bei flach ge¬
beiden Obergeschosse zu Fenstertüren ver¬ Schlafräume sind im Obergeschoß angeordnet. neigtem Satteldach, das über die Arme des
größert und mit Drahtglasbrüstungen ver¬ Der größte Grundriß von 6 x 15 Metern hat Querschiffs abgeschleppt ist. Unterbrochen
sehen. vier Schlafzimmer und das Bad im Ober¬ wird das Dach durch den Vierungsturm, der
Das Gebäude wird heute in unveränderter geschoß, im Erdgeschoß zwei Wohnräume, die sich 13 Meter hoch über der Apsis erhebt und
Form genutzt. Konstruktion: Mauerwerksbau, Küche sowie Heizung und Kellerraum, obwohl 4 Meter in den Kirchenraum hineinragt, wo

244
er von zwei Stützen getragen wird. Während Eine skizzenhafte Variante zeigt den hohen einläufige Treppe führt ins Obergeschoß, das
die Schiffe durch einen Kranz verhältnismäßig quadratischen Kirchenraum wie beim vor¬ den Schlafräumen reserviert ist. Das Dach ist
kleiner Fenster, die farbig verglast gedacht beschriebenen Entwurf, Vorhalle, Gemeinde¬ als flach geneigtes Satteldach ausgebildet.
sind, erhellt werden, soll auf den Altar eine räume und Pfarrwohnungen jedoch nur ein¬ Konstruktion: Mauerwerksbau, außen mit hel¬
Lichtflut aus dem großen Fenster des Vierungs¬ geschossig angebaut. len Keramikplatten verkleidet; flach geneigtes
turms stürzen. Schwarz hat später diese Art der Der Entwurf kam aus unbekannten Gründen Satteldach, mit Ziegeln gedeckt: Fenster: Stahl;
Lichtführung nicht mehr verfolgt. Ihm schien damals nicht zur Ausführung. In den sechziger Balkongeländer: Stahlrohr mit eingehängten
eine durch indirektes Licht »hergestellte Stim¬ Jahren wurde die St. Annenkirche auf einem Drahtgeflechtbrüstungen.
mung zu wohlfeil mit verbilligten Mitteln er¬ anderen Grundstück am Gardeschützenweg
reicht zu sein, sehr geeignet, um bestimmte von einem anderen Architekten errichtet. Archiv: PK 28; Deutsches Architektur-Museum, Frank
Gefühle zu erregen, die dann als numinos aus¬ furt, Nachlaß Johannes Krahn

gegeben werden und es doch nicht sind.« Archiv: PK 20


Literatur: Alfons Leitl. Das Wohnhaus eines Arztes in
Warum es nicht zur Ausführung des Baus kam, Duisburg. In: Monatshefte für Baukunst und Städtebau
Literatur: RS. Liturgie und Kirchenbau. Denkschrift aus
kann nicht mehr festgestellt werden, da alle Anlaß iles Neubaus der St. Annenkirche in Berlin-Lich¬ 22(1938)5, S. 153-160; Wohnhäuser von RS. In: Bau¬
Unterlagen bei einem Bombenangriff 1944 terfelde. Offenbach 1936. 31 S. Typoskript. RS. Kir¬ kunst und Werkform (1948) 2, S. 75.
verbrannt sind. Die Kirche St. Konrad wurde chen I tau. Heidelberg i960. S. 59, 61; Karin Becker. RS
1953 von einem anderen Architekten gebaut. 1897-1961. Kirchenarchitektur (Dissertation) Bielefeld
42
1981. S. 340.
Einfamilienhaus
.Archiv: PK 21
Fürstenfeldbruck
Literatur: RS. Vorentwurf für den Neubau der Sankt-
41 Bauherr: Rupprecht
.Konrad-Kirche in Aschaffenburg-Damm. 1936. 14 S. Einfamilienhaus 1936 (?)
Typoskript; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 56; Duisburg-AVanheimerort, Fasanenstraße
Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Dis¬ Bauherr: Dr. med. Flüge Ähnlich wie beim Kirchenentwurf für Ilsen-
sertation). Bielefeld 1981. S. 165, 338-339.
1936-1937 burg gibt es auf dieses Bauvorhaben nur Hin¬
Mitarbeiter: Johannes Krahn weise aus den von Schwarz selbst erstellten
Listen über seine Arbeiten.
40
Entwurf Gemeindezentrum St. Anna
Berlin-Lichterfelde, Steglitzer Straße 43
1936 Einfamilienhaus mit Arztpraxis
Zusammen mit Emil Steffann Hofheim am Taunus, Lindenstraße 12
Bauherr: Dr. med. Bernhard Talleur
1936

Zusammen mit Johannes Krahn

Das Gebäude vereinigt unter einem Dach Kir¬


che und Pfarrzentrum. Von der gemeinsamen
Vorhalle erschließen sich nach links der Kir¬
chenraum, nach rechts Gemeindesaal, Sakri¬
stei, Pfarrbüro und zwei Wohnungen in zwei
Geschossen. Obwohl auch für einen Arzt gebaut, handelt es
Die in den Grundmaßen 22 x 22 Metern qua¬ sich bei diesem recht großen Gebäude um ein
dratische Kirche ist für 300 Personen geplant. reines Wohnhaus.
Vor der geschlossenen Rückwand steht der Das Grundstück liegt an einer Straßenkreu¬
Altar auf einer Insel. Die Belichtung der Kir¬
che erfolgt durch drei große Rundbogenfen¬
zung. Ein winkelförmiger zweigeschossiger
Baukörper öffnet sich nach Süden und Westen
jPS -v, *
ster auf beiden Seiten, die im oberen Wandbe¬
reich knapp unter der Decke liegen. Diese ist
in den großen Garten. Die Straßenfronten wir¬
ken mit wenigen Fenstern abweisend, während
m
LSe-J
als in große Kassetten aufgeteilte Holzdecke die nach Süden liegenden Fassaden weit¬ \

geplant. Die Rückwand der Kirche zur Vor¬ gehend geöffnet sind mit Fenstertüren zum
halle hin ist durch fünf Rundbogenöffnungen, Garten im Erdgeschoß und Fenstertüren, wMm
die vom Fußboden bis unter die Decke rei¬ die sich auf einzelne Baikone öffnen im Ober¬
chen, völlig aufgerissen. Nach der gegenüber¬ geschoß. Das Grundstück liegt gegenüber einem Park
liegenden Seite sind in zwei Geschossen Sakri¬ Man betritt das Haus von der Nebenstraße her. an einer Straßenecke.
stei, Pfarrsaal, Pfarrbüro und die Wohnungen Die große Diele erschließt im Erdgeschoß den Das zweigeschossige Haus mit eingeschossig
untergebracht. Das durchgehende, flach ge¬ Wohn-Eßbereich, der zur Straße bis auf einen angebautem Praxis- und Garagentrakt ist von
neigte Satteldach trägt in der Mitte einen fast quadratischen Erker geschlossen, zum der Lindenstraße zurückgesetzt. Die Zugänge
Dachreiter mit Glockenstuhl. Garten hin aber weitgehend geöffnet ist. Eine zum Wohnhaus und zur Praxis erfolgen über

245
n i lof von der Nebenstraße her. Die Konstruktion: Mauerwerksbau, rauh verputzt, 46
1 fünf Räumen zieht sich mit zwei Dach: flach geneigtes Walmdach, mit Falz¬ Entwurf Kirche »II«
: immern in das Wohnhaus hinein, das ziegeln gedeckt; Fenster: I lolz, Pergola: Holz. ohne Ort
l • i oß noch drei Wohnräume und die 193 7
Archiv: Deutsches Architektur-.Museum Frankfurt,
.■he aufweist. Im ()bergeschoß, das über Mitarbeiter: Johannes Krahn
Nachlaß Johannes Krahn
zweiiäufige Treppe erschlossen wird, lie-
i fünf weitere Zimmer, ein kleiner Ankleide- Literatur: A. Zechlin. Zwei Miethäuser und ein Buch
; ,ium und Bad. Die beiden zur Nebenstraße von RS. In: Bauwelt 30(1939)52, S. 1-4; Zwei Miethäu¬
gelegenen Räume haben, wie bei Schwarz fast ser und ein Buch von RS. In: Monatshefte für Baukunst
und Städtebau 24(1940)1, S. 17-19; Wohnhäuser von
die Regel, Fenstertüren und kleine Austritte,
RS. In: Baukunst und Werkform (1948)2, S. 65-75.
die wie Kanzeln wirken. Vom Ankleidezimmer
tritt man auf einen großen Balkon, der auf
Stahlrohrstützen ruht und die Fenstertür zum
Gurten hin im Erdgeschoß überdacht. Das 45
Treppenhausfenster über dem Eingang reicht Zweifamilienhaus
bis unter das Dachgesims und ist mit Drahtglas Offenbach, Buchrainweg 89
geschlossen. Bauherr: Max Schiffner
Das Dach ist als flach geneigtes Satteldach mit 1936-1937
Uberstand ausgebildet. Zusammen mit Johannes Krahn
I leute ist das Haus in drei Wohnungen unter¬
teilt. Der Entwurf liegt in zwei Varianten vor. Bei
Konstruktion: Mauerwerksbau, rauh verputzt, beiden erstreckt sich ein 10 Meter breites
Dach: Flach geneigtes Satteldach, mit Falz¬ Hauptschiff in Nord-Südrichtung, an das sich
ziegeln gedeckt; Fenster: Holz, weiß gestri¬ schmale niedrige Seitenschiffe schmiegen. Der
chen; Balkongeländer: senkrechte Stahlrohr¬ Chorraum nimmt bei beiden Entwürfen um
stäbe. vier Stufen erhöht die Breite des Hauptschiffes
ein; die Eingänge liegen seitlich an den Seiten¬
Archiv: Stadtplanungsamt der Stadt Hotheini am Taunus schiffen, nur der Prozessionseingang liegt in
der Längsachse der Kirche.
Bei Entwurf 1 ist eine Werktagskapelle in der
44 Tiefe des Chors im rechten Winkel in östlicher
Zweifamilienhaus mit Arztpraxis Richtung an das Seitenschiff angebaut und von
Offenbach, Bieberer Straße 148 dort zugänglich. Die Belichtung erfolgt durch
Bauherr: Dr.med. Hermann Frühauf wenige schmale hohe Fenster im Obergaden.
X936—i:937 Das Gebäude hat ein steiles Satteldach, das zu¬
Mitarbeiter: Johannes Urahn gleich Decke des Hauptschiffes ist. Ein hoher
spitzer Dachreiter krönt die Kirche.
Entwurf 2 unterscheidet sich einmal durch
eine größere Höhe und ein flacher geneigtes
Dach, zum andern durch die in gleicher Höhe
Das kleine Haus für zwei Familien steht auf wie das Hauptschiff aufgeführten Querbauten,
schmalem gut genutztem Grundstück am west¬ so daß von außen der Eindruck einer Kirche
lichen Rand von Offenbach. Der Hauseingang mit Querschiff entsteht. Die Gemeinderäume
liegt an der Giebelseite des Hauses zum Walde sind über der Sakristei angeordnet, die rechts
hin. Durch das zur Straße herausgezogene an den Chorraum anschließt. Im Inneren fällt
Treppenhaus kann die gesamte Grundfläche die Wand zwischen Chor und Werktagskapelle
von 11 x 8,2 Metern für je eine Dreizimmer¬ weg. Die Fenster der Querbauten sind hoch
wohnung pro Geschoß genutzt werden. Die und breit, sie reichen über beide Geschosse.
Fenster der miteinander verbundenen Wohn¬ Auf einen Dachreiter wird bei diesem Entwurf
räume zum Garten hin sind recht groß bemes¬ verzichtet.
Dieses Haus, an einer belebten Straßenkreu¬ sen. Die obere Wohnung verfügt über einen Bei beiden Varianten steht das Pfarrhaus iso¬
zung Offenbachs gelegen, wurde für die Praxis schmalen Balkon, der wie eine Kommando¬ liert in Ost-West-Richtung an der Straße. Da
des Bauherrn und zwei Mietwohnungen ge¬ brücke weit auskragend auf leichten Stahlstüt¬ es nur in Umrissen gezeichnet ist, kann ange¬
baut. Zwei getrennte Eingänge führen an der zen steht. Das Dach ist als flach geneigter Sat¬ nommen werden, daß es bereits vorhanden war
Ostseite des Hauses unter einer Pergola zur tel ausgebildet und über das Treppenhaus bis und es sich um eine Auftragsarbeit gehandelt
Praxis und den Wohnungen, die das erste und zum Fenster des Podestes abgeschleppt. Hin¬ hat.
zweite Obergeschoß einnehmen. Der Bau ist ter der Dachgaube zum Garten hin liegt ein
Archiv: PK 2 8d
einfach gehalten. Sehr große Fenster belichten weiterer Schlafraum.
die Praxisräume des Erdgeschosses. Konstruktion: Mauerwerksbau, rauh verputzt;
Darüber liegen in derselben Achse zweiflüge¬ Dach: Holzkonstruktion mit Bieberschwänzen
lige Fenstertüren mit den füt Schwarz typi¬ gedeckt. Fenster: Holz.
schen schmalen Austritten, diesmal mit senk¬
rechten Geländerstäben geschlossen. Ein flach Archiv: Deutsches Architekmr-Museum Frankfurt,
Nachlaß Johannes Krahn
geneigtes Walmdach deckt das Haus.
1944 wurde es zum großen Teil zerstört und Literatur: Zwei Landhäuser von RS und Johannes
nach dem Krieg von Johannes Krahn in der Krahn. In: Monatshefte für Baukunst und Städtebau
gleichen Form wieder aufgebaut. 24(1940)1, S. 13-16.

246
47
wird eine einschalige Bauweise vorgeschlagen,
Umgestaltung Chorraum der Pfarrkirche
außen glatt, innen durch die sichtbaren Pfeiler
St. Marien
stark gegliedert. Die Raumwirkungen unter¬
Alzenau-Wasserlos
scheiden sich durch die zu wählende Bauweise
*937-*939 wesentlich. Für die glatt abgehängte Decke
Mitarbeiter: Johannes Krahn
werden ebenfalls zwei Vorschläge gemacht:
weiß gestrichener Putz oder 1 lolzverschalung.
Das Pfarrhaus ist zweigeschossig geplant.
Wohnbereich und Pfarrsaal sind durch den
über 1 )ci de ( ieschosse gehenden forweg ge¬
trennt. Der Pfarrsaal öffnet sich mit drei
großen Fenstern zum Innenhof hin.
Obwohl im Frühjahr 1939 ein Architekten¬
vertrag abgeschlossen wurde, kam es wegen
der intensiven Aufrüstung des Staates nicht
mehr zu Durchführung.

Archiv: PK 31

Literatur: RS. Vorentwurf einer Filialkirche der Sankt


Marien Gemeinde zu Bremen für den Vorort Grüpelin-
gen. Frankfurt 1938. 10 S. Typoskript; RS. Kirchenbau¬
In der barockisierenden Kirche wurde der ten 1928-1947. In: Baukunst und YVerkform (1948)2, S.
Altarbereich umgestaltet. Der Altar besteht aus 82-83; Rh- Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 39; Karin
einem Block aus weißem Marmor, an der vor¬ Becker. RS 1897-1961, Kirchenarchitektur (Disserta¬
tion). Bielefeld 1981. S. 166, 209, 343-345.
deren Front im mittleren Bereich etwas ein¬
gezogen. Sonst ist er völlig streng gehalten.
Auf ihm steht stark kontrastierend das
schwarze Ebenholzgehäuse des Tabernakels, 49
dessen 'küren aus Lasuremaille auf Kupfer¬ Entwurf Erweiterung Pfarrkirche
grund senkrecht strukturiert sind. Sie und der St. Margareta
Tabernakel sind Arbeiten des Goldschmiedes Bürgstadt am Main
Hans Warnecke. Uber dem Ttbernakel hängt
1937
ein Stoffbehang als Baldachin, der von Grete Zusammen mit Johannes Krahn
Badenheuer gewebt wurde.
In den achtziger Jahren wurde die Kirche ins¬
gesamt renoviert und im Inneren umgestaltet.
Nichts von den Einbauten durch Schwarz ist
mehr erhalten.

Literatur: August Hoff. Einführende Worte zur Kunst


im norddeutschen Kulturkreis. In: Jahrbuch für christ¬
liche Kunst (1946/47) S. 24-34; RS. Kirchenbau. Hei¬
delberg i960. S. 74. spannt. Der gepflasterte Weg zur Kirche ist in
einer Gegenrundung angelegt.
Die Kirche besteht aus einem schmalen ein¬
48 schiffigen Bau von 32 x 12 Metern, der durch
Entwurf Pfarrkirche St. Adalbert mit zwei Apsiden abgeschlossen ist. Eine legt sich
Gemeindezentrum um den Altar, in der gegenüberliegenden steht
Bremen-Gröpelingen, Beim Ohlenhof 19 im Eingangsbereich der Taufstein. Die Fenster
Auftraggeber: Katholische St. Marien¬ sind unter der Decke angeordnet und lassen
gemeinde Bremen den schmalen Raum noch höher erscheinen.
I937“I939 Nur in der Nähe des Altars sind sie links in
Mitarbeiter: Johannes Krahn drei Reihen bis zum Boden herabgeführt. Der
niedrige Turm bildet das Bindeglied zwischen
In Bremens schnell wachsendem Vorort Grö- Kirche und Umfassungsmauer des Hofes.
pelingen sollte ein neues Gemeindezentrum Durch ihn führt der Nebeneingang von der
gebaut werden. Das Grundstück liegt zwischen hinteren Straße her. Der Haupteingang liegt
zwei im spitzen Winkel aufeinander zulaufen¬ schmal und hoch im Scheitelpunkt der Tauf¬
den Straßen. Die Erschließung erfolgt durch apsis. Als Dach ist ein steiles Walmdach vorge¬
die Straße Beim Ohlenhof. Schwarz legt an sehen.
diese Straße das langgestreckte zweigeschos¬ Für die Konstruktion macht Schwarz mehrere
sige Pfarrhaus mit Gemeindesaal, Büros und Vorschläge. Da aus Gründen der damaligen
Wohnungen, durch das er das Grundstück wie Stahlknappheit eine Stahlbetonkonstruktion
durch einen Torweg erschließt. Die Kirche nicht in Frage kam, wird einmal ein reiner
ordnet er im hinteren Bereich an. Zwischen Mauerwerksbau aus zweischaligen Wänden
Pfarrhaus und Kirche entsteht so ein stiller mit innen liegenden gemauerten Pfeilern vor¬
Zwischenraum. Als Abschluß ist eine gerun¬ geschlagen, so daß die Außen- und die Innen¬
dete .Mauer zwischen Kirche und Pfarrhaus ge¬ wände glatt erscheinen. Als zweite Möglichkeit

247
! iische Kirche sollte erweitert zw'ei Bädern untergebracht. Die nach Süden
h v. ,uv. und Krahn legten zwei Va- zum Garten hin liegenden Zimmer öffnen sich
ur. ;l;e sich in der Ausgestaltung des auf einen sehr schmalen durchgehenden Bal¬
. l enster und der Decke unterschei¬ kon. Das Haus macht mit seinem hohen
de! beiden Entwürfen wird das vorhan- Walmdach und den regelmäßig über die Fas¬
fvirchenschiff an der Längswand auf- saden verteilten Fenster einen konventionellen
e! ’ ochen und der neue Kirchenraum im Eindruck.
rechten Winkel unterhalb des Turmes ange-
Archiv: Deutsches Architektur-Museum Frankfurt,
baut. Zwei Stützen markieren den Mittelgang
Nachlaß Johannes Krahn
und die Begrenzung der alten Kirche. Die
Bestuhlung ragt in den alten niedrigeren Kir¬
chenraum hinein.
Entwurf x: Hier nimmt der Chorraum die 52
Breite des Schiffes ein und hat einen geraden Innere Umgestaltung Pfarrkirche Maria
Abschluß. Die drei vorhandenen Barockaltäre Rosenkranzkönigin
werden wieder aufgestellt, zwei in den Seiten¬ Ketzin/Havel, Breitscheidstraße 24
bereichen der unteren Altarstufen, der Haupt¬ 1937
altar um drei Stufen erhöht zentral vor der von
zwei übereinanderliegenden Fensterpaaren
eingeschnittenen Wand. Die Fenster werden
in der vorgegebenen Form am Längsschiff Platte ein Adler aus dem Marmor geschlagen.
weitergeführt. Die Decke ist hell und eben Er wurde von Ludwig Gies gestaltet.
gehalten. Im hinteren Bereich der alten Kirche
Archiv: Deutsches Architektur-Museum Frankfurt,
ist die Werktags- und Beichtkapelle unter¬
Nachlaß Johannes Krahn
gebracht.
Entwurf 2 zeigt einen in den Kirchenraum ein¬ Literatur: RS. Der Hagener Predigtstuhl, ln: Die
gestellten Rundchor, der hoch über das steile Schildgenossen 17(1938)4/5, S. 368; RS. Der Hagener
Satteldach der Kirche hinausragt und dessen Predigtstuhl. In: RS (Hg.). Betendes Werk. Würzburg
1938. S. 163.
gerader Abschluß verglast ist, so daß von dort
Licht auf den Altar fällt. Ein ähnliches Motiv
verwendete Schwarz bereits bei den Entwürfen
der Kirchen in Hanau-Groß Steinheim und 51
in Aschaffenburg-Damm. Um den Rundchor Einfamilienhaus mit Arztpraxis
läuft ein niedriger Umgang in Höhe des Schif¬ Heidelberg, Bergstraße 50
fes. Der .Altarberg trägt einen einfach gestalte¬ Bauherr: Dr. med. Bernhard Roether
ten Altar. Die Decke ist unverkleidet. Man I937~I939
sieht in die hölzerne Binderkonstruktion des Mitarbeiter: Johannes Krahn
steilen Satteldaches. Ein Kranz schmaler hoher
Fenster umläuft die Kirche.
Zum Auftrag kam es damals nicht.
1958 wurde an anderer Stelle ein Neubau von
Hans Schädel für die sich ausdehnende Ge¬ Die Kirche wurde zu Beginn des 20. Jahrhun¬
meinde errichtet. derts als neugotischer Backsteinbau errichtet.
Im sehr tiefen, schmalen Chor, der noch durch
Archiv: PK 25; Deutsches Architektur-Museum, Frank¬
einen heruntergezogenen Spitzbogen vom
furt, Nachlaß Johannes Krahn
Schiff getrennt war, stand der Altar, zwölf
Literatur: Kirche in Bürgstadt am Main. In: Baukunst Meter entfernt von der ersten Bankreihe. Eine
und Werkform (1948)2, S. 84-85. Beziehung zwischen Geistlichem und Ge¬
meinde konnte so kaum aufkommen.
Indem er den Altar auf ein zweistufiges Podest
50 Das Arzthaus entstand zwischen 1937 und aus Ziegelsteinen vor dem Chor stellt, wo
Einbau Predigtstuhl Pfarrkirche St. Elisabeth 1939. Uber den Bauherrn ist nichts Näheres sich der Kirchenraum durch ein angedeutetes
Hagen/Westfalen, Scharnhorststraße 27 bekannt. Es gibt auch keine Fotos des fertigen Querschiff erweitert, umgibt Schwarz ihn von
193 7 Hauses wie von den meisten anderen Häusern, drei Seiten mit Volk. Auf der rechten Seite
Mitarbeiter: Johannes Krahn die Schwarz in der Zeit zwischen 1934 und ordnet er die Bänke für Kinder an, links die
1941 baute. Orgel und die Schola. Um den ehemaligen
Die im neubarocken Stil erbaute Kirche war Der zweigeschossige Baukörper ist lang¬ Altarraum nicht als dunkle Höhle hinter dem
schon mehrfach verändert worden, auch Do¬ gestreckt. Privatwohnung und Praxis haben neuen Altar wirken zu lassen, wird ein großes
minikus Böhm hatte daran gearbeitet. getrennte Eingänge, die an der Straßenfront Holzkreuz auf dem Altarpodest errichtet, das
Der Predigtstuhl steht vor einem Pfeiler auf liegen. Die Praxis mit sechs Räumen ist mit seinen Armen im Chorbogen verstrebt ist.
halbem Wege zwischen Eingang und Altar. Auf großzügig angelegt. Das Sprechzimmer ist Die Wundmale sind durch vergoldete Ringe
quadratischem Grundriß sind weiße recht¬ direkt mit dem sehr großen Wohn-Eßraum angedeutet, die vor das Kreuz gehängt sind.
eckige Marmorplatten hochkant gestellt als verbunden, der sich mit drei Fenstertüren zum Der Kirchenraum erhält auf diese Weise einen
Brüstung der Kanzel. Darüber schwebt ein Garten öffnet. An weiteren Privaträumen sind Abschluß, durchsichtig genug, den dahinter
Baldachin auf drei verchromten Stahlrohren, im Erdgeschoß nur die großzügige Diele und liegenden Raum noch spüren zu lassen. Später
die aus der Brüstung wachsen. Zum Kirchen¬ die Küche mit Nebenräumen angeordnet. Im sollte dort die Werktagskapelle eingerichtet
schiff hin ist über Eck in Höhe der oberen Obergeschoß sind sechs weitere Räume mit werden.

248
Archiv: PK 27
Konstruktion: Bruchsteinmauerwerk, innen Literatur: RS. Umformung von drei Kirchen aus der
aus Gründen größerer Helligkeit verputzt und Zeit des Historismus. In: Die Schildgenossen 17(1938)
Literatur: RS. Vorschlag für die innere Ausgestaltung
4/5. S. 370-374; RS. Umformung von drei Kirchen aus
der katholischen Pfarrkirche in Ketzin an der I Iavel. Of¬ hell gestrichen, außen naturbelassen. Dach¬
der Zeit des Historismus. In: RS (Hg.). Betendes W erk.
fenbach 1937. 6 S. Typoskript; RS. Umformung von deckung: Schiefer.
1938. S. 163-167.
drei Kirchen aus der Zeit des Historismus. In: Die
Schildgenossen 17(1938)4/5, S. 370-374; RS. Umfor¬ Archiv: PK 37; Deutsches Architektur-Museum, Frank¬
mung von drei Kirchen aus der Zeit des 1 listorismus. In: furt, Nachlaß Johannes Krahn
RS (1 lg.). Betendes Werk. Würzburg 1938. S. 164-167.
Literatur: Kirche in Oberrödinghausen. In: Baukunst 55
und Werkform (1948)2, S. 104; Elmar Hartmann. Die Entwurf Pfarrkirche
Bauform der Kirche in Oberrödinghausen. In: Mende- S. ...
53 ner Zeitung (1951)11.08.; RS. Kirchenbau. Heidelberg
i960. S. 56—58; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchen¬ 1937
Pfarrkirche Maria Königin des Friedens
architektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 341-343;
Oberrödinghausen bei Menden
Hanna Dannien-Maaßen. Kirchenbauten und Entwürfe
I937~I948 von Johannes Krahn (Magisterarbeit). Marburg 1989,
Zusammen mit Johannes Krahn S- 35~36-

54
Entwurf innere Umgestaltung Pfarrkirche
St. Paul
Offenbach, Kaiserstraße
I937—i93^
Mitarbeiter: Johannes Krahn

Auch von diesem Projekt ist nicht bekannt, wie


es zum Auftrag für den Vorentwurf kam und
wer der Auftraggeber war. Nicht einmal der
Ort ist vollständig angegeben. Es liegt ein
Vorentwurf i.M. 1:100 mit Innenraumskizzen
vor.
Geplant ist ein einfaches rechteckiges Ge¬
bäude mit Satteldach. Die Außenmaße be¬
tragen 27 x 13 Meter. Man betritt die Kirche
von der Giebelseite, eine Eingangshalle von
4x6 Metern ist in das Kirchenschiff hinein¬
Die Anfang des 19. Jahrhunderts erbaute Kir¬ gezogen. Auf beiden Seiten bleibt Platz für je
che war schon mehrere Male erweitert worden: einen Beichtstuhl an der Rückwand. Der Altar¬
durch ein breites Querschiff, einen tiefen Chor bereich nimmt, um sieben Stufen ansteigend,
Die Kirche liegt am Hang des Hönnetals und eine große Beichtkapelle, die sich an die die Breite des Kirchenschiffs ein. Der Kirchen¬
gegenüber dem Ort Oberrödinghausen. Der rechte Längsseite des Hauptschiffs legt. raum ist von einer einfachen, andeutungsweise
kleine einschiffige Bau ist um den Altar mit Schwarz schlägt vor, den Altar in die Vierung kassettierten Holzdecke überspannt, von der
einer Apside geschlossen. Der gegenüber¬ auf eine quadratische Insel zu stellen und ihn mittig ein riesiger runder Radleuchter hängt,
liegende Eingang ist tief eingezogen, so daß von allen vier Seiten mit einer Kommunion¬ ein Motiv, das Schwarz seit der Gestaltung der
neben der Tür zwei Buchten entstehen. Eine schranke zu umziehen. Der Raummittelpunkt Rothenfelser Kapelle oft verwendet. Im Altar-
ist als Taufkapelle ausgebildet, in der anderen wird durch zwei Lichtringe in der Decke, die bereich sind auf allen drei Seiten rundbogige
führt eine der Rundung der Nische angepaßte die Gemeinde um den Altar zusammenführen Fenster in drei Reihen übereinander angeord¬
Treppe auf die Empore. Der Altarberg in der sollen, hervorgehoben. Die Bänke sind in vier net, während die gleichformatigen Fenster im
Breite des Schiffes ist acht Stufen hoch. Je zwei Blöcken gruppiert, so daß der Altar im Zen¬ Schiff nur im Obergaden herumgeführt wer¬
große einander gegenüberliegende Fenster mit trum der Gemeinde steht. Die Taufstelle im den. Über Lage und Konstruktion der Kirche
Segmentbögen geben diesem Bereich Licht. oberen Bereich des rechten Querschiffs ist in ist nichts bekannt.
Die Fenster sind mit Stichkappen in die leicht einer brunnenartigen Vertiefung angelegt, in
Archiv: PK 2 8b
gewölbte Decke eingeschnitten. Der Laien¬ die am werksteinverkleideten Rand zwei Trep¬
raum erhält sein Licht aus je zwei hochliegen¬ penläufe führen. Ein hochliegendes Rundfen¬
den Fenstern und einen dritten, das über dem ster gibt der Taufstelle von oben Licht.
eingezogenen Eingang liegt, so daß Fenster Im entsprechenden Bereich des linken Quer¬ 56
und Portal wie ein Schlitz im Mauerwerk wir¬ schiffs steht der Werktagsaltar. Entwurf Pfarrkirche
ken. Das Dach ist als steiles Satteldach ausge¬ Ausgeführt wurden 1938 nur neue Beicht¬ Schwitten über Fröndenberg
bildet, das über der Apside abgewalmt ist. Ein stühle in der Beichtkapelle. 193 7
hoher spitzer Dachreiter sitzt im Eingangsbe¬ Die Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg völlig Mitarbeiter: Johannes Krahn
reich auf dem First. zerstört. In den sechziger Jahren wurde sie
Mit dem Bau wurde 1939 begonnen. Infolge nach den Plänen des Architekten Lothar Die Kirche auf kreuzförmigem Grundriß ist
des Zweiten Weltkrieges wurde er unterbro¬ Müller neu gebaut. für 200 bis 250 Sitzplätze geplant.
chen und erst 1948 beendet. Das Hauptschiff mißt 25 x 13,5 Meter. Es ist
Archiv: PK 28a mit Stützen im Abstand von 6 Metern in der
Der 1947 entstandene Entwurf für das Pfarr¬
haus wurde nicht von Schwarz gebaut. Längsrichtung, die nur 1,25 Meter von der

249
mer zur Straße hin gelegen. Die Rückseite ist Im Chorraum stellt Schwarz den Retabel-
für ein Lager vorgesehen. Im Obergeschoß schrein des alten Altars auf einen eigenen Un-
sind zwei große Arbeitsräume und ein Mate¬ terbau in einigem Abstand hinter den neuen
riallager ausgewiesen. Im noch voll belichteten Altar, der als weißer Marmortisch völlig frei
Sockelgeschoß befinden sich ein kleiner Ar¬ steht. Zwei silberne Leuchter, in ähnlicher
beitsraum, ein Lager und, vom Lager zugäng¬ Form wie in Rothenfels, stehen darauf, zwi¬
lich, Heizung mit Kohlenlager. Außerdem sind schen ihnen der Tabernakel, mit Bergkristallen
je ein bescheidener Umkleideraum für Frauen besetzt und einem Fischemblem aus Email auf
und für Männer eingeplant. Die Arbeits- und der Vorderseite. Tabernakel und Leuchter sind
Lagerräume haben große Fenster, die durch von Hans Warnecke gearbeitet.
65 cm breite Mauerpfeiler getrennt sind. Das Um den ebenfalls neuen Taufstein sind in den
Treppenhaus ist voll verglast. Boden Fische eingelegt, die von Wilhelm Teu-
Das einfach gestaltete Gebäude hat ein flach wen entworfen wurden. Der Boden um den
geneigtes Satteldach mit einem Uberstand von Elisabethaltar ist mit einer Rose, ebenfalls von
60 cm. Es ist als verputzter Mauerwerksbau Teuwen, geschmückt. An der ersten linken
mit Holzfenstern geplant. Säule steht die Kanzel. Auf quadratischem
Grundriß sind je zwei Marmorplatten aufein¬
Archiv: Deutsches Architektur-Museum Frankfurt,
ander gesetzt. Sie bilden die Brüstung des Pre¬
Nachlaß Johannes Krahn
Außenwand entfernt stehen, unterteilt. Der digtstuhles. An den Ecken sind Halbsäulen
Chorraum ist durch ein stummelartiges Quer¬ herausgearbeitet. Aus ihnen wachsen an drei
schiff erweitert. Hier sind die Plätze für Kinder Seiten Chromstahlrohre, die einen flachen
auf der linken Seite, rechts ist Platz für die 58 Baldachin tragen.
Schola und die Orgel. An der Eingangsseite Innere Umgestaltung Stadtpfarrkirche Im März 1944 wurde die Kirche durch einen
gegenüber dem Chor sind in Flügelbauten St. Elisabeth Bombenangriff fast vollständig zerstört. Sie
die Taufkapelle, zwei Beichtstühle und die Sa¬ Frankfurt-Bockenheim, Kurfürstenplatz 29 wurde in veränderter Form wieder aufgebaut.
kristei untergebracht. Die Taufkapelle liegt 1938-1940 1962 war die Renovierung abgeschlossen. Le¬
rechts, um fünf Stufen vertieft, der schmale Zusammen mit Johannes Krahn diglich der Tabernakel weist auf die Tätigkeit
Durchgang zur Kirche ist vom Fußboden bis von Schwarz in dieser Kirche hin.
unter die Decke offen. Im Bereich des Chors
Archiv: PK 31t!
und des Eingangs sind die Wände durch breite,
vom Fußboden bis unter die Decke reichende
Literatur: August Floff. Einführende Worte zur Kunst
Rundbogenfenster aufgerissen. Auch die Stirn¬ im norddeutschen Kulturkreis. In: Jahrbuch für christ¬
wände des angedeuteten Querschiffs haben je liche Kunst (1941) S. 17-22; RS. Kirchenbau. Heidel¬
zwei Fenster. Der lichte Chor erhellt das Kir¬ berg i960. S. 62-66.

chenschiff mit. Ein Satteldach neigt sich ohne


Unterbrechung über die Pfeiler und ist im
Eingangsbereich über die Seitenbauten herab¬ 59
gezogen, während im Chorraum von den Stüt¬ Zweifamilienhaus
zen aus über das kurze Querschiff zwei neue Frankfurt-Sachsenhausen, Städelstraße 22
Sättel ansetzen, so daß hier ein dreifach gefal¬ Bauherr: Rudolf Schwarz
tetes Dach entsteht. Uber die Konstruktion 1938-1939
wird nichts ausgesagt. Mitarbeiter: Johannes Krahn

Archiv: PK 28c; Deutsches Architektur-Museum,


Frankfurt, Nachlaß Johannes Krahn

Literatur: RS. Entwurf für den Neubau der katholischen


Kirche in Schwitten über Fröndenberg. 1937. 10 S.
Typoskript.

57
Entwurf Fabrikationsgebäude
ohne Ort
1938
Mitarbeiter: Johannes Krahn

Im Nachlass von Krahn befinden sich einige Im Oktober 1938 erhielt Schwarz den Auf¬
Pläne von Schwarz für ein Fabrikationsge¬ trag für die innere Umgestaltung der Kirche
bäude. Aus den Unterlagen gehen weder Nut¬ St. Elisabeth, die die Mutterkirche der Frauen¬
zung, noch Bauherr, noch Ort hervor. Es ist je¬ friedenskirche ist. Er sah darin eine Art Wie¬ 1938 kaufte Schwarz ein nur 6,5 Meter brei¬
doch nach der Bezeichnung und Anordnung dergutmachung dafür, daß der Auftrag für die tes innerstädtisches Grundstück in Frankfurt-
der Räume anzunehmen, daß es sich um ein Frauenfriedenskirche 1927 an einen anderen Sachsenhausen, für das eine geschlossene Bau¬
Gebäude handelt, in dem Leder- oder Textil¬ Architekten gegangen war. Die um 1870 in weise vorgeschrieben war. Es bestand bereits
waren hergestellt wurden. neugotischem Stil erbaute Kirche besaß einen eine vollständige Planung für dieses und das
Der zweieinhalbgeschossige Bau hat die Maße Altar aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts und Nachbargrundstück. Schwarz übernahm die
von 10,50 x 21,50 Metern. Im Hochparterre mehrere wertvolle Plastiken, die neu geordnet Grundrisse weitgehend und gestaltete nur die
sind ein Wartezimmer, Büro und Musterzim¬ werden sollten. Fassaden neu.

250
60 den! )elag. Fs gibt mehrere Vorschläge für die
Zweifamilienhaus Ausgestaltung der Rückwand des \ltarbe-
Frankfurt-Sachsenhausen, Städelstraße 24 reichs. Der Altar selbst ist aus massiver l iehe
Bauherr: Dipl. Ing. W. Fischbach als Block vorgesehen.
1938-1939
Mitarbeiter: Johannes Krahn Archiv: Deutsches Architektur-Museum Frankfurt.
N achl a ß J o h a n n e s Kra h n

Dieses 1 laus ist die spiegelverkehrte Anlage


des Hauses Städelstraße 22, das Schwarz für
sich baute. Es wurde mit diesem zusammen er¬ 63
richtet. Doppelwohnhaus für Angestellte der chemi¬
schen Fabriken Dr. August Oetker
Archiv: PK 30
Budenheim bei Mainz
Bauherr: Dr. I leinz Oetker
1939-1940
61 Zusammen mit Emil Steffann und Johannes
Entwurf Pfarrkirche Krahn
Freudenberg am Main
1938

Der Eingang zu ebener F.rde erschließt über iQ ¥ I—I T T ¥


sieben Stufen im schmalen Flur das Haus. Eine
schmale, einläufige Treppe führt in die oberen
Geschosse. Jedes Geschoß hat zwei Zimmer,
Küche und Bad. Das zum Garten liegende
Zimmer im zweiten Stock ist kleiner als die
darunter liegenden. Dafür hat es einen terras¬
senartigen Balkon.
Nach Süden zur Städelstraße hin sind die Zim¬ Zu diesem Projekt gibt es nur Fotos von zwei
mer mit dreiflügeligen Fenstertüren versehen, Schnitten und Innenperspektiven sowie die
die auf schmale Austritte führen, wie sie für Erwähnung in einer internen Projektliste von
Schwarz typisch sind. Drahtglasscheiben sind Schwarz.
in die Geländer eingehängt. Aus Drahtglas ist Es handelt sich um einen Bau, dessen Haupt¬
auch das Vordach, das Haustür und Oberlicht schiff kurz, aber recht hoch ist und das sich um
trennt. Die Fassade zum mit großen Bäumen den Altar mit einer Apside rundet. Zwei Sei¬
bestandenen rückwärtigen Garten ist weitge¬ tenschiffe reichen bis an den Altarbereich
hend geöffnet. Nur die Küche und die Bäder heran. Der Altarberg besteht aus zwölf Stufen.
haben schmale einflügelige Fenster. Quer zu dem hohen Bau steht gegenüber dem
Schwarz hat von 1939 an selbst in einer Woh¬ Chorraum ein niedriges Gebäude mit steilem
nung des Hauses gewohnt, das während des Satteldach, das in den Laienraum einbezogen Seit 1937 versuchten Steffann und Schwarz von
Zweiten Weltkrieges mehrere Male von Bom¬ ist. Es ist nicht zu erkennen, ob dies eine be¬ Dr. Oetker, mit dem Steffann befreundet war,
ben getroffen und fast ganz zerstört wurde. reits vorhandene Kapelle ist und welche Länge Aufträge für Industriebauten in Mainz zu be¬
1948 wurde es wieder aufgebaut. dieser Teil hat. Das Hauptschiff hat ein flach kommen. Im Januar 1938 schreibt Schwarz an
Heute ist tlie Straßenfront verändert. geneigtes Satteldach, die niedrigen Seiten¬ seine Mutter, Steffann und er würden nun
schiffe tragen Pultdächer mit der Neigung des zwölf Einfamilienhäuser für Mitarbeiter der
Archiv: PK 30 chemischen Werke in Budenheim bauen.
Satteldaches. Die Untersichten der Decken
sind eben. Drei Reihen übereinanderliegender Schließlich wurde nur der Auftrag für ein Dop¬
Literatur: A. Zechlin. Zwei Miethäuser und ein Buch
von RS. In: Bauwelt 30(1939)52, S. 1-4; Zwei Miethäu¬ schmaler, hoher Fenster führen um den Bau pelhaus für Ingenieure der Firma erteilt. 1939
ser und ein Buch von RS. In: Monatshefte für Baukunst herum. Die gerundete Wand hinter dem Altar wurde mit dem Bau begonnen, der 1940 unter
und Städtebau 24(1940)1. S. 17-19; Wohnhäuser von ist geschlossen. großen Mühen fertiggestellt wurde, da durch
RS. In: Baukunst und Werkform (1948)2, S. 65-75; RS. den mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges
Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 53. Archiv: PK 30a
im September 1939 verstärkt betriebenen Bau
des Westwalls sowohl Material als auch Perso¬
nal von den Baustellen abgezogen wurden. Das
62 spiegelbildlich angelegte Doppelwohnhaus ist
Umgestaltung Chorraum Pfarrkirche sehr einfach. Das Satteldach des zweigeschossi¬
Stahlhofen/Westerwald, Kirchstraße 1 gen Gebäudes verläuft parallel zur Straße. Es
193 8—1939 ist an den Gebäudeenden über ein um 3 Meter
Zusammen mit Johannes Krahn herausragendes Zimmer abgeschleppt, so daß
ein U-förmiger Baukörper entsteht. Die Haus¬
Wie bei vielen anderen Kirchen wurde mit we¬ eingänge liegen in den Winkeln der Vor¬
nigen Mitteln der Chorraum neu gestaltet mit sprünge. Im Erdgeschoß sind neben dem
neuem Altar, Tabernakel, Leuchtern und Bo¬ schon erwähnten Zimmer, das einen Austritt

251
■un Terrasse hat, die Küche und Archiv: PK 29; Deutsches Architektur-Museum, Frank¬ Entwurf 4: Der Aufgang ist zweiläufig, zu¬
furt, Nachlaß Johannes Krahn nächst vor dem Sockel, dann parallel zu
. die gesamte Hausbreite einneh-
W ('iin-Kßzimmer angeordnet. Im ihm angeordnet. Bereits die Zwischenpodeste
Literatur: RS. Die Christkönigskirche in Fulda. In: Die
schoß, über eine zweiläufige Treppe er- Schildgenossen 19(1940)3, S. 129-130; August Hoff.
sind mit sitzenden Monumentalfiguren ge¬
■ ■ .r, liegen drei Schlafzimmer und das Einführende Worte zur Kunst im norddeutschen Kul¬ schmückt. An den beiden Ecken des Plateaus,
: ■ Tie Fassaden sind zurückhaltend. Die turkreis. In: Jahrbuch für christliche Kunst (1941) S. die in die Donauebene ragen, sitzen ebenfalls
. irtenfront des Erdgeschosses ist durch sechs 17-24; Christkönigkirche in Fulda. In: Baukunst und Figuren. Der Hauptpfeiler, der die Figur
Werkform (1948)2, S. 97-99; Kirchliches Gerät aus der
hohe schmale Fenster und eine mittig ange- Walthers trägt, ist jetzt fast in die Mitte des
Christkönigskirche in Fulda. In: Werk 36(1949)4, S.
»rdnete Fenstertür weitgehend geöffnet. Über 13o— 131; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 66-70.
Plateaus gerückt. Er wird von zwei Doppel¬
die Konstruktion und die Lage des Hauses in¬ reihen von je neun Pfeilern flankiert, die durch
nerhalb Budenheims ist nichts bekannt. runde Scheiben - vielleicht handelt es sich da¬
bei um Flammenschalen - abgedeckt sind. Die
Archiv: Deutsches Architektur-Museum Frankfurt,
65 Stützwand zum weiter aufsteigenden Berg ist
Nachlaß Johannes Erahn
Wettbewerb Denkmal für Walther von der mit Reliefs gestaltet.
Vogelweide Bei Entwurf 5 zieht sich die Teppe zum Denk¬
Klosterneuburg bei Wien mal weit und flach hin, der Unterbau fällt we¬
64 1939 niger monumental aus, als bei den anderen
Umbau Turnhalle zur Pfarrkirche Christ¬ Entwürfen. Hier ist der hohe Pfeiler, auf dem
könig Nur aus der Korrespondenz des Jahres 1939 die Figur des Sängers steht, mit Reliefs ge¬
Fulda von Schwarz mit seiner Mutter geht hervor, schmückt. Sitzende Figuren markieren die
!939 daß es sich bei den vorliegenden Zeichnungen Ecken des Plateaus.
Mitarbeiter: Johannes Krahn um den Wettbewerb für ein Denkmal für Allen Entwürfen ist gemeinsam, daß das Mo¬
Walther von der Vogelweide handelt, das un¬ nument in Beziehung zum Hintergrund der
terhalb von Klosterneuburg, das damals zu differenzierten Stadtsilhouette zu setzen ist.
Wien gehörte, errichtet werden sollte. Es ist Die Wirkung des Denkmals ist für den Blick
nicht mehr festzustellen, ob die Entwürfe ab¬ aus der Ferne bestimmt und demnach in die
gegeben wurden. Auch im Stadtarchiv von Landschaft einzubeziehen.
Wien gibt es keine LTnterlagen oder Nach¬
Archiv: PK 31a
weise für diesen Wettbewerb. Es liegen eine
Reihe von Entwurfsvarianten vor.
Bei Entwurf 1 steht auf einem monumentalen
Unterbau aus Werkstein, der sich auf halber 66
Höhe zwischen Donautal und Klosterneuburg Umgestaltung Chor Wallfahrtskirche
erhebt und über etwa 120 Stufen von unten Marienthal
erstiegen werden muß, ein 20 Meter hoher 1939
Pfeiler, auf dem die 8 Meter hohe Figur Wal¬ Mitarbeiter: Johannes Krahn
In Fulda war ein katholisches Mädchengymna¬ thers steht. An den Ecken des Plateaus sitzen
sium aufgelöst worden. Es standen Räume leer vier ebenfalls in Stein gehauene Gestalten. Zu diesem Projekt liegen zwei Pläne i.M. 1:10
und waren damit für andere Zwecke verfügbar. Entwurf 2: Zum Plateau sind die Aufgänge auf vor, die die Gestaltung der Stufen, des Boden¬
Von der bischöflichen Behörde wurde Schwarz beiden Seiten zweiläufig. Der Flauptpfeiler mit belages, der Kommunionbänke und des Altars
die Aufgabe übertragen, die ehemalige Turn¬ der Figur wird flankiert von 6 Meter hohen zeigen. Letzterer ist als Holztisch mit einer 10
halle in eine Kirche umzubauen. Da kein Pfeilern, die in zwei Reihen zu je 19 auf dem Zentimeter dicken Platte und runden Beinen
großer Bedarf an Baumaterial für dieses Pro¬ Plateau stehen. gestaltet. Ein Sockel aus Stampfbeton ist unter
jekt bestand, konnte es trotz drohenden Krie¬ dem Tabernakel vorgesehen.
ges ausgeführt werden.
Archiv: PK 32
Dem eigentlichen Kirchenraum ist eine kleine
Kapelle mit Kreuzwegstationen vorgelagert. In
diesem Bereich liegt auch die Sakristei, fast so
klein wie ein begehbarer Schrank. Der kubi¬ 67
sche schmucklose Raum ist einheitlich in heller lrr Entwurf Öffentlicher Luftschutzkeller
Farbe gestrichen. Offenbach, Kaiserstraße
Der Chorraum nimmt die Breite des Raumes I939_I94°
ein. Er ist um eine Stufe erhöht. Auf einem ei¬ Zusammen mit Johannes Krahn
chenen zweistufigen Podest steht der Altar aus
Eiche. Der kostbare Tabernakel darauf wurde Auf einem Grundstück hinter der Kirche St.
von Hans Warnecke angefertigt. Hinter dem Paul wollte die Pfarrgemeinde einen öffentli¬
Altar ist ein Kreuz von Heinz Garbe wie ein al¬ chen Luftschutzkeller bauen, in dem sie auch
tes Vortragkreuz aufgerichtet, auf jeder Seite Gottesdienste abhalten konnte.
von sechs hohen .silberbeschlagenen Leuchtern Schwarz und Krahn entwarfen ein nur um
gerahmt. Ähnlich wie in Rothenfels werden 1,2 Meter aus der Erde ragendes Gebäude, das
Gemeinde und Altar durch einen Lichtring zu¬ Entwurf 3: Jetzt durchschneidet die Treppe 275 schutzsuchenden Personen Platz bieten
sammengefaßt, der aus in die Decke eingelas¬ mittig den Unterbau. Sie führt direkt auf die konnte. Aus Tarnungsgründen sollte die Decke
senen Glühbirnen besteht. Die kleine Kirche auf niedrigem Sockel stehende Figur des Sän¬ mit Erde aufgefüllt und mit Rasen besät wer¬
gibt es heute nicht mehr. 1968 wurde sie durch gers zu. Dahinter ist eine Reliefwand aufge¬ den. Obwohl die Baugenehmigung vorlag, kam
einen Neubau ersetzt. stellt. Jeweils zwei Reihen mit je neun Pfeiler¬ es nicht zur Ausführung, da die Behörden aus
stümpfen stehen auf den Stützmauern, die die politischen Bedenken nicht ihre Genehmigung
Treppe rahmen. zum Ankauf des Grundstücks gaben. Der Kir-

252
che sollte keine Gelegenheit gegeben werden, Bei Entwurf 3 (Variante B) hat die Kirche die nachdem wir Nächte lang gearbeitet und dazu
zu ihrem Vermögen noch weiteren Grundbe¬ gleiche Grundform wie bei Entwurf 2. Sie ist echten Kaffee getrunken haben. Ich denke, da¬
sitz hinzuzufügen. jedoch etwas breiter und um 180 Grad ge¬ mit haben wir nun Ruhe. Aber ablehnen konn¬
Später wurde auf dem Grundstück ein I loch¬ dreht. Die Belichtung erfolgt hier durch zwei ten wir die Arbeit nicht, dafür waren wir von
bunker erstellt. vom Fußboden bis unter die Decke reichende viel zu feinen Leuten dazu aufgefordert wor¬
Öffnungen links vom Chor und durch die völ¬ den. Daß das Ganze je gebaut wird, glaubt kein
Archiv: PK 28a
lig verglaste Rückwand des Saales. Mensch...«
Entwurf 4 (Variante C) ähnelt dem frühesten Die i.M. 1:500 vorliegenden Grundrisse und
aus dem April 1940. Der Kirchenraum ist Aisichten zeigen eine zweigeschossige Anlage.
68 rechteckig und hat eine flache Decke. Nur ist Zwei je 300 Meter lange und 13 Meter breite,
Entwurf Pfarrkirche Heilig Geist die ganze Anlage jetzt in Nord-Süd-Richtung zweihüftig aufgeteilte Bürotrakte stehen in
Hanau, Lamboystraße angeordnet. Die Empore liegt an der Rück¬ Nord-Süd-Richtung im Abstand von 85 Me¬
1940 wand der Kirche. Der Altarbezirk ist auf bei¬ tern parallel zueinander. Sie sind durch zwei
den Seiten durch drei große Lichtflächen Querspangen miteinander verbunden. Diese
Zu diesem Projekt hat Schwarz vier Vorent¬ geöffnet. Das Langschiff bleibt ohne Tages¬ sind so angeordnet, daß nach Süden ein offener
würfe i.M. 1:200 ausgearbeitet. Das langge¬ licht. Hof von 85 x 90 Metern und in der Mitte der
streckte, relativ schmale Grundstück liegt an Zur weiteren Bearbeitung der Entwürfe kam es Anlage ein geschlossener Hof von 85 x 75 Me¬
einer Straßenkreuzung. An der längeren Stra¬ damals nicht. Es wurde aber eine barackenar¬ tern entstehen. Nach Norden schließt ein ein¬
ßenfront steht bereits das Pfarrhaus, auf das die tige Notkirche auf dem Gelände gebaut, die geschossiger Zwischenbau den Komplex ab.
Planung Rücksicht nimmt. i960 durch einen Neubau von Johannes Krahn Der mittlere Bereich bildet eine Art Ehrenhof.
Entwurf 1 - bei Schwarz Variante C2 - stammt ersetzt wurde. Im Nachlaß Schwarz finden sich Der westliche Gebäudeteil zwischen den Rie¬
aus dem April, während die weiteren drei Va¬ einige Pläne für eine Notkirche in Hanau. Sie geln ist offen, drei Reihen zweigeschossiger
rianten im November 1940 entstanden. Die können die Grundlage für diejenige auf dem Pfeiler tragen das Dach. Durch die Pfeilerrei¬
Kirche ist hier ein rechteckiger Raum in den Gelände Lamboystraße gewesen sein. hen betritt man den Hof, mit Blick auf sechs
Maßen 24 x 16 Meter. Zur Straße hin ist ihr ein Fahnenmasten vor einer breiten Freitreppe,
Archiv: PK 35
niedriger Anbau vorgelagert mit Werktagska¬ die zu einer verglasten Halle führt. Vier ein¬
pelle und Sakristei sowie den Eingängen. Der läufige Treppen erschließen von hier aus das
Literatur: Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchen¬
Chorraum in der Breite des Gebäudes ist beid¬ architektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 167-168, obere Stockwerk. In den Riegelbauten sind je
seitig von drei übereinander liegenden Fen¬ 345-347- zwei große Sitzungssäle angeordnet. Verglaste
sterreihen mit je drei Fenstern belichtet, die Flure an den dem Ehrenhof abgewandten Sei¬
sich in der Chorrückwand fortsetzen. Dort ten bilden die Verbindungen zwischen den
bleibt in der Mitte ein Mauerpfeiler stehen, 69 Bürotrakten. Im eingeschossigen Zwischenbau
der die Breite des Altars hat. Die obere Reihe Entwurf Ministerien befinden sich Restaurants und Clubräume. Ein
der Fenster zieht sich um das Langhaus. Kabul, Afghanistan verglaster Halbrundpavillon von 25 Metern
Kirche und Anbau haben Satteldächer. 1940 Durchmesser ragt in den Innenhof.
Zusammen mit Johannes Krahn, A. Winter, Die Anlage ist für das Wirtschafts- und Han¬
N.N. (Unterschrift auf den Plänen unleserlich) delsministerium geplant. Die Pläne tragen
zwar nur Kurzbezeichnungen für die einzelnen
Abteilungen. Aber auf noch vorhandenen Skiz¬
zen stehen überschlägige Berechnungen mit
Benennungen, aus denen die Bestimmung des
Baus hervorgeht.

