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022010 www.pflichtlektuere.com
Lebenstraum Klettern
Dem Neoliet-Chef ist keine Wand zu steil.
S02 VOR-SPIEL A367_02
Was geht
D
ie Ruhr.2010 läuft. Essen ist Slevogt (siehe „Segelboote“), Lovis Co-
Kulturhauptstadt, doch auch rinth und Max Liebermann. Studenten
die Stadt Dortmund hat für kommen für vier Euro rein.
alle Kulturbegeisterten einen
Veranstaltungskalender auf Wer sagt, ich interessiere mich mehr
ihrer Internetseite, Rubrik „Freizeit und für Literatur, den mag eine Lesung des
Kultur“: www.dortmund.de Vereins deutscher Sprache locken. Am
Samstag, 6. Februar, um 18 Uhr wird
Zwei der Tipps schon hier für euch: Zu- im Dortmunder Martin-Schmeißer-
nächst eine Ausstellung rund um den Weg 11 ein lyrisches Potpourri des 20.
Impressionismus im Dortmunder Mu- Jahrhunderts präsentiert. Texte gibt es
seum für Kunst und Kulturgeschichte, von Else Lasker-Schüler, Bertolt Brecht,
Hansastraße 3, täglich von 10 bis 17 Uhr. Ingeborg Bachmann und weiteren.
Noch bis Mitte April sind hier Werke Kostet nix. Wir wünschen kulturell ge-
der Berliner Künstlergruppe Secession nussvolle Semesterferien!
aus der Nationalgalerie Berlin ausge-
liehen worden. Die Bilder beschäftigen macl/sal
sich mit dem Umbruch, dem Aufbruch foto: Pressestelle Stadt Dortmund
aber auch mit dem Zusammenbruch
vor dem Ersten Weltkrieg. Zu sehen
sind unter anderem Bilder von Max
Neulich in Deutschland
N
eulich habe ich den Raum- zu Fremden sehr herzlich sind, doch
plan-Studenten Alex mit es lange braucht, bis man sie wirk-
links gezeichnet, obwohl ich lich kennen lernt. Man pellt sie eben
Rechtshänderin bin: Neue Schicht um Schicht wie Zwiebeln“,
Erfahrungen sind schon erklärte Seminarleiterin Julia Pehle:
spaßig, war auch das Motto beim „In- „Deutsche sind eher wie Kokosnüsse;
terkulturellen Training“ des Akade- eine wirklich harte Schale beim Erst-
mischen Auslandsamtes der TU Dort- kontakt, aber wenn die mal gesprengt
mund. Sogar Alex selbst fand sein ist, wird das Innerste offenbart.“
recht spezielles Porträt amüsant. Neue
Blickwinkel bereichern eben. Für mein Erasmus-Semester, die Teil-
nahme am Training und meine Spa-
Oder wusstet ihr, dass es für Spanier nisch-Kurse bekomme ich übrigens
ganz normal ist, erst zur Hochzeit mit ein Zertifikat ausgestellt. Mehr Infos
knapp 30 Jahren bei den Eltern aus- unter: www.aaa.tu-dortmund.de/zer-
zuziehen? Und, dass sich in England tifikat. Auch an UDE und RUB gibt es
jeder Fahrgast höflich vom Busfahrer Erasmus-Förderprogramme.
verabschiedet? Zudem lernte ich, dass
Australier wie Zwiebeln und Deutsche Sarah Salin war ein Semester in Dublin
wie Kokosnüsse sind: „Das Modell und studiert Journalistik in Dortmund.
will sagen, dass die offenen Australier sal/foto:nm
Wissens-Wert
S
chon mal vom „Genie in a bot- Presley kreiert werden – behauptet zu-
tle“ gehört? Sicher, da gab es mindest der Hersteller. Professor Hans
mal den Song, von der kleinen Hatt, Deutschlands bekanntester Riech-
Blonden. Aber hier geht es um forscher von der Ruhr-Uni Bochum hält
eine ganz große Persönlichkeit, das für unwahrscheinlich. „Die DNA
die seit kurzem in 50 ml Fläschchen ab- selbst ist völlig geruchlos.“ Zwar sind
gefüllt wird. Riechen wie Michael Jack- hier gewisse Vorlieben und Antipathien
son, das verspricht der amerikanische für den einen oder anderen Duft gespei-
Parfumhersteller „My DNA Fragrance“. chert, einen Eigengeruch gibt es aber
nicht. Wer wissen will, wie er selber
Jackos DNA wurde von seinen Haaren riecht, für den hat der Wissenschaftler
extrahiert, mit etwas Aloe Vera gemischt einen simplen Vorschlag: Einmal mit
und fertig war der Jackson-Geruch. Und dem Tuch in die Achselhöhle, auswi-
der sei in jedem Fall wohlriechend, ga- schen und unter die Nase halten.
