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ZHW / CB / AnC2 8.

Titrimetrie

8. Titrimetrie

ACHTUNG: In den Kapiteln 5 - 8 dieses Skripts werden - ausser wenn explizite etwas Anderes erwähnt
ist - Gleichgewichtskonstanten immer in empirischer Form angenommen, d.h. in den MWG's werden
Ionenaktivitäten durch Konzentrationen ersetzt. Der Einfluss der Ionenstärke auf die Gleichge-
wichtslage wird vernachlässigt.

8.1 Allgemeines zu titrimetischen Verfahren


Literatur zum Thema:
- Kunze U., Schwedt G.: "Grundlagen der qualitativen und quantitativen Analyse", Wiley-VCH, Wein-
heim (2002); Kapitel 5

Analyseprinzip
• Quantitative chemische Umsetzung des Analyten in einer bekannten Menge Messprobe mit ei-
nem Reagens (das Titrationsmittel) in genau definierter und bekannter Stöchiometrie. Sobald
der gesamte Analyt reagiert hat (Äquivalenzpunkt EP), muss eine messbare Eigenschaft des
Systems schlagartig ändern, z.B. die Farbe (Indikation des EP, Endpunktstitration), oder die
ändernde Eigenschaft muss kontinuierlich gemessen werden können (Aufnahme der Titrati-
onskurve).
• Analytisches Signal: Verbrauch Titrationsmittel, z.B. Volumen in ml (Volumetrie) oder Elektri-
sche Ladung in As ( 1 As = 1 Coulomb; Coulometrie)
• Auswertung: Aus der bis zum EP verbrauchten Stoffmenge Titrationsmittel wird via die Stöchi-
ometrie er zugrunde liegenden Reaktion auf die vorgelegte Stoffmenge Analyt zurückgerechnet.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Titrationsmethode:


1. Quantitative Umsetzung zwischen Analyt und Titrationsmittel (K >> 1)
2. Eindeutige Stöchiometrie (keine Nebenreaktionen)
3. Hohe Reaktionsgeschwindigkeit (Verschleppung des EP -> Rücktitration)
4. Präzise Ermittlung des EP möglich.
5. Präzise Einstellung der Konzentration des Titrationsmittels

Titrationskurven
Die grafische Darstellung der ändernden Messgrösse (Beispiele s.u.) als Funktion der zugegebenen Men-
ge Titrationsmittel wird als Titrationskurve bezeichnet. In der Methodenentwicklung und -validierung
wird dabei als Abszisse meist nicht die absolute Menge Titrationsmittel (z.B. ml) aufgetragen, sondern
der Titrationsgrad τ.

ntot (T)
Definition des Titrationsgrades: τ := (G67)
ntot (X)

ntot(T) = Totale Stoffmenge zugegebenes Titrationsmittel


ntot(X) = Totale Stoffmenge Analyt in der Messprobe

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• τ am Start ist Null, da ntot(T) = 0.0


• Reagiert jeweils genau 1 mol T mit 1 mol X, so ist τ am EP = 1
− +
Beispiel Argentometrische Chloridbestimmung mit Fällungstitration: Cl (aq) + Ag(aq) → AgCl (s)
• Haben Analyt und Titrationsmittel nicht den gleichen stöchiometrischen Koeffizienten, ändert τ(EP)
entsprechend.
Beispiel: Manganometrische Titration von Wasserstoffperoxid:
− + 2+ 2
2MnO4(aq) + 5H2O2 + 6H(aq) → 2Mn(aq) + 5O2(g) + 8H2O ⇒ τEP = = 0.4
5

Ordinate der Titrationskurve:


Hier wird die Konzentration eines Eduktes (Analyt oder Titrationsmittel) oder Produktes der Reaktions-
gleichung aufgetragen. In instrumentalanalytischen Verfahren kann auch eine Messgrösse, die mit der
Konzentration verknüpft ist, als Ordinate dienen, z.B. eine Absorbance (photometrische Titration) oder
die elektrische Spannung eines potentiometrischen Sensors (z.B. pH-Elektrode). In vielen Fällen ist es
von Vorteil, wenn die Ordinate logarithmiert wird (s.u.).
Beispiele von Messgrössen in der Titrimetrie
Ordinate Methode Analyt Titrationsmittel
pH-Wert Säure/Base-Titration Säure, bzw. Base starke Base, bzw. Säure
log c(X), logc(T) Titration mit potentiometri- X T
schem Sensor
elektr. Leitfähigkeit Konduktometrie solvatisierte Ionen Gegenion für ungeladenes Produkt,
z.B. Fällung
Elektolysespannung Coulometrie oxidier- oder reduzierbar Elektronen (Elektr. Strom)
farblos ändert Farbe in Reaktion
Absorbance Photometr. Titration
ändert Farbe in Reaktion farblos
Elektr. Spannung Bivoltametrische Titration Wasser Karl-Fischer-Reagens

Titrationskurven mit linearer Ordinate

n(...) X + T +... → P +... n(X) X + T +... P +...

0
0 1.0 τ 0
0 1.0 τ

• Je grösser die Gleichgewichtskonstante der relevanten Reaktion ist, desto präziser ist die End-
punktsbestimmung
• Wird auf der Ordinate die Konzentration statt der Stoffmenge aufgetragen, sehen die Kurven nur
gleich aus, wenn die Volumensvergrösserung durch die Zugabe des Titrationsmittels vernachlässigt
werden kann.

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Beispiel: Konduktometrische Verfolgung der argentometrischen Titration von Chlorid


Analyseprinzip: Die flüssige Probe, deren Chloridgehalt (X = Cl-) bestimmt werden soll, wird vorgelegt und an-
schliessend mit einer Silbernitrat-Masslösung (T = Ag+) titriert. Solange die Probe Chlorid enthält, reagiert die-
ses mit den Silberionen des Titrationsmittels zu festem Silberchlorid.
− + − −
Relevante Reaktionsgleichung: Cl (aq) + Ag(aq) + NO3(aq) AgCl (s) + NO3(aq)
Das Nitrat aus dem Titrationsmittel wird in dieser Gleichung mitgeführt, weil seine Konzentration während der
Titration ebenfalls ändert und deshalb die Anzeige des konduktometrischen Sensors auch beeinflusst.
Als Ordinate wird die elektrische Leitfähigkeit λ der Probe gemessen. λ ist proportional zur Summe der Ionen-
konzentrationen in der Lösung.

Ionenkonzentrationen
Ionenkonzentrationen c(Cl-) c(NO3-) c(Ag+)

0
0 1.0 τ

λ∝ ∑ Ionenkonzentrationen

0
0 1.0 τ

Logarithmierte Darstellung
Wird als Ordinate der Titrationskurve eine Konzentration aufgetragen, so kann diese während der Titrat-
ion um viele Zehnerpotenzen ändern, wodurch viele Informationen unsichtbar werden können. Deshalb
wir in vielen Fällen die Ordinate dekadisch logarithmiert:

Titrationskurven mit halblogarithmischer Darstellung


X +2 T +... P +...

c(X) logc(X)

-1

-2

-3

-4

-5

0
0 1.0 2.0 τ -6
0 1.0 2.0 τ

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Bestimmung des Endpunktes bei Titrationen
A. Ordinate linear
Hier ist der Endpunkt dadurch gekennzeichnet, dass die Steigung der Kurve ändert. Liegen die Titrat-
ionsaten digital vor, kann rechnerisch differenziert werden. Falls garfisch ausgewertet werden soll, müs-
sen vor und nach dem EP genügend weit Daten aufgezeichnet werden, damit dieser im Schnittpunkt der
Tangenten an die beiden Kurvenäste bestimmt werden kann:

ml T
0 EP

B. Ordinate logarithmisch
Der Endpunkt liegt am steilsten Punkt der Titrationskurve, bei einem Wendepunkt. Liegen die Daten
digital vor, kann auch hier numerisch differenziert werden, (vgl. Modul InC) die 1. Ableitung der Titra-
tionskurve hat an jedem Aequvalenzpunkt ein Maximum (Beispiel pH-Titration von Cystein):