Archiv: PK 32b

Entwurf 2 (Variante A) ist als 45 Meter langer,


13 Meter breiter einschiffiger Raum geplant 70
mit einer gerundeten Altarrückwand. Im rück¬ Nachrichten über diesen Auftrag stammen aus Vollendung Pfarrkirche Christkönig
wärtigen Teil des Raumes bildet eine auf vier zwei Briefen von Schwarz sowie einigen Plä¬ Mainz-Bischofsheim
Pfeilern ruhende Empore den Übergang zum nen und perspektivischen Skizzen. 1940-1941
Pfarrsaal, der mit der Kirche unter einem Schwarz schreibt am 16. Februar 1940: Mitarbeiter: Johannes Krahn
Dach liegt. Die Raumtrennung zwischen Kir¬ »...Dann hatten wir furchtbar viel Umstände
che und Saal ist aus Glas vorgesehen, so daß und Telefonkosten mit Leuten von Afganistan. Schwarz erhielt den Auftrag, die von Domini¬
die Räume optisch verbunden wirken. Der Die wollen neue Ministerien bauen und haben kus Böhm nicht völlig fertiggestellte Kirche in
Eingang liegt unter der Empore. Eine leicht sich an uns gewendet, d.h. natürlich über aller¬ Bischofsheim zu Ende auszustatten. Es handelt
gewölbte Decke zieht sich über das ganze Ge¬ hand Zwischeninstanzen hin. Ich weiß nicht, sich dabei vor allem um die Beichtstühle und
bäude. In sie sind die den Chorraum beidseitig ob was draus wird, sie bieten jedem von uns die Sakristeieinrichtung. Den Plänen liegen
belichtenden, vom Fußboden aufsteigenden 30000 Mark Jahresgehalt, es ist aber etwas zwei Entwürfe für eine Monstranz bei.
Fensteröffnungen eingeschnitten, deren Stich¬ schwer hinzukommen und nicht sehr reizvoll,
Archiv: PK 31c
kappen bis zum Gewölbescheitel reichen. Der die Hauptstadt ist ein recht primitives Nest¬
Pfarrsaal ist auf die gleiche Weise belichtet. elten, und man reist vierzehn Tage dahin. Das
Das Langhaus ist durch wenige kleine Fenster wollen wir uns noch überlegen, ich bin nicht
erhellt. Als Dach ist ein um den Chor abge- sehr dafür...«
walmtes Satteldach geplant. Der zur Straße hin An 2. März 1940 schreibt er weiter: »...Vier
entstehende Hof wird durch den im Chorbe¬ wilde Männer haben eine Woche lang gewütet
reich der Kirche rechtwinklig angebauten Sei¬ wie die Negersklaven, und dann war der grä߬
tentrakt abgeschlossen. liche Entwurf für Kabul in Afganistan fertig,

253
strukturierende Großform aus den topographi¬
ig Pfarrkirche schen Gegebenheiten der Flußtäler und Hoch¬
!• n »schhausen, Offenbacher ebenen abzuleiten. Er entwickelt die Theorie
der Fünfbänderstadt, die sich aus fünf paralle¬
len Streifen zusammensetzt. Dem »fließen¬
den« Band der Industrie in der Mitte, das in
in rotem Sandstein erbaute neugotische diesem Planungsfall mit dem Tal der Fentsch
i! he sollte im Chorraum erweitert werden. zusammenfällt und deren Windungen folgt,
S »war/ baute an beiden Seiten des Chors sind beiderseits zwei Grünstreifen mit einer
sechseckige kapellenartige Räume an, die Breite von ein bis vier Kilometern angelagert,
durch wenige Stufen mit dem Kirchenraum die Erholungsgebiete und Sportflächen, aber
verbunden sind. Im rechten ist die Taufstelle auch landwirtschaftliche Nutzung enthalten
angeordnet, der linke ist für Kinder vorgese¬ können. Diese Streifen sollen als Filter zwi¬
hen. Der Altar wurde etwas nach vorne zur schen den Belästigungen durch die Industrie
Gemeinde hin gerückt. gegenüber den Siedlungsgebieten wirken.
pläne. Das erste Projekt aus dem Juli 1941 be¬ Ganz außen liegen je zwei bis zu drei Kilome¬
Archiv: PK 32a
trifft das Dorf Dalheim, das bereits im Ersten ter breite Siedlungsstreifen. Dabei ist zu be¬
Weltkrieg teilweise zerstört und von den Fran¬ achten, daß der Weg der Industrie dem mittle¬
zosen als ungeordnetes Haufendorf wieder auf¬ ren Band folgt, der Weg der Arbeiter von der
72 gebaut worden war. Schwarz plant dieses Dorf Wohn- zur Arbeitstätte quer dazu verläuft. Die
Wiederaufbauplanung Lothringen und danach auch alle weiteren mit dem Ziel, Siedlungen sollen aber nicht bandartig entlang
I94I_I944 den Ansiedlungen ein jeweils unverwechselba¬ der Grünstreifen verteilt werden, sondern po¬
res Gesicht zu geben. Durch enge Bebauung lyzentral organisiert sein in ablesbaren Einhei¬
Im Juni 1941 schloß Schwarz einen Vertrag mit im Kern der Siedlung werden zwei Platzräume ten von 2000 bis 2500 Einwohnern mit ihren
dem Reichsstatthalter in der Westmark und gebildet, an deren Schnittpunkt - hier kreuzen eigenen notwendigen kulturellen und wirt¬
Chef der Zivilverwaltung in Lothringen und sich zwei Straßen - der Ortsmittelpunkt mit schaftlichen Folgeeinrichtungen im Siedlungs¬
trat als Planungsarchitekt in den Dienst des Gemeinschafthaus und Wirtshaus angelegt ist. kern. Da Schwarz für jede Familie ein eigenes
Wiederaufbauamtes Lothringen. Die Aussagen Der engen Bebauung der Ortsmitte folgt die Haus mit Garten vorsieht, ist der Flächenbe¬
darüber, wie er zu dieser Stellung gelangte, ge¬ lockere Besiedlung mit größeren Gehöften darf entsprechend groß. Die zu planende Indu¬
hen auseinander. Jedenfalls ist er bis zu diesem und Erbhöfen an der LTmgehungsstraße, die er strieregion wird in folgende Siedlungsräume
Zeitpunkt weder mit landesplanerischen noch ringförmig um den Ort legt. Sportanlagen gegliedert:
mit stadtplanerischen Projekten an die Öffent¬ werden für jedes noch so kleine Dorf vorge¬ Algringen, Volkringen, Hayingen, Remelin-
lichkeit getreten. sehen. gen, Bertringen, Neuückingen und Dieden-
Das 1940 eingerichtete Wiederaufbauamt Lo¬ Die Planung für Böllingen vom August 1941 hofen. Spätere Planungen für die Orte Buchen,
thringen mit Sitz in Saarbrücken hatte die Auf¬ folgt ähnlichen Prinzipien. Auch die Dörfer Kleinprunach, Kubern, Kuberneck, Pomme¬
gabe, die durch den Frankreichfeldzug von der Oberkontz, Warnhofen und Salzmar werden ringen und Salzeck sind nur in Skizzenform
deutschen Wehrmacht eroberten Gebiete des nach den beschriebenen Grundsätzen geplant. vorhanden.
Eisass’ und Lothringens neu zu ordnen und sie Bei diesen Planungen will Schwarz zwischen Diedenhofen ist als Hauptort vorgesehen, der
möglichst schnell »einzudeutschen«. Das Pla¬ zwei gegenläufigen Grundkonzepten vermit¬ die Funktion einer Großstadt zu übernehmen
nungsgebiet umfaßte entwickelte Industriezo¬ teln, die in einigen Abteilungen des Wieder¬ hat, aber selbst keine Großstadt sein muß.
nen um Saarbrücken, Ludwigshafen und Die- aufbauamtes Lothringen vertreten werden. Schwarz bezeichnet Orte mit diesen Funktio¬
denhofen (Thionville) einerseits, andererseits Die Heimatschutzarchitekten wollen die über¬ nen als Hochstadt.
aber reine Agrarzonen in der Pfalz, dem nörd¬ kommene bodenständige Bauweise auch auf Der Planung voraus gehen sorgfältig durchge¬
lichen Saargebiet und dem Südwesten des an¬ neu zu bauende Gehöfte übertragen, während führte statistische Erhebungen und Ermittlun¬
nektierten Lothringens, das durch Einbezie¬ die radikalen Neuerer unter den Architekten gen, die Grundlagen für die voraussichtliche
hung ins deutsche Reichsgebiet integriert und Planern ausschließlich die Ergebnisse der Entwicklung der Beschäftigungszahlen, über
werden sollte. Normung und Typisierung anwenden wollen. die Pendelwanderungen der Industrie- und der
Ziele der Neuordnung der Agrarzonen waren Schwarz versucht, eine Synthese zwischen ge¬ Grubenarbeiter und über den Bedarf an Woh¬
u.a. die »Gesundung« der Dörfer durch Auf¬ wachsener Ortskultur und standardisierter Ge¬ nungen und Siedlungsflächen abgeben. Dabei
lockerung, Aus- und Umsiedlung, Einrichtung höftplanung zu finden. Er erreicht die Ge¬ wird festgestellt, daß die Mehrzahl der Berg¬
von Erbhöfen, Neueinteilung der Feldmarken. schlossenheit seiner Planungen durch die für arbeiter in der Nähe der Grube wohnt, in der
Kriegs- und Kriegsfolgeschäden sollten besei¬ ihn symbolisch zu verstehende Großform des sie arbeiten, während die Industriearbeiter län¬
tigt, die Landwirtschaft modernisiert und Dör¬ Ringes, dem er die Bauten zuordnet. Zu Be¬ gere Arbeitswege in Kauf nehmen. Diese Tat¬
fer und Städte neu strukturiert werden. ginn des Jahrs 1942 wird Schwarz zum Leiter sache wird bei der Planung berücksichtigt. Die
Dem Wiederaufbauamt Lothringen unterstan¬ der neu eingerichteten Planungsstelle Dieden- neuen Siedlungen erhalten jeweils ihre eigene
den elf Wiederaufbauabteilungen. Schwarz ar¬ hofen ernannt. Bei diesem Planungsgebiet Mitte, die möglichst vom Fährverkehr frei ge¬
beitete zunächst in der Abteilung Salzburgen. handelt es sich nicht mehr um rein ländlichen halten wird. Im Regelfall werden sie von zwei
Dies war ein vorwiegend landwirtschaftlich ge¬ Raum, sondern um eine weit auseinander ge¬ tangierenden Straßen gesäumt, von denen die
nutztes Gebiet. Schwarz sieht seine Aufgabe in zogene Industrieregion, in der bis zu 180000 Aufteilungswege »aufgefasert« werden. Am
der Vorplanung kleiner Ansiedlungen mit 20 Menschen leben sollen. Da die Verkehrs¬ oberen und am unteren Ende des Ortes wer¬
bis 50 Wohneinheiten und Gehöften. Das und Versorgungspläne bereits festliegen, kann den die Fahrstraßen mit den umgehenden
Dorf ist für ihn noch das funktionierende Ge¬ Schwarz nur die geordnete Verteilung der Fernstraßen quer verbunden. Ausgearbeitet
meinschaftswerk seiner Bewohner, das aus Siedlungen vornehmen. sind für das Gebiet um Diedenhofen die Pla¬
Bauern und selbständigen Handwerkern gebil¬ Jetzt bezieht sich die Planung auf Siedlungen nungen der Siedlungsräume Volkringen, Re-
det wird. Die einzelnen Planungen sind für für Industriearbeiter und -angestellte, denen melingen und Bertringen mit gruppierten Zu¬
Schwarz in erster Linie Ordnungskonzepte. diese jedoch ebenso Heimat sein sollen wie das sammenfassungen von Einfamilienhäusern in
Sie sind keine direkt zu übernehmenden Bau¬ Dorf den Bauern. Schwarz versucht, die raum¬ den geforderten überschaubaren Einheiten.

254
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Für Diedenhofen als Hochstadt der Stadtland-


schaft liegt ebenfalls eine Planung vor. Um die
Stadt ist auf der Trasse einer alten Römer¬
straße ein Ring als Umgehung gelegt. Zwi¬
schen dieser als Schnellstraße ausgelegten
Straßenverbindung und der Stadt wird im We¬
sten eine Reihe von Siedlungseinheiten ange¬
ordnet, außerhalb der Umgehungsstraße folgt
ein zweiter Ring von Siedlungen. Die alte In¬
nenstadt wird von den Überlegungen nur inso¬
weit berührt, als sie - vom Durchgangsverkehr
frei gehalten - mit den Gebäuden und Platz¬
räumen der »Volksgemeinschaft« die Stadt¬
krone bilden soll. Daran schließt sich an der
Mosel das Wirtschaftszentrum mit Läden,
Gaststätten und Hotels an. Die alte Zitadelle
auf der östlichen Seite der Mosel soll Mittel¬
punkt eines Naherholungsgebietes mit Parks
und Sportanlagen werden.
Der Planung dieser Siedlungsgebiete folgen
städtebauliche Arbeiten im Ornetal.
Im Juli 1943 wfrd Rudolf Schwarz Leiter der
Planungsstelle Lothringen mit Sitz in Metz,
die durch Zusammenlegung der Stellen Die¬
denhofen und Metz entsteht. Pläne für die
Neugestaltung von Metz sind nicht mehr vor¬
handen.
Noch im April 1944 folgt der Auftrag, einen
Flächennutzungsplan für das ostlothringische
Kohlenabbaugebiet St. Avold zu erstellen. In
einem schriftlich niedergelegten »Zwischenbe¬
richt über die Planungsaufgaben im Raume des
lothringischen Kohlenabbaugebietes« emp¬
fiehlt Schwarz, vom Ausbau von St. Avold als
Kreisstadt Abstand zu nehmen. In diesem Ge¬
biet könne es zu gefährlichen Bodensenkungen
infolge des Bergbaus kommen. Er schlägt vor,
südlich des Gebietes von St. Avold stattdessen
das Dorf Bischwald auszubauen, das sich dann
für die umliegend zu planenden Siedlungen zu
einer Art Hochstadt entwickeln könnte. Im
Endzustand soll die Stadtlandschaft Bischwald
45 000 bis 50000 Einwohner haben.
Für das nördliche Gebiet wählt Schwarz für Im Juni 1944 übernahmen Schwarz und Weber Archiv: PK 34; Deutsches Architektur-Museum Frank¬
furt, Nachlaß Johannes Krahn; Landesarchiv Saar¬
den Ausbau zur Mittelstadt den Ort Bolchen. noch die Wiederaufbauplanungen von Lud¬
brücken; Stadtarchiv Saarbrücken
Mit der Planung der Stadtlandschaften Bisch¬ wigshafen, Frankenthal und Saarbrücken.
wald - St. Avold - Bolchen will Schwarz ein Auch für diese Planungen gibt es nur noch Literatur: RS. Vorläufige Siedlungsplanung im Wirt¬
Band von Mittelstädten in Nord - Süd-Rich¬ Vo rü b e r 1 e gun ge n. schaftsraum Diedenhofen. Diedenhofen ip42- 24 S. Ty¬
tung legen, das quer zur Achse Saarbrücken - Am 4. September 1944 wurde Schwarz zum poskript; RS. Stadtlandschaft Diedenhofen. Metz 1943.
88 S. Typoskript; RS. Dorfplanung in Lothringen. In:
Metz liegt. Militär eingezogen. Die Front der Alliierten
Wiederaufbau im Gau Westmark. Berlin 1944, S. 32—37
Zur Ausarbeitung von Siedlungsplänen kam es rückte näher, so daß alle Planungsarbeiten ein¬
(unveröffentlichtes Korrekturexemplar); RS. Lothrin¬
nicht mehr. gestellt wurden. gens Bestand als Aufgabe. In: Wiederaufbau im Gau
Westmark. Berlin 1944, S. 3-17 (unveröffentlichtes

255
>v. RS. Zwischenbericht über die Pla- ordneten Stahlstützen und durch Laternen. stuhl steht vor dem ersten Pfeiler im Kirchen¬
■ im Raum des lothringischen Kohlenab-
Das Verwaltungsgebäude ist als einfacher schiff. Er ähnelt dem der Elisabethkirche in
■ i/ 1044. 39 S. Typoskript; RS. Von der
Mauerwerksbau mit Fensterbändern und fla¬ Hagen aus dem Jahr 1937. Einige Stufen füh¬
1 'de. Heidelberg 1949. 244 S.; RS. Kir-
1 .erg i960. S. 81-89; Werner Durth, chem Dach geplant. ren auf ein mit einer Brüstung aus Naturstein¬
. a u Iräume in Trümmern. Braunschweig Warum es nicht zur Durchführung des Projek¬ platten umgebenes Podest, das von einem Bal¬
- :o’ 297; Jean-Louis Cohen, Hartmut Frank tes kam, ist nicht bekannt. dachin gekrönt ist, getragen von Stahlrohren.
Deutsch-französische Beziehungen 1940-1950 Von 1946-1948 zogen sich die Verhandlungen
in Yuswirkungen aut Architektur und Stadtgestalt, Archiv: PK 33a; Deutsches .Architektur-Museum Frank¬
mit Hans Warnecke hin, der den Tabernakel
i...,ul : 1 orschungsbericht. Hamburg 1986-1989. 365 furt, Nachlaß Johannes Krahn
d irin: Hartmut Frank. Die Stadtlandschaft Dieden- gestaltete.
hofen. S 281 364; darin: Ulrich Hohns. Wiederaufbau
in der Westmark. S. 43-176; Hartmut Frank. La »Stadt- Archiv: PK 33b
I ndschaft Diedenhofen« (Thionville). In: Casabella 75
1990) 567, S 56L; I lartmut Frank. Die Stadtlandschaft
Umbau Empore Pfarrkirche
Diedenhofen. ln: Rainer Hudemann, Rolf Wittenbrock
(Hg.). Stadtentwicklungen im deutsch-ffanzösich-lu-
Hanau-Groß Auheim 77
xemburgischen Grenzraum (19. und 20. Jahrhundert). W Entwurf Taufstein und Werktagsaltar
Saarbrücken 1991, S. 3 z jff. Mitarbeiter: Georg Müller Pfarrkirche
Saalfeld, Pforten 14
Die 7,5 Meter tiefe Empore im hinteren Teil J94J
73 der Kirche wurde entfernt und durch eine
Umgestaltung Altar Kreuzkapelle leicht geschwungene, an der breitesten Stelle Für den Taufstein liegen fünf skizzenhafte
Frammersbach, Kirchberg 10 6,8 Meter tiefe ersetzt. Entwürfe i.M. 1:10 vor, für den Werktagsaltar
I94I-I942 einer.
Archiv: PK 33c
Archiv: PK 33c
Für die kleine Wallfahrtskapelle aus dem 14.
Jahrhundert entw'arf Schwarz einen neuen Al¬
tar unter Verwendung der alten Mensa. Die 76
Platte aus Sandstein mißt 2x2 Meter und steht Umgestaltung Chorraum Pfarrkirche 78
nun auf acht ebenfalls aus Sandstein geschla¬ Mühlheim am Main Gutachten Umgestaltung Chorraum des
genen Beinen. Aus der Mitte ragt etwa vier 1941-1942 und 1946-1949 (Tabernakel) Doms
Meter hoch und drei Meter breit ein massives Mitarbeiter: Georg Müller, Karl Wimmenauer Trier
Kreuz aus Kiefernholz. Auf diesem Kreuz sind I94I
die Wundmale als keilförmige Schlitze in das Mitarbeiter: Johannes Krahn
Holz geschlagen und mennigerot ausgemalt. 'U-

Davor hängen blattvergoldete geschmiedete


Ringe. Im Schnittpunkt der Kreuzarme ist eine
Reliquie ins Holz eingelassen und mit einem
Glasdeckel geschlossen. Um sie hängt ein
ebenfalls vergoldeter Kranz mit 32 unter¬
schiedlich langen, nach innen und außen wei¬
senden Dornen.

Archiv: PK 34a

74
Entwurf Werksanlagen Werk Hafen
Frankfurt-Fechenheim, Daimlerstraße 40
Bauherr: Firma Fries und Sohn, Stahlbau
1941
Zusammen mit Martin Weber Der Gutachterentwurf zeigt zwei Varianten
Mitarbeiter: Johannes Krahn mit Grundrissen und ausgearbeiteter Innen¬
perspektive für die Neugestaltung des Chor¬
Der i.M. 1:200 gezeichnete Vorentwurf zeigt raums. Bei beiden Entwürfen ist der Chor völ¬
eine mittig unterteilte 50 Meter breite, 150 lig geöffnet.
Meter lange Fabrikationshalle für Stahlhoch-, Entwurf 1: Zehn Stufen führen zum Altarberg,
Brücken- und Behälterbau. An den Längs¬ wo der wie ein Tisch gestaltete Altar nochmals
seiten befinden sich 10 Meter breite, zweige¬ Der Chorraum der neugotischen Kirche wurde um zwei Stufen erhöht frei auf einer Insel
schossige Anbauten, in denen Vorbereitungs¬ mit Altar, Predigtstuhl, Kommunionbank und steht. An seinen beiden Seiten stehen je drei
werkstätten und die Sozialräume unterge¬ Bodenbelag neu gestaltet. hohe Altarleuchter. Die in den hinteren Chor¬
bracht sind. Ein dreigeschossiger Gebäudeteil Die Mensa des Altars aus Naturstein ruht auf bereich führende Treppe mit weiteren neun
in Verlängerung der Sozialräume ist für die fünf runden Beinen. Hinter dem Altar ist ein Stufen ist in der Breite der Altarinsel unterbro¬
Verwaltung und Konstruktionsbüros vorgese¬ 3 Meter hoher, 1,35 Meter breiter Naturstein¬ chen. Hier sind die Sedilien eingeschoben,
hen. pfeiler aufgestellt, der eine Kreuzigungsgruppe umgeben von einer steinernen Brüstung, die
Die Halle ist in Stahlkonstruktion geplant. trägt. In den Pfeiler sind seitlich je sechs Tau¬ wie die seitliche Chorbegrenzung gestaltet ist.
Zwei Kranbahnen durchlaufen sie parallel. Die ben als Relief aus dem Stein geschlagen. Auf Auf ihr stehen zwölf Leuchter. Die Treppe
Belichtung erfolgt durch seitliche Verglasung dem Altar soll ein hoher, schmaler, mit Kupfer führt hinauf in den hinteren Bereich. Dort sind
zwischen den im Abstand von 10 Metern ange¬ beschlagener Tabernakel stehen. Der Predigt¬ im Halbrund zwei Reihen von Sitzbänken an-

256
geordnet. Die zur Krypta hinabfiihrenden Insel. Eine wie eine niedrige Mauer wirkende 83
Treppen liegen seitlich an den Wangen, die Kommunionbank umschließt sie. ln der Run¬ Erweiterung Pfarrkirche St. Katharina
den Chor begrenzen. dung der Apsis erkennt man eine Bank für die Krickerhau, Karpaten, Slowakei
Entwurf 2: Hier wird die untere Treppe vom Sänger. Darüber hängt die Orgel. Die Wände 1942-1944
breiten zentralen Abgang in die Krypta unter¬ von Lang- und Querschiff sind im Bereich der Mitarbeiter: Georg Müller
brochen. Die obere Treppe ist in der gleichen Vierung in Glas aufgelöst. Nur vier gemauerte
Breite ebenfalls unterbrochen durch einen stei¬ Pfeiler bestimmen die Kreuzungspunkte. Aus den
nernen Altarblock, der zum hinteren Chorbe¬ spärlichen Unterlagen ist zu erkennen, daß die
reich gerichtet ist. Er bildet zugleich die Rück¬ Kirche in Siehmvauerwerk errichtet werden sollte.
wand für einen kleinen Tischaltar und ist hier 1952 wurde die Kirche St. Albert von Schwarz
andeutungsweise bildhauerisch gestaltet. Auf auf einem anderen Grundstück gebaut.
ihm stehen sechs große Leuchter. Im Halb¬
rund ist im hinteren Bereich nur eine steinerne Archiv: Deutsches Architektur-Museum, Frankfurt,
Nachlaß Johannes Krahn
Bankreihe angeordnet, in deren Scheitelpunkt
der Priestersitz herausgehoben ist.
Literatur: Karin Becker. RS 1897—1961. Kirchenarchi¬
tektur (Dissertation). Bielefeld 1981, S. 168-169; Hanna
Archiv: PK 33
Dannien-Maassen. Kirchenbauten und Entwürfe von
Johannes Krahn (Magisterarbeit). Marburg 1989.

79
Entwurf Altarbereich Pfarrkirche St. Bonifatius 81
Wiesbaden, Luisenstraße 31 Entwurf Umgestaltung Chorraum Pfarrkirche
T94I-I942 B.O. (Bad Orb?)
J942
Für die Umgestaltung des Altarbereichs liegen,
unter Einbeziehung der vorhandenen Kreu¬ Im zwölf Meter tiefen, sechs Meter breiten
zigungsgruppe, einige skizzenhafte Entwürfe Chorraum der Kirche sollte eine Werktagska¬
vor. pelle eingerichtet werden, zu der Schwarz drei
Vorschläge i.M. 1:50 skizziert.
.Archiv: PK 331!
Ein Retabel wird vom Altar gelöst und in eini¬
gem Abstand hinter ihn gestellt. Der Altar ist
als steinerner Block um eine Stufe erhöht. Von
80 der Decke hängt ein offenbar bereits vorhan¬
Entwurf Pfarrkirche St. Albertus Magnus dener Kruzifixus. Bei dieser Skizze ist die Al¬
Andernach tarstelle an die Rückwand des Chorraums
1942 gerückt. Bei einer anderen Skizze steht der Al¬ Die kleine spätgotische Kirche in Krickerhau,
tar zum Hauptschiff gewendet. Die wenigen die im während des Zweiten Weltkriegs von
Bänke sind im Rücken des Schiffs aufgestellt. Deutschen besetzten Gebiet lag, sollte erwei¬
Das Retabel bleibt hinter den Bänken an der tert werden. Schwarz beläßt Chor und Turm
Rückwand stehen. der alten Kirche, nimmt Dach und Seiten¬
wände des Langhauses weg und legt quer über
Archiv: PK 33c
den Kirchenraum eine große Halle, die an¬
nähernd 47 Meter lang und 18,3 Meter breit
ist. Im Inneren bleiben die beiden, das Ge¬
82 wölbe tragenden Mittelpfeiler und die Strebe¬
Entwurf Umgestaltung Altarbereich pfeiler des ehemaligen Langhauses stehen.
Pfarrkirche Zwischen die Mittelpfeiler ist frei auf eine In¬
Diez an der Lahn sel der Hauptaltar gestellt, über ihm wölben
2942 sich wie ein Baldachin die gotischen Kappen
der alten Kirche. Die Gemeinde ist auf jeder
Die alte Rheinstadt Andernach hatte in den Für dieses Projekt liegen einige Entwurfs¬ Seite in je zwei Bankblöcken angeordnet. Die
zwanziger Jahren begonnen, sich über ihren varianten i.M. 1:20 vor. Im relativ tiefen Chor, neue Kirche hat annähernd siebenhundert
römischen und mittelalterlichen Kern auszu¬ der durch einen Spitzbogen vom Kirchenraum Plätze. Die Außenwände der Halle sind mit
dehnen und neue Stadtviertel zu bilden. Die getrennt ist, wird eine gerundete, vier Meter Strebepfeilern im Abstand von 4 Metern verse¬
Gründung einer neuen Pfarrgemeinde wurde hohe Natursteinwand frei in den Raum ge¬ hen, so gleicht sich die Form des neuen Ge¬
notwendig. Uber seinen Schwager, Otto stellt. Sie umhüllt den Altar. Der Tabernakel bäudes dem alten Chor an. Die Längswände
Schwab, der aus Andernach stammte, hatte wird von einem Baldachin gekrönt, der auf die¬ sind fensterlos. Licht erhält die Kirche nur von
Schwarz Verbindung zum 1937 gegründeten ser und zwei Säulen ruht, die aus dem Zentrum den beiden Giebelseiten. Zwei Reihen Fenster,
Kirchbauverein, und er stellte Planungsüberle¬ des Altars wachsen. Die gerundete Wand trägt fünf im unteren, drei im oberen Bereich geben
gungen an, obwohl es mitten im Krieg aus¬ hinter dem Tabernakel ein Goldmosaik. Auf Licht jeweils vom Rücken der Gemeinde her.
sichtslos war, ein Kirchbauprojekt genehmigt beiden Seiten sind St. Georg und St. Bonifatius Die Form der oberen Fensterreihe folgt der
zu bekommen. Die Kirche ist auf einem kreuz¬ als Relief abgebildet. Dachform. Das mittlere, bis unter den First rei¬
förmigen Grundriß angelegt. Die Arme des chende Fenster ist 8,5 Meter, die beiden seit¬
Archiv: PK 35a
Querschiffs haben die Breite des Langschiffs, lichen sind 4,5 Meter hoch. Das steile Sattel¬
so daß eine quadratische Vierung entsteht. Der dach ist mit Balken und Sparren innen sichtbar
tiefe Chorraum endet in einer runden Apside. gelassen. Zwei Eingänge liegen an der West¬
Der .Altar steht in der Vierung auf einer ovalen seite der Kirche, jeweils im äußersten Feld der

257
' i K ist innen und außen verputzt mit Lamellen geschlossen. Der Altar aus rotem
n hen. 1945 wurde die Kathari- Sandstein ragt etwas aus der das Hauptschiff
iiiuch Kriegsereignisse völlig zer- begrenzenden Apsis heraus. Hinter ihm steht,
i m-sangabe 1938 in der Zeitschrift ebenfalls aus rotem Sandstein, ein Kreuz in der
-i und Werkform (1948) 2, die auch Art eines Wegkreuzes. Den Tabernakel gestal¬
'alter Zahner übernommen wurde, ist zu tete Fritz Schwerdt. Der Eingang im hinteren
. rcn. Ule Pläne stammen aus dem Jahr linken Bereich ist als kleine Halle vorgebaut.
194:. In ihr steht der Taufstein. Die Sakristei schließt
sich als niedriger Rundbau an des linke Quer¬
Archiv: PK }8
schiff an. Die Decke der Kirche ist als ebene
Holzdecke mit sichtbaren Balken ausgebildet.
Literatur: RS Kirchenbauten 1928-1947. In: Baukunst
uni! Werkfomi (1(748)2. S. 76, 78-79; Hugo Schnell. Konstruktion: Bruchsteinmauerwerk, außen als
Christliche Kunst der Gegenwart. In: Das Münster Sichtmauerwerk, innen rauh verputzt und hell
2(1947)7/8, S.93-218; RS. Kirchenbau. Heidelberg gestrichen; Dach: Satteldach in Holzkonstruk¬
i960. S. 60-62; Walter Zahner. RS - Baumeister der
tion für die Kirche, Zeltdach für den Turm;
Neuen Gemeinde. Vltenherge 1992. S. 239-240.
Dachdeckung: Schiefer; Fußboden: Sandstein¬
platten. Altäre: Sandstein.

Archiv: PK 37b
84
Entwurf Umbau Pfarrkirche St. Bonifatius
Literatur: RS. Erläuterungsbericht zum Wiederaufbau
Frankfurt, Holbeinplatz der Schloßkirche Johannisberg/Rheinland. 1945. 1 S.
W43 Typoskript; Alfons Leid. Wiederaufbau der Kirche Jo¬
Mitarbeiter: Georg Müller hannisberg im Rheingau. In: Baukunst und Werkform
5(1952)1, S. 36—43; K. Badberger. Neuzeitlicher Kir¬
chenbau in Deutschland. In: Bauverwaltung 3(1954)4, S.
Was im einzelnen an Umbauten in der Kirche
115; Pfarrkirche Johannisberg im Rheingau. In: Jahr¬
St. Bonifatius geplant war, ist nicht festzustel¬ buch für christliche Kunst (1952/53) S. 20-22; RS. Kir¬
len. Es gibt nur eine Aufmaßzeichnung des chenbau. Heidelberg i960. S. 99-106.
Chorraums i.M. 1: 30, die als Grundlage für ei¬
nen Entwurf gedient haben kann. Schwarz war
zu jener Zeit in Lothringen als Landesplaner 86
tätig und hat wahrscheinlich von dort aus mit Entwurf Altar
dem Bauherrn Kontakt gehabt. Krakau
x943
Archiv: PK 37a

Drei perspektivische Skizzen und eine ma߬


stäbliche Zeichnung i.M. 1:10 zeigen einen
85 hölzernen Altar in Tischform, einmal mit vier,
Wiederaufbau Schloßkirche einmal mit zwölf runden Beinen. Auch das
J ohannisberg/Rheingau Altarpodest ist in Holz vorgesehen.
I943_I95I
Archiv: PK 33c
Zusammen mit Rudolf Steinbach
Mitarbeiter: Georg Müller, Karl Wimmenauer

Die im zwölften Jahrhundert gebaute, im acht¬ 87


zehnten Jahrhundert von Johann Dientzenho- Entwurf Tal- und Bergstation Mahlwerke
fer barockisierte und im neunzehnten durch Lorch am Rhein
Georg Möller nochmals veränderte Kirche in Bauherr: Firma Bong
den Weinbergen des Rheingaus war im Zwei¬ 1944
ten Weltkrieg 1942 durch Bombeneinwirkung Mitarbeiter: Georg Müller
völlig ausgebrannt. Schwarz und Steinbach er¬
hielten den Auftrag für den Wiederaufbau. Die Zu diesem Industriebauentwurf, bestehend aus
Arbeiten geschahen in Rückbesinnung auf den Bergstation, Seilbahnpfeiler und Talstation
ursprünglich romanischen Bau. sind Pläne i. AL 1:100 vorhanden. In der Berg¬
Die teilzerstörten Querschiffe, in der Barock¬ station sind das eigentliche Mahlwerk, Silos,
zeit niedriger als das Hauptschiff und nur Ne¬ Lager, Werkstatt und die Sozialräume unterge¬
benräume beherbergend, sind auf die Höhe bracht. Die Talstation ist für die Umfüllung
des Hauptschiffes hochgezogen und nun zu des Mahlguts auf Förderbänder geplant. Es ist
den Seitenschiffen geöffnet. Die über ein Me¬ aus den vorhandenen Unterlagen nicht zu er¬
ter hohe Anschüttung im Inneren der gesam¬ sehen, ob die Anlage so kurz vor Ende des
ten Kirche ist bis auf die Basen der Pfeiler ab¬ Zweiten Weltkrieges noch gebaut wurde.
getragen. Durch diese Maßnahme erhält der
Archiv: PK 38b
Raum seine ursprüngliche Dimension zurück.
Aus den Seitenschiffen sind an der Chorseite
halbrunde Apsiden herausgebaut. Über der
Vierung erhebt sich ein massiger, niedriger
Turm mit Zeltdach. Die beiden Fensterreihen
des Turms sind als Schallöffnungen für Glocken

258
88
daß im Innenraum die durch die Bomben frei
Entwurf Umgestaltung Chorraum Pfarrkirche
gelegte schlichte Raumdimension erhalten
Schönberg-Alöllingen/Westerwald bliebe und auf eine historisierende Rekon¬
1944-1948
struktion verzichtet werde. Der Schauppsche
Entwurf entsprach dieser Vorstellung. Stadt¬
Aus der Korrespondenz mit dem Pfarrer ist er¬ baurat Blanck vertrat die Auffassung, daß der
sichtlich, daß Schwarz im Jahr 1944 drei Vor¬
Plan noch nicht ausgereift genug sei, um zur
schläge für die Umgestaltung des Altarraums Ausführung zu kommen. Der Magistrat be¬
gemacht hat. Pläne für den neuen .Altar und schloß, eine Planungsgemeinschaft zu bilden
den Fußbodenbelag sind im Nachlaß Schwarz und ihr den Auftrag zu erteilen. In die Pla¬
nicht nachgewiesen. Nach 1946 sollten die nungsgemeinschaft wurden berufen: Blanck,
Pläne ausgeführt werden. Dazu kam es nicht. Schaupp und Schwarz, der am Wettbewerb
Es ist zu vermuten, daß durch die Umstellung nicht teilgenommen hatte und zu der Zeit Ge¬
der Währung im Juni 1948 die Durchführung neralplaner der Stadt Köln war. Er brachte Jo¬
aus Geldmangel nicht zustande kam. hannes Krahn und Karl Wimmenauer als Mit¬
arbeiter mit. Krahn wurde bald Mitglied der
Archiv: PK 38c
Planungsgemeinschaft. Schwarz schreibt über
die Zusammenarbeit: »...Es war uns oft nicht
ganz leicht, unsere Arbeit als Planungsgemein¬
89 schaft durchzuführen, denn dieser Zusammen¬
Entwurf Renovierung Pfarrkirche St. Martin schluß verlangte von jedem von uns den Ver¬
Bad Ems, Gartenstraße 7c Ucdcr cutjbau der ShuhJrircnc zicht auf manche eigene Aussage, aber wir
r946 fT- &bo
fanden in der Pflicht zum Gemeinsamen auch
Zusammen mit Johannes Krahn einen Wert: Sie verpflichtete uns, das Private
beiseite zu setzen und gemeinsam das Gültige
Die um 1870 im neugotischen Stil erbaute zu suchen...«
Kirche war, vor allem am Turm, stark renovie¬ Die neue Paulskirche sollte als Kongreßhalle
rungsbedürftig. Ein Frankfurter Architekt hatte und als Kirche benutzt werden können. 1948
; ijf rl ' j
bereits Vorschläge für die Erneuerungsarbei¬ gab jedoch der Synodalverband Hessen die
ten gemacht, die dem Kirchenvorstand nicht Nutzung für Gottesdienste auf. Der Verzicht
zusagten. Schwarz wurde aufgefordert, einen forderte eine neue Planung des Ausbaus.
zweiten Vorschlag vorzulegen. Die Entwürfe Der Eingang ist an seiner ursprünglichen
beziehen sich vor allem auf die Neugestaltung Stelle im Glockenturm belassen. Die vorgela¬
der Westfassade und die Eingangslösung mit gerte Freitreppe ist entfernt. Der Durchgang
dem Einbau einer Taufkapelle sowie die Um¬ wird zu einem schmalen, hohen 'forweg, der
gestaltung des Turms. Aus Mangel an Bauma¬ ins Erdgeschoß führt. Die Geschosse und die
terialien kam der endgültige Auftrag damals - Geschoßhöhen sind verändert. Der Boden des
ein Jahr nach Beendigung des Zweiten Welt¬ Kirchenraumes, der früher auf dem Niveau der
kriegs - nicht zustande. Der Turm ist in Beton¬ Freitreppe lag, ist höhergelegt bis an die Un¬
maßwerk, unausgefacht, mit offenem Glocken¬ terkante der Fenster. Darunter entsteht ein
stuhl als durchsichtige Silhouette entworfen. niedriges Geschoß, das zur Wandelhalle wird
und in dessen ovalem Kern ein stiller Raum als
Archiv: PK 39a
Besprechungszimmer liegt, der von vierzehn
massiven Marmorsäulen umstanden ist. Die
Kapitellen getragen wurde. Der gesamte Bau ovale Wandfläche sollte schon damals mit ei¬
90 war aus rotem Sandstein errichtet. Bekannt nem umlaufenden Bildwerk geschmückt wer¬
Wiederaufbau Paulskirche wurde die Paulskirche durch die erste Deut¬ den. Ein Wettbewerb wurde ausgeschrieben,
Frankfurt, Paulsplatz sche Nationalversammlung, die vom 18. Mai den Wilhelm Geyer gewann. Ausgeführt
Auftraggeber: Magistrat und Stadtverordne¬ 1848 bis Mai 1849 dort tagte. Von 1852 bis wurde der Entwurf nicht. Die Belichtung der
tenversammlung der Stadt Frankfurt am Main 1944 wurde der Bau wieder als evangelische Halle erfolgt durch einen Kranz neuer Fenster
1946-1948 Kirche benutzt. über Straßenniveau. Zwei Treppen führen in
Planungsgemeinschaft Paulskirche: Eugen Im März 194.). brannte sie bei einem Bomben¬ den hohen weißen Saal, der von einer flach ge¬
Blanck, Gottlob Schaupp, Rudolf Schwarz angriff völlig aus. Übrig blieben nur ein 28 neigten, in einfacher Lattenkonstruktion aus¬
später: Johannes Krahn Meter hoher Sandsteinrumpf mit zwei Reihen geführten Decke überdacht ist. In der Mitte ist
Mitarbeiter: Karl Wimmenauer gewaltiger Fensterhöhlen und der ausgehöhlte eine Laterne, der Raumform folgend, aufge¬
Glockenturm. Im April 1946 beschloß der setzt. Der Fußboden des Saales ist mit grauen
Die Paulskirche, 1798 begonnen und 1833 ge¬ Bürgerrat der Stadt Frankfurt, die Paulskirche Muschelkalkplatten belegt wie der Fußboden
weiht, war als 40 Meter langer, 30 Meter brei¬ wieder aufzubauen und bis zur Jahrhundert¬ der Wandelhalle. Das einfache Gestühl ist
ter ovaler Kirchenbau mitten in die Enge der feier der Ersten Deutschen Nationalversamm¬ schwarz, Rednerpult und Podium sind eben¬
Frankfurter Altstadt gestellt worden. Der Saal lung von 1848 der Öffentlichkeit zu überge¬ falls einfach aus Marmor gestaltet. Den einzi¬
war fast 30 Meter hoch und mit einer flachen ben. Im Juni 1946 schrieb die Stadt einen gen Schmuck bilden die Beleuchtungskörper,
Voutenkuppel von einem hohen Mansarddach Ideenwettbewerb aus für alle im Gebiet Hes¬ die als Lichtketten aus doppelten Leuchtstoff¬
überwölbt. Im Glockenturm befand sich der sens tätigen Architekten, die nicht von den Ge¬ röhren von der Decke bis tief über den Boden
Eingang, ihm gegenüber lagen niedrigere Trep¬ setzen der Entnazifizierung betroffen waren. reichen. Eine Orgel sollte auf einer Kragplatte
pentürme. Im Inneren war in 10 Meter Höhe Gottlob Schaupp erhielt für seinen Entwurf über dem Podium stehen.
eine Empore um den ganzen Raum herumge¬ unter 109 eingereichten Arbeiten den ersten Die Fenster wurden zunächst mit Rohglas ge¬
führt, die von zwanzig Säulen mit ionischen Preis. Dem Preisgericht erschien es wichtig, schlossen. Es war von Anfang an geplant, sie

259
. ilci gestalten zu lassen mit der 67-71; Planungsgemeinschaft Paulskirche. Die neue Durch die Vermittlung von Hans Hilger, Ini¬
Paulskirche, ln: Die Neue Stadt 2(1948)3, S. 101-104;
i h in die klare, helle Ordnung tiator des Leversbacher Kapellenbaus (WV
Gerhard Rosenberg. Paulskirche Frankfurt. In: Archi-
; inzuordnen. 20), erhielt Schwarz den Auftrag für den Vor¬
tectural Review 106(1948)635, S. 323-326; Otto Bart-
i iefung des Bodens neu entstan- ning. Ein grundsätzliches Wort zur neuen Paulskirche. entwurf einer Notkirche. Die neuromanische
l i schoß enthält alle für die Funk- In: Baukunst und Werkform (1949)3, 8- 102-107; Um¬ Kirche der kleinen Pfarrgemeinde war im
■ endigen Nebenräume, Garderoben, gebaute Paulskirche in Frankfurt. In: Werk 39(1952)8, Zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden.
i ii. Abstellräume. Anstelle des hohen S. 24; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 94-98; Pla¬ Die Kirche mit den Maßen 20 x 10 Meter hat
nungsgemeinschaft Paulskirche. Denkschrift der Pla¬
Mansarddachs tritt eine flache Kuppel auf ei¬ rechts einen Querarm. Ebenfalls rechts wird
nungsgemeinschaft Paulskirche für die Fortsetzung des
ner zurückgesetzten Attika. Wiederaufbaus der Paulskirche in Frankfurt am Main. der Raum durch drei gemauerte Stützen ge¬
Der Wiederaufbau wurde tatsächlich soweit Frankfurt i960. 15 S.Typoskript; P.A.N. Sips. In memo- gliedert, so daß eine Art Seitenschiff entsteht.
fertiggestellt, daß am 18. Mai 1948 das Ge¬ riam Rudolf Schwarz. In: Tijdsschrift voor Architektuur Hier liegt auch der Eingang, der durch ein
bäude seiner Bestimmung übergeben werden en beeidende Künsten 28(1961)17, S. 321-330; Hiltrud niedriges Glockenhaus geführt wird. Der Altar
Hier. Die Paulskirche in Frankfurt ein gesamtdeutsches
konnte. Die Paulskirche dient seither in der steht auf einstufigem Podest vor der geschlos¬
demokratisches Denkmal des Wiederaufbaus. In: Kunst¬
1 lauptsache festlichen Versammlungen, wie chronik 36(1983)1, S. 4-5; Patricia Tratnik. Materialien
senen Rückwand. Licht fällt auf ihn durch zwei
der Verleihung des Friedenspreises durch den zum Wiederaufbau der Paulskirche 1946-1948. Frank¬ vom Fußboden bis unter die Decke reichende
Börsenverein des Deutschen Buchhandels und furt 1985. ca 320 S.; Magistrat der Stadt Frankfurt am Öffnungen, während der Laienraum zwei hoch¬
des Goethepreises. Völlig fertiggestellt wurde Main (Hg.). Die Paulskirche in Frankfurt am Main. liegende Fenster auf der rechten Seite hat. Die
Frankfurt 1988. 152 S.; Werner Durth, Niels Gut-
der Bau damals nicht. Holzkonstruktion des Satteldachs, das über die
schow. Träume in Trümmern.Bd.2. Braunschweig 1988.
i960 trat die Planungsgemeinschaft Paulskir¬ Sakristei abgeschleppt wird, ist innen sichtbar.
S. 479-485; Wolfgang Pehnt. Goethehaus versus Pauls¬
che noch einmal zusammen und verfaßte die kirche. Wiederaufbau und Neugestaltung nach 1945. In: Als Baustoff sollen die Bruchsteine der zerstör¬
»Denkschrift zur Fortsetzung des Wiederauf¬ Beat Wyss (Hg.). Bildfälle. Adolf Max Vogt zum 70. Ge¬ ten Kirche dienen.
baus der Paulskirche«. Grund war ein Vor¬ burtstag. Zürich 1990. S. 127-136; Maria Schwarz. Be¬ Obwohl der Entwurf bereits durch die Behör¬
ginn in Bescheidenheit. In: Dieter Bartetzko (Hg.).
schlag aus der Öffentlichkeit, für die Fortset¬ den genehmigt worden war, lehnte die Ge¬
Sprung in die Moderne. Frankfurt 1994. 8- 38-47; Die¬
zung der Arbeit einen erneuten Wettbewerb meinde ihn 1948 ab. Die Mehrheit sprach sich
ter Bartetzko. Ein Symbol der Republik. Geschichte und
auszuschreiben. Die Planungsgemeinschaff wies Gestalt der Frankfurter Paulskirche. In: Ingeborg für die Wiederherstellung der Kirche in ihrer
in diesem Zusammenhang auf ihr Urheber¬ Flagge, Wolfgang Stock (Hg.). Architektur und Demo¬ ursprünglichen Form aus. Das Baugesuch
recht hin, und die Stadt erkannte dies an. kratie. Stuttgart 1992. S. 108-125. wurde zurückgezogen.
Die Sanierungsvorschläge wurden größtenteils
Archiv: PK 42
durchgeführt. Die Fenster wurden neu ge¬
rahmt und mit Mattglas geschlossen. 91 Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Vorentwurf
1986 bis 1988 wurde die Paulskirche aus Anlaß Entwurf Notkirche der Notkirche für die Pfarrgemeinde Gey. 1946. 2 S.
neuer brand- und baupolizeilicher Vorschriften Hürtgenwald-Gey Typoskript; RS. Baubeschreibung zu dem Entwurf einer
vollständig renoviert. Nachdem der Versuch 1946-1949 Notkirche für die Pfarrgemeinde Gey. 1947. 2 S. Typo¬
skript; RS. Kirchenbauten 1928-1947. In: Baukunst und
einer historisierenden Renovierung durch Klaus Mitarbeiter: Karl Wimmenauer
Werkform (1948)2, S. 93.
Wever verhindert werden konnte, wurden Ma¬
ria Schwarz mit der künstlerischen Gestaltung,
Wever mit der technischen Durchführung be¬
auftragt. Sie führten die Arbeiten im Sinne der 92
ursprünglichen Bauidee aus. Die zerfallenden Entwurf Erweiterung Pfarrkirche
Heraklithplatten der Decke wurden durch eine Kalbach-Veitsteinbach/Rhön
neue filigrane Holzkonstruktion ersetzt. Kon¬ 1946-1948
zentrisch verlegte weiße Leisten führen das Mitarbeiter: Karl Wimmenauer
Weiß des Saales bis zum Oberlicht. Decke,
Orgelprospekt sowie die Ausgestaltung des. Eine Erweiterung der 1766 gebauten kleinen
Raumes im Kern der Wandelhalle wurden von Kirche wurde schon 1920 ins Auge gefaßt, aber
Maria Schwarz entworfen. Die Wände des nicht durchgeführt. 1946 wurde ein erneuter
Saales wurden mit schallabsorbierendem Spe¬ Beschluß zum Umbau gefaßt, und die bischöf¬
zialputz versehen, um die Schallenergievertei¬ liche Behörde empfahl der Kirchengemeinde,
lung zu korrigieren. Lange, in Jaquard gewebte Schwarz mit dieser Aufgabe zu betrauen.
Fahnen der Bundesländer von Hanns Herpich Die Kirche ist nur 6,5 Meter breit bei einer
hängen im Saal und erhöhen den festlichen Gesamtlänge von 20,5 Metern. Das Langschiff
Eindruck. wird nach acht Metern durch ein Querschiff
Für die Gestaltung der Fenster wurde ein unterbrochen. Die Vierung wird von einem
Wettbewerb ausgeschrieben. Der Entwurf von Dachreiter bekrönt. Die bisher siebzig Perso¬
Wilhelm Buschulte erhielt den ersten Preis nen Platz bietende Kirche sollte für 120 erwei¬
und wurde ausgeführt. Für die schon 1946 ge¬ tert werden. Wie aus der Korrespondenz
plante Wandgestaltung in der Wandelhalle er¬ hervorgeht, legte Schwarz mindestens sechs
hielt Johannes Grützke Preis und Auftrag. Die Entwürfe für das kleine Bauvorhaben vor, die
Arbeit wurde 1990 fertiggestellt. alle nicht die volle Zustimmung des Bauherrn
fanden. Der schließlich angenommene Vor¬
Archiv: Deutsches Architektur-Museum Frankfurt,
schlag, bei dem der Chor in der Art eines
Nachlaß Johannes Krahn; Historisches Archiv der Stadt
Frankfurt Westwerks hochgezogen und das Schiff verlän¬
gert werden sollten, kam nicht zur Ausführung.
Das Bauvorhaben wurde infolge der Wäh¬
Literatur: Alfons Leid. Der Wiederaufbau der Paulskir¬
che. In: Baukunst und Werkform (1947)1, S. 99-103; rungsumstellung im Juni 1948 verschoben.
Otto Fischer. Die Wiederherstellung der Paulskirche in Im Nachlaß Schwarz sind keine Planunter¬
Frankfurt am Main. In: Neue Bauwelt 2(1947)5, S. lagen zu diesem Bauvorhaben vorhanden.

260
Archiv: l’K 39!) Archiv: PK 48b

Literatur: RS. Erläuterungsbericht für die Erweiterung Literatur: Neuere Kirchenbauten von RS. In: Die Neue
der katholischen Pfarrkirche zu Veitsteinbach. Frankfurt Stadt 4(1949)12, S. 612 -614.
1948. 1 S. Typoskript.