rantiert das Unternehmen. My DNA
Fragrance arbeitet übrigens mit John Dieser Duft ließe sich dann sogar kon-
Reznikoff, dem Besitzer der weltgrößten servieren, aber wer will schon riechen
Sammlung historischer Haare, zusam- wie Michael Jacksons Achsel…
men. So konnten auch Düfte von Jacky
Kennedy, George Washington oder Elvis text/foto: ami
A170_03 START-BLOCK S03
W
Auf dem Weg ir können es uns heute kaum vorstellen: In drei
in eine bessere Jahren schlagen zwei Abi-Jahrgänge an den
Zukunft? Der Ruhr-Unis auf. Nun ist es ja nicht so, dass wir ak-
Streik trägt tuell noch viel Platz in Vorlesungen, Seminaren
erste Früchte. oder Laboren hätten. Oder in der Mensa. Oder in
den Bussen und Bahnen, die uns zur Uni fahren.
S10 … Büffeln statt Besetzen? Der Bildungsstreik spaltete die Studierendenschaft. .com/pflichtlektuere
RUHR-BLICK
S13 … Die Zukunft wird eng: 2013 stürmen zwei Jahrgänge gleichzeitig an den Unis.
DIENST-BAR
S14 … Schieb mich in den DVD-Player, Kleines: Filmklassiker, die ihr sehen solltet.
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S04 BOCHUM: MITTEN IM LEBEN A170_04
T
ief atmet der Mann in Jogginghose und sehen. Alle drei tragen violette T-Shirts mit dem klebten Haaren vor ihnen geflüchtet sind.
T-Shirt ein. Er lenkt seinen konzentrier- Aufdruck „Kletterzentrum Neoliet, TEAM“. Sie ge- Das sagt er fast stolz. Die siebte Klasse musste er
ten Blick auf den ersten Griff und lässt hören zu den etwa 50 freien Mitarbeitern, die in zweimal wiederholen, schließlich ist er auf die
ihn dort einen Augenblick ruhen. Jetzt der Bochumer Halle als Kletterlehrer ihr Studen- Realschule gewechselt. Woher der Jähzorn? „Die
hebt er die Hände, wie zum Angriff be- tenbudget aufbessern. Pubertät, was sonst?“ Dann fügt er etwas klein-
reit, und geht gedanklich noch einmal die ersten lauter hinzu, dass er laut Grundschulzeugnissen
Schritte durch. Diese, nur diese Felswand will er Seit fünf Jahren gibt es das Kletterzentrum in schon ein „fieser Typ“ gewesen sei und nicht wis-
erklimmen, an deren Grund ein Zettelchen mit Bochum-Riemke. Seitdem hat sich die ehemalige se, ob er charakterlich so war. Auf der Realschule
der Ziffer 8 klebt: eine schwere Route. Maschinenhalle mit 2700 Quadratmetern Klet- wurde er dann entdeckt. Beziehungsweise haben
terfläche inklusive Außenanlage und etwa 450 ihn die Lehrer dort ernst genommen und ihm
Guido Krautkrämer ist Familienvater und Firmen- Routen als Klettertreffpunkt etabliert. Täglich beigebracht, seine überschüssige Energie produk-
leiter, verwaltender Chef des Kletterzentrums zieht er mehr als 200 Sportler an. Die Nachfrage tiv zu nutzen.
Neoliet. In seinem Leben ist er schon viel geklet- steigt.
tert: auf der Karriere- und auf anderen Leitern. Verantwortung sei nie sein Ziel gewesen, aber er
habe sie immer gern übernommen. Als er 16 war,
Seine blonden Locken hat er mit einem Haargum- Hobby zum Beruf machen ist seine Mutter gestorben. Vieles hat sich darauf-
mi gebändigt, zwei um die Ellenbogen gewickelte hin verändert. Für seine Aufgaben als Schulspre-
Lederbänder betonen die angespannten Muskeln. Mit der Firmengründung 2004 haben sich Gui- cher haben ihm die Realschullehrer Vertrauen
Gekonnt schlängelt Guido Krautkrämer sich an do Krautkrämer und seine Frau Anke ihren Le- und Aufmerksamkeit geschenkt. „Ich konnte auf
der überhängenden Kletterwand empor, seine Be- benstraum erfüllt, das eigene Hobby zum Beruf einmal Dinge bewegen“.
