EDITORIAL

FREDI WINKLER

Liebe Israelfreunde
In den Berichten über die Geburt Jesu, des Gesalbten Gottes, ist es immer wieder
erstaunlich, aber auch lehrreich, wenn wir lesen, durch welche Menschen Gott Sein
Grösstes verwirklicht hat. So waren Zacharias und Elisabeth, Maria und Josef, einfache
Menschen, die auf den ersten Blick nicht weiter auffielen. Doch was war das Besondere
an ihnen, dass Gott gerade sie erwählte, um Seinen Heils- und Erlösungsplan zu erfüllen?
Über die Charaktereigenschaften von Simeon, der ebenfalls in die Geschehnisse um die
Geburt Jesu einbezogen war, berichtet Lukas: «Und siehe, es war in Jerusalem ein
Mensch, mit Namen Simeon; und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und
▲

«Maria aber wartete auf den Trost Israels; und der Heilige Geist war auf ihm. Und ihm war von dem
sprach: Siehe, Heiligen Geist eine göttliche Zusage zuteil geworden, dass er den Tod nicht sehen solle,
ich bin die Magd ehe er den Christus des Herrn gesehen habe. Und er kam durch den Geist in den Tempel»
des Herrn; es (Lk 2,25-27). Gerechtigkeit und Gottesfurcht gehörten zu den besonderen Eigenschaften,
geschehe mir die diesen Mann auszeichneten und vor Gott Wohlgefallen fanden. Infolge dessen ruhte
der Heilige Geist auf Simeon, und er erfuhr auf ausserordentliche Weise die göttliche
nach deinem
Führung. Er erhielt die Gewissheit, noch vor seinem Tod den Messias zu sehen.
Wort! Und der Meiner Meinung nach ist diese unmittelbare Leitung durch den Geist Gottes genau das,
Engel schied von was wir in dieser Zeit vor dem Wiederkommen Jesu am nötigsten brauchen. Diejenigen,
ihr» die zur Zeit der Geburt Jesu das Wohlgefallen Gottes fanden, waren solche Menschen, die
Gott durch Seinen Geist leiten konnte. Das gleiche Prinzip gilt auch heute noch. Paulus
drückt diesen Sachverhalt auf kompromisslose Weise aus, wenn er an die Christen in Rom
schreibt: «Die aber, die im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht im
Fleisch, sondern im Geist, wenn wirklich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand
Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein» (Röm 8,8-9). Diese ernsten Worte sollen uns
gerade in der Weihnachtszeit zur Selbstprüfung herausfordern. Wir haben die Leitung des
Geistes in dieser letzten Zeit, in der wir leben, nötiger denn je, weil die Verführungen
durch die Gegenseite immer raffinierter werden. Auch davor hat uns Paulus gewarnt: «Der
Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten manche vom Glauben abfallen
werden, indem sie auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen achten, durch die
Heuchelei von Lügenrednern» (1.Tim 4, 1-2a).
Deshalb wollen wir auf das Reden des Geistes Gottes achten und dadurch zu Menschen
werden, die Gott in dieser letzten Zeit warnen, aber auch gebrauchen kann für Seine
Sache, so wie damals Maria, die auf die Botschaft des Engels Gabriel antwortete: «Maria
aber sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn; es geschehe mir nach deinem Wort! Und
der Engel schied von ihr» (Lk 1,38).
Ganz im Sinne dieser Worte wünsche ich Ihnen allen Gottes Segen für die Feiertage
sowie das vor uns liegende neue Jahr und grüsse Sie mit einem herzlichen Shalom

FREDI WINKLER

3
Inhalt
Dezember 2002

Die «Stimme Israels» ist

verstummt
Einer der ganz Grossen auf der
Bühne der Weltpolitik ist im
November nach langer Krank-
heit im Alter von 87 Jahren
gestorben. Ein Nachruf auf Terroranschläge in Kenia
Abba Eban (1915–2002) Sicher auf dem Ben Gurion-Flughafen bei Tel
Seite 13 Aviv gelandet: die Boeing 757, welche von
Raketen beschossen wurde
Seite 10

Schriftliche und EDITORIAL

mündliche Thora
Das Halten der Thora 3 von Fredi Winkler
wird im Allgemeinen
BIBLISCHE BOTSCHAFT
in einem engen
Zusammenhang mit 5 Weihnachtsfeier im Tempel zu Jerusalem
der Aufrechterhal-
HINTERGRUNDINFORMATIONEN AUS ISRAEL
tung einer jüdischen
Identität gesehen 9 Aufschrei der Verzweiflung
Seite 21 10 Ein Tag des Terrors
11 «Israel sitzt im Glashaus»

Eingedenk dessen, dass alle menschliche Erkenntnis Stück- 12 «Regenmacher» aus Israel
werk ist (1.Kor 13,9), legen die Autoren eigenverantwortlich 12 Mehr Sicherheit im Flugverkehr
ihre persönliche Sicht dar.
13 Ein Nachruf auf Abba Eban (1915–2002)
14 Wichtige Schutzmassnahme verweigert
Nachrichten aus Israel
Schweiz: Beth-Shalom-Verein, Eichholzstrasse 38, CH-8330 Pfäffikon ZH, 14 Ein neuer Mann an der Spitze des Mossad
Tel.: 0041 1 952 14 17, Fax: 0041 1 952 14 19, E-Mail: beth-shalom@mnr.ch
Deutschland: Mitternachtsruf Zweig Deutschland e.V., Abt. Beth-Shalom, 14 Regierungskrise führt zu Neuwahlen
Kaltenbrunnenstrasse 7, D-79807 Lottstetten, Tel.: 0049 7745 8001,
Fax: 0049 7745 201 E-Mail: beth-shalom@mnr.ch
15 Eine Jüdin wird in Hawaii regieren
In memoriam: Wim Malgo
Beth-Shalom – Zeitschriften: 16 Regieren in Notzeiten
Schweiz: «Nachrichten aus Israel», Eichholzstrasse 38, CH-8330 Pfäffikon ZH,
Tel.: 0041 1 952 14 15, Fax: 0041 1 952 14 11, E-Mail: nai@mnr.ch.
Deutschland: «Nachrichten aus Israel», Beth-Shalom, Kaltenbrunnenstrasse 7, 16 Der Terror geht weiter
D-79807 Lottstetten, Tel.: 0049 7745 8001, Fax: 0049 7745 201, E-Mail: nai@mnr.ch.
Die «Nachrichten aus Israel» erscheinen auch in französischer, englischer, holländischer, 17 «Mit Gottes Hilfe» oder «Inshallah»
spanischer, portugiesischer, rumänischer und ungarischer Sprache.
Erscheinungsweise monatlich.
Abonnementspreise jährlich: Schweiz CHF 18.–; Deutschland EUR 12.–; Europa und
18 «Geisterstädte» und Spione
Mittelmeerländer EUR 18.–; Übersee EUR 24.–. Abonnemente laufen ein Jahr (beginnend
jeweils Januar) und werden automatisch um ein weiteres Jahr verlängert, wenn sie nicht 18 Kooperation Israel–Türkei in Gefahr?
einen Monat vor Jahresende gekündigt werden.
Einzahlungen Schweiz: Beth-Shalom-Verein, Postscheckkonto 80-11535-0 oder 19 Flugzeugentführung vereitelt
Zürcher Kantonalbank, 8330 Pfäffikon ZH, Konto-Nr. 1152-0772.695, BC-Nr. 752
Einzahlungen Deutschland: Postbank, Beth-Shalom-Verein Stuttgart, 139220-700 oder
Sparkasse Hochrhein, Waldshut BLZ 684 522 90, Beth-Shalom-Verein, Kto. 06-600 670
Druck: GU-Print AG, In der Luberzen 25, CH-8902 Urdorf, E-Mail: admin@gu-print.ch Leserforum
LESERFORUM
Beth-Shalom – Israelreisen:
Beth-Shalom-Reisen, Eichholzstrasse 38, CH-8330 Pfäffikon ZH, Tel.: 0041 1 952 14 18, 19 Solidarität mit Israel – pro und kontra
Fax: 0041 1 952 14 19, E-Mail: reisen@mnr.ch
Beth-Shalom – Gästehaus:
Beth-Shalom, P.O.B. 6208, Hanassi Ave. 110, Haifa-Carmel 31060, Israel, SERIE: EIN BLICK AUS JERUSALEM …
Tel.: 00972 4 837 74 81, Fax: 00972 4 837 24 43, E-Mail: beth-shalom-israel@mnr.ch
21 Schriftliche und mündliche Thora (Teil 1)

4
 B I B L I S C H E B O T S C H A F T

Weihnachtsfeier Diese Ausführungen sind

ein Vorabdruck aus dem

im Tempel zu neuen Buch «Der Messias

im Tempel. Symbolik und
Bedeutung des Zweiten

Jerusalem Tempels im Licht des Neuen

Testaments». Es soll 2003
erscheinen und kann auch
bei uns bestellt werden.

DRS. THEOL. ROGER LIEBI

Das Reinigungsopfer der Maria

Maria und die Thora-Bestimmun-
gen für Mütter nach der Entbindung.
Nach der Geburt Jesu in Bethlehem1
war Maria gemäss dem Gesetz der Ge-
bärenden in 3. Mose 12,1-8 während 40
Tagen rituell unrein. Am Ende des sieb-
ten Tages musste sie sich in einem Ri-
tualbad untertauchen. Normalerweise
war man am Abend nach einer solchen
Waschung kultisch rein2, doch im Fall
der Entbindung war es ganz anders. Sie
konnte erst am Abend des 40. Tages
als durch das Bad rein gemacht ange-
sehen werden, das heisst am Ende ei-
nes «sehr langen Tages» von 33 Tagen.3
Am folgenden Tag durfte sie ihr Reini-
gungsopfer im Tempel darbringen. So
gingen Maria und Joseph mit dem Kind
nach Jerusalem zum Heiligtum des
Herrn (Lk 2,22-24): «Und als die Tage
ihrer Reinigung nach dem Gesetz Mose
erfüllt waren, brachten sie ihn nach Jeru-
salem hinauf, um ihn dem Herrn darzu-
stellen (gleichwie im Gesetz des Herrn ge-
schrieben steht: ‹Alles Männliche, das die
Mutter bricht4, soll dem Herrn heilig heis-
sen›)5 und ein Schlachtopfer zu geben nach
dem, was im Gesetz des Herrn gesagt ist:
‹Ein Paar Turteltauben oder zwei junge
Tauben.›»6

Opfer für Arme. Die Thora verlang-

te von der Mutter, die geboren hatte,
ein einjähriges Lamm zum Brandopfer
und eine Turteltaube7 oder eine junge