94
93 Entwurf Altarstelle Pfarrkirche
Entwurf Pfarrkirche Kirchen-Wehbach
Kirchen-Herkersdorf 1946-1947
1946-1955
Mitarbeiter: Karl Wlmmenauer Die Ausstattung der Kirche paßte nicht mehr
zu der neuen figürlichen Ausmalung. Schwarz
entwarf Haupt- und Nebenaltar sowie Predigt¬
stuhl und Ambo. Aus den Unterlagen ist nicht
zu ersehen, ob die Entwürfe realisiert wurden. die Verkehrsplanung und die Planung der
Stadtteile. Unter Beachtung wirtschaftlicher
Archiv: PK 48h und sozialer Grundlagen geht Schwarz von
800000 bis eine Million Einwohnern aus, für
die er den stadtkölnischen Städtebund ent¬
95 wickelt, eine föderalistische Gliederung ver¬
Wiederaufbauplanung der Stadt Köln hältnismäßig selbständiger Stadtteile. Hierbei
I946-1952 nutzt er die Erfahrungen, die er bei der Lan¬
Mitarbeiter: Mitarbeiter der Wiederaufbau desplanung Lothringens gemacht hat (WV
GmbH und des Stadtplanungsamtes 72). Das städtebauliche Leitbild ist die Planung
Kölns als Doppelstadt, der hauptsächlich links¬
rheinischen Hochstadt im Süden und der In¬
dustriestadt im Norden. Ein Verkehrsband
umläuft sie in Form einer umgekehrten S-
Kurve.
Diese doppelte Kurve, die eine Gegenbewe¬
gung zum Verlauf des Rheins darstellt, leitet
den Verkehr um die Innenstadt auf der linken
Rheinseite und die nördlichen Vororte auf der
rechten Seite, so daß diese Bereiche vom
Durchgangsverkehr frei sind. Wenige Ausfall¬
straßen beschicken bzw. kreuzen sie. Die völlig

(.ÄNCsVNOMS.'ITl
zerstörte Innenstadt soll als »Hochstadt« auf¬
gebaut werden, d.h. sie soll im menschlichen
Maßstab den »hohen, kostbaren Dingen« Vor¬
behalten werden. Neun Stadtviertel um die al¬
Parallel zur Umgestaltung der Pfarrkirche Kir- ten Kirchspiele sind so geplant, daß sie zur Bil¬
chen-Wehbach wurde Schwarz mit dem Vor¬ dung der Hochstadt beitragen. So sollen z. B.
entwurf der Kirche für die Gemeinden Her¬ zwischen Dom und St. Maria im Kapitol kirch¬
kersdorf und Offhausen beauftragt. liche Institutionen und Museen angesiedelt
Der einfache Rechteckraum liegt senkrecht werden, in den südlichen Bereichen zwischen
zum Waldhang, so daß sich im Bereich des Rhein und Aachener Straße Institutionen der
Altarraums ein belichtetes Untergeschoß er¬ Bildung. Dabei achtet Schwarz auf die Wieder¬
gibt. Hier liegen Gemeindesaal und Gruppen¬ gewinnung von Wohnqualität innerhalb der
räume. Der acht Meter tiefe Altarraum hat die Im Herbst 1946 erhielt Schwarz das Angebot, Hochstadt. Das Verkehrssystem der Innenstadt
Breite des Kirchenschiffs. Die Rückwand ist für fünf Jahre die Leitung der Kölner Wieder¬ ist einfach. Obwohl kein Durchgangsverkehr
nur in der Breite der Altarinsel geschlossen. Im aufbau GmbH zu übernehmen, um den Aufbau stattfindet, wird doch starker innerstädtischer
Langschiff reichen auf beiden Seiten Licht¬ der zerstörten Stadt zu planen. Schwarz nahm Quellverkehr erwartet. Eine Nord-Süd- sowie
flächen in der Tiefe des Altarraumes vom Bo¬ das Angebot an. Der später um ein Jahr verlän¬ eine Ost-West-Verbindung mit vielen Zu¬
den bis unter die Decke. Der Laienraum erhält gerte Vertrag sah vor, daß er als freier Archi¬ führungen sollen ihn aufnehmen und abgeben.
sein Licht durch ein unter der Decke laufendes tekt neben seiner Tätigkeit als Generalplaner Die neuen Straßen sollen das Stadtbild nicht
schmales Fensterband. In der Achse der Kirche eigene Projekte bearbeiten konnte. zerreißen. Sie werden an den Grenzen zwi¬
steht vor dem Eingang an der Stirnseite der Schwarz versucht, bei der Wiederaufbaupla¬ schen den Stadtvierteln geführt und haben als
halbrunde Turm. Eine leichte, über dem Ein¬ nung der weitgehend zerstörten Stadt einmal Achterstraßen die Aufgabe, die engen Ge¬
gang liegende Empore wird von zwei Pfeilern auf vorhandene Strukturen zurückzugreifen, schäftsstraßen der Viertel zu beschicken. Die
getragen. Die Decke ist eben. Das Dach ist als zum anderen die Stadt auf zukünftige Entwick¬ in der NS-Zeit geplante 72 Meter breite West-
Walmdach ausgebildet. Als Baumaterial ist der lungen vorzubereiten. Ost-Achse, die die Innenstadt wie eine Schneise
in der Gegend gebrochene Bruchstein vorge¬ Ausgehend von der Großraumplanung voll¬ durchschneidet, wird auf normale Straßen¬
sehen. Die Verhandlungen zogen sich über zieht er die bis in die Gestaltung einzelner breite zurückgeführt. Um die durch Gleisanla¬
Jahre hin. Ein ortsansässiger Architekt legte Viertel gehende Planung in parallelen Schrit¬ gen abgeschnittenen nördlichen Teile der In¬
mehrere Alternativentwürfe vor. Der endgül¬ ten. Es sind dies die Planung des »Kölnischen nenstadt wieder ins Stadtgebiet der Hochstadt
tige Bauauftrag ging nicht an Schwarz. Städtebundes«, die Planung der »Hochstadt«, einzubeziehen, plant Schwarz, den Bahnhof

261
■Ir Güterbahnhofs Gereon zu Ludmann, Kurt Jatho. RS - sein Konzept für das neue chenraum so, daß fast ein Zentralraum ent¬
I mpfangsgebäude soll mit sei- Köln. In: Köln - seine Bauten 1928-1988. Köln 1991. S. steht. Das Langhaus ist auf die Länge der
93-123; Werner Meinen. Köln: Moderne für die Rö¬
>1 Jen 1 lansaring gelegt werden. Querschiffarme reduziert, der Altar in die Vie¬
merstadt. In: Klaus v. Beyme u.a.(Hg.). Neue Städte aus
1 i nen Gründen kam diese Maß- Ruinen. München 1992. S. 217-230; Werner Durth,
rung vorgerückt, und der I Ieribertschrein ist
! zustande. Die Straßenbahnlinien Niels Gutschow. Träume in Trümmern, Bd. 2. Braun¬ ins Zentrum des Chorraums gestellt.
. ", mre legt werden, daß sie Gebiete mit schweig 1993. S. 254-257; Architektur und Stadtpla¬ Zur Ausführung kam dieser Entwurf nicht.
Maschenweite von 500 Metern er- nung. In: Werner Schäfke (Hg.). Das Neue Köln Das Mittelschiff bleibt in seiner gesamten
1945-1995. Köln 1995. S. 266-273.
i . ;>en. Kür alle Stadtteile und Vororte sind Länge stehen. Es ist mit einem flachen Sattel¬
iiibrlicht Planungen ausgearbeitet. Sie dach gedeckt, das innen sichtbar ist. Außen ist
berücksichtigen die Eigenarten eines jeden die den Bau umziehende Zwerggalerie ent¬
Stadtteiles. 1950 lag der Planungsbericht vor, 96 fernt, die Türme haben Zeltdächer.
der auch in einer Ausstellung der Öffentlich¬ Wiederaufbau Pfarrkirche St. Heribert 1955 wurden die Ausbauarbeiten im Chorraum
keit nahegebracht wurde. Köln-Deutz, Deutzer Freiheit/Tempelstraße fortgesetzt. Das provisorische Altarpodest ist
1946-1955 durch einen Altarberg, belegt mit Goldbank¬
.Archiv: PK 39 kalkstein ersetzt. Im Zentrum der Vierung
Zusammen mit Josef Bernard
steht der Altar aus tiefgrünem Marmor. I Unter
Literatur: RS. Gedanken zum Wiederaufbau von Köln. ihm ist auf vier Säulen der Heribert-Schrein
In: Grundfragen des Aufbaus von Stadt und Land. Stutt¬
mit einer Tragplatte aufgestellt. Altar und
gart 1947. S. 8-27; RS. Bericht an das Präsidium des
Deutschen Städtetages. Köln 1947. 10 S. Typoskript; Tragbrücke sind Arbeiten von Heinz Gernot,
RS. Deutzer Freiheit. Köln 1947. 2 S. Typoskript; RS. der Tabernakel stammt von Fritz Zehgruber.
(iedanken zum Wiederaufbau von Köln am Rhein. Köln Der Bereich hinter dem Schrein erhält eigene
1947. 29 S. Typoskript; RS. Der Wiederaufbau von Funktionen als Werktags- und Taufkapelle.
Köln. Köln 1947. 8 S. Typoskript; Berichte von Prof.
Die zunächst weiß verglasten Chorfenster sind
Dr. Schwarz und Prof. Dr. Neundörfer über die Kölner
Stadtplanung in der nichtöffentlichen Sitzung der Stadt¬
durch farbige nach Entwürfen von Willy
vertretung am 24. Juni 1948. Köln 1948. 40 S.; RS. Weyres ersetzt.
Ideen zum Wiederaufbau der Stadt Köln. Köln 1948. 8 1986 und 1988 wurde die Kirche in zwei weite¬
S. Typoskript; RS. Die Neugestaltung der Hohe Straße- ren großen Bauabschnitten nochmals renoviert
Gegend. Köln 1948. 2 S. Typoskript; Was wird aus den
und restauriert. Die Obergadenfenster sind von
Kölner Kirchen? In: Gesellschaft für christliche Kultur.
Kirchen in Trümmern. Köln 1948. S. 15-31; RS. Was
Wilhelm Buschulte.
eigentlich ist der Gegenstand des Städtebaus? In: Bau¬
Archiv: PK 40
kunst und Werkform (1948)2, S. 50-64; RS. Zusam¬
menfassender Bericht über die Verkehrsplanung von
Literatur: RS, Josef Bernard. Erläuterungsbericht zu
Groß Köln. Köln 1948. 12 S. Typoskript; RS. Das dritte
dem Entwurf der Choranlage in der wiederaufgebauten
Köln. Köln (um 1949) 5 S. Typoskript; RS. Organisato¬
Kirche St. Heribert in Köln-Deutz. Köln 1955. 1 S.
rische Vorschläge für den Wiederaufbau von Stadtvier¬
Typoskript; Willy Weyres. Neue Kirchen im Erzbistum
teln in Köln. Köln 1949. 3 S. Typoskript; RS. Das
Köln 1945-56. Düsseldorf 1957. S. 118; Willy Weyres.
zukünftige Köln. In: Bauen und Wohnen 4(1949)4, S.
Der Ort des Taufgeschehens. In: Kölner Pastoralblatt
173-177; RS. Hahnenstraße als Kölner Verkehrsader.
10(1958) S. 238-244; RS. Kirchenbau. Heidelberg
In: Die Neue Stadt 4(1950)11/12, S. 453-455; RS. Ge¬
i960. S. 127-132; Ldrich Krings. Die katholische Pfarr¬
burtsstunde des dritten Köln. In: Die Neue Zeitung
kirche St. Heribert in Köln-Deutz. In: Rechtsrheini¬
(1950)20.5.; RS. Mutter der Städte. In: Rheinischer
sches Köln. Bd. 14. Köln 1988, S. 65-68.
Merkur (i95o)Mai, S. 5-7; RS. Die Notwendigkeit ei¬
ner großräumlichen Ordnung der Kölner Bucht. Köln
(um 1950). 6 S. Typoskript; RS. Stadtplanung Alter
Markt. Köln (um 1950). 1 S. Typoskript; RS. Der Wie¬
97
deraufbau der Stadt Köln. Köln (um 1950) 2 S. Typo¬
Wettbewerb und Wiederaufbau Pfarrkirche
skript; RS. Die Umgestaltung der Domumgebung. In:
Kölner Domblatt (1950). S. 115-117; Stadt Köln (Hg.). St. Mechtern
Das neue Köln. Ein Vorentwurf. Köln 1950. 111 S.; RS. Köln-Ehrenfeld, Mechternstraße
Stadtplanung für die Menschen. Köln 1952. 3 S. Typo¬
i946~i954
skript; RS. Die Wiederaufbauplanung der Stadt Köln
Mitarbeiter: Johannes Krahn (Wettbewerb),
als Beispiel des deutschen Städtebaus. Köln (um 1952). 11
Paul Altgassen, Maria Schwarz,
S. Typoskript; RS. Nachdenkliches und Vordenkliches
zur Kölner Stadtplanung. Köln 1953. 8 S. Typoskript; Karl Wimmenauer
RS. Der Aufbau zerstörter Städte. Frankfurt 1955. 6 S. Die Pfarrkirche St. Heribert wurde um 1890
Typoskript; Hubert Hoffmann, Karl Kaspar. Neue als fünftürmiger Tuffsteinbau im Sinne des Die um 1900 im neubyzantinischen Stil er¬
deutsche Architektur. Stuttgart 1956. S. 216; RS. Das
späten Historismus errichtet. Sie sollte mit ih¬ baute Mechternkirche war 1944 durch Bom¬
neue Köln. In: Baukunst und Werkform 10(1957)5, S.
rer Silhouette in rheinischer Neuromanik ein benangriffe fast völlig zerstört worden.
250-255; Exkursion nach Köln. In: Baukunst und
Werkform 10(1957)5, S. 249-300; RS. Kirchenbau. Gegenstück zu den romanischen Kirchen des Für den Wiederaufbau war ein beschränkter
Heidelberg i960. S. 89-93; RS-Gedächtnisausstellung. linksrheinischen Köln bilden. Wettbewerb zwischen drei Architekten ausge¬
Heidelberg 1963. S.82-86; Hiltrud Kier. Der Wieder¬ 1943 und 1944 zerstörten Luftangriffe große schrieben, zu dem, obwohl er im März 1946
aufbau von Köln 1945-1975. In: Die Kunst, unsere bereits abgeschlossen war, Schwarz nachträg¬
Teile der Kirche. 1946 erhielt Schwarz den
Städte zu erhalten. Stuttgart 1976. S. 231-248; Manfred
Auftrag für den Wiederaufbau. Die ersten lich aufgefordert wurde. Er reichte seine Ent¬
Sundermann, Claudia Lang, Maria Schwarz (Hg.). RS.
Bonn 1981. S. 68-69; Robert Frohn. Köln 1945-1981 - Pläne datieren aus Anfang 1948. Darin wird würfe im Juli 1946 nach und erhielt den Auf¬
vom Trümmerhaufen zur Millionenstadt. Köln 1982; vorgeschlagen, die hinteren vier Joche des trag für die weitere Bearbeitung.
Hiltrud Kier. Städtebauliche Entwicklung der 50er Jahre Langhauses vom Kirchenraum abzutrennen Das Grundstück liegt innerhalb geschlossener
in Köln. In: Wolfram Hagspiel, Hiltrud Kier, Ulrich und oberhalb des Seitenschiffs eine Decke ein¬ Straßenfront an der Mechternstraße und reicht
Krings. Köln. Architektur der 50er Jahre. Köln 1986. S.
zuziehen. Unten soll, nur durch eine Glaswand bis zur Thebäerstraße. Grundmaße und Aus¬
17; Werner Durth, Niels Gutschow. Architektur und
Städtebau der 50er Jahre. Bonn 1987. S. 40-41; Marina von der Kirche getrennt, eine Werktagskapelle richtung des Gebäudes sind also vorgegeben.
1 lemmersbach. Die Wiederaufbauplanung der Stadt eingebaut werden. Im oberen Geschoß liegt Die Reste eines Turmes in der rechten Grund¬
Köln 1945-46 (Magisterarbeit). Köln 1989; Harald ein Pfarrsaal. Dieser Plan verändert den Kir¬ stücksecke an der Mechternstraße sollten be-

262
Längs- und Giebelwände sind bis auf die ge¬
mauerten nichttragenden Ecken in ein Netz¬
werk aus Stahlbeton aufgelöst, in dem ein¬
zelne, versetzte Felder mit (Jlasbausteinen
ausgefacht sind. Diese (eingliedrigen Riegel¬
werke stützen sich gegenseitig, wobei sie von
stählernen Dachbindern gehalten werden, die
über die Pfeiler laufen und jeweils mittig auf
einem Riegelfeld enden. Die Unterflansche
der Binder sind in der ebenen Rabitzdecke
sichtbar und vergoldet. Wände und Decke
weiß, hellrot und grau gestrichen. Die gemau¬
erten Ecken sind außen als Sichtmauerwerk
belassen. Der Turm ist auf den Resten des
alten Turms errichtet. Unter dem Ghor liegt
eine Krypta.
In den siebziger Jahren wurden Renovierungs
arbeiten notwendig. Die geplatzten Glasbau¬
steine wurden durch von Wilhelm Buschulte
entworfene Fenster ersetzt, die eine ähnliche
Wirkung wie die Glasbausteine haben. Maria
VORENTWURF T'ST. MECHTERN
Schwarz gestaltete die schadhaft gewordene
MST 1 200
KÖLN DEN 2V. 3UU -19*6 Decke und den Chorraum neu.

.Archiv: PK 65

rücksichtigt werden. Schwarz arbeitete zwei


Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Vorentvurf
Vorschläge aus.
für den Wiederaufbau der Kirche St. Mechtern in Köln-
Wettbewerbsentwurf i baut auf einem recht¬ Ehrenfeld. Köln 1946. 2 S. Typoskript; Kirche St.
eckigen Grundriß auf, aus dem sich T-förmig Mechtern in Köln. Wettbewerbsentwurf 1947. In: Bau¬
Haupt- und Querschiff erheben. Die zum kunst und Werkform (1948)2, S. 88-90; RS. Baube¬
schreibung zum Vorentwurf für die Pfarrkirche Sankt
Querschiff geschlossenen Seitenschiffe sind
Mechtern in Köln-Ehrenteld. Frankfurt 1952. 2. S.
niedrig. Der Altarberg steht mit acht Stufen
Typoskript; RS. Die sechste Mechternkirche. In: Kirche
vor der geschlossenen Chorwand. Er hat die und Europa. Köln 1954. S. 21-24; St. Mechternkirche
Breite des Lang- und die Tiefe des Quer¬ in Köln-Ehrenfeld. In: Jahrbuch für christliche Kunst
schiffs. Der Eingang zur Kirche liegt in der (1954) Bildwerk im Kirchenbau. S. 18-19; Eduard Trier.
Kultstätte oder Versammlungsraum. In: Die Zeit
links neben dem linken Seitenschiff angeord¬
(1954)51, S. 4-5; Karl Dambach. St. Mechtern in Köln.
neten Vorhalle. Hochgezogene Lisenen glie¬
Köln 1956. 15 S.; Ottmar Kerber. Liebfrauenkirche in
dern die Wände in Felder, die in der Höhe ein¬ Köln-Mülheim und St. Mechtern in Köln-Ehrenfeld. In:
mal unterteilt sind. Einige sind als Fenster Das Münster 9(1956)11/12, S. 417-427; Willy Weyres.
ausgebildet. Die Decke ist eine flach gewölbte Neue Kirchen im Erzbistum Köln 1945—56. Düsseldorf
1957. S. 124; St. Mechternkerk te Keulen. In: Bouw
Tonne. Unter der Kirche ist eine Unterkirche
(1957)33’ S- 822-823; RS. Kirchenbau. Heidelberg
geplant, die zunächst als Notkirche dienen soll. i960. S. 179-190; Karin Becker. RS 1897-1961. Kir¬
Wettbewerbsentwurf 2 ist auf den gleichen chenarchitektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 225-
Grundmaßen als kreuzförmiger Raum konzi¬ Ausgeführter Entwurf: Nun ist die Kirche zu 226, 349-355: Barbara Kahle. Rheinische Kirchen des
piert. Der Altar steht in der Vierung auf einer einer großen Halle geworden, 43 Meter lang, 20. Jahrhunderts. Köln 1985. S. 77; Barbara Kahle.
Deutsche Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts. Darm¬
quadratischen Insel. Der Chorraum dahinter 24 Meter breit und fast 20 Meter hoch. Drei
stadt 1990. S. 138; Volker Siegburg. Kirchenräume -
ist für die Sänger vorgesehen. Die Seitenschiffe Pfeilerpaare von 1 x 1 Meter, die auf den Fun¬ Kirchenträume (Diplomarbeit). Bonn 1992. S. 35-38.
sind zum Querschiff offen, so daß der Blick damenten der alten Pfeiler stehen, gliedern die
durch den Raum gleiten kann. Das linke Sei¬ Kirche. Die Altarinsel schiebt sich in drei Stu¬
tenschiff ist zur Vorhalle offen. Die Belichtung fenebenen weit in den Raum. Sie ist an den 98
ist bei diesem Entwurf eine völlig andere. Das Seiten von einer Marmorbrüstung begrenzt. Wiederaufbau Gnadenkapelle
Hauptschiff ist bis auf ein Fenster in der Gie¬ Daran stehen auf Sockeln Statuen der Natio¬ Köln-Kalk, Kalker Hauptstraße
belfront über der Empore geschlossen. Dafür nalheiligen verschiedener europäischer Länder 1946-1950
sind die Stirnwände des Querschiffs und drei als Mahnmale für den Weltfrieden. Der Pfar¬ Mitarbeiter: Karl Wimmenauer
Felder im Obergaden des Chors geöffnet. Als rer hat St. Mechtern zu einer Weltfriedenskir¬
Decke spannen sich quer zur Hauptrichtung che machen wollen. Uber dem Altar hängt ein Die barocke Gnadenkapelle mit einem wun¬
flache Tonnen. Der ausgefachte Stahlbetonske¬ Baldachin, den Hanns Rheindorf entworfen dertätigen mittelalterlichem Gnadenbild der
lettbau bleibt in seiner Struktur ablesbar. Der hat, von dem auch die Verkleidung des Taber¬ Schmerzhaften Muttergottes wurde durch
Turm wird oberhalb des erhalten gebliebenen nakels stammt. Hinten steht eine Sängerem¬ Luftangriffe 1941 völlig zerstört. Das unver¬
Stumpfes als nicht ausgefachtes Stahlbetonske¬ pore auf Stahlstützen. Durch den alten Turm sehrt gebliebene Gnadenbild veranlaßte den
lett 45 Meter hoch geführt. Er ist an den führt ein Eingang. Die Eingangshalle ist mit frühen Wiederaufbau der Kapelle. Bereits
Ecken von vier hohen Engeisfiguren gekrönt. Fresken von Peter Hecker geschmückt, der 1946 lagen Entwürfe von Harperscheid und
Der im September 1946 erteilte Bauauftrag be¬ schon die alte Mechternkirche ausgemalt hatte. Schwarz vor. Der Harperscheidsche Entwurf
schränkte sich zunächst auf die Errichtung ei¬ Ein niedriges Seitenschiff liegt links, offen zum lehnt sich an die Bautradition, während der
ner Notkirche. Mit der Planung für den end¬ Kirchenraum. Die Vorhalle erschließt die Kir¬ Schwarzsche sich völlig von Vergangenem löst.
gültigen Bau wurde 1952 begonnen. Mehrere che direkt und über dieses Seitenschiff. Der Bauherr entschied sich für die Schwarz¬
Entwurfsstufen sind ablesbar. Die Kirche hat keine eigentlichen Fenster. sche Bauauffassung.

263
ein Altar und eine Kanzel für Wallfahrtsgottes¬ Archiv: PK 47a

dienste angeordnet.
Literatur: Hugo Schnell. Christliche Kunst der Gegen¬
wart. In: Das Münster 2(1949)7/8, S. 193-201; St. Boni-
Archiv: PK 45a
fatiuskirche, Dortmund. In: Baukunst und Werkform
(1949)2, S. 46.
100
Entwurf Wiederaufbau Pfarrkirche
St. Bonifatius 101
Dortmund, Bonifatiusstraße Entwurf Wiederaufbau Pfarrkirche mit
1947-195° Pfarrgebäuden
Mitarbeiter: Josef Bernard Eschweiler-Dürrwiß, Jülicher Straße
1947-1948
Mitarbeiter: Paul Schneider-Esleben
Mittelpunkt der Kapelle ist das Gnadenhild.
Um dieses legt sich der Raum wie eine große,
langgestreckte Apsis. Man betritt die Kapelle
durch die verglaste Rückwand. Auf den Altar
fällt Tageslicht durch ein großes Rundbogen¬
fenster, das vom Fußboden bis in die tonnen¬
gewölbte Decke reicht. Das darin stehende
Fensterbild stammt von Georg Meistermann.
Zwei kleine hochliegende Rundbogenfenster
erhellen den hinteren Raum. Ein über der Ap¬
sis abgewalmtes Satteldach deckt die Kapelle
ab. Im Eingangsbereich ist ein kleiner, stähler¬
ner Dachreiter mit einer Glocke angebracht.
Innen ist die Kapelle weiß gestrichen, der Fu߬
boden ist mit Mosaik aus Marmorplatten-
Trümmern belegt. Beleuchtet wird sie durch
stehende mannshohe Kandelaber aus Kupfer.
Von außen ist das Mauerwerk aus Trüm¬
merziegeln unverputzt belassen. Der um die
Marienkirche (WV 122) führende Kreuzweg
wurde von Schwarz zum Wallfahrtsweg ge¬
macht. Die Prozessionen ziehen ihn entlang Über den Gartenarchitekten Schreiber wurde
und enden in der Kapelle vor dem Gnadenbild. der Auftrag für den Vorentwurf anstelle der im
Krieg zerstörten Kirche an Schwarz vermittelt.
Archiv: PK 49
Ein schmaler langgestreckter Bau schließt sich
um den Altar in einer gerundeten Apsis. Um
Literatur: RS. Baubeschreibung der wieder aufzubauen¬
den Gnadenkapelle in Köln-Kalk. Köln 1949. 1 S. Typo¬ ihn legt sich ein niedriges Lhnschiff, das von
skript; Magdalena Kurz. Marienkirche und Gnaden¬ Die 1910 im neuromanischen Stil erbaute Kir¬ einem auf parabelförmigem Grundriß stehen¬
kapelle in Köln-Kalk. In: Die Neue Stadt 5(1951)1, S. che wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt. den Turm ausgeht, sich im Eingangsbereich
10-13; August Hoff. Einführung in die zeitgenössische
Apsis, Querschiff und Dach waren zerstört erweitert und hinter der Altarapside nochmals
christliche Kunst. In: Jahrbuch für christliche Kunst
worden. Die Türme waren aus dem Lot gera¬ ausschwingt. Dort wächst eine kreisrunde Tauf¬
(1950/51) S. 5-30; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960.
S. 136-146. ten. kapelle heraus. Gegenüber der Altarapside ist
Schwarz wurde mit einem Vorentwurf für den eine Empore von Wand zu Wand gespannt.
Wiederaufbau beauftragt. Unter Verwendung Die Kirche wird mit einem flach geneigten
99 der noch stehenden Bauteile erhält der Bau ei¬ Satteldach gedeckt. Die Fenster des Haupt¬
Erweiterung Pfarrkirche nen neuen Grundriß. Der Hauptkirchenraum schiffs liegen im oberen Bereich. Rechts um¬
Bad Cannberg Schwickershausen, Eichborn 9 wird am Chor durch eine Glaswand geschlos¬ schließen Pfarrhaus und Gemeinderäume ei¬
1946-1948 sen. Davor steht auf einer weit ins Hauptschiff nen Innenhof. Die Anlage ist aus Bruchstein¬
Mitarbeiter: Karl Wimmenauer ragenden Insel der Hauptaltar. Hinter der mauerwerk vorgesehen.
Glaswand ist unter einem niedrigen Tonnen¬ Der Ausführungsauftrag kam nicht zustande.
Der Plan für die Umgestaltung des Chorraums gewölbe eine Kapelle vorgesehen. Im linken Der Kirchenvorstand hatte einen weiteren Ar¬
der kleinen Wallfahrtskirche geht offenbar auf Arm des Querschiffs stehen Sänger und die chitekten mit einem Vorentwurf beauftragt,
die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurück. Orgel. Die Fenster im Obergaden des Lang¬ der die Baukosten geringer ansetzte als
Die Korrespondenz erwähnt einen Altar, ein hauses sind zugemauert. Die Kirche erhält Schwarz.
Tabernakel, Altarleuchter und Fußbodenbelag. Licht durch wenige, große Bogenöffnungen,
Archiv: PK 41
Pläne wurden im Nachlaß Schwarz nicht ge¬ eine an der Westseite über dem Eingang, zwei
funden. 1947 folgte der Auftrag für die Erwei¬ beiderseits des Hauptaltars. Das flach geneigte
Literatur: Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchi¬
terung der Kirche. Satteldach hat eine innen sichtbare Holzkon¬ tektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 228-229, 358-
Die zur Orgelempore führende Treppe wird struktion. 359-
nach außen unter ein heruntergezogenes Dach Die Verhandlungen über die endgültige Beauf¬
verlegt. Die Orgel ist von der Empore in die tragung zogen sich lange hin. Ende 1950
neben dem Treppenaufgang entstandene Ni¬ lehnte der Kirchenvorstand Schwarz als Archi¬
sche geschoben, so daß die Empore mehr tekten ab, mit der Begründung, man wolle kei¬
Plätze erhält. Vor der Treppe sind im Freien nen modernen Bau.

264
102 Literatur: Karl Wimmenauer. Neuere Kirchenbauten
Instandsetzung Chor Liebfrauenkirche von RS. In: Bauen und Wohnen 4(1949)12, S. 615-617;
RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 135-136.
Frankfurt, I debfrauenberg X
1947-1949
Mitarbeiter: Karl Wimmenauer
104
Oie Liebfrauenkirche aus dem 14. Jahrhundert Umgestaltung Chor Pfarrkirche
war im Zweiten W eltkrieg durch Bomben stark St. Bartolomäus
beschädigt worden. Die kleine Kapelle des zur Frankfurt-Zeilsheim, Saalfelder Straße
Kirche gehörenden Kapuzinerklosters diente 1947-J948
zunächst für die Gottesdienste. Sie reichte aber Mitarbeiter: Karl Wimmenauer
bald nach dem Kriege nicht mehr aus. Es
wurde beschlossen, zunächst den Chor der Nachdem er schon von 1941 bis 1943 an
Kirche, der am wenigsten zerstört war, w ieder Schwarz herangetreten war mit der Bitte, das
herzurichten. Der hochaufragende Raum er¬ Chorgestühl der Kirche, die 1931 von Martin
hielt eine flache Holzdecke, die sich über zwei Weber erweitert worden war, umzugestalten,
in der Längsrichtung laufende, sichtbare Stahl¬ wandte sich der Pfarrer 1947 erneut an Schwarz
träger legt. Das Dach ist in der alten steilen und bat ihn um Entwürfe für Schnitzwerk an
Form wiederhergestellt. Zwei Reihen von den Wangen der Chorbänke. Dazu gab er
Dachgauben und ein Dachreiter geben ihm Sedilien und ein Lesepult in Auftrag.
den Maßstab. Den hinteren Abschluß bildet
Archiv: PK 47d
eine leichte Wand, die oberhalb des Eingangs
zunächst in dessen Breite, dann im Bereich der
Empore dem Triumphbogen folgend verglast Ende 1947 übernahm Schwarz die Weiter¬
ist. Zwei Stahlbetonpfeiler halten die Wand 105 arbeit an der Instandsetzung der Kirche, die
und tragen die Empore. Die gesamte Bauma߬ Entwurf Wiederaufbau Kaufhaus Springob von dem Architekten Franz Engels begonnen
nahme war als provisorisch anzusehen. Sie Köln, Auf dem Berlich/Breite Straße worden war.
wurde durchgeführt, um mehr Raum für Got¬ Bauherr: Hubert Springob, Textil- und Der Chorraum der neugotischen Kirche ist
tesdienste zu erhalten und um die Ruinen vor Modewaren neu gestaltet. Der nach Entwürfen von Anton
dem weiteren Verfall zu bewahren. 1947-1958 Wendling auf allen Seiten mit Marmorintar-
1954 wurde das Hauptschiff wiederaufgebaut, Mitarbeiter: Josef Bernard sien bekleidete Altar steht in der Vierung auf
1956 wurden die gotischen Gewölbe im Chor¬ einer quadratischen Insel aus drei Stufen. Die
raum eingebaut und die flache Holzdecke Auf dem Grundstück eines im Zweiten Welt¬ obere Plattform ist auch mit Intarsien ge¬
entfernt. Der Dachreiter stammt noch von krieg teilbeschädigten Geschäftshauses sollte schmückt. Der schwarze Bodenbelag zieht sich
Schwarz. ein gemischt genutztes Gebäude errichtet wer¬ weit in den Kirchenraum. Der Tabernakel ist
den. Zunächst wurde Sclwarz als Leiter der von Hein Wimmer gearbeitet. Von ihm stammt
Archiv: PK 46
Kölner Wiederaufbaugesellschaft um seine auch das über dem Altar hängende Kreuz.

Literatur: RS. Baubeschreibung. Frankfurt 1948. 1 S.


Stellungnahme dazu gebeten, dann wurde ihm Schwarz ordnet die Sänger in der Rundung des
Typoskript. der Auftrag erteilt. Chors hinter dem Altar an. Zwei Bankreihen
Das Grundstück hat an der Straße Auf dem sind halbkreisförmig in die Apside gestellt.
Berlich eine 43 Meter lange Front, an der Nach dem Tod von Schwarz wurden die Sei¬
103 Breiten Straße eine von fast 12 Metern. Im tenaltäre, die Taufstelle und der Fußboden der
Umgestaltung Kapelle Marienkrankenhaus Erd- und im ersten Obergeschoß sind ein Kirche von Maria Schwarz neu gestaltet. 1949
Frankfurt, Richard Wagner-Straße 14 Textilkaufhaus, im zweiten und dritten Ober¬ wurde die Küstenvohnung an die bestehende
1947-1949 geschoß Büro- und Praxisräume und im Sakristei angebaut.
Mitarbeiter: Karl Wimmenauer zurückgesetzten Dachgeschoß Wohnungen 1955 entstand als einzelstehendes zweigeschos¬
geplant. Alternativ wird die Einrichtung eines siges Gebäude mit flach geneigtem Satteldach
Im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Tanzcafes vorgeschlagen. Als Konstruktion ist die Kaplanei. Es schließt den um den Chor der
Altarbereichs der Kapelle wurde der gesamte ein ausgefachtes Stahlskelett vorgesehen. Als Kirche gelegenen Kirchplatz nach Osten ab.
Innenraum renoviert. Stuckatur- und Pappor¬ Baumaterial sollen wiederverwendbare Teile In den Jahren 1954 bis 1957 wurde das eben¬
namente wurden entfernt. Zutage trat ein der Gebäudereste benutzt werden. falls einzeln stehende Jugendheim gebaut, in
schlichter, rechteckiger Raum mit einer halb¬ Da der Bauherr in Konkurs ging, wurde das das auch der Gemeindesaal integriert ist. Städ¬
runden Altarapsis. Wände und Decke sind nun Bauvorhaben nicht durchgeführt. tebaulich wird der intime Kirchplatz durch das
w'eiß gestrichen, das Holzwerk der Türen und zweigeschossige Gebäude nach Norden abge¬
Archiv: PK 46a
Empore in hellem Rot und Grau, das Halb¬ schlossen. Es hat außen Sichtmauerwerk mit
rund der Apsis lichtgrau. Die gewölbte Rabitz¬ sichtbaren Stahlbetondecken und -stürzen und
decke der Apsis wurde beibehalten. Der Altar ist mit einem Flachdach gedeckt.
und die dahinter stehende Säule, die das Kreuz 106
Archiv: PK jo, PK 78, PK 86a
trägt, sind aus Lahnmarmor. Der Tabernakel Instandsetzung Pfarrkirche, Neubau
steht auf vier Bronzetauben von Hildegard Küsterwohnung, Kaplanei, Jugendheim Literatur: Wally Weyres. Neue Kirchen im Erzbistum
Domizlaff, die auch den Kruzifixus schuf, der St. Katharina Köln 1945-1956. Düsseldorf 1957. S. 73; P. 111
auf das bronzene Kreuz geheftet ist. Wilhelm Köln-Niehl, Sehastianstraße
Geyer entwarf die drei farbigen Fenster der 1947-1957
Kapelle. Heute ist die Kapelle völlig umge¬ Mitarbeiter: Karl Wimmenauer (Kirche);
staltet. Hubert Friedl (Kaplanei); Herbert Herrmann
(Jugendheim)
Archiv: PK 47

265
Das traditionsreiche Lokal an der Andreas¬ 110
nt.vL.rf Neugestaltung Platz der kirche war im Zweiten Weltkrieg fast völlig Wettbewerb Erweiterung Kolpinghaus
zerstört worden. Schwarz machte mehrere Köln, Breite Straße/St. Apernstraße/
i, Königsplatz Vorschläge für den Wiederaufbau mit Restau¬ Helenenstraße
rant, Gesellschaftsräumen und Hotel. Das Ge¬ Auslober: Katholisches Gesellenhospitiunr
bäude ist mit zwei, alternativ mit drei Geschos¬ Köln
sen geplant. T948
Durch Fluchtlinienänderungen wurde das Zusammen mit Fritz Schaller
Grundstück an der Andreaskirche stark be¬ Mitarbeiter: Paul Schneider-Esleben,
schnitten. Die Nutzungsmöglichkeit war nicht Karl Wimmenauer
mehr gegeben. 1953 wurden die Reste der
»Ewigen Lampe« endgültig abgetragen. Sie
machten der Erweiterung der Komödienstraße
Li
Platz.

Archiv: PK 48a

Die 1935 von Paul Ludwig Troost erbauten


Ehrentempel für eine »Ewige Wache« wurden
Ende 1946 auf Befehl des Alliierten Kontroll- 109
rats gesprengt. Anfang 1947 wurden zweiund¬ Entwurf Friedhofsgebäude Melaten
zwanzig Architekten aufgefordert, sich an der Köln, Aachener Straße
Neuplanung dieses prominenten Geländes zu i948
beteiligen. Anhand von Skizzen sollte in Dis¬ Mitarbeiter: Josef Bernard
kussionen mit den Planern über die Gestaltung
befunden werden. Die Gespräche führten je¬ Der Beigeordnete der Stadt, Giesen, begrün¬
doch zu keinem Ergebnis. Ende 1947 wurden dete den an Schwarz mündlich erteilten Auf¬ Zu dem beschränkten Wettbewerb für Wie¬
elf weitere Architekten hinzugezogen, um ihre trag für die Neugestaltung des Friedhofs da¬ deraufbau und Erweiterung des im Zweiten
Vorschläge in Form von Skizzen oder auch nur mit, daß das Hochbauamt der Stadt Köln nicht Weltkrieg stark beschädigten Kolpinghauses
schriftlich einzureichen. über genügend Arbeitskräfte, besonders über wurden drei .Architekten aufgefordert. Das
Schwarz schlägt in seinem Beitrag vor, an die keine künstlerischen verfüge, um diese diffizile Programm umfaßte einen Festsaal mit Neben¬
Stelle der Ehrentempel architektonisch gestal¬ Aufgabe zu erfüllen. räumen, Speisesaal, Arbeitsräume und Schlaf¬
tete Gärten mit Pergolen zu legen »...und die Das Programm umfaßte die Wiederherstellung räume für Gesellen, Unterkünfte für durch¬
beiden »Führerhäuser« so stehen zu lassen wie der mittelalterlichen Kapelle, die Neuplanung reisende Gesellen, ein Hotel sowie einige
sie sind, weil jeder Versuch, sie mit baulichen der Aussegnungs- und der Leichenhallen, der Wohnungen.
Mitteln zu mildern, hoffnungslos wäre. Sie internen und der allgemeinen städtischen Schwarz und Schaller verlegen bei ihrem Ent¬
mögen ihre Baugesinnung weiter bezeugen, Friedhofsverwaltung, des Gartenbauamts, von wurf den bisherigen Schwerpunkt des Hauses
solange man sie stehen läßt...«. Eine endgül¬ Wohnungen und des Fuhrparks. Die Planung mit dem Haupteingang von der Breiten Straße
tige Lösung für die Platzgestaltung wurde auch liegt i.M. 1:200 vor. an die Helenenstraße. Um möglichst viel Frei¬
bei diesem Gutachten nicht gefunden. Der Friedhof liegt an der Ausfallstraße nach raum auf dem für das Bauprogramm sehr klei¬
Aachen. In der Nähe der alten Kapelle sind die nen Grundstück zu behalten, planen sie einen
Archiv: PK 45b
geforderten Bauten mit Zugang von der Aa¬ neungeschossigen Bau, den sie senkrecht zur
chener Straße geplant. Am Pförtner und der Breiten Straße stellen. Hier ist der größte Teil
Literatur: RS. Vorschlag für die Neugestaltung des Plat¬
zes der »Ehrentempel« in München. Köln 1947. 1 S. Verwaltung vorbei führt der Weg zwischen ei¬ der geforderten Räume untergebracht. Der
Typoskript; Winfried Nerdinger (Hg.). Aufbauzeit. Pla¬ ner Pergola und einer Mauer entlang. Er um¬ Festsaal mit den dazugehörenden Nebenräu¬
nen und Bauen München 1945-1950. München 1984. S. rundet einen geschlossenen Vorplatz, von dem men ist im Winkel zum Hochhaus niedrig an¬
II2f.
aus man über die geräumige Eingangshalle in geschlossen. Der Freiraum ist als Baum- und
die Aussegnungshalle tritt. Die im Grundriß Blumenhof gestaltet. Die bestehenden Bauten
hufeisenförmige Halle ist nur von der geraden sind im wesentlichen belassen worden. An der
108 Front, in der die Ausgänge zum Vorhof liegen, Breiten Straße sind im Erdgeschoß Läden, dar¬
Entwurf Wiederaufbau Bierrestaurant belichtet. Vor der Wand stehende Stahlbeton¬ über Wohnungen geplant. Der Erläuterungs¬
»Ewige Lampe« stützen gliedern den Raum. Das Satteldach, bericht erwähnt nicht die vorgesehene Aus¬
Köln, Komödienstraße/Andreaskloster über der Rundung abgewalmt, ist zugleich führung. Die Ansichtszeichnungen lassen auf
Bauherr: Dortmunder Union-Brauerei Decke der Halle. Von der Aussegnungshalle Stahlbetonskelettbau schließen, der mit Sicht¬
1948-1949 führt ein gedeckter Gang zu den Leichenhallen mauerwerk ausgefacht ist.
Mitarbeiter: Josef Bernard mit den dazugehörenden Nebenräumen, die Obwohl die Arbeit mit dem ersten Preis ausge¬
sich um einen Innenhof gruppieren. Auf der zeichnet wurde, konnte sich der Auslober nicht
anderen Straßenseite liegen die allgemeine entschließen, Schwarz und Schaller den Aus¬
Friedhofsverwaltung, das Gartenbauamt, der führungsauftrag zu erteilen. Sie forderten wei¬
Fuhrpark und die Parkplätze. Die Anlage ist tere Entwürfe von anderen Architekten an.
eingeschossig, als Mauerwerksbau in Sicht¬
Archiv: PK 47c
mauerwerk mit Satteldächern geplant. Zur Aus¬
führung kam dieser Entwurf nicht. Fritz Schal-
Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Vorentwurf
H18IBII8II1IH ■■■» ler hat später die Friedhofsbauten ausgeführt. Erweiterung Kolpinghaus, Köln. Köln 1948. 2. S. Typo¬
iiiiiSiiihiiiiiiiiiii skript.
Archiv: PK 46b

266
111 Literatur: RS. Baubeschreihung zum Neubau der Kirche
Entwurf Verkaufsstände vom hl. Franz in der Siedlung »Am Bilderstöckchen«.
Köln 1948. 2 S. Typoskript; August Hoff. Einführende
Köln, Friesenplatz
Worte zur Kunst im norddeutschen Kulturkreis. In:
Bauherr: Werner Springöl), Tabakwaren¬
Jahrbuch für christliche Kunst (1948/49) S. 19-21; r !B'I “J ^
großhandel I lugo Schnell. Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in r.- ■•««■». —
J—... . \ \\ m
1948 Deutschland. München 1973. S. 84; Karin Becker. RS
Mitarbeiter: Josef Bernard 1897-1961. Kirchenarchitektur (Dissertation). Bielefeld
1981. S.229-230; 359-360.

Auf dem Friesenplatz, entlang der Venloer


Straße werden im Halbkreis vier kioskartige
Ladengeschäfte angeordnet, die dreiseitig ver¬ 113
glaste Verkaufsräume haben und hinten Ne¬ Werksgebäude AG für Stickstoffdünger
benräume aufweisen. Die Anlage endet zum Hürth-Knapsack
Hohenzollernring in einem langgestreckten 1949-1952 gern Abstand zum Bürogebäude geplant. Sie
größeren Gebäudeteil mit zwei Ladengeschäf¬ Zusammen mit Wilhelm Riphahn und wird über einen gedeckten Gang erreicht.
ten. Zu dem Projekt gibt es eine Reihe von Josef Bernard Diese Gebäude wurden nicht ausgeführt.
Skizzen und einen vermaßten Grundriß 1:100. Schwarz scheint an den Planungen nicht we¬
Da der Bauherr zur Zeit der Planung keine sentlich beteiligt gewesen zu sein. Die meisten
festen Pachtverträge vorweisen konnte und die Pläne sind nur von Riphahn und Bernard un¬
Stadt Köln keine Garantie für die Vermietbar- terschrieben.
keit der Läden übernahm, kam es nicht zur
'Weiterbearbeitung. Archiv: PK 59

Archiv: PK 47b

114
Wettbewerb und Wiederaufbau Gürzenich
112 Köln, Gürzenich-/Martinstraße/Quatermarkt
Entwurf Pfarrkirche zum Heiligen Franz 1949-1955
Köln-Bilderstöckchen Wettbewerb: Zusammen mit Josef Bernard
r948 Für Bauaufträge der Großindustrie hatte sich Ausführung: Zusammen mit Karl Band
Zusammen mit Emil Steffann das Büro Riphahn mit Schwarz und Bernard Mitarbeiter: Günter Hagen, Marianne Hagen-
zur Arbeitsgemeinschaft für Industrie- und Weyres, Hans Schilling, Karl-Heinz Schlösser,
In der Arbeitersiedlung Am Bilderstöckchen Großraumplanung zusammengetan. Die Fe¬ Maria Schwarz
sollte eine bescheidene Kirche errichtet wer¬ derführung lag bei Riphahn.
den. Die im Zweiten Weltkrieg teilzerstörten
Aus dem langgestreckten Rechteckbau wölbt Werksanlagen der AG für Stickstoffdünger
sich in der Rückwand eine kleine halbrunde liegen südwestlich von Köln am Rande des
Apsis, die das niedrige Altarpodest begrenzt. Braunkohlentagebaus. Sie sollten wiederaufge¬
Rechts ist in einem Querarmstummel Raum baut, modernisiert und neu organisiert werden.
für die Sänger. Man betritt die Kirche durch Für die Planung der Gesamtanlage wurden
einen Vorraum, der im rechten Winkel den Skizzen mit Anordnung der geplanten Bauten,
rückwärtigen Giebel fortsetzt. In der Giebel¬ Führung der Straßen und ein Werksmodell an¬
front liegt der Eingang für feierliche Anlässe. gefertigt.
Ebenfalls von der Vorhalle aus führt ein offe¬ Das Bauprogramm umfaßt Fabrikgebäude,
ner Gang zur Sakristei, die an den Querarm Werkstätten, Silos, Sozial- und Verwaltungsge¬
der Kirche anschließt. bäude.
Kirche, Vorhalle, Gang und Sakristei bilden 1949/50 wird zunächst ein kleineres zweige¬
ein klosterhofähnliches Plätzchen, das auch li¬ schossiges Werkstattgebäude errichtet, in dem Der im 15. Jahrhundert als Lager-, Kauf- und
turgischen Feiern im Freien dient. Jeweils drei auch die Feuerwehr untergebracht ist. Es ist Festhaus erbaute Gürzenich war im 19. Jahr¬
kleine Rundbogenfenster an den Längsfronten ein mit Sichtmauerwerk ausgefachter Stahlbau. hundert erweitert worden und diente von da an
und im Giebel belichten den Gemeinderaum. 1950/51 entstehen das größere, ebenfalls zwei¬ auch musikalischen Veranstaltungen. Im Zwei¬
Der Altarbereich bleibt fensterlos. Das Sattel¬ geschossige Laboratorium und Technikum und ten Weltkrieg brannte er bei Luftangriffen völ¬
dach, das sich über den Querarm abschleppt, weitere drei Werkstättenblocks mit Zwi¬ lig aus. Erhalten blieben die Außenwände des
ist innen sichtbar. Ein niedriger Glockenstuhl schenbauten, in denen eine Kantine und Sozi¬ gotischen Baus. Die Reste des Anbaus aus dem
für eine Glocke steht über der Sakristei. alräume für 350 Personen untergebracht sind. 19. Jahrhundert wurden abgeräumt. Die Kir¬
Obwohl die Architekten den Auftrag für den Dazu werden mehrere große Silos gebaut. Die che St. Alban in unmittelbarer Nähe am Qua-
Bau erhielten, wurde er nicht realisiert. 1958 Konstruktion ist die gleiche wie beim ersten termarkt war ebenfalls bis auf die Umfassungs¬
wurde die Kirche von Hans Schilling gebaut. Bau. 1952 werden eine Metallwerkstatt und mauern zerstört. 1949 schrieb die Stadt einen
Schwarz hat in der Liste seiner Bauten im eine Dreherei errichtet. Wettbewerb für den Wiederaufbau unter den
Buch »Kirchenbau« dieses Projekt auf 1946/47 Pläne für das Verwaltungsgebäude sind 1951 Kölner Architekten aus. Das Programm und
datiert, Steffann auf 1949. Da Pläne, Bau¬ i. M. 1:200 ausgearbeitet. Ein abgewinkeltes die zur Verfügung gestellte Fläche waren er¬
beschreibung und Korrespondenz von 1948 Gebäude mit ungleich langen Schenkeln wird weitert worden. 69 Entwürfe wurden einge¬
stammen, dürfte hier ein Irrtum vorliegen. im offenen Winkel unter einem weit auskra¬ reicht.
genden Vordach betreten. Die große Halle er¬ Schwarz/Bernard gliedern ihren Entwurf in
Archiv: PK 43; Pfarrarchiv St. Franziskus, Köln-Nippes
schließt nach beiden Seiten den zweihiiftig an¬ drei Teile, den alten Gürzenich, die Wandel¬
gelegten, viergeschossigen Bau. Die Kantine halle und den neuen Bauteil, der die Ruine von
ist zweigeschossig als gesonderter Bau in eini- St. Alban umschließt. Im alten Festhaus wer-

267
I.U sam den Ausführungsauftrag mit reduziertem Die reiche Ausstattung wurde von folgenden
Raumprogramm. Der Bauteil nördlich von St. bildenden Künstlern und Kunsthandwerkern
Alban entfiel. Dafür ist die Kirchenruine in das durchgeführt: Klaus Balke (Türlaibungen gro¬
Ensemble einbezogen, das nun aus dem alten ßer Saal), Ludwig Gies (Decke großer Saal),
Gürzenich, dem Neubau und St. Alban be¬ Theo Heiermann (Türlaibungen Isabellen¬
steht. Im alten Bau sind im Erdgeschoß die saal), Elmar Hillebrand (Türgriffe großer
Garderobenhalle und das Weinrestaurant un¬ Saal), Sepp Hürten (Türlaibungen großer
tergebracht. Aon einer Empore im Zwi¬ Saal), Helmut Kaldenhoff (Bodenmosaik Isa¬
schengeschoß öffnen sich vier Baikone zur bellensaal), Hans Lünenborg (Fenster Westfas¬
Halle. Der Festsaal im Obergeschoß hat aus sade), Ewald Matare (Bronzeportale), Paul Na¬
akustischen Überlegungen eine durch Quer¬ gel (Türgriffe großer Saal), Richard Seewald
rippen gegliederte Decke. Die Fassaden sind (Fresko Garderobenhalle), Erika Vonhoff (Tür¬
weitgehend wiederhergestellt. Ein Walmdach laibungen großer Saal), Paul Weigmann (Fen¬
deckt den Bau. Die Wandelhalle bleibt Kern ster Isabellensaal).