wegungen sind flüssig und erinnern an die eines gemacht: So, wie er die Wand Schritt für Schritt
Turners. Es sieht einfach aus, der Mann scheint erklimmt, ist der 35-Jährige auch in die Rolle des Er strahlt und erzählt, wie er eine Bibliothek auf-
mit seiner Energie zu spielen, wenn er punktge- verwaltenden Chefs in der Kletterhalle gewach- gebaut und für eine jugoslawische Mitschülerin
nau auf die winzigen Kerben tritt und seinen Kör- sen. Sein Leben verlief nicht immer so souverän. ein Hilfsprojekt gegründet hat. 1994 schaffte er
per Zug um Zug ein Stück höher bringt. „In meinen ersten Jahren auf dem Gymnasi- dann das Abitur am Aufbau-Gymnasium Steele
um war ich gemein, ein richtiges Arschloch!“ Er in Essen. Guido Krautkrämer studierte anschlie-
Am Boden bleiben zwei junge Männer und eine und sein Freund Björn Gilbei haben sich gefreut, ßend Erdkunde und Sport auf Lehramt, stieg in
Frau stehen, um ihrem Chef an der Wand zuzu- wenn die Mädchen heulend, mit Kaugummi ver- die Fachschaft ein und baute ein Beachvolleyball-
A170_05 BOCHUM: MITTEN IM LEBEN S05
feld. Finanziert hat er sich das Studium als freibe- In der Halle: Der Familienvater Guido hält seinen ten spielen mit. Drei Jahre hat Familie Krautkrä-
ruflicher Kletterlehrer, Kellner und durch Jobs bei zweijährigen Sohn Tom im Arm. Der dreijährige mer in einer winzigen Hütte in der Halle gelebt
Eventagentouren. Ben sitzt mit Mutter Anke in der Kinderecke, in und dort den ersten Sohn Ben aufgezogen. Als
der schon die Kleinsten an Miniaturwänden klet- dieser zu gut klettern konnte und Gefahr bestand,
Dank seiner Erfahrung wisse er, wie man ein tern können. Er liebt seine Familie, aber vor dem dass er bei einem seiner Hallenausflüge ungesi-
Team leitet. BWL hat er nie studiert. Dafür hat ihn Heiraten hatte Krautkrämer Angst. „Die Tür war chert von der Wand fiele, trafen Guido und Anke
das Leben gelehrt, wie wichtig Zwischenmensch- plötzlich zu. Verantwortung ist schön, wenn man die Entscheidung, Firma und zuhause zu trennen.
lichkeit ist. Ein Teil seines Unternehmenskonzepts das Gefühl hat, man kann sie füllen.“ Heute lebt die Familie übergangsweise bei Ankes
ist daher der enge Draht zu den Mitarbeitern. „Es Mutter in Krefeld, so lang, bis das neu gekaufte
ist Teil meines Jobs, mit allen einmal einen trin- Seine Priorität liegt klar bei der Firma. Das merkt Haus renoviert ist.
ken zu gehen, auch wenn ich nicht alle gleich doll auch Ehefrau Anke, wenn ihr Mann mal wieder
mag.“ Zudem werden alle gleich bezahlt, egal, „private unwichtige Dinge“ wie einen Anruf ver- Persönlich und authentisch will er bleiben. Daher
wie hoch qualifiziert der Teamer, also der Team- gisst. Darüber sieht sie gern hinweg, denn das die mittlerweile verworfene Idee, mit den Kin-
Mitarbeiter, ist. Geld solle nicht Maßstab seiner Paar ergänze sich sonst perfekt. Die Arbeit im Bü- dern einfach in zwei Wohnwagen zu leben. „Ich
Wertschätzung sein, vielmehr versuche er, die Ar- ro, im Haushalt und mit den Kindern wird geteilt. versuche, vorzuleben, was ich von meinem Ge-
beit kontinuierlich zu verbessern. Seine genüber erwarte. Letztens war ich noch
Examensarbeit zum Thema „Klettern bis halb vier morgens mit Daniel und Fi-
im Sportunterricht“ etwa steht als ona im Wohnwagen und hab’ gekifft und
Fortbildungsmaterial für alle Mitarbei- Karten gezockt. Aber, verdammt noch
ter an der Theke zur Verfügung. mal, ich war der erste, der heute Morgen
am Tresen stand.“
Herzblut für die Halle Daniel und Fiona sind Freunde - und
Mitarbeiter. Dort, wo diese Grenzen ver-
„Unsere Kunden sind zufrieden, weil schwimmen, fällt es leicht, der Kum-
unser Team nett ist. Diese Halle ist pelchef zu sein. Sonst ist es schwer, die
mein Baby, und ich habe Herzblut hi- persönliche Atmosphäre in der Halle zu
neingesteckt. Das sollen alle merken.“ erarbeiten. „Das kostet mich Zeit, Geld und
Dazu gehört, dass man sich duzt. Der Nerven.“, sagt Krautkrämer, jetzt ganz der
Hinweis zur Mülltrennung grüßt sogar Unternehmer, und legt noch eins drauf:
als kleines Schildchen auf den Eimer- „Es gehört zu meinem Konzept, dass nur
deckeln: Hallo, ich bin eine Gelbe- be- ich Recht habe. Wir sind ganz klar hierar-
ziehungsweise Gemischtmülltonne!“. chisch aufgebaut.“ Ein Vorbild brauchte
er nie. Verantwortung abzugeben, fällt
Im letzten Sommer wurde die neue dabei schwer, das gibt er zu.