O
pH-Wert
pH-Wert H2N
CH C
HS CH2 OH

10.0

5.0 VT (ml)
0

1. Ableitung: dpH/dVT

0 VT (ml)
0 EP1 EP2

Ist die Stufe in der Titrationskurve genügend ausgeprägt und symmetrisch, kann der Endpunkt auch
grafisch mit der Tangentenmethode ermittelt werden: Hierzu werden an die Biegungen auf beiden Sei-
ten des EP zwei parallele Tangenten gelegt. Zwischen den beiden Tangenten wird eine weitere Parallele
genau in der Mitte gezogen. In ihrem Schnittpunkt mit der Titrationskurve liegt der Aequivalenzpunkt
(vgl. Grafik auf der nächsten Seite).

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ml T
0 EP

C. Endpunktsbestimmung mit Indikatoren


Ist der Analyt X oder das Titrationsmittel T selber charakteristisch gefärbt, so ist unter Umständen gar
kein zusätzlicher Indikator notwendig, da im ersten Fall die Farbe von X am Endpunkt endgültig ver-
schwindet, bzw. im andern die Farbe von T erstmals sichtbar wird (Beispiel permanganometrische Tira-
-
tion: der erste Tropfen tiefviolettes MnO4 , der nicht mehr durch X entfärbt wird, zeigt das Ueberschrei-
ten des Endpunktes an).
• Die verfolgten Farben müssen sehr intensiv sein, da Indikatoren nur sehr verdünnt eingesetzt wer-
den dürfen (Indikatorfehler, s.u.), bzw. X und T nahe beim EP nur in sehr kleinen Mengen vorliegen.
• Die Färbung der Probenmatrix oder des Titrrationsmittels dürfen die Indikatorfarbe nicht überde-
cken.
Ist die Färbung oder ihre Aenderung am EP visuell nur schlecht erkennbar, so kann eine Erhöhung der
Empfindlichkeit erreicht werden, wenn mit einem Photometer die Absorbance bei einer Wellenlänge
verfolgt wird, deren Extinktionskoeffizient vor und nach dem EP besonders stark ändert (Photometrische
Tititration, vgl. Praktikum AnCP2)

Beispiel: Photometrische Titration von Nitrophenolen


Nitrophenole sind schwache einprotonige orga-
nische Säuren, deren leichte Gelbfärbung beim O N OH O2N O + H+(aq)
2
Uebergang zur konjugierten Base Nitrophenolat
intensiver wird. pKS = 7.15
Diese Intensivierung der Farbe ist jedoch visuell p-Nitrophenol p-Nitrophenolat
gelblich intensiv gelb
kaum zu verfolgen, vor allem ist kaum zu erken-
nen, wann sie abgeschlossen ist ( = Endpunkt erreicht). Vergleicht man jedoch die photometrischen Spektren der
beiden konjugierten Teilchen, erkennt man, dass sich diese bei einer Wellenlänge von 410nm stark unterscheiden:
Während die Säure kaum mehr Licht dieser Wellenlänge absorbiert, hat die Base hier ein Absorptionsmaximum.
Die photometrische Messgrösse Absorbance ist proportional zur Konzentration eines Teilchens in Lösung (Lambert-
Beer-Gesetz), wird also die Titrationskurve mit einem Photometer aufgezeichnet, erhält man eine Titrationskurve
des Typs A (lineare Ordinate).