J:::::: U «
der Anlage. Sie umzieht die Ruine von St.
Alban, deren nackte Mauern die Halle nach
Norden und Westen begrenzen. Vom Eingang
In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre
wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben zur Er¬
weiterung des Gürzenich zum Kongreßzen¬
*
an der Martinstraße wird man von sieben klee¬ trum. Aus finanziellen Gründen wurde von der
blattförmigen Stützen zu der fast sechs Meter Verwirklichung Abstand genommen. Kraemer,
breiten Treppe geleitet, die sich auf einem Po¬ Sieverts & Partner erhielten den Auftrag, den
dest teilt und in zwei Läufen zum Saalgeschoß Gürzenich instandzusetzen und ihn auch für
führt. Der Nebenflügel der Halle endet an ei¬ Kongresse nutzbar zu machen.
ner gerundeten Treppe zum Isabellensaal. Auf
Archiv: PK 71
der Ebene des großen Festsaals umläuft der
Fußboden des Foyers im Abstand die aufge¬
henden Wände der Kirchenruine und bildet Literatur: RS/Josef Bernard. Wettbewerb Gürzenich.
eine Galerie, die im Erdgeschoß von schlan¬ Köln 1949. 5 S. Typoskript; Alfons Leid. Anmerkungen
zur Zeit. In: Baukunst und Werkform (1949)2, S. 12-13;
ken, im Bogen von der Neben- zur Haupthalle
Julius Muth. Gürzenich-Wettbewerb der Stadt Köln. In:
führenden Säulen unterstützt wird. Große
Die Neue Stadt 3(i949)Nov., S. 334-353; A. Zechlin.
Fenster in der Kirchenwand geben den Blick in Der neue festliche Gürzenich. In: Bauwelt (1949)50, S.
die Ruine frei, in der zwischen den leeren Bö¬ 787-789; Adolf Abel. Zum Gürzenich-Wettbewerb in
gen das trauernde Elternpaar von Käthe Koll- Köln. In: Architektur und Wohnform 59(1950/51)1, S.
3-4; Guido Harbers. Die Formgebung im Wiederauf¬
witz in der Kopie von Ewald Matare als Mahn¬
bau der Altstadt. In: Die Kunst 48(1950)12, S. 460-463;
mal kniet. Den Isabellensaal, zur Martinstraße
Hans F. Eychmüller. Über die Pietät im Bauen. In: Ul-
hin orientiert, gliedern vier zarte Marmorsäu¬ mer Monatsspiegel (i95o)Apr., S. 8-9; Werner Keyl.
len vor der Fensterwand. Die westliche Fas¬ Der Gürzenich-Wettbewerb. In: Bauen und Wohnen
sade, die sich zwischen den alten Bau und die 5(1950)5, S. 264-274; Die Umgestaltung des Gürzenich
in Köln. In: Baukunst und Werkform 5(1953)4,
Kirchenruine spannt, ist durch ein Stahlbe¬
S.200-206; Friedrich Steinhausen. Bautechnische Wie¬
tonskelett gegliedert. Die mittlere Fläche ist
deraufbauleistungen Kölns. In: Der Bau und die Bauin¬
mit farbig verglastem Betonmaßwerk geschlos¬ dustrie 7(1954)17, S. 487-504; RS. LTergabe des
sen. Die Seitenflächen sind mit Ziegeln aus Schlüssels zum Gürzenich am 1.10.1955. Köln 1955. 2
Trümmersteinen ausgefacht. Aus der ebenfalls S. Typoskript; Nachrichtenamt der Stadt Köln. Der alte

durch ein Stahlbetonskelett strukturierten Ost¬ und der neue Gürzenich. Köln o.J. 15 S.; Johann J.
Häßlin (Hg.). Der Gürzenich in Köln. München 1955.
I-^-4- fassade springt die verglaste Front des Isabel¬
207 S.; Darin: RS. Der neue Gürzenich. S. 173-200;
lensaals hervor. Hochliegende Fensterbänder Carl O. Jatho. Summe der Kölner Existenz. In: Köln
den zwei Restaurants, die Garderobenhalle markieren untergeordnete Räume. (1955)2, S. 8; Unserer Herren Tanzhaus. Der Gürze¬
und im Obergeschoß der große Festsaal unter¬ nich. In: Unser Köln (1955)6, S. 1—12; Marius van Beek.
gebracht. Der stützenlose Saal ist von fünf Scherpe contrasten bij nieuw bouw en Keulen. In: Fo¬
rum (1955/56)12, S. 400-409; Ulrich Conrads. Das
Tonnen in Längsrichtung gedeckt. Schwarz/
Festhaus. In: Baukunst und Werkform 9(1956)8, S.
Bernard nehmen ein altes Motiv wieder auf 400-410; RS. Der neue Gürzenich zu Köln. In: Die
und legen an die Südfassade des Gürzenich Bauverwaltung 6(1957)5, S. 191-198; Der neue Gürze¬
Notausgänge zu einer vorgelagerten Galerie nich in Köln. In: Deutsche Bauzeitschrift 5(1957)5, S.
mit Außentreppen. Unterhalb der Galerie ist 520-531: RS. Zur Wiederherstellung alter Bauten.
Köln 1957. 2 S. Typoskript; RS. Kirchenbau. Heidelberg
Platz für kleine Läden. Die von der Martin¬
i960. S. 113-119; Bauten Kölner Architekten
straße bis zum Quatermarkt durchgehende 1948-1963. Darmstadt 1963. S. 10-13; Gürzenich. In:
zweigeschossige Wandelhalle wird zum Kern Bauen für Köln. Gestaltungsbeispiele in Beton. Köln
des Entwurfs. Sie trennt klar den alten Gürze¬ 1985. S. 13; Martin Classen, Michael Aorfeld. Architek¬
nich von den neuen Bauteilen. Von beiden Sei¬ tur der fünfziger Jahre in Köln. Köln 1986. S. 107-116;
Werner Durth, Niels Gutschow. Architektur und Städ¬
ten führen Eingänge in die Halle, die durch
tebau der fünfziger Jahre. Bonn 1987. S. 102-104; An¬
eine Reihe von Stützen gegliedert ist. Vier gela Pfotenhauer. Der Gürzenich mit St. Alban in Köln
große gerundete Treppen leiten ins obere als Denkmal der Geschichte und Gegenwart (Magister¬
Foyer, das den Festsaal, den Isabellensaal und arbeit). Köln 1988. 151 S.; Angela Pfotenhauer. Die
über einen Gang die Versammlungsräume er¬ Kölner Traditionsinseln (Dissertation). Köln 1991. 507
S.; Angela Pfotenhauer. Der Gürzenich und Alt St. Al¬
schließt, die mit zusätzlichem Eingang den
ban. Köln 1993. 212 S., Stadtspuren 22; Kerstin Käh-
Komplex im Norden abschließen.
ling. Der Gürzenich im Wandel der Zeit. Köln 1996. 32
Schwarz/Bernard und Band/Schilling erhiel¬ S.; Werner Strodthoff. Ein halbes Jahrtausend, ln:
ten je einen zweiten Preis und 1951 gemein¬ Deutsche Bauzeitung (1997)1, S. 78-82.

268
115 längeren Front in der 1 lämergasse ist ein sechs geschlossen, so daß nur im Obergaden kleine
Wiederaufbau Geschäftshaus mit Meter breites Feld geschlossen. Das Dach ist Rundbogenfenster Licht geben. Die Schräge
Bierrestaurant »Im alten Präsidium« flach. Fleute ist das Haus völlig umgestaltet. des Satteldachs schließt den Raum ab. Die Un¬
Köln, Schildergasse 84
terzüge erhalten Aufbauten mit Öffnungen, so
Bauherr: Dortmunder Union-Brauerei Archiv: PK 50h
daß der Durchblick nach oben frei ist.
1949-1950
Die rechte Fensterwand im Chorbereich wird
Zusammen mit Josef Bernard
aus mehreren Bogenreihen neu gestaltet. Über
117 dem Eingang, gegenüber dem Altar, kragt eine
Ausgestaltung Kapelle des Empore in den Raum. Dort sind drei große
Jungenwohnheimes St. Gereon Rund bogenfe n s ter vor gese h e n.
Köln-Kalk, Eythstraße 72 Schwarz schlägt vor, über dem Altar einen
1949-1952 kostbaren Baldachin anzubringen. Die Be¬
Mitarbeiter: Karl Wimmenauer leuchtung soll ein Element der Raumbildung
sein. Unter den Stahlbetonbindern sind Eisen
Die Kapelle des Wohnheimes für Jungen liegt in Längsrichtung in vier Reihen verspannt, an
im Obergeschoß des Gebäudes. Der Raum ist denen Glühbirnen montiert sind. Über der Al¬
in Weiß und Gold gehalten. Weiß sind der tarstelle verdichten sich die Lampen.
neue Fußboden aus Marmorbruch und die Eine Gutachterkommission erklärte alle Ent¬
Marmorplatte des Tragaltars, die auf einem würfe für unbefriedigend. Gleichwohl empfahl
zarten goldfarbenen Messinggestänge liegt. sie, Schwarz mit der künstlerischen Oberlei¬
Ebenfalls aus Messing ist die Beleuchtung über tung zu betrauen. Die Weiterführung der Ar¬
dem Altar, die wie ein Strahlenkranz, mit ein¬ beiten kam jedoch ins Stocken. Bei der Fertig¬
Das im Zweiten Weltkrieg teilzerstörte fünfge¬ zelnen Glühbirnen als Leuchtpunkten über stellung der Kapelle wurde nicht auf die Pläne
schossige Geschäftshaus wurde wieder instand¬ ihm schwebt. zurückgegriffen. Diözesanbaumeister Alfons
gesetzt. Außerdem wurde ein Gartenplan entworfen Boklage vollendete den Bau.
Restaurant und Bierschänke »Im Alten Präsi¬ mit Liegeterrasse, Schwimmbecken und Spiel¬
dium« waren einzuplanen. In den Oberge¬ Archiv: PK 48
wiesen. Auf Auflockerung der Gartengestal¬
schossen waren Büro- und Praxisräume vorzu¬ tung wurde besonderer Wert gelegt. Pläne
Literatur: RS. Erläuterungsbericht zum Entwurf der
sehen. Ein neu aufgestocktes zurückgesetztes dazu sind nicht mehr vorhanden. Kapelle im Collegium Borromäum in Münster. Frank¬
fünftes Obergeschoß sollte eine Wohnung auf¬ furt 1949. 2 S. Typoskript.
nehmen. Ein Viertel des Hofes ist mit der Archiv: PK 48c

Küche überbaut. Das Restaurant liegt mit eige¬


nem Eingang im ersten Obergeschoß. Die 119
Bierschwemme ist so eingerichtet, daß entlang 118 Provisorischer Altar im Freien
der Wände Sitzbänke laufen. Über der Theke, Entwurf Umbau Kapelle im Collegium Rosenheim, Max Joseph-Platz
die in den Raum ragt, ist ein leichtes Holzgit¬ Borromäum 1949-1950
ter in Form eines umgekehrten unverkleideten Münster/Westfalen, Domplatz 8-9 Mitarbeiter: Karl Wimmenauer
Bootskörpers angebracht. Die unzerstörte Fas¬ i949 i95
- °

sade der oberen Geschosse aus Werkstein Mitarbeiter: Karl Wimmenauer Für die Primiz eines Priesters sollte auf dem
wurde beibehalten. Max Joseph-Platz ein demontabler Altar er¬
Heute ist das Haus völlig verändert. Anstelle richtet werden auf einem weithin sichtbarem
des Bierrestaurants ist ein Schuhgeschäft ein¬ Podest.
gezogen. Die obere Plattform sollte so groß sein, daß
der Altar umschritten werden konnte. Über
Archiv: PK 50a
dem Altar sollte ein Baldachin schweben.
Literatur: RS, Josef Bernard. Wiederinstandsetzung des Schwarz entwirft das Podest als Holzgerüst,
Hauses Schildergasse 84. Baubeschreibung. Köln 1949. das wie die Stufen mit roten Teppichläufern
2 S. Typoskript. belegt ist. Die Pfosten, die den Baldachin tra¬
gen, sind als hölzerne Gerüststangen schräg im
Boden verankert, miteinander verspannt und
116 mit kleinen Metallkreuzen abgeschlossen. Das
Wiederaufbau Büro- und Geschäftshaus Material des Baldachins ist violett eingefärbtes
Köln, Breite Straße /Hämergasse Segeltuch. Aus dem Altar wächst ein hohes
Bauherr: Gebrüder Dr. Stephan und Kreuz, umstanden von Leuchtern, alles aus
Hans Schmitz Im Zuge des Wiederaufbaus des Theologen¬ Holz, mit Metallüberzug. Die einzelnen Ge¬
I949-I95I kollegs war die Kapelle im Rohbau wiederher¬ genstände sind so beschaffen, daß sie für spä¬
Zusammen mit Josef Bernard gestellt worden. Drei Architekten wurden tere Prozessionen verwendet werden können.
aufgefordert, Vorentwürfe einschließlich der Die Stadtverwaltung erlaubte nicht, das alte
Das im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörte Ge¬ Ausstattung für die Fertigstellung der Kapelle Kleinpflaster aufzureissen, um die Stangen zu
bäude wurde wiederaufgebaut. Im Erdgeschoß vorzulegen. verankern. Der Entwurf wurde dahingehend
sind eine Probierstube des Bauherrn, der Li- Uber den Raum sind bereits überdimensio¬ geändert, daß die Säulen des Baldachins und
körfirma Schmitz-Doctor, ein Juwelier- und nierte Stahlbetonunterzüge gespannt, die die das Kreuz wesentlich kürzer, senkrecht stehend
ein weiterer Laden geplant. Im ersten bis drit¬ Decke optisch herunterdrücken. Durch Um¬ und mit Brettern verbunden sind, um die not¬
ten Obergeschoß sind Büro- und Praxisräume formung der Fenster und durch optische wendige Steifigkeit zu erlangen. Der Baldachin
vorgesehen, im vierten eine Wohnung. Die Überhöhung des Raumes versucht Schwarz, ist über die Brettverbindung gehängt.
Fassade ist durch ein Meter breite Fenster mit die Proportionen zu verbessern. Die vorhande¬
zurückgesetzten Brüstungen gegliedert. An der nen Schlitzfenster werden im unteren Bereich Archiv: PK 49a

269
übereinander liegende Rundbogenfenster lie¬ 121
■-■»b und Wiederaufbau Pfarrkirche gen in den Stützenfeldern. Die unteren Fen¬ Gutachten, Wettbewerb und Wiederaufbau
Maria Himmelfahrt ster setzen sich um den Chorraum fort. Die Wallraf-Richartz-Museum (Abb. Seite 271)
»-■sei, Feldstraße/Brüderstraße Konstruktion des Satteldaches ist innen sicht- Köln, An der Rechtschule
5949-1952 ba r. 1950-1958
Mitarbeiter: Karl Wimmenauer Variante B baut auf den vorhandenen Funda¬ Zusammen mit Josef Bernard
menten auf. Der Bau ist nicht gegliedert. Er Mitarbeiter: Paul Altgassen
ist mit flacher Holzdecke geschlossen. Die
Wände erhalten einen waagerechten Rhyth¬
mus durch ihre Verjüngung nach oben. Die
Rundbogenfenster werden nach oben größer.
Im Altarbereich rücken sie näher aneinander.
Die Apside bleibt fensterlos.
Bei Variante C werden die Stützenwände zu
Strebepfeilern, die sich nach oben verjüngen
und zu ebener Erde Durchgänge haben. Rund¬
bogenfenster liegen im oberen Drittel der
Wand. Nur im Altarbereich sind drei überein¬
ander angeordnet. Der Eingang liegt in der
westlichen Giebelwand.
Bei Variante D teilen quadratische Pfeiler
schmale Seitengänge ab. Die gerundete Apsis
ist in Glas aufgelöst. Ein schmales umlaufendes
Fensterband trennt Wand und Dach, das mit
leichter Gitterkonstruktion sichtbar ist.
Schwarz erhielt im Mai 1950 den Auftrag. Der
Plan fußt auf Variante B des Wettbewerbs. Der
52 Meter lange, 15 Meter breite Bau rundet
sich im Chorbereich. Die nördliche Wand ist
durch drei Blendbögen gegliedert, eine Über¬ Das um 1860 erbaute Gebäude enthielt als Ge¬
nahme der Ruinenreste des Vorgängerbaus. Sie samtmuseum Sammlungen von prähistorischer
deuten eine spätere Erweiterbarkeit an. Der Zeit bis in die Moderne. Die Sammlung Wall-
Altar steht im Scheitel der Apside. Licht fällt raf machte es zu einer bedeutenden Galerie
durch drei eng beieinander hegende Fenster in Westdeutschlands. Im Zweiten Weltkrieg wurde
der südlichen Längswand auf ihn. Das Lang¬ der Bau durch Luftangriffe zerstört.
haus ist durch in den Achsen der Bögen lie¬ Schwarz machte bereits 1950 Vorschläge für
gende Fenster belichtet. Sie werden nach oben das Museum, das nur als Gemäldegalerie wie¬
größer. Die Westfront hat eine Rose aus run¬ der aufgebaut werden sollte. Er übernimmt
den Fenstern. Die Sänger sind auf Stufen im die Grundmaße und legt um den ehemaligen
hinteren Bereich aufgestellt. Daneben führt Kreuzgang, der zum Innenhof wird, einen
eine Treppe in die erhalten gebliebene Krypta. viergeschossigen Baukörper. Der nicht beson¬
Der Eingang liegt in der Nordwand. Die fla¬ ders hervorgehobene Eingang liegt an der
che Decke des 10,5 Meter hohen Raumes ist Nordseite des Gebäudes. Die Halle erschließt
mit kleinformatigen Platten verkleidet. Die Verwaltung, Bibliothek und Garderoben. Eine
Kirche ist innen verputzt und hell gestrichen, breite Treppe führt in die Haupthalle, die auf
außen in Sichtmauerwerk belassen. Die Turm¬ dem um 1,5 Meter tieferem Niveau des Innen¬
reste wurden wegen Baufälligkeit abgetragen. hofes liegt und sich dorthin öffnet. Auf diesem
Ein neuer Turm wurde von Karl Wimmenauer Niveau liegen im Ostflügel die nicht-öffent¬
Die Anfang des Jahrhunderts gebaute neugo¬ gebaut. lichen Sammlungen, im Westflügel das Kup¬
tische Kirche war später mit der daneben ste¬ ferstichkabinett mit Ausstellung. Eine große
henden mittelalterlichen Kirche durch Arka¬ Archiv: PK 52 geschwungene Treppe führt in die oberen Ge¬
den verbunden worden. Beide Gebäude wur¬ schosse zu den Ausstellungsräumen, die teils
Literatur: RS. Wiederaufbau der katholischen Kirche
den im Zweiten Weltkrieg durch Bomben Seiten-, teils Oberlicht haben. An der Minori¬
Sankt Maria Himmelfahrt zu Wesel. Köln 1950. 5 S. Ty¬
schwer beschädigt. Erhalten blieben Teile des poskript. tenkirche ist ein schmaler zweigeschossiger
Turms, Vorhalle, Krypta und Fundamente. Werkstättentrakt geplant.
Nachdem Schwarz schon mit der Pfarrei über 1951 schrieb die Stadt einen engeren Wettbe¬
den Wiederaufbau verhandelte, schrieb diese werb unter sechs Architekten für das Museum
1949 einen engen Wettbewerb unter drei Ar¬ aus. Schwarz/Bernard behalten bei ihrem Ent¬
chitekten aus. Schwarz reichte vier Varianten wurf die Grundkonzeption von 1950 bei und
ein. entwickeln sie weiter. Links vom Eingang lie¬
Variante A zeigt einen langgestreckten Bau mit gen Garderoben und ein Vörtragssaal, rechts
gerundetem Chorraum. Quer gestellte Stüt¬ die Bibliothek. Die Verwaltung ist im Zwi¬
zenwände mit drei übereinander liegenden schengeschoß untergebracht. Diese Bereiche
Rundbögen verengen das Mittelschiff. Eine in sind so angeordnet, daß sie bei geschlossenem
den Raum gestellte zweite Apside begrenzt den Museum benutzt werden können. Die Ein¬
Altarbereich. Der Eingang führt durch den er¬ gangshalle zieht sich mit einem großen Podest,
halten gebliebenen Bogen der Vorhalle. Je drei unter dem das Cafe liegt, in die den Mittel-
mmmj/iA

271
Museums bildende Haupthalle. Vom Niveau des Eingangsbereichs, der sich in 40-52; RS. Wie beleuchtet man Museen? Köln 1957.
. Treppen führen vom Podest in die die zentrale, zum Innenhof verglaste Halle 7 S. Typoskript (vgl. S. 221 - 225); Otto Volkers. Das
neue Wallraf-Richartz-Museum in Köln. In: Glasforum
■ i heil ihnen liegt die lange einläu- zieht, führt eine breite Treppe in diese hinun¬
5(1957) S. 8-15; Das erste Museum der Nachkriegszeit.
L .;.e, die die Ausstellungsgeschosse er- ter. Fünf quadratische Stützen gliedern den In: Baukunst und Werkform 11(1958)1, S. 5-12; Guido
Die Räume sind in ihrer Größe auf hohen Raum, den eine Rippendecke über¬ Harbers. Wallraf-Richartz-Museum in Köln. In: Die
Rinde des Museums, die meistens klein¬ spannt. An der Wand führt eine große ein¬ Bauzeitung 64(1959)4, S. 134-139; Museum. In: Archi-
formatig sind, abgestimmt. läufige Treppe mit drei Podesten ins Haupt¬ tecture and Building (1959) Sept., S. 322-329; Gerhard
Bott. Wallraf-Richartz-Museum in Köln. In: Manfred
)u ui Backsteinmauerwerk geplante .Anlage geschoß der Galerie. Hier wechseln
Sundermann, Claudia Lang, Maria Schwarz (I lg.). RS.
,h m der I Iauptfront nach Norden ein durch¬ innenliegende Oberlichträume mit Seiten¬ Bonn 1981. S. 110-116; Wallraf-Richartz-Museum An
gehendes Satteldach, dessen First parallel zur lichträumen und kleinen Kabinetten ab. Eine der Rechtschule. In: Bauen für Köln. Gestaltungsbei¬
Straße verläuft. Die Fassade wird durch nach gewendelte Treppe erschließt das oberste Ge¬ spiele in Beton. Köln 1985. S. 13; Hannelore Schubert.
oben in geschoßhohen Absätzen schmaler wer¬ schoß mit weiteren Ausstellungsräumen. Moderner Museumsbau Deutschland, Österreich,
Schweiz. Stuttgart 1986. S. 38-40; Mathias Schreiber.
dende Mauerpfeiler gegliedert. Das oberste Das Gebäude ist als Schottenbau in Ost-
Der dritte Weg. Wallraf- Richartz-Museum. In: Mathias
Geschoß ist fensterlos. Die Ost- und die West¬ Westrichtung aus Backsteinmauerwerk errich¬ Schreiber (Hg.). Deutsche Architektur nach 1945. Stutt¬
seite weisen je sechs Stirngiebel auf. tet. Es ist außen unverputzt. Von den Giebeln gart 1986. S. 35-37; Alexander Kierdorf. Wallraf-
Der Gutachterausschuß sprach dem Entwurf an der Ost- und an der Westfassade ist jeder Richartz-Museum von RS und Josef Bernard in Köln
einstimmig den ersten Preis zu und empfahl zweite als Oberlicht ausgebildet. In den dazwi¬ (Seminararbeit). Köln 198H. 35 S.; Herbert van Aaken.
Das ehemalige Wallraf Richartz-Museum der Stadt
ihn zur Ausführung. schen liegenden Giebeln ist die Entlüftungsin¬
Köln (Seminararbeit). Mainz 1989. 24 S.; Barbara
stallation untergebracht. Die Fassadenteile, Mundt. Museumsbau. In: Kunstchronik 1990. S. 111—
hinter denen Oberlichträume liegen, bleiben 123.
geschlossen. Die Brüstungen der Fenster sind
aus massiven Kalksteinplatten. Zum Innenhof
springen in den Ausstellungsgeschossen im
mitderen Bereich Erker vor. Der Brunnen im 122
Innenhof, der Fries über dem Glasabschluß der Wiederaufbau Pfarrkirche St. Marien
Halle und der Kalksteinpfeiler vor der Glas¬ Köln-Kalk, Kalker Hauptstraße
front sind Arbeiten von Ewald Matare. In den 1950-1952
achtziger Jahren wurden die Bestände des Mu¬ Mitarbeiter: Maria Schwarz,
seums in einen Neubau überführt. Nach Um¬ Karl Wimmenauer
baumaßnahmen bezog das Museum für Ange¬
wandte Kunst Köln die Räume.

Archiv: PK 74

Literatur: RS. Vorschläge für den Wiederaufbau des


Wallraf-Richartz-Museums zu Köln. Köln 1950. 5 S.
Typoskript; RS. Vorläufiges Bauprogramm für den
Wiederaufbau des Wallraf-Richartz-Museums zu Köln.
Köln 1950. 2 S. Typoskript; Wiederaufbau des Wallraf-
Im ausgeführten Entwurf ist der Eingangsbe¬ Richartz-Museums zu Köln. Erläuterungsbericht zu
dem Vorschlag der Architekten Prof. Dr.Ing. Rudolf
reich noch klarer gegliedert als beim Wettbe¬ Die um 1865 erbaute neugotische dreischiffige
Schwarz und Josef Bernard. Köln 1951. 3 S. Typoskript;
werb. Rechts liegen Kasse, Verkauf und der Stellungnahme der Gutachter zu den Entwürfen Wall- Halle war bei einem Luftangriff 1943 teilzer¬
Zugang zur Bibliothek, die ein Galeriegeschoß raf-Richartz-Museum in der nicht-öffentlichen Sitzung stört worden. Die Umfassungsmauern waren
hat. Daran schließt sich im westlichen Flügel der Stadtvertretung am 16.10.1951. 34 S. Typoskript; so weit erhalten, daß man auf ihnen den Wie¬
die Kupferstichsammlung, ebenfalls mit Gale¬ Wiederaufbau des Wallraf-Richartz-Museums zu Köln deraufbau vornehmen konnte. Nach Vollen¬
von den Architekten Prof. Dr.Ing. Rudolf Schwarz und
rie, an. Sie ist vom Podest in der zentralen dung der zur Kirche gehörenden Gnaden¬
Josef Bernard. Köln o.J. 7 S. Typoskript; Wettbewerb
Halle zugänglich. Der Bereich davor zum In¬ Wallraf-Richartz-Museum Köln. In: Die Neue Stadt kapelle (WV 98) begann Schwarz 1950 mit der
nenhof hin ist für Ausstellungen graphischer 5(1951)11/12, S. 419-442; Wettbewerb Wallraf- Wiederherstellung. Er erhält den Rhythmus
Kunst vorgesehen. Die links liegende Garde¬ Richartz-Museum. In: Bauen und Wohnen 7 (1952)3, S. des Raumes, indem er die Fundamente der
robe ist zugleich Wandelhalle des Vortrags¬ 6-8; Leopold Reidemeister. Anforderungen an einen Säulen benutzt und darauf zwei mal vier
saals, der im Ostflügel liegt und einen zweiten Neubau des Wallraf-Richartz-Museums. In: Bauen und
schlanke, 17 Meter hohe Stahlstützen aus ge¬
Wohnen 7 (1952)3, S. 121-124; Kurt Martin. Renou-
Eingang über Differenzstufen von der großen kreuzten Breitflanschträgern stellt. Das steile
veau des musees en Allemagne. In: Museum 5(1952)3,
Halle hat. Die nach Norden orientierten Ver¬ S.150-155; Wiederaufbau des Wallraf-Richartz-Mu¬ Satteldach, dessen First in 21 Metern Höhe bis
waltungsräume liegen im Zwischengeschoß. seums zu Köln. In: Kölner Almanach (1957/58) S. über den aufgemauerten Altarraum läuft, ist
innen sichtbar mit großformatigen, weiß ge¬
strichenen Akustikplatten verkleidet. Die er¬
halten gebliebenen Spitzbogenfenster des
Langhauses sind hell verglast. Zwischen Mau¬
erwerk und Dach legt Schwarz ein durchge¬
hendes Fensterband, das die alte von der neuen
Bausubstanz trennt. Im Altarraum sind die
Fenster der Konche zugemauert. Rechts rei¬
chen die beiden Fenster bis unter die Decke.
Links bleiben die alten Fenster erhalten. Im
Zentrum des Chorraums steht der Altar aus
rotem Sandstein, um neun Stufen erhöht. Dar¬
über hängt ein hohes Holzkreuz mit einem
zierlichen Kruzifixus.

272
123 Sonst ist der Innenraum glatt in Sichtmauer¬
Wettbewerb und Ausführung Anglikanische werk gehalten. Ein sichtbares Satteldach deckt
Allerheiligenkirche ihn. Außen ist die Kirche gegliedert durch schräg
Köln-Mai -ienburg, Bonner Straße/Lindenallee gemauerte Pfeiler. Dazwischen liegen große
1950-1951 Rundbogenfenster. Nur die Eingangsfront, das
Zusammen mit Josef Bernard Feld vor dem Chor und das Feld im Scheitel
des Chors bleiben geschlossen. Der 1 ingang in
der Giebelfront hat ein tonnenartiges Vordach

d 1 #
auf gemauerten Stützen. Den eichenen Altar
gestaltete Ludwig Gies. I linter dem Altar
hängt ein großes Holzkreuz, vor dessen Schnitt¬
M punkt ein goldener Strahlenkranz hängt.

Archiv: PK 54
\ l- ^ * 1 J 5 a A—4
Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Ideenentwurf
für eine neue Kirche in Köln-Marienburg. Köln 1950.
2 S. Typoskript; RS. Die anglikanische Allerheiligen¬
kirche in Köln-Marienhurg. Köln 1951. 3 S. Typoskript;
Eine anglikanische Kirche in Köln. In: Baukunst und
Werkform 5(1952)4, S. 8,15-21; Der Ziegelbau der
Neuzeit. In: Die Bauwirtschaft 7(1953)8/9, S. 183; H.
Böhm. Siedlung im Kölner Volkspark. In: Die Neue
Stadt 6 (1952)3, S. 103; RS. Kirchenbau. Heidelberg
i960. S. 164-167; Karin Becker. RS 1897-1961. Kir¬
chenarchitektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 224,
23!-232, 364-366.

Drei Eingänge führen in die Kirche, einer


durch den Turm in der Längsachse, die beiden 124
anderen daneben. Über dem Mitteleingang Entwurf Doppelhaus mit Arztpraxis
kragt die Empore, von zwei Betonstützen ge¬ Oberkirchen/Sauerland
tragen, in den Raum. In vierzehn Metern Bauherren: Dr.med. Alois Sass, Franz Schütte
Elöhe ist eine zweite Empore in den Turm ein¬ I95°
geschnitten. Als Beleuchtung wachsen aus je¬ Mitarbeiter: Karl WImmenauer
der Stahlstütze vier Messinglampen mit Schir¬
men aus Opakglas. Das im Krieg zerstörte Für den Arzt Dr. Sass, den er in der Kriegs¬
Dach des Turmes ist durch ein flaches Zelt¬ gefangenschaft kennengelernt hatte, und für
dach ersetzt. 1965 erfuhr die Kirche wesent¬ In nur wenigen Tagen arbeiteten Schwarz und Franz Schütte, der den Bauplatz zur Verfügung
liche Veränderungen durch den Einbau stark Bernard den Wettbewerb aus, zu dem sie ne¬ stellte, entwarf Schwarz ein Doppelhaus in
farbiger Fenster von Georg Meistermann. Sie ben einigen anderen Architekten eingeladen Fachwerkbauweise.
machten Korrekturen der Farbgebung not¬ waren. Sie entwerfen einen langgestreckten Der kleinere Teil des Hauses wurde für Schütte
wendig. Maria Schwarz, die auch die Umge¬ Rechteckbau in den Maßen 35 x 13 Meter, 10 entworfen. Für Dr. Sass ist der größere Teil
staltung des Chorraums durchführte, ließ die Meter hoch. Sechs Stützenpaare in 1,5 Meter mit Praxis und Wohnung geplant. Eine Bruch¬
Fenstergewände und die Stahlstützen in kräfti¬ Abstand von der Außenwand gliedern den steinmauer trennt beide Gebäudeteile. Auch
gem Grün streichen. Raum in sieben Joche. Um die einfache Form der Sockel des am Hang liegenden Hauses
nicht zu verwischen, werden alle Einbauten ist aus Bruchsteinen. Die aufgehenden Wän¬
Archiv: PK 53
frei in den Raum gestellt. Die Altarinsel kann de sind Holzfachwerk, ausgemauert mit
umlaufen werden. Uber den Jochen liegen quer Schwemmsteinen. Das Satteldach wird mit
Literatur: RS. Baubeschreibung. Frankfurt 1951. 1 S.
Typoskript; Die neue Marienkirche in Kalk. In: Kölner Flachtonnen aus Stahlbeton, die in Pfeilervor¬ Schiefer gedeckt. Der Bau wurde nicht aus¬
Rundschau (1951)18. April; Magdalena Kurz. Marien¬ lagen in der Außenwand übergehen. Die Aus¬ geführt, weil dem Bauherrn Schütte die Mittel
kirche und Gnadenkapelle in Köln-Kalk. In: Die Neue fachung des Betonskeletts wird im Schiff in der ausgegangen waren. Das Haus Sass wurde
Stadt 5(1951)1, S.10-13; August Hoff. Einführung in oberen Zone und im Chor bis zum Boden ge¬ 1953 errichtet (WV 141).
die zeitgenössische christliche Kunst. In: Jahrbuch für
hend filigranartig aufgelöst. Jedes Joch hat
christliche Kunst (1950/51) S. 5-30; Johannes Gickler. Archiv: PK 59a
Neubau der St. Marien-Kirche in Köln-Kalk. In: Die zwei konzentrische Kreise runder Fenster. Die
Neue Stadt 6(1952)12, S. 540-544; Johannes Gickler. Chorrückwand ist nur von einer großen Rose
Von unserer Marienkirche Köln-Kalk. Köln 1952. 16 S.; durchbrochen. Über dem Eingang in der Gie¬
Neubau der St. Marien-Kirche in Köln-Kalk. In: Jahr¬ belfront ist ein niedriger offener Glockenstuhl 125
buch für christliche Kunst (1952/53) S. 24-26; A. Zech-
aufgestellt. Entwurf Erweiterung Pfarrkirche Kloster
Ün. Die Marienkirche in Köln-Kalk. In: Bauwelt
44(1953)45, S. 885-888; Willy Weyres. Neue Kirchen
Schwarz und Bernard erhielten den Auftrag, Oesede
im Erzbistum Köln 1945-56. Düsseldorf 1957. S. 128; mußten aber den Entwurf völlig ändern. Die Georgsmarienhütte
RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 136-146; Stefan Vorschriften der englischen Militärdienstord¬ 1950-1958
Volberg. St. Marien. Köln 1992. 34 S. nung enthielten Anweisungen, wie eine Garni¬ Mitarbeiter: Maria Schwarz
sonkirche zu gestalten sei.
Die Abmessungen wurden beibehalten. Der Für eine wachsende Gemeinde sollte die Kir¬
Raum schließt nun mit einem gerundeten che aus dem frühen Mittelalter erweitert wer¬
Chor ab, der innen durch einen eingezogenen den. Der Bau auf kreuzförmigem Grundriß mit
Bogen vom Gemeinderaum getrennt ist. Im fast quadratischen Querarmen hat nur einen
Chorraum sind die Strebepfeiler sichtbar. Eingang in der Längsachse. Schwarz behält

273
Schwarz versucht, in seinen Entwürfen dem Dem Gutachterausschuß erschien der Entwurf
Gefüge des Zentral- und zugleich längsgerich¬ als überragend geeignet für die Ausführung.
teten Raumes gerecht zu werden, indem er den Schwarz erhielt den Auftrag.
tiefen Ostchor bis in den zentralen Kern durch Der Grundgedanke des Wettbewerbs ist beibe¬
eine einstufige Zunge verlängert, die sich in¬ halten. Der Hauptaltar steht auf einer dreistu¬
nerhalb der Vierung rundet. Ihre Form wird figen Insel, die wiederum auf einer Stufe steht,
hervorgehoben durch die umlaufende Kom¬ die sich bis in den Ostchor zieht. An den bei¬
munionbank. Der Hauptaltar ist leicht aus dem den östlichen Pfeilerbündeln der Vierung sind
Zentrum zum Chor hin verschoben und betont Ambonen aufgestellt. Der Sakramentsaltar von
die Beziehung von längsgerichtetem und Zen¬ Hein Wimmer ist ein wenig in den Ostchor
tralraum. Zum Altarberg führen von Osten hineingeschoben und grenzt die Altarinsel ab.
und Westen fünf Stufen. Der Sakramentsaltar Die Orgel ist in vier Werke geteilt und hängt
schließt durch seine Position den Zentralraum. in den einander gegenüberliegenden Wänden
Ein durchsichtiges Gitter in der Rundung voll¬ des Ostchors. Das Gestühl steht in den drei
endet die Bewegung des Kapellenkranzes. Die Kreuzarmen.
i a ■ a a a a a a
a a a a a a Gitterrundung nachzeichnend führen zwei
a a a Archiv: PK 56
Treppen in die Krypta. Am Ende des Chors
steht die Orgel. Sie betont kontrapunktisch
Literatur: Julius Muth. Liebfrauenkirche Trier. Interner
den hinausgezogenen Raumabschluß. Für die Wettbewerb zur Innengestaltung. In: Die Neue Stadt
diesen Eingang bei und macht die alte Kirche Beleuchtung macht Schwarz mehrere Vor¬ 4(1950)7, S. 264-273; RS. Ein vorläufiger Bericht über
zu Vorhalle und Taufkapelle. Im Zentrum der schläge. Das Gestühl ordnet er kreisförmig um den neuen Ausbau der Liebfrauenkirche zu Trier. Süd-
w^stfunk, 15. August 1951; Innengestaltung der Lieb¬
Vierung steht der Taufstein. Das rechte Quer¬ die Altarinsel.
frauenkirche zu Trier. In: Jahrbuch für christliche Kunst
schiff wird aufgebrochen und erweitert. Im
(1952/53) S.18-19; Giovanni La Farge. The restaura-
rechten Winkel zur alten Kirche schließt nun tion of Notre Dame de Treves. In: Liturgical Arts
die neue als einschiffiger rechteckiger Raum 20(1952)4, 4 S.; Alexander v. Branca. Architettura sacra
von 55 Metern Länge an. Natürliches Gefälle nel dopoguerra in Germania. In: Fede e Arte 7(1959)3,
S. 318-339; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S.
nutzend, legt Schwarz die neue Kirche um 16
107-113; P.A.N. Sips. In memoriam RS. In: Tijdschrift
Stufen tiefer. Der Altarberg ist elf Stufen hoch,
voor Architectuur en beeidende Künsten 27(1961)17, S.
so daß sich die Gemeinde wie in einer Talsenke 321-330; Liebfrauen in Trier. In: RS. Gedächtnisaus¬
befindet. Kleine Rundbogenfenster passen sich stellung. Heidelberg 1963. S. 48-52; Volker Siegburg.
in ihrer Form der alten Kirche an. Die Decke Kirchenräume - Kirchenträume (Diplomarbeit). Bonn
1992. S. 28-30; Walter Zahner. RS - Baumeister der
ist eben. Das Satteldach ist deutlich flacher ge¬
Neuen Gemeinde. Altenberge 1992. S. 309-310.
neigt als das der alten Kirche.
Obwohl das Generalvikariat den Entwurf 1951
ablehnte, hielten Kirchenvorstand und Pfarrer
daran fest. Die Verhandlungen zogen sich über 127
Jahre hin, bis der Landeskonservator eine neue Entwurf Mädchenschule mit
Entwurfsskizze vorlegte, in der die Erweite¬ Mädchenberufsschule
rung als eigener Bau parallel zur alten Kirche Darmstadt, Kapellplatz/Kirchstraße
gelegt und nur durch einen offenen Gang mit 1951
ihr verbunden ist. Obwohl Schwarz eindring¬ Mitarbeiter: Maria Schwarz,
lich darauf hinwies, daß der alte, schöne Bau Karl Wimmenauer
dann allmählich außer Gebrauch und Pflege
geriete und mit der Zeit dem Verfall preisge¬
geben wäre, hielten die Behörden an diesem
Vorschlag fest. 1958 beugten sich auch Kir¬
chenvorstand und Pfarrer dem Druck. Theo
Burlage wurde mit der Ausarbeitung eines
neuen Entwurfs beauftragt.

Archiv: PK 49a

126
Wettbewerb und Innerer Ausbau
Liebfrauenkirche
Trier Zur Fünfzig-Jahrfeier der Künstlerkolonie
1950-1953 Darmstadt waren elf Architekten aufgefordert,
Mitarbeiter: Maria Schwarz, Meisterbauten zu entwerfen, die innerhalb des
Karl Wimmenauer Darmstädter Gesprächs »Mensch und Raunt«
diskutiert, ausgestellt und später gebaut wer¬
Die Liebfrauenkirche, um 1250 als bedeutend¬ den sollten. Bei den Arbeiten handelte es sich
ster Zentralbau der Gotik entstanden, war im hauptsächlich um Schulen und Kindergärten.
Zweiten Weltkrieg teilzerstört worden. 1950 Schwarz hatte auf einem innerstädtischen
wurde ein Wettbewerb unter fünf Architekten Gelände zwei Mädchenschulen zu entwerfen.
ausgeschrieben, der sich auf eine neue Gestal¬ Das Hauptgebäude erstreckt sich dreigeschos¬
tung des Innenraums bezog. sig entlang des Kapellplatzes in Form von zwei

274
unterschiedlich hohen gegeneinander gesetz¬ Schwarz reichte zwei sehr unterschiedliche 13. Jahrhundert in die Kirche. Die Umfas¬
ten Baukörpern. Thema des Entwurfs ist die Entwürfe ein. sungswände des Baus sind fensterlos. Sie sind
große I lalle der höheren Mädchenschule, die Entwurf 1 basiert auf dem Grundriß der aus den Trümmersteinen der zerstörten Kirche
sich durch alle drei Geschosse zieht. Einläufige zerstörten Annenkirche. Der lange, schmale errichtet. Nur oberhalb der Pilgerhalle sind die
Treppen verbinden die Geschosse. Umlau¬ kreuzförmige Grundriß hat zwei breite nied¬ Wände mit Glasbausteinen geschlossen. Die
fende Galerien fuhren in die Klassenräume. rige Seitenschiffe. Das Querschiff ist gegen¬ Stahlbetondecke hat sichtbare, gekreuzte Un¬
Die kleinere Mädchenberufsschule ist durch über der alten Kirche so verschoben, daß der terzüge. Die gleiche Konstruktion deckt auch
die Halle mit der anderen Schule verbunden. Chorraum sich entsprechend verkürzt. Aus die Pilgerkirche. Hier sind die Kreuzungs¬
Sie gruppiert sich um einen Innenhof. Die ihm ragt die vierstufige bis in die Vierung rei¬ punkte der Unterzüge von Betonsäulen unter¬
niedrige glasüberdeckte Eingangshalle zieht chende Altarinsel. In der Längsachse des stützt. Fünf Lichtkuppeln sind zwischen die
sich wie ein Rückgrat durch das Gelände. Sie Hauptschiffes steht der Turm, durch den der Unterzüge in die Decke eingelassen. Der Fu߬
erschließt auf einer Seite die runde Gym¬ einzige Eingang führt. Licht erhält die Kirche boden ist mit großen Schieferplatten belegt. In
nastikhalle mit Turnplatz, auf der anderen das durch zwei große, senkrecht unterteilte Licht¬ die lange, geschlossene Nordwand sind zwölf
ehemalige Pädagog, das fünfgeschossig auf felder an den Seiten des Langhauses, die sich Reliefs von Franz Gutmann und Günter
seinem Grundriß mit Verwaltungsräumen wie¬ an den Knickpunkten im Querschiff und im Haese, Schülern von Ewald Matare, eingesetzt.
deraufgebaut wird. Chor wiederholen. Die Seitenschiffe sind un¬ In der Chorrückwand ist in Bogenansätzen ein
Als Konstruktion ist Stahlbetonskelettbau mit belichtet. Flache, quergelegte Tonnen über¬ Lebensbaum gemauert, der runde, mit .Ala¬
sichtbarer Ausfachung gedacht. Obwohl bei decken den Raum in 16 Metern Höhe. Das baster geschlossene Öffnungen hat. Die als
der Ausschreibung die Realisierung aller Pro¬ Mauerwerk ist aus Backstein geplant, innen Rundbau in den Platz ragende Sakristei wurde
jekte ins Auge gefaßt war, erhielt Schwarz 1953 verputzt und weiß gestrichen, außen als Sicht¬ in dieser Form nicht gebaut. Der Turm ent¬
die Alitteilung, daß die Schule zwar gebaut mauerwerk belassen. stand einige Zeit später.
würde, aber sein Entwurf nicht zur Ausführung Anfang der neunziger Jahre wurden die schad¬
kommen könnte. haft gewordenen Glasbausteinwände durch
eine farbige Verglasung ersetzt, die Ludwig
Archiv: PK 52a
Schaffrath entwarf.
Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Vorentwurf rm Archiv: PK 67
für den Neubau der Alice-Eleonoren-Schule und lililL
Mädchenberufsschule in Darmstadt. Frankfurt 1951.
3 S. Typoskript; RS. Mädchenberufsschule. In: Die Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Entwurf für
Neue Stadt 5(1951)5, S. 196-198; RS. Entwurf für den den Wiederaufbau der Kirche St. Anna in Düren.
Bau einer Mädchenschule mit Mädchenberufsschule am Frankfurt 1952. 2 S. Typoskript; Kirchweihe St. Anna
Kapellplatz in Darmstadt. In: Otto Bartning (Hg.). Düren, 7-/8. Juli 1956. Düren 1956. 66 S.; Darin: RS.
Mensch und Raum. Darmstadt 1952. S. 153-161. Die neue Kirche der heiligen Anna. S. 15-18; Hans
Schmitt-Rost. St. Anna in Düren. In: Werk und Zeit
5(1956)12, S. 1-2; Eglise St. Anne ä Duren. In: Archi-
tecture (1956)19, S. 792; Kirche in Düren, Deutsch¬
128 land. In: Werk 44(1957)6, S. 194; G.E.Kidder Smith. In
Wettbewerb und Wiederaufbau Pfarrkirche the rebirth of a great tradition. In: Architectural Record
St. Anna (1957)7, S. 158-183; St. Anna in Düren von RS. In: Das
Düren, St. Anna-Platz Münster 10(1957)1/2, S. 28-31; Wolfgang Braunfels.
St. Anna in Düren. In: Baukunst und Werkform
1951-1956
10(1957)3, S. 144-149; Fred van Leeuwen. Een kerk
Mitarbeiter: Karl-Heinz Bröker, waar niets te zein is. In: Katholiek bouwblad
Maria Schwarz, Karl Wimmenauer 24(1957)23, S. 353-361; Europe’s great new churches.
Bauleitung: Rudolf Steinbach In: Architectural Forum (i957)Dec. S. 107-111; Erich
Stephany. Sinn und Würde der kirchlichen Geräte. In:
Jahrbuch für christliche Kunst (1957/58) S. 4-93; Albert
Schulze Vellinghausen. Art as evidence of freedom. In:
Atlantic Monthly.Suppl. Perspective of Germany (1957)
S. 31-49; Anton Henze. Neue kirchliche Kunst. Reck¬
linghausen 1958. S. 60; Richard Biedrzynski. Kirchen
unserer Zeit. München 1958. S. 53,Taf. 25-27; Lothar
Schreyer. St. Anna-Kirche zu Düren. In: Christliche
Kunst des 20. Jahrhunderts. Hamburg 1959. S. 171-173;
Willy Weyres, Otto Bartning. Handbuch für den Kir¬
Für den zweiten Entwurf erhielt Schwarz Preis chenbau. München 1959. S. 164-166; RS. Kirchenbau.
und Auftrag. Mit wenigen Änderungen wurde Heidelberg i960. S. 223-235; Rainer Gieselmann,
Werner Aebli. Kirchenbau. Zürich i960. S. 65-68; A.
er ausgeführt. Das 58 x 15 Meter messende
Buffinga. Een openbaring. In: I let Bouwwerk 2(1960)9,
Hauptschiff knickt nach rechts zu einem mehr
S.451-454; Mens en ruimte. In: Het Bouwwerk
als 20 Meter langen Querarm ab, der zum 3(1961)11, S. 471-482; G. E. Kidder Smith. Religious
Hauptschiff hin breiter wird. Ein niedriges architecture. In: Encyclopedia Britannica. 1961. 10 S.;
Seitenschiff legt sich rechts an das Langschiff. Kerk van St. Anna te Düren. In: Bouwkundig weekblad
79(1961)23, S. 449-451; P.A.N. Sips. In memoriam RS.
Es ist an der Giebelfront nur 6 Meter breit und
In: Tijdschrift voor Architectuur en beeidende Künsten.
Die aus dem späten Mittelalter stammende, verbreitert sich bis zum Querarm auf 14 Meter.
27(1961)17, S. 321-330; Ulrich Conrads, Werner Mar¬
immer wieder veränderte und ergänzte Annen- Der Altarraum nimmt die gesamte Vierung der schall. Neue deutsche Architektur 2. Stuttgart 1962. S.
kirche wurde 1944 durch Kriegseinwirkung Kirche ein und reicht bis zum Knick von Lang- 206-207; Pina Ciampiani. Amore al passato e rispetto al
völlig zerstört. 1950 waren die Trümmerberge und Querschiff. Das Sängerpodest mit neun presente. In: Rocca 22(1963)7, S. 41-43; G.E. Kidder
Stufen liegt an der Rückwand des Langhauses. Smith. Neuer Kirchenbau in Europa. Stuttgart 1964. S.
abgetragen und das Gelände freigemacht für
164-171; Hans A. Maurer. Moderner Kirchenbau. Kas¬
den Wiederaufbau. Ende 1950 wurde Schwarz Fünf Betonstützen trennen die Pilgerhalle vom
sel 1964. S. 62-63; Frederic Debuyst. Les iniages, hier,
gebeten, sich mit zwei anderen Architekten an Hauptschiff. Von einer kleinen Vorhalle im aujourd’hui, demain. In: Art d’eglise (1966)137, S.
einem internen Wettbewerb zu beteiligen, der vorderen Bereich der Pilgerhalle gelangt man 369-389; John Jacobus. Die Architektur unserer Zeit.
im September 1951 ausgeschrieben wurde. durch das erhalten gebliebene Portal aus dem Stuttgart 1966. S. 139; Erwin Gatz (Hg.). St. Anna in

275
\lön. hcn-Gladbach 1972- 252 S.; Hugo gleichen Front liegende, auf quadratischem an den Seiten des Langhauses, die im Altar¬
' kirchenbau des 20. Jahrhunderts in
Grundriß angebaute Taufkapelle. Der dritte bereich V-förmig bis zum Boden absinken und
ir.d München 1973. S. 84,89,90,117; Maria
Eingang auf der gegenüberliegenden Seite ist wieder ansteigen. Warum es nicht zur Durch¬
RS mi Raum Düren. In: Düren im Blick.
S. 238- 244; Karin Becker. RS 1897-1961. der unverändert in der Längswand belassene führung kam, ist aus den Unterlagen nicht er¬
cliitcktui (Dissertation). Bielefeld 1981. S. barocke Klostereingang. Die Gliederung des sichtlich.
i 142.371 375; Barbara Kahle. Rheinische Kirchen Raumes erfolgt durch vier einander gegenüber
1 20. Jahrhunderts. Köln 1985. S. 62,108-109; VVer- liegende, drei Meter breite, vom Boden bis zur
Archiv: PK 55a
; Durth, Niels Gutschow. Architektur und Städtebau
Decke reichende Fensterflächen. In die ebene,
der , er Jahre. Bonn 1987. S. 1 10-111; Barbara Kahle.
Deutsche Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts. Dann¬
großflächig mit vergoldeten Leisten unterteilte 131
stadt 1990. S. 101,181; Volker Siegburg. Kirchenräume Decke sind Lampen eingelassen, die sich im Pfarrkirche St. Anna mit Gemeindezentrum
Kirehenträumc (Diplomarbeit). Bonn 1992. S. 38-42; Altarbereich verdichten. Durch Schaltung kön¬ Duisburg, Geibelstraße
Thomas 1 lasier. Die Kirche St. Anna in Düren von RS. nen verschiedene Licht- und Raumgestaltun¬ i952_i955
In Archithese 26(1996)5, S. 20-27; Chiara Baglione. II
gen geschaffen werden. Kirche, Taufkapelle Mitarbeiter: Maria Schwarz,
mondo sulla soglia. In: Casabella 60(1996)640/641, S.
und Turm sind mit Satteldächern in Schiefer Karl Wimmenauer
34-55-
gedeckt. Bauleitung: Klaus Rosiny
Die Kirche ist unter Verwendung noch vor¬
129 handener Mauerreste aus rauhen Bruchsteinen
Pfarrkirche St. Albertus Magnus gemauert. Sie ist nur innen verputzt und hell
Andernach, Albertstraße 2 gestrichen. Die Taufkapelle hat auch innen
r952_I954 Sichtmauerwerk. Der Fußboden ist mit Schie¬
Mitarbeiter: Maria Schwarz, ferplatten belegt. Die Portale an der Südseite
Karl Wimmenauer sowie Hahn und Kreuz auf dem Turm sind
Bauleitung: Rudolf Steinbach nach Entwürfen von Ewald Matare in Eisen
gegossen. Den Tabernakel entwarf Theo
Schrennen. Die Fenster von Wilhelm Geyer
wurden später eingebaut.