Außenwand aus Spritzbeton einge-
weiht. Expandiert Krautkrämer zudem
wie geplant im Herbst mit einer wei- Neues Hallenprojekt
teren Halle in Mühlheim, wird sich an
seinem Firmenkonzept etwas ändern Dennoch übernimmt der Mitarbeiter
müssen. Aus Zeitmangel, wie er selbst Marcus d’Alessandro immer mehr Auf-
sagt. gaben und soll schließlich neuer Verwal-
tungschef werden, wenn die junge Fami-
Schon jetzt habe ihn der Erfolg verän- lie das neue Hallenprojekt in Mühlheim
dert. Er könne es sich nicht mehr leis- betreut. Dann wird Krautkrämer nach-
ten, sich mit jedem einzelnen Kunden denklich, kratzt sich am linken Ohr und
und Mitarbeiter zu beschäftigen wie ist plötzlich aufgeregt. „Das muss es sein!
früher. „Dagegen muss ich angehen.“ Na klar, ich will keine Verantwortung ab-
Deshalb lässt er sich bewusst auf den geben, weil ich selbst alles besser kann!“.
Plausch am Tresen ein, und ist bereit, Pause, er grinst und murmelt: „Das ist es
für einen spontanen Umzug seinen tatsächlich.“ Die soeben gewonnene Er-
Transportwagen zu verleihen. kenntnis macht ihn ganz glücklich. Den-
noch setzt er hinzu: „Und das ist arrogant.
Damit man auch sicher klettern kann, kontrol-
Ich bin arrogant.“ Selbstreflexion, noch
Kritik unerwünscht liert der Chef persönlich die Ausrüstung.
so ein Schlüsselwort. Von Erik Jakobs,
dem Investor, könne er noch viel lernen.
Ganz frei spricht er über sich. Er sei „Mit 16 versuchst du noch, dich so groß
ein „harmonischer Typ“ und kritisiere wie möglich zu machen. Wir Kerle hau-
nicht gern. Verantwortung ist Guido Krautkrä- en eben gern auf die Kacke! Ich laufe heute nicht
mers Schlüsselwort, vor dem sich viele fürchten mehr hinter Selbstbestätigung her.“
und drücken und wovon er nicht genug bekom- Chef im Ledersessel
men kann. „Verantwortung ist mein Ventil für Zwei Dinge hat Krautkrämer sich für diesen Som-
Bestätigung“. Szenenwechsel: Guido Krautkrämer sitzt aufrecht mer vorgenommen. Erstens: noch entspannter
in seinem schwarzen Drehstuhl aus Leder. Am werden und lieber mal „Understatement“ geben.
Das und Krautkrämers potentielle Energie hat Computer läuft ein Programm für das Online- Zweitens: den Kindern im eigenen Garten ein
wohl auch Erik Jakobs entdeckt. Er ist der nie- Banking, mit dem er die freien Mitarbeiter be- Baumhaus bauen.
derländische Investor, der das nötige Kapital für zahlt. Neben ihm steht ein kalter Kaffee. Vor ihm
den Hallenumbau stiftete. Wie in der Schule fand schaukelt Sohn Tom mitten im Büro. Es ist laut,
text Katrin Herms
Guido Krautkrämer bei ihm Verantwortung und denn vor der Tür rotzt der Milchaufschäumer der
fotos Florian Hückelheim
Vertrauen. „Erik war mein Sechser im Lotto. Er Kaffeemaschine, ein Kunde schlägt auf die The-
und meine Frau. Die haben das Leben zu dem ge- kenglocke, gleichzeitig fällt der Kistenturm eines
macht, was es jetzt ist. Große Worte. Die Entschei- Kindergeburtstages in sich zusammen. Die ganze
dung zur Selbständigkeit und gegen den Beruf Halle wird mit Musik beschallt.