Abs. 410nm

0.5
O2N O

O2N OH

0.0
400 500 600
Wellenlänge (nm) 0
0 1.0 τ

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Beispiel: Säure-Base-Titration mit pH-Indikator


pH-Indikatoren sind Farbstoff-Protolyte, deren konjugierte Teilchen verschieden gefärbt sind und deshalb je nach
pH-Wert eine andere Farbe haben (vgl. Kapitel 5.3.3). Sollen sie zur Anzeige des Aequivalenzpunktes in einer pH-
Titration eingesetzt werden, muss sicher gestellt sein, dass der pH-Wert des Systems am EP das ganze Umschlags-
gebiet (ca. pKS(Indikator) - 1 bis pKS(Indikator) + 1 ) durchquert.
Im nachfolgenden Beispiel wird die zweiprotonige Aminosäure Cystein (pKS1 = 7.85, pKS2 = 9.85) mit 1 molarer
Natronlauge titriert (vgl. auch Beispiel zur Ableitung von Titrationskurven auf Seite 4 dieses Skripts). Der 1. EP ist
kaum sichtbar, es muss deshalb der 2. Aequivalenzpunkt ausgewertet werden. Dies bedeutet, dass pro mol Analyt
2 mol Titrationsmittel verbraucht werden, weil bis zum sichtbaren EP dem Analyten 2 H+ entrissen werden.
Der 2. EP wird bei ca. pH 11 erwartet (Berechnung von pH-Titrationskurven: vgl. Kap. 8.2), der Indikator sollte
einen pKS im gleichen Bereich haben. Dies ist bei Alizaringelb der Fall, das laut Tabelle im Kunze ein Umschlags-
gebiet von pH10 bis 12 hat. Wird nun dieser Bereich auf die titrationskurve übertragen und dann auf die Abszisse
projiziert, findet man den Unsicherheitsbereich der Resultate, in diesem Beispiel von τ = 1.6 bis τ = 2.2.
Die Breite dieses Bandes kann zur Abschätzung der relativen Messunsicherheit der EP-Bestimmung verwendet
werden, und die Differenz zwischen der Mitte des Bandes und τ = 2.0 erlaubt eine Aussage über die systematische
Abweichung des Resultates.

14 pH
pH

Umschlags- 13
bereich
+1pH 12

pKS 11

-1pH 10

9
Alizaringelb

8
Resultat: τ = 1.6 bis 2.2
bzw. τ = 1.9 ± 0.3
7 ⇒ Syst. Abweichung = −0.1τ =ˆ - 5%
⇒ Messunsicherheit = ±0.3τ =ˆ ± 15%
6

5 τ
0 1 2 3 4

Eine weitere Ursache für eine systematische Abweichung ist der sog. Indikatorfehler: Im obigen Bei-
spiel ist der Indikator Alizaringelb auch eine Säure, wenn auch eine schwächere als der Analyt. Der In-
dikator wird also - nachdem der Analyt austitriert ist - ebenfalls noch mit dem Titrationsmittel reagie-
ren und deshalb einen zu hohen Verbrauch vortäuschen. Es ist deshalb wichtig, möglichst kleine
Stoffmengen (verglichen mit der Analytmenge) Indikator in die einzelnen Messproben zu geben.

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8.2 Säure-Base-Titrationen

Analyte: Säuren und Basen


Titrationsmittel: Sehr starke Basen, bzw. Säuren, z.B. Salpetersäure, Salzsäure, Perchlorsäure, Nat-
ronlauge, Tetrabutylammoniumhydroxid (für nichtwässerige Titrationen)
c(A − ) K (HA)
Reaktionen: HA + OH− A− + H2O K= −
= S
c(HA) ⋅ c(OH ) KW

c(HB+ ) K (B)
B + H3O+ HB+ + H2O K= +
= B
c(B) ⋅ c(H3O ) KW
+ -
Messgrösse: pH-Wert = -logc(H (aq)) = 14 + logc(OH (aq))
Sensoren: pH-Elektrode
Indikatoren: Farbstoffsäuren oder -basen
Probleme: - schlechte Selektivität bei Gemischen mit ähnlichen pKS-Werten
- ungenügende Präzision für sehr schwache Protolyte