Archiv: PK 61

Literatur: RS. Gutachten über das Gelände für den


Neubau der St. Albert-Kirche in Andernach. Frankfurt
1951. 2 S. Typoskript; RS. Neubau der Kirche St. Al¬
bert in Andernach. Erläuterungsbericht. Frankfurt 1952.
1 S. Typoskript; RS. Die Kirche des heiligen Albert. In:
Gedenkschrift zur Konsekration der neuen Pfarrkirche
St. Albertus Alagnus in Andernach am 25. Juli 1954. An¬
dernach 1954. S. 38-39; RS. Kirchenbau. Heidelberg
i960. S. 147—155; Karin Becker. RS 1897-1961. Kir¬
chenarchitektur (Dissertation). Bielefeld 1981, S.
2 3 3—2 34> 367-370-

130
Entwurf Pfarrkirche in einer Siedlung
Düren-Rölsdorf
1952-1953
Mitarbeiter: Karl Wimmenauer

Der Auftrag des Bauherrn wurde vom Gene¬


ralvikariat dahingehend relativiert, daß Schwarz
nur eine Ideenskizze anfertigen sollte. Der 48
Die 1938 begonnenen Entwurfsarbeiten, die Meter lange, an der breitesten Stelle 19 Meter
1941 zu einem Architektenvertrag geführt hat¬ breite Bau hat im Grundriß die Form zweier
ten (WV 80), wurden 1952 fortgesetzt, damit gegeneinander liegender unterschiedlich gro¬
für die neue Gemeinde die Kirche gebaut wer¬ ßer Trapeze. Das längere ist der Gemeinde¬ Anfang 1952 wurde Schwarz um Begutachtung
den konnte. raum. Der Altarbereich liegt mit seiner Quer¬ des Kirchenentwurfs von Klaus Rosiny gebe¬
Ein nicht besonders geeignetes Gelände wurde achse in der Berührungslinie beider Trapeze. ten, der vom Pfarrer befürwortet, vom Kir¬
aufgegeben zugunsten eines anderen, auf dem Die unterste Altarstufe spannt sich wie ein Steg chenvorstand abgelehnt worden war.
ein Kloster gestanden hatte. Die Kirche ist auf quer durch den Raum. Im Schnittpunkt von Im Sommer lagen Pläne von drei Duisburger
den Resten des Abtissinnenhauses gebaut. Der Längs- und Querachse steht der Altar. Der Architekten vor. Zusätzlich bat man Schwarz
einfache, rechteckige Baukörper ist lang und Raum hinter ihm bleibt leer. Eingänge liegen um einen Entwurf. Er arbeitete mehrere Vari¬
schmal (51,8 x 14,5 Meter). Der Altarberg in der verglasten Rückwand. Eine runde Tauf¬ anten aus und erhielt den Auftrag.
reicht, sieben Stufen hoch, von Wand zu kapelle wächst aus der rechten Längswand. Die langgestreckte Halle hat die Maße 50 x 14
Wand. Ihm gegenüber steigt mit sechs Stufen Die Besonderheit des Entwurfs entsteht da¬ Meter. Der tiefe Altarbereich reicht von Wand
das Sängerpodest an. Dazwischen liegt tief der durch, daß der First des flachen Satteldachs in zu Wand. Ihm gegenüber steht in einigem Ab¬
Gemeinderaum. der Berührungslinie der Trapeze quer zum stand von der Rückwand die Orgelempore. An
Man betritt die Kirche durch den hinten ste¬ langgestreckten Baukörper liegt. Die Kirche der Giebelseite liegen zwei mit Tonnen ge¬
henden Turm auf der Höhe des Sängerpodests. hat ihre größte Höhe über dem Altar. Belichtet deckte Vorhallen eng beieinander, durch die
Ein weiterer Eingang führt durch die an der wird der Raum durch schmale Fensterbänder man die Kirche betritt und auf eine angedeu-

276
tete Kapelle stößt. Sie wird durch den in der Planung. Der Folkwang-Museumsverein be¬
gerundeten Nische der Rückwand der Or¬ schloß, den Plan begutachten oder einen
gelempore stehenden Altar gebildet. Dieser Gegenentwurf aufstellen zu lassen. Schwarz
Einbau muß umgangen werden, um in die Kir¬ wurde um seine Stellungnahme gebeten. Er
che zu gelangen. Mer Fenstergruppen gliedern legte einen Gegenentwurf vor.
die Längswände in großen Schritten. Jeweils Unter Beibehaltung vorhandener Bauteile faßt
drei paarweise übereinander gelegte Rund¬ er das Programm bei seiner Planung in fol¬
bogenöffnungen werden nach oben größer. In gende Gruppen: 1. Leitung und geistige Ver¬
der Altarrückwand sind die beiden unteren tiefung mit Vortragssaal, Bibliothek, Kupfer¬
henster geschlossen. Die innen sichtbare stichsammlung; 2. Wechselausstellungen; 3.
Schräge des Satteldaches ist mit kleinformati¬ Sammlung klassischer Kunst mit Kunstge¬
gen Platten verkleidet. Innen ist die Kirche werbe; 4. Sammlung lebender Kunst; 5. Ne¬
verputzt und hell gestrichen. Außen ist sie als benräume. Schwarz ordnet zwei flache Bau¬
Backsteinbau belassen. Der Turm ist direkt an körper um zwei Innenhöfe und ordnet die
die Kirche gebaut. Durch ihn führt ein wei¬ Raumgruppen so, daß sie in lebendigem Zu¬
terer Eingang. sammenhang stehen. Angelpunkt der Anlage
1953 erging der Auftrag für das Pfarrhaus an ist die Halle, die die einzelnen Abteilungen so
Schwarz, 1955 wurde der Kindergarten gebaut. erschließt, daß jede für sich benutzt werden
1956 wurden Pläne für ein großes Altersheim kann. Dem Knabenbrunnen von George
erstellt, das nicht gebaut wurde. Minne, der im alten Museum in einem eigenen
Inzwischen sind die Fenster, die Maria Katz- Kuppelraum stand, gibt Schwarz nun einen
grau entworfen hat, eingebaut. runden, ringsum verglasten Raum, von der
großen Halle aus zugänglich. Der eigentliche
Archiv: PK 57
Museumsbau hat rundum Fenster, während
Literatur: RS. Vorschläge für den Neubau der Kirche St. der Versammlungs- und Verwaltungsbau nur
Anna in Duisburg. Frankfurt 1952. 3 S. Typoskript; St. zum Innenhof geöffnet ist. Schwarz schlägt
Anna-Kirche in Duisburg. In: Jahrbuch für christliche vor, die geschlossenen Wände von einem
Kunst (1954) Bildwerk im Kirchenbau. S. 14-15; Karl Maler gestalten zu lassen.
Wimmenauer. Von der St. Annenkirche in Duisburg.
Frankfurt (o.D.) 6 S. Typoskript; RS. Kirchenbau. Hei¬ Archiv: PK 55b
delberg i960. S. 172-179; Giovanni Fallani. L’altare
nell’ architettura sacra contemporanea. In: Fede e Arte Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Vorschlag
8(1960)1, S. 84-116; Giuseppe Zander. RS e l’opera sua
für den Wiederaufbau des Folkwang-Museums in Essen.
ultima. In: Fede e Arte 9(1961)2, S. 144-153; P.A.N. Köln 1952.4 S. Typoskript.
Sips. In memoriam RS. In: Tijdschrift voor Architectuur
en beeidende Künsten 28(1961)17, S. 321-330; Karin
Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Disser¬
tation). Bielefeld 1981. S. 225,375-378. 133
Wettbewerb und Ausführung Pfarrkirche
St. Michael mit Pfarrhaus
132 Frankfurt, Gellert-/Rotlindstraße
Entwurf Folkwangmuseum 1952-1956
Essen, Bismarckstraße Mitarbeiter: Helmut Gutmann,
1952 Maria Schwarz, Karl Wimmenauer
Zusammen mit Josef Bernard

weitert wird. In der rechten ist das Sängerpo¬


1 dest angeordnet. Der Altar steht im Zentrum
des Chors, in der etwas schmaleren Gegenrun¬
dung der Taufstein. Zwei symmetrisch ange¬
EE 1 1
ordnete Eingänge in der Nähe des Taufsteins
führen durch niedrige gerundete Vorhallen
3 I
in die Kirche. Unter der Altarapside ist die
Ja 1 1
1 1
Krypta vorgesehen. Für die technische Durch¬
1
führung macht Schwarz zwei Vorschläge.
iXL J..J...I Bei Variante 1 sind fensterlose Wände als
J • ULri Schwergewichtsmauern aus Bruchsteinen in
1952 wurde ein Wettbewerb für den Neubau rotem Sandstein hochgezogen. Der Bau soll an
der Kirche der neu gegründeten St. Michaels¬ eine enge Schlucht erinnern. Er wird von einer
gemeinde ausgeschrieben. Teilnahmeberech¬ Glasprismendecke zwischen Betonbalken über¬
tigt waren die katholischen Architekten im Bis¬ dacht.
Das 1929 von Plagen nach Essen übergesie¬ tum Limburg. Variante 2 sieht eine Stahlbetonskelettkon¬
delte Museum Folkwang war während des Schwarz entwirft einen Bau auf fast ellipti¬ struktion vor. Sich nach oben verjüngende
Zweiten Weltkrieges zum erheblichen Teil zer¬ schem Grundriß von 51 Metern Länge, 17 Pfeiler bilden das tragende Gerüst. Die Felder
stört worden. 1952 entschloß sich die Stadt Metern Breite und 16 Metern Höhe, der im dazwischen werden mit Ziegelmauerwerk aus¬
Essen, das Museum abschnittsweise wieder Chorbereich durch zwei kleinere, ebenfalls el¬ gefacht und innen verputzt. Die Belichtung er¬
aufzubauen. Das Hochbauamt arbeitete an der liptische Apsiden zu einem Kleeblattchor er¬ folgt durch einen umlaufenden, drei Meter

277
I .:n',tcrkranz aus Glasbausteinen, der rebirth of a great tradition. In: Architectural Record sich im Scheitel eine kleine Apside. Aus ihr
\ is'iien des Langhauses geschlossen (tpS/IJune, S. 164-167; Joseph Hoster. I problemi dell’ wächst die Altarinsel, die sich schmal bis in die
architettura sacra contemporanea in Germania. In: Qua-
in der ebenen Decke sind die Unter- Vierung zieht. Im linken Querarm stehen auf
derni di arte cristiana (i957)Taf. 61; Richard Biedr-
ie der kreuzweise verlegten Stahlbinder zynski. Kirchen unserer Zeit. München 1958. S. 64-65;
Podeststufen die Sänger. Eine Treppe führt
ir. Das Dach ist flach und hat einen M.-R. Capellades. Les nouvelles eglises du diocese de dort in die 3 Meter tiefer liegende, nach oben
Uberstand. Cologne. In: L’art sacre (1959)3/4, S. 3-10; RS. Kir¬ offene Taufkapelle. Eine niedrige Vorhalle ist
’ s mitzuplanende Pfarrhaus, in dessen Ver¬ chenbau. Heidelberg i960. S. 207-223; Giovanni Fal- in der Verlängerung des schmaler werdenden
lani. L’altare nell’ architettura sacra contemporanea. In:
längerung Sakristei und Gemeinderäume an- Kirchenschiffs angebaut. Die Giebelfront und
Fede e Arte (1960)1, S. 84-113; Venturino Alce. Archi¬
ueordnet sind, ist zweigeschossig und ward von die in gleicher Richtung liegenden Wände des
tettura sacra contemporanea in Germania. In: Chiesa e
der rechten Apside angeschnitten. Schwarz Quartiere (1960)13, S. 31-51; Lothar Schreyer. Erinne¬ Querschiffs sind in großflächiger Aufteilung
schlägt einen Geländezukauf vor, um das rung an RS. In: Neue Schau 22(1961)6, S.215-218; verglast. Das Langschiff hat kleine Rund¬
Pfarrgebäude in einigem Abstand von der Kir¬ Giuseppe Zander. RS e l’opera sua ultima. In: Fede e bogenfenster, in Dreiergruppen zusammenge¬
Arte (1961)2, S. 144-153; Alfons Kirchgässner. Aus der
che bauen zu können. Der filigrane Turm steht faßt. Das Satteldach steigt bis zur Vierung an.
Vorgeschichte von St. Michael. In: Hans A. Maurer
gesondert an der Ecke Geliert- und Rotlind¬ Dort schneidet es sich mit dem Satteldach des
(Hg.). Moderner Kirchenbau. Kassel 1964. S. 60-61;
straße. G.E. Kidder Smith. Neuer Kirchenbau in Europa. Querschiffs. Die Decke folgt der Bewegung des
Am Wettbewerb beteiligten sich dreißig Archi¬ Stuttgart 1964. S. 160-163; JohnJacobus. Die Architek¬ Daches, so daß der Raum zum Altar höher wird.
tekten. Schwarz erhielt für seinen Entwurf, der tur unserer Zeit. Stuttgart 1966. S. 139; Hugo Schnell. Schwarz erhielt für seinen Entwurf Preis und
Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in Deutschland.
fast unverändert zur Ausführung kam, ersten Auftrag. Die Ausführung folgt mit nur weni¬
München 1973. S. 92,106,120, 126; Karin Becker. RS
Preis und Auftrag. gen Änderungen dem Wettbewerbsentwurf.
1897-1961. Kirchenarchitektur (Dissertation). Bielefeld
Als Konstruktion wurde aus Kostengründen 1981. S. 248-257, 385-387; Volker Siegburg. Kirchen¬ Die mächtige Rückwand, die Stirnwände des
der Stahlbetonskelettbau gewählt. Die Altar¬ räume - Kirchenträume (Dipomarbeit). Bonn 1992. Querschiffs und die Langhauswände sind fen¬
insel steht jetzt von den Wänden abgelöst frei S. 58; Chiara Baglione. II mondo sulla soglia. In: Casa- sterlos. Lichtwände trennen Langhaus und
bella 60(1996)640/641, S. 34-55.
im Raum. Der Tabernakel ist von Friedrich Querschiff. Auch die Giebelwand des Lang¬
Gebhart, das Kreuz von Ewald Matare, der hauses ist verglast. Die Vorhalle in der Verlän¬
auch die Türgriffe entwarf. Die Darstellung 134 gerung des Langhauses hat einen Innenhof.
des heiligen Michael ist von Karl Knappe. In Wettbewerb und Ausführung Pfarrkirche i960 wurde er überdacht und zur Taufkapelle
der Krypta unter dem Altarbereich steht ein St.Maria Königin mit Gemeindezentrum gemacht.
kleiner Altar zwischen vier mächtigen Säulen. Frechen, Kapellen-/Usdorfer Straße Die Altarinsel ist nun gerundet. Zwei schlanke
Die Fenster entwarf Georg Meistermann, das 1952-1954 Stahlstützen stehen in der Achse des Quer¬
Hängekreuz Fritz Schwerdt. Die Kirche ist in¬ Mitarbeiter: Maria Schwarz, schiffs auf der untersten Stufe der Insel. Das
nen verputzt und weiß gestrichen. Die Beton¬ Karl Wimmenauer zum Altar ansteigende Satteldach läuft bis zur
teile sind als Sichtbeton belassen und dunkel Bauleitung: Rudolf Steinbach Apside durch. Die Querarme haben dement¬
lasiert. Die Decke ist hellblau gestrichen. Die sprechend Pultdächer. Die Decke folgt der
Unterflansche der gekreuzten Binder sind farb¬ Dachform. Sie ist mit schmalen Holzbrettern
lich abgesetzt. Der Fußboden ist mit Schiefer¬ verschalt. Unter der Altarstelle liegt die Krypta,
platten belegt. vom linken Querarm zugänglich.
1955/56 wurden Sakristei und Pfarrhaus ge¬ Die Kirche ist innen und außen unverputzt als
baut. Die Gemeinde war dem Vorschlag von Backsteinbau errichtet. Uber der kleinen Ap¬
Schwarz gefolgt und hatte einen Geländestrei¬ side erhebt sich außen eine Krone von Paul
fen dazu erworben. Das Pfarrhaus steht in eini¬ Nagel. Das langgestreckte Pfarrgebäude an der
gem Abstand von der Kirche mit dem Giebel Kapellenstraße mit Wohnungen, Saal und Ju¬
an der Gellertstraße. Die eingeschossige Sakri¬ gendräumen riegelt das Grundstück ab. Die
stei ist im rechten Winkel angebaut und bildet Sakristei in Verlängerung des rechten Quer¬
das Bindeglied zur Kirche. arms ist Bindeglied zwischen Kirche und Haus.
Der 34 Meter hohe Turm wurde von Karl Der quadratische Turm steht links von der Kir¬
Wimmenauer gebaut. Er ist ein runder Ziegel¬ che an der Üsdorfer Straße.
bau mit oberem Betonaufsatz, der kreisrunde
Öffnungen hat. Archiv: PK 64

Archiv: PK 62 Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Vorentwurf


einer katholischen Kirche für Frechen. Frankfurt 1952.
Literatur: RS. Wettbewerbsentwurf der kath. Kirche 3 S. Typoskript; RS. Erläuterungsbericht zu dem Ent¬
St.Michael in Frankbirt am Main. Erläuterungsbericht. wurf einer neuen katholischen Kirche in Frechen. Köln
Frankfurt 1953. 8 S. Typoskript; Karl Wimmenauer. 1953. 2 S. Typoskript; Kirchweihe St. Maria Königin zu
Michaelskirche in Frankfurt am Main. Frankfurt 1953. Frechen bei Köln am 9. und 10. Oktober 1954. Frechen
öS. Typoskript; RS. Die neue Frankfurter Sankt Mi¬ 1954. 9 S.; Hugo Schnell. Inleiding in de hedendagse
chaelskirche. In: Die Neue Zeitung (1953)11.2.; RS. Der duitse Kerkelijke Kunst. In: Katholiek Bouwblad
Baugedanke. In: Altes bewahren - Neues schaffen. 23(1956)24, S. 370-380; RS. Kirchenbau in Frechen.
Frankfurt 1953. S.24-25; Alfons Kirchgässner. Aus der In: Wort und Wahrheit 11(1956)6, S. 486-488; Zwei
Vorgeschichte von St. Michael. In: Altes bewahren - Kirchen von RS. In: Werk 44(1957)6, S. 193; Willy
Neues schaffen. Frankfurt 1953. S. 22-23; RS. Pfarrkir¬ Weyres. Neue Kirchen im Erzbistum Köln 1945-56.
che St. Michael in Frankfurt. In: Baukunst und Werk¬ Düsseldorf 1957. S. 99; Moosbrugger. Die katholische
form 8(1955)2, S. 103-107; RS. Einige Bemerkungen Kirche als Bauherrin. In: Bauen und Wohnen
zu St. Michael in Frankfurt am Main. In: Das Münster Anfang 1952 wurde Schwarz mit drei anderen 13(1958)11, S. 360-361; Willy Weyres, Otto Bartning.
8(r955)7/8, S. 245-248; Alfons Kirchgässner. Die Architekten zum Wettbewerb für die Kirche Handbuch für den Kirchenbau. München 1959. S. 150;
Michaelskirche von RS in Frankfurt am Main. In: Das mit Gemeindezentrum einer neugegründeten M.-R. Capellades. Les nouvelles eglises du diocese de
jMünster 8(1955)7/8, S. 249-251; Flugo Schnell. Inlei¬ Cologne. In: L’art sacre (1959)3/4, S. 24-25; RS. Kir¬
Gemeinde aufgefordert. Schwarz entwarft die
ding in de hedendaagse duitse Kerkelijke Kunst. In: Ka- chenbau. Heidelberg i960. S. 190-199; Giuseppe Zan¬
Kirche auf T-förmigem Grundriß. Langhaus
tholiek Bouwblad 23(1956)24, S. 370-380; Hubert der. RS e l’opera sua ultima. In: Fede e Arte (1961)2, S.
Hoffmann, Karl Kaspar. Neue deutsche Architektur. und Querarme erweitern sich zum Altar hin. 144—153; P.A.N. Sips. In memoriam RS. In: Tijdschrift
Stuttgart 1956. S. 106-107; G.E. Kidder Smith. In the Aus der leicht gebogenen Rückwand rundet voor Architectuur en beeidende Künsten. 28(1961)17, S.

278
32I_33°; H.E. Kidder Smith. N'ew church architecture
Wand zu Wand. Die Eingänge liegen an den beeidende Künsten 28(1961)17, S. 321 530; Neue Köl¬
in Germany. In: Architectural Record (i9Ö2)June, S.
Längsfronten. Belichtet wird die Kirche durch ner Kirchen. Köln o.J. S. 8-9; Hugo Schnell. Kirchen
i36_i3"; Hugo Schnell. Der Kirchenhau des 20. Jahr¬
runde henster, die sich im Rhythmus um die bau des 20. Jahrhunderts in Deutschland. München 19-*
hunderts in Deutschland. München 1973. S. 82, 84, 90,
S. 90,97,106,120; Karin Becker. RS 1897-1961 Kirchen¬
199, 203; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchi¬ Kirche ziehen. Fünf ganze und zwei halbe
architektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. *'8-382.
tektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 246-247, quergelegte Tonnen decken den Bau. Barbara Kahle. Rheinische Kirchen des 20. Jahrhunderts.
382-385; Kirche St. Maria Königin. In: Pfarre St.Maria
Auf Entwurf B ist der ausgefiihrte Bau ent¬ Köln 1985. S. 118—119; Volker Siegburg. Kirchenräume
Königin in Frechen 1954-1984. Frechen 1984. S. 5—11;
wickelt. - Kirchenträume (Diplomarbeit). Bonn 1992 S. 45 -49.
Barbara Kahle. Rheinische Kirchen des 20. Jahrhun¬
derts. Köln 1985. S. 65; Volker Siegburg. Kirchenräume Bei Entwurf C wird der sich hinter dem Altar
- Kirchenträume (Diplomarbeit). Bonn 1992. S. 49-51; rundende Bau nach hinten schmaler und geht
Chiara Baglione. II ntondo sulla soglia. In: Casabella in eine offene Vorhalle über. Die Holzkon¬ 136
60(1996)640/641, S. 34—55.
struktion des durchlaufenden Satteldaches Wettbewerb und Wiederaufbau Pfarrkirche
bleibt sichtbar. In die Längsfront an der Liebfrauen
Braunstraße ist der Turm eingebaut. An seinen Köln-Mülheim, Regentenstraße
135 beiden Seiten sind vom Boden bis unter die 1952-1955
Wettbewerb und Ausführung Pfarrkirche Decke reichende Lichtöffnungen vorgesehen. Mitarbeiter; Paul Altgassen, Maria Schwarz,
St. Josef Eine dritte belichtet den Altarbereich. Die Werner Stumpf, Karl Wimmenauer
Köln-Braunsfeld, Braun-/Christian-Gau-Straße Preisrichter empfahlen, Entwurf B oder C aus¬
I952“I955 zuführen. Die Gemeinde entschied sich für
Zusammen mit Josef Bernard Entwurf B.
Der langgestreckte Bau ist stützenlos. Die Al¬
tarinsel ist von den Längswänden gelöst. Zwei
Treppen führen an ihren Seiten in die Krypta.
Das Sängerpodest an der Rückwand reicht von
Wand zu Wand. Eingänge führen durch Vor¬
hallen an beiden Längsfronten in die Kirche.
An die Vorhalle auf der rechten Seite schließt
sich rechtwinklig die Beichtkapelle an. Mit der
Sakristei bildet sich dort ein Innenhöfchen.
Die Längswände der Kirche sind durch sechs
Y-förmige Betonstützen gegliedert. Das Dach
ist gefaltet. Es entstehen im Obergaden lie¬
gende Sechsecköffnungen, die ein Lichtband
bilden. Im Altarbereich stuft sich die Decke
durch ein weiteres Sechseck hoch. Dort sind
die Wandfelder bis zum Boden geöffnet. Die
anderen Rahmenfelder sind mit Backsteinen
ausgefacht. In beiden Stirnwänden stützen vier
nach oben breiter werdende Pfeiler einen
Querträger. Die Kirche ist innen verputzt und
blau gestrichen. Außen sind die Sichtmauer¬
werkflächen durch verteilte Kreuze struktu¬
riert. Der Turm ist als offener Betonbock neben
die Kirche gestellt. Die später eingebrachte
farbige Verglasung, von Georg Meistermann
entworfen, machte eine andere farbige Gestal¬
tung der Wände notwendig.

Archiv: PK 63

Literatur: Eduard Trier. Kultstätte oder Versammlungs¬


raum. In: Die Zeit (1954)51, S. 4-5; St. Josephs-Kirche
in Köln-Braunsfeld. In: Jahrbuch für christliche Kunst
(1954) Bildwerk im Kirchenbau. S. 16-17; RS. Eine
neue Kirche in Köln-Braunsfeld. In: Glasforum (1955)2,
S. 10-11; Die neue Kirche. In: Kölner Leben
5(1956)33, S. 6-7; Hubert Hoffmann, Karl Kaspar.
Neue deutsche Architektur. Stuttgart 1956. S. 105; G.E.
Kidder Smith. German churches. In: Architectural Re¬
1952 schrieb die Gemeinde unter vier Archi¬ cord (i957)June, S. 178-179; Willy Weyres. Neue Kir¬
tekten einen Wettbewerb für den Kirchenneu¬ chen im Erzbistum Köln 1945-56. Düsseldorf 1957. S.
116; Richard Biedrzynski. Kirchen unserer Zeit. Mün¬
bau aus. Schwarz/Bernard reichten drei unter¬
chen 1958. S. 54-56,Taf. 22-24; Alexander v. Branca.
schiedliche Entwürfe ein. Architettura sacra nel dopoguerra in Germania. In: Eede
Entwurf A zeigt einen langgestreckten Recht¬ e Arte (1959)3- S. 318-339; M.R. Capellades. Les nou-
eckbau, der durch sechs Stützenpaare in 2 Me¬ velles eglises du diocese de Cologne. In: L’art sacre 1943 und 1944 wurde die um 1866 im neugoti¬
ter Abstand von den Längswänden gegliedert (1959)3/4, S. 24-25; Willy Weyres, Otto Bartning. schen Stil erbaute Kirche durch Luftangriffe
Handbuch für den Kirchenbau. München 1959. S. 161;
ist. Der Altarbereich umschließt zwei Stützen¬ stark zerstört. Für den Wiederaufbau wurden
Venturino Alce. Architettura sacra contemporanea in
paare. An seinen beiden Seiten führen Treppen 1952 sieben Architekten zu einem engeren
Germania. In: Fede e Arte (1960)13, S. 31-51; RS. Kir¬
in die unter der Altarinsel liegende Krypta. chenbau. Heidelberg i960. S. 199-207; P.A.N. Sips. In Wettbewerb eingeladen. Schwarz reichte vier
Das Sängerpodest in der Rückwand reicht von memoriam RS. In: Tijdschrift voor Architectuur en Varianten ein.

279
! ,1er tiefe Chor des über 60 Meter Keile enden in verglasten Treppenhäusern. Aus
r-[
erhalten, und das flach geneigte dem im Grundriß rautenförmigen Kern ragt
1 ii, ihr innen sichtbar. Die Entwürfe zum Ring das Zuschauerhaus der Oper. Durch
V id n sich hauptsächlich in der Ge- die Halle mit Abendkassen und Garderoben
e. - Chors und des Querschiffs. Die gelangt man über abgeschlossene Treppen und
i i eii von Dominikus Böhm und Schwarz die oberen Foyers in den arenaartig angelegten
• i n in die engere Wahl gezogen. Ende Zuschauerraum, der in drei Ebenen ansteigt.
1952 erhielt Schwarz den Auftrag. Es folgten Das kleine Haus ist ohne Schnürboden und
nochmals mehrere Entwicklungsstufen, bis Hinterbühne geplant. Man betritt es durch
Ende 1953 ein baureifer Plan vorlag. einander gegenüber liegende Windfänge. Über
An den erhalten gebliebenen dreischiffigen, 28 zwei einläufige Treppen kommt man in den
Meter langen Kirchenraum wird ein Anbau in Umgang des achteckigen Zuschauerraums, der
der Breite des ehemaligen Querschiffs gesetzt. in Vor- und Hochparterre geteilt ist.
Er ist 26 Meter lang und 30 Meter breit. Die Ein offener Gang umläuft den Komplex. Am
zehnstufige Altarinsel umschließt ein Stützen¬ Vorplatz bezieht er erdgeschossige Flügelbau¬
paar, das in Verlängerung der erhalten geblie¬ ten ein, mit Vorverkaufskassen und Cafe. Im
benen Stützenreihen steht und das die sicht¬ Juni 1953 wurde ein neues Raumprogramm
bare Dachkonstruktion aus blattvergoldeten festgelegt. Danach wurden Mies van der Rohe,
Stahlrohrhindern trägt. Die Stahlrohrbinder Schwarz/Riphahn/Bernard und Otto Ernst
ziehen sich auch über das alte Kirchenschiff. Schweizer aufgefordert, neue Entwürfe ein¬
Über dem Neubau ist das Satteldach dreifach zureichen. Schwarz lehnte seine weitere Betei¬
gefaltet. Hinter dem Altarberg führen Stufen ligung ab, ebenso Mies van der Rohe. Gerhard
zu der darunter liegenden Taufkapelle. Weber, der als weiterer Architekt hinzugezogen
Die tragende Konstruktion der großen hellen wurde, erhielt den Auftrag.
Halle besteht aus Betonriegelwerk an den Ge¬
Archiv: PK 58
bäudeecken und den Traufpunkten des gefalte¬
ten Daches. Drei Pfeiler sind jeweils durch
Literatur: RS. Wiederaufbau des Nationaltheaters in
schräg laufende Querriegel miteinander ver¬ Mannheim. Köln 1953. 14 S. Typoskript; Gerhard
bunden. Die Öffnungen sind nach Entwürfen Storck. Probleme des modernen Bauens und die Thea¬
von Anton Wendling verglast. Die Flächen terarchitektur des 20. Jahrhunderts in Deutschland (Dis¬
sertation). Bonn 1971. S. 276-290, 697-702.
zwischen den Betonböcken sind mit Ziegel¬
mauerwerk ausgefacht, das außen unverputzt
bleibt, innen weiß gestrichen ist. In der Achse Die Stadt schlug als Standort das Gelände zwi¬
der Altarrückwand ist eine Marienkapelle an¬ schen Goetheplatz und Ring vor, überließ es 138
gebaut. aber den Bearbeitern, einen anderen städte¬ Wettbewerb Innenraum Hohe Domkirche
baulich prominenten Platz zu finden und einen Münster/Westfalen
Archiv: PK 66
Alternativvorschlag zu machen. Auch zum I952“I953
Raumprogramm konnten andere Vorschläge Mitarbeiter: Maria Schwarz,
Literatur: RS. Die Kirche Unserer Lieben Frau. In:
Festschrift zur Einweihung der wieder aufgebauten gemacht werden. Ein aus dem Zweiten Welt¬ Karl Wimmenauer
Pfarrkirche Liebfrauen, Köln-Mülheim, am 11. Dez. krieg stammender Tiefbunker auf dem
1955. Köln 1955. S. 8-13; Ottmar Kerber. Liebfrauen Goetheplatz sollte einbezogen werden. Es lag Zum Wettbewerb für die Innenraumgestal¬
in Köln-Mülheim und St. Mechtern in Köln-Ehrenfeld.
ein Vorentwurf des Hochbauamts vor, an den tung, besonders des Chors der Hohen Dom¬
In: Das Münster 9(1956)11/12, S. 417-427; Willy Wey-
sich die Architekten zu halten hatten. Gefor¬ kirche waren sechs Teilnehmer aufgefordert.
res. Neue Kirchen im Erzbistum Köln 1945-56. Düssel¬
dorf 1957. S. 132; Richard Biedrzynski. Kirchen unserer dert wurden zwei Zuschauerräume, einer für Architektonisch sollen die von Schwarz vorge¬
Zeit. München 1958. S. 53k RS. Kirchenbau. Heidel¬ die Oper mit 1200, einer für Schauspiel mit schlagenen Maßnahmen den alten romani¬
berg i960. S. 155-163; Weiter Steinschulte. Zerstörung 600 Plätzen sowie die entsprechenden Neben¬ schen Bau wieder voll zur Geltung bringen.
der Liebfrauenkirche und Wiederaufbau. In: 100 Jahre Ausgehend vom quadratischen Hochaltar in
räume.
Pfarrkirche Liebfrauen, Köln-Mülheim, 31. Okt. 1965.
Schwarz prüft zunächst die städtebauliche Si¬ der Vierung des Ostchors gestaltet Schwarz
Köln 1965. S. 21-24; Hugo Schnell. Der Kirchenbau in
Deutschland im 20. Jahrhundert. München 1973. S. tuation und untersucht Grundstücke am Alten den Raum streng achsial. Zwischen die Vie¬
89,100; Liebfrauen 1979. Osterpfarrbrief. Köln 1979. Schloß, am früheren Rathaus und Am Rosen¬ rungspfeiler legt er die Stufen des Altarberges,
20 S.; Volker Siegburg. Kirchenräume - Kirchenträume garten auf ihre Tauglichkeit. Aus verkehrstech¬ den er auf eine weitere mehrstufige Insel stellt.
(Diplomarbeit). Bonn 1992. S. 30-34. nischen Gründen wählt er das vorgeschlagene. Am Vierungspfeiler zur Gemeinde hin ist links
Er rückt den Baukörper vom Ring ab, so daß eine Kanzel angebracht, mit hochgestellten
sich ein festlicher Vorplatz und die Abschir¬ Vierkantplatten als Brüstung und einem Adler.
mung vom Verkehr ergeben. Das große Haus Rechts steht ein Ambo. Im Chorraum ist Platz
137 hegt zum Vorplatz, das kleine zum rückwär¬ für das Domkapitel, im Scheitelpunkt des
Wettbewerb Nationaltheater tigen Park. Durch diese Anordnung wird der Chors steht, nochmals um einige Stufen er¬
Mannheim, Goetheplatz Bunker den Nutzräumen zugeschlagen. Sein höht der Bischofsthron, von einem Baldachin
1952-1953 vorderer Teil ist als Terrasse in den Vorplatz überdacht. In der mittleren Kapelle des umlau¬
Zusammen mit Josef Bernard, Wilhelm einbezogen. fenden Kranzes ist Platz für das Sakraments¬
Riphahn, Walter Unruh (Theätertechnik) Der Baukomplex ist achsial angelegt. Kern ist haus. Die Chorschranken werden entfernt,
das Bühnenhaus der Oper, dessen Turm die ebenso die Wände im Chorhaupt, so daß man
1952 schrieb die Stadt Mannheim einen be¬ übrigen Gebäude um 15 Meter überragt. Bei¬ auch vom östlichen Umgang am Gottesdienst
schränkten Wettbewerb für den Neubau des derseits der Bühne des großen Hauses schlie¬ teilnehmen kann. In der westlichen Vierung
zerstörten Theaters aus. Eingeladen waren ßen sich keilförmig Proben- und Nebenbüh¬ wird der Marienaltar auf einer einstufigen run¬
9 Architekten. Nachträglich erhielt Ludwig nen an. Außen liegen Künstlergarderoben und den Steinplatte mit sechs Werksteinsäulen auf¬
Mies van der Rohe eine Einladung. Verwaltungsräume in vier Geschossen. Die gestellt, die einen silbernen Baldachin tragen.

280
Das Westportal wird geschlossen. Schwarz hohe Backsteinmauer auf dem Grundriß einer Bottrop 1982. 64 S.; Andreas Helffich. Heiligkreuz
stellt hier, kaum erhöht, die Sänger auf. Parabel. Sie ist 40 Meter lang und 15 Meter kirehe in Bottrop (Seminararbeit). Darmstadt 198K
Schwarz und Emil Steffann erhielten je einen hoch. Zwischen die Schenkel ist als Abschluß 10 S.; Barbara Kahle. Rheinische Kirchen dc> 2c Jahr
zweiten Preis. Steffann wurde mit der Aus¬ hunderts. Köln 1985. S. 61; Barbara Kahle Deutsche
eine Glaswand gestellt, von einem kreuzweise
Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts. Darmstadt 191,'
führung beauftragt. geführtem Betongerüst gehalten. Ein weiteres S. 98; Völker Siegburg. Kirchenraume Kirchen träume
Element des einfachen, fensterlosen Baus ist (Diplomarbeit). Bonn 1992. S. 60-62; <
Archiv: PK 55
das über dem Brennpunkt der Parabel hochge¬ 11 mondo sulla soglia. In: Casabella 60(1996)640/641,

Literatur: RS. Wettbewerb ftir die Gestaltung des In¬ klappte Dach. Die entstehende Öffnung ist mit s- 34-55-
nenraums der Hohen Domkirche zu Münster. Erläute¬ Glasbausteinen ausgefüllt. Der Altar steht im
rungsbericht. Frankfurt 1953. 12 S. Typoskript. Brennpunkt der Parabel auf einer mehrstufi¬
gen Plattform. Zwei Eingänge liegen in der 140
Glaswand mit kleinen vorgebauten Windfän¬ Umgestaltung Chorraum Pfarrkirche
139 gen. Zwischen den Eingängen hängt, von V- St. Maria
Pfarrkirche Heilig Kreuz förmigen Betonstützen getragen, das Sänger¬ Oberhausen, Elsa Brandströmstraße
Bottrop, Scharnhölzstraße podest. Die außen und innen unverputzte
x953~x956
I953~I957 Backsteinmauer ist wegen Senkungsgefahr im Zusammen mit Josef Bernard
Zusammen mit Josef Bernard Bergbaugebiet in vier Meter breite Felder ge¬
Mitarbeiter: Paul Altgassen teilt, die auf zwischengelegten Pendelstützen Der Chorraum der im Zweiten Weltkrieg be¬
aus Stahlbeton gleiten. Nur die Apsis und die schädigten Kirche wurde von Schwarz/Bernard
mittleren Felder der Längswände sind in sich neu gestaltet. Die Altarinsel ist in die Vierung
steif ausgebildet. Die Außenwand wird durch gezogen, der Altar aus tlem tiefen Chor näher
die vorspringenden Pfeiler stark gegliedert. In¬ zur Gemeinde gerückt. Der Chor dient nun als
nen sind sie etwas eingezogen und strukturie¬ Taufkapelle. Im Zuge der Arbeiten wurde auch
ren die Fläche nur schwach. Die flache Decke der Dachstuhl erneuert.
ist mit Holz verkleidet. Der Fußboden ist mit
Tonplatten belegt. Die 340 Quadratmeter Archiv: PK 75

große Glasfläche der Rückwand wurde von


Georg Meistermann als farbige Sonnenspirale
entworfen. Der Tabernakel stammt von Karl 141
Schräge. Einfamilienhaus mit Arztpraxis
Eine kleine Kapelle ist rechts in der Nähe der Oberkirchen/Sauerland
Altarstelle ebenfalls in Parabelform an die Bauherr: Dr. med. Alois Sass
Kirche gebaut.
x953—x954
In Fortsetzung der auseinanderstrebenden Mitarbeiter: Karl WImmenauer
Kirchenwände wird durch halbhohe Mauern
der Kirchplatz gebildet. Der über Eck gestellte
Turm auf quadratischem Grundriß steht zur
Straße hin.
Die Tiufstelle wurde 1961/62 eingerichtet. In
den späten sechziger Jahren baute Maria
Schwarz unter Mitarbeit von Erwin Drese
Kindergarten, Pfarrhaus und Jugendheim.

Archiv: PK 76

Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Vorentwurf


ftir die Kirche Heilig Kreuz in Bottrop. Köln 1953. 3 S.
Typoskript; Erich Stephany. Sinn und Würde kirch¬
licher Geräte. In: Jahrbuch für christliche Kunst
(1957/5^) Kirchengerät, S. 4-93; RS. Die Kirche zum
Auf dem Grundstück, wo 1950 das Doppelhaus
Heiligen Kreuz in Bottrop. In: Das Münster
11(1958)5/6, S. 183-186; Walter Warnach. Das Glasfen¬ Sass/Schütte geplant war, entstand nun ein
ster der Heiligkreuzkirche in Bottrop. In: Das Münster Einfamilienhaus mit Arztpraxis.
11(1958)5/6, S. 187-188; RS. Kirche zum Heiligen Das Haus steht am Hang entlang den Höhen¬
Kreuz in Bottrop/Westfalen. In: Bauwelt 49(1958)19, S. linien in Ost-Westrichtung. Es öffnet sich nach
448-450; Anton Henze. Neue kirchliche Kunst. Reck¬
Süden zweigeschossig. Im Untergeschoß aus
linghausen 1958. S. 86,155; Alexander v. Branca. Archi-
tettura sacra nel dopoguerra in Germania. In: Fede e Bruchsteinen befindet sich die kleine Praxis
Arte 7(1959)3, S. 318-319; RS. Bottrop. St. Croix 1957. mit eigenem Eingang.
In: L’art religieux Allemand contemporain. Paris 1959. Der Wohnungseingang liegt an der Nordseite
Der Pfarrer der neu gegründeten Gemeinde S. 76-77; Venturino Alce. Architettura sacra contempo- im Erdgeschoß. In der Diele führt die ein¬
ranea in Germania. In: Chiesa e Quartiere (1960)13, S.
beauftragte Schwarz 1953 mit dem Bau seiner läufige Treppe ins Dachgeschoß, wo an den
31-51; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 235-246;
Kirche, die er sich als Verwirklichung des Ar¬ Giebelseiten Kinderzimmer liegen. Im Erd¬
Ulrich Conrads, Werner Marschall. Neue deutsche
chetyps »Heiliger Wurf« vorstellte, wie ihn Architektur 2. Stuttgart 1962. S. 202-203; G.E. Kidder geschoß sind nach Süden das große Wohn-
Schwarz im Buch »Vom Bau der Kirche« be¬ Smith. Neuer Kirchenbau in Europa. Stuttgart 1964. S. Eßzimmer, ein kleines Arbeitszimmer sowie
schrieben hatte. 172-175; Hugo Schnell. Der Kirchenbau des 20. Jahr¬ das Elternschlafzimmer untergebracht. Diele,
hunderts in Deutschland. München 1973. S. 89—90;
Das langgestreckte, schmale Grundstück liegt Küche und Bad sind nach Norden orientiert.
Karl Dohmen (LIg.). So bauten sie Kirchen. Essen 1981.
an städtebaulich unbedeutender Stelle. Schwarz Das Haus ist als Fachwerk mit einem Achsmaß
S. 151—155; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchen¬
rückt den Bau von der Straße ab, so daß ein architektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 258-261, von einem Meter konzipiert. Die Gefache sind
großer Vorplatz entsteht. Die Kirche steht als 387-390; Heilig Kreuz, Bottrop 1957-1982. 25 Jahre. mit Schwemmsteinen ausgemauert.

281
and die Westseite sind außen ver- rückwand und die Vorhalle sind aus innen und Die Kirche sollte eine 1908 gebaute, im Zwei¬
vcrschiefert. Das Satteldach ist außen unverputzten Backsteinen gemauert. ten Weltkrieg völlig zerstörte ersetzen. 1954
Schiefer, Große Terrassen liegen Der 7,2 Meter hohe Raum wird von einer erhielt Schwarz den Auftrag. Das Grundstück,
Wohnraum und dem Schlafzimmer. Stahlbetonrippendecke geschlossen. Uber die das von Norden nach Süden spitz zuläuft, liegt
Vierung ist ein dreiarmiger sichtbarer Beton¬ zwischen drei Straßen. Das Gelände fällt nach
59a unterzug gespannt. Außen ist in der Achse der Süden um 1,5 Meter ab. Es gibt mehrere unda¬
Altarrückwand auf einem Betonpfeiler ein tierte Vorentwürfe (1954). Einer ist als glatter
Metallkreuz angebracht. Der Turm entstand in Rechteckbau konzipiert, die beiden anderen
142 den sechziger Jahren. Außenkreuz, Altar, der bauen auf kreuzförmigen Grundrissen auf.
Pfarrkirche St.Franziskus Bodenbelag der Taufstelle und der Altarstelle Der ausgeführte Entwurf steht auf kreuzförmi¬
Essen-Bedingrade, Rabenhorst/Frintroper sowie der Tabernakel wurden nach Entwürfen gem Grundriß. Alle Abschlüsse der Arme sind
Straße von Maria Schwarz gearbeitet. gerundet. Das Hauptschiff ist zur Vierung hin
1954-1957 etwas eingezogen. Die von der Chorapside
Archiv: PK 77
Zusammen mit Maria Schwarz gelöste Altarinsel ragt weit in die Vierung hin¬
Mitarbeiter: Paul Altgassen, Helmut Gutmann ein. In der gegenüber liegenden Apside hinter
Literatur: Schlicht und bescheiden. In: Borbecker Nach¬
richten 7(1955)21, S. 2; Willy Weyres. Neue Kirchen im dem Laienraum ist das Sängerpodest angeord¬
Erzbistum Köln 1945-56. Düsseldorf 1957. S. 82; RS. net. Drei Eingänge liegen im Untergeschoß,
St.Franziskus in Essen. Frankfurt 1959. 2 S. Typoskript; das durch das Geländegefälle entsteht. Hier
RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 262-269; Karin
liegt eine runde Kapelle.
Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Disser¬
Zwei Treppen führen in der Rundung der hin¬
tation). Bielefeld 1981. S. 265-266, 393-396; Volker
Siegburg. Kirchenräume - Kirchenträume (Diplom¬ teren Apside in die Kirche. Vier winkelige um
arbeit). Bonn 1992. S. 49-51. die Vierung gestellte Stahlbetongerüste sind
mit Glasbausteinen ausgefacht. Diese Licht¬
flächen trennen die Arme voneinander und
143 werfen Licht auf den Altarbereich. Die fenster¬
Pfarrkirche St. Andreas losen Wände sind als innen und außen unver¬
Essen-Rüttenscheid, Paulinen-/Brigitten-/ putztes Backsteinmauerwerk errichtet. Liber
Olgastraße der Vierung liegen kreuzweise gespannte Un¬
1954-1957 terzüge in der ebenen, mit Holz verschalten
Mitarbeiter: Karl Wimmenauer Decke. Das Dach der 16 Meter hohen Kirche
ist flach. Der die Kirche nur wenig über¬
ragende Turm ist auf quadratischem Grundriß
ebenfalls in Backstein hochgezogen. Zwischen
ihm und der Kirche liegt auf dem oberen
Niveau ein weiterer Eingang. Die inzwischen
mehrfach erneuerten Glasbausteinwände wur¬
den Anfang der neunziger Jahre ersetzt durch
eine Verglasung nach Entwürfen von Jochen
Pönsgen.

Archiv: PK 80

Literatur: RS. Eriäuterungsbericht zum Entwurf der


Anfang 1954 wurde Schwarz mit dem Bau der Pfarrkirche St. Andreas zu Essen. Frankfurt 1955. 2 S.
Kirche für eine neue wachsende Gemeinde be¬ Typoskript; Willy Weyres. Neue Kirchen im Erzbistum
auftragt. Er legte zwei Vorschläge vor, einen Köln 1945-56. Düsseldorf 1957. S. 94; RS. Kirchenbau.
Heidelberg 1960.S. 254-261; Kirche St. Andreas in
als längsgerichteten glatten Rechteckbau, ei¬
Essen. In: Terra 25(1966)3, S. 24-26; Karin Becker. RS
nen auf T-förmigem Grundriß. Der Bauherr
1897-1961. Kirchenarchitektur (Dissertation). Bielefeld
entschied sich für den letzteren, dessen Grund¬ 1981. S, 261-262, 390-393; Barbara Kahle. Rheinische
riß auf fünf Quadraten aufbaut. Bis zu einer Kirchen des 20. Jahrhunderts. Köln 1985. S. 64-65, 78;
Höhe von neun Metern sind die Wände ge¬ Volker Siegburg. Kirchenräume - Kirchenträume
schlossen. Darüber sind die Joche mit Kreuz¬ (Diplomarbeit). Bonn 1992. S. 52-53; Ralph Johannes.
Architektur ist, wenn es stimmt... In: Der Architekt
rippen gewölbt. Die Bögen über den Wänden
(1996)10, S. 598; Chiara Baglione. II mondo sulla soglia.
sind verglast. Eine niedrige Vorhalle in der In: Casabella 60(1996)640/641, S. 34-55.
Achse des Langhauses hat ein Tonnengewölbe.
Aus Kostengründen wurden bei der Ausfüh¬
rung die Gewölbe und die strenge Quadratur 144
aufgegeben. Die Arme des Querschiffs sind auf Wettbewerb Innenraumgestaltung
sechs Meter verkürzt, das Langhaus auf 23 Me¬ evangelische Stadtkirche
ter. Der Altar steht vor der geschlossenen Karlsruhe, Marktplatz
Rückwand auf niedriger Insel, im rechten 1954
Querarm die schola. An der Stirnseite des Mitarbeiter: Karl Wimmenauer
Langhauses ist eine fensterlose Vorhalle an¬
gebaut. Der Eingang liegt in der Achse des Die um 1810 von Friedrich Weinbrenner er¬
Langhauses. Das Hauptschiff ist an den Längs¬ baute Kirche war 1944 von Bomben bis auf die
fronten, den anschliessenden Wänden des Außenmauern und den Turm zerstört worden.
Querschiffs und zur Vorhalle mit Lichtwänden 1954 wurde unter 16 Architekten ein Wett¬
aus Betonformsteinen geschlossen. Die Altar¬ bewerb ausgeschrieben, der zeigen sollte, ob der

282
Kirchenraum in Anlehnung an seine frühere nach Norden orientiert ist, an die hintere vor der Rückwand steht die Orgel auf zwei
form als Großkirche und für Konzerte auf¬ Grundstücksgrenze und ziehen eine Mauer um Betonböcken, in die seitlich Beichtstühle ein
gebaut werden könne. einen Innenhof. Der Eingang an der Nordseite gebaut sind. Dazwischen ist Platz für die Sän¬
Schwarz reichte mehrere Varianten ein. Bei erschließt Wohnung und Büro. Zum Innenhof ger. Die Iaufstelle ist auf einem Teppich aus
Variante A übernimmt er Teile des Weinbren- liegen das große Wohnzimmer, ein kleines Ar- verschiedenfarbigem Marmor entwickelt. Der
nerschen Baus: das lange, schmale Mittelschiff beits- und das Schlafzimmer. Nach Osten zur übrige Fußboden ist in großflächiger \uftei-
mit beiderseitigen Emporen und die Teilung Straße hin liegen Garderobe, Küche, Eßzim¬ lung aus 'Ibnplatten und Werksteinen gestaltet.
des Raumes durch Stützenreihen. Die vier Em¬ mer, Bad und ein weiteres kleines Zimmer. Die Das Stahlbetonskelett der Konstruktion ist
poren sind wie Brücken frei vor die Außen¬ Fassade zum Innenhof ist in Glas aufgelöst. sichtbar. Es ist mit innen und außen unver¬
wände gespannt. Chor, Orchester und Orgel Fenstertüren wechseln mit bis zum Boden putzten Backsteinen ausgefacht. Die Betonteile
sind auf einer weit in den Raum ragenden reichenden Glasfeldern ab. Die Fassade zur sind außen tiefblau, innen grün gestrichen.
rückwärtigen Empore angeordnet. Der Altar Straße hat in Betonvorsprüngen herausgezo¬ Große rechteckige Fenster liegen im oberen
bleibt im Chorbogen. Dahinter ist Raum für gene Fenster und Brüstungen. Das Haus ist Wandbereich über dem durchlaufenden Be¬
eine kleine Kapelle. außen in Sichtmauerwerk belassen. Das Dach tonquerriegel. Die Stirnwände haben je eines,
Variante B verzichtet auf die Stützen und seit¬ ist als flache Betonplatte ausgebildet. die Längsseiten je drei Fenster, die von (ieorg
lichen Emporen, so daß die Längswände mit Meistermann farbig gestaltet sind. F> hat auch
Archiv: PK 70
dem Rasterwerk der Fenster unverstellt blei¬ die figürlichen Darstellungen auf die großen
ben. Vier tiefe Emporen im rückwärtigen verputzten Felder in der Kirche gezeichnet.
Bereich sind über den Eingängen angebracht.
Sie erfordern weitere Treppenhäuser in den 146
Verbindungsbauten zu den anschließenden Pfarrkirche St.Christophorus mit
Wohngebäuden, die bis zur zweiten Empore Gemeindezentrum
reichen. Die Orgel hängt zu beiden Seiten des Köln-Niehl, Allensteiner-/Weidenpescher
Altars. Ein besonderer Platz für Chor und Or¬ Straße
chester ist nicht vorgesehen. Die Anordnung 1954-1959 (Kirche)
des Altars entspricht der von Entwurf A. 1960-1965 (Vorhalle, Turm, Gemeinde¬
Variante C läßt ebenfalls die Längswände frei. zentrum)
Je drei schmale Emporen werden übereinander Mitarbeiter: Paul Altgassen, Herbert Herr-
an den Kopfenden angeordnet. Der Altar steht rnann, Karl Wimmenauer
in der Querachse der Längswand. Darüber und Fertigstellung: Maria Schwarz
auf der Wand gegenüber hängt die Orgel. Ein Mitarbeiter: Erwin Drese Das Betonriegelwerk am Eingang ist mit Bron¬
zweiter Eingang mit Vorhalle führt von der zetauben von Theo Heiermann geschmückt,
Turmseite in die Kirche. Die Vorschläge wur¬ der auch den Türpfosten gestaltete.
den ausgeschieden. Vorhalle und Turnt, schon von Beginn einge¬
plant, wurden 1963 von Maria Schwarz gebaut.
Archiv: PK 108
Ebenso waren die Gebäude des Gemeindezen¬
trums mit entworfen. Die Sakristei gegenüber
Literatur: RS. Gedanken und Vorschläge zum Wieder¬
aufbau der evangelischen Stadtkirche zu Karlsruhe. der Vorhalle ist Bindeglied zu den Häusern.
Frankfurt 1954. 6 S. Typoskript. Das zweigeschossige Pfarrhaus mit Jugendheim
und Gemeindesaal liegt im Süden parallel zur
Kirche. Im Bereich des Saales gruppiert sich um
145 einen Innenhof eingeschossig der Kindergarten.
Einfamilienhaus mit Büro Auch diese Bauten wurden von Maria Schwarz
Köln-Müngersdorf, Lövenicher Weg 2 8 unter Mitarbeit von Erwin Drese gebaut.
Bauherr: Rudolf Schwarz
Archiv: PK 92
1954-1956
Zusammen mit Maria Schwarz
Literatur: RS. Pfarrkirche tiir die Fordsiedlung in Köln-
Niehl. Baubeschreibung. o.O., o.J. 2 S. Typoskript;
Das Grundstück liegt direkt am Stadtwald. Die
Nuove chiese nell’ Archidiocesi di Colonia 1950 -i960.
Architekten setzen das eingeschossige Haus Bologna i960. S. 26; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960.
mit dem Atelieranbau, der als schmaler Flügel S. 296-302; Fred van Leeuwen. Architektuur van con-
structie tot plastik. In: Tijdschrift voor Architektuur en
beeidende Künsten 27(1960)4, S. 61-68; Art sacre con-
temporain l’archidiocese de Cologne 1945-1962. Paris
1962, S. 19; St.Christophorus, Köln-Niehl. Festschrift
zur Weihe der Kirche. Köln 1963. 24 S.; Darin: RS.
St.Christophorus, Köln-Niehl, S. 9-14; St. Christo-
phorus, Köln-Niehl. Wiesbaden 1963. 20 S.; Zum ka¬
tholischen Kirchenbau unserer Zeit. In: Kunst und Kir¬
1954 erhielt Schwarz von der Muttergemeinde
che 26(1963)3, S. 109-114; Frederic Debuist. L’eglise
St. Katharina, für die er schon gebaut hatte
Saint Christophe ä Cologne-Niehl. In: Art d’eglise
(WV 106), den Auftrag für das Zentrum der 23(1964)127, S. 50-53; Frederic Debuist. Architecture
neu gegründeten Pfarrgemeinde in der Ford- moderne et celebration chrctienne. In: Art d’eglise
Siedlung. Auf den Grundmaßen 28 x 19 Meter 23(1964)128, S. 81-95; Karin Becker. RS 1897-1961.
Kirchenarchitektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S.
steht die 13 Meter hohe einfache Halle. Zwei
275-276, 419-42 1; Kirche St.Christophorus in Köln-
Pfeilerpaare unterstützen die beiden Längs¬
Niehl. In: Bauen für Köln. Gestaltungsbeispiele in Be¬
unterzüge, die die innen sichtbare Rippendecke ton. Köln 1985. S. 36; Köln. Seine Bauten 1928-1988.
tragen. Die dreistufige Insel des Altars ragt fast Köln 1991. S. 206; Neue Kirchen im Erzbistum Köln.
bis zu den ersten Stützen in den Raum. Frei Köln 1995. S. 532-533.

