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SPEZIESISMUS

ANTISPEZIESISMUS - UTILITARISMUS
Eberhard Schockenhoff (1953 – 2020 | Prof. Dr. theol., Moraltheologie / Albert-Ludwig-Universität, Freiburg)
 

Pro-Speziesargument → verdeutlicht am moralischen und ontologischen Status des Embryos:


 Jedes Mitglied der Spezies Mensch hat Würde aufgrund seiner natürlichen Artzugehörigkeit.
 Jeder menschliche Embryo ist von Anfang an Mitglied der Spezies Mensch, damit „Würdenträger“ -
sowie auch apallische , demente, kranke, sterbende Personen bleibende Würde haben.
 Speziesmus unterliegt Kategorienfehler, denn er reduziert das Seinsverständnis, indem er Menschsein vom Personsein trennt (= reduktiv),
damit die leib-seelische Einheit des Menschen trennt:

Leib | Ich = getrennt

→ Person/Mensch verliert den Würdenstatus

→ damit die unbedingte Schutzwürdigkeit der Person!


Denn:

 Die Würde eines Wesens gründet in seinem Vermögen zum sittlichen Subjekt-Sein
 Sittliches Subjekt-Sein ist unter der Bedingung der realen Welt an die biologische Voraussetzung der Zugehörigkeit zur menschlichen Art
gebunden.
 Würde muss also vorbehaltslos anerkannt werden; es widerspricht dem Gedanken der Würde, ihre Anerkennung an den Grad ihrer
faktischen Realisierung zu binden oder einem Bestätigungsurteil durch die Gesellschaft zu unterwerfen.
 Damit erteilt es dem Präferenz-Utilitarismus eine klare Absage, weil dieser dem Personkriterium widerspricht
Speziesmus

(1) zeigt Widersprüche im empiristischen Personenkriterium

(2) reduziert interessensbedingt


Speziesismus (aus Spezies und -ismus) bezeichnet die ethische Position, nach der eine
Ungleichbehandlung zweier Individuen (i.w.S. Lebewesen) gerechtfertigt sei allein durch ihre
unterschiedliche Artzugehörigkeit
 moralische Diskriminierung von Individuen ausschließlich aufgrund ihrer Artzugehörigkeit.
 das Leid eines Lebewesens wird nicht oder weniger stark berücksichtigt,
weil es nicht einer bestimmten Spezies, wie etwa der Spezies Homo Sapiens, angehört.
Der Begriff wurde erstmals 1970 von dem britischen Psychologen RICHARD RYDER verwendet,
 um einen aus dem Anthropozentrismus abgeleiteten Art- bzw. Speziesegoismus oder ‑zentrismus
auszudrücken
Er hat als theoretische Konzeption insbesondere in einen Teil der Tierbefreiungsbewegung und in die
Tierethik Eingang gefunden. Auch im naturwissenschaftlichen Bereich findet der Begriff vereinzelt
Verwendung. Beispielsweise beruft sich der Evolutionsbiologe RICHARD DAWKINS auf das
Konzept.
 Ausgangslage: Die Unterteilung in Spezies ist ein soziales Konstrukt.
 Speziesismus wird dabei als Unterdrückungsform mit Parallelen zum Rassismus oder Sexismus
unter Menschen gesehen.
Die ausgesprochenen Gegner des Speziesismus bezeichnen sich selbst als Antispeziesisten
ANTISPEZIESISMUS
Neuere philosophische Strömung, bekannt geworden durch den australischen Utilitaristen PETER SINGER, dem Autor von Animal Liberation. Die Befreiung der
Tiere (1975).

 Der Begriff wurde als Gegenbegriff zu dem des „Speziesismus“ entwickelt, einem Neologismus, der erstmals 1970 von dem britischen Psychologen RICHARD
RYDER verwendet wurde.

 prangert das Überlegenheitsgefühl an, das der Mensch sich in Bezug auf die Tierwelt anmaßt, indem er, in Missachtung der Darwinschen Arbeiten, behauptet,
nicht zu ihrer Welt zu gehören.

 Basiert auf der Idee, dass die systematische Klassifizierung eines Tieres kein geeignetes Kriterium für die Art und Weise darstellt, wie es behandelt werden sollte .
Aus ethischer Sicht kommt es nur darauf an, was ein Lebewesen empfinden kann, und nicht, welcher Art es angehört. Der Vertreter des Antispeziesimus
sprechen sich deshalb für eine Ausweitung der Ablehnung aller ontologischen Diskriminierung aus und stellen den Speziesismus dem Sexismus und Rassismus
gleich.