Modellierung der Titrationskurve


Für die Simulation von Titrationskurven von bis zu dreiprotonigen Säuren und Basen steht Ihnen auf der
Homepage der AnC eine EXCEL-Datei zur Verfügung.
A. Allgemein gültige Grundsätze:
• Ist der Analyt eine Säure, steigt der pH während der ganzen Titration monoton, ist dieser eine Ba-
se, sinkt die Kurve monoton.
• Nur an den Pufferpunkten (τ = 0.5, 1.5, etc. ) und den Aequivalenzpunkten hat die Kurve Wende-
punkte.
• Der überstrichene pH-Bereich ist auf der einen Seite begrenzt durch den pH der Messprobe (Start),
auf der andern durch jenen des Titrationsmittels (τ >> 1).
• Vor dem letzten EP bestimmt der Analyt und seine Anfangskonzentration das Aussehen der Titrati-
onskurve.
• Nach dem letzten EP bestimmt das Titrationsmittel und seine Konzentration das Aussehen der Titra-
tionskurve

B. Spezielle Punkte: Einprotoniger Analyt, Titration mit OH-, bzw. H3O+


τ=0 pH = pH der Messlösung. Besteht diese nur aus Wasser und einem Analyten, kann der Start-
pH einfach über den Protolysegrad des Analyten berechnet werden (vgl. Kap. 5.2.1).
τ = 0.5 pH = pKS des Analyten. Bei τ = 0.5 ist gerade die Hälfte des Analyten in seine konjugierte
Säure oder Base umgewandelt worden, d.h. c(X) = c(HX) = 0.5∙Ctot(X). Sind aber die KKon-
zentrationen eines konjugierten S/B-Paares gleich gross, folgt aus der Puffergleichung, dass
pH = pKS(HX) sein muss.
Um diesen Punkt herum wirkt HX/X als Puffer (vergleichbare Konzentrationen von HX und X!)
und bewirkt so, dass der pH bei Zugabe von Titrationsmittel nur langsam ändert.
-> flachster Bereich der Titrationskurve.
τ = 1.0 Aequivalenzpunkt, steilster Punkt der Titrationskurve. An dieser Stelle haben genau stö-
chiometrische Mengen Titrationsmittel und Analyt miteinander reagiert: Ctot(T) = Ctot(X). Da
dies aber ein Gleichgewicht ist, bleibt eine kleine Menge "unreagiertes" Titrationsmittel übrig
und genau gleich viel Analyt: c(X) = c(T). Dieser Umstand kann bei der grafischen Konstrukti-
on der Titrationskurve aus dem "Hägg-Diagramm" ausgenutzt werden (vgl. Kunze). Aus dem
Hägg-Diagramm folgt zudem, falls pKS und pH(T) nicht zu nahe beieinander liegen:

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pKS (HB+ ) − logCtot (B) pK (HA) + logC tot (HA) + 14


Analyt Base B: pHEP = ; Analyt Säure HA: pHEP = S
2 2
τ > 1.0 Aussehen der Kurve bestimmt durch das Titrationsmittel. Nach dem Aequivalenzpunkt hat
aller Analyt reagiert, der pH wird nur noch durch den wachsenden Ueberschuss an titrations-
mittel bestimmt.
τ >> 1.0 pH = pH des Titrationsmittels. Bei grossem Ueberschuss an Titrationsmittel besteht die Vor-
lage praktisch nur noch aus T, der pH nähert sich asymptotisch diesem pH-Wert, der nie über-
+
schritten (bzw. unterschritten, falls T =H3O ) wird.