283
Der Pfarrer hätte den Auftrag für den Bau
sehe Untersuchung für das gerne direkt an Schwarz vergeben. Da die Re¬
> ibaugebiet westlich von Köln
uungsplan Neu Kaster
w" öm zu gierung des Saarlandes Mittel für den Bau zu¬
schoß, bestand sie auf einem Wettbewerb, der
Di
r. !i-Brauweiler, Kaster 1954 unter fünf Architekten ausgeschrieben
' her: Verein Rheinischer Braunkohle-
! frt wurde. Das etwas außerhalb der Stadt liegende
Grundstück steigt vom erschließenden Kohl¬
1954-1955 weg stark an. Schwarz schiebt die Kirche mög¬
Mitarbeiter: Kurt Faber lichst hoch in den Hang und macht sie zur
Krone der Stadtlandschaft.
Schwarz w urde um ein Gutachten gebeten, das auf einem langen, schmalen Grundstück am Die Kirche besteht in ihrer Grundform aus
untersuchen sollte, wie sich der Braunkohle¬ Aasee vorgesehen. vier Apsiden. Drei bilden im Chor eine Klee¬
abbau westlich von Köln landschaftsplanerisch Schwarz und Bernard planen eine symmetri¬ blattform. Die vierte, für die große Gemeinde
auswirken könne. Dort wurde ein Kohleauf¬ sche Anlage um zwei Innenhöfe. Zwei Ein¬ bestimmte ist entsprechend länger. Der Altar
kommen von 80 Millionen Tonnen vermutet. gangshallen erschließen den dreigeschossigen steht in der Vierung im Schnittpunkt der Ach¬
Die Stadt Köln und das Land hatten Einwen¬ Komplex. Drei große Hörsäle hängen erdge¬ sen. Die Apside hinter ihm bleibt leer. Da die
dungen gegen den Abbau gemacht. Durch das schossig an der kleineren Halle. Der Festsaal Kirche senkrecht zum Hang steht, bildet sich
Gutachten von Schwarz, ein wasser- und ein liegt im ersten und zweiten Obergeschoß zwi¬ zur Straße ein Llntergeschoß. Hier liegen auf
landwirtschaftliches Gutachten sollte bewiesen schen den Innenhöfen. In den Flügeln sind die beiden Seiten des Hauptschiffes Eingänge. In
werden, daß der Abbau sich nicht schädlich Lehr- und Seminarräume untergebracht. Ge¬ der hinteren Rundung führen Treppen in die
auswirken würde. Schwarz macht Vorschläge deckte Gänge und der zweigeschossige Bau für Kirche hinauf. Große Lichtöffnungen sind
für die Gestaltung des Gebietes nach Beendi¬ Leibesübungen umgrenzen den kleineren In¬ zwischen die Apsiden gestellt. Sie laufen zu
gung des Kohleabbaus unter Beachtung aller nenhof. Der Bau ist als Stahlbetonskelett ge¬ ebener Erde zusammen und öffnen sich zur
technischen Voraussetzungen. Ein breiter plant. Das Dach ist flach. Achtzehn .'Arbeiten flachen Decke hin. Glocken sind in vier klei¬
Landschaftsraum soll zwischen dem Kölner wurden eingereicht. Das Preisgericht empfahl, nen Glockenträgern über den Schnittpunkten
Grüngürtel und den Königsdorfer Wäldern den Entwurf von Schwarz/Bernard außer der der Konchen angebracht. Alternativ ist ein
freibleiben. Nördlich von Großkönigsdorf ward Reihe anzukaufen. Glockenstuhl aus Beton neben die Kirche ge¬
aus dem Abraum der Kohle ein Aussichtsberg stellt. Das aufgehende Mauerwerk ist durch¬
Archiv: PK 72
aufgeschüttet, der den Planungsraum be¬ gehend in Bruchsteinen konzipiert. Auf dieser
stimmt. Am östlichen oder auch am westlichen Grundform unterscheidet Schwarz zwei Va¬
Literatur: RS. Pädagogische Akademie Münster. Erläu¬
Ende des Abbaugebietes entsteht ein See mit terungsbericht. Köln (o.D.). 2 S. Typoskript. rianten. Variante A besteht aus zwei verschie¬
Schwimmbad und Wassersportmöglichkeiten. den großen, sich schneidenden Ellipsen. Die
Das gesamte Abbaugebiet wird zum mittel¬ Lichtöffnungen erweitern sich von unten nach
nahen Erholungsgebiet für Köln. Das Gebiet 149 oben in Form einer Parabel.
soll nicht parzelliert und überbaut werden. Die Wettbewerb und Ausführung Pfarrkirche Variante B besteht aus vier Kreisen, die tangen¬
Stadterweiterung Kölns soll rechtsrheinisch St.Maria Königin mit Gemeindezentrum tial nach innen eingezogen sind, so daß im Grund¬
erfolgen. Vor Beginn des Abbaus ist für das Saarbrücken, Nauhauser Kohlweg riß eine echte Kleeblattform entsteht. Die Licht-
jeweilige Gebiet ein in allen Teilen ausgearbei¬ I954_I9Öi öffnungen sind S-förmig ausgebildet.
teter Gestaltungsplan verbindlich zu vereinba¬ Mitarbeiter: Hubert Friedl, Maria Schwarz Die Gutachter schlugen vor, den Entwurf A der
ren. Ein Gestaltungsentwurf von Schwarz liegt weiteren Bearbeitung zugrunde zu legen. Mit
vor. geringfügigen Änderungen wurde die Kirche
1955 wurde er beauftragt, einen Bebauungs¬ der Empfehlung entsprechend gebaut. Die Altar¬
plan für den Raum Kaster zu erstellen. Dorthin insel ragt weit in die Vierung hinein. Der Altar
sollten die im Abbaugebiet liegenden Ortschaf¬ ist aus dem Zentrum nach hinten gerückt. Hin¬
ten Epprath, Darshoven-Tollhaus und Marken- ter der Gemeinde stehen auf einigen Podest¬
Harff sowie Königshofen umgesiedelt werden. stufen die Sänger. Zwei Eingänge liegen im un¬
teren Geschoß. Dort ist eine Kapelle angeord¬
Archiv: PK 60
net. In der Konchenrundung führt eine breite
Treppe auf ein Podest, wo sie sich teilt. Beide
Literatur: RS. Die Folgen des Braunkohleabbaus im
Raum Lövenich-Brauweiler für die landesplanerische Läufe führen in den Kirchenraum. Ein dritter
Gestaltung westlich von Köln. Köln 1955. 13 S.; Erläu¬ Eingang hegt auf der Ebene der Kirche.
terungen des Bergbauberechtigten zu dem Projekt des Die Kirche ist aus rotem Sandsteinsichtmauer¬
Braunkohleabbaues in den im Gebiet Lövenich verliehe¬
werk gebaut. Die flache Stahlbetondecke ist
nen Konzessionen. Horrem 1955. 16 S.; Kurt Faber.
mit Holz verschalt. Das Kreuz der Betonunter-
Neu-Kaster. o.O. o.D. 3 S. Typoskript.

]
148
Wettbewerb Pädagogische Akademie
Münster/Westfalen, Scharnhorststraße
1954
Zusammen mit Josef Bernard

Schwarz wurde eingeladen, sich am Wettbe¬


werb zu beteiligen, der für die Architekten der
Regierungsbezirke Münster und Arnsberg of¬
fen war. Die Akademie war für 700 Studenten

284
zvige in der Vierung bleibt sichtbar. Die para¬ Die im Zweiten Weltkrieg von Bomben völ¬ such, romanisierende Formen zu erfinden,
belförmigen Fensterflächen wurden von Wil¬ lig zerstörte Altstadt sollte im Rahmen eines jetloch abzulehnen. Die beiden zerstörten
helm Buschulte gestaltet. Der niedrige runde
Schwerpunktprogramms wiederaufgebaut wer¬ Apsiden sollen auf den alten Grundmauern
Glockenturm, ebenfalls aus Sandstein, bildet den. Die 1 lauptaufgabe lag in der städtebau¬ aufgebaut werden. Die drei schmalen Joche um
das Gelenk zwischen Sakristei und dem lang¬ lichen Gestaltung des Großen Marktes, des die Vierung werden mit Giebeldächern ge¬
gestreckten Pfarrhaus, das im Westen parallel W illibrordiplatzes und des Platzes nördlich tles deckt, die Vierungspfeiler hochgezogen. Sie
zur Kirche senkrecht zum Hang liegt und, die Doms. F.in Kaufhaus und ein Haus für kul¬ werden zu Eckpfeilern des Turms, dessen
Hanglage ausnutzend, teils ein-, teils zweige¬ turelle Zwecke waren mit einzuplanen. Ge¬ stählerne Konstruktion innen sichtbar bleibt.
schossig ist. Darin sind Wohnungen, Jugend¬ fordert wurde ein Bebauungsvorschlag mit Seine Seitenwände und die Giebel der Joche
heim, Kindergarten und Pfarrsaal unterge¬ Verkehrsftihrung und Abwicklung der Straßen¬ werden mit Glasbausteinen ausgefacht. So fällt
bracht.
fronten sowie detaillierte Planung der Wohn¬ Licht von oben auf den in der Vierung stehen¬
bebauung, des Geschäfts- und des Kulturhau¬ den Altar. Das Langhaus erhält ebenfalls eine
Archiv: PK 89
ses. Schwarz erhielt den zweiten Preis, Johan¬ sichtbare Dachkonstruktion aus zarten Stahl¬
Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Entwurf nes Krahn den ersten. rohrbindern. Das Satteldach wird bis über den
Kelch für den Neuhau einer Marienkirche in Saar¬ Stumpf des Westturms gezogen. Zwei Ein¬
brücken III. Frankfurt 1954. 5 S. Typoskript; RS. Wett¬ Archiv: PK 72a
gänge führen durch eine Vorhalle der West¬
bewerb zur Kirche St.Maria Königin, Saarbrücken. In:
Architektur-Wettbewerbe (1956)20, Kirchen und Ge¬ Literatur: Antonius Franken. Der Wettbewerb von seite. Ein dritter führt mit einer großen Treppe
meindezentren. S. 17-19; Richard Bierdzynski. Kirchen 1954. In: Wesel. Beiträge zur Stadtgeschichte. Wesel in die Nordkonche.
unserer Zeit. München 1958. S. 63-64; RS. Kirchen¬ 1985. S. 172-178. Die Entwürfe befriedigten die Gutachter nicht
bau. Heidelberg i960. S. 276-284; Ulrich Conrads, voll. Willy Wäjyres baute später die Kirche wie¬
Werner Marschall. Neue deutsche .Architektur 2. Stutt¬ der auf.
gart 1962. S. 202-203; G. E. Kidder Smith. Neuer 151
Kirchenbau in Europa. Stuttgart 1964. S. 176-177; Archiv: PK 79
Wettbewerb Stadthalle
John Jacobus. Die Architektur unserer Zeit. Stuttgart
1966. S. 139-140; Hugo Schnell. Der Kirchenbau Duisburg, König Heinrich-Platz
Literatur: RS. Vorschlag für den Wiederaufbau der
des 20. Jahrhunderts in Deutschland. München 1973. 1955—r956 Kirche Sankt Maria im Kapitol. Köln 1956. 18 S. Typo¬
S. 95-96; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchi¬ Mitarbeiter: Kurt Faber skript; Engerer Wettbewerb zum Wiederaufbau der
tektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 396-399; Bar¬
Kirche St. Maria im Kapitol in Köln. In: Architektur
bara Kahle. Deutsche Kirchenbaukunst des 20. Jahr¬ Wettbewerbe (1956)20 Kirchen und Gemeindezentren.
Zu dem öffentlich ausgeschriebenen Wettbe¬
hunderts. Darmstadt 1990. S. 102; Volker Siegburg. S. 30-39; Christoph Machat. Der Wiederaufbau der
Kirchenräume - Kirchenträume (Diplomarbeit). Bonn werb waren vier weitere Architekten zusätzlich
Kölner Kirchen. Köln 1987. S. 97-113.
1992. S. 52-54; Chiara Baglione. II mondo sulla soglia. eingeladen. Die Stadthalle sollte Festsäle, Kon¬
In: Casabella 60(1996)640/641, S. 34-55. ferenz- und Ausstellungsräume sowie Restau¬
rants enthalten. Der Entwurf von Schwarz
wurde in die engere Wahl gezogen. Pläne sind 153
150 nicht mehr vorhanden. Pfarrkirche Heilige Familie mit
Städtebaulicher Wettbewerb Altstadtbereich Gemeindezentrum
Willibrordidom Archiv: PK 65a
Oberhausen, Gustav-/Buschhauser Straße
Wesel
I955~1958
r954 Zusammen mit Josef Bernard
Mitarbeiter: Kurt Faber 152 Mitarbeiter: Paul Altgassen, I lerbert Herrmann
Gutachten Wiederaufbau Pfarrkirche
St. Maria im Kapitol
Köln, Marienplatz
195 5
Zusammen mit Rudolf Steinbach

Die Kirche gehörte vor ihrer weitgehenden


Zerstörung im Zweiten Weltkrieg zu den be¬
deutendsten Baudenkmälern Deutschlands. Ihre
Beschädigungen waren so erheblich, daß eine
Rekonstruktion nicht infrage damals kam. 1955 erhielten Schwarz/Bernard von der
Fünf Architekten wurden um Vorschläge für Muttergemeinde St. Marien, an deren Kirche
den Wiederaufbau gebeten. sie arbeiteten (WV 140), den Auftrag für ein
Schwarz und Steinbach gehen bei ihrem Vor¬ Gemeindezentrum, das schon Anfang des Jahr¬
schlag davon aus, daß für die Wiederherstel¬ hunderts geplant w'ar.
Für die Gestaltung des Wiederaufbaus der Alt¬ lung eine interpretierende Denkmalpflege an¬ Die Kirche erhebt sich auf quadratischem
stadt schrieb die Stadt einen Wettbewerb aus, zuwenden sei, die den ursprünglichen romani¬ Grundriß von fast 25 Metern Kantenlänge. Im
der für die Architekten der Region offen war schen Baugedanken mit heutigen Mitteln aus¬ Zentrum steht der Altar auf einer ebenfalls
und zu dem sieben weitere eingeladen wurden. legt. Jeder alte Stein sei zu erhalten, jeder Ver¬ quadratischen Insel. Der Raum hinter ihm

285
E OC1 Literatur: RS. Erläuterungsbericht zu dem Entwurf der
Kirche der heiligen Gertrud in Aschaffenburg-Schwein-
heim. Frankfurt 1958. 2 S. Typoskript; RS. Kirchenbau.
Heidelberg i960. S. 311-316; Katholische Kirche
St.Gertrud. Aschaffenburg i960. 36 S.; Darin: RS. Die
Kirche St.Gertrud in Aschaffenburg. S. 5-8; Darin:
Vinzenz Buhleier. Geschichte des Kirchenbaus St. Ger¬
trud. S. 9-16; Hugo Schnell. Der Kirchenbau des 20.
Jahrhunderts in Deutschland. München 1973. S.131,
200; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur
(Dissertation). Bielefeld 1981. S. 421-424.

155
Wettbewerb und Wiederaufbau Turmhelm
Pfarrkirche St. Georg
bleibt frei. Vier Pendelstützen stehen um die Bocholt, Kirchstraße
Altarinsel. Sie tragen einen Ringbalken in der 1956-1957
Decke, der von vier von den Ecken ausge¬ Zusammen mit Josef Bernard
henden Diagonalbalken durchschnitten wird.
Durch einen in der Breite der Kirche quergela¬
gerten Hof betritt man sie über eine niedrige
Kapelle. Der etwa zehn Meter hohe Bau ist bis
zu einer Höhe von 3,5 Meter geschlossen. Die
innen und außen als Sichtmauerwerk errichtete
Backsteinwand umgibt in dieser Höhe auch
den Hof. Oberhalb der geschlossenen Zone
bestehen die Kirchenwände aus quadratischen Das zwischen mehreren Straßen liegende Grund¬
Betonformsteinen mit wechselnd waagrechten stück fällt ab. Der Zugang erfolgt von der hö¬
und senkrechten Öffnungen. Wilhelm Bu¬ her gelegenen Frühlingstraße. Ein undatierter
schulte entwarf die farbige Verglasung. Vorentwurf zeigt einen langgestreckten Recht¬
Die Pfarrgebäude sind in der Verlängerung der eckbau aus Bruchstein, der senkrecht zum
Kapelle angebaut und bilden mit der Sakristei Hang liegt. Die Längsseiten haben je ein Licht¬
einen zweiten Innenhof. band im Obergaden. Aus dem flachen Dach
wölben sich in Abständen vier quergelegte
Archiv: PK 82
Tonnen. Die über dem Altarbereich liegende
ist wesentlich größer als die drei anderen.
Literatur: RS. Erläuterungsbericht für die Kirche zur
Heiligen Familie in Oberhausen. Köln 1956. 2 S. Typo¬ Beim ausgeführten Entwurf steht der langge¬
skript; Kirchweihe Heilige Familie, Oberhausen. Ober¬ streckte, innen stützenlose Bau ebenfalls senk¬
hausen 1958. 40 S.; Darin: RS. Die neue Kirche zur recht zum Hang. Er ist fast 50 Meter lang und
Heiligen Familie in Oberhausen. 2 S.; RS. Kirchenbau.
17 Meter breit. Der Altarbereich hat die Breite
Heidelberg 2960. S. 269-276; P.A.N. Sips. In memo-
der Kirche. Das achtstufige Sängerpodest ihm
riam RS. In: Tijdschrift voor Architektuur en beeidende
Künsten 28(1961)17, S. 321-330; Eberhard Kleffner, gegenüber reicht ebenfalls von Wand zu Im Zweiten Weltkrieg war der aus dem 18.
Leonhard Küppers. Neue Kirchen im Bistum Essen. Wand. Die Eingänge liegen im hinteren Be¬ Jahrhundert stammende Turmhelm der Ge¬
Essen 1966. S. 6-7; Hugo Schnell. Der Kirchenbau reich der Kirche, zwei auf der Ebene des Pode¬ orgskirche durch Bomben zerstört worden.
des 20. Jahrhunderts in Deutschland. München 1973.
stes, zwei über beidseitig angeordnete verglaste Die Pfarrgemeinde schrieb einen Wettbewerb
S. 97-98; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchi¬
Vorhallen, in denen Stufen auf das Niveau der unter den Bocholter und sechs eingeladenen
tektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 399-402; Bar¬
bara Kahle. Rheinische Kirchen des 20. Jahrhunderts. Kirche hinabführen. Durch zwei Pfeilervorla¬ Architekten aus. Paul Schmitthenner erhielt den
Köln 1985. S. 67, 82; Manfred Bourree. Oberhausen. gen sind die Längswände außen in drei gleiche ersten, Schwarz/Bernard den zweiten Preis.
Großer Kultur- und Freizeitführer Ruhrgebiet Bd. II. Teile gegliedert. Die 14 Meter hohe Kirche ist Sie setzten auf die Plattform des Stumpfes ei¬
Bochum 1988. S. 103; Barbara Kahle. Deutsche Kir¬
bis zur halben Höhe geschlossen. Darüber nen spitzen Kegel, einmal in Maßwerk aus Ba¬
chenbaukunst des 20. Jahrhunderts. Darmstadt 1990. S.
liegt ein Betonkranz, der von quadratischen saltlavasteinen, alternativ vielfach gefaltet, mit
106; Volker Siegburg. Kirchenräume - Kirchenträume
(Diplomarbeit). Bonn 1992. S. 54-55; Chiara Baglione. und hochrechteckigen Öffnungen durchbro¬ Kupfer gedeckt, so daß eine starke Schatten¬
II rnondo sulla soglia. In: Casabella 60(1996)640/641, chen ist, die Karl Knappe farbig gestaltet hat. wirkung entsteht.
S.34-55. An den Giebelseiten werden die Betonteile in Da beide Preise nicht voll befriedigten, wurden
einem breiten Mittelstreifen nach unten gezo¬ die Preisträger um neue Vorschläge gebeten.
154 gen. Das flach geneigte Satteldach mit leich¬ Während Schmitthener seinen Wettbewerbs¬
Pfarrkirche St.Gertrud mit ten, sichtbaren Bindern aus Stahlrohr ist mit entwurf nur modifiziert, legen Schwarz/ Ber¬
Gemeindezentrum Lärchenholz verkleidet. Eine Kapelle auf qua¬ nard einen neuen vor. Der 35 Meter hohe,
Aschaffenburg-Schweinheim, Frühling-/ dratischem Grundriß ist an die rechte Vorhalle vierkantige Helm ist in den Flächen mittig
Vogelsbergstraße angebaut. Sie hat ein schmales umlaufendes nach innen gefaltet. Im unteren Teil ist die
1956-1960 Fensterband im Obergaden. Der rechteckige Glockenstube eingeschoben, deren flach ge¬
Mitarbeiter: Hubert Friedl, Turm steht gesondert an der Frühlingstraße. neigte Dreiecksflächen Gauben als Schall¬
Herbert Herrmann Die noch von Schwarz geplanten Pfarrgebäude öffnungen erhalten. Als Deckung ist Kupfer
mit Kindergarten, Jugendheim, Pfarrsaal und vorgesehen. Dieser Entwurf wurde für die
Der Auftrag für die Kirche in der neu ge¬ Wohnungen wurden von einem anderen Ar¬ Ausführung gewählt und in der vorgeschla¬
gründeten Gemeinde ging auf persönlichen chitekten fertiggestellt. genen Form gebaut.
Wunsch des Würzburger Bischofs Julius Döpf¬
Archiv: PK 93 Archiv: PK 83
ner an Schwarz.

286
Literatur: RS. Ideenwettbewerb zur Erlangung von Ent¬
Entwurf »Saal« basiert auf einem gedrungenen ist als Betonbalktndecke ausgebildct. Über du
würfen für den \\ iederaufbau des Turmhelms der katho¬
Rechteckgrundriß mit einer großen Apside in Vierung kreuzen sich die Balken. Del weißt
lischen Pfarrkirche St. Georg, Bocholt. Erläuterungs¬
bericht. Köln 1956. 1 S. Typoskript; RS. Erläuterungs¬ der Altarrückwand. Ein Kranz aus Beton¬ Boden ist an der läufstelle und am Marienaltar
bericht zu dem Entwurf des neuen Turmhelms für Sankt maßwerk umzieht im Obergaden den Raum. mit grünem Marmor zu einem Teppich gestal¬
Georg in Bocholt in Westfalen. Köln 1956. 2 S. Typo¬ Nur die Apside bleibt geschlossen. Das Dach tet. Der 1972 abgetragene Turm hat nur über
skript; Franz Mühlen. Der Turm von St. Georg. In: Un¬ ist flach. die Sakristei Verbindung zur Kirche.
ser Bocholt 8(1957)3, S. 2-11; Johannes Theissing. Be¬
Beim Entwurf »Basilika« wird das langge¬
merkungen zur Turmlösung von St. Georg in Bocholt.
Archiv: PK 88
In: Unser Bocholt 8(1957)3, S. 14-34; RS. Kirchenbau. streckte Schiff von einer niedrigen breiten
Heidelberg i960. S. 285. Halle umgeben. Die Lichtzone läuft um das
Literatur: RS. Wiederaufbau der Yntoniuskirchc in IV
Hauptschiff unterhalb der flachen Decke. sen. Erläuterungsbericht. Frankfurt 1956. 9 S. Typo¬
Entwurf »T« hat einen trapezförmigen skript; RS. Kirchenbau. Heidelberg 196 S. 286 296
Grunddriß. Über ihm erhebt sich in T-Form Heinrich Kahlefeld. Die Stellung des \hars im zen¬
156 der Kirchenraum. Die niedrigen Seitenschiffe tral akzentuierten Raum. In: Christliche Kunstblätter
Erweiterung der Staatlichen Kunstakademie 99(1961)4, S. 126-130; Eberhard KlefFner, Leonhard
werden zum Altar hin breiter. Drei Reihen
Küppers. Neue Kirchen im Bistum Essen. Essen 1966.
Düsseldorf, Eiskellerstraße übereinander gesetzter Öffnungen aus Beton¬ S. 12-13; Hugo Schnell. Der Kirchenbau des 20. Jahr¬
1956-1958 maßwerk belichten Langhaus und Querschiff¬ hunderts in Deutschland. München 1973. S.i 17; Karin
Mitarbeiter: Kurt Faber arme. Die große Altarrückwand, die Stirn¬ Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Disser¬
wände des Querschiffs und die Giebelwand des tation). Bielefeld 1981. S. 285-286,402-405; Barbara
Kahle. Rheinische Kirchen des 20. Jahrhunderts. Köln
Langschiffs bleiben geschlossen.
1985. S. 76.

158
Entwurf Ausbau Scheune zur Notkirche
Frankfurt, Ziegelhüttenweg
1956

Obwohl Schwarz davor warnte, die vorhan¬


dene Scheune in eine Notkirche umzubauen,
nahm er den Planungsauftrag an. Die umge¬
baute Feldscheune sollte später als Jugendheim
An den Westgiebel des dreigeschossigen Aka- oder Kindergarten genutzt werden können.
dentiegebäudes baute Schwarz eingeschossig Das Wohnhaus neben der Scheune war zum
mehrere Meisterateliers an. Der einfache, außen Für diesen Entwurf erhielt Schwarz den Auf¬ Pfarrhaus mit Gemeinderaum umzubauen.
unverputzte Backsteinbau ist nach Norden trag. In der Ausführung ist der Grundriß qua¬ Kostenübersichten zu diesem Vorhaben sind
großflächig verglast und mit Sheddächern ge¬ dratisch mit einer Kantenlänge von 33 Metern. vorhanden.
deckt. 16 Meter hoch erhebt sich der Hauptbau mit Die in der Korrespondenz erwähnten drei
Langhaus und Querschiff. Die niedrigen Sei¬ Pläne fehlen in den Unterlagen. Der hohen
Archiv: PK 68a
tenschiffe haben die Breite des Querschiffs. Kosten wegen wurde das Projekt vom Gesamt¬
Ein Stützenpaar steht im Schnittpunkt der verband der katholischen Pfarrgemeinden
Schiffe. Bis dorthin reicht die vor der Rück¬ Frankfurt abgelehnt.
157 wand liegende Altarinsel. Am Ende des Haupt¬
Archiv: PK 71a
Wettbewerb und Ausführung Pfarrkirche schiffs stehen gegenüber dem Altar auf flachen
St. Antonius Podeststufen die Sänger. Die Konstruktion der
Essen-Frohnhausen, Berliner/Kölner Straße Kirche besteht aus quadratischem Betonraster
1956-1959 mit 1,5 Metern Kantenlänge, das mit Sicht¬ 159
Mitarbeiter: Günter Kleinjohann mauerwerk ausgefacht ist. Nur einzelne Felder Altar Katholikentag
sind verglast. Die Stirnwände sind fast ge¬ Köln-Müngersdorf, Stadionwiese
schlossen, während sich die Lichtflächen des !956
Langhauses zum Altar hin verdichten. Schüler Zusammen mit Dieter Baumewerd
von Georg Meistermann entwarfen die farbige
Verglasung. Die Seitenschiffe werden nur Für die Schlußfeier des 77. Deutschen Katholi¬
durch Laternenaufsätze belichtet. Die Decke kentages in Köln gestaltete Schwarz die Sta¬
dionwiese.
Zunächst zog er sternförmig Lagergassen über
die Wiese auf die Rampen des mehrere Meter
hohen dreieckigen Podiums zu, auf dem der
Gottesdienst zelebriert wurde. Während der
Feier wurden die Gassen von den Fahnen der
Standesverbände gesäumt. Die Wände des Po¬
diums bemalte Theo Heiermann mit Läm¬
mern. Um den auf dem Podium nochmal um
Die um 1880 erbaute Kirche war im Zweiten neun Stufen erhöhten Altar stellte Schwarz
Weltkrieg bis auf den Turm zerstört worden. drei 40 Meter hohe Baukräne. Im Berührungs¬
1956 wurde für den Neubau unter drei Ar¬ punkt ihrer Schwenkarme über dem Altar
chitekten ein Wettbewerb ausgeschrieben. hängte er an Stahlseilen eine riesige goldene

Schwarz reichte drei Entwürfe ein. Krone aus vielfach gegeneinander geknickten

287
Als Fernziel legen die Verfasser die Verkehrs¬ nem langgezogenen Rechteck. Der andere
führung einer Unterpflasterbahn vor. Der vom baut auf ovalem Grundriß auf. Der Bauherr
Durchgangsverkehr freie Bereich um den Dom entschied sich für letzteren. In der vorderen
ist so geplant, daß der Geländesprung zwi¬ Rundung der 48 Meter langen, 16 Meter brei¬
schen Dom und Wallrafplatz verfiillt wird und ten Ellipse steht der Altar, in der gegenüber¬
der Dom mit der Altstadt auf einer Ebene liegenden der Taufstein. Nahe dem Altar
steht. Differenzstufen werden an den Plätzen wächst links eine ovale Nebenapsis für die Sän¬
zwischen Dom und Domkloster sowie zwi¬ ger heraus. Eine schlanke Stütze steht zwi¬
schen dem neu geschaffenen Platz am Südpor¬ schen ihr und dem Hauptschiff. Die Konstruk¬
tal und der Straße Am Hof gelegt. Brücken tion der Kirche besteht aus einem sichtbaren
und Treppen führen vom Hochweg um den Betonrasterwerk. Die senkrechten Stützen im
Chor zum Omnibusbahnhof, zu den Straßen¬ Abstand von 5 Metern springen außen vor,
bahnhaltestellen und zum Hauptbahnhof. die waagrechten Riegel liegen bündig in der
Städtebaulich wird der Platz vor dem Westpor¬ Wand. Ein doppelter Fensterkranz aus schma¬
tal nach Norden zur Trankgasse durch schmale len Hochrechtecken läuft unterhalb der flachen
Häuserzeilen abgeschlossen. Der große Süd¬ Decke um die Kirche. Zum Altar hin sinken
platz wird nach Osten zur Bechergasse durch die Lichtflächen in Stufen herab, um dahinter
den Aluseumsbau begrenzt und durch die Dom¬ wieder aufzusteigen. Die Lichtfelder sind mit
Rohrringen mit nach außen weisenden Dor¬ pfarrei vom Westplatz getrennt. Die Park¬ Glasbausteinen geschlossen. Die Rippen der
nen. Diese Krone wurde ebenfalls von Heier¬ plätze werden nach Osten und nach Westen sichtbaren Stahlbetondecke stehen weiß vor
mann gestaltet. durch langgestreckte Häuserzeilen abgeschlos¬ dem Blau der Decke. Fußhoden und Geräte
sen. Östlich des Doms entsteht der Dommarkt. sind aus Granit. Die Wände sind innen unver¬
Literatur: RS. Kirchenbau. Heidelberg 1960. S. 247-
Er ist das fehlende Bindeglied zwischen der putzt, außen verputzt und hell gestrichen.
253; Manfred Sundermann, Claudia Lang, Maria
Platzkette Heumarkt-Alter Markt und Bahn¬ Nahe der Taufstelle schließen sich die niedrige
Schwarz (Hg.). RS. Bonn 1981. S. 87; RS-Gedächtnis-
ausstellung. Heidelberg 1963. S. 56-57. hofsplatz. Die Schneise zur Brückenrampe Beichtkapelle und die Sakristei an. Eine Bruch¬
wird zum Rhein hin geschlossen. Die Uferbe¬ steinwand trennt diese Räume von der zum
bauung ist bis zur Brücke fortgesetzt. Kirchplatz hin verglasten Vorhalle mit dem
160 122 Arbeiten gingen bei dem Wettbewerb ein. Eingang. Die ebenfalls aus Bruchstein gemau¬
Städtebaulicher Ideenwettbewerb Schwarz, Band und Weiler erhielten für ihre erte ovale Werktagskapelle ragt aus der Glas¬
Domumgebung Arbeit den zweiten Preis. wand. Die farbige Verglasung der Werktags¬
Köln kapelle entwarf Georg Meistermann, die der
Archiv: PK 73
1956-1957 Beichtkapelle Rudolf Kolbitsch. Das langge¬
Zusammen mit Karl Band, Eugen Weiler streckte Pfarrhaus mit Gemeindezentrum bil¬
Literatur: Wettbewerb Domumgebung. Erläuterungs¬
bericht zu dem Entwurf. Köln 1956. 10 S. Typoskript; det die südliche Abgrenzung des Kirchplatzes.
Der Ideenwettbewerb Domumgebung Köln. In: Bauamt Eine offene Durchfahrt verbindet es mit dem
und Gemeindebau 30(1957)6, S. 157-171; Hans P. niedrigen Kirchenanbau. Der hohe Turm aus
Koellmann. Ideenwettbewerb Domumgebung Köln. In:
offenem Betonmaßwerk steht frei an der Straße
Baukunst und Werkform 10(1957)5, S. 270-282.
in der Verlängerung des Pfarrhauses.

Archiv: PK 100

161 Literatur: RS. Die Pfarrkirche St.Theresia zu Linz. In:


Pfarrkirche St.Theresia mit Christliche Kunstblätter (1960)1, S. 14-18; RS. Kir¬
Gemeindezentrum (Abb. Seite 289) chenbau. Heidelberg i960. S. 318-323; Pfarrkirche
Linz-Keferfeld, Losensteiner Straße St.Theresia, Linz an der Donau. In: Der Aufbau
(1961)6, S. 245; St.Theresia feiert Kirchweihe. Linz
1956-1963
1962. 26 S.; Darin: RS. Gedanken zur Planung. S.
Zusammen mit Maria Schwarz
13-19; Erich Widder. Zeichen des Heils. Linz 1963. S.
Fertigstellung: Maria Schwarz 23-24, 47-49,61-62; Erich Widder. Die Theresienkir-
Mitarbeiter: Hilde Strohl che zu Linz - ein Dokument. In: Oberösterreich in der
Die Wettbewerbsaufgabe, den Dombereich Gegenwart (1964)3/4, S. 14-22; Linz, St.Theresia. Linz

zur Dominante der Hochstadt zu machen, war 1964. 23 S.; Das Erbe von RS. In: Das Münster
20(1967)1, S. 21-30; Karin Becker. RS 1897-1961.
verkehrstechnisch und städtebaulich zu lösen.
Kirchenarchitektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S.
Unter der Voraussetzung, daß kein Durch¬ 409-413; Volker Siegburg. Kirchenräume - Kirchen¬
gangsverkehr stattfindet, bündeln Schwarz/ träume (Diplomarbeit). Bonn 1992. S. 58-60.
Band/Weiler den Verkehr des Planungsraums
nördlich unterhalb des Domhügels in der
Trankgasse, südlich in der Straße Am Hof. Ein 162
Kreisel in der Bechergasse ordnet die Ver¬ Pfarrkirche Christ König
kehrsströme und ihre Zuflüsse ohne Kreuzung Weinbach-Gräveneck
bis in die Johannisstraße jenseits der Bahnun¬ 1956-1966
terführung. Die Straßenbahnhaltestellen nörd¬ Zusammen mit Maria Schwarz
lich und östlich des Domhügels sind von dort Mitarbeiter: Hubert Friedl
über Brücken und Treppen zu erreichen. Park¬ Fertigstellung: Alaria Schwarz, Hubert Friedl
plätze werden in mehreren Ebenen östlich der Die 1930 in der Vorortsiedlung gebaute Kirche
Bechergasse angelegt. Eine Rheinbrücke soll war im Zweiten Weltkrieg durch Bomben zer¬ Für das Gemeindezentrum einer neuen Seel¬
allenfalls Fußgänger, Radfahrer und die Stra¬ stört worden. Schwarz wurde mit dem Neubau sorgestelle erhielt Schwarz den Auftrag. Im er¬
ßenbahn aufnehmen. Die Anlage einer Stra¬ auf einem anderen Grundstück beauftragt. Er sten Bauabschnitt wurden Pfarrhaus und Pfarr¬
ßenbrücke im Norden der Stadt sei zu prüfen. machte zwei Vorschläge. Einer basiert auf ei¬ saal gebaut, wobei die kleine Kirche schon

288
289
den entfernt werden. Sie war auch für die stark Kranz von quadratischen Fenstern. Ms weitere
wachsende (iemeinde zu klein geworden. Die Lichtquelle hat jedes Seitenschiff einen Later¬
neue Kirche war für zweitausend Gläubige zu nenaufsatz. Die flache Decke des Hauptschif¬
planen. Das Baugrundstück liegt inmitten fes ist mit Holz verkleidet. Nur die quer über
fünfgeschossiger Miethäuser an einer Straßen¬ den Raum gelegten Betonunterzüge sind sicht¬
ecke. bar. Die Betonbalkendecken der Seitenschiffe
Schwarz reicht zwei Vorschläge ein. Bei Ent¬ sind unverkleidet. Für die Fenstergestaltung
wurf A legt er den 50 Meter langen schmalen wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, den
Rechteckbau mit niedrigen breiten Seiten¬ Giselbert Hoke gewann, der die Arbeit auch
schiffen entlang der Laurenzgasse und rückt ausführte. Die Nebenbauten, zu denen das
ihn von der Wiedner Hauptstraße so weit ab, fünfgeschossige Wohnhaus in der Wiedner
daß ein Vorplatz entsteht. In die Seitenschiffe Hauptstraße gehört, wurden anschließend er¬
sind je zwei Innenhöfe eingefügt. Dadurch richtet.
mitentworfen wurde. Das Pfarrhaus liegt in werden einzelne, zum Hochschiff offene Ka¬
Archiv: PK 99
Nord-Südrichtung am nach Süden fallenden pellenräume gebildet.
1 lang. Int Untergeschoß ist die Wohnung, im Die quadratische Altarinsel hat fast die Breite
Literatur: RS. Erläuterungsbericht. Frankfurt 1957. 5 S.
oberen sind Pfarrsaal und Jugendraum ange¬ des Hauptschiffs. Eingänge liegen nur in den Typoskript; Franz Jachym. Der internationale Wiener
ordnet. Das mit flachem Dach abschließende Seitenschiffen. Die Kirche ist ganz aus Beton¬ Kirchenbauwettbewerb. In: Das Münster 10(1957)7/8,
Gebäude ist aus Granitbruchsteinen gebaut. maßwerk mit diagonalen und senkrechten S. 280-288; RS. Baubeschreibung zu dem Baugesuch
»Neubau St. Florian« in Wien V, Frankfurt 1958. 3 S.
Die Kirche schließt leicht abgeknickt in Ost- Schlitzen geplant. Das Maßwerk um die In¬
Typoskript; RS. Kirchenbau. Fleidelberg i960. S.
West-Richtung an das Pfarrhaus an. Die Stirn¬ nenhöfe läßt diese wie Lichtinseln wirken. Die
304-306; RS. St.Florian in Wien. In: Christliche Kunst¬
wände des einschiffigen Baus sind leicht gerun¬ Wand hinter dem Altarbereich ist geschlossen. blätter 101(1961)1, S. 5-6; RS. Pfarrkirche St. Florian,
det, die Längswände leicht geknickt. Eine In den Vorplatz stellt Schwarz frei den hohen Wien V. In: Der Aufbau 16(1961)6, S. 244; Herbert
kleine parabelförmige Apsis wölbt sich, etwas Turm. Er schlägt vor, auch den Turm der Muck. Kirche St.Florian in Wien, ln: Der große Ent¬
schluß i9(i9Ö4)Febr., S. 217-2 21; St. Florian in Wien.
aus der Längsachse gerückt, aus der Rück¬ Barockkirche stehen zu lassen und dort eine
In: Bauwelt 55(1964)50, S. 1400; Das Erbe von RS. ln:
wand. Die Südwand des einfachen Baus besteht Kapelle einzubauen.
Das Münster 20(1967)1, S. 21-30; Karin Becker. RS
aus zwei Reihen übereinander gesetzter ge¬ Entwurf B gestaltet Schwarz ebenfalls als 1897-1961. Kirchenarchitektur (Dissertation). Bielefeld
mauerter Bögen, deren Zwischenflächen hell längsgerichtetes Rechteck, jedoch ohne die 1981. S. 413-419; Maria Schwarz. RS. Kirchenbau der
verglast sind. An dieser Front führt eine niedrigen Seitenschiffe. Zur Wiedner Haupt¬ fünfziger Jahre. In: Schwarz auf weiß (1995)5, S. 36-40.
Außentreppe durch den Glockenstuhl, der das straße liegt eine offene Vorhalle.
Gelenk zum Pfarrhaus bildet. Die Wirkung
des mit flacher Betonrippendecke geschlosse¬ 164
nen Baus beruht auf seinem Material. Es ist Entwurf Umbau Pfarrkirche Liebfrauen
innen und außen sichtbarer Bruchstein aus Hamm
Granit. 195 7
Mitarbeiter: Kurt Faber
Archiv: PK 68

Ein Bunker in den Maßen 38,8 x 21,5 Meter


Literatur: Das Erbe von RS. In: Das Münster 20(1967)1,
S. 21-36; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchi¬ sollte zu einer Kirche umgebaut werden. Der
tektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 406-407. Raum ist in der Längsrichtung durch eine ein
Meter dicke Betonwand in der Mitte geteilt.
Die Gegebenheit der vorhandenen Wand auf¬
163 nehmend, entwickelt Schwarz einen T-förmi¬
Wettbewerb und Ausführung Pfarrkirche Ein erster Preis wurde nicht vergeben. gen Kirchengrundriß, wobei die Querarme fast
St.Florian mit Gemeindezentrum Schwarz erhielt den zweiten Preis. Die Ver¬ die doppelte Länge des Hauptschiffs haben.
(Abb. Seite 293) handlungen über den Auftrag zogen sich über Der Mtar steht auf einer acht Meter in den
Wien V, Wiedner Hauptstraße/Laurenzgasse längere Zeit hin, während der Schwarz meh¬ Raum ragenden Insel vor der Längswand. In
1956-1963 rere Alternativvorschläge machte. Der ausge¬ die verbleibenden Räume beiderseits des kur¬
Mitarbeiter: Hubert Friedl führte Bau ähnelt wieder dem Wettbewerbs¬ zen Hauptschiffs legt Schwarz links die ver¬
Fertigstellung: Maria Schwarz, Hubert Friedl entwurf. Der Hauptbau mißt 42 x 13 Meter. tiefte Taufstelle, rechts die Sakristei. Das Ge¬
Die niedrigen Seitenschiffe sind 9 Meter breit. bäude wird mit fünf halbkreisförmigen Tonnen
Die Innenhöfe entfallen. Der Altarbereich überwölbt, die in Querrichtung liegen. Die
zieht sich über Haupt- und Seitenschiffe. Vor mittlere über Vierung und Hauptschiff läuft
der gegenüberliegenden Stirnwand ist frei in durch. Die vier restlichen decken die Quer¬
den Raum die Sänger- und Orchesterempore arme, während die Nebenräume flach gedeckt
gestellt. Die Längswände der Kirche bestehen sind. Die Stirnflächen der Tonnen sind ver¬
aus einem Betonriegelwerk mit senkrechten glast. Der Entwurf wurde nicht ausgeführt.
und diagonalen Rippen, zwischen denen durch
Archiv: PK 81 b
Stege geteilte Fensterbänder liegen. Die Al¬
tarrückwand ist mit einer nach oben schmaler
werdenden Mittelstütze und ebenfalls schräg
verlaufenden Rippen wie ein Lebensbaum ge¬
staltet. In der Eingangsfront zur Wiedner
Zehn Architekten wurden zum Wettbewerb Hauptstraße zeichnet sich ein großes Kreuz ab
für den Neubau der Kirche eingeladen. Die mit je zwei Reihen quadratischer Fenster und
kleine Barockkirche in der vielbefahrenen einer runden Öffnung in der Mitte. Um die
Straße mußte aus verkehrstechnischen Grün¬ Seitenschiffe läuft unterhalb der Decke ein

290
165 167
Entwurf Umgestaltung Chorraum Wettbewerb Pfarrkirche St.Josef mit
Pfarrkirche Liebfrauen Gemeindezentrum
Leipzig-Lindenau, Karl Heine-Straße Merzig/Saar
1957 195 7
Mitarbeiter: Karl Wimmenauer Mitarbeiter: Karl Wimmenauer

Obwohl die Möglichkeiten, in der damaligen


DDR zu bauen, äußerst schwierig waren,
machte Schwarz Vorschläge für die Umgestal¬
tung des Chorraums der Kirche, für die er
schon in den dreißiger Jahren gearbeitet hatte
(WV 29). Die Umgestaltung des Altarbereichs
liegt in mehreren Fasungen vor. steht in der Vierung der Altar. Über der Vie¬
rung erhebt sich 6 Meter über den 15 Meter
Archiv: PK 8i-a
hohen Kirchenraum ein Vierungsturm. Der
c Eingang führt durch eine an der linken Seite
stehende Vorhalle auf quadratischem Grundriß
166 Ende 1956 wurde Schwarz mit zwei anderen im hinteren Bereich der Kirche. Die Kirche ist
Wettbewerb Rathaus Architekten zu einem Wettbewerb für das Ge¬ außen und innen hell verputzt. Den Raum
Marl, Bergstraße/Am Amtsgericht/Eduard meindezentrum eingeladen. Er reichte zwei umzieht ein Band aus Betonmaßwerk, das in
Weitsch-Weg Fassungen ein. hellen Farben verglast wird. Das Dach ist als
195 7 Bei Entwurf A hat der Rechteckraum die Maße innen sichtbare Kassettendecke in Beton aus¬
Mitarbeiter: Kurt Faber 38x26 Meter. Die Altarinsel vor der geschlos¬ gebildet. An den rechten Querarm schließen
senen Rückwand ragt weit in den Raum. Ihr sich Sakristei und Kindergarten an, im rechten
gegenüber steht auf vier Stahlstützen die Em¬ Winkel das Gemeindezentrum. Das Pfarrhaus
pore. Neben dem Eingang ist eine Kapelle mit steht gesondert an der Straße. Der Turm mit
gerundeter Apsis geplant. Die Konstruktion dem Maßwerk des Lichtbandes steht als Cam¬
des Satteldaches ist innen sichtbar. Sie wird im panile im Hof des Gemeindezentrums. Die Ar¬
Bereich des Altars von zwei Stützen getragen. beit wurde nicht ausgezeichnet. Der Preis ging
Die strukturierten Wände sind aus Bruchstei¬ an Martin Braunstorfinger.
nen der Gegend gemauert. Zwischen den eng
Archiv: PK 84
beieinander stehenden Pfeilervorlagen sind um¬
laufend vier Reihen runder Fenster angeord¬
Literatur: RS. Neubau Pfarrkirche St. Mauritius in
net. Das langgestreckte Gemeindezentrum mit Wiesbaden. Frankfurt 1957. 3 S. Typoskript; Karin
Saal, Kindergarten und Wohnungen ist durch Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Disser¬
Die schnell wachsende Stadt schrieb unter die Sakristei mit der Kirche verbunden. tation). Bielefeld 1981. S. 285,424-425.
zwölf Architekten einen Wettbewerb für den Entwurf B baut auf einem rechteckigen
Neubau des Rathauses aus. Grundriß auf, aus dem sich in T-Form der
Schwarz ordnet nach mehreren anderen Ent¬ Hauptbau mit Lang- und Querschiff und nied¬ 169
wurfsskizzen die Anlage in zwei parallelen, un¬ rigen Seitenschiffen erhebt. Ein Pfeilerpaar Pfarrkirche St. Pius mit Gemeindezentrum
terschiedlich langen Bürotrakten um mehrere markiert die Vierung. Dazwischen ist die Al¬ Wuppertal-Barinen, Liebigstraße
Höfe an. Der Teil, der die Räume des Rats ent¬ tarinsel gelegt. Auch diese Kirche ist aus 1957-1963
hält, bildet als achtgeschossiges Gebäude den Bruchsteinen gemauert. Die Seitenwände des Mitarbeiter: Kurt Faber
Kern der Anlage. Der Haupteingang führt von Langschiffs sind in Betonmaßwerk aufgelöst. Fertigstellung: Kurt Faber, Maria Schwarz
der Bergstraße durch einen Bürotrakt über Die Pfarrgebäude umschließen mit der Sakri¬
eine eingeschossige Verbindungshalle durch stei einen Innenhof. Bei beiden Entwürfen
das Hohe Haus und erschließt den zweiten steht der runde Bruchsteinturm neben der
Bürotrakt. Die zweihüftigen Gebäude sind un¬ Kirche.
terschiedlich hoch. Ein Bereich legt sich um Keiner der beiden Entwürfe führte zum Auf¬
einen Innenhof. Die Polizei ist in einem geson¬ trag. Hermann Baur baute die Kirche.
derten Bau, ebenfalls mit Hof untergebracht.
Archiv: PK 81
Uber die Konstruktion wird keine Aussage ge¬
macht. Die Arbeit wurde nicht ausgezeichnet.
Den Auftrag erhielten J. H. van den Broek und
J. B. Bakema. 168
Wettbewerb Pfarrkirche St. Mauritius mit
Archiv: PK 85 Pfarrzentrum
Wiesbaden, Schumannstraße
Literatur: RS. Wettbewerb Rathaus Marl. Erläuterungs¬
bericht. Frankfurt 1957. 3 S. Typoskript; Architektur¬ I957-I958
wettbewerbe (1958) Sonderheft Rathaus Marl. 64 S.; Mitarbeiter: Karl Wimmenauer
Darin: RS. Rathauszentrum Marl. S. 58-61; Werner Der einfache Rechteckbau der Kirche liegt an
Hebebrand. Um die Marler Stadtkrone. In: Bauwelt Fünf Architekten waren aufgefordert, sich am einem Hang oberhalb der Straße. Der Grund¬
48(1958)4, S. 315-327.
Wettbewerb für das neue Gemeindezentrum riß setzt sich aus zwei Quadraten zusammen,
zu beteiligen. Schwarz entwirft die Kirche auf die sich im Dach abzeichnen. Die stützenlose
T-förmigem Grundriß mit quadratischen Quer¬ Halle mißt 32 x 16 Meter. Der Chorraum
schiffarmen. Vor der geschlossenen Rückwand nimmt ein Viertel des Raumes ein. Er spannt

291
., u Wand. Ihm gegenüber ist Lichtband gelegt wird. Die Pfarrbauten sind In einer Variante entwirft Schwarz die Kirche
:i11• et eingezogen, die von der Sän- nur andeutungsweise geplant. Zum Bauauftrag als einfachen hohen Rechteckbau, um den er
: 1 > gedeckt w ird. Ein schmaler Fen- kam es nicht. einen Lichtkranz aus Betonmaßwerk zieht. Die
um/.ieht den Raum unterhalb der auch hier tiefer gelegte Gedächtnisstätte ist
Archiv: PK 112
uktion. Das flache Satteldach wird Teil des Raumes. Beiderseits des Altars führen
■vci Quersätteln durchschnitten, so daß Literatur: RS. Entwurf einer katholischen Kirche für
Treppen in den Kirchenraum, wo der Altar auf
hs Giebelfelder entstehen, die ebenfalls ver- Bad Orb. Erläuterungsbericht. Frankfurt i960. 2 S. der zur Gedächtnisstätte liegenden Seite steht.
l i.ist sind. Das Stahlbetongerüst der Konstruk¬ Typoskript; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchen¬ Der Schwarzsche Entwurf kam nicht zur Aus¬
tion zeichnet sich nach außen durch Pfeiler- architektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 430-431. führung. Die Kirche wurde in den sechziger
vorlagen ab. Die gemauerten Ausfachungen Jahren von Hans Schädel gebaut.
sind innen verputzt und weiß gestrichen, außen
Archiv: PK 85
unverputzt. Zwischen der Kirche und dem 172
langgestreckten Bau des Gemeindezentrums Wettbewerb Kirche Regina Martyrum mit
Literatur: RS. Regina Martyrum. Erläuterungsbericht.
liegt, beidseitig verglast, eine Kapelle. Gedenkstätte Köln 1958. 8 S. Typoskript; Beschränkter Wettbewerb
Berlin-Charlottenburg, Am Heckerdamm für die Naziopfer-Gedächtniskirche »Regina Mar¬
Archiv: PK 91 tyrum« in Berlin 1958. In: Architektur-Wettbewerbe
1958
(1959)27 Kirchen von heute. S. 73-75; RS. Kirchenbau.
Mitarbeiter: Studenten der Staatlichen
Literatur: RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. Heidelberg i960. S. 327-333; Karin Becker. RS
316-317; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchi¬ Kunstakademie Düsseldorf
1897-1961. Kirchenarchitektur (Dissertation). Bielefeld
tektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 286-287, 429-430. 1981. S. 431-433.