5
B I B L I S C H E B O T S C H A F T
Taube8 zum Sündopfer (3.Mo 12,6). War
man allerdings zu arm, um ein solches
Opfer aufzubringen, so war es auch er-
laubt, stattdessen lediglich zwei Turtel-
tauben oder zwei junge Tauben darzu-
bringen, die eine zum Brand-, die ande-
re zum Sündopfer (3.Mo 12,8).
Der Begriff «Turteltauben» bezeichnet
im Gegensatz zu den «jungen Tauben»
ausgewachsene Vögel der gleichen Art.9
Maria im Frauen-Vorhof. Maria und
Joseph lebten damals in dermassen ärm-
lichen Verhältnissen, dass sie nicht in
der Lage waren, die Finanzen aufzubrin-
gen, um das übliche Opfer zu bezahlen.10
Maria ging in den Frauen-Vorhof und
warf den Betrag für ihr Vogelopfer in die
dafür vorgesehenen Opferstöcke Nr. III
und IV mit den Aufschriften: «Vogelop-
fer» und «Brandopfer-Tauben».
Während ein Priester die Tauben
beim Altar schlachtete und nach den
detaillierten Vorschriften als Opfer dar-
brachte, stand Maria, nachdem sie die
15 halbkreisförmigen Treppen hinaufge-
stiegen war, vor dem Nikanor-Tor.11 Da
Maria keine Opfer darbrachte, die eine
Handaufstützung erforderten, musste
sie nicht über das Frauen-Tor im Norden
in das Lager der Schechina (= innerster
Vorhof) zum Schlachtplatz beim Altar
schreiten.
Nach Vollendung der Opferdarbrin-
gung war Maria rein (3.Mo 12,8).
Die unreine Mutter und das reine
Kind. In diesem Zusammenhang rich-
te man die Aufmerksamkeit auf folgen-
de Tatsache: Gemäss dem Gesetz war
nach der Geburt nicht das Kind, son-
dern lediglich die Mutter unrein. Daher
musste auch nur sie durch Tauchbad
und Opfer gereinigt werden. Diese Be-
obachtungen in Verbindung mit rituel-
len Vorschriften lenken unser Augen-
merk auf tiefere geistliche Lektionen:
Maria war eine Sünderin wie alle ande-
ren Menschen (Röm 3,23). Auch sie
brauchte einen Retter, was sie im «Mag-
nificat» als wunderbares Bekenntnis
klar zum Ausdruck brachte (Lk 1,47).
Das Kind Jesus allein war sündlos und
vollkommen in jeder Hinsicht (2.Kor
5,21; 1.Joh 3,5).
6
Erfüllung der
messianischen
Tempelverheis-
sung Maleachis.
Dieser Tag war ein
heilsgeschichtlich
überaus besonde-
Modell: Ritmeyer Archaeological Design; Fotomontage: MNR-Grafik
rer Tag. Zu dem
Zeitpunkt erfüllte 6
sich zum ersten
Mal die Verheis- 4 1
sung des letzten
Propheten des Al-
ten Testaments, 3 5 2 5
dass nämlich der
Messias «plötzlich»,
das heisst unerwar-
tet, zu «Seinem
Tempel» kommen würde 1 (Mal 3,1). te den grössten Teil der sehr bewegten,
turbulenten und von starker messiani-
Die Prophetin Hanna im Tempel scher Erwartung geprägten Geschich-
Für eine jüdische Frau war der Besuch te des Volkes Israel im 1. Jahrhundert
des Frauen-Vorhofes ein Höhepunkt. vor Christus hautnah miterlebt.
Weiter konnte sie sich dem Tempelhaus
nicht mehr nähern, ausser wenn sie ein Hannas Geburt. Sie wurde am Ende
Opfer, das eine Handauflegung erforder- der Herrschaft des Alexander Jannai
te, darbrachte, und sich daher über das (103–76 v.Chr.) geboren. Dieser Nach-
im Norden gelegene Frauen-Tor in den komme aus der Makkabäer-Familie
innersten Vorhof zum Schlachtplatz beim nahm widerrechtlich den Titel «König»
Altar begeben musste. Wenn Frauen zum an. Er verstiess wie schon sein Bruder
Gebet in den Tempel gingen, waren sie Aristobul I. (104–103 v.Chr.) gegen das
im Frauen-Vorhof anzutreffen. biblische Prinzip der Gewaltentrennung
Lukas erzählte in Verbindung mit sei- und vereinigte das Königtum und das
nem Bericht über die Geburt Jesu und Priestertum, was ja erst in der Person
das etwas mehr als einen Monat danach des Messias so kommen sollte.
erfolgte Reinigungsopfer Marias über
eine Prophetin, die man ständig im Tem- Römischer Einmarsch in Jerusa-
pel antreffen konnte: Die Witwe Hanna lem. Nach Jannais Tod übernahm Ale-
aus dem Stamm Asser. «Und da war Han- xandra (76–67 v.Chr.), seine Witwe, die
na, eine Prophetin, eine Tochter Phanuels, Regierung. Es war ein kurzes goldenes
aus dem Stamm Asser. Diese war in ihren Zeitalter. Alexandras Söhne
Tagen weit vorgerückt und hatte 7 Jahre Hyrkanus II. (Herrschaftszeit: 67 und
mit ihrem Mann gelebt nach ihrer Jungfrau- 63–43 v.Chr.) und Aristobul II. (67–63
schaft; und sie war eine Witwe von 84 Jah- v.Chr.) stritten sich zusammen um die
ren, die nicht von dem Tempel wich, indem Macht, so dass die Römer schliesslich
sie Nacht und Tag mit Fasten und Flehen einen Vorwand hatten, um Ordnung
diente. Und sie trat zu derselben Stunde schaffend einzumarschieren.
herzu, lobte den Herrn und redete von ihm Um 63 v.Chr. wurde Judäa römisches
zu allen, die auf Erlösung warteten in Jeru- Herrschaftsgebiet. Jerusalems Mauern
salem» (Lk 2,36-38). wurden geschleift. Es gab ein furchtba-
res Massaker unter den Gottesdienst-
Hanna und das erste vorchristliche besuchern im Tempel.
Jahrhundert
Hanna war zum Zeitpunkt der Geburt Edomitische Machtübernahme.
Jesu 84 Jahre alt. Daraus folgt: Sie hat- Um 47 v.Chr. machte Julius Caesar den

BLICK AUF DEN FRAUENVORHOF
1 Nikanor-Tor
2 Podium des Tempel-Chores
und des Orchesters
3 Säulenhalle mit den 13 Opfer-
kästen
4 Galerie für die Frauen
5 Leuchter
6 Quader-Halle
Edomiter Antipater zum Proku-
rator von Judäa. Um 43 v.Chr.
wurde dieser jedoch ermordet.
Die Söhne Herodes und Phasael
setzten seine Politik fort. Nach
dem Sieg Oktavians (= Caesars
Adoptivsohn, der spätere Kaiser
Augustus) gegen die Feinde sei-
nes Vaters um 42 v.Chr. bei Phi-
lippi (in Mazedonien), wurden Phasael
und Herodes zu «Tetrarchen von Judäa»
ernannt.
Um 40 v.Chr. wurde Judäa von den
Parthern besetzt. Sie machten Antigo-
nus (40–37 v.Chr.; Sohn von
Aristobul II.) zum Priester-König in Je-
rusalem. In Rom wurde Herodes durch
den Senat zum «König der Juden» er-
nannt.
Nach dreimonatiger Belagerung ge-
lang es Herodes, Jerusalem im Okto-
ber 37 mit römischen Truppen am Jom
Kippur zu erobern. Antigonus wurde hin-
gerichtet. So begann seine jahrelange
blutige Esau-Herrschaft über das Volk
Jakobs.
Die erste Begegnung mit dem
Messias im Tempel. Hanna wurde
nach nur sieben Jahren Ehe durch den
Tod ihres Mannes Witwe. Sie realisierte
ganz genau, in welcher Zeit sie lebte.
Diese Israelitin wurde eine Frau des
Gebets. Der zweite Tempel war
gewissermassen ihr Zuhause, wo sie
den verheissenen Tröster für Israel er-
wartete.12
Nach jahrzehntelangem sehnsüchti-
gem Harren auf Gottes Eingreifen zu-
gunsten Israels durfte sie dem Messi-
as anlässlich Seines ersten Besuchs im
Tempel als ein Kindlein von einigen
Wochen begegnen. Dieses von den We-
nigsten beachtete heilsgeschichtliche
Ereignis löste in ihrem Herzen tiefe
Dankbarkeit Gott gegenüber aus. Han-
B I B L I S C H E
na begann von da an allen Bewohnern
in der Stadt Jerusalem, die nach dem
verheissenen Erlöser schmachteten,
von der Erfüllung der messianischen
Zusagen des HERRN im Alten Testa-
ment zu erzählen.13
Im Tor der Erstgeburten
Die Darbringung der erstgebore-
nen Söhne. Maria war nach der Geburt
des Erlösers in Bethlehem mehr als ei-
nen Monat lang rituell unrein. Sie muss-
te sich aber durch ein Tauchbad und
durch vorgeschriebene Opfer reinigen.
Am 41. Tag nach der Geburt kam sie
mit Joseph und dem Kindlein zum Tem-
pel in Jerusalem, um für sich die von der
Thora in 3. Mose 12 geforderten Entbin-
dungs-Opfer darzubringen.
Dieser Zeitpunkt war auch gerade die
Gelegenheit, um das erstgeborene Kind
durch das so genannte Pidjon Ha-Ben-
Ritual14 zu lösen.
Zur Bedeutung der Erstgeburt in
Israel. Damit der Leser die Bedeutung
dieser Handlung gut verstehen kann,
sind einige Vorbemerkungen von Nöten:
Nach der Ausübung des göttlichen
Gerichts an den erstgeborenen Söhnen
der Ägypter, erklärte der HERR die auf
der Grundlage des Blutes des Lammes
unverdienterweise verschonte israeliti-
sche Erstgeburt als sein besonderes
Eigentum. Sie waren ihm zum Dienst
geweiht.15
Der Stamm Levi an Stelle der
Erstgeborenen. Nach der mündlichen
Bekanntgabe des Gesetzes vom Sinai,
versagte Israel als Nation in der Ange-
legenheit des goldenen Kalbes in tragi-
scher Weise (2.Mo 32). In dieser Krisen-
situation bewies der Stamm Levi jedoch
besondere Treue und Hingabe an Gott
(2.Mo 32,26-29). Dies hatte zur Folge,
dass der Ewige diesen Stamm zum
Priestertum und zum Dienst am Heilig-
tum erwählte, anstatt der Erstgebore-
nen aus allen 12 Stämmen Israels.16
Dies hatte aber zur Folge, dass die Erst-
geborenen aller anderen 11 Stämme17
ihre Erstgeborenen durch 5 Silber-Sche-
kel auslösen mussten. Dieser Betrag
galt der Unterstützung der Priester. Der
B O T S C H A F T
Loskauf konnte ab dem 31. Tag nach der
Geburt stattfinden (4.Mo 18,16). Der
Tag, an dem dies zu geschehen hat, ist
durch die Thora jedoch nicht weiter fi-
xiert worden.
Lösegeld. Dieses Ritual wird noch
heute im Judentum praktiziert. In den
USA ist es üblich, die 5 Schekel in Form
von 5 Silber-Dollars zu entrichten. Heu-
te wird es wie damals ausgeübt: Die
Wahl des Priesters, der das Geld be-
kommt und den Segen über das Kind
spricht, ist freigestellt.
Maria und Joseph verbanden die Dar-
stellung des Erstgeborenen mit der für
die Mutter angeordneten Opferreini-
gung. So führten sie die beiden vom Ge-
setz Mose vorgeschriebenen Gebote am
41. Tag nach der Geburt durch.
Eintritt in das mittlere Tor. Der
Lukas-Text berichtet, dass die Eltern
das Kind «hineinbrachten» (griech. ei-
sagô), um das Gebot des Pidjon-Ha-Ben-
Rituals durchzuführen. Wo brachten sie
es hinein?
Wie wir wissen, hiess das mittlere
Zugangsgebäude auf der Südseite des
Tempel-Vorhofs «das Tor der Erstgebur-
ten» (scha’ar ha-bekhoroth).18 So stiegen
Maria und Joseph von Süden her über
die Treppen zum Chel hinauf und traten
durch das mittlere der drei von dieser
Himmelsrichtung her ins Schechina-
Lager führenden Torgebäude ein.
Der Messias in den Armen des
Priesters. Am selben Tag, als Maria und
Joseph ihre Pflichten im Heiligtum er-
füllen mussten, kam auch Simeon der
Gerechte in den Tempel. Im Tor der Erst-
geburten nahm er das Kind in die Arme
– genau so wie es beim Ritus des Erst-
geborenen-Loskaufs üblich ist. Offen-
sichtlich war Simeon ein Priester, der,
geleitet durch den Heiligen Geist, exakt
zu diesem Zeitpunkt in den Tempel kam,
und so die Gelegenheit hatte, den Pid-
jon Ha-Ben-Brauch an dem Messias
durchzuführen. Er hatte das Kommen
des verheissenen Erlösers schon so lan-
ge sehnlichst erwartet, und nun war er
ausersehen, die priesterliche Aufgabe
beim Loskauf zu erfüllen (Lk 2,22-35).
7
 B I B L I S C H E B O T S C H A F T
4 sollte er sich selbst als Opfer
3 4 Standort des Erstgeborenen-
2 Tors
1
Bild: ASEBA, Bollodingen
Reise nach Jerusalem. «Und als die
Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz Mo-
ses erfüllt waren19, brachten sie ihn nach
Jerusalem hinauf, um ihn dem Herrn dar-
zustellen (gleichwie im Gesetz des Herrn
geschrieben steht: ‹Alles Männliche, das die
Mutter bricht›20, soll dem Herrn heilig heis-
sen›)21 und ein Schlachtopfer zu geben nach
dem, was im Gesetz des Herrn gesagt ist:
‹ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tau-
ben22›» (V 22-24).
Simeon der Gerechte. «Und siehe,
es war in Jerusalem ein Mensch, mit Na-
men Simeon; und dieser Mensch war ge-
recht und gottesfürchtig und wartete auf
den Trost Israels23; und der Heilige Geist
war auf ihm. Und es war ihm von dem Hei-
ligen Geist ein göttlicher Ausspruch zuteil
geworden, dass er den Tod nicht sehen sol-
le, ehe er den Messias des Herrn gesehen
habe. Und er kam durch den Geist in den
Tempel» (V 25-27).
Gebet im Tor der Erstgeburten.
«Und als die Eltern das Kindlein Jesus hin-
einbrachten, um betreffs seiner nach der
Gewohnheit des Gesetzes zu tun, da nahm
auch er es auf seine Arme und lobte Gott
und sprach: Nun, Herr, entlässt24 du deinen
Knecht, nach deinem Wort, in Frieden; denn
meine Augen haben dein Heil25 gesehen, das
du bereitet hast vor dem Angesicht aller Völ-
ker: ein Licht zur Offenbarung der Nationen
und zur Herrlichkeit deines Volkes Israel.
8
DER TEMPELBERG HEUTE
1 Bereich des Frauen-Vorhofs
2 Standort der 15 Treppen vor
dem Nikanor-Tor
3 Standort des Altars
Und Joseph und seine
Mutter verwunderten
sich über das, was über
ihn geredet wurde»
(V 28-33).
Segen für die El-
tern. «Und Simeon seg-
nete sie und sprach zu
Maria, seiner Mutter:
Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und Auf-
stehen vieler in Israel und zu einem Zeichen,
dem widersprochen wird (aber auch deine
eigene Seele wird ein Schwert durchdrin-
gen), damit die Überlegungen vieler Her-
zen offenbar werden» (V 34-35).
Kein Segenspruch für das Kind.
Dies war eine einzigartige Pidjon-Ha-
Ben-Zeremonie! Normalerweise segne-
te der dafür ausgewählte Priester das
Kind. Simeon tat dies wohlweislich
nicht. Dafür segnete er aber die Eltern
(Lk 2,34). Simeon beachtete das in He-
bräer 7,7 ausgedrückte geistliche Prin-
zip: «Ohne allen Widerspruch aber wird das
Geringere von dem Grösseren gesegnet.»
Der alte Simeon hatte kein Recht, den
Messias zu segnen. Er war geringer vor
Gott als dieses 41 Tage alte Kindlein,
denn es handelte sich um den Mensch
gewordenen ewigen Sohn Gottes. Aber
Maria und Joseph durfte er sehr wohl
segnen. Maria, als Mutter Jesu, und Jo-
seph als Pflegevater des Messias, wa-
ren normale Menschen wie wir alle. Sie
waren einfach in Gottes souveränem
Ratschluss zu ganz besonderen Aufga-
ben auserwählt worden.
Der Messias und das levitische
Priestertum. Die 5 Silber-Schekel für
den bald sterbenden Simeon waren ein
Beitrag des Messias an den levitischen
Priesterdienst, der seinerseits schatten-
haft auf den messianischen
Dienst hinwies und in ihm sei-
ne Erfüllung finden sollte.
Der Messias wurde gebo-
ren, um zu sterben. Am Kreuz
Gott darbringen, um einen
Freikauf ohne vergängliche
Zahlungsmittel wie «Silber
oder Gold» zu erwirken, näm-
lich durch «sein kostbares Blut» (1.Petr
1,18-19). ❏
1
Mt 2,1ff.; Lk 2,1ff.
2
Vgl. z.B. 3.Mo 15,5-8.
3
Vgl. RASCHI zu 3.Mo 12,4.
4
D.h. was die Mutter mit Hilfe der Wehen durch den
Geburtskanal hinausführt.
5
2.Mo 13,2.
6
3.Mo 12,8.
7
Griech. trygôn = Turteltaube.
8
Griech. nossoi peristerôn = Junge der Tauben. In Lukas
2,24 wird dieser Ausdruck als Übersetzung des
hebräischen Begriffs bnei jonah verwendet, was «junge
Tauben» bedeutet, ganz wörtlich «Söhne der Taube».
9
BT Chulin 22a-22b. (BT = Babylonischer Talmud). Als
«junge Tauben» (hebr. bnei jonah) galten diese Vögel,
solange ihre Federn nicht goldfarbig glänzten. Sobald die
Federn goldfarbig glänzten, bezeichnete man sie als
thorim («Turteltauben»).
10
Aus diesen Feststellungen folgt, dass der Besuch der
Magier aus dem Morgenland mit ihren reichen Gaben an
Gold, Weihrauch und Myrrhe, zu dem Zeitpunkt – 41 Tage
nach der Geburt des Erlösers – offensichtlich noch nicht
erfolgt war (Mt 2,1ff.).
11
BT Tamid V 6.
12
Lukas berichtet, dass Hanna Tag und Nacht nicht von
dem Tempel wich. Offensichtlich hatte sie ausserhalb des
500-Ellen-Quadrates eine Unterkunft im herodianisch
erweiterten Tempelbezirk.
13
Die durative Imperfekt-Form elalei (= redete) in Lukas
2,38 drückt eine fortdauernde / gewohnheitsmässige
Handlung aus.
14
Hebr. pidjon ha-ben = Freikauf des Sohnes.
15
2.Mo 13,1-2.11-16.22.29b; 24,5; 34,19-20; 4.Mo 3,13;
8,17.
16
17
4.Mo 3,12; 8,16.18.
Die Erstgeborenen aus dem Stamm Levi müssen nicht
ausgelöst werden (vgl. CHILL: Die Mitzwoth, Zürich 1991,
S 51).
18
BT Middoth I, 4; bekhoroth ist der Pl. von bekhorah =
Erstgeburt, Erstgeburtsrecht.
19
Gemäss 3.Mo 12,7 + 33 Tage.
20
D.h. auf natürliche Weise gebiert, indem das Kind dank
der mütterlichen Wehen den Geburtskanal durchbricht. An
erstgeborenen Kindern, die durch Kaiserschnitt auf die
Welt gekommen sind, wird im Judentum heute kein
Lösungsritual durchgeführt, weil das Kind die Mutter in
diesem Fall nicht «gebrochen» hat (vgl. CHILL: Die
Mitzwoth, a.a.O., S. 51).
21
2.Mo 13,2.
22
3.Mo 12,8.
23
Bezeichnung für den Messias, der dem Volk Israel in all
der Not und Drangsal Seiner Geschichte Trost bringen
sollte. Unter Verweis auf Klgl 1,16 wird der Messias in BT
Sanhedrin 98b «Menachem» (= Tröster) genannt.
24
25
Griech. apolyô = sterben lassen (vgl. LXX 1.Mo 15,2).
In dieser Aussage liegt eine Verbindung zum Namen
«Jesus». Er bedeutet nämlich «der HERR ist Heil /
Rettung» (hebr. jeschua’ oder jehoschua’).
 HINTERGRUNDINFORMATIONEN
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
AUS
AUSISRAEL
ISRAEL