Beispiel 1: Titration einer 0.1 molaren Essigsäure mit 0.1 molarer Natronlauge
Stöchiometrie: HAc + OH− Ac− + H2O , pKS(HAc) = 4.76

τ=0 pH für Ctot(HAc) = 0.1 mol/l:


KS 10−4.76
Für schwache Säuren gilt (vgl. Kap. 5.2.1): Protolysegrad α = = = 0.0131
Ctot (HAc) 0.1
⇒ c(H3O+ ) = α ⋅ Ctot (HAc) = 0.0131 ⋅ 0.1 = 0.00131 ⇒ pH = − logc(H3O+ ) =2.88

τ = 0.5 pH = pKs(HAc) = 4.76 (Puffergebiet des Paares HAc/Ac- )


pKS (HAc) + logC tot (HAc) + 14 4.76 + log(0.1) + 14
τ = 1.0 pHEP = = = 8.88
2 2
τ >> 1.0 pH = pH(T) = 13

14 pH
pH

12

10

0 τ
0 0.5 1 2 3

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Beispiel 2: Titration von 10-5 mol/l Cyanid mit 10-5 molarer Perchlorsäure
Stöchiometrie: CN− + H3O+ HCN + H2O , pKS(HF) = 9.4

τ=0 pH für Ctot(CN-) = 10-5 mol/l:


−KB + KB2 + 4 ⋅ KB ⋅ C tot −10−4.6 + 10−9.2 + 4 ⋅ 10−9.6
Protolysegrad des Cyanides: α = = = 0.77
2 ⋅ Ctot 2 ⋅ 10−5
− − −4
⇒ c(OH ) = α ⋅ Ctot (CN ) = 0.77 ⋅ 10 ⇒ pH = 14 + logc(OH− ) = 8.88

τ = 0.5 pH = pKs(HCN) = 9.4 (Puffergebiet des Paares HCN/CN- )


pKS (HCN) − logCtot (CN− ) 9.4 − log(10−5 )
τ = 1.0 pHEP = = = 7.2
2 2
τ >> 1.0 pH = pH(T) = 5

14 pH
pH

12

10

0 τ
0 0.5 1 2 3

Einfluss des pK-Werts von Analyt und Titrationsmittel


Wie schon in Kap. 8.1 gezeigt, wird die Höhe des Sprunges, bzw. seine Steilheit am Aequivalenzpunkt (und damit
die Unsicherheit der Analyse!) bestimmt durch die Gleichgewichtskonstante der zugrunde liegenden Reaktion. Bei
pH-Titrationen ist dies eine Protonenübertragung zwischen dem Analyten und dem Titrationsmittel. Wie in Kap.
5.1.3 gezeigt, kann die Gleichgewichtskonstante einer Säure-Base-Reaktion aus den pK-Werten der beiden Edukte
berechnet werden (Beispiel Saurer Analyt HX wird titriert mit basischem Titrationsmittel T):

c(X − ) ⋅ c(HT + ) KS (HX)


HX + T X − + HT + K= =
c(HX) ⋅ c(T) KS (HT + )
logK = pKS (HT + ) − pKS (HX)
Wird immer dass gleiche Titrationsmittel benutzt, bestimmt nur noch der pKS des Analyten die Präzision der titra-
tion:
Je schwächer sauer, bzw. basisch der Analyt ist, desto weniger ausgeprägt ist der Sprung am Aequivalenz-
punkt und damit steigt die Unsicherheit des Analysenresultates.

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-
Titration 0.1molarer Säuren mit 1mol/l OH

14 pH
pH

pKS(X)
12
14

12 10

10
8
8
6 6

4 4

2
2
0

0 τ
0 0.5 1 0.5 2

14
14

12
12

10
10

88
pH-Wert
pH-Wert
66
14
14
12
12
44
10
10
88
22 66 pKs pKs
44
00 22
0.0
0.0 00
1.0
1.0
Titrationsgrad
Titrationsgrad

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Schlussfolgerungen (gelten sinngemäss auch für Basen!):