170 173
Entwurf Umbau Kirche und Neubau Vetus Entwurf Kirche St. Theresia
Latina Anotto Bay, Jamaica
Beuron 1958-1950
1958-1961 Mitarbeiter: Joe Amestoy
Zusammen mit Maria Schwarz
Mitarbeiter: Hubert Friedl, Karl-Heinz Hauch Es ist nicht mehr festzustellen, wie es zu der
Verbindung zum Bischof von Jamaica kam,
Für den Umbau und die Erweiterung der Kir¬ der Schwarz um einen Kirchenentwurf bat.
che der Erzabtei machte Schwarz einige Vor¬ Schwarz entwickelte zwei Varianten.
schläge. Infolge eines Brandes im Kloster Für die Errichtung einer Kirche in Berlin- In Variante A hat die Kirche einen quergela¬
wurde die Arbeit am Umbau der Kirche nicht Plötzensee als Gedenkstätte für die deutschen gerten Rechteckgrundriß, der von Stahlstützen
fortgesetzt. 1959 erhielt er den Auftrag für den katholischen Blutzeugen der Glaubens- und in sechs Quadrate von 9x9 Metern eingeteilt
Generalbebauungsplan des Klosters nach dem Gewissensfreiheit in den Jahren 1933-1945 wird. Bruchsteinwände umziehen in einigem
Brand und den Auftrag für den Neubau des wurde unter vier Architekten ein Wettbewerb Abstand die Stützen. Das mittlere Feld bildet
theologischen Forschungsinstituts Vetus La¬ ausgeschrieben. Das Gelände liegt in der Nähe die Altarinsel. Ihr gegenüber liegt der Eingang,
tina. Der lange zweigeschossige Bau schließt der ehemaligen Hinrichtungsstätte Plötzensee. dessen Dach bis zum Mittelpunkt eines kreis¬
an die Klausur an. Uber die zweigeschossige Die Kirche sollte zugleich Pfarrkirche eines runden ummauerten Hofs mit der Taufstelle
Halle mit einer einläufigen Treppe gegenüber neuen Wohngebiets werden. Pfarrgebäude und führt. Das flache Satteldach ist über der Altar¬
dem Eingang gelangt man in das Institut im Kindergarten waren einzuplanen. insel in die Gegenrichtung aufgeklappt. Die
oberen Geschoß. Zum Klostergarten hin ist Schwarz legt den Zugang zum Grundstück in Öffnungen sind mit Betonmaßwerk gefüllt, das
ein Bibliotheksflur mit großen Büchernischen die rechte vordere Ecke, die Kirche in die linke aus klimatischen Gründen unverglast bleibt.
angeordnet, von dem aus die Arbeitszimmer zu hintere. Der Weg führt über einen um zwei Variante B hat einen quadratischen Grundriß.
erreichen sind. Im Erdgeschoß liegen Sprech¬ Meter tiefer gelegten Platz, in den sich dia¬ Der Raum wird durch drei Stützenpaare ge¬
zimmer für Besucher des Klosters. Ein erd¬ gonal die Kirche als vierfacher Stufenberg gliedert. Die Altarinsel zieht sich bis zur
geschossiger Kreuzgang läuft an der Wand schiebt. In der untersten niedrigen Stufe liegt Raummitte um zwei Stützenpaare. Zwei Ein¬
zum Garten entlang. die Gedächtnisstätte. Sie kann für große Feiern gänge liegen in der Rückwand. Die Wände
an drei Seiten zum Platz hin geöffnet werden. werden von einem Betonrahmenwerk mit
Archiv: PK 87
Hinter dem freistehenden Altar führt eine Querriegeln gebildet, das teils mit offenem
Treppe, die die gesamte Gebäudebreite ein¬ Maßwerk, teils mit Mauerwerk gefüllt ist.
nimmt, in den um 2,5 Meter höher liegenden Schmale Felder unterhalb des überstehenden
171 Kirchenraum hinauf. In drei Abstufungen Flachdachs sind verglast.
Entwurf Pfarrkirche St. Michael steigt dieser bis zu einer Höhe von 25 Metern
Bad Orb an. Zwei Stufen werden durch Lichtwände Archiv: PK 91a

1958-1960 zum Platz hin erhellt, die oberste ist rundum


Literatur: Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchi-
Mitarbeiter: Günter Kleinjohann, verglast. Der Bau ist als glatter stützenloser
tektnr (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 427-429.
Maria Schwarz Raum, innen und außen verputzt, geplant.
Der Aushub des Platzes ist seitlich zu einem
Am Rande der Kurstadt sollte auf einem Kalvarienberg aufgeschüttet, auf dem drei Be¬
Hanggrundstück eine zweite Pfarrkirche ge¬ tonkreuze stehen. Sakristei und Pfarrgebäude
baut werden. Hierzu liegen mehrere Entwürfe liegen westlich der Kirche. Ein ummauerter
in Skizzenform vor. Der letzte, ausgearbeitete Garten bildet den Übergang zum Pfarrhaus,
ist eine verkleinerte Fassung der Kirche Maria das das Grundstück abschließt. In der nordöst¬
Königin, Saarbrücken (WV 148), mit dem Un¬ lichen Grundstücksecke sind erdgeschosig
terschied, daß zwischen aufgehendem Mauer¬ Pfarrsaal, Jugendheim und Kindergarten ge¬
werk und Dach ein schmales umlaufendes plant. Pfarrkirche St. Florian, Wien (WV 163)

292
293
Die Kirche hat eine offene Vorhalle, die den Raum in Längsrichtung. Sie w erden von einem
he S;. Pius mit Gemeindezentrum Kirehplatz umschließt. Ein breites, zweimal mittig in Querrichtung laufenden Rahmen ge¬
. iscGumbertseestraße flach gefaltetes Dach steht auf Betonstützen kreuzt. Ihre Enterkanten begrenzen in acht
parallel zur Giebelwand. Darunter schieben Metern Höhe die beiden niedrigen »Seiten¬
c iten 1 lerbert Hemmann, Hilde Strobl sich auf beiden Seiten die Dächer schmaler schiffe«. In zwölf Meter Höhe sind in T-Form
'.rung Maria Schwarz, Hilde Strohl Gänge, die hinunter in die Kirche führen, die Langhaus und Querschift in der Decke ables¬
etwas unterhalb des Straßenniveaus liegt. Der bar. Die höchste Stufung mit 16 .Meter Hohe
auf quadratischem Grundriß stehende Turm hat der .Altarbereich. Die .Altarinsel zieht sich
wurde 196s von Werner Strohl gebaut. Er ist mit w enigen Stufen w eit in den Raum. Die an
als offenes Betonmaßwerk gestaltet. Der Kin¬ der Westwand frei stehende Sängerempore
dergarten erhielt später eine nicht zu dem En¬ entspricht nicht der Schwarzschen Planung.
semble passende »Dachlandschaft«. Sie w ar eine Forderung des Bauherrn. Schw arz
wollte die Sänger als Teil der Gemeinde auf ein
Archiv: PK 101
niedriges Podest stellen. Drei Eingänge liegen
an der Stirnseite, der mittlere ist für feierliche
Literatur; RS. Erläuterungsbericht. Frankfurt i960. 2 S.
Typoskript: St. Pius, Hausen. Offenbach 1962. 2- S.; Prozessionen. Die beiden seitlichen haben
Darin: Maria Schwarz. St.Pius, Hausen. S. 8-10; Das kleine vorgebaute Glaswindfänge. Nach oben
Erbe von RS. In: Das Münster 20(1967)1. S. 21-56; Ka¬ höher w erdende Fensterbänder, die von Maria
rin Becker. RS 1S97-1961. Kirchenarchitektur (Disser¬
Katzgrau farbig gestaltet sind, umziehen die
tation' Bielefeld igSi. S. 42 5-42-.
Kirche. Hinter dem .Altar sind sie zu zwei
großen Lichtflächen zusammen gezogen. Im
mittleren Feld der Eingangsseite bleiben die
175 beiden unteren Felder geschlossen. Die ebenen
Pfarrkirche St.Bonifatius mit Deckenfelder sind in Längsrichtung mit Holz¬
Gemeindezentrum riemchen verschalt. Innen ist die Kirche ver¬
Aachen-Forst. Matarestraße putzt und hell gestrichen. Außen bleiben die
1959-1964 Betonkonstruktion und die Backsteinaus¬
Zusammen mit Maria Schwarz fachung sichtbar.
Durchführung: .Maria Schw arz Die Häuser des Pfarrzentrums begrenzen den
Mitarbeiter: Herbert Herrmann, Erwin Drese Kirehplatz gegenüber der Eingangsfront. Sie
wurden von anderen Architekten gebaut. Die
Kapelle baute Erwin Drese.

Archiv: PK 90

1958 bekam Schwarz den Auftrag zum Bau


Literatur: RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. 307-
eines Gemeindezentrums in Hausen, einer 508: Maria Schwarz. Neubau der Kirche St.Bonifatius
wachsenden Gemeinde in einer kleinen wohl¬ in Aachen-Forst. Erläuterungsbericht. Köln 1961. 2 S.
habenden Industriestadt. Das Grundstück Tvposkript: St.Bonifatius. Aachen-Forst. .Aachen 1964.
32 S.; Darin: RS. Darstellung des Himmels. S. 11-19;
liegt zwischen zwei aufeinander zulaufenden
Darin: Maria Schwarz. St.Bonifatius. S. 5-10; Herbert
Straßen.
Muck. Zur Auseinandersetzung mit dem neuen Kir¬
1959/60 wurde im ersten Bauabschnitt der chenbau. In: Der große Entschluß 20(i965)Febr. S.
Kindergarten gebaut. Die noch von Schw arz 216-220; Herbert Muck. Zur Kennzeichnung der Kir¬
entworfene Kirche wurde im Sommer 1962 chenbauten von RS. In: Christliche Kunstblätter

begonnen. (1965)4. S. 75-76; Das Erbe von RS. Ln: Das Münster
20(1967)1, S. 21-56: W’olfgang Pehnt. Xeue deutsche
Aus dem breit gelagerten rechteckigen Bau
Architektur 3. Stuttgart 1970. S. 204-206: Hugo
wölbt sich eine halbrunde Apsis, die etwas in Schnell. Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in
das Schiff hineinragt. Die Längsw ände sind in Deutschland. München 1973. S. 14-.214; Kirchenbau
großen Schritten je zweimal rechteckig ausge¬ in der Diskussion. München 19-3. S. 182-183; Karin
faltet, die Giebelwand einmal in der Mittel¬ Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Disser¬
tation). Bielefeld 1981. S. 436-438.
achse. Zwei quadratische Betonstützen teilen
den Raum in der Mitte. Sie tragen die Längs¬
unterzüge unterhalb der querlaufenden Rip¬
pendecke. Der .Altar steht auf einer aus der Ap¬ 176
sis weit in den Raum ragenden fünfstufigen Pfarrkirche St. Raphael
Insel. Ihm gegenüber ist an der Eingangswand Berlin-Gatow, Alt Gatow
das Sängerpodest angeordnet. Den Bau um¬ 1959-1965
läuft im Obergaden ein Lichtband, das an der Mitarbeiter: Hilde Strohl
Apsis endet. Es wurde von Karl Knappe farbig Die Pfarrgemeinde St. Katharina beauftragte Durchführung: Maria Schwarz, Hilde Strohl
gestaltet. Der Fußboden aus grünem Dolomit Schwarz 1959 mit der Vorplanung der Kirche
ist mit Längs- und Querbändern aus farbigem und der Rahmenplanung des Pfarrzentrums Schon 1954 begannen Aorgespräche mit dem
Marmormosaik durchzogen, die die Raumpro¬ der neuen Gemeinde. Der Kirchenentwurf ent¬ Pfarrer, den Schwarz aus Ketzin (WV 52)
portionen auf dem Boden widerspiegeln. Die stand i960. Begonnen wurde der Bau 1963. kannte, bis es 1959 zum Auftrag für den Kir¬
Kirche ist innen und außen verputzt und hell Auf breit gelagertem Rechteckgrundriß von chenbau kam. Xach dem Tod von Schwarz
gestrichen. Der Betonkranz der Fenster ist 28 x 21 Metern erhebt sich die Kirche in drei machten die Behörden Einwände gegen den
außen farbig abgesetzt. Drei Eingänge liegen verschiedenen Höhen als Stufenberg. Zwei Entwurf . Erst auf Intervention von Hans Scha-
in der Giebelseite. Der mittlere dient feierli¬ mächtige Betonrahmen, die sich nur außen als roun erklärte sich das bischöfliche Ordinariat
chen Anlässen. Pfeilervorlagen abzeichnen, durchziehen den mit dem Bau einverstanden.

294
177 Hauses kann durch das Verschieben schr.u r
Wettbewerb Schauspielhaus Seitenflächen von der Guckkasten- zur Raum-
1 Düsseldorf, Bleich-/(ioltsteinstraße bühne erweitert werden. Das Kleine Haus,
■959_I96o dessen Foyer mit dem des (»roßen I lauses ver¬
Mitarbeiter: Dieter Baumewerd, Paul Eling, bunden ist, ist so angelegt, daß dort auch eine
Ludwig Tiepelmann Arenabühne eingerichtet werden kann. Die
Fassade an der Bleichstraße setzt sich aus v iel¬
fach abgewinkelten Glasfronten zusammen,
zwischen denen die geschlossenen Treppen¬
türme stehen. Die seitlichen Fassaden sind ge¬
schlossen. Die Wände sind leicht gefaltet. Da¬
durch entsteht Licht- und Schattenwirkung.
Die zum Hochhaus weisende rückwärtige
Front ist durch ebenfalls runde Treppenhäuser
in vier Abschnitte gegliedert.
Ein erster Preis w urde nicht vergehen, sondern
drei gleich hoch dotierte und vier Ankäufe.
Der Schwarz’sche Entwurf wurde an zweiter
Stelle angekauft. Bernhard Pfau hat das Schau¬
spielhaus gebaut.

Archiv: PK 102

Literatur: RS. Wettbewerb Schauspielhaus Düsseldorf.


Bemerkungen des Architekten. Köln 1959. 3 S. Typo¬
skript; Architektur-Wettbewerbe (1960)29. Die Inter¬
nationalen Theaterwettbewerbe Düsseldorf und Essen.
97 S.; G. Neuber. Um ein Schauspielhaus in Düsseldorf.
In: Bauwelt 51(1960)15, S. 399-406; A Buffinga.
Das kleine Ensemble steht auf vier Quadraten:
Schouwburgprijsvraag te Düsseldorf. In: Het Bouwwerk
dem der Kirche mit 17,5 Metern Kantenlänge,
2(1960)7, S. 361-375; Gerhard Storck. Probleme des
dem der anschließenden Kapelle mit 8,5 Me¬ modernen Bauens und die Theaterarchitektur des 20.
tern Kantenlänge, dem kleinen des Windfangs Jahrhunderts in Deutschland (Dissertation). Bonn 1971.
und dem der Sakristei. In der Kirche ragt die S. 490-499, 675-677; .Manfred Sundermann, Claudia
Lang, Maria Schwarz (Hg.). RS. Bonn 1981. S. 74-75.
Altarinsel von der Chorwand bis in die Raum¬
mitte. Die Trennwand zur Kapelle ist verglast.
In der Altarachse der Kirche steht auch der 1959 schrieb die Stadt einen bundesweiten
Kapellenaltar. Ein Lichtband, das sich im Al¬ Bauwettbewerb für das Schauspielhaus aus, zu 178
tarbereich trapezförmig nach unten senkt, um¬ dem sie acht Architekten zusätzlich einlud. Das Innere Umgestaltung Pfarrkirche St. Vitalis
läuft den Kirchenraum im Obergaden. Die innerstädtische Gelände hegt zwischen dem Köln-Müngersdorf, Wendelinstraße
helle Verglasung entwarf Georg Meistermann. Hochhaus der Thyssen AG, dem Jan Wellem- 1959-1961
Die ebene Decke ist durch sichtbare Betonun¬ Platz und dem Hofgarten. Zu entwerfen waren Mitarbeiter: Herbert Herrmann
terzüge in 9 Felder geteilt, die mit Holz- ein Großes Haus mit 1100 und ein Kleines
riemchen in wechselnden Richtungen verklei¬ Haus mit 350 Plätzen sowie die dazugehörigen Die neuromanische Kirche war durch Kriegs¬
det sind. Die Konstruktion ist außen ablesbar. Räume und bühnentechnischen Einrichtungen einwirkung besonders im Innenraum stark be¬
Vorgelagerte Pfeiler teilen die Fassaden in je für reinen Schauspielbetrieb. schädigt worden. .Als Mitglied der Pfarrge-
drei Felder. Quadratische Pfeiler betonen die Schwrarz setzt gegen die monolithische Scheibe meinde erhielt Schwarz den Auftrag für die
Ecken. Das Mauerwerk ist innen und außen des Hochhauses das Theater als Stufenberg, Renovierung. Mittelpunkt der Kirche wird der
verputzt und weiß gestrichen. Der umlaufende der in vielen Absätzen bis zum Turm des neue Altar, der aus dem Chor näher zur Ge¬
Betonkranz des Lichtbandes ist außen farblich Bühnenhauses ansteigt. Er legt beide Theater meinde gerückt w ird. Ein großflächiges, mehr¬
abgesetzt. Ein niedriger Glockenstuhl steht an nebeneinander. Foyers, technische Einrichtun¬ farbiges Mosaik im Fußboden des Mittel¬
der Straße. Durch ihn führt der Weg in die gen und Künstlergarderoben können gemein¬ ganges führt auf ihn zu. Der ganz in Weiß
Kirche. sam benutzt werden. Von der Bleichstraße gehaltene Raum ist an Kapitellen und Gewöl¬
führt eine mehrfach geknickte Freitreppe zu begraten farbig abgesetzt. Die Fenster gestal¬
Archiv: PK 96 tete Wilhelm Buschulte.
dem überdachten, tiefer gelegenen Vorplatz,
von dem aus man die Kassenhallen betritt. Im
Literatur: RS. Neubau einer katholischen Kirche in Ber¬ Archiv: PK 97
lin-Gatow. Erläuterungsbericht. Frankfurt i960. 2 S. Erdgeschoß hegen weiträumige Garderoben¬
Typoskript; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. hallen. Die Wendeltreppen in den nach außen Literatur: St.Vitalis in Köln-Müngersdorf. Köln 1993.
308-310; Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchi¬ geschlossenen Türmen erschließen über die 26 S.
tektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. 433-436. Foyers die Zuschauerräume. Der Zuschauer¬
raum des Großen Hauses ist in seinem rück¬
wärtigen Teil in drei unterschiedlich große Ni¬
schen gegliedert, in die auch die Ränge einge¬
bettet sind. Das Foyer vor dem Parkett liegt
auf vier Ebenen, die durch Differenzstufen in
der Breite des Raumes verbunden sind. Die zu
den Rängen gehörenden Foyers sind an den
Glasffonten ausgeschnitten und bilden Gale¬
rien zum Hauptfoyer. Die Bühne des Großen

295
Literauir: St. Bonifatius, Wetzlar. Wetzlar 1964. 36 S.;
Das Erbe von RS. In: Das Münster 20(1967)1, S. 21-36;
he Grund- und Hauptschule
Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Dis¬
i) -N i.pcs, Bülowstraße sertation). Bielefeld 1981. S. 438-440.

■c I Ierbert Herrmann, Hilde Strohl

181
Pfarrkirche St.Ludger
Wuppertal-Vohwinkel, Neulandweg
i959_i965
Mitarbeiter: Herbert Herrmann
Durchführung: Maria Schwarz

1959 erhielt Schwarz den Auftrag für eine 18-


klassige Volksschule. Er entwarf sie im Sinne
einer kleinen Stadt mit Plätzen und Straßen¬
zügen auf dem weiträumigen Grundstück.
Kern der teils ein-, teils dreigeschossigen An¬
lage ist der Gemeinschaftsraum, um den sich wurden nach seinem Tod angefertigt. Das
nach Norden und nach Süden die in sich Hauptschiff der Kirche steht auf elliptischem
gestaffelten Klassen und Werkräume gruppie¬ Grundriß von 42 Metern Länge. Aus der El¬
ren. Die Grundschulklassen liegen eingeschos¬ lipse wachsen mit gerundeten Übergängen
sig in der Nähe des Eingangs an einem Innen¬ ebenfalls elliptische Querarme heraus, so daß
hof. Die oberen Klassen bilden zwei drei¬ der gesamte Raum aus Rundungen besteht.
geschossige Türme, die an den einander diago¬ Die Stufen der Altarinsel schwingen sich aus
nal gegenüberliegenden Ecken des Gemein- der Hauptapsis bis in den rechten Querarm.
schaftsraumes liegen. Die Turnhallen sind Zwei Pfeiler stehen in der Spur des Haupt¬
durch einen gedeckten Gang mit dem Schul¬ schiffes zwischen ihm und dem Querschiff. In
komplex verbunden. der hinteren Rundung ist ein niedriges Sänger¬
Die Anlage ist als Stahlbetonskelettbau mit podest angeordnet. An das Langhaus schmie¬ Obwohl bereits ein anderer Architekt, der das
Ausfachungen in Sichtmauerwerk gebaut. Die gen sich beidseitig flache Nebenbauten mit Pfarrhaus gebaut hatte, unter Vertrag stand,
Dächer sind flach. Eingängen und Kapellen. Die Decke der Kir¬ erteilte die Gemeinde 1959 Schwarz den Auf¬
che ist flach mit Holz verkleidet. Die Kirche ist trag für die Kirche und löste das bestehende
Archiv: PK 111
aus selbsttragendem Backsteinmauerwerk er¬ Vertragsverhältnis.
richtet, das beidseitig unverputzt ist. Einzelne Die langgestreckte Rechteckform des Haupt¬
Literatur: Fred van Leeuwen. De kerkenbouwer RS.
In: De Linie (1961)21.1., S. 3;. Köln - seine Bauten quadratische Fenster sind in das Mauerwerk schiffes ist nur durch die beiden Stützen zu er¬
1928-1988. Köln 1991. S. 324. eingeschnitten. Der Betonkranz des flachen kennen, die in der Grundrißspur stehen. Das
Daches ist zurückgesetzt. Der Kindergarten, an beiden Enden rund geschlossene Langhaus
aus Sechsecken zusammengesetzt, fügt sich weitet sich beidseitig zu ungleich großen Aus¬
180 spielend an die geschwungene Form der Kir¬ buchtungen. Die linke, längere Bucht über¬
Pfarrkirche St. Bonifatius mit che. Das Pfarrhaus, mit Gemeindesaal um nimmt die Funktion eines Seitenschiffs. Die
Gemeindezentrum einen Innenhof geplant, entstand später. Die rechte setzt fast im Drittelpunkt der Längs¬
Wetzlar, Volpertshäuser-/Hölderlinstraße Fenster wurden ebenfalls später nach Entwür¬ wand an und geht mit kleinem Einzug in die
1959-1964 fen von Karl Otto Götz farbig gestaltet. Rundung der Altarkonche über. Die Stufen der
Durchführung: Maria Schwarz, Werner Strohl Altarinsel schwingen bis in die Nebenkonchen.
Archiv: PK 95
Die Gegenapsis des Langschiffes nimmt das
Der Auftrag für Kirche und Gemeindezentrum dreistufige Sängerpodest auf. Der einzige Ein¬
erging 1959 direkt an Schwarz. Der Entwurf gang liegt zwischen Kirche und Sakristei. Dort
entstand i960, die Ausführungszeichnungen ist auch der Zugang zur Krypta, die als ovaler

296
Raum unter dem Sängerpodest angeordnet ist. Entfernung der untergehängten Kassettendec¬ bäude auf dem Gelände der im Zweiten Welt¬
Einzelne quadratische Fenster belichten die ken wieder sichtbar gemacht. An den Stützen krieg zerstörten Börse ausgeschrieben. Ein o
Kirche. Das Backsteinmauerwerk ist innen un¬ und Wänden der Arkaden und Galerien wird ster Preis wurde dabei nicht vergeben. Zwei
verputzt, außen verputzt und weiß gestrichen. die Ornamentik entfernt. Durch alle Räume Preisträger wurden beauftragt, ihre IntuürL
Die Konstruktion des Satteldaches ist innen zieht sich in 3,5 Metern Höhe eine Lichtebene, zu überarbeiten. Die Gutachter hielten danach
sichtbar. Die Decke ist in Längsrichtung mit gebildet aus von den Decken hängenden Pen¬ einen weiteren Arbeitsgang für notwendig.
Holz verkleidet. delleuchten. Die Wände sind weiß gestri¬ Schwarz und Sep Ruf wurden zusätzlich um
Varianten für die Dachform und die Belich¬ chen. Der Fußboden ist belegt mit einem alle Vorentwürfe gebeten.
tung stammen von Schwarz. Der Bau wurde Räume durchziehenden unterschiedlich großen Schwarz führt das umfangreiche Programm
nach einer der Varianten 1962 ausgeführt. Mäandermuster aus verschiedenfarbigem Mar¬ auf vier Raumgruppen zurück: den Plenarsaal,
Die farbige Verglasung entwarf Wilhelm mor. Die Lichtebene läßt den farbigen Boden¬ die Räume des Präsidenten, die Verwaltung
Buschulte. belag widerstrahlen, die weißen Wände treten und die Festsäle. Diesen Funktionen entspre¬
zurück, ein fließendes Raumgefüge entsteht. chend ordnet er den Gebäudekomplex in vier
Archiv: PK 98
In einer konservativen Variante, die fast ohne Bereiche und legt ihn um die zentrale I lalle,
Literatur: RS. Erläuterungsbericht. Köln 1959. 3 S. Abbrucharbeiten auskommen soll, erhält die die das Elaus im ersten Obergeschoß von der
Typoskript; RS. Kirchenbau. Heidelberg i960. S. zentrale Halle wieder eine Kuppel. Die Galerie Börse bis zum Markt durchzieht. Der Plenar¬
311-312; Herbert Muck. Zur Kennzeichnung der Kir¬ zwischen Halle und Wandelgängen entfällt saal und die Räume des Präsidenten liegen zum
chenbauten von RS. In: Christliche Kunstblätter
zwar, aber die Säulen bleiben erhalten und tra¬ Markt, während die Verwaltung und die Fest¬
103(1964)4, S. 75-78; Das Erbe von RS. In: Das Mün¬
gen eine flache Decke. säle zur Börse und zum Dom orientiert sind.
ster 20(1967)1, S. 21-36; Karin Becker. RS 1897-1961.
Kirchenarchitektur (Dissertation). Bielefeld 1981. S. Die Jury wählte die Arbeiten von Paul Baum¬ Die einzelnen Baukörper werden in der Fassa-
440-441; Volker Siegburg. Kirchenräume - Kirchen- garten, Wassili Luckhardt und Schwarz als dengestaltung klar voneinander abgesetzt. Der
'träuine (Diplomarbeit). Bonn 1992. S. 60-62; Neue Kir¬ Grundlage für die weitere Bearbeitung aus. am weitesten in den Markt hinein ragende
chen im Erzbistum Köln 1955-1995. Köln 1995. S. 667. Paul Baumgarten wurde später mit der Durch¬ Komplex mit Eingang, Halle und Plenarsaal ist
führung beauftragt. als unverputzter Backsteinbau mit wenigen
großen Fensterflächen geplant. Der ebenfalls
182 Archiv: PK 103
zum Markt orientierte, auf quadratischem
Wettbewerb Gestaltung Repräsentations¬ Grundriß aufgebaute Gebäudeteil mit den
Literatur: RS. Wiederaufbau des Reichstagsgebäudes.
räume Reichstagsgebäude Erläuterungsbericht. o.O. i960. 7 S. Typoskript; Mi¬ Räumen des Präsidenten ist durch von Ge¬
Berlin, Platz der Republik chael S. Cullen. Dem Deutschen Volke. In: Ingeborg schoß zu Geschoß zurückspringende Pfeiler in
i960 Flagge, Wolfgang Stock (Hg.). Architektur und Demo¬ Sichtmauerwerk kleinteilig gegliedert. Die
Mitarbeiter: Paul Eling, Ludwig Tiepelmann kratie. Stuttgart 1992. S. 126-167.
Fassaden der übrigen Bauteile sind zurückhal¬
tend als ausgefachte Stahlbetonskelette ver¬
virr».SU «OOTLMCffiiUCE IBlm _
schiedenfarbig gestaltet. Schwarz schlägt vor,
it:: H# * v*i:: 183 den Marktplatz zum Fußgängerbereich zu ma¬
Gutachterentwurf Haus der Bürgerschaft chen, ihn gleichmäßig mit einem gemusterten
Bremen, Markt Pflaster zu belegen und das Gedächtniskreuz
1960-1961 vor die Räume des Präsidenten zu verschieben.
Mitarbeiter: Paul Eling, Günter Fiedler, Das Haus der Bürgerschaft wurde von Wassili
Ludwig Tiepelmann Luckhardt gebaut.

Archiv: PK 106
TL-j
1 Til Literatur: RS. Vorentwurf für den Neubau des Hauses
der Bürgerschaft in Bremen. Köln 1961. 8 S. Typoskript;
ki L JL >L >«. i Falk Jäger. Gehäuse des Föderalismus. Neubauten deut¬
scher Landtage nach 1949. In: Ingeborg Flagge, Wolf¬
Für die Gestaltung der Haupteingangs- und gang Stock (Hg.). Architektur und Demokratie. Stutt¬
gart 1992. S. 76-99.
Wandelhallen sowie der Repräsentationssäle
im Westflügel des ehemaligen Reichstagsge¬
bäudes schrieb die Bundesbaudirektion einen
engeren Wettbewerb unter zehn Architekten 184
aus. Neun Arbeiten wurden abgegeben. Nach Wettbewerb Wiederaufbau Rathaus
Beschluß des Deutschen Bundestages sollte das Köln, Rathausplatz
durch Kriegseinwirkung stark beschädigte Ge¬ 1960-1961

bäude für parlamentarische Zwecke nutzbar Mitarbeiter: Paul Eling, Ludwig Tiepelmann
gemacht werden. Die Fassaden waren in ihrer
ursprünglichen Form annähernd wiederherge¬
stellt. An der Grundrißform sollte möglichst
wenig geändert werden.
Schwarz versucht in seinem Vorschlag, den vor¬
handenen Baubestand nur als Rohstoff zu über¬
nehmen. Durch Entfernung einiger Bauteile
und geringe bauliche Veränderung schafft er
eine neue Raumfolge. Die Eckpfeiler der zentra¬
len Kuppelhalle werden 24 Meter hochgezo¬ Bereits 1951/52 war die städtebauliche Situa¬
gen. Der turmhohe Raum wird mit einem leich¬ tion des Bremer Stadtzentrums durch einen
ten fünffach gefalteten Glasdach gedeckt. Die Wettbewerb bearbeitet worden. 1959 wurde
Rippendecken der Wandelhallen werden durch ein Ideenwettbewerb für das Parlamentsge¬

297
185 rig gehaltene massive Turm steht neben einem
Wettbewerb und Ausführung Pfarrkirche gedeckten Gang, der an der Westseite des
Heilig Kreuz mit Gemeindezentrum Grundstücks vom Paradieser Weg zur Kirche
Soest, Paradieser Weg/Kölner Ring führt.
1960—1967 Für diesen Entwurf erhielt Schwarz den Bau¬
Mitarbeiter: Hilde Strobl auftrag. Nach seinem Tod erhoben sowohl die
Durchführung: Maria Schwarz, I lilde Strohl kirchlichen Behörden als auch der Bauherr
Einwände gegen den Entwurf. Maria Schwarz
— - : :-■] ffr.ßffl ~ I )-!- führte über Jahre hin Verhandlungen. Sie legte
eine Reihe von Alternativvorschlägen vor. Erst
»-—m \ 1964 bewilligte der Erzbischof von Paderborn
den Wettbewerbsentwurf. 1965 folgte die Zu¬
Das Kölner Rathaus war im Zweiten Weltkrieg stimmung des Bauherrn. Die Kirche wurde
teilzerstört worden. Für den Wiederaufbau lud nach dem ursprünglichen Wettbewerbsentwurf
die Stadt i960 vierzehn Architekten zu einem gebaut mit dem Unterschied, daß das Mauer¬
Ideenwettbewerb ein. Dreizehn Arbeiten wur¬ werk unverputzt blieb. Die hohen Betonunter¬
den abgegeben. züge unter der holzverkleideten Decke sind
Das Rathaus erstreckt sich in Nord-Süd-Rich- sichtbar. Sie durchziehen in Längsrichtung den
tung zwischen Rathausplatz und Alter Alarkt, Raum.
der im Alittelalter schon außerhalb der Stadt¬ Das Lichtband im Obergaden wurde von Wil¬
mauer lag. Ein Geländesprung macht dies helm Buschulte entworfen. Die Bauten des
deutlich. Der Alter Markt liegt etwa ein Ge¬ Gemeindezentrums wurden in den achtziger
schoß tiefer als der Rathausplatz. Jahren von Maria Schwarz und Jutta Stienz ge¬
Schwarz schiebt das Niveau des Rathausplatzes baut.
als Hauptebene bis zum Alter Markt vor. Auf
diese Ebene legt er östlich an den Hansasaal Archiv: PK 104

angrenzend die 17 Aleter hohe zentrale Halle,


Literatur: RS. Erläuterungen zu dem Entwurf einer ka¬
die »Piazetta«. Zum Alter Markt hängt er
tholischen Pfarrkirche für Soest. Köln i960. 4 S. Typo¬
zweigeschossig die Räume der beiden Stadt¬ skript; Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst. Kir¬
oberhäupter als Glaserker. Eine einläufige chenbau nach dem Konzil. München i960. S. 12-13;
Treppe führt auf die an drei Seiten die Piazetta RS-Gedächtnisausstellung. Heidelberg 1963. S. 78-81;
Karin Becker. RS 1897-1961. Kirchenarchitektur (Dis¬
umlaufende Galerie. Von dort aus gelangt man
sertation). Bielefeld 1981. S. 442-445; Barbara Kahle.
in den Hansasaal und in die Räume des Ober¬
Rheinische Kirchen des 20. Jahrhunderts. Köln 1985. S.
bürgermeisters sowie in die Treppenhalle des 105; 25 Jahre Heilig Kreuz-Kirche, Soest 1967-1992.
Verwaltungstrakts. Drei Wände der Piazetta Soest 1992. 47 S.
sind unstrukturiert und nur durch große Glas¬
bausteinflächen unterbrochen. Die vierte ist
die Wand des Hansasaals mit ihren hohen go¬ 186
tischen Fenstern. Unterhalb der Halle schiebt Städtebaulicher Wettbewerb Krieger¬
Schwarz die Ebene des Alter Markt ebenfalls ehrenmal mit Platzgestaltung
bis in das Rathaus. Er schlägt vor, die Fahr¬ Wolfsburg
bahn vor dem Rathaus zu entfernen und die 1961

Platzfläche neu zu gestalten. Vor den Rathau¬ Zusammen mit Zoltan Szekessy
sturm legt er eine untere Rathauslaube, von Drei Architekten wurden aufgefordert, Ideen¬
der eine Treppe in die Halle führt. Markt¬ entwürfe für die Kirche der neu gegründeten Die Stadt schrieb einen öffentlichen Wettbe¬
stände können unter den Glaserkern der Stadt¬ Gemeinde einzureichen. Schwarz legt die Kir¬ werb für ein Ehrenmal für die Gefallenen des
oberhäupter eingerichtet werden. Nach Süden che in die Nordwestecke des Grundstücks, das letzten Krieges mit dazugehöriger Platzgestal¬
erstrecken sich zwei parallele Bürotrakte mit an einer Straßenkreuzung liegt. Den Kirch- tung aus, zu dem sie vier Teilnehmer nament¬
fünf und sechs Geschossen. Durch die quer¬ platz grenzt er zu den Straßen durch die Pfarr- lich einlud.
gelegte Treppenhalle sind sie mit der Piazetta bauten ab. Schwarz/Szekessy gestalten die vorgesehene,
verbunden. Die Fassade am Rathausplatz wird Die Kirche ist als einfacher Rechteckraum ent¬ etwas erhöhte Fläche durch gleichmäßige und
nur ergänzt durch den Verwaltungstrakt in der worfen. Schwarz stellt frei in den Raum eine richtungslose Pflasterung. In die Alitte stellen
Judengasse, während die Front zum Alter halbrunde Apsis, die den Altarraum um¬ sie eine Baumruine aus Metall. Die Form des
Markt neu ist. Hier überragt die hohe glatte schließt. Sie kann weiträumig umgangen wer¬ Baums soll zugleich den Gestürzten und den
Fläche der zentralen Halle die kleinteilig ge¬ den. Werktagskapelle, Taufkapelle und Marien¬ sich wieder Aufrichtenden darstellen. Um die
stalteten Geschosse der Repräsentationsräume. altar ordnen sich in und an den Chorumgang. Wirkung des Metallbaums zu erhöhen, soll der
Das Preisgericht gab den ersten Preis an Karl Gegenüber der Altarinsel ist das Sängerpodest Platz frei von jeglicher Bepflanzung gehalten
Band, ein zweiter wurde nicht vergeben. Einer an die Eingangsfront gelegt. Ein hohes feier¬ werden. Erst im anschließenden abfallenden
der drei dritten Preise ging an Schwarz. liches Portal führt vom höher gelegenen Gelände wachsen Bäume und Sträuchen
Kirchplatz über das Podest in die Kirche.
Archiv: PK 105 Archiv: PK 107
Niedrige Vorhallen an den Längsfronten neh¬
men Differenzstufen auf. Die Wände der Kir¬
Literatur: RS. Wettbewerb-Wolfsburg-Ehrenmal. Köln
Literatur: RS. Wettbewerb Rathaus Köln. Köln i960. che sind nach außen durch je zwei Pfeilervor¬ 1961. 2 S. Typoskript.
2 S. Typoskript; Ideenwettbewerb für den Wiederaufbau
lagen gegliedert. Ein im Obergaden umlaufen¬
des alten Rathauses. In: Architektur Wettbewerbe
des Fensterband umzieht den Raum. Schwarz
(1961)33 Rathäuser. S. 66; Maria Schwarz. Das Rathaus.
In: Köln. Seine Bauten 1928-1988. Köln 1991. S. schlägt vor, den Bau innen und außen zu ver¬
227-229. putzen und hell zu streichen. Der bewußt nied¬
Schriftenverzeichnis Rudolf Schwarz
Veröffentlichte Schriften

Zur Baugeschichte der Leutldrche St. Niko¬ Frühtypen der rheinischen Kleinkirche. Dis¬ Zu den Bildern des Heftes. 1 leiligueistkirche
laus in Straßburg. In: Elsaß-Lothringisches sertation (Auszug). Bonn: Bonner Univer¬ in Aachen. Aus dem Erläuterungsbericht. In;
Jahrbuch 6(1918) S. 177-193 sitäts-Buchdruckerei 1927. 9 S. Die Schildgenossen 9(1929)3, S. 267- 269

Frühtypen der rheinischen Landkirche. Dis¬ Das Gesetz der Serie (Aus »Wegweisung der Briefe junger Arbeitsloser. Mit einer Vorbe¬
sertation zur Erlangung der Würde eines Technik«). In: Die Schildgenossen 7(1927)1, merkung von Rudolf Schwarz. In: Die Schild¬
Doktor-Ingenieurs der Technischen Hoch¬ S. 36-51 genossen 10(1930)4, S. 362-363
schule zu Berlin, vorgelegt am 25. Mai 1922
von Dipl.Ing. Rudolf Schwarz aus Köln am Großstadt als Tatsache und Aufgabe. In: Die Erneuerung des Kirchenbaus? In: Die Form
Rhein. Berlin 1922. 152 S. Typoskript Schildgenossen 7(1927)4, S. 301-307 5(1930)21/22, S. 545-556

Auf dem Wege zum neuen Geschichtsbild. In: Zu unsern Bildern (Bischofsheim und Neu- Kriegerehrenmal in Mariadorf bei Aachen.
Die Schildgenossen 4(1924)6, S. 422-429 Ulm. Zwei neue Werke von Dominikus In: Zentralblatt der Bauverwaltung
Böhm). In: Die Schildgenossen 7(1927)2, 50(1930)44, S. 776
Über Baukunst. In: Josef Äußern; Romano S.158-160
Guardini (Hg.). Geweihte Kunst. Burg Ro¬ Montessori-Möbel. ln: Die Form 5(1930)1,
thenfels: Deutsches Quickbornhaus 1924. S. Bücher und Bilder. Entwurf einer kreisrunden S. 13-14
113-124 Pfarrkirche. In: Die Schildgenossen 8(1928)3,
S. 262-263 Über die Verfassung einer Werkschule. Aa¬
Über Baukunst. In: Die Schildgenossen chen: Selbstverlag 1930. 24 S.
4(T9M)3> s- 273 — 284 Die Eisenbetonkirche. Entgegnung und
Grundlegung. In: Zentralblatt der Bauver¬ Werk in Not. In: Die Schildgenossen
Georg Dehio, Das Straßburger Münster und waltung 48(1928)2, S. 18-20 10(1930)5, S. 433-443
der Bamberger Dom (Buchbesprechung).
In: Die Schildgenossen 5(1925)3, S. 300-302 Entwurf einer Marienkapelle. In: Der neue Bau und Bild. In: Kölnische Volkszeitung
Ring 1(1928)2, S. 23-27 (1931)384, Sonntagsbeilage
Heinrich Maria Lützeier, Formen der Kunst¬
erkenntnis (Buchbesprechung). In: Die Schild¬ Geistliche Übung. Gedanken zu einer Werk¬ Die Fronleichnamskirche. In: Die Schild¬
genossen 5(1925)2, S. 207-211 lehre des Gebets. In: Die Schildgenossen genossen 11(1931)3, S. 284-287
8(1928)3, S. 193-198
Mysterienkunst. In: Rhein-Mainische Volks¬ Fronleichnamskirche in Aachen. In: Zentral-
zeitung (1925)153/154 Wegweisung der Technik. 1. Teil. Potsdam: blatt der Bauverwaltung 51(1931)30, S. 441-
Müller und Kiepenheuer 1928. 74 S. Aachener 445
Sakrale Baukunst. Ein langes Vorwort und ein Werkbücher, 1
kurzes Beiwort zu einem neuen Werk von Do¬ Die soziale Frauenschule in Aachen. In: Die
minikus Böhm. In: Kölnische Volkszeitung Nachwort. In: Die Schildgenossen 8(1928)3, Form 6(1931)1, S. 11-22
66( 1925)919,13.12., Sonntagsbeilage S. 264-265
Soziale Frauenschule in Aachen. In: Zentral¬
Zu unsern Bildern (Magd, Lettner des Naum- Vom Sterben der Anmut. In: Die Schildgenos¬ blatt der Bauverwaltung 51(1931)2, S. 16-22
burger Doms; Remter Marienburg). In: Die sen 8(1928)3, S. 284-293
Schildgenossen 5(1925)3, S. 297-299 Zu den Bildern. Dominikus Böhm, Erweite¬
Die christliche Kunst an Kunstgewerbeschu¬ rung des Dorfkirchleins von Birken bei Wis¬
Die Form ohne Ornament (Buchbesprechung len. Tagung für christliche Kunst, Dresden, sen a.d. Sieg. In: Die Schildgenossen
»Bücher der Form,i<<). In: Die Schildgenossen 1. Oktober 1929. In: Die Schildgenossen xx(x93x)x> s- 95
6(1926)2, S. 182-183 9(1929)6, S. 523-531
Baustelle Deutschland. In: Die Schildgenossen
Bücher und Bilder. Ideologien der Arbeit Gedanken über kunstgewerbliche Erziehung. 12(1932)1, S. 1—17
(Buchbesprechung: Johannes Gerhardt. Ar¬ In: Blätter für Berufserziehung 5(1929)12,
beitsrationalisierung und persönliche Abhän¬ s- 53x~549 Die Fronleichnamskirche in Aachen. In: Der
gigkeit) In: Die Schildgenossen 7(1927)2, Baumeister 30(1932)1, S. 35-40
S. 150-152 Die neue Burg. In: Burg Rothenfels 1919/
1929. Rothenfels 1929. S. 27-35 Haus und Wohnung. In: Großstadt als Hei¬
Bücher und Bilder. Unsere Bildbeilagen. mat. Essen 1932. S. 27-41
Brückenkopf Köln. In: Die Schildgenossen Neues Bauen? In: Die Schildgenossen
7(i927)4, S. 347 9(x929)3> S. 207-217 Neue Schriften über die Technik (Buchbespre¬
chung Friedrich Dessauer: Befreiung der
Burg Rothenfels. In: Die Schildgenossen Produktionskrisis. In: Die Schildgenossen Technik und Oswald Spengler: Der Mensch
7(1927)3, S. 241-244 9(1929)1, S. 15-20 und die Technik). In: Die Schildgenossen
12(1932)6, S. 277-281
Dominikus Böhm und sein Werk. In: Mo¬ Die städtische Kunstgewerbe- und Hand¬
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Ein Brief über volkstümliche und volksverbun¬ 17(1938)4/5, S. 265-276 Schneider 1947. 167 S.
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Neubau aus der Gemeinde. In: Die Schild¬ i7(I938)4/5, s- 37°-374 2(1948)3, S. 101-104
genossen 16(1936)2/3, S. 153-156
Umformung von drei Kirchen aus der Zeit des Die neue Paulskirche. In: 1848-1948. Jahr¬
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300
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Das Gesetz der Serie (Aus: Wegweisung (Hg.). Braunschweig: Vieweg 1979. 198 S., welt-Fundamente 100
der Technik). In: Bauwelt 68(1977)33, Bauwelt-Fundamente 51
S.1095-1096 Sacralitä e arte del costruire. Auszug aus: Vom
Uber die Verfassung einer Werkschule. In: Bau der Kirche. In: Casabella 60 (1996)
Vom Sterben der Anmut. In: Schwarz auf Maria Schwarz, Ldrich Conrads (Hg.). Rudolf 640/641, S. 80-81
Weiß 10(1978)1, S. 38-44 Schwarz. Wegweisung der Technik und andere
Schriften zum Neuen Bauen 1926-1961. In Vorbereitung:
An Mies van der Rohe. In: Maria Schwarz, Braunschweig 1979, S. 102-120, Bauwelt- Roberta Masiero, Franco D. Faveri (Hg.). Co¬
Ulrich Conrads (Hg.). Rudolf Schwarz. Weg¬ Fundamente 51 struire la Chiesa. II senso liturgico nell’ archi-
weisung der Technik und andere Schriften tettura sara. Brescia: Morcelliano
zum Neuen Bauen 1926-1961. Braunschweig Das Unplanbare. In: Maria Schwarz, Ulrich
1979. S. 139 — 153, Bauwelt-Fundamente 51 Conrads (Hg.). Rudolf Schwarz. Wegweisung
der Technik und andere Schriften zum Neuen
Die Baukunst der Gegenwart. In: Maria Bauen 1926-1961. Braunschweig 1979.
Schwarz, Ulrich Conrads (Hg.). Rudolf S. 154-175, Bauwelt-Fundamente 51
Schwarz. Wegweisung der Technik und andere
Schriften zum Neuen Bauen 1926-1961. Vom Sterben der Anmut. In: Maria Schwarz,
Braunschweig 1979. S. 178-189, Bauwelt- Ulrich Conrads (Hg.). Rudolf Schwarz. Weg¬
Fundamente 51 weisung der Technik und andere Schriften
zum Neuen Bauen 1926-1961. Braunschweig
1979. S. 46-68, Bauwelt-Fundamente 51

303
enverzeichnis
e tlichte Schriften

Dom. Ohne Ort (um 1920) 3 S. Gedanken zum Wiederaufbau von Köln am LTerhanghäuser. Eine alte Bauform wird wie¬
Typoskript Rhein. Vortrag, gehalten auf der 2. Arbeitsta¬ der zeitgemäß. Köln (um 1950) 3 S. Typo¬
gung des Deutschen Verbandes für Woh¬ skript
)k. Bildung der jungen Architekten. Ohne nungswesen, Städtebau und Raumplanung,
()rt; ohne Datum. 3 S. Handschrift Köln, 14. April 1947. Köln 1947. 29 S. Typo¬ Der Wiederaufbau der Stadt Köln. Köln (um
skript 1950) 2 S. Typoskript
Die Lehre zum Tun. Ohne Ort (um 1927) 9 S.
Typoskript Vorschlag zu einer Ausstellung schweizeri¬ Ansprache bei der Eröffnung der Poelzig-Aus-
scher Baukunst und Planung in Köln. Köln stellung in Krefeld, 17. Februar 1951. Köln
Vom Widerstand gegen die Gewalt. (Vortrags- 1947. 3 S. Typoskript 1951. 6 S. Typoskript
rnitschrift) Ohne Ort (um 1927) 9 S. Typo¬
skript Der Wiederaufbau von Köln. Bericht an den Menschlichkeit. Köln 1951. 3 S. Typoskript
Lord Mayor von Birmingham. Köln 1947. 8 S.
Soziale Frauenschule in Aachen. Aachen 1928. Typoskript Stadtplanung für die Menschen. Für die West¬
1 S. Typoskript deutsche Neue Presse. Köln 1952. 3 S. Typo¬
Bildung des fachlichen Nachwuchses an einer skript
Denkschrift über die Umgestaltung der Hand¬ Akademie für den Neubau Deutschlands. Mit
werker- und Kunstgewerbeschule zu Aachen. Anhang: Plan der Werkstätten der Stadt Frankfurt. Die Wiederaufbauplanung der Stadt Köln als
Aachen 1929. 36 S. Typoskript Frankfurt (um 1948) Beispiel des deutschen Städtebaus. Köln (um
13 S. Typoskript 1952) 11 S. Typoskript
Plan zum Aufbau einer grafischen und typo¬
grafischen Werkstatt an der Aachener Kunst¬ Ideen zum Wiederaufbau der Stadt Köln. Vor¬ Gegenwartsfragen der Baukunst. Vortrags¬
gewerbeschule. Aachen (um 1930) 4 S. Typo¬ trag, gehalten vor dem Kölner Haus- und notizen, 10. Dezember 1953. Köln 1953. 7 S.
skript Grundbesitzerverein am 25. Juli 1948, Köln, Handschrift
Aula der Universität. Köln 1948. 8 S. Typo¬
Liturgie und Kirchenbau. Denkschrift aus An¬ skript Nachdenkliches und Vordenkliches zur Kölner
laß des Neubaus der Sankt Annenkirche in Stadtplanung. Köln 1953. 8 S. Typoskript
Berlin-Lichterfelde. Berlin 1936. 35 S. Die Neugestaltung der LIohe-Straße-Gegend.
Typoskript Köln 1948. 2 S. Typoskript Die fünfte Mechternkirche. Frankfurt 1954.
2 S. Typoskript
Manuskript zu Liebfrauen,Trier. Köln (um Wesen der christlichen Kunst nach Evangelist
1937) 3 S. Typoskript Johannes. Vortrag, gehalten am 10. Mai 1948 Der Aufbau zerstörter Städte. Vortrag in der
in Altenberg. Köln 1948. 12 S. Typoskript Sendereihe »Der deutsche Wiederaufbau nach
Vorläufige Siedlungsplanung im Wirtschafts¬ dem Kriege« des hessischen Rundfunks,
raum Diedenhofen. Diedenhofen 1942. 24 S. Das zukünftige Köln. Rede im Kongreßsaal Frankfurt, 13. Februar 1955. Frankfurt 1955.
Typoskript der Messe, 6. Oktober 1948. Köln 1948. 17 S. 6 S. Typoskript
Typoskript
Stadtlandschaft Diedenhofen. Metz 1943. 44 Die Folgen des Braumkohleabbaus im Raume
S. Typoskript Zur Eröffnung der englischen Architekturaus¬ Lövenich-Brauweiler für die landesplanerische
stellung am 20. November 1948. Köln 1948. Gestaltung westlich von Köln. Köln 1955.
Dorfplanung in Lothringen. In: Wiederaufbau 4S. Typoskript 13 S. Typoskript
im Gau Westmark. Berlin 1944. S. 32-37 (un¬
veröffentlichte Korrekturfahnen) Zusammenfassender Bericht über die Ver¬ Der Mensch und die Großstadt. Vortrag bei
kehrsplanung von Groß-Köln. Köln 1948. den Düsseldorfer Hochschulwochen. Frank¬
Lothringens Bestand als Aufgabe. In: Wieder¬ 12 S. Typoskript furt 1955. 2 S. Typoskript
aufbau im Gau Westmark. Berlin 1944.
S. 3-17 (unveröffentlichte Korrekturfahnen) Zur Ausstellung französischer Architektur in Das Schicksal der großen Städte. Vortrag, ge¬
Köln. Köln 1949. 5 S. Typoskript halten in Freiburg 1955. Ohne Ort 1955.
Zwischenbericht über die Planungsaufgaben 9 S. Handschrift
im Raum des lothringischen Kohleabbau¬ Das dritte Köln. Köln (um 1949) 5 S.
gebietes. Metz 1944. 39 S. Typoskript Typoskript Übergabe des Schlüssels zum Gürzenich am
1. Oktober 1955. Köln 1955. 11 S. Typoskript
Vorschlag für eine Akademie für den deut¬ Organisatorische Vorschläge für den Wieder¬
schen Neubau in Köln. Köln 1946. 2 S. aufbau von Stadtvierteln in Köln. Köln 1949. Architektur als heiliges Bild. Vortrag, gehalten
Typoskript 3 S. Typoskript auf dem 77. Deutschen Katholikentag 1956,
Köln. Köln 1956. 32 S. Typoskript
Bericht an das Präsidiumm des deutschen Die Notwendigkeit einer großräumlichen
Städtetages. Köln 1947. 10 S. Typoskript Ordnung der Kölner Bucht. Köln (um 1950) Verpflichtung und Freiheit im Kirchenbau.
6 S. Typoskript Für den »Tagesspiegel«. (Nicht gedruckt).
Deutzer Freiheit. Köln 1947. 2 S. Typoskript Frankfurt 1957. 14 S. Typoskript
Stadtplanung am Alter Markt. Köln (um 1950)
1 S. Typoskript

304
Wie beleuchtet man Museen? Vortrag gehal¬
ten vor der Arbeitsgemeinschaft kultureller
Organisationen, Düsseldorf, 27. April 1957.
Frankfurt 1957. 7 S. Typoskript

Zur Wiederherstellung alter Bauten. (Gürze¬


nich). Köln 1957. 2 S. Typoskript

Die Taufe. Tagungsbericht. Köln 1958. 3 S.


