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nzz 16.04.02 Nr.

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Sicherheit in Zürich (11)

Eine Branche kämpft um ihr Image


Sicherheitsdienstleistungen im Wandel
Die Sicherheitsunternehmen in der Schweiz spüren keinen Boom. Die Branche hat ein
Imageproblem. Während Bemühungen zur Professionalisierung im Gange sind, führen
umstrittene Projekte im Bereich der öffentlichen Sicherheit zu neuen Debatten.
luc. Die Fälle waren spektakulär, die Beträge sagt.
gingen in die Millionen: Am 18.September 2001 Einen starken Zuwachs registriert VSSU-Gene-
stahl ein Protectas-Mitarbeiter in Zürich mit Hilfe ralsekretär Casutt auch bei Aufträgen aus dem
von drei Bekannten 2,2 Millionen Franken aus Gemeinwesen, Aufträgen also, die von Gemein-
einem Geldtransporter seiner Firma. Und im den, Kantonen oder dem Bund an private Firmen
Januar dieses Jahres veruntreute ein Teamleiter vergeben werden. Wie Roger Lamm, Regional-
der Aarauer Sicherheitsfirma Zürny AG 10 Mil- direktor der Securitas in Zürich, erläutert, beweg-
lionen Franken und setzte sich damit nach ten sich diese Aufträge meistens im «normalen
Deutschland ab. Zwar wurden die Täter in beiden Rahmen» der Sicherheitsdienstleistungen, das
Fällen kurz nach der Tat verhaftet und grosse heisst, es handelt sich um Nachtdienste und Be-
Teile des Geldes sichergestellt, doch das Image wachungen. Nur selten werden private Anbieter
der privaten Sicherheitsdienste litt unter den Vor- im Bereich der öffentlichen Sicherheit eingesetzt.
fällen. 1999 patrouillierten Securitas-Leute im Auftrag
der Stadtpolizei in der Zürcher Bäckeranlage.
Qualitätssicherung Dies sei ein kurzfristiges und befristetes Engage-
Um genau dieses Image geht es Reto Casutt, ment gewesen, um voll ausgebildete Polizisten
Generalsekretär des Verbandes Schweizerischer andernorts besser einsetzen zu können, erklärt
Sicherheitsdienstleistungs-Unternehmen (VSSU). Hans Peter Fäh, Sprecher der Stadtpolizei. Aller-
Der Verband hat sich zum Ziel gesetzt, das An- dings hätten die Securitas-Patrouillen kein Recht
sehen des Berufes aufzuwerten. Dies soll über auf Anwendung von Zwang und Gewalt gehabt.
den neu geschaffenen, eidgenössisch anerkannten Fäh betont, private Sicherheitsdienste könnten
Fachausweis geschehen. Mit dem Ausweis will nicht anstelle der Polizei handeln, sondern allen-
der VSSU ein hohes Ausbildungsniveau garantie- falls die Polizei unterstützen. Mit den Patrouillen
ren und die Abgrenzung der professionellen Fir- in der Bäckeranlage habe man gute Erfahrungen
men von den sich zahlreich auf dem Markt tum- gemacht, im Bedarfsfall würde man eine solche
melnden eher zwielichtigen Anbietern ermögli- Massnahme wieder ergreifen. Gegen die Übertra-
chen. Dass man in der Branche sehr schnell in gung von weiteren Kompetenzen an Private wehrt
einen Bereich kommt, wo «Sicherheit zum Hobby sich die Stadtpolizei. «Auch die Bevölkerung
wird», wie Casutt sich ausdrückt, sieht man hätte wohl keine Freude, wenn Private Personen-
daran, dass zwar viele Firmen neu gegründet wer- kontrollen durchführen würden», meint Fäh.
den, die wenigsten jedoch ihr erstes Geschäftsjahr
überstehen. Firmen mit einer «gewissen Kon- «Rent-a-Cop»
stanz» gibt es nach Casutts Schätzung in der in Gemeinden?
Schweiz keine 30. Viel aktueller als in der Stadt Zürich ist das