 Folglich verurteilt der Antispeziesismus alle Praktiken, die Tierleid verursachen: die Fleischproduktion (der A. spricht sich für Veganismus aus und lehnt die
industrielle Massentierhaltung entschieden ab), Laborversuche, die Jagd, alle Arten von Tierquälerei, und bei ihren überzeugtesten Vertretern wie dem
Amerikaner Tom Regan, dem Pionier der Tierrechte, auch Zirkusvorstellungen mit Tieren und Zoos. Die Auffassung ist heute weit verbreitet und wird von ihren
Befürwortern bis in die politische Sphäre getragen (daher das Aufkommen von „Tierschutzparteien“). Die Gegner der Bewegung sehen darin eine Form des
Antihumanismus.
Ontologie: Lehr vom Sein, Seienden.
a) Was gibt es → Existenz? … was heißt es, dass es etwas gibt?
b) Welche Kategorien von Objekten existieren? … in welchem Verhältnis steht Existierendes zueinander?
Vgl.: Identität … Rolle von Identitätskriterien? … im Vergleich zu anderen Identitäten Wirklichkeit: … was ist wirklich existent? … auch mögliches?
 Antispeziesismus lehnt Formen der Unterdrückung und Diskriminierung von Individuen ab, da die Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Spezies sich - genau wie Geschlecht, Aussehen, Hautfarbe, Bildungsgrad usw. - als irrelevante und willkürliche
Merkmale herausstellen, wenn es um eine ethische Berücksichtigung von den Interessen von Individuen geht. Ebenso wie z.B.
bei „Geschlecht“ und „Rasse“ ist die Existenz von „Spezies“ als solche anzuzweifeln und entlarvt sich zumeist als
gesellschaftliches Konstrukt.
 Die Kategorisierung der Lebewesen in Arten erfolge durch willkürliche Kriterien (vgl. Personale Kategorisierung) wie
insbesondere die Abgrenzung des Menschen vom restlichen Tierreich. Vor allem der Mensch-Tier-Dualismus, welcher dem
„Menschen“ alle anderen „Tiere“ gegenüberstellt und eine unüberwindbare Kluft zwischen diesen beiden Polen proklamiert,
wird als Konstrukt, das die Ausbeutung von Tieren legitimiert, angegriffen. Um zu betonen, dass der Mensch auch eine
tierische Spezies ist, wird in Abgrenzung häufig der Ausdruck nichtmenschliche Tiere verwendet.
 Der Legitimierung, Erhaltung und Förderung dieser Ausbeutung liegen laut Sozialpsychologin MELANIE JOY Mechanismen
zugrunde, die auf einem unsichtbaren gesellschaftlichen Konstrukt basieren, das sie Karnismus nennt. Der Begriff wird
teilweise fälschlich als konkurrierendes oder alternatives Definitionsmodell verstanden und dahingehend als verwirrend
kritisiert.[3] Der Begriff benennt jedoch vielmehr den ideologischen Rahmen, der die speziesistischen Handlungen ermöglicht
und aufrechterhält.[4] Als eine Konsequenz der Ablehnung des Speziesismus wird der Veganismus betrachtet.
 Benutzt wird der Begriff meist von Anhängern der Tierrechts- oder Tierbefreiungsbewegung, vor allem, um den Umgang der
Gesellschaft mit sog. „Nutztieren“ zu kritisieren, aber auch, um etwa Tierschützern vorzuwerfen, dass sie einige Tierarten
bevorzugt behandelten und andere Arten für Nahrungs- und Materialgewinnung ausbeuteten (kulturell bedingt ist
beispielsweise die Tötung und der Verzehr von Schweinen und Rindern in der westlichen Welt weitgehend akzeptiert. Das
Töten von Hunden und Katzen und der Verzehr von Katzen- oder Hundefleisch wird jedoch abgelehnt und für illegal erklärt).
3. Begriff in der antispeziesistischen politischen Linken/Tierbefreiungsbewegung
Für die politische Tierbefreiungsbewegung ist Speziesismus jene Ideologie, durch welche „die Ausbeutung der Tiere in der menschlichen Gesellschaft ideologisch
gerechtfertigt und verschleiert“ wird.[10] MATTHIAS RUDE, Autor des Buches Antispeziesismus. Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung
und der Linken, schreibt, obwohl die Entwicklung der Produktivkräfte „inzwischen einen Stand erreicht hat, der es ohne Weiteres ermöglichen würde, auf die
traditionell in der westlichen Kultur verankerte Tierausbeutung und das damit verbundene Leid zu verzichten, wird sie fortgesetzt. Gerechtfertigt wird das obsolet
gewordene Ausbeutungsverhältnis mit speziesistischer Ideologie.“[11]
Die politische Tierbefreiungsbewegung verwirft moralphilosophische Ansichten wie jene Singers als „metaphysisch“[12] und fordert stattdessen eine historisch-
materialistische Betrachtung des Mensch-Tier-Verhältnisses, die unvereinbar sei mit moralphilosophischen Ansätzen, die davon ausgehen, es handle sich beim
Speziesismus um ein moralisches Vorurteil, welches bestimmte Handlungen hervorbringe. Das Gegenteil sei der Fall: „Wir beuten Tiere nicht aus, weil wir sie für
niedriger halten, sondern wir halten Tiere für niedriger, weil wir sie ausbeuten.“[13]
Statt auf moderne Autoren (P. SINGER| KAPLAN) greift die politische Tierbefreiungsbewegung auf genuin linke Theorietraditionen zurück (insb. die Kritische
Theorie [14]), aber auch auf LEONARD NELSON, den INTERNATIONALEN SOZIALISTISCHEN KAMPFBUND[15], ROSA LUXEMBURG[16], MOSHE ZUCKERMANN und
COLIN GOLDNER. - Die Solidarität mit den Tieren solle endlich integrales Element sozialistischer Programmatik und Praxis werden. Die Bewegung kämpft gegen
Tierausbeutung, ohne dabei die Befreiung der Menschen aus dem Auge zu verlieren, und übt damit eine umfassende „Solidarität mit den quälbaren Körpern“
(THEODOR W. ADORNO), der den kapitalistischen Gesellschaftsbau 1963 als eine große „Aktiengesellschaft zur Ausbeutung der Natur“, MAX HORKHEIME
(1934); Haus, dessen Keller ein Schlachthof“ ist. MATTHIAS RUDE/CHRISTIAN STACH: „Die Kritik des Speziesismus und der politische Kampf für die Befreiung der
Tiere aus ihrem Joch im Keller unseres Gesellschaftsbaus ist der Kern des antispeziesistischen Projekts.“[18]