als Lehrer hat nicht zuletzt wohl sein Geltungsbe-
dürfnis und die Abneigung für geregelte Abläufe „Wer erfolgreich sein will, muss in allen Lebens-
gegeben. „Ich kann hier jederzeit alles umwerfen bereichen konsequent auf sein Ziel hinarbeiten“.
und jetzt in Urlaub fahren.“ Das scheint zu funktionieren, denn alle Beteilig-
S06 BOCHUM: IM HÖRSAAL A170_06
Z
um Frühstück einen tombehandelnden Therapie
Apfel, mittags ein eine zehn Sitzungen lange
halbes Brötchen, Körperbildtherapie an. Ano-
abends ein Knä- nym treffen sich hier Frauen
ckebröt mit Mager- gruppenweise und reden.
quark und eine halbe Toma- Über ihren Körper, über ih-
te. Mehr wird die 26-jährige re Empfindungen und über
Studentin aus Münster nicht ihre Erfahrungen im Alltag.
essen. Heute nicht, und auch Und sie müssen selbst aktiv
an anderen Tagen nicht. werden.
Vocks ist jedoch vorsichtig: „Eine Essstörung 49 Kilo bei 1,73 m Körpergröße
entsteht durch das Zusammenwirken von ganz
verschiedenen Faktoren. Man kann momentan Das ist zweifelhalft, bei 49 Kilogramm auf ei-
noch nicht sagen, ob die gestörten Hirnfunktio- nen Meter zweiundsiebzig Körpergröße verteilt.
nen eine Folge der Essstörung sind oder aber die Vocks glaubt deshalb, dass Zusatztherapien sinn-
Ursache.“ voll sind. Sie bietet in Bochum neben der symp-
A170_07 BOCHUM: MITTEN IM LEBEN S07
pflichtlektüre empfiehlt
Der Text, der zu viel wusste Qualität im Bachelor
Sie ist das Aushängeschild
am Ende des Studiums –
die Abschlussarbeit. Aber
wie viel wissenschaftliche
Qualität kann man von ei-
ner Bachelorarbeit erwar-
ten, wenn man dafür nur
sechs Wochen Zeit und 30
Seiten Platz hat? Klar ist:
Mit der Diplomarbeit ist
die Bachelorarbeit nicht
zu vergleichen.
Ein Text, der weiß, dass ihn jemand liest? Je nachdem, wo die Augen Koffein im Prüfungsstress
des Lesers hinschauen, reagiert er mit Bildern, Musik und Geräuschen
– doch das ist nicht alles. Wieso der Text 2.0 kann, was er kann, wissen Kaffee ist der Doping-Klassiker von Studenten im Prüfungsstress. Doch
Forscher am Institut für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern. wie viele Tassen sind nötig, um nachts wach zu bleiben?
Mehr auf
Mehr auf dem
dem neuen
neuen Online-Portal:
Online-Portal: www.pfl
www.pflichtlektuere.com
ichtlektuere.com
S08 HERZ-STÜCK A367_08
Die Botschaft
ist angekommen
Studenten auf der Straße, Politiker unter Druck und
Rektoren in Erklärungsnot: Was bleibt vom großen Streik
für bessere Bildung? Eine Analyse.
S
o wie es ist, kann es nicht bleiben. Das ten, als Ewiggestrige gebrandmarkt. Doch jetzt
ist das zentrale Ergebnis des Bildungs- ist klar: Wir haben ein Problem. Der Dortmunder
streiks 2009. Die Bologna-Reform muss Prorektor für Studium, Walter Grünzweig, formu-
zügig reformiert werden, darin sind sich liert es so: „Es hat jahrelang ein Redeverbot gege-
endlich alle einig. Mit zahllosen Demos, ben. Wenn wir nicht immer gezwungen gewesen
Flashmobs und Hörsaalbesetzungen haben Zehn- wären, Bologna in den Himmel zu loben, hätten
tausende Studenten in den vergangenen Mona- wir die Probleme viel früher beheben können.“
ten nicht nur die Aufmerksamkeit der Öffentlich-
keit auf sich gezogen, sondern auch Hochschulen Dass mit dem Gutwettermachen jetzt Schluss
und Politik massiv unter Druck gesetzt. Der Pro- ist, können sich die Protestler als Erfolg auf ihre
test trägt bereits erste Früchte. Doch der Kampf Fahnen schreiben. Als im November die Protes-
für bessere Bildung hat erst begonnen. te der Studierenden eskalierten, mussten Politik
und Hochschulen reagieren, und sie haben re-
Der Grundstein dafür, dass Bachelor und Master agiert: Die Kultusminster beschlossen eilig, dass
überarbeitet werden, ist gelegt: Politik, Hoch- der Bachelor künftig besser studierbar sein muss. Studentenproteste 2.0: Flashmob vor dem
schulen und Öffentlichkeit denken radikal um. Die Rektoren der NRW-Unis verpflichteten sich Bochumer Hauptbahnhof.