DAS VERWUNDETE HERZ EINES VATERS verloren hat, wende ich mich von Tod, und nicht von Mär-
hier an die Führer der paläs- tyrertum. Es anders zu be-

Aufschrei der tinensischen Fraktionen, und nennen und zu verschönern,

an deren Spitzen, an die Füh- oder der Familie des Sohnes,
rer und Scheichs der Hamas der gegangen ist und nie zu-

Verzweiflung und des Islamischen Djihads, rückkommen wird, ein paar

die immer mehr Söhne Paläs- Tausend Dollar zu bezahlen,
tinas mit ihren religiösen Ur- ändert nichts am Schock und
teilen und Erklärungen in kann das Ergebnis nicht un-
Warum schicken die Hamas- und Djihad-Chefs ihre eigenen
den Tod treiben. Sie tun dies, geschehen machen. Diese
Söhne und Töchter nicht frühzeitig ins «Paradies»? Diese genau wissend, dass die Ent- Gelder, die den Familien der
Frage klingt im Leserbrief eines Vaters in der in London sendung dieser Jugendli- Märtyrer gezahlt werden, ver-
erscheinenden Tageszeitung «al-Hayat» an, dessen Sohn als chen, um sich in Israel in die ursachen mehr Schmerz, als
Selbstmordattentäter einen Anschlag in einer israelischen Luft zu sprengen, keinen dass sie heilen würden. Die-
Stadt ausführte. Feind abschrecken und kein se Gelder lassen sie fühlen,
Land befreien wird. Im Ge- als ob sie einen Preis für das
Abu Sabr M. G. wendet sich
Todes schmackhaft mach- genteil, gerade nach Opera- Leben ihrer Kinder erhielten.
mit seinem am 1. Oktober
ten. Sie überzeugten ihn, sich tionen wie diesen, verstärken Aber hat das Leben der Kin-
2002 veröffentlichten Brief
in einer Stadt in Israel in die sich die Angriffe, die Tötun- der einen Preis? Ist der Tod
an die Verantwortlichen der
Luft zu sprengen. Mit dem gen von Zivilisten, die Zerstö- das einzige Mittel geworden,
verschiedenen palästinensi-
Zerschmettern des reinen rung von Häusern, die um Rechte zurückzuerhal-
schen Gruppierungen und
Körpers meines Sohnes zer- Wiederbeset-
bestreitet die Legitimation
schmetterten die letzten zung der paläs-
von Erklärungen, mit denen
Züge des Lebens, der Hof- tinensischen
politische und religiöse Au-
fung und des Wunsches zu Städte und Dör-
toritäten Jugendliche zu
leben. Seit jenem Tag wurde fer. Dann er-
Selbstmordanschlägen auf-
ich zu einem Schatten, der scheinen diese
rufen: über den Boden wandert. Führer und de-
«Ich finde keine passende-
Nach der Zerstörung des ren Sprecher
ren Worte als die Worte Got-
Hauses, in dem wir lebten, erneut (in der
tes, um diesen Brief, den ich
wurden meine Frau und ich, Öffentlichkeit)
mit schmerzvollem Herzen
meine anderen Söhne und und verspre-
und weinenden Augen Töchter zu Obdachlosen. chen dem Feind
schreibe, zu beginnen: ‹Gebt
Der letzte Halm, der mein noch grössere
um Gottes Willen, und werft
Rückgrat brach, war zu erfah- Vergeltung und Auch Mädchen – wie am Beginn dieses Jahres (Bild) –
euch nicht mit euren eigenen
ren, dass die Freunde meines Rache für ihre werden als «lebende Bomben» missbraucht
Händen ins Verderben.›
ältesten Sohnes, des Märty- barbarischen
Diesen Koranvers, um
rers, begannen, sich wie die Taten. Sie treiben noch mehr ten, um das Land zu befrei-
Gottes Willen zu geben und
Schlangen um meinen ande- Jugendliche in den Tod. en? Wäre dies so, warum hat
von Taten abzusehen, die uns
ren Sohn, der nicht älter als Ich frage, in meinem Na- nicht ein einziger von jenen
ins Verderben stürzen, müs-
17 Jahre ist, zu wickeln, um men und im Namen eines je- Scheichs, die um die Veröf-
sen wir heute mehr als zu ir-
ihn auf denselben Pfad zu den Vaters und einer jeden fentlichung der schärfsten
gendeiner Zeit zuvor befol-
lenken, den sein Bruder ge- Mutter, die von der Nach- Verlautbarung streiten, sei-
gen. gangen war – sich in die Luft richt, ihr Sohn habe sich nen Sohn geschickt? Warum
Vor vier Monaten verlor ich
zu sprengen, um seinen Bru- selbst gesprengt, heimge- hat kein einziger jener Füh-
meinen ältesten Sohn, nach-
der zu rächen, schliesslich sucht wurden: Mit welchem rer, die sich in den Sendun-
dem ihn seine Freunde ver-
habe er ja nichts mehr zu ver- Recht schicken diese Führer gen der Satellitenprogramme
führten und ihm den Weg des
lieren. junge Menschen, selbst ju- nicht bremsen können, ihre
Mit dem gendliche Jungs in der Blüte Freude und Erregung zu zei-
verwundeten ihrer Jugend, in den Tod? Wer gen, jedes Mal, wenn ein pa-
Mit welchem Recht schi- Herzens ei- gab die religiöse oder irgend- lästinensischer Junge oder
cken diese Führer junge nes Vaters, eine andere Legitimation, ein palästinensisches Mäd-
der das Teu- unsere Kinder zu verführen chen aufbricht, sich selbst in
Menschen, selbst jugendli- erste in sei- und unsere Jugend in den die Luft zu sprengen, ihre
che Jungs in der Blüte nem Leben Tod zu treiben? Ja, ich rede Kinder geschickt?
ihrer Jugend, in den Tod?
9
 HINTERGRUNDINFORMATIONEN
AUS ISRAEL
Ich sage: Warum haben
wir bis zu diesem Moment
nicht einen ihrer Söhne oder
eine ihrer Töchter gesehen,
einen Sprengstoffgürtel tra-
gend und in Taten, und nicht
in Worten, das erfüllend, was
Ist das böse Spiel des ‹Djihads›,
des ‹zum Märtyrer Werdens› und
des Todes auf eine bestimmte
Gruppe beschränkt?
ihre Väter Tag und Nacht pre-
digen? Ist das böse Spiel des
‹Djihads›, des ‹zum Märtyrer
Werdens› und des Todes auf
eine bestimmte Gruppe be-
schränkt? Sind die Söhne und
Töchter der Elite von dem
ausgenommen, wozu die
Söhne und Töchter der All-
gemeinheit getrieben wer-
den? Wie lange wird dieses
geduldige Volk fortfahren,
dass Blut ihrer Söhne für eine
idiotische Politik zu bezahlen,
deren verheerendes Schei-
tern bei der Befreiung auch
nur eines kleinen Teiles der
geraubten palästinensischen
Rechte bewiesen ist?
Was die Seele am tiefsten
sticht, das Herz am meisten
schmerzt, die Augen am
stärksten weinen lässt, ist an
dem zu sehen, wie einige die-
ser Scheichs und Führer –
Mahmud al-Zahar, Ismail Abu
Shanab, Abd al-Aziz al-Ran-
tisi – es umgingen, ihre Söh-
ne ins Schlachtfeld zu schi-
cken. Als die Intifada aus-
brach, schickte al-Zahar sei-
nen Sohn Khaled in die USA,
Abu Shanab seinen Sohn
Hassan nach Grossbritanni-
en. Und die Ehefrau al-Ran-
tisis lehnte es ab, ihren Sohn
Muhammad auszuschicken,
sich selbst in die Luft zu
sprengen. Stattdessen
10
schickte sie ihn in den Irak,
damit er dort sein Studium
beenden könne.»
Quelle: The middle east media
research institute (MEMRI),
Linienstr. 115, D-10115 Berlin
WO SIND WIR NOCH SICHER?
Ein Tag des
Terrors
Das Datum der beiden Terrorakte in Kenia
sowie eines weiteren Anschlags in Israel ist
nicht zufällig gewählt worden. Dahinter verbirgt
sich eine eindeutige Absicht.
Am 29. November war der
55. Jahrestag der UNO-Reso-
lution über die Teilung Paläs-
tinas. Die drei Anschläge ver-
mitteln eine klare Botschaft:
Nicht nur die israelische Be-
setzung des Westjordanlan-
des und des Gazastreifens
soll beendet werden, son-
dern auch die Teilung Paläs-
tinas soll so gut wie rückgän-
gig gemacht werden. Damit
soll Israel das Existenzrecht
Reuters
Kommentar: Dieser Beitrag
zeigt mit erschütternder
Deutlichkeit, wie sehr auch
viele Palästinenser wegen
der Selbstmordeinsätze ih-
rer Söhne leiden. Es ist nur
eine Minderheit bei den Pa-
lästinensern, die Selbst-
mordaktionen befürwortet,
die aber fast das ganze Volk
terrorisiert. Die grosse
Mehrheit wagt es nicht, sich
zu wehren, da es das eigene
Leben kosten könnte. So
werden durch die abgrund-
Reuters
abgesprochen
werden.
Geplant war ein
Blutbad
Bei den beiden Anschlägen in
Kenia sollten möglichst vie-
le Israelis getötet werden.
Um 8.02 Uhr Ortszeit öffnete
sich das Tor gerade für einen
mit Touristen besetzten Bus,
als ein Jeep mit drei Terroris-
ten auf das Gelände des Ho-
tels raste und direkt
in die grosse Lobby
fuhr. Dort kam es zu
einer gewaltigen
Explosion. Es ka-
men 12 Menschen
ums Leben, darunter
drei Israelis, und
zwar ein Reiseleiter
sowie zwei Brüder
im Alter von 12 und
Israelische Terrorspezialisten sichern Spuren vor
dem zerstörten Hotel «Paradise» in Mombasa
Sicher auf dem Ben Gurion-Flughafen
bei Tel Aviv gelandet: die Boeing 757,
welche von Raketen beschossen wurde
tiefen dämonischen Hass-
mächte gegen das jüdische
Volk nicht nur Israel, son-
dern auch die Palästinenser
selber grausam in Mitleiden-
schaft gezogen. Auch die Lei-
den der Palästinenser wer-
den ein Ende haben, wenn
Jesus Christus nach Jerusa-
lem zurückkommt, um Sein
Reich aufzurichten. Dann
wird die ganze Welt sehen,
dass nur Jesus Christus der
Herr und Erlöser der ganzen
Welt ist. CM ❏
Bekenner-
schreiben einer Terror-
gruppe mit dem Namen
«Palästinensische Ar-
mee»
14 Jahren. Zudem wurden 80
Personen verletzt. Das «Para-
dise»-Hotel, das einem Isra-
eli gehört und in dem regel-
mässig israelische Reise-
gruppen übernachten, wurde
fast völlig zerstört. Wie durch
ein Wunder kamen nicht
noch mehr Israelis ums Le-
ben.
Um 8.05 Uhr Ortszeit, also
fast zur gleichen Zeit, wurden
zwei «Strela»-Raketen auf
eine zum Rückflug von Mom-
basa nach Israel startende
Maschine der israelischen