Forderungen im Zuge eines antispeziesistischen Sprachgebrauchs:


 nicht-speziesistischen Sprachgebrauch
 „nichtmenschliche Tiere“, um zu betonen, dass der Mensch auch eines von vielen Tieren sei.
 kein singuläres Reden vom „Tier“, denn die Rede von „dem Tier“ als Gegenüberstellung zum Menschen
verdeckt die Vielfalt tierischen Lebens. Eine Spezies „Tier“ existiere nicht.
2. Definition nach PETER SINGER (australischer Philosoph)

 Kern des Gleichheitsprinzips ist, „dass wir in unseren moralischen Überlegungen den ähnlichen Interessen all derer, die von unseren Handlungen
betroffen sind, gleiches Gewicht geben“ [5]
 Gleichheit verstehe er nicht als deskriptive Gleichheit von Zuständen, sondern als präskriptive Norm zur gegenseitigen Behandlung
 Dieses Gleichheitsprinzip dürfen wir aber nicht auf den Umgang mit unseren Mitmenschen beschränken
 betont, „dass wir - wenn wir das Prinzip der Gleichheit als eine vernünftige moralische Basis für unsere Beziehungen zu den Mitgliedern unserer
Gattung akzeptiert haben - auch verpflichtet sind, es als eine vernünftige moralische Basis für unsere Beziehungen zu denen außerhalb unserer
Gattung anzuerkennen.“[6]
 Der Mensch ist nicht berechtigt, die vorhandenen Interessen von Wesen geringer zu schätzen,
a) weil sie zu einer anderen Rasse oder zu einem anderen Geschlecht gehören,

b) weil sie zu einer anderen biologischen Gattung gehören.[7]


 Rassismus und Sexismus sind Verstöße gegen das Gleichheitsprinzip, weil Rassisten und Sexisten die Interessen bestimmter Menschen einfach
deshalb weniger ernst nehmen, weil diese zu einer anderen Rasse oder zum anderen Geschlecht gehören.
 In Analogie zu Rassismus und Sexismus spricht Singer von Speziesismus [8] – wenn Lebewesen nicht aufgrund ihrer Rassen- oder
Geschlechtszugehörigkeit diskriminiert werden, sondern aufgrund ihrer Artzugehörigkeit, also aufgrund der biologischen Spezies, der sie angehören:

„Speziesismus […] ist ein Vorurteil oder eine Haltung der Voreingenommenheit
zugunsten der Interessen der Mitglieder der eigenen Spezies
und gegen die Interessen der Mitglieder anderer Spezies.“

Peter Singer [9]


5. Kontroversen
TOM REGAN führt eine Unterscheidung zwischen moralisch Handelnden (Moral Agents) und moralisch Behandelten (Moral Patients) an.
LEONARD NELSON argumentierte ähnlich: Er unterschied Subjekte von Rechten und Subjekte von Pflichten
 um ein Subjekt von Rechten zu sein, genüge es, Interessen zu besitzen.
 Subjekte von Pflichten könnten dagegen nur vernünftige Wesen sein, die über das notwendige Bewusstsein verfügen. So könne
ein Lebewesen ein Subjekt von Rechten sein, ohne gleichzeitig auch ein Subjekt von Pflichten sein zu müssen.[25]
PETER SINGER argumentiert:
 im Unterschied zu vielen Tieren könnten die meisten Menschen
ihre Ernährung hinreichend frei wählen und oft tierisches Leid vermeiden.
 ob oder wie eventuelle Tierrechtsverletzungen unter Tieren einen Eingriff erfordern,
ist unter vielen Tierrechtlern eine offene Frage, die im Allgemeinen (intuitiv) verneint wird.
Der LINKE ANTISPEZIESISMUS betont, wenn er historisch-materialistisch argumentiert:
 Speziesismus bezeichnet eine Ideologie, die kennzeichnend für eine bestimmte Phase der bürgerlichen Gesellschaft ist und sollte
nicht auf frühere Zeiten zurück- oder in andere Gesellschaftsformen hineinprojiziert werden.
 Was wir heute unter speziesistischer Ideologie verstehen, sei erst mit der bürgerlichen Aufklärung entstanden und setze
bestimmte mit ihr verbundene Ideen (wie Freiheit des Individuums) voraus.
 Indigene Jäger-/Sammler-Kulturen und Tiere können nicht des Speziesismus bezichtigt werden.[26]
Kritik an der Gleichsetzung mit anderen -ismen
Der THEOLOGE ULRICH H. J. KÖRTNER[27] argumentiert:
 eine ethische Gleichsetzung des Speziesismus mit Rassismus oder anderen Chauvinismen sei
grundsätzlich falsch, weil der Mensch sich durch moralische Einsicht von nichtmenschlichen Tieren
auszeichne.
 Die Verantwortung für den Mitmenschen entspringe dieser Tatsache. Man könne den Speziesismus
mit dem Argument der Gleichbehandlung analog beliebig ausweiten, da sich keine feste Grenze
zwischen belebter und unbelebter Natur aufzeichnen ließe.
 Es werde verständlich, dass eine Ethik somit auf mehr als formalen, utilitaristischen Prinzipien (gleiche
Berücksichtigung von Interessen) fußen müsse, um überhaupt bedeutend sein zu können.
Dass diese Auszeichnung des Menschen tatsächlich eine anthropologische Universalie sei, wird bestritten.
Eine (nicht notwendigerweiseantispeziesistische) Gruppe von Anthropologen vertritt die Ansicht, dass
Grenzkriterien zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Tieren entweder nicht anthropologisch
universal gelten oder zumindest für einige nichtmenschliche Tiere auch griffen.
Ferner wird eingewandt, dass eine gleiche Berücksichtigung von Interessen keineswegs eine Gleichheit von
Interessen impliziert: Gegenständen und Pflanzen werden keine Interessen im Sinne von Wohlbefinden
zugesprochen, da ihnen entsprechende Wahrnehmungsorgane und Bewusstsein fehlen. Die Frage,
inwiefern Tiere elementare Bewusstseinseigenschaften haben, ist umstritten.
Gegnern des Antispeziesismus ist die Sozialwissenschaftlerin JUTTA DITFURTH. Sie wirft ihm in ihrem Buch
Entspannt in die Barbarei. Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus das Infragestellen jeglicher
humanistischer Werte vor.

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