Jahrelang wurden Kritiker, die Probleme bei der zu einer Art Bologna-Check: Ist der Bachelor in
Einführung von Bachelor und Master bemängel- einzelnen Fächern überladen? Gibt es zu viele
Prüfungen? Können die Studierenden problemlos Tutorien aufgehoben. Zudem wird an der UDE
ins Ausland gehen? All das soll bis zum Semester- die Rahmenprüfungsordnung, an der sich die
ende überprüft werden. Prüfungsordnungen aller Fakultäten orientieren,
gerade im Senat überarbeitet. „So wie in NRW
HINTERGRUND An den Ruhrgebiets-Unis laufen die Reparaturen an Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt
Bachelor und Master jetzt auf Hochtouren. wurden, konnte nicht alles optimal laufen. Wir
haben teilweise Handlungsbedarf“, erklärt der
Bildungsstreik-Jahr 2009 An der Ruhr Uni Bochum haben alle Fachschaften Prorektor der UDE für Studium und Lehre, Franz
2009 – das Jahr des Bildungsstreiks: Einen mit ihren Dozenten Arbeitskreise gebildet, um Bosbach. Er sagt aber auch: „Änderungen gehen
ersten Höhepunkt erreichen die Proteste im den Bachelor- und Masterstudiengängen auf den nicht von heute auf morgen vonstatten.“
Juni, als bundesweit mehr als 100.000 Schüler Zahn zu fühlen.
auf die Straße gehen, um etwa ihrem Ärger Tatsächlich gilt: Mal eben ein paar Prüfungen
Auch an der TU Dortmund sind Studenten und streichen – das ist nicht. Vielmehr hängt an so
über das Turbo-Abi G 8 Luft zu machen. Im
Lehrende im Dialog. Die Mathe-Fakultät etwa ar- einem Plan ein ordentlicher prozessualer Ratten-
Herbst rücken dann die Hochschulen ins Zen-
beitet an einer neuen schwanz, Beispiel TU
trum: Als Ende Oktober Studenten das Wiener Studienordnung. „Wir Dortmund: Erst müs-
Audimax besetzen, schwappen die Proteste
nach Deutschland. Im November und Dezember
wollen das strenge Schluss mit Redeverbot. sen sich Lehrende und
Korsett der Bachelor- Studierendenvertreter
gehen hunderttausende Studierende auf die Studiengänge lösen, Jetzt wird umgedacht. an Lehrstühlen und
Straße. Ihre Hauptforderungen: Eine Reform so dass die Studenten in den Instituten eini-
des Bachelor-Master-Systems, Abschaffung zum Beispiel pro Semester nicht immer auf 30 gen, dann in der Fakultät. Ist das geschafft, lan-
der Studiengebühren, mehr Lehrpersonal Credits kommen müssen“, erklärt Fakultäts-Pro- det der Änderungsvorschlag beim Rektorat, das
und mehr Mitbestimmung. Im November und dekan Lorenz Schwachhöfer. ihn weitergibt an die Verwaltung. Die prüft die
Dezember werden bundesweit über 60 Hörsäle Sache formal und juristisch und schaut, ob die
besetzt – auch in Dortmund, Bochum, Duis- An der Uni Duisburg-Essen hat der Bildungsstreik Vorschläge umgesetzt werden können. Nächste
burg und Essen. In Dortmund lassen sich am bereits ein handfestes Ergebnis gebracht. Es geht Station ist die Senatskommission Studium und
um das brisante Thema Anwesenheitspflicht. Lehre (kurz: Lust-Kommission), die ans Rektorat
30. November Streikler aus dem Hörsaal des
Das Justiziariat der UDE hat festgestellt, dass in eine Empfehlung gibt, ob dem Antrag stattzu-
Emil-Figge-Gebäudes tragen. Das Rektorat er- Vorlesungen und Übungen „eine Pflicht zur re- geben ist. Schließlich entscheidet, natürlich: das
stattet Strafanzeige gegen 31 Protestler wegen gelmäßigen Anwesenheit der Studierenden zur Rektorat. So. Und wenn man sich vorstellt, dass
Hausfriedensbruchs. In Bochum räumen am Erreichung des Lernziels (...) regelmäßig nicht er- sich diese Gremien teilweise nur alle paar Wo-
22. Dezember Studenten den letzten besetzten forderlich“ sei. Nach Rektoratsangaben werden chen treffen, ist klar, warum erst wenige greifba-
Hörsaal im Ruhrgebiet. Andernorts – etwa an die einzelnen Fakultäten ihre Regeln in Sachen re Ergebnisse auf dem Tisch liegen.