Typoskript

Zum Tode von Henry van de Velde. Rede in


Hamburg, 13. Juli 1958 vor der Abteilung
Baukunst der Akademie der Künste Berlin.
Berlin 1958. 5 S. Typoskript

Zum Tode Henry van de Veldes. Rede in


Berlin, 24. November 1958 vor der Mitglie¬
derversammlung der Akademie der Künste
Berlin. Berlin 1958. 4 S. Typoskript

Fortsetzung des Wiederaufbaus der Pauls¬


kirche, Frankfurt. Frankfurt i960. 10 S.
Typoskript

Kulturzentrum Westvlaanderen. Gutachten


über die Entwürfe. Köln i960. 16 S.
Typoskript
Namensregister1

Aalto, Alvar 137, 139, 178, 178, 184, 185 277 (WV 132), 279-281 (WV 135, WV137, Cremer, Heiner 183
Abel, Adolf 168, 170, 178 WV 139, WV 140), 284-286 (WV 148, Culemann, Carl 104
Acken, Johannes van 46, 47 WV 153, WV 155)
Abercrombie, Patrick 124 Bernhard von Clairvaux 200 Decker, Josef 61
Adenauer, Konrad 113h, 119, 128, 163, 174, Bestelmeyer, German 25, 81, 101 Dehio, Georg 41
179,220 Biedrzynski, Richard 162 Dessauer, Friedrich 49, 191, 192
Adenauer, Max 163 Bill, Max 142 De Stijl 58
AG für Stickstoffdünger 267 (WV 113) Billing, Hermann 137 Deutsche Arbeitsfront (Daf) 107, 141
Aischylos 176 Birkner, Ernst 48, 48 Deutsche Bauhütte 73
Akademie der Künste, Berlin 77, 98, 184, 185, Blanck, Eugen 116, 117, 120, 132, 259 Deutscher Arbeitsdienst (Dad) 82, 232
198 (WV 90) (WV 8)
Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Böhm, Dominikus 12, 28, 31,46-55,47,50, Deutscher Heimatbund 102
(ADGB) 66 51, 55, 54, 57, 60, 64, 65, 81, 90, 91, 96, 97, Deutscher Katholikentag 33, 287 (WV 159)
Alliierter Kontrollrat 266 (WV 107) 99» H3> x52> l6o> l6l> i7°» 27°> 174, 180, Deutscher Werkbund (Dwb) 77, 99, 127, 198
Altgassen, Paul 262 (WV 97), 270 (WV 121), 197, 230 (WV 2), 231 (WV4), 234 (WV Dientzenhofer, Georg 160
279 (WV 136), 281-283 (WV 139, WV 10), 248 (WV 50), 253 (WV 70), 280 (WV Dientzenhofer, Johann 258 (WV 85)
142, WV 146), 285 (WV 153) 136) Döpfner, Julius Kardinal 286 (WV 154)
Antestoy, Joe 292 (WV 173) Böhm, Gottfried 117, 160, 161, 170, 170, 174 Domizlaff, Hildegard 265 (WV 103)
Amt für Schönheit der Arbeit 93 Böhme, Jakob 40 Dortmunder Union Brauerei 266 (WV 108),
Anetzberger, Hans 57 Boese, Walter 117 269 (WV 119)
Arbeitsausschuß für den Bau der Boklage, Alfons 269 (WV 118) Dierks, Helmut 183
Frauenfriedenskirche 231 (WV4) Bonatz, Paul 115, 116, 127, 170 Dirks, Walter 126, 127, 136
Arbeitsgemeinschaft für Industrie- und Bong 258 (WV 87) Docker, Richard 101-103, 116, 139, 141
Großraumplanung 267 (WV 113) Bongartz, Otto 65, 234 (WV 10) Döllgast, Hans 126, 127, 170
Arbeitsrat für Kunst 32, 59 Bornewasser, Franz Rudolf 86 Drese, Erwin 281 (WV7-139), 283 (WV 146),
Arbeitsstab Wiederaufbauplanung m, 115 Borrmann, Richard 20 294 (WV 175)
Arnold, Hermann 57, 81 Bosselt, Rudolf 56 Dudok, Willem Marinus 139
Augustinus, Aurelius 17 Bosslet, Albert 90, 91, 130 Dürer, Albrecht 196, 196
Aussem, Josef 37, 44, 197 Brandes, Robert 80 Düttmann, Werner 174
Brandt, Hans Werner 184 Durth, Werner 142
Badenheuer, Grete 247 (WV 47) Braunstorfinger, Martin 291 (WV 168)
Bächtold, Rolf 184 Brecht, Bert 176 Ebeling, Siegfried 73
Bakema, Jacob Berend 291 (WV 166) Breuer, Marcel 137 Eberhardt, Hugo 49, 55
Balke, Klaus 268 (WV 114) Brinckmann, Albert Erich 23, 197 Eckehart (Eckhart), Meister 40, 85, 200
Band, Karl 116, 117, 120, 124, 125, 163-166, Breuer, Marcel 58 Eiermann, Egon 10, 26, 94, 139
164, 190, 267, 268 (WV 114), 298 (WV Brockmann, Ernst F.L. 177 Ehmcke, Fritz Helmut 58
184) Broek, Johannes Hendrik van den 291 Elsaesser, Martin 116
Bartmann, Heinrich 170 (WV 166) Eling, Paul 182, 183, 184, 295 (WV 177), 297
Bartning, Otto 10, 45, 65, 126, 138, 139, 152 Bröker, Karl-Heinz 275 (WV 128) (WV 184)
Bauhütte 59 Brüning, Heinrich 79 Endell, August 137
Baum, Julius 51 Bürckel, Josef 100, 111 Engels, Franz 265 (WV 106)
Baumewerd, Dieter Georg 181, 182, 183, 183., Bund Deutscher Architekten (Bda) 94, 138 Engels, Friedrich 113
287 (WV 159), 295 (WV 177) Burauen, Theo 163 Enkling, Josef 93, 243 (WV 34)
Baumgarten, Paul 188, 188, 297 (WV 182) Burlage, Theo 274 (WV 125) Ernst-Cassel-Stiftung 117
Baur, Hermann 291 (WV 167) Buschulte, Wilhelm 260 (WV 90), 262 Eulenbruch, Maria 58, 60, 61, 229 (WV 1),
Bayerischer Volkshochschulverband 82 (WV 96), 263 (WV 97), 285 (WV 149), 286 238 (WV 20)
Becker, Karin 148 (WV 153), 295 (WV 178), 297 (WV 181),
Beethoven, Ludwig van 31 298 (WV 185) Faber, Kurt 183, 183, 184, 284 (WV 147), 285
Behne, Adolf 26, 138 Buttlar, Herbert Freiherr von 138 (WV 150, WV 151), 287 (WV 156), 290
Behrens, Peter 48, 54-56, 138, 231 (WV4) (WV 164), 291 (WV 166, WV 169)
Benn, Gottfried 114 Campendonk, Heinrich 181 Fahrenkamp, Emil 55, 181
Bernard, Josef 11, 117, 132, 133, 160, 163, Candela, Felix 161 Farwick, Wilhelm 80
164, 164, 169, 171-173, 174, 176, 177, 180, Cassirer, Ernst 14 Fechter, Paul 44
223, 225, 262 (WV 96), 264-270 (WV 100, Charles, Karl-Heinz 183 Feder, Gottfried 78, 81, 104, 107, 110
WV 105, WV 108, WV 109, WV m, WV Cetto, Max 78 Fiedler, Günter 297 (WV 183)
113-116), 270 (WV 121), 273 (WV 123), Christ, Rudolf 170 Finsterlin, Hermann 138, 140
Christlich-Demokratische Union (CDU) Fischbach, W. 251 (WV 60)
112, 114 Fischer, Alfred 152
Claasen, Hermann 210 Fischer, Theodor 10, 66, 78, 96, 109, 217
i Nicht erfaßt sind Namen, die in Literatur- und
Clemen, Paul 41 Fleischer, Michael 115, 116
Quellenangaben auftreten, sowie Rudolf Schwarz
selbst. Kursiv gesetzte Seitenangaben beziehen Congres Internationale d’Architecture Flüge 245 (WV 41)
sich auf Abbildungen im Textteil. Moderne (ClAM) 124 Flügel, Horst 183

307
ii.s umsverein 277 (WV 132) Hebebrand, Werner 139, 187 Keller, Rolf 111
1 •.;)■(}, Henry 141 Hecker, Peter 263 (WV 97) Kirchgässner, Alfons 150, 180

. Norman 188 Hentrich, Helmut 26 Klee, Paul 181


i rank, Josef 138 Hentrich & Petschnigg 177 Kleinertz, Wilhelm 117
Franke,Josef 152 Heidegger, Martin 86, 139 Kleinjohann, Günter 287 (WV 157), 292
■ ranz von Assisi 200 Heiermann, Theo 268 (WV r 14), 283 (WV (WV 171)
5 (WV 106), 284 (WV 149), 146), 287 (WV 159) Knappe, Karl 278 (WV 133), 286 (WV 154),
286 (WV 154), 288 (WV 162), 290 (WV Herfurth, Hans 117 294 (WV 174)
163), 292 (WV 170) Herkommer, Hans 54, 55, 231 (WV 4) Koch, Rudolf 49
Friedrich II., König von Preußen 25 Herpich, Hanns 260 (WV 96) Köngeter, Walter 181, 184
Fries, Heinrich de 42, 181 Herrmann, Herbert 265 (WV 106), 283 Koerfer, Jacob 23, 24, 96, 197
Fries & Sohn 256 (WV 74) (WV 146), 285 (WV 153), 286 (WV 154), Kolbitsch, Rudolf 288 (WV 161)
Frings, Josef Kardinal 163 294-296 (WV 174, WV 175, WV 178, Koller, Peter 182 , 184
Frühauf, Hermann 242 (WV 32), 246 (WV 44) WV 179, WV 181) Kollwitz, Käthe 168, 268 (WV 114)
Herwegen, Ildefons 18, 45 Kossak, Gustav 183
Garbe, Heinz 252 (WV 64) Hilberseimer, Ludwig 94, 106, 110 Krabbel, Gerta 52, 54, 55, 230 (WV 3), 234
Gaudi, Antoni 138 Hildegard, Gemahlin Karls des Großen 103 (WV 11)
Gebhart, Friedrich 278 (WV 133) Hilger, Hans 83, 238 (WV 20), 260 (WV 91) Kraemer, Sieverts & Partner 268 (WV 114)
George, Stefan 79, 224 Hiliebrand, Elmar 167, 268 (WV 114) Krahn, Johannes 49, 62, 64, 64, 65, 66, 95,
Gerhardus, Meister 29 Hillebrecht, Rudolf 124, 186 96-99, 132, 179, 232-234 (WV 8, WV 10,
Gernot, Heinz 262 (WV 96) Hirz, F.W. 110 WV 12), 236-253 (WV 13, WV 15-27,
Gerstenmaier, Eugen 188 Hitler, Adolf 10, 78-81, 91, 99 WV 29-39, WV 41, WV43-51, WV 53,
Gesellschaft für Christliche Kultur, Köln 128 Hitlerjugend 82, 242 (WV 31) WV 54, WV 56-60, WV 62-64, WV
Gestapo, Geheime Staatspolizei 81, 82, 211 Hitzig, Friedrich 21 66-70), 256 (WV 74, WV 78), 259 (WV 89,
Geyer, Wilhelm 259 (WV 90), 265 (WV 103), Hölderlin, Friedrich 13 90), 262 (WV 97), 285 (WV 150)
276 (WV 129) Hoff, August 49, 54, 57 Kreis, Wilhelm 181
Gibberd, Frederick 123 Hoffmann, Hermann 36 Krencker, Daniel 20, 21
Gies, Ludwig 168, 241 (WV29), 248 (WV50), Hoffmann, Hubert 137, 141 Kreutzberger, Werner 174
268 (WV 114), 273 (WV 123) Hoffmann, Julius 51 Kreuzer, Martin 183
Giesbert, Wilhelm 57, 59, 60, 81 Hohmann, Karl Heinz 183, 184 Kriegsgefallenendenkmal-Ausschuß Mariadorf
Giesen 266 (WV 109) Hoke, Giselbert 290 (WV 163) 237 (WV 14)
Goebbels, Joseph 78, 81 Holzbauer 231 (WV 4) Krings, Heinrich 23, 24, 197
Görlinger, Robert 116 Holzmeister, Clemens 55, 98, 130, 181 Kurz, Otto Ludwig 55
Goethe, Johann Wolfgang von 87, 112, 211 Homer 17
Goetz, Karl Otto 296 (WV 180) Horn, Curt 62 Lächere 103

Gollrad, Josef 56, 57 Hoss, Walther 101 Ladner, Franz 182 , 183
Gondrom, Ernst (?) 117 Hürten, Sepp 167, 268 (WV 114) Lang, Maria, vgl. Schwarz, Maria
Gontard, Karl von 25, 2y Husserl, Edmund 86, 87 Lang-Pack, Claudia 10
Greune, Karlheinz 182 Laub, Georg 111
Grieshaber, Fritz 40 Ibsen, Henrik 29 Lauterbach, Heinrich 26
Gröber, Conrad 80 Iserlohe, Klaus 236 (WV 12) Le Corbusier (Charles-Edouard Jeanneret) 40,
Grohe, Josef 80, 116 Itten, Johannes 85 42, 124, 137, 138, 138 , 160, 166, 192
Gropius, Walter 32, 56, 59, 60, 66, 78, 100, Legeay, Jean 25
vy-v2- I4° Jansen, Hermann 119 Lehmbrock, Manfred 174
Groth, Klaus Johann 36 Jansen, Quirin 80 , 81 Leid, Alfons 66, 78, 91, 94, 96, 97, 99, 110,
Grützke, Johannes 260 (WV 90) Jatho, Kurt 117 118, 126, 139, 142, 160, 230 (WV 3)
Grund, Peter 139 Jünger, Ernst 48 Leonardo da Vinci 220
Guardini, Romano 12, 31, 32, 36-38, 40, 42, Leowald, Georg 139
44-49, 44, 60, 70, 73, 74, 78, 85, 96-98, Kaesbach, Walter 181 Lersch, Heinrich 58
117, 09- T40> I9I- I97- 2o6» 242 (WV 33) Kaldenhoff, Helmut 268 (WV 114) Letailleur, Alfons 57, 81
Güldenpfennig, Hans 121 Kampfbund für Deutsche Kultur 80, 81, 141 Leuzinger, Hans 170
Günther, Harald 183 Kampfbund Deutscher Architekten und Ley, Robert 80, 107
Gutbrod, Rolf 178 Ingenieure (Kdai) 80, 81 Liebei, L. 104
Gutmann, Franz 275 (WV 128) Kamps, Heinrich 182 Lill, Fritz 55
Gutmann, Helmut 180 , 277 (WV 133), 282 Kapellenverein Leversbach 238 (WV 20) Lindner, Werner 102, 104
(WV 142) Karl der Große, Kaiser 103, 114 Link, Stephan 73
Gutschow, Konstanty 104 Karl Theodor, Kurfürst von der Pfalz und Lionardo da Vinci, vgl. Leonardo da Vinci
Bayern 181 Lodders, Rudolf 94, 139
Hablik, Wenzel 3 2 Karl-Ernst-Osthaus-Bund, Hagen 60 Lods, Marcel 124
Häring, Hugo 78, 85, 93, 138, 139, 194 Karlinger, Hans 41, 64 Löwenstein, Alois Fürst zu 36, 229 (WV 1)
Haese, Günter 275 (WV 128) Karnapp, Birgit-Verena 91 Lom, Walter von 175
Hagen, Günter 267 (WV 114) Karow, Otto 57, 81 Loos, Adolf 137
Hagen-Weyres, Marianne 267 (WV 114) Katholischer Deutscher Frauenbund 52 Lorca, Federico Garcfa 176
Harperscheid 263 (WV 98) Katholisches Gesellenhospitium, Köln 266 Loy, Horst 174
Hasemeier, Robert 58 (WV 110) Lucae, Richard 21

Haubrich, Josef 175 Katzgrau, Maria 277 (WV 131), 294 Luckenbach, Siegfried 183
Hauch, Karl-Heinz 292 (WV 170) (WV 175) Luckhardt, Hans 78

308
Luckhardt, Wassili 78, 188, 188 , 190, 297 Neutra, Richard 177 Reinhold, H.A. 100
(WV 182, \W 183) Nonn, Konrad 141 Renard 117
Ludmann, Harald 117 Notker 85 Renger-Patzsch, Albert 48, 79
Ludowici, Wilhelm 103, 104
Revell, Viljo 186
Ludwig, Peter 175 Östberg, Ragnar 190 Rheindorf, Hanns 263 (WA 97)
Lünenborg, Hans 167, 268 (WV 114) Oesterlen, Dieter 174 Ricci, Corrado 50, 51, 54
Lützeier, Heinrich 130 Oetker, Heinz 251 (WV 63) Riemerschmid, Richard 56, 60
Olbrich, Josef Maria 137, 185 Riezler, Walter 83
Mäckler, Hermann 132 Olencki, Edward von 183 Riffart, Hermann 181
Mann, Thomas 114 Oratorium des Heiligen Philipp Neri 241 Rilke, Rainer Maria 86
Manthey 62 (WV29) Rimpl, Herbert 96, 99, 180
Mantziaras, Panos 113 Organisation Todt 99 Riphahn, Wilhelm 116, 117, 122, 124,
Mareks, Gerhard 81 Ortega y Gasset, Jose 139 174, 176, /77, 180, 267 (WV 113), 280
Marx, Karl 113 Oschmann, Otto 109 (WV 137)
Matare, Ewald 168, 181, 268 (WV 114), 272 Ottmer, Karl 187 Ritter, Roland 232 (WV 8)
(VW 121), 276 (WV 129), 278 (WV 133) Otzen, Johannes 24 Roether, Bernhard 248 (WV 51)
Matthew, Robert H. 178 Oud, Jacobus Johannes Pieter 139 Rombach, Wilhelm 70, 80
May, Ernst 54, 94, 97, 116, 231 (WV 4) Rosenberg, Alfred 78, 80, 81
Meistermann, Georg 152, 133 , 196, 264 Pankok, Bernhard 56 Rosiny, Nikolaus 160, 276 (WV 131)
(WV 98), 273 (WV 122), 278 (WV 133), Panzer, Ernst 170 Rossig, Hans 188
279 (WV 135), 281 (WV 139), 283 Papen, Franz von 81 Ruf, Sep 188, 297 (WV 183)
(WV 146), 287 (WV 157), 288 (WV 161), Paracelsus 85 Rupprecht 245 (WV 42)
295 (WV 176) Pascal, Blaise 17, 208 Rupprecht, Wilhelm 59, 60, 60 , 61, 235
Mendelsohn, Erich 31, 57, 100, 137, 138 Paul, Bruno 56 (WW12)
Metternich, Franz Graf 41, 128 Peifer, Herman 117
xMeunier, Franz 139 Perret, Auguste 124 Sa (Sturmabteilung) 77, 132
Meyer, Hannes 60, 66, 137 Petsch, Joachim 142 Sagebiel, Ernst 96
Meyer, Peter 138 Petsch, Wiltrud 142 Sass, Alois 112, 273 (WV 124), 281 (WV 141)
Mies van der Rohe, Ludwig 13, 55, 58, 73, 77, Peuser, Rudolf 244 (WV 36) Schädel, Hans 159, 160, 186, 248 (WV 49),
80, 81, 93, 99, 100, 114, 115, 137, 139, 141, Pfau, Bernhard 177, 178 , 295 (WV 177) 292 (WV 172)
142, 174, 177, 777, 191, 192, 792, 194-196, Platz, Gustav Adolf 65 Schäfer, Georg 192
795, 210-212, 280 (WV 137) Pfister, Rudolf 139 Schäfer & Besier 139
Miljutin, Nikolaj Alexandrowitsch 106 Pinand, Hubert 55, 152 Schaffrath, Ludwig 236 (WV 12), 275
Milles, Herbert (?) 184 Pirandello, Luigi 176 (WV128)
Minkenberg, Hein 58, 60, 61, 81, 229 (WV 1), Pirlet, Josef 73, 161, 162 Schaller, Fritz 117, 168, 266 (WV 109,
235 (WV 12), 238 (WV 20) Piscator, Erwin 176 WV 110)
Minne, George 277 (WV 132) Pius X., Papst 45, 83 Scharoun, Hans 32, 93, 94, 139, 176, 177 , 184,
Modern Architectural Research Group (Mars) Pius XIL, Papst 143 183, 294 (WV 176)
106, 124 Planungsgemeinschaft Paulskirche 134, Schaupp, Gottlob 132, 259 (WA7 90)
Mönckeberg, Vilma 38 134-136, 179, 259, 260 (WV 90) Scheerbart, Paul 32
Moll, Oskar 181 Planungs GmbH, Köln 116 Scheffler, Karl 26
Moussa, Moustafa 183 Planungsstelle Diedenhofen 103, 104, 103 , Scheler, Max 86, 140, 191
Müller, Georg 99, 256-258 (WV 75, WV 76, 110, 117, 198, 254 (WV 72) Schickei, Anton 59, 60, 61, 229 (WV 1), 238
WV 83-87) Planungsstelle Lothringen 106, 107 , 110, 198, (WV 20)
Müller, Lothar 249 (WV 54) 255 (WV 72) Schiffner, Max 246 (WV 45)
Müller-Wulckow, Walter 30, 65 Poelzig, Hans 10, 13, 23-31, 25-27, 38, 56, Schilling, Hans 759, 160, 163, 164, 168, 267
Mundt, Johann 80 60, 78, 81, 85, 90, 138, 168, 177, 178, 197 (WV 112), 268 (WW 114)
Museumsverein Duisburg 60 Pönsgen, Jochen 282 (WV 143) Schlösser, Karl-Heinz 267 (WV 114)
Mussolini, Benito 78 Posener, Julius 20, 21 Schmeer, Rudolf 80
Muth, Karl 51 Pünder, Hermann 118 Schmidt, Konrad 59
Muthesius, Hermann 10, 21, 56 Schmidthüs, Karlheinz 80, 85
Mutschler, Carlffied 160 Quickborn 12, 36, 37, 42, 44, 55, 78, 82, 197, Schmitt, Friedrich 184
229 (WV 1) Schmitthenner, Paul 57, 79, 106, 117, 138, 141
Nachtigaller, Anton 59 Schmitt-Rost, Hans 114, 127, 128, 168
Nagel, Paul 268 (WV 114), 278 (WV 134) Radziwill, Franz 181 Schmitz, Bruno 137
Napoleon I.Bonaparte, Kaiser 20 Rainer, Roland 118 Schmitz, Stephan und Hans 269 (WV 116)
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Raschdorff, Julius 163 Schnackers, Irmelie 183
(Nsdap) 79, 80, 98, 104, 109, 116, 120, 141 Rausch, Rudolf 183 Schneider, Lambert 112
Nationalsozialistischer Bund Deutscher Rechenberg, Fritz 104, 107 Schneider-Esleben, Paul 264 (WV 101), 266
Techniker 99 Reichow, Hans Bernhard 106, 107 , 110, 118 (WV110)
Nauen, Heinrich 181 Reichsarbeitsdienst (Rad) 82, 232 (WV 8) Schneiders, Thea 241 (WV 29)
Neu, A.W. 36 Reichsforschungsanstalt für Wirtschaftlichkeit Schnell, Hugo 91, 162
Neufert, Ernst 139, 141 im Bau- und Wohnungswesen 141 Schöfer, Rene von 77, 179
Neundörfer, Ludwig 37, 45 Reichsheimstättenamt 93 Schönlau, Karl-Heinz 183
Neumeyer, Fritz 73, 191 Reichswerke Hermann Göring 96, 98, 99, 110 Scholz, Herbert 183
Neuner 110 Reidemeister, Leopold 175 Schopenhauer, Arthur 113
Neupert, Karl 104 Reinhardt, Max 25, 26, 29, 176 Schorn, Wilhelm 162

309
, i: i ii c, J ose f 2 40 (WV 2 6) Speer, Albert 99, 107, in, 141 Wachsmann, Konrad 26
, Karl 281 (WV 139) Spengler, Oswald 113, 114 Wagner, Martin 10, 12, 77, 99, 103, 106, 192
■ nennen, Theo 276 (WV 129) Spiegel, Hans 77 Wagner, Otto 137, 185
' nubert, Rudolf 117 Springob, Martin 265 (WV 105) Wallot, Paul 187, 187, 188
Schüller, Hans 183 Springob, Werner 267 (WV 111) Walther von der Vogelweide 99, 252 (WV 65)
Schürmann, Joachim 160, 162 Ss-Bodenamt 109 Wandervogel 36
Schütte, Franz 273 (WV 124), 281 (WV 141) Stapp, Maria 241 (WV 29) Warnecke, Hans 138, 247 (WV 47), 250 (WV
Schulte-Frohlinde, Julius 104, 141 Steffann, Emil 10, 57, 96, 98, 99, 102, 102, 58), 252 (WV 64), 256 (WV 76)
Schultze-Naumburg, Paul 81 103, 109, 110, 72 7, 126, 160, 242 (WV 33), Weber, Clemens 99, 100, 101, 103, 109, 111
Schulze Vellinghausen, Albert 114, 130, 142 245 (WV 40), 251 (WV 63), 267 (WV 112), Weber, Gerhard 192, 280 (WV 137)
Schumacher, Fritz 10, 110, 114, 116-122, 119, 281 (WV 138) Weber, Martin 46, 47, 50, 51, 55, 85, £5, 143,
124, 220 Steffann, Johanna 98 256 (WV 74), 265 (WV 104)
Schumacher, Hans 170 Steffann, Jutta 99 W eersch, Emmy van, geb. Schweitzer 38, 52,
Schupp, Fritz 94 Steinbach, Rudolf 102, 103, 109, 127, 130, 54> 55
Schuster, Franz 139 143, 139, 148, 149, 160, 258 (WV 85), 275 Wegener, Paul 25
Schwab, Alexander 138 (WV 128), 276 (WV 129), 278 (WV 134), Weiger, Josef 38
Schwab, Otto 17, 241 (WV 27) 285 (WV 152) Weigmann, Paul 268 (WV 114)
Schwagenscheidt, Walter 106 Steinmetz, Georg 36, 197 Weiler, Eugen 288 (WV 160)
Schwarz, Hilar (Vater) 17-19, /7, 114, 197 Stienz, Jutta 298 (WV 185) Weinbrenner, Friedrich 282, 283 (WV 144)
Schwarz, Josef (Bruder) 17-19, 77, 23, 70, Stifter, Adalbert 102 Weiss, Albert 20
112, 241 (WV 27) Stooß, Alfred 119 Weizsäcker, Carl Friedrich von 139
Schwarz, Maria, geh.Lang (Ehefrau) 10, 16, Sträter, Hermann-Josef 55, 70 Wendland, Winfried 91
1x7, 745, 179, 180, 180, 198, 241 (WV 29), Straetmans, Hans 183 Wendling, Anton 59, 58, 60, 60, 81, 229
260 (WV 90), 262, 263 (WV 97), 265 (WV Strehler, Bernhard 37, 38 (WV 1), 230 (WV 3), 241 (WV 29), 265
106), 267 (WV I 14), 272-284 (WV 122, Strindberg, August 176 (WV 106), 280 (WV 136)
WV 125-129, WV 131, WV 133, WV 134, Strohl, Hilde 10, 288 (WV 161), 294 Wever, Klaus 260 (WV 90)
WV 136, WV 138, WV 139, WV 142, (WV 174, WV 176), 296 (WV 179), 298 Weyres, Willy 262 (WV 96), 285 (WV 152)
WV 145, WV 146, WV 149), 288 (WV 161, (WV185) Werkbund, vgl. Deutscher Werkbund
WV 162), 290-292 (WV 163, WV Strohl, Werner 294 (WV 174), 296 (WV 180) Werhahn, Peter H. 184
169-171), 294 (WV 174-176), 296 (WV Studienkreis für Kirchenkunst 85, 143 Werner, Bruno E. 78
180, WV 181), 298 (WV 185) Stübben, Hermann Joseph 109, 118, 119, 121 Westheim, Paul 26
Schwarz, Maria (Schwester) 17, 77, 18, 23, Stumpf, Werner 279 (WV 136) Wetzel, Heinz 106
70, 112 Suth, Wilhelm 116 Whitehead, Alfred North 191
Schwarz, Paula Johanna (Mutter) 17, 77, 23, Synodalverband Hessen 259 (WV 90) Wiehert, Fritz 81
51» 79- 96> 99- II2> 1 197 Szekessy, Zoltan 298 (WV 186) Wiederaufbau-Abteilung Diedenhofen 102,
Schwechten, Franz 24, 25 103, 110
Schweitzer, Emmy, vgl. Weersch, Emmy van Talleur, Bernhard 245 (WV 43) Wiederaufbauamt Westmark 100, 101, 198
Schweitzer, Leopold 23 Tamms, Friedrich 26, 177 Wiederaufbau GmbH, Köln 116, 117, 120,
Schweizer, Otto Ernst 106, 114, 115, 139, 280 Tange, Kenzo 186 261 (WV 95), 265 (WV 105)
(WV 137) Taut, Bruno 26, 32, 40, 42, 109, 112, 138 Wimmenauer, Karl 179, 779, 180, 256
Schwerdt, Fritz 61, 238 (WV 20), 258 Taut, Max 32, 139 (WV 76), 258-266 (WV 85, WV 90-93,
(WV 85), 278 (WV 133) Taylor, Frederick Winslow 141 WV 97-99, WV 102-104, WV 106, WV
Schwerin-Krosigk, Johann Ludwig Graf Tessenow, Heinrich 10, 68, 69, 77, 99 110), 269 (WV 117-119), 270 (WV 120),
110 Teuwen, Wilhelm 250 (WV 58) 272-283 (WV 122, WV 124, WV 126-131,
Schwering, Ernst 765 Thiersch, Paul 55, 56 WV 133, WV 134, WV 136, WV 138,
Schweyer, Carl 116 Tholen, Peter 70 WV 141, WV 143, WV 144, WV 146), 291
Schwippert, Curt 237 (WV 14) Thoma, Raimund 54, 230 (WV 2) (WV 165, WV 167, WV 168)
Schwippert, Hans 10, 57, 58, y#, 62-64, Thorn-Prikker, Johan 55, 58 Wimmer, Hein 265 (WV 106), 274 (WV 126)
64, 6y, 66, 67, 81, 94, 97, 112, 126, 139, Tiepelmann, Ludwig 181, 182, 183, 184, 185, Wingler, Hans Maria 59, 142
179, 181, 182, 182, 186, 191, 232-234 295 (WV 177), 297 (WV 182-184) Winter, A. 2 5 3 (WV 69)
(WV 9-12), 236 (WV 13) Troost, Paul Ludwig 266 (WV 107) Wirsing, Giselher 160
Sedlmayr, Hans 139 Witte 55
Seeßelberg, Friedrich 20, 21 LJngers, Owald Mathias 152 Wlttwer, Hans 60
Seewald, Richard 268 (WV 114) Unruh, Walter 280 (WV 137) Wohnungsbau Gag, Köln 117
Seiss-Inquart, Arthur 100 Wohnungsbaugesellschaft Grund und Boden,
Segal, Walter 26 Velde, Henry van de 56, 137, 139 Köln 117
Semper, Gottfried 56 Verband Katholischer Akademiker 37 Wolfe, Tom 13 7
Senger, Alexander von 141 Verein der Quickbornfreunde 36, 229 (WV 1), Wortmann, Wilhelm 104
Seuse, Heinrich 40 232 (WV8) Wright, Frank Lloyd 113, 137-139
Shakespeare, William 176 Verein Rheinischer Braunkohlenbergwerke
Siedler, Wolf Jobst 12 183, 284 (WV 147) Zehgruber, Fritz 262 (WV 96)
Sitte, Camillo 24 Vereinigung der Freunde von Burg Rothenfels Zeller, Josef 238 (WV 20)
Smets 62 82 Zentralstelle für den Aufbau Smttgarts 116
Sozialdemokratische Partei Deutschlands Vernukken, Wilhelm 190 Zentrum, Zentrumspartei 79, 80
(Spd)116, 163 Vitruv 152 Zwirner, Ernst Friedrich 163
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Volk, Georg 93, 242 (WV 30), 243 (WV 34)
(Sed)187 Vonhoff, Erika 268 (WV 114)

310
Ortsregister - Bauten und Projekte1

Aachen Beuron St. Anna 144, 745, 276, 276, 277


Heiliggeist 57, 63-65, 64, 63, 70, 148, 233, Vetus Latina 18, 292 Stadthalle 285
2ss, 234, 2S4 Bischwald bei St. Avold Duisburg-Wanheimerort
Soziale Frauenschule 16, 66, 68, 68, 69, Landesplanung 110, 255 Haus Flüge 94, 245, 247
236, 236 Bocholt
Wohlfahrtsschule 66, 234, 234 St. Georg 286, 286, 287 Epprath/Rheinisches Braunkohlerevier
Aachen-Burtscheid Böllingen/Südlothringen Landesplanung 284
Friedhof 237 Ortsplanung 103, 103, 254 Eschweiler-Dürrwiß
Haus der Jugend 57, 60, 66, 67, 232, 232, Bolchen bei St. Avold Pfarrkirche 264, 264
7 2 7 7 7
Landesplanung 110, 255 Essen
Aachen-Forst Bottrop Folkwangmuseum 277, 277
St. Bonifatius 31, 158, is8, 294, 294 Heilig Kreuz 152, 152, 753, 281, 281 Essen-Bedingrade
Aachen-Rothe Erde Boulay-Moselle, vgl. Bolchen St. Franziskus 282, 282
St. Fronleichnam 54, 57, 60, 61, 64, 65, Brauweiler bei Köln Essen-Frohnhausen
70-77, 71-76, 83, 85, 90, 93, 139, 141, 144, Landesplanung 183, 284 St. Antonius 156, 756, 737, 287, 287
146, 148, 156, 234-236, 234, 235 Bremen Essen-Rüttenscheid
Algringen bei Diedenhofen Haus der Bürgerschaft 186, 188, 190, 790, St. Andreas 150, 777, 282, 282
Ortsplanung 2 54 197> 297
Alsdorf-Mariadorf bei Aachen Bremen-Gröpelingen Fey, vgl. Buchen
Totenkreuz 237, 237 St. Adalbert 150, 247, 247 Frammersbach/Spessart
Alzenau-Wasserlos Buchen bei Metz Kreuzkapelle 256
St. Marien 247, 247 Ortsplanung 110, 254 Frankenthal
Andernach Budenheim bei Mainz Ortsplanung in, 255
St. Albert 144, 257, 257, 276, 276 Doppelhaus 98, 252, 252 Frankfurt am Main
Anotto Bay, Jamaica Bürgstadt/Main Kapelle Marienkrankenhaus 265
St. Theresia 292 St. Margareta 247, 247, 248 Liebfrauen 265
Aschaffenburg-Damm Paulskirche 13, 16, 98, 130, 132, 134-136,
St. Konrad 244, 244, 245 Cadolzburg bei Fürth 734-736, 211, 259, 279, 260
Aschaffenburg-Schweinheim Cadolzburg 242 St. Michael 146, 150, 730, 161, 277,
St. Gertrud 146, 286, 286 Coin-les-Cuvry, vgl. Kuberneck 277, 278
Coin-sur-Seille, vgl. Selzeck Frankfurt-Bockenheim
Bad Camberg-Schwickershausen Cuvry, vgl. Kubern Frauenfriedenskirche 28, 52-55, 53, 74, 57,
Pfarrkirche 264 64, 70, 144, 146, 156, 231, 237, 250
Bad Ems Dalheim/Südlothringen St. Elisabeth 53, 250, 230
St. Martin 259 Ortsplanung 103, 254 Frankfurt-Fechenheim
Bad Orb Dalhein, vgl. Dalheim Werksanlagen Fries & Sohn 98, 256
Pfarrkirche (?) 257 Darmstadt Frankfurt-Sachsenhausen
St. Michael 292 Mädchenschule, Mädchenberufsschule 139, Notkirche 287
Bedburg/Erft 185, 2 74. 274 , 2 75 St. Bonifatius 258
Landesplanung 183, 18s Darshoven-Tollhaus/Rheinisches Zweifamilienhaus Fischbach 94, 98, 290,

Bellange, vgl.Böllingen Braunkohlerevier 251


Bendorf/Rhein Landesplanung 284 Zweifamilienhaus Schwarz 94, 96, 98, 250,

Kapelle Hedwig Dransfeld-Haus 55, Diedenhofen/Mosel, Lothringen 230, 251, 237

230, 230 Stadt- und Landesplanung 102-107, Frankfurt-Zeilsheim


Berlin 104-107, 109, 110, 113, 117, 119, 198, 254, St. Bartolomäus 265
Reichstag 13, 186-189, 187-189, 297, 297 255.235 Frechen bei Köln
Berlin-Charlottenburg Diez/Lahn Maria Königin 148, 149, 278, 278, 279
Regina Martyrum 31, 143, 158, 159, 186, Pfarrkirche 257 Freudenberg bei Amberg
292,292 Dortmund Pfarrkirche 251
Berlin-Gatow St. Bonifatius 264, 264 Fürstenfeldbruck
St. Raphael 294, 295, 295 Düren Haus Rupprecht 245
Berlin-Lichterfelde St. Anna 126, 737, 146-149, 146, 147, 156, Fulda
St. Anna 9/, 245, 243 275, 275, 276 Christkönig 252, 232
Berlin-Schlachtensee Düren-Rölsdorf
Haus Schwarz (Guardini) 44, 46, 96, 98, Pfarrkirche 276 Georgsmarienhütte/Teutoburger Wald
242, 243, 243 Düsseldorf Pfarrkirche Kloster Oesede 273, 274, 274
Bertringen bei Diedenhofen Schauspielhaus 163, 176-178, 178, 183,184, Gräveneck, vgl. Weinbach-Gräveneck
Ortsplanung 254 295,295 Grevenbroich
Staatliche Kunstakademie 287, 287 Landesplanung 183, 184

Duisburg Großkönigsdorf bei Frechen

1 Kursiv gesetzte Seitenangaben beziehen sich auf Haus Enkling 94, 97, 243, 243 Landesplanung 183, 284
Abbildungen. Haus Lo. 243, 243, 244 Großsteinheim, vgl. Hanau-Großsteinheim

311
für .Angewandte Kunst) 77, 31, 163, St. Theresia 152, 154, 755, 288, 288, 289

St i isjbeth 248, 248 769-775, 170-175, 775, 221-225, 225- Lorraine, vgl. Lothringen
Hamm/Westfalen 225, 270, 270-272, 272 Lothringen
Liclitnuien 2 90 Wiederaufbauplanung 114-125, 114-116, Landesplanung 36, 96, 99-111, 101, 104,

118-125, 2II> 219-221, 220, 227, 261, 106, 183, 198, 211, 275, 254-256, 254, 255
Heilig Geist 253, 255 267, 262 Ludwigshafen
! lanau-Groß Auheim Wohn- und Geschäftshaus 238 Stadtplanung in, 111, 254, 255
Pfarrkirche 256 Köln-Bilderstöckchen
Hanau-Groß Steinheim Zum Heiligen Franz 267 Mainz-Bischofsheim
Johann Baptist 84, 91, 238, 238, 239 Köln-Braunsfeld Christkönig 99, 253
Hausen, vgl. Obertshausen St. Josef 144, 146, 149, 159-161, 160, Alannheim
Haute-Kontz, vgl. Oberkontz 279, 279 Nationaltheater 163, 176-178, 777, 180,
Hayingen bei Diedenhofen Köln-Brück 192, 280, 280

Ortsplanung 254 Haus Schräge 240, 240, 241 Stadtplanung, vgl. Ludwigshafen
Hayange, vgl.Hayingen Köln-Deutz Mariadorf, vgl. Alsdorf-Mariadorf
Heidelberg St. Heribert 130, 132, 755, 262, 262 Marienthal/Rheingau
Haus Roether 248, 248 Stadtplanung 120, 123 Wallfahrtskirche 252
Hofheim/Taunus Köln-Ehrenfeld Marken-Harff/Rheinisches Braunkohlerevier
Haus Talleur 245, 245, 246 St. Mechtern 75, 144, 146, 149, 262, 263, Landesplanung 284
I Iürtgenwald-Gey 265 Marl
Notkirche 260, 260 Köln-Kalk Rathaus 186, 187, 187, 291, 291

Hürth-Knapsack Gnadenkapelle 126, 130, 139, 141, 263, 264, Marsal, vgl. Salzmar
Werkgebäude 267,267 264, 272 Alenden/Sauerland (?)
Kapelle St. Gereon 269 Kirche mit Pfarrgebäuden 50, 51, 57, 230,
Ilsenburg/Harz St. Marien 161, 261, 272, 272, 273, 275 230
Pfarrkirche 239 Stadtplanung 120 Merzig/Saar
Köln-Lindenthal St. Josef 291, 297

Johannisberg/Rheingau Stadtplanung 120 Metz


Schlosskirche 130, 775, 258, 258 Köln-Lövenich Stadtplanung 110, 198, 255
Doppelhaus Schwab-Schwarz 17, 94, Milwaukee/Wisconsin, Usa
Kabul/Afghanistan 241, 241 Kirche 90, 90, 239, 239, 240, 240

Ministerien 98, 99, 253, 275 Köln-Marienburg Mühlheim/Main


Kahl/Main Allerheiligen 130, 149, 273, 275 Pfarrkirche 256, 256
Pfarrkirche 239, 259 Köln-Mülheim München
Kalbach (Rhön)-Veitsteinbach Liebfrauen 160, 279, 279, 280 Platz der »Ehrentempel« 2 66, 2 66
Pfarrkirche 260, 261 Stadtplanung 118, 120 Münster
Karlsruhe Köln-Müngersdorf Dom 280, 281
Ev.Stadtkirche 282, 283 Altar Katholikentag 32, 35, 287, 288, 288 Kapelle Collegium Borromäum 269, 269
Kaster bei Bedburg Haus Schwarz 180, 180, 181, 283, 285 Pädagogische Akademie 284, 284

Bebauungsplan 183, 184, 284 St. Vitalis 295


Ketzin/Havel Köln-Niehl Neu-Uckingen bei Diedenhofen
Alaria Rosenkranzkönigin 91, 248, 248, St. Christophorus 793-795, 196, 283, 285 Ortsplanung 254
^ 249, 294 St. Katharina 265, 265, 283
Kirchen-Herkersdorf/Sieg Köln-Nippes Oberhausen
Pfarrkirche 261 Volksschule 296, 296 Heilige Familie 159, 160, 160, 285, 285, 286
Kirchen-Wehbach/Sieg Königshofen/Rheinisches Braunkohlerevier St. Maria 281, 285
Pfarrkirche 261 Landesplanung 284 Oberkirchen/Sauerland
Kleinprunach bei Metz Krakau Doppelhaus Sass-Schütte 273
Ortsplanung 110, 254 Altar 258 Haus Sass 112, 281, 281, 282
Klosterneuburg bei Wien Kreuzau-Leversbach bei Düren Oberkontz/N ordlothringen
Denkmal Walther von der Vogelweide St. Albert 83, 85, 84, 139, 196, 238, 258, 241 Ortsplanung 103, 254
99, 252, 252 Friedhofsanlage 241 Oberrödinghausen/Sauerland
Köln Krickerhau/Slowakei Maria Königin des Friedens 92, 249, 249

Bierrestaurant Ewige Lampe 266 St. Katharina 97, 92, 257, 257, 258 Obertshausen bei Offenbach
Büro- und Geschäftshaus 269 Kubern bei Metz St. Pius 294, 294

Domumgebung 124, 725, 288, 288 Ortsplanung 110, 254 Offenbach


Friedhof xMelaten 266 Kuberneck bei Metz Haus Frühauf 94, 96, 242, 246, 246

Geschäftshaus mit Bierrestaurant 269, 269 Ortsplanung 110, 254 Haus Schiffner 246, 246

Gürzenich 13, 16, 127, 729, 163-168, Haus Volk 93, 94, 94, 95, 242, 242
765-767, 188, 190, 267, 267, 268, 268 Leipzig-Großzschocher Öffentlicher Luftschutzkeller 252, 253
Kaufhaus Springob 265 Dreifamilienhaus 244 St. Paul 249, 249

Kolpinghaus 266, 266 Leipzig-Lindenau Offhausen, vgl. Kirchen-FIerkersdorf


Rathaus 164, 186, 190, 790, 297, 297, Liebfrauen 91, 241, 241, 291
298, 298 Leversbach, vgl. Kreuzau-Leversbach Petersberg
St. Alaria im Kapitol 285, 2#5 Lorch/Rhein Kapelle 240
Verkaufsstände 267 Mahlwerke 258 Pommerieux, vgl. Pommeringen
Wallraf-Richartz-Museum (heute: Museum Linz-Keferfeld Pommeringen bei Metz

312
Ortsplanung iio, 254 Wolfsburg
Pournoy-la-Chetive, vgl. Kleinprunach Kriegerehrenmal 298
Wuppertal-Barmen
Remelingen hei Diedenhofen St. Pius 291, 29/, 292
Ortsplanung 254 Wuppertal-Vohwinkel
Rosenheim St. Ludger 160, 161, 161, 296, 296, 299
Altar im Freien 269
Rothenfels/Main
Burgausbau 14, 31, 36-43, 56-40, 42, 43,
46, 55, 60, 66, 91, 159, 195, 197, 204, 229,
229, 230, 250, 252
Zehntscheune 82, 232, 242

Saalfeld
Pfarrkirche 2 56
Saarbrücken
Stadtplanung 110, in, 198, 254, 255
St. Maria Königin 149, 150, 152, 284, 284,

285,292
Saargemünd
Stadtplanung in
Saarlautern
Stadtplanung in
Salzmar/Südlothringen
Ortsplanung 103, 254
Schönberg-Möllingen/Westerwald
Pfarrkirche 259
Schwickershausen, vgl. Bad Camberg
Schwitten über Fröndenberg
Pfarrkirche 249, 250, 250
S e ligens ta d t-Froschhausen
Pfarrkirche 254
Selzeck bei Metz
Ortsplanung 110, 254
Soest
Heilig Kreuz 298, 298

StahlhofenAVesterwald
Pfarrkirche 251
St. Avold/Ostlothringen
Landesplanung 110, 119, 255

Thionville/Moselle, vgl. Diedenhofen


Treuchtlingen/Altmühl
Jugendherberge 244
Trier
Dom 132, 256, 256, 257
Liebfrauen 132, 142, 274, 274

Vannecourt, vgl. Warnhofen


Volkringen bei Diedenhofen
Ortsplanung 254

Warnhofen/Südlothringen
Ortsplanung 103, 254
Wasserlos, vgl. Alzenau-Wasserlos
Weinbach-Gräveneck
Christ König 145, 288, 289, 289

Wesel
St. Maria Himmelfshrt 270, 270
Stadtplanung Altstadt 285, 289
Wetzlar
St. Bonifatius 152, 160, 296, 296
Wien V
St. Florian 149, 156, 290, 290, 294
Wiesbaden
St. Bonifatius 257
St. Mauritius 291, 291

313
Fotonachweis

Fotografen, soweit identifizierbar: Buchvorlagen: Schwarz, Rudolf u.a. Das mir Köln. K>ln 1950
Abb. 163-175, 306, 307, VW 95
Albert Renger-Patzsch Archiv, Ann und Acken, Johannes van. Christozentrische Schwarz, Rudolf. Liturgie und Kirchenbau.
Jürgen Wilde. Köln Abb. 62, 63, 93, 96, Kirchenbaukunst. Gladbeck 1923' Abb. 59, 60 Denkschrift ans Anlaß des Neubaus der Sankt
105, 198, WV 9, 12 AlvarAalto 2965-/977. Bd.2. Zürich 1983 Annen-Kirche in Berlin-Lichterfelde. 1936
Archiv Kunstakademie Düsseldorf Abb. 270 Abb. 262 Abb. 110
Bosch, van. Straßburg Abb. 9 architektur Wettbewerbe Abb. 261, 263, 264, Schwarz, Rudolf. Von der Bebauung der Erde.
Braun, Renate. Bonn-Beuel Abb. 232, 233, 292 Köln 1949 Abb. 149-154, 158, 159
WV181 Bauwelt WV 30, 59 Schwarz, Rudolf. Wegweisung der Technik.
Claasen, Hermann. Köln Abb. 301 Brülls, Holger. Neue Dome. München 1994 Potsdam 1928 Abb. 61
Delps, H. Düsseldorf WV 146.2 Abb. 120 Schwippert, Gerdamaria; Charlotte Werhahn
Eilender, Fritz. Köln Abb. 8 Bauwettbewerbe WV 4 (Hg.). Hans Schwippen. Düsseldorf, Bonn
Friedrich, Reinhard. Berlin WV 176 BurgbriefWV 8 1984 Abb. 75, 271
Grieshaber, Fritz. Offenbach Abb. 48, 49(?), Dehio, Georg. Das Straßburger Minister. Staatliche Kunstakademie Düsseldorf
WVi München o.J. Abb. 14 Studienarbeiten aus der Abteilung Baukunst.
Heise, Hildegard. Berlin WV 29, 33, 52 Der dramatische Raum. Hans Poelzig. Kat. Düsseldorf o.J. Abb. 273, 274
Kinold, Klaus. München Abb. 2, 4, 5, 6, 47, Krefeld 1986 Abb. 24 Wiederaufbau im Gau Westmark. Berlin 1944
179, 180, 189, 209, 214, 216, 217, 220-222, Deutsches Architektur-Museum Jahrbuch. (nicht erschienen) Abb. 132, 137
224, 225, 247, 252, 253, 294, 300, 308-310, München 1992 Abb. 111
WV 121.2,161.2, 163.3 Die Form WV 9,13
Klar, Willi. Frankfurt am Main Abb.i Die neue Stadt Abb. 249 Reproduktionsfotos nach Originalen:
Krajewsky, M. Berlin Abb. 284 Die Schildgenossen Abb. 55, 56, 90, 91,
Kunsthistorische Bildstelle Dr. F. Wiedemann. WV 54 Architekturmuseum der Technischen
Murnau Abb. 134 Göderitz, Johannes; Roland Rainer, Hubert Universität. München Abb. 74
Leistenschneider. DüsseldorfWV 159 Hofftnann. Die gegliederte und aufgelockerte Deutsches Architektur-Museum. Frankfurt am
Meycke, Franz. Köln Abb. 7 Stadt. Tübingen 1957 Abb. 176 Main Abb. 27
Molzahn-Altheim, M. Frankfurt am Main WV Hoff, August u.a. Dominikus Böhm. München Historisches Archiv der Stadt Köln Abb. 68,
47- 58 1962 Abb. 65,71-72 69,161
Pehnt, Wolfgang. Köln Abb. n, 21, 23, 193, Hofftnann, Hubert; Karl Kaspar. Neue deutsche Hündgen, Andrea. Aachen Abb. 3, 10, 19, 20,
197 Architektur. Stuttgart 1956 Abb. 260 28“3i. 44-46- 57-58) ö7- 86-89, 94- 95- 98,
Pfau, Artur. Mannheim Abb. 51, 52, 81, 124, Johnson, Philip. Mies van der Rohe. Stuttgart 101-104, 107, 112-118, 122, 123, 125-127,
129, 131, 182-184, l88> 2°2> 2c>5-2o8, o.J. Abb. 297 13°) I55-I57- ^-U8, 181, 185, 186, 201,
210-213, 218, 219, 223, 226, 227, 230, 231, Kunstgewerbeschule zu Aachen. Anton Wendling 228, 229, 235, 248, 250, 251, 257, 258, 264,
239) WV 8. 3°) 34) 41.43“45- 53- 59. 64, und seine Klasse. Aachen 1930 Abb. 76-78 268, 283, 287-289, 291, 299, 304, 305,
85,96—98, 106, 114, 120-122, 126, 128, Ludowici, Johann Wilhelm. Das deutsche WV2, 5-7, 10-12, 16, 21, 23, 24, 27,
I29- I3I. 133-3- I34-I36- 09- H2> 243. Siedlungswerk. Heidelberg 1935 Abb. 140 33-35. 39- 4°. 43- 46- 48-5L 55- 56- 63. 65.
r49> 153- I54> T57- IÖ2- *74> I75> 180 Michelis, Marco de. Heinrich Tessenow. 68, 69, 76, 78, 80, 90, 91, 93, 96, 97, 100,
Piel, Hans. Köln WV 26 Stuttgart 1991 Abb. 97 xox, 107, 108, 110, 113, 118, 120, 121, 123,
Plan und Karte GmbH Münster Abb. 161 Mogge, Winfried. Burg Rothenfels am Main. In: 125-128, 131, 132, 136, 137, 141, 145, 148,
Preim Sohn, J. Aachen Abb. 92, WV 14 Burgen und Schlösser 14(1973) Abb. 43 150, 152, 155, 160, 163, 166-168, 177, 179,
Rensing, Dieter. Münster Abb. 269, 311, Monatshefte für Baukunst und Städtebau WV 26, 180, 182-185
Umschlag Rückseite 3°- 41 Rensing, Dieter. Münster 272
Riek, Karl-Heinz. Groß-Gerau Abb. 215, Pfankuch, Peter (Hg.). Hans Scharoun. Berlin Ropp, Inge und Arved von der. Köln-
WV 133.2 1993 Abb. 259, 281 Rodenkirchen Abb. 32, 41
Rühlemann, O., Landesplanungsgemeinschaft Pfotenhauer, Angela. Köln: Der Gürzenich und Staatsgalerie Stuttgart Abb. 37-40
Westmark Abb. 135 Alt St. Alban. Stadtspuren 22. Köln 1993 Stadtarchiv Aachen Abb. 106
Rheinisches Bildarchiv. Köln Abb. 108, 109, Abb. 236 Technische Universität Berlin. Plansammlung
199, 290, 295, 296, WV 13, 20, 146.3, 172 Posener, Julius (Hg.). Hans Poelzig. Berlin der Universitätsbibliothek Abb. 26
Röhrig, Kurt; Helga Lade (Limes- 1970. Abb. 22
Kunstdesign GmbH) Abb. 187 Reichow, Hans Bernhard. Organische
Schäfer, Alanfred. St.Tönis WV 185 Stadtbaukunst. Braunschweig 1948 Abb. 148
Schmölz, Karl Hugo. Köln Abb. 160, WV Rudolf Schwarz Gedächtnisausstellung.
IT5,I23 Heidelberg 1963. WV 121
Stiftung Archiv Akademie der Künste. Berlin Rürup, Reinhard (Hg.). Wissenschaft und
Abb. 285, 286 Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der
Tiepelmann, Ludwig Abb. 35 Technischen Universität Berlin. 1879-1979.
Untere Denkmalschutzbehörde Köln Berlin, Heidelberg, New York 1979 Abb. 16
Abb. 240, 241 Schulze, Franz. Mies van der Rohe. Berlin 1986
Abb. 293
Schwarz, Rudolf. Kirchenbau. WV 12, 20, 48,
83- 85- I29- I33_I35- 09- r42- Hh H6-
149, 153, 154, 157, 161, 169, 174, 181

315
DATE DUE / DATE DE RETOUR

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