Chartergesellschaft Arkia
abgeschossen. An Bord be-
fanden sich 271 Menschen.
Aus bisher unerklärlichen
Gründen haben die beiden
Raketen das Flugzeug knapp
verfehlt.
Für die beiden Anschläge
übernahm eine bisher unbe-
kannte Organisation namens
«Palästinensische Armee» die
Verantwortung. Experten ver-
muteten jedoch, dass diese
Bezeichnung nur ein Deckna-
me ist und in Wirklichkeit die
Terrororganisationen El Kaida
und Hisbollah dahinterste-
cken, was inzwischen bestä-
tigt wurde. Beide verfügen
über ein weltweites Netz, das
für eine solche Tat erforder-
lich ist. Damit wird auch klar,
dass Osama Bin-Laden seine
Drohungen wahr macht und
Israel bzw. israelische Ein-
richtungen sich im Visier sei-
ner Terrorgruppe befinden.
Anschlag in Israel
Es war offenbar kein Zufall,
dass am 29. November ein
weiterer Anschlag in Israel
verübt wurde, und zwar auf
ein Wahllokal der Likud-Par-
tei, die an diesem Tag ihren
Vorsitzenden wählte. Dabei
kamen sechs Menschen um;
viele wurden verletzt. Die in
der Nähe von palästinensi-
schem Gebiet liegende Stadt
Beth-Shean war seit 1974
vom Terror verschont geblie-
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
AUS ISRAEL
Reuters
ror darf keine Siege für
sich verbuchen, sonst
würden in den Krisen-
gebieten dieser Welt
alle Dämme brechen.
Doch im Zentrum
steht immer wieder der
Konflikt zwischen Is-
rael und den Palästi-
nensern. Die jüngsten
Geschehnisse werden
Reuters zweifellos zu einer Ver-
stärkung der internati-
ben. Die jüngsten Ereignisse onalen Bemühungen um eine
deuten jedoch auf eine Eska- langfristige Lösung führen.
lation des Terrors hin, und Aber auch die Abwehrmass-
nicht etwa, trotz anders lau- nahmen gegen den Terror wer-
tender Beteuerungen von den immer stärker gebündelt
Seiten der PLO-Führung, auf werden. Diese Entwicklungen
die Bereitschaft der Palästi- werden in ihrer Gesamtheit zu
nenser zu Verhandlungen mit jener endzeitlichen Weltein-
Israel. heit beitragen, die in den pro-
Wieder einmal kann man phetischen Texten der Bibel
sagen, dass Israel nur durch vorgezeichnet ist. FW ❏
ein Wunder Gottes vor
Schlimmerem verschont blieb. Die Opfer von Beth
Eines ist jedoch klar: Der Ter- Shean werden beerdigt
LANGSTRECKENRAKETEN AUS DEM IRAN
«Israel sitzt im Glashaus»
Der Leiter des iranischen Raketenentwicklungsprojekts hat sich kürzlich mit einer sel-
tenen Botschaft an die Öffentlichkeit gewandt. Begeistert berichtete er, dass von seinem
Land aus Langstreckenraketen auf Israel abgefeuert werden sollen, falls Israel den Iran
angreift. Im Gegensatz zu Israel verfüge sein Land «leider nicht über Atomwaffen, aber
schliesslich wissen die Israelis, dass sie in einem Glashaus sitzen.» In einem Interview
mit der internationalen Zeitung «al-Hajat» sagte General Achmed Wahid, dass der Iran bei
der Entwicklung einer Langstreckenrakete mit einer Reichweite von 1 300 Kilometern
sehr gute Fortschritte gemacht habe. «Das ist unsere Antwort auf die israelischen Boden-
Boden-Raketen vom Typ Jericho.»
Zugleich erwähnte er, sein Land habe nicht die Absicht, eine Langstreckenrakete mit
noch grösserer Reichweite zu entwickeln, um damit die USA zu erreichen: «Amerika liegt
nicht auf unserer strategischen Verteidigungslinie.» Ausserdem arbeite der Iran nicht an
der Entwicklung von Atomwaffen, und die Langstreckenraketen seien lediglich mit kon-
ventionellen Sprengköpfen bestückt. Abschliessend warnte der iranische General: «Wenn
Israel uns angreift, werden wir alle Register ziehen und uns mit allen zur Verfügung ste-
henden Mitteln zur Wehr setzen.» ZL
Kommentar: Letztendlich wird auch hier offenbar werden: «Israel aber wird Sieg haben»
(4.Mo 24,18). CM ❏
11
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
AUS ISRAEL

MEERWASSER MACHT’S MÖGLICH!

«Regenmacher»
aus Israel
In Israel wurde eine bahnbrechende, ja revolutionäre
Entdeckung gemacht: Wenn man
Regenwolken mit Meerwasser Über diese Innovation aus Israel berichtete
besprüht, kommt es zu vermehrten die angesehene Fachzeitschrift «Science»
Niederschlägen.

Diese neue Entdeckung bedeutet für viele Wissen-

schaflter einen Schritt vorwärts. Denn ein israeli-
sches Forscherteam fand heraus, dass das Besprü-
hen von Regenwolken mit Meerwasser eine positive
Wirkung auf Regentropfen hat, die zu klein sind,
um als Regen auf die Erde zu fallen. Durch eine
chemische Reaktion, die vor allem durch das Salz
im Meerwasser ausgelöst wird, vergrössert sich das
Volumen dieser Tropfen, und es regnet. ZL ❏

ISRAELISCHE TECHNIK GEGEN FLUGZEUG- der Anschläge vom 11. Sep-
ENTFÜHRUNGEN tember 2001 bekannt. Ein
Flugzeug mit Kurs auf Israel
Mehr Sicherheit im müsse sich bereits 300 Kilo-
meter vor dem Anflug zu er-
gesellschaften sollen schon
bald besondere Schutzsyste-
me in ihren Passagierflug-
zeugen installieren, um sie
besser vor Raketenangriffen

Flugverkehr kennen geben. Vor den An-

schlägen in den USA war das
erst in einer Entfernung von
Alle internationalen Fluggesellschaften, die Flüge nach Israel 150 Kilometern erforderlich.
anbieten, müssen im Laufe des kommenden Jahres neue Die beiden israelischen Flug-
Sicherheitsmassnahmen einführen.
zu schützen. Mittlerweile
haben fast alle grossen Flug-
gesellschaften in der Welt an
diesen Innovationen aus Is-
rael Interesse gezeigt. ZL ❏

Es handelt sich dabei um ein chen für Letzteres gibt, stei-

EL AL –
in Israel entwickeltes Erken- gen sofort Kampfflugzeuge
eine der
nungssystem, das anzeigen auf, um gegebenenfalls ein- sichers-
soll, ob ein Flugzeug entführt zuschreiten. Ein entführtes ten Flug-
wurde oder nicht. Die Inno- Flugzeug könnte am Überflie- gesell-
vation besteht aus einer so gen des israelischen schaften
genannten «schlauen Chip- Luftraums gehindert der Welt
karte», die in die bestehenden oder notfalls abgeschos-
elektronischen Systeme ei- sen werden.
nes Flugzeuges integriert Weitere De-
wird und ein Signal aussen- tails gab der is-
det. Daraus soll zu erkennen raelische Ver-
sein, ob die Piloten das Flug- kehrsminister
zeug unter Kontrolle haben Ephraim Sneh bei einer Pres-
oder nicht. Falls es Anzei- sekonferenz zum Jahrestag