• Titrationskurven von sehr starken Säuren (pKS < 0) unterscheiden sich nicht (Nivellierungsef-
fekt des Wassers)
Begründung: Diese Säuren sind auch am Start der Titration bereits vollständig protolysiert, es wird
+
immer die äquivalente Menge H3O titriert.
• Liegt der pKS des Analyten weniger als 2 Einheiten unter dem pH des Titrationsmittels, ist kein
Sprung mehr erkennbar.
Begründung: Der Analyt ist zu wenig sauer (bzw. T zu wenig basisch), als dass noch eine Protonen-
übertragung stattfinden könnte.
• Je verdünnter die Messprobe oder das Titrationsmittel sind, desto weniger ausgeprägt ist der
Sprung.
Begründung: Der Start-pH steigt beim Verdünnen, weil Ctot(X) sinkt. Umgekehrt sinkt der erreichbare
Höchst-pH, da der pH des (basischen) Titrationsmittels durch Verdünnung ebenfalls sinkt.

C Titration mehrprotoniger Analyte


Bei der Titration mehrstufiger Protolyte lassen sich in der Titrationskurve die einzelnen Teilreaktionen
separieren, wenn die pKS-Werte genügend unterschiedlich sind (vgl. Kap. 5.3.2). Folgen die Pufferberei-
che zu nahe aufeinander, lässt sich dazwischen kaum noch ein Sprung erkennen (evtl. kann durch nu-
merische Ableitung noch ein Enpunkt gefunden werden), es werden mehrere Protonen gleichzeitig
titriert. So ist im Beispiel der Titration der zweiprotonigen Säure Cystein (vgl. Kap. 8.1) nur bei τ = 2
ein deutlicher Sprung zu erkennen, da wegen der ähnichen pKS-Werte beide Protonen gleichzeitig rea-
gieren:
H2Cy + 2OH− Cy2− + 2H2O
Diese Stöchiometrie entspricht also dem Grundtypus X + 2T -> P, die Titration muss auch entsprechend
ausgewertet werden (2 mol T reagieren mit 1 mol Analyt).
Sind die pKS-Werte hingegen genügend weit auseinander (Faustregel >2 pH-Einheiten), können die ein-
zelnen Stufen isoliert betrachtet werden, zu den Konstruktionshilfsmitteln, die unter B aufgeführt sind,
kommen noch jene Punkte dazu, welche im Uebergang zwischen zwei Puffergebieten liegen, im folgen-
den Beispiel sind dies jene bei τ = 1 und τ = 2.
Beispiel: Titration einer 0.01 molaren Phosphorsäure mit 0.1 mol/l OH-
pKS(H3PO4) = 1.96 pKS(H2PO4-) = 7.21 pKS(HPO42-) = 12.3
τ = 0: Der pH entspricht jenem der vorgelegten Probe:
Protolysegrad 0.01M H3PO4: ⇒ pH = − log(α ⋅ Ctot (H3PO4 )) = − log(0.634 ⋅ 0.01) = 2.20
⇒ pH = − log(α ⋅ Ctot (H3PO4 )) = − log(0.634 ⋅ 0.01) = 2.20

τ = 0.5 Puffergebiet des Paares H3PO4/H2PO4- ⇒ pH = pKs(H3PO4) = 1.96


τ = 1.0 Uebergang zwischen 1. und 2. Puffergebiet (Begründung: vgl. Kunze):
pK + pKS2 1.96 + 7.21
⇒ pH = S1 = = 4.59
2 2
τ = 1.5 Puffergebiet des Paares H2PO4-/HPO42- ⇒ pH = pKs(H2PO4-) = 7.21
τ = 2.0 Uebergang zwischen 2. und 3. Puffergebiet (Begründung: vgl. Kunze):
pK + pKS3 7.21 + 12.3
⇒ pH = S2 = = 9.76
2 2
τ = 2.5 Puffergebiet des Paares HPO42-/PO43- ⇒ pH = pKs(HPO42-) = 12.3

pKS (HPO24− ) + logCtot (PO4 ) + 14 12.3 − 2 + 14


τ = 3.0 pH = = = 12.2
2 2
Dieser pH liegt tiefer als der vorhergehende, die Näherung ist also sicher nicht korrekt.
τ >> 3.0 pH = pH(T) = 13

