Sicherheitsdienstleistungen im Wandel Die Sicherheitsunternehmen in der Schweiz spüren keinen Boom. Die Branche hat ein Imageproblem. Während Bemühungen zur Professionalisierung im Gange sind, führen umstrittene Projekte im Bereich der öffentlichen Sicherheit zu neuen Debatten. luc. Die Fälle waren spektakulär, die Beträge sagt. gingen in die Millionen: Am 18.September 2001 Einen starken Zuwachs registriert VSSU-Gene- stahl ein Protectas-Mitarbeiter in Zürich mit Hilfe ralsekretär Casutt auch bei Aufträgen aus dem von drei Bekannten 2,2 Millionen Franken aus Gemeinwesen, Aufträgen also, die von Gemein- einem Geldtransporter seiner Firma. Und im den, Kantonen oder dem Bund an private Firmen Januar dieses Jahres veruntreute ein Teamleiter vergeben werden. Wie Roger Lamm, Regional- der Aarauer Sicherheitsfirma Zürny AG 10 Mil- direktor der Securitas in Zürich, erläutert, beweg- lionen Franken und setzte sich damit nach ten sich diese Aufträge meistens im «normalen Deutschland ab. Zwar wurden die Täter in beiden Rahmen» der Sicherheitsdienstleistungen, das Fällen kurz nach der Tat verhaftet und grosse heisst, es handelt sich um Nachtdienste und Be- Teile des Geldes sichergestellt, doch das Image wachungen. Nur selten werden private Anbieter der privaten Sicherheitsdienste litt unter den Vor- im Bereich der öffentlichen Sicherheit eingesetzt. fällen. 1999 patrouillierten Securitas-Leute im Auftrag der Stadtpolizei in der Zürcher Bäckeranlage. Qualitätssicherung Dies sei ein kurzfristiges und befristetes Engage- Um genau dieses Image geht es Reto Casutt, ment gewesen, um voll ausgebildete Polizisten Generalsekretär des Verbandes Schweizerischer andernorts besser einsetzen zu können, erklärt Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU). Hans Peter Fäh, Sprecher der Stadtpolizei. Aller- Der Verband hat sich zum Ziel gesetzt, das An- dings hätten die Securitas-Patrouillen kein Recht sehen des Berufes aufzuwerten. Dies soll über auf Anwendung von Zwang und Gewalt gehabt. den neu geschaffenen, eidgenössisch anerkannten Fäh betont, private Sicherheitsdienste könnten Fachausweis geschehen. Mit dem Ausweis will nicht anstelle der Polizei handeln, sondern allen- der VSSU ein hohes Ausbildungsniveau garantie- falls die Polizei unterstützen. Mit den Patrouillen ren und die Abgrenzung der professionellen Fir- in der Bäckeranlage habe man gute Erfahrungen men von den sich zahlreich auf dem Markt tum- gemacht, im Bedarfsfall würde man eine solche melnden eher zwielichtigen Anbietern ermögli- Massnahme wieder ergreifen. Gegen die Übertra- chen. Dass man in der Branche sehr schnell in gung von weiteren Kompetenzen an Private wehrt einen Bereich kommt, wo «Sicherheit zum Hobby sich die Stadtpolizei. «Auch die Bevölkerung wird», wie Casutt sich ausdrückt, sieht man hätte wohl keine Freude, wenn Private Personen- daran, dass zwar viele Firmen neu gegründet wer- kontrollen durchführen würden», meint Fäh. den, die wenigsten jedoch ihr erstes Geschäftsjahr überstehen. Firmen mit einer «gewissen Kon- «Rent-a-Cop» stanz» gibt es nach Casutts Schätzung in der in Gemeinden? Schweiz keine 30. Viel aktueller als in der Stadt Zürich ist das Man könne deshalb, sagt Casutt, auch nicht Thema in Gemeinden, die keine eigene Polizei von einem Boom in der Branche sprechen. Nach haben. Immerhin gibt es nach Angaben der Kan- den Terroranschlägen in New York und Washing- tonspolizei bereits 35 Gemeinden im Kanton, die ton vom 11.September seien zwar vermehrt Auf- private Sicherheitsdienste für Teilaufgaben enga- träge eingegangen. Die meisten Firmen hätten die giert haben. In diesem Zusammenhang wirbelte zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen aber schon kürzlich das Projekt «Rent-a-Cop» einigen Staub wieder abgebaut. Nur vereinzelt seien die Ereig- auf. Die Idee dahinter ist, «Freelance-Polizisten» nisse in den USA auch hierzulande zum Anlass zu vermitteln, wie Marcel Geering, ehemaliger genommen worden, das Sicherheitskonzept Kantonspolizist und einer der Initianten des Pro- grundlegend zu überarbeiten. Neben Genf be- jekts, erklärt. Sie könnten bei Personalengpässen zeichnet Casutt die Stadt Zürich als eigentliches auf Zeit einspringen oder Teilzeitstellen überneh- Zentrum für Sicherheitsdienstleistungen. Dies sei men. Geering betont, das Projekt habe nur für insbesondere wegen der vielen in Zürich ansässi- Gemeinden Sinn, die eine Polizei mit weniger als gen ausländischen Firmen so, die in der Regel 100 Stellenprozenten benötigten. Auch wären die mehr in die Sicherheit investierten als einheimi- Polizisten nach wie vor von der Gemeinde ange- sche. stellt. Kein Ersatz für die Polizei Skepsis bei der Kantonspolizei Traditionellerweise führt die Marktleaderin Die Kantonspolizei Zürich bekundet Mühe mit Securitas in der Stadt Zürich sehr viele Bewa- solchen Vorhaben. Zwar hält Informationschef chungsaufträge aus, wie Urs Stadler, Leiter Kom- Hans Baltensperger fest, dass die Übertragung munikation bei der Sicherheitsfirma, sagt. Stark von staatlichen Aufgaben an Private grundsätzlich gewachsen sei in den letzten Jahren der Bereich zulässig sei. Sie bedarf aber einer ausdrücklichen «Pikett und Intervention». Dies bedeutet, dass gesetzlichen Grundlage. Er betont auch, dass die immer mehr Unternehmen und Privatpersonen Ausübung von Zwang und Gewalt einzig und technische Sicherheitssysteme haben. Wird bei allein Sache des Staates sei. «Private Sicherheits- einem solchen System Alarm ausgelöst, braucht kräfte haben hier nichts zu suchen.» Ihnen es eine Sicherheitsfirma, welche die Meldung mangle es an wirtschaftlicher Unabhängigkeit, überprüft und weitere Schritte einleitet. Auch die argumentiert Baltensperger. Gemeindepolizisten Konkurrentin Protectas zählt in der Stadt Zürich müssten deshalb hauptamtlich von der Gemeinde hauptsächlich mittlere und grosse Firmen zu ihrer angestellt sein, fordert er. Kundschaft, wie Regionaldirektor Daniel Wenk nzz 16.04.02 Nr.87 Seite47 zh Teil02
Auch die Tatsache, dass die grossen Sicher-
heitsfirmen weitgehend die Finger von Polizeiauf- gaben lassen, weist darauf hin, dass die Thematik sehr heikel ist. Securitas wolle sich in diesem Be- reich nicht engagieren, sagt Regionaldirektor Lamm. Das sei ein «sehr gefährliches Pflaster», meint er. Auch Lamm ist der Ansicht, dass das Gewaltmonopol beim Staat bleiben müsse. «Was passiert», fragt er, «wenn ein bewaffneter privater Sicherheitsangestellter von seiner Waffe Ge- brauch macht?»