12

DIE «STIMME ISRAELS» IST VERSTUMMT
Ein Nachruf auf Abba Eban
(1915–2002)
Einer der ganz Grossen auf der Bühne der Weltpolitik ist im November nach
langer Krankheit im Alter von 87 Jahren gestorben.
Wie kein anderer verstand
es Abba Eban, die Sache Is-
raels vor der Weltöffentlich-
keit und dem jüdischen Volk
zu vertreten. Der Diplomat
und Politiker machte sich
auch einen Namen als bril-
lanter Redner und Buchau-
tor. Shimon Peres, der ihn
jahrzehntelang auf seinem
Weg begleitete, sagte über
ihn: «Er war die Stimme Isra-
els in schwierigster Stunde
und brachte die Friedens-
sehnsucht Israels auf den
Punkt.» Aussenminister Ben-
jamin Netanjahu erinnerte
daran, dass Abba Eban
«durch Jahre des hinge-
bungsvollen Engagements
die Grundlagen für den diplo-
matischen Dienst Israels ge-
legt hat.»
Am 2. Februar 1915 war
Abba Eban als Aubrey Solo-
mon Meir in Kapstadt zur
Welt gekommen. Seine Kind-
heit verbrachte er in England.
An der Universität von Cam-
bridge studierte er orientali-
sche und klassische Spra-
chen. Danach lehrte er am
Pembroke College Arabistik
und Orientalistik. Seine glän-
zende akademische Lauf-
bahn wurde jedoch unterbro-
chen, als der Zweite Welt-
krieg ausbrach. Als Offizier
kämpfte Eban in Ägypten
und dem damaligen Palästi-
na. Ausserdem war er Verbin-
dungsoffizier für die Jewish
Agency. Nach dem Krieg kehr-
te er nicht nach England zu-
rück, sondern blieb im Diens-
te der Jewish Agency im Na-
hen Osten. Ende der 40er-
Jahre begann seine politische
Karriere an der Seite von
Chaim Weizmann. Als Mit-
glied der jüdischen Delegati-
on in New York spielte Eban
1947 eine entscheidende
Rolle bei der Durchsetzung
der UNO-Resolution 181 über
die Teilung Palästinas in ei-
nen jüdischen und einen ara-
bischen Staat. Als Minister
wurde er der erste Vertreter
Israels bei den Vereinten Na-
tionen. Von 1950 bis 1959
diente Abba Eban gleichzei-
tig als israelischer Botschaf-
ter in den USA.
Als er 1959 nach Israel zu-
rückkehrte, ging seine poli-
tische Karriere weiter. Er wur-
de 1960 Knessethabgeord-
neter und Bildungsminister,
1963 war er Vizepremier un-
ter Levi Eshkol, 1966 wurde
Shimon Peres, Abba Eban
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
AUS ISRAEL
er Aussenmi-
nister. Nach
dem Sechstage-
krieg wirkte er
entscheidend
mit an der UNO-
Resolution 242,
die bis heute zu
den Grundpfei-
lern der Nahost-
diplomatie ge-
hört. Als Aus-
senminister
(1966–74) trug
er zur Festi-
gung der Bezie-
hungen zwischen Israel und dem bis heute meistzitierten
den USA und zur Zusammen- Satz eines israelischen Diplo-
arbeit mit der Europäischen maten zusammen: «Die Ara-
Union bei. ber verpassen keine Gelegen-
Nach dem Jom-Kippur- heit, eine Gelegenheit zu ver-
Krieg von 1973 bot Abba Eban passen!» Mit Redewendun-
den Arabern in fliessendem gen wie «Tunnel am Ende des
Arabisch einen ehrenvollen Lichts» (Regierung Shamir)
Frieden an. Kurze Zeit später oder «Anthologie schwerer
fasste er seine Erfahrung in Fehler» (Pollard-Affäre)
prägte das Sprachgenie nicht
nur in Israel die politische
Sprache. Nach persönlichen
Enttäuschungen, nicht
zuletzt durch seine eigenen
Parteifreunde, zog sich Eban
1988 aus der Politik zurück.
Als Bestsellerautor, politi-
scher Denker und Redner
machte er sich danach
insbesondere in den Verei-
nigten Staaten einen Na-
men. Die letzten Jahre
verbrachte er zurückge-
zogen im Kreise seiner
Familie in Kfar Shemar-
yahu. Dort wurde er
auch in einem Staatsakt
beigesetzt. BH ❏
13
 HINTERGRUNDINFORMATIONEN
AUS ISRAEL
KEINE GASDETEKTO-
REN FÜR ISRAEL
Wichtige
Schutz-
massnah-
me ver-
weigert
Die finnische Regierung hat
eine Firma ihres Landes
angewiesen, Israel keine
weiteren Gasdetektoren zu
verkaufen.
Dabei handelt es sich um
hochmoderne, gasbetriebene
Geräte zum Aufspüren che-
mischer Kampfstoffe. Sie gel-
ten weltweit als die zuverläs-
sigsten Detektoren dieser
Art. Das israelische Verteidi-
gungsministerium wollte
100 Stück erwerben, um da-
mit Armee-Einheiten auszu-
rüsten, die in der Zivilvertei-
digung tätig sind. Im Falle
eines Angriffs der USA auf
den Irak erwartet man in Is-
rael einen Gegenschlag mit
biologischen oder chemi-
schen Kampfstoffen.
Das Verkaufsverbot der fin-
nischen Regierung könnte
die Menschen in Israel um
eine wichtige Schutzmass-
nahme bringen. In einer Er-
klärung der israelischen Re-
gierung gegenüber Finnland
heisst es, dass es sich um
eine reine Verteidigungs-
massnahme handelt und
man das Verkaufsverbot als
eine schwerwiegende Ange-
legenheit ansieht. Weiter
wies Israel darauf hin, dass
hauptsächlich europäische
Staaten dem Irak geholfen
hätten, in den Besitz von
Massenvernichtungswaffen
zu gelangen. ZL ❏
14
Ariel Sharon nahm seinen Erzrivalen,
Benjamin Netanjahu (r.), ins Kabinett
GROSSE HERAUSFORDERUNGEN IN KRISENZEITEN Auch Meir Dagan, der
neue Chef des Mossad, liess
Ein neuer Mann an in seinen Ausführungen über
den Umfang der Arbeit im is-
der Spitze des raelischen Geheimdienst ei-
niges durchblicken: «Der
Mossad hat in den letzten
Mossad Jahren bedeutende Massnah-
Bei einer Zeremonie in der Residenz des Staatspräsidenten
men durchgeführt. Wenn ich
Entscheidungen über solche
übergab nach etwas mehr als vier Jahren Dienstzeit Ephraim
Halevi sein Amt als Direktor des Mossad an seinen Nachfol-
weitreichenden Aktionen hät-
te treffen müssen, hätten mir
ger, den Reservegeneral Meir Dagan. die Hände gezittert.» ZL ❏
Mair Dagan, Ariel Sharon, Ephraim Halevi
Halevi war damals sehr
plötzlich in die Leitung des
Mossad berufen worden. We-
gen mehrerer fehlgeschlage-
ner Aktionen wurde die Füh-
rungskompetenz seines Vor-
gängers in Frage gestellt.
Die israelische Regierung
suchte einen neuen Mann,
der den Mossad wieder auf
die Beine bringen könnte. Die
Geheimdienstarbeit bringt es
mit sich, dass viele dieser
Probleme nicht an die Öffent-
lichkeit dringen. Dennoch
konnte man bei der Ab-
schiedsrede von Halevi so
manches zwischen den Zei-
len lesen. So erwähnte er,
dass während seiner Dienst- MINDERHEITSREGIERUNG NICHT TRAGFÄHIG
zeit «der Mossad neue Wege
gebahnt und beschritten
hat». Weiter sagte er: «Der Regierungskrise
Mossad unternahm waghal-
sige Aktionen, die in der Öf- führt zu Neuwahlen
fentlichkeit nicht bekannt
Die Regierungskoalition gab Ariel Sharon bisher einen relativ
wurden und auch in den kom-
grossen Spielraum. Doch nun ist dieses Parteienbündnis
menden Jahren strikter Ge-
auseinandergebrochen.
heimhaltung unterliegen wer-
den. Ich nehme diese Gele-
genheit wahr, um den Kämp- Durch den Austritt der Ar- nicht mit einer unsicheren
fern des Mossad meinen beiterpartei kann Sharon nur Minderheitsregierung wei-
Dank auszusprechen. Sie noch eine Minderheitsregie- terzumachen. Nur wenige
sind rund um die Uhr im Ein- rung aufrecht erhalten. Sei- Tage nach dem Austritt der
satz und oftmals völlig auf ne Versuche, mit Hilfe der Arbeiterpartei nutzte er sei-
sich gestellt. Die Verteidi- rechtsgerichteten Parteien ne Amtsvollmacht. Er such-
gung dieses Landes wäre eine Übergangsregierung zu- te den Staatspräsidenten auf
ohne das todesmutige Enga- sammenzustellen, sind ge- und bat ihn um die Erlaubnis,
gement dieser Agenten un- scheitert. Anders als seine die 15. Knesseth auflösen zu
denkbar.» Vorgänger entschied Sharon, dürfen. Moshe Katzav willig-

te ein. Im Einklang mit den
geltenden Wahlgesetzen
werden nun Ende Januar
2003 Wahlen stattfinden,
also etwa neun Monate vor
dem offiziellen Ende der
Amtsperiode für die 15.
Knesseth. In den wenigen
Wochen vor dem Wahltermin
wird Israel einen kurzen, ver-
mutlich recht turbulenten
Wahlkampf erleben.
Für die Übergangszeit bis
zu den Wahlen ernannte Sha-
ron seinen Erzrivalen Benja-
min Netanjahu zum Aussen-
minister. Der gerade erst in
die Regierung berufene ehe-
malige Generalstabschef
Shaul Mofaz übernahm als
Verteidigungsminister das
Amt von Benjamin Ben-Elie-
zer. Bei den bevorstehenden
Neuwahlen wird die 16.
Knesseth des Landes ge-
wählt – in einem Jahr, in dem
Israel seinen 55. Unabhän-
gigkeitstag begehen wird.
Sogar die erste Knesseth, die
sich kurz nach der Staats-
gründung und vor dem Unab-
hängigkeitskrieg konstituier-
te, schaffte es nicht, ihre re-
guläre Amtsperiode zu been-
den. Die erste Regierung
Israels unter David Ben Gu-
rion war nach etwa zwei Jah-
ren wegen eines Streits mit
den religiösen Parteien ge-
scheitert.
Zur Zeit liegt Ariel Sharon
bei allen Meinungsumfragen
vorne. Er hat es geschafft,
sich das Image eines umsich-
tigen und verantwortlichen
Politikers zu geben; gleich-
zeitig kann er auf die Unter-
stützung des amerikani-
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
AUS ISRAEL
jahu entfielen lediglich 37 Dazu gehören auch die Wah-
Prozent der Stimmen. Zur len in Israel. Auch in bibli-
Wahl aufgerufen waren die scher Zeit hing immer sehr
rund 305000 Mitglieder der viel davon ab, wer oder wel-
regierenden Likud-Partei. ZL cher König gerade in Israel
regierte. Das schlug sich un-
Kommentar: Am 28. Januar willkürlich auf das Volk nie-
schen Präsidenten George sind in Israel Wahlen. Diese der. Gerade in dieser Endzeit,
W. Bush bauen. kann man niemals mit denje- in der Israel immer mehr in
Am Donnerstag, 28. No- nigen anderer Länder ver- Bedrängnis gerät und gleich-
vember, hat in Israel die Wahl gleichen, denn Israel ist, zeitig seinem Erlöser und
des Vorsitzenden der Likud- auch wenn es sich noch Messias immer näher
Partei stattgefunden. Dabei nicht bekehrt hat, das Heils- kommt, ist es für das Volk
setzte sich Sharon mit 61 Pro- volk Gottes auf Erden. Vieles von grosser Wichtigkeit, wer
zent klar gegen seinen was in und mit und durch Is- der Kapitän des Schiffes ist.
schärfsten Herausforderer, rael geschieht, muss daher Beten wir in diesem Licht ge-
Aussenminister Benjamin im Blick auf die Heilsge- sehen für die Wahlen in Isra-
Netanjahu, durch. Auf Netan- schichte gesehen werden. el! CM ❏
ERSTAUNLICHER ERFOLG
Eine Jüdin wird in Hawaii
regieren
Linda Lingle hat im November Geschichte gemacht: Als erste Frau ist sie zur Gouverneurin
von Hawaii ernannt worden. Zudem ist sie die erste Gouverneurin überhaupt, die gleichzei-
tig Republikanerin und Jüdin ist.
Frau Lingle gehört nach den Wahlen in den che für das «Pflanzen von Bäumen» spende.
USA zu den 17 jüdischen Gouverneuren, die Sie rief die amerikanische Regierung auf,
seit 1801 verschiedene amerikanische Bun- dem Staat Israel zu helfen. In Interviews mit
desstaaten regierten. Darunter war bisher der lokalen Presse verglich sie das Leid der
nur eine Frau, die für die Demokraten die Inselbewohner wegen der Angriffe japani-
Wahl im Bundesstaat Vermont gewonnen scher Kampfflugzeu- Keystone
hatte und von 1985 bis 1991 im Amt war. ge auf Pearl Harbour
Nur wenige glaubten, dass die 49 Jahre mit den Nöten der Is-
alte Linda Lingle die Wahl gewinnen würde, raelis wegen des ara-
vertritt sie doch sehr konservative Stand- bischen Terrors. Sie
punkte. Sie ging für die Republikaner aus- forderte Präsident
gerechnet in Hawaii ins Rennen, dem Bun- Bush auf, er solle Is-
desstaat, dessen freiheitliche Atmosphäre rael im militärischen
(Sonne, Wellenreiten und Wohlstand) Bereich unterstüt-
sprichwörtlich ist. Die Gründe für ihren zen, damit die strate-
Wahlsieg sind vielschichtig. Eine Rolle spiel- gische Überlegenheit
te dabei auch, dass sie Jüdin ist. des jüdischen Staa-
Frau Lingle machte ihre Zugehörigkeit tes gewährleistet
zum Judentum und ihre proisraelische Hal- bleibe. ZL ❏
tung – sie hat Israel übrigens niemals be-
sucht – zum zentralen Thema ihres Wahl-
kampfes. So erwähnte sie, dass sie jede Wo- Linda Lingle
15
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
In diesem Bus starben am 21.
AUS ISRAEL November 10 Menschen

ATOMSICHERER BEFEHLSSTAND FÜR DEN KRIEGSFALL

Regieren in Notzeiten
In der Nähe von Jerusalem soll ein «nationaler Befehlsstand für Krisenzeiten» gebaut werden. Von dort aus soll die israelische
Regierung ihre Staatsgeschäfte auch während eines Kriegses weiterführen können.