der FU und der HU Berlin – verbringen Studen- Anwesenheit zum Sommersemester ändern. Das
ten gar die Weihnachtstage im Hörsaal. / bw Institut für Politikwissenschaft hat zum Beispiel Wird in einem Studiengang etwas Substanziel-
schon reagiert und die Anwesenheitspflicht für les verändert – zum Beispiel der Name – kommt
A367_09 HERZ-STÜCK S09
Keine Zeit
für Streik
Die Hörsaal-Besetzungen im Ruhrgebiet
haben die Studierendenschaft gespalten. In
Essen kam es gar zur Eskalation. Revolution ist nicht jedermanns Sache: Während wie hier in
Dortmund tausende Studenten für bessere Bildung auf die
Straße gingen, entschieden sich andere lieber fürs Büffeln.
S
pinnerei von Möchtegern-Revolutionä- andersetzung. Der Grund: Der Asta stand nicht war nicht unser Weg, wir distanzieren uns aber
ren oder der einzige Weg um Aufmerk- hinter den Besetzungen in Duisburg und Essen: auch nicht von ihr.“ Zulaica ist mit der Zusam-
samkeit zu erlangen: Die Hörsaalbeset- „Sie hat einen Keil in die Studierendenschaft ge- menarbeit mit TU-Rektorin Ursula Gather „ganz
zungen an den Ruhrgebiets-Unis haben trieben, weil bestimmte Studenten das Audimax zufrieden“. Er ist überzeugt: „Wenn Frau Gather
bei den Studierenden ein geteiltes Echo für ihre Veranstaltungen nutzen wollten. Und zum Beispiel sagt, sie wolle sich für einen achtse-
gefunden. Wie unsere Umfrage (Seite 11) zeigt, wir vertreten nunmal alle Studierenden“, erklärt mestrigen Bachelor einsetzen, kann man ihr das
war die Studierendenschaft in Sachen Bildungs- Bauer. Besetzer Wilharm sieht das freilich anders: glauben.“
streik offenbar dreigeteilt. Gruppe eins war voll „Für mich war es paradox, dass die Wiwis das Au-
dabei. Gruppe zwei fand den Bildungsstreik zwar dimax stürmten. Wir kämpften doch dort dafür, Insgesamt fällt das Fazit der Asten zum Streik
gut, hatte aber vor lauter Unistress keine Zeit, dass sie Vorlesungen künftig nicht mehr in die- recht positiv aus. „Es ist eine Aufbruchstimmung
hinzugehen. Und Gruppe drei versteht den Auf- sem Riesenraum hören müssen.“ An die Adresse entstanden“, sagt etwa der Bochumer Asta-Refe-
riss nicht, weil alles okay sei. Keine leichte Aufga- des Asta sagt er: „Wir bezahlen ihn, aber er tritt rent für Hochschul- und Bildungspolitik, Martin
be für die Asten der Unis. nicht für unsere Interessen ein.“ Schmidt. An der RUB stand der Asta klar hinter
den Besetzern. Schmidt bedauert, dass das The-
Am deutlichsten trat der Konflikt zwischen Pro- Studierendenvertreter zwischen den Stühlen: ma Studiengebühren etwas in den Hintergrund
testlern und Besetzungsgegnern in Essen zu Tage: Diese Situation kennt auch der Dortmunder getreten ist. In Sachen Bologna fordert er mehr
Hier stürmten im November Wirtschaftswissen- Asta-Vorsitzende Miguel Zulaica. Während der Ergebnisse von der Politik: „Alles, was da bisher
schaftler das besetzte Audimax, weil sie dort ihre Hörsaalbestzung in der Emil-Figge-50 geriet der kam, sind Absichtserklärungen“, sagt er.