Man könne deshalb, sagt Casutt, auch nicht Thema in Gemeinden, die keine eigene Polizei
von einem Boom in der Branche sprechen. Nach haben. Immerhin gibt es nach Angaben der Kan-
den Terroranschlägen in New York und Washing- tonspolizei bereits 35 Gemeinden im Kanton, die
ton vom 11.September seien zwar vermehrt Auf- private Sicherheitsdienste für Teilaufgaben enga-
träge eingegangen. Die meisten Firmen hätten die giert haben. In diesem Zusammenhang wirbelte
zusätzlichen Sicherheitsmassnahmen aber schon kürzlich das Projekt «Rent-a-Cop» einigen Staub
wieder abgebaut. Nur vereinzelt seien die Ereig- auf. Die Idee dahinter ist, «Freelance-Polizisten»
nisse in den USA auch hierzulande zum Anlass zu vermitteln, wie Marcel Geering, ehemaliger
genommen worden, das Sicherheitskonzept Kantonspolizist und einer der Initianten des Pro-
grundlegend zu überarbeiten. Neben Genf be- jekts, erklärt. Sie könnten bei Personalengpässen
zeichnet Casutt die Stadt Zürich als eigentliches auf Zeit einspringen oder Teilzeitstellen überneh-
Zentrum für Sicherheitsdienstleistungen. Dies sei men. Geering betont, das Projekt habe nur für
insbesondere wegen der vielen in Zürich ansässi- Gemeinden Sinn, die eine Polizei mit weniger als
gen ausländischen Firmen so, die in der Regel 100 Stellenprozenten benötigten. Auch wären die
mehr in die Sicherheit investierten als einheimi- Polizisten nach wie vor von der Gemeinde ange-
sche. stellt.
Kein Ersatz für die Polizei Skepsis bei der Kantonspolizei
Traditionellerweise führt die Marktleaderin Die Kantonspolizei Zürich bekundet Mühe mit
Securitas in der Stadt Zürich sehr viele Bewa- solchen Vorhaben. Zwar hält Informationschef
chungsaufträge aus, wie Urs Stadler, Leiter Kom- Hans Baltensperger fest, dass die Übertragung
munikation bei der Sicherheitsfirma, sagt. Stark von staatlichen Aufgaben an Private grundsätzlich
gewachsen sei in den letzten Jahren der Bereich zulässig sei. Sie bedarf aber einer ausdrücklichen
«Pikett und Intervention». Dies bedeutet, dass gesetzlichen Grundlage. Er betont auch, dass die
immer mehr Unternehmen und Privatpersonen Ausübung von Zwang und Gewalt einzig und
technische Sicherheitssysteme haben. Wird bei allein Sache des Staates sei. «Private Sicherheits-
einem solchen System Alarm ausgelöst, braucht kräfte haben hier nichts zu suchen.» Ihnen
es eine Sicherheitsfirma, welche die Meldung mangle es an wirtschaftlicher Unabhängigkeit,
überprüft und weitere Schritte einleitet. Auch die argumentiert Baltensperger. Gemeindepolizisten
Konkurrentin Protectas zählt in der Stadt Zürich müssten deshalb hauptamtlich von der Gemeinde
hauptsächlich mittlere und grosse Firmen zu ihrer angestellt sein, fordert er.
Kundschaft, wie Regionaldirektor Daniel Wenk
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Auch die Tatsache, dass die grossen Sicher-


heitsfirmen weitgehend die Finger von Polizeiauf-
gaben lassen, weist darauf hin, dass die Thematik
sehr heikel ist. Securitas wolle sich in diesem Be-
reich nicht engagieren, sagt Regionaldirektor
Lamm. Das sei ein «sehr gefährliches Pflaster»,
meint er. Auch Lamm ist der Ansicht, dass das
Gewaltmonopol beim Staat bleiben müsse. «Was
passiert», fragt er, «wenn ein bewaffneter privater
Sicherheitsangestellter von seiner Waffe Ge-
brauch macht?»

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