Der Befehlsstand soll so ab-
gesichert sein, dass er auch
bei einem Angriff mit chemi-
schen oder atomaren Waffen
Schutz bietet. In Notzeiten
soll der mit neuester Kommu-
nikationstechnik ausgestat-
tete Bunker auch als Informa-
tionszentrale dienen. Bisher
gibt es in Israel nichts Ver-
gleichbares. Lebenswichtige
Informationen laufen nicht in
einer Zentrale zusammen.
Momentan erhält beispiels-
weise der Generalstab wich-
tige militärische und nach-
richtendienstliche Infor-
mationen. Bei einer zivilen
Katastrophe grösseren Aus-
masses gehen die Informati-
onen jedoch an unterschied-
liche Stellen. Die bereits be-
gonnenen Bauarbeiten wer-
den voraussichtlich nach zwei
Jahren abgeschlossen sein.
Das israelische Verteidigungs-
ministerium ist zuständig für
das kostspielige Projekt, das
sich seit längerer Zeit in der
Planungsphase befindet, aber
bisher geheim gehalten wur-
de. Publik wurde es, weil Um-
weltschutzorganisationen auf
Bauarbeiten in einem Natur-
schutzgebiet aufmerksam
wurden. ZL ❏

ALLEN BEMÜHUNGEN ZUM TROTZ: zu den Wohnhäusern vor.

Zunächst erschoss er eine
Der Terror geht weiter junge Frau, die mit ihrem im
Kibbuz lebenden Freund ei-
nen Spaziergang machte. Der
In Israel ist der Monat November nicht nur in der Politik turbulent verlaufen, sondern auch im
Kibbuzsekretär,
militärischen Bereich. Wer meinte, es sei im Hinblick auf den der nach den ers-
Terror eine gewisse Beruhigung eingetreten, wurde durch die ten Schüssen
blutigen Anschläge im Kibbuz Metzer, in Hebron und in herbeigeeilt war,
Jerusalem rasch eines Besseren belehrt. wurde ebenfalls
tödlich getrof-
Das Projekt «Strassenkarte», vilisten ausgearbeitet wer- fen. Doch zwi-
das Ministerpräsident Ariel den. Doch die Verhandlungen schen diesen
Sharon während seines letz- scheiterten. Noch während
Fotos: Reuters
ten Besuches in Washington der Gespräche in Kairo grif-
vorgestellt wurde, sollte ein fen einige Palästinenser er-
Ende aller Terrorakte herbei- neut zu den Waffen. Der wohl Diese Kinder wur-
führen. Im Anschluss daran grausigste Terrorakt wurde den im Schlaf er-
hätte ein temporärer palästi- im Kibbuz Metzer verübt. We- mordet.
nensischer Staat ausgerufen nige Tage später geschah am Der Vater trauert
werden sollen. Doch stattdes- Shabbat-Abend in der jüdi- in ihrem Schlaf-
sen rollten israelische Panzer schen Siedlung bei Hebron zimmer
erneut in die Autonomiegebie- einer der blutigsten Anschlä-
te. Der Grund war leider auch ge seit dem Ausbruch der
diesmal der palästinensische zweiten Intifada. über dieses Blut-
Terror. Zunächst aber erschütter- bad grösser war
Offenbar ist es nicht mög- te der Anschlag im Kibbuz als jemals zuvor.
lich, dass sich die Palästi- Metzer das Land. In Israel Der Kibbuz
nenser von Gewalt und Ter- mussten die Menschen in Metzer liegt in Zentralisrael, beiden Mordtaten drang der
ror verabschieden. In Kairo den letzten beiden Jahren ler- an der Grenze zu palästinen- Terrorist in ein Wohnhaus
fanden kürzlich Gespräche nen, mit Terror und Gewalt zu sischen Gebieten. Die Sze- ein. Dabei erschoss er eine
zwischen Vertretern der Fa- leben. Tod und Trauer sind nen, die sich hier abspielten, 31 Jahre alte Mutter und ihre
tah und der Hamas statt. zum festen Bestandteil des sind mittlerweile hinlänglich beiden Söhne im Alter von
Dabei sollten Übereinkünfte Alltags geworden. Dennoch bekannt. Ein Terrorist drang vier und fünf Jahren. Die Kin-
über die Einstellung der Ter- hat es den Anschein, dass die durch den nicht vollständig der wurden in ihren Betten
rorakte gegen israelische Zi- Erschütterung der Israelis gesicherten Zaun des Kibbuz erschossen, während die

16

Reuters
Mutter versuchte, sie mit ih-
rem Körper zu schützen.
Auch bei diesem Anschlag
hatte der Terrorist offenbar
Helfershelfer aus den arabi-
schen Nachbardörfern des
Kibbuz. Die Annahme, dass
erneut israelische Araber als
Handlager eines Terroristen
fungiert haben, führte zu hef-
tigen Gefühlsausbrüchen in
der israelischen Bevölke-
rung.
Auch die darauf folgenden
militärischen Massnahmen
waren ein Spiegelbild dieser
Stimmung. Die israelische
Armee besetzte die palästi-
nensische Stadt Nablus, um
gründliche Hausdurchsu-
chungen durchführen zu
können. Nablus ist seit vielen
Monaten eine Hochburg des
Terrors. Weder die Regierung
noch Armeekreise wollten
sich über die Dauer dieser
Massnahmen äussern.
Zwischenzeitlich hiess es,
die Soldaten würden noch
eine geraume Zeit in Nablus
bleiben – so lange, bis ihre
Aufträge erfüllt seien.
Knapp eine Woche nach
dem Anschlag im Kibbuz
Metzer marschierten israeli-
sche Soldaten in Hebron ein.
Zuvor kam es auf einem Weg
zwischen den arabischen
Wohnvierteln und der jüdi-
schen Siedlung zu einem der
schlimmsten Überfälle seit
dem Beginn der zweiten In-
tifada. Im Anschluss an die
Shabbat-Gebete in der Syna-
goge kamen zwölf Menschen
ums Leben, darunter neun
wachhabende Soldaten. Die
Mörder – Mitglieder der Ter-
rorgruppe Islamischer Jihad –
hatten es eigentlich auf die
betenden Juden abgesehen,
doch sie stiessen auf eine
Armee-Patrouille. Beim an-
schliessenden Gefecht zwi-
schen den Terroristen und
den israelischen Soldaten
starb auch Oberst Dror Wein-
berg, der die in Hebron stati-
onierten Einheiten befehligte.
Vor ihm hätte eine vielver-
sprechende Karriere gele-
gen, denn er sollte
demnächst befördert wer-
den. Da er seinen Soldaten
mit gutem Beispiel voran-
ging, kam er trotz seines ho-
hen Rangs ums Leben.
Einen blutigen Höhepunkt
erreichte der Terror im No-
vember, als im Jerusalemer
Stadtteil Kiryat Menachem
ein 23-jähriger Palästinenser
aus Bethlehem in einem voll-
besetzten Linienbus einen
Sprengsatz zündete. Der An-
schlag ereignete sich am 21.
November gegen 7.00 Uhr
Ortszeit in unmittelbarer
Nähe zum Hadassah-Kran-
kenhaus in Ein Kerem. Den
Rettungskräften bot sich ein
Bild des Grauens: Auf dem
Boden lagen Dutzende
Schulbücher, Taschen und
Pausenbrote von Kindern, die
im Bus mitfuhren.
Insgesamt kamen elf Men-
schen ums Leben, darunter
ein 13-jähriges Mädchen.
Wenige Minuten vor dem
Anschlag waren Dutzende
Schulkinder in den Bus zuge-
stiegen. Neun Opfer erlitten
lebensgefährliche Verletzun-
gen; insgesamt wurden etwa
58 Menschen verletzt. Zu
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
dem Anschlag bekannten
sich die «Al-Kassam-Briga-
den», der bewaffnete Arm der
Hamas.
Bereits eine Viertelstunde
nach dem Attentat war eine
Sondereinheit der israeli-
schen Armee kurzzeitig nach
Bethlehem vorgerückt und
hatte neun verdächtige Pa-
lästinenser verhaftet. Anga-
ben aus Armeekreisen zufol-
ge hatten zwei von ihnen wei-
tere Terroranschläge ge-
plant. Wie kurz vor
Redaktionsschluss aus isra-
elischen Medien verlautet,
sind israelische Truppen
nicht nur nach Bethlehem
einmarschiert, sondern mit
Ausnahme von Jericho in
sämtliche Städte des West-
jordanlandes. Die blutige Bi-
lanz seit dem Ausbruch der
zweiten Intifada lautet bisher:
679 Israelis fanden den Tod,
und etwa 4 800 wurden ver-
letzt. ZL/BH
Kommentar: Seit mehr als
2 000 Jahren sind die Leiden
des jüdischen Volkes beispiel-
los. Auch als wiedergebore-
ne Christen und Freunde Is-
raels schmerzt es uns
zutiefst, was unseren jüdi-
schen Brüdern und Schwes-
tern widerfährt. Trotz dieser
Tragödien dürfen wir nicht
vergessen, dass Gott alles
sieht und eines Tages auch
für Israel alle Leiden zu Ende
sind. Wenn Paulus sagt, dass
wir durch viel Trübsal ins
Reich Gottes eingehen müs-
sen, so gilt das sicher auch
für unsere Traurigkeit
und Niedergeschla-
genheit im Zusam-
menhang mit den Ter-
roropfern in Israel!
Denn die Gemeinde
Jesu und Israel sind
untrennbar miteinander
verbunden. CM ❏
AUS ISRAEL
GOTT AUF
GELDSCHEINEN?
«Mit Got-
tes Hilfe»
oder «In-
shallah»
Orthodoxe Knesseth-
Abgeordnete fordern, dass
auf allen Geldscheinen,
welche die israelische
Staatsbank herausgibt,
künftig der Zusatz «mit
Gottes Hilfe» stehen solle.
Meir Peretz von der sephar-
disch-orthodoxen Shas-Partei
legte dem israelischen Parla-
ment einen entsprechenden Ge-
setzentwurf vor. Er untermauer-
te seine Eingabe mit dem Argu-
ment, es sei endlich an der Zeit,
dass der Staat Israel die Verbin-
dung zwischen dem jüdischen
Volk und Gott offiziell kundtue.
Der Gesetzentwurf beruft sich
zudem auf die gängige Praxis in
Amerika; dort steht auf Münzen
und Geldscheinen unter anderem
das Motto «In God we trust» (Auf
Gott vertrauen wir).
Dieser Vorschlag erhielt die
unerwartete Unterstützung der
arabischen Knesseth-Abgeord-
neten. Da Arabisch die zweite
offizielle Landessprache ist, for-
derten sie, dass künftig auf den
Geldscheinen auch das Wort
«Inshallah» – «So Gott will» –
stehen solle. ZL ❏
Auf der Dollar-Note steht
geschrieben: «In God
we trust»
17
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
AUS ISRAEL
VORBEREITUNGEN AUF DEN ERNSTFALL
«Geisterstädte»
und Spione
Angesichts eines möglichen Militärschlags der USA gegen
den Irak wird die Zusammenarbeit zwischen Israel und
Amerika immer intensiver.
Nach unbestätigten Presseberichten kooperieren die
Armeen beider Staaten in vielen Bereichen noch enger als
bisher. Im November traf in Israel eine Delegation hoch-
rangiger amerikanischer Militärs ein, die sich mit dem
Verteidigungs- und Angriffssystem der israelischen Armee
vertraut machen sollen.
Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Armeen be-
schränkt sich jedoch nicht nur auf den Erfahrungsaus-
tausch. Wie die britische Presse berichtet, soll eine israe-
lische Einheit im Westen des Irak Stützpunkte ausfindig
machen, von denen aus Raketen auf Israel abgefeuert
werden könnten. Die von der Spezialtruppe zusammen-
getragenen Informationen sollen an die USA weitergelei-
tet und vor allem in den ersten Tagen eines Angriffs auf
den Irak für gezielte Militäraktionen verwendet werden.
Nach weiteren Meldungen in der amerikanischen Pres-
se sollen in der Negev-Wüste «Geisterstädte» errichtet
worden sein. Es soll sich dabei um getreue Nachbildun-
gen von irakischen Dörfern handeln, die amerikanischen
Elitesoldaten zu Übungszwecken dienen. In diesen «Geis-
terstädten» sollen Moscheen stehen und Wäsche zwi-
schen den Häusern hängen. In den verschlungenen Gas-
sen sollen sogar Esel umherwandern. Ausserdem soll die
israelische Armee den USA wichtige Erkenntnisse über
den Kampf in dicht besie-
delten Regionen mitgeteilt
haben.
Ferner wird berichtet,
dass die amerikanischen
Waffenlager, die in Israel
für einen Notfall vorgese-
hen sind, überprüft, neu
ausgestattet und in Bereit-
schaft versetzt wurden,
damit die USA im Kriegsfall
Patriot-Stellung bei Tel Aviv umgehend darauf zurück-
greifen können. Ange-
sichts eines möglichen Krieges in der Region wurde das
israelische Raketenabwehrsystem «Chetz» (Pfeil) bereits
in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Die israelische
Armee ist zuversichtlich, dass das mit den amerikanischen
Patriot-Batterien koordinierte Abwehrsystem Israel einen
umfassenden Schutz gegen irakische Scud-Raketen bie-
tet. ZL ❏
18
WAHLSIEG DER ISLAMISTEN – EIN GRUND
ZUR SORGE
Kooperation Israel–
Türkei in Gefahr?
In Jerusalem verfolgt man mit wachsender Besorgnis manche
Äusserungen des Vorsitzenden der «Gerechtigkeits- und
Aufbruchpartei» (AKP), die kürzlich bei Wahlen zum türki-
schen Parlament die absolute Mehrheit errungen hat.
Die grundlegende Orien- nachrichtendienstlichen Be-
tierung dieser Partei ist reich. Wie die internationale
stark islamisch geprägt. Bei Presse berichtet, dient die
den Wahlen erzielte Reuters
die AKP 34 Prozent
der Wählerstimmen,
aber aufgrund des
türkischen Wahl-
systems erhält sie
363 der insgesamt
550 Parlamentsman-
date.
Nur drei Tage
nach der Wahl äus-
serte sich der Partei-
vorsitzende Recep
Tayyip Erdogan über
Israel. Er wählte
dabei die Bezeich-
nung «Terrorpolitik
Sharons» und nahm Wahlsieger Recep Tayyip
auch Bezug auf die
Haltung der türkischen Re- Türkei israelischen Piloten
gierung und der Bürger sei- als Übungsgebiet. Zwischen
nes Landes. Man müsse «das beiden Staaten soll ein Ab-
Recht der Palästinenser an- kommen bestehen, nach dem
erkennen, auf dem Grund israelische Piloten bei einem
und Boden Palästinas einen Angriff auf den Irak oder den
unabhängigen Staat zu grün- Iran von der Türkei aus star-
den.» ten dürfen. Zur Zeit scheint
Diese Äusserungen deu- jedoch diese Kooperation ge-
ten aus der Sicht israelischer fährdet zu sein. In Israel ha-
Politiker auf Probleme hin, ben Experten beschwichti-
denn die Türkei gilt als wich- gend darauf hingewiesen,
tiger strategischer Bündnis- dass ein Regierungswechsel
partner Israels. Zwischen in der Türkei erst am 1. Ja-
beiden Staaten fanden um- nuar 2003 stattfinden werde;
fangreiche Waffengeschäfte bis dahin könne noch vieles
in Milliardenhöhe sowie ge- geschehen. Vielleicht begrei-
meinsame Manöver statt. fe die neue türkische Regie-
Ausserdem besteht eine rungspartei dann auch, dass
enge Zusammenarbeit im die Armee ihres Landes da-
 HINTERGRUNDINFORMATIONEN
Tawfik Fuqara nach der
Festnahme AUS ISRAEL