Vorlesungen hören wollten. In Duisburg lieferten Asta in die Rolle des Vermittlers zwischen Beset-
sich Besetzer Robin Wilharm und der stellvertre- zern und Rektorat: „Wir fanden es richtig, dass text Barbara Wege
tende Asta-Chef Jan Bauer eine lautstarke Ausein- Studierende politisch aktiv waren. Die Besetzung foto Florian Hückelheim
Ich bin nicht auf Demos gegangen, Ich war bei der Vollversammlung zum Ich habe davon kaum etwas mitbe-
dafür haben wir Bauingenieure keine Bildungsstreik. Ich studiere ja auf Di- kommen, denn ich war im Labor. Ich
Zeit. Wir haben den ganzen Tag über plom, aber ich bekomme mit, dass die habe auch kein großes Problem mit
Seminare und Tutorien mit Anwesen- Bachelor-Studenten unter großem Bachelor und Master. Sicher ist die
heitspflicht. Als die Streikler bei uns Druck stehen. Ich finde es gut, wenn Prüfungsdichte hoch, aber wenn man
in die Mathe-Übung kamen, haben mit dem Bildungsstreik dafür ge- kontinuierlich arbeitet ist das alles zu
wir sie herausgeworfen, weil wir ler- kämpft wird, dass Studenten auch Zeit schaffen.
nen mussten. Aber ich bin dafür, den haben, in ihren Studien eigene Schwer-
Bachelor zu reformieren. Die Stunden- punkte zu setzen.
pläne sind einfach zu vollgepackt.
Was ist der größte Missstand an den Universitäten, der unbedingt angepackt werden muss?
Wir brauchen mehr Platz in den Hör- Die Studiengebühren müssen abge- Ich bin eigentlich zufrieden. Auch die
sälen und die Stundenpläne müssen schafft werden. Jeder sollte sich frei Studiengebühren finde ich okay, da
entzerrt werden. Manchmal würde ich bilden können. Ich kenne Leute, die man bei uns sieht, was damit gemacht
mich gern tiefer in ein Thema einarbei- wegen der Beiträge nicht studieren, wird. Die Labore sind zum Beispiel
ten, schließlich interessiert mich mein weil sie sich nicht verschulden wollen. besser ausgestattet, wir haben mehr
Studienfach. Aber dazu fehlt die Zeit. Das kann ich auch gut verstehen. Tutorien und die Betreuungsquote hat
sich verbessert.
Maren Köster, Sonderpädago- Michael Alfermann, Lehramt, Diana Wendland, Geschichte, Ger-
gik, Master, 9. Sem., TU Do. Staatsexamen, 3. Sem., UDE. manistik, Bachelor, 3. Sem., RUB.
Ich habe nicht mitgestreikt, weil ich Ich war bei Demos im Sommer und im Ich habe nicht am Bildungsstreik teil-
es mir nicht leisten kann in Pflichtver- Herbst dabei, weil sich die Zustände an genommen, weil ich persönlich mit
anstaltungen zu fehlen. Ich bin aber den Unis ändern müssen. Die einseiti- dem Bachelor-Master-System nicht un-
für Veränderungen bei Bologna. Unser ge Ausrichtung auf Verwertbarkeit ist zufrieden bin. In meinem Fachbereich
Jahrgang war Teil des Bachelor-Modell- falsch. Die Studenten brauchen mehr funktioniert es gut, weil die RUB den
versuchs und alles war unorganisiert. Freiheiten. Auch die Besetzungen fand Bachelor schon lang eingeführt hat. Es
Man hatte zu viel zu tun und keine Zeit, ich gut, weil man so wirklich öffentli- ist alles zu schaffen und ich habe auch
mal etwas zu machen, das nicht Pflicht che Aufmerksamkeit erregt. recht viele Wahlmöglichkeiten.
ist, zum Beispiel einen Sprachkurs.
Was ist der größte Missstand an den Universitäten, der unbedingt angepackt werden muss?
Die Prüfungsdichte muss abnehmen. Die Studiengebühren müssen weg. Die Studiengebühren müssen weg.
Im Bachelor hatten wir bestimmt 50 Sie führen dazu, dass Leute mit wenig Wer keine Eltern hat, die zahlen kön-
Prüfungen und im Master ist es auch Geld vom Studium ausgeschlossen nen, hat kaum eine Chance, das Stu-
nicht weniger Arbeit geworden. Von werden. Und der Staat zieht sich aus dium zu finanzieren. Schließlich hat
Semesterferien habe ich nie etwas ge- der Finanzierung heraus, obwohl das man neben dem Bachelor auch wenig
merkt. eigentlich seine Aufgabe wäre. Zeit zum Jobben.