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Titration von 0.01 mol/l H3PO4 mit 0.1 mol/l OH-

14 pH
pH

12

10

0 τ
0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4

Test 8a: Titrimetrie


Im Moodle-Kurs AnC I steht für dieses Kapitel zur Lernkontrolle ein interaktiver Test bereit. Den
Test finden Sie, wenn Sie zum Inhaltsverzeichnis des Kurses gehen und dort das Kapitel 8 anwäh-
len.

8.3 Fällungstitrationen
Literatur zum Thema: - Kunze, Kapitel 8
- Vogel A.I.: 'A Textbook of Quantitative Inorganic Analysis', Longman, New
York 1979

Analyte: Wasserlösliche Metallionen und Anionen, die im verwendeten Lösemittel schwerlös-


liche Salze bilden können
Titrationsmittel: Salzlösung, deren eine Komponente mit dem Analyten ein schwerlösliches Salz bil-
det.

Reaktionen: a X(solv) + bT(solv)
y∓
Xa Tb(s) KL = ca (X) ⋅ cb (T)
z± y∓
Messgrösse: logc( X(solv) ) oder logc( T(solv) )

Sensoren: Ionensensitive Elektroden


Indikatoren: vgl. Kunze, Primärliteratur
Probleme: - schlechte Selektivität bei Gemischen mit ähnlichen Löslichkeitsprodukten
- Erhöhung der Löslichkeit durch Matrixkomponenten (z.B. Protonierung des Anions
oder Komplexbildung des Kations)

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ZHW / CB / AnC2 8. Titrimetrie

8.4 Redoxtitrationen
Literatur zum Thema: - Kunze, Kapitel 10
- Vogel A.I.: 'A Textbook of Quantitative Inorganic Analysis', Longman, New
York 1979

Analyte: Durch das Titrationsmittel quantitativ reduzierbare oder oxidierbare Teilchen


- 4+
Titrationsmittel: Starke, gut lösliche Oxidationsmittel (z.B. MnO4 , Ce ) oder Reduktionsmittel (z.B.
2-
Thiosulfat S2O3 )
Reaktionen: a XRe d + bTOx a XOx + bTRe d ∆E° = E°(T) − E°(X)
Messgrösse: EMK einer potentiometrischen Zelle
Sensoren: Inertelektrode (z.B. Pt), Ionensensitive Elektroden
Indikatoren: vgl. Kunze, Primärliteratur
Probleme: - sehr schlechte Selektivität in Gemischen
- pH-Abhängigkeit vieler Redoxpotentiale

8.5 Komplexometrische Titration


Literatur zum Thema: - Kunze, Kapitel 9
- Schwarzenbach G., Flaschka H.: 'Die komplexometrische Titration', Enke, Stutt-
gart 1965
- Vogel A.I.: 'A Textbook of Quantitative Inorganic Analysis', Longman, New
York 1979

Analyte: Wasserlösliche Metallkationen


Titrationsmittel: Ethylendiammintetraessigsäure H4EDTA, meist als besser wasserlösliches DiNatrium-
salz Na2H2EDTA ("Komplexon III")

Reaktionen: Mz+
+ H2EDTA 2−
{MEDTA}(aq)
(4 − z)−
+ 2H +
KK =
(
c {MEDTA}
(4 − z)−
)
z+ 4−
c(M ) ⋅ c(EDTA )
(aq) (aq) (aq)

z+
Messgrösse: log c(M )
Sensoren: Ionensensitive Elektroden
Indikatoren: vgl. Kunze, angegebene Primärliteratur
Probleme: - pH-Abhängigkeit des Komplexbildungsgleichgewichtes
- schlechte Selektivität gegenüber andern Komplexbildnern (Maskierung notwen-
dig)

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