rauf bedacht sei, den säkula- ANSCHLAG AUF EL AL

ren Charakter der Türkei auf-
recht zu erhalten und des-
halb die Aussenpolitik nicht
Flugzeug-
von religiösen Aspekten, son-
dern von sicherheitspoliti- entführung
schen Erwägungen geprägt
sein müsse. ZL vereitelt
Kommentar: Es war voraus- Ein Zwischenfall an Bord einer Maschine der
zusehen, dass das Bündnis israelischen Fluggesellschaft EL AL hat im
Israels mit einem islami- letzten Monat einigen Staub aufgewirbelt.
Reuters
schen Land nicht auf Dauer
halten würde. Der erdrutsch- Ein israelischer Araber na- Istanbul landen. Der Täter Verhalten Israels gegenüber
artige Sieg der islamisch aus- mens Tawfik Fuqara (23) ver- wurde vorerst von der türki- den Palästinensern protestie-
gerichteten AKP zeigt deut- suchte am 17. November of- schen Polizei in Gewahrsam ren wollen.»
lich, in welche Rich- fenbar, auf dem Flug von Tel genommen und verhört. Fu- Nach dem Vorfall wurde
tung sich die Türkei Aviv nach Istanbul ein Flug- qara habe ausgesagt, dass er der Ben-Gurion-Flughafen in
bewegt. Es ist klar, zeug zu entführen. Wie isra- ein ähnliches Attentat verü- Tel Aviv für kurze Zeit ge-
dass die Politiker der elische Zeitungen melden, ben wollte wie die Terroristen schlossen. Sofort leitete die
AKP die Sorgen über hatte er versucht, in das bei den Anschlägen vom 11. israelische Flughafenbehör-
radikale Veränderun- Cockpit einzudringen. Si- September 2001 in den USA. de eine Untersuchung ein,
gen in der Politik ihres cherheitskräfte konnten den Nach eigenen Angaben habe um zu überprüfen, wie es
Landes beschwichti- mit einem kleinen Taschen- er das Flugzeug in seine Ge- dem Mann gelingen konnte,
gen wollen, zumal sie messer bewaffneten Mann walt bringen und in ein Hoch- das Taschenmesser durch
aus den Fehlern der jedoch überwältigen. Das haus in Tel Aviv steuern wol- die Kontrollen zu schmug-
Vergangenheit gelernt Flugzeug konnte sicher in len. Damit habe er gegen «das geln. BH ❏
haben. Ihr erstes Ziel
wird darin bestehen,
eine Intervention des
Militärs zu verhindern.

Leserforum
Deshalb wird sich die
AKP vorerst demokra-
tisch und tolerant ge- L E S E R F O R U M
bärden. Dennoch soll-
te man nicht vergessen, wo-
her die Ideologie dieser Par-
tei stammt, wer ihr Gründer ZWIESPÄLTIGE RESONANZ
ist und wer ihre Grundsätze
so vehement vertritt.
Eines ist jedoch klar: Die
Solidarität mit Israel – pro
Schlinge um Israel zieht sich
immer enger zu. Biblisch ge-
und kontra
sehen ist die Türkei m. E. das Der in der Oktoberausgabe dieser Zeitschrift erschienene Artikel «Das antijüdische Erbe der
Land Togarma, das nach He-
Kirchen» von Dr. Gershon Nerel hat bei dem einen oder anderen Leser eine zwiespältige
sekiel 38 und 39 im Endzeit-
geschehen eine entscheiden-
Resonanz ausgelöst. Stellvertretend für eine konträre Meinung steht ein Leserbrief, den wir mit
de Rolle spielen wird. Auch der freundlichen Genehmigung des Verfassers, allerdings in gekürzter Form, veröffentlichen.
aus diesem Grund sind in der Lesen Sie einen aufschlussreichen Schriftwechsel und bilden Sie sich anhand der Bibel Ihre
Türkei weitere dramatische eigene Meinung – ganz im Sinne des Apostels Paulus: «Prüft aber alles, und das Gute behal-
Veränderungen zu erwarten, tet» (1.Thess 5,21).
die nicht nur für Israel Be-
sorgnis erregend sein wer- Mit grossem Unbehagen habe ich den Artikel von Dr. Gershon Nerel gelesen. … Es trifft
den, sondern für die gesam- zu, dass sich gewisse Kirchen durch die Missachtung von Römer 9–11 und Philipper 3,17-
te westliche Welt. FW ❏ 21 in anmassender Weise an die Stelle der irdischen jüdischen Nation setzen wollten und

19
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
AUS ISRAEL
L E S ELeserforum
R F O R U M
sich mit darauf folgender weltlichen Machtpolitik schwer
am jüdischen Volk vergangen haben. Der «Mitternachtsruf»
und zahlreiche Freikirchen haben diese falsche Theologie
korrigiert und beweisen dies durch eine entsprechende Hal- sind Tage der Rache, dass alles erfüllt werde, was geschrieben
tung gegenüber den Juden und dem jüdischen Staat.
Obwohl die Kirche in Bezug auf das zukünftige besondere
Handeln Gottes mit Israel irrte, handelt sie korrekt nach
Galater 3,2, wenn sie sich gegen die Beschneidung wehrt. Sie
handelt auch korrekt nach Epheser 2,11.22 und nach 1. Ko-
rinther 3, wenn sie die Bildung von jüdischen Sekten inner-
halb der Gemeinde Jesu bekämpft. Die Kirche handelt auch
korrekt nach Galater 4,10, wenn sie dem jüdischen Kalen-
der keine Beachtung mehr schenkt. – Das Neue Testament
kennt nur drei Gruppen von Menschen: Juden, Griechen
und Christen (1.Kor 10,32). Das Neue Testament kennt für
die gegenwärtige Heilszeit keinen Sonderstatus von «Juden-
Christen» oder «messianischen Juden». Es kennt auch keine
jüdisch-christliche Zwitterreligion, «keinen neuen Wein in al- Reisebüro, auf gutgebuchte Israel-Reisen angewiesen ist.
ten Schläuchen und kein neues Tuch auf altem Kleide» (s. Mk
2,22). Der Hebräerbrief lässt auch vermuten, dass jeder
Christ, der jüdische Feste feiert, seinen Glauben und seinen
Herrn verleugnet. …
Römer 11,21 ermahnt uns zu einer demütigen Haltung
gegenüber den Juden, und wir sollen das besondere Han-
deln Gottes mit den Juden und ihre Jahrhunderte lange
Sonderstellung durchaus im Gedächtnis behalten. – Es be-
unruhigt mich aber, wenn in gewissen christlichen Kreisen
von «Solidarität mit den Juden und mit dem Staat Israel» ge-
sprochen wird. Christen, auch solche aus dem Judentum,
haben sich nicht mit dem ungläubigen, weltlichen Staat Is-
rael zu solidarisieren, sondern vielmehr mit Christus. Und
Christus ist immer noch ausserhalb Jerusalems und ausser-
halb der Grenzen Israels. Noch gilt der Ruf aus Hebräer
13,12-14: «Darum
hat auch Jesus, um
das Volk durch sein «Und noch mit vielen andern Wor-
eigenes Blut zu heili- ten beschwor und ermahnte er sie
gen, ausserhalb des
Tores gelitten. Des- und sprach: Lasset euch retten aus
halb lasst uns zu diesem verkehrten Geschlecht!»
ihm hinausgehen,
ausserhalb des La-
gers, und seine Schmach tragen! Denn wir haben hier keine blei- Apostel in Jerusalem entschieden, dass die Gläubigen aus
bende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.»
… Nicht die Rückkehr nach Israel und der Bau des Tem-
pels ist das gegenwärtige göttliche Gebot, sondern die kla-
re und eindeutige Bekehrung zu Jesus Christus und zur
christlichen Lehre: «Und noch mit vielen andern Worten be-
schwor und ermahnte er sie und sprach: Lasset euch retten aus
diesem verkehrten Geschlecht!» (Apg 2,40). Die ersten Chris-
ten in Israel hatten keinen Auftrag empfangen, mit dem
Staat Israel und seiner ungläubigen Führung «solidarisch»
zu sein. Die ersten Christen hatten der Weisung ihres Herrn
aus Lukas 21,20-22 zu folgen: «Wenn ihr aber Jerusalem von
Heerscharen umzingelt seht, dann erkennt, dass seine Verwüs-
20
tung nahe gekommen ist! Dann sollen die in Judäa auf die Berge
fliehen und die, die in seiner Mitte sind, daraus entweichen, und
die, die auf dem Land sind, nicht dort hineingehen. Denn dies
steht.»
Solange Israel als Nation im Unglauben verharrt, sind
diese Tage der Rache noch nicht vorüber. Aus diesem
Grund handelt zum Beispiel ein Jude oder ein Muslim, der
zum Glauben gekommen ist, nach meiner Meinung
durchaus schriftgemäss, wenn er den Staat Israel aus Si-
cherheitsgründen verlässt. Sollte eines Tages ein Reisebus
mit christlichen Wallfahrern einem Terroranschlag zum Op-
fer fallen, würde ich den Grund nicht bei den «unverständli-
chen Wegen Gottes» suchen, sondern vielmehr in der Nicht-
beachtung von Lukas 21,21. Nirgends haben Christen ein
Gebot, nach Jerusalem zurückzukehren. Ich habe Verständ-
nis dafür, dass Beth-Shalom, wie jedes andere weltliche
Ich halte es aber für theologisch verkehrt und fahrlässig,
unbefestigte Seelen mit unbiblischen Solidaritäts-Zwangs-
vorstellungen nach Israel zu locken. – Bitte überdenken Sie
diese Werbekampagnen sorgfältig anhand des Neuen Tes-
tamentes, bevor Opfer zu beklagen sind. RM
Fredi Winkler, Israelexperte, diplomierter Reiseleiter
und Leiter des Hotels Beth-Shalom in Haifa, hat zu
diesem Brief wie folgt Stellung genommen.
Zunächst einmal besten Dank für Ihren Brief, den ich an
Dr. Gershon Nerel zur Kenntnisnahme weitergeleitet habe.
In nachfolgenden Beiträgen wird er weiter auf die Thematik
eingehen. Deshalb hoffe ich, dass in der Folge einiges kla-
rer wird. Zu ihren Argumenten möchte ich wie folgt Stel-
lung nehmen. Sie schreiben: «Das Neue Testament kennt
für die gegenwärtige Heilszeit keinen
Sonderstatus von ‹Juden-Christen›
oder ‹messianischen Juden›.» Gerade in
dieser Feststellung liegt die ganze
Tragik des Konfliktes zwischen Kirche
und Judentum einerseits sowie zwi-
schen Kirche und an Jesus gläubigen
Juden andererseits. In Apostelge-
schichte 15,1-29 wird zwar durch die
den Nationen sich nicht beschneiden lassen müssten und
sie von den jüdischen Ritualgeboten befreit sind, ausser
den vier in Vers 20: Götzen, Unzucht, Ersticktes und Blut.
Doch nirgends wird gesagt, dass dasselbe für die Gläubigen
aus den Juden gilt. Das Ereignis in Apostelgeschichte
21,17-26 bestätigt diesen Sachverhalt. Es gibt demnach in
einer gewissen Hinsicht innerhalb der Gemeinde Jesu einen
«Sonderstatus» für die an Jesus gläubigen Juden, was ihre
nationale Zugehörigkeit betrifft, die sich unter anderem
durch die Beschneidung äussert, die ihnen aber keine Son-
derstellung innerhalb der Leibesgemeinde verleiht und
selbstverständlich niemals eine seligmachende Bedeutung
 HINTERGRUNDINFORMATIONEN
S E R I E
AUS
EIN BLICK AUS JERUSALEM: ISRAEL UNDISRAEL
JESHUAH
Die Einheit der Kirche
ist keine äusserliche
Uniformität, sondern hat (vgl. Apg 15,1). ISRAELISCHE GLÄUBIGE AN JESHUAH UND
eine geistliche Ein- Damit ist jede an RABBINISCHES JUDENTUM
heit, eine Einheit in Jesus gläubige jü-
der Vielfalt dische Familie frei,
ihre Kinder be-
Schriftliche und
schneiden zu las-
sen, so wie das heute in Israel üblich ist. Das Ausschlagge- mündliche Thora
bende ist jedoch auch für die an Jesus gläubigen Juden, (Teil 1)
dass ihr Glaube auf der Erlösungstat Jesu gegründet ist
und nicht auf Gesetzeswerken.
Zwar gibt es nach Galater 3,28 in Christus Jesus keine DR. GERSHON NEREL bens im heutigen Judentum
Unterschiede mehr, aber trotzdem bleibt ein Mann ein Mann ist jedoch im Allgemeinen die
und eine Frau eine Frau, genauso, wie ein Jude ein Jude mündliche Thora oder Halacha
oder ein Schweizer eben ein Schweizer bleibt. Diese Unter- «Weil dies Volk mir naht mit (hebr.: Torah Shebealpe), jene
schiede dürfen jedoch niemals trennend wirken, sondern seinem Munde und mit seinen in langen Zeiträumen ent-
sollen in dem, was alle verbindet, untergehen. Lippen mich ehrt, aber ihr Herz standene Ansammlung rabbi-
Durch die Nichtbeachtung dieses «Sonderstatus» von Ju- fern von mir ist und sie mich nischer Lehren und zeremo-
den innerhalb der Kirche oder der Gemeinde Jesu haben fürchten nur nach Menschenge- nieller Bräuche. Angesichts
sich die Kirchenväter und die Kirchen nach ihnen im Laufe boten, die man sie lehrt, darum dieser Tatsachen kommt es
der Jahrhunderte bis heute schwer versündigt. Dies ist die will ich auch hinfort mit diesem leider vor, dass einige jüdi-
demütigende und beschämende Tatsache. Es gilt nun, die- Volk wunderlich umgehen, aufs sche Gläubige an Jeshuah der
ses historische Unrecht zu korrigieren. Ich weiss nicht, was wunderlichste und seltsamste, Halacha eine zu grosse Be-
Sie veranlasst, so sehr für die Kirche zu eifern. Die Einheit dass die Weisheit seiner Weisen deutung beimessen und es
der Kirche ist keine äusserliche Uniformität, sondern eine vergehe und der Verstand sei- versäumen, sich an die bibli-
geistliche Einheit, eine Einheit in der Vielfalt. Die kirchliche ner Klugen sich verbergen müs- sche Thora gemäss der Leh-
Inquisition hat im Laufe ihrer Geschichte entsetzliches Un- se» (Jes 29,13-14). re des Neuen Testaments zu
heil über die Menschen gebracht. Und wenn Sie meinen, Das Halten der Thora (die halten.
dass ein einheitlicher Kalender der Kirche die Einheit brin- Grundbedeutung des hebräi- Die rabbinische Literatur
gen würde, dann sind Sie leider im Irrtum. Paulus bekämpf- schen Wortes Thora ist «Leh- der Halacha stützt sich auf
te ja gerade dieses Beachten äusserlicher Dinge (vgl. Kol re», «Weisung»; in einem en- menschliche Überlieferun-
2,16-17). geren Sinn wird der Begriff gen und ist in Wirklichkeit
Ihre Feststellung, dass nach Lukas 21,21 die Tage der aber auch für die fünf Bücher neben dem biblischen Kanon
Rache über Jerusalem und Israel noch andauern, finde ich Mose verwendet) wird im All- eine eigene Gattung. Indem
nun doch etwas weit hergeholt. Ich denke, wir sollten viel gemeinen in einem engen Zu- sie die Autorität der Heiligen
eher beachten, dass das Gericht langsam über alle Völker sammenhang mit der Auf- Schrift zu übertrumpfen
kommt und nicht nur über Israel. Für die kommende Ge- rechterhaltung einer jüdi- sucht, beansprucht die Ha-
richtszeit hat Israel die Zusage, dass Gott Sein Volk be- schen Identität gesehen. lacha jedoch für sich eine Be-
schützen und erretten wird. Das gilt aber nicht für die Nati- Dabei wird jedoch häufig deutung, die sie ursprüng-
onen (vgl. Jer 30,7-17 und besonders Vers 11). Zwar muss übersehen, dass nur die bib- lich gar nicht hatte. So wur-
mit Israel noch Vieles geschehen, doch ich möchte mit dem lische Thora, die so genann- de aufgrund ihres Einflusses
Wort Jesu in Lukas 22,22 sagen: «Wehe durch wen es ge- te schriftliche Thora oder der Termin des biblischen
schieht!» Wir sollen nicht zu Helfershelfern der Feinde Got- schriftliche Lehre (hebr.: Neujahrs (Rosh Hashanah)
tes werden und zu ihren Taten schweigen, wie es in der Na- Torah Shebichtav) als göttli- vom Frühling, nämlich dem
zizeit leider geschehen ist. che Offenbarung akzeptiert Monat Nissan, in dem das
Wie die Gläubigen in Israel sich vom weltlichen Israel wird. Das hebräische Alte Passahfest gefeiert wird, auf
absondern sollen, so sollen auch wir uns als Christen, in Testament (hebr.: Tanach) den Herbst verlegt («Posau-
welchem Land wir auch immer leben, von dieser Welt ab- beinhaltet den Pentateuch, nenfest»; vgl. 3.Mo 23,23-
sondern (vgl. 1.Kor 6,14-18). Die pauschale Verdammung die fünf Bücher Mose (hebr.: 24). Demzufolge besteht im
des «ungläubigen» Israel, wie es die Kirche getan hat, lässt Torat Mosheh), die Bücher Hinblick auf die religiöse Au-
sich biblisch nicht untermauern. Sie sind viel mehr Geliebte der Propheten (hebr.: Neviim) torität eine ständige Span-
um der Väter willen (vgl. Röm 11,28). Für uns gilt es, das und die «Schriften» (hebr. Ke- nung zwischen der biblischen
jüdische Volk durch unsere Liebe zu Jesus hinzuziehen und tuvim), aber nicht die Apokry- (schriftlichen) und der münd-
nicht abzustossen. phen, wie es bei der katholi- lichen Thora. Dieser Konflikt
Ich hoffe sehr, dass Sie aufgrund dieser Erläuterungen schen Bibel der Fall ist. verschärft sich, wenn es um
Ihre Meinung überdenken. FW ❏ Grundlage des religiösen Le- das Neue Testament und

21
HINTERGRUNDINFORMATIONEN
S E R I E
AUS
EIN ISRAEL
BLICK AUS JERUSALEM: ISRAEL UND JESHUAH
insbesondere die Lehren
Jeshuahs geht.
Heute leben israelische
Gläubige an Jeshuah inmitten
einer vom rabbinischen Ju-
dentum geprägten Gesell-
schaft, aber in theologischer
Hinsicht bewegen sie sich in
einer Art «Niemandsland».
Sie müssen klare Antworten
finden auf grundlegende Fra-
gen nach der Einhaltung der
Thora und der gesamten Bi-
bel einerseits und dem Re-
spekt gegenüber der jüdi-
schen Tradition und der
menschlichen Autorität
andererseits. Daraus ergeben
sich folgende Fragen: Welche
Texte bilden tatsächlich die
einzige Grundlage für Glau-
ben und Leben? Welche Leh-
ren und Bräuche sind wirk-
lich verbindlich, und welche
kann man ausser Acht las-
sen? Wie soll man eine Aus-
drucksform einer jüdischen
Identität finden, ohne dabei
die Ausrichtung auf Jeshuah
und die Bibel aufs Spiel zu
setzen oder gar aus den Au-
gen zu verlieren? Wie erarbei-
tet man wahrheitsgetreue,
aber auch praxisbezogene
Prioritäten sowohl für das
Privat- als auch das Gemein-
deleben?
Unter den jüdischen Gläu-
bigen an Jeshuah gibt es nur
eine kleine Minderheit, wel-
Bitte beachten Sie,
· dass unsere Abonnementsrechnungen für das Jahr 2003 in diesen
Tagen verschickt werden. Wir sind Ihnen dankbar, wenn Sie erst nach
deren Empfang bezahlen. Sie erleichtern uns damit die Arbeit.
· dass unsere Büros zwischen Weihnachten
und Neujahr geschlossen sind.
Wir wünschen Ihnen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit!
22
che die Autorität des bibli-
schen Kanons aus Altem
und Neuem Testament nicht
so hoch bewertet wie die der
Halacha. Im Grunde genom-
men sollen moderne jüdische
Gläubige an Jeshuah die
Schriften des Mose nicht
gänzlich ablehnen, sondern
sich den Lehren Jeshuahs
und der Führung des Heili-
gen Geistes unterordnen. Um
die Frage nach der Gültigkeit
der Thora richtig zu beant-
worten, darf man jedoch
nicht Zitate aus den Briefen
des Apostels Paulus aus dem
Zusammenhang herausneh-
men bzw. kommentieren. Viel-
mehr sollte man das Haupt-
augenmerk zunächst auf die
in den Evangelien niederge-
schriebenen Worte Jeshuahs,
des Sohnes Gottes, richten.
Erst wenn die Lehren des
Messias und Königs Israels
im Zusammenwirken mit den
Weisungen des Heiligen
Geistes als einzige Grundla-
ge für Glauben und Leben die
erste Stelle einnehmen, kann
man unterscheiden, welche
Teile der Thora noch heute
relevant sind und auf welche
Weise sie einen Bezug zur
jüdischen Identität haben
sollten.
Hervorgehoben werden
muss auch die Tatsache, dass
Jeshuah selbst die Gültigkeit
Ihr Beth-Shalom-Verein
Das Halten der Tho-
ra wird im Allgemei-
nen in einem engen
Zusammenhang mit
der Aufrechterhal-
tung einer jüdischen
Identität gesehen
der Thora auf äusserst auto-
ritäre Weise bestätigte. Dies
ist ein Grundprinzip. In Sei-
ner Bergpredigt sagte
Jeshuah: «Ihr sollt nicht mei-
nen, dass ich gekommen bin,
das Gesetz (d.h. die Thora; d.
Verf.) oder die Propheten auf-
zulösen; ich bin nicht gekom-
men aufzulösen, sondern zu er-
füllen. Denn wahrlich, ich sage
euch: Bis Himmel und Erde ver-
gehen, wird nicht vergehen der
kleinste Buchstabe noch ein
Tüpfelchen vom Gesetz, bis es
alles geschieht. Wer nun eines
von diesen kleinsten Geboten
auflöst und lehrt die Leute so,
der wird der Kleinste heissen im
Himmelreich; wer es aber tut
und lehrt, der wird gross heis-
sen im Himmelreich» (Mt 5,17-
19). Jeder exegetische Ver-
such, die Bedeutung dieser
be
usg
a
st
e
A
n u
nä
ch
J a
7.
e
Di
Worte herunterzuspielen,
sollte zurückgewiesen wer-
den. Zugleich sollte niemand
diese Worte aus dem Zusam-
menhang aller Aussagen
Jeshuahs im Neuen Testa-
ment herauslösen. Denn der
einzige Weg zur Erlösung
führt über den Glauben an
den gekreuzigten und aufer-
standenen Sohn Gottes und
nicht über die genaue Einhal-
tung von zeremoniellen Prak-
tiken aus der Thora. So fin-
det auch die Wassertaufe der
heutigen Jünger Jeshuahs
nicht auf den Namen der Tho-
ra statt, sondern, wie
Jeshuah sagte, «… auf den
Namen des Vaters und des Soh-
nes und des heiligen Geistes und
lehret sie halten alles, was ich
euch befohlen habe» (Mt 28,19-
20). ❏
t am
n
ei
03 sc
h
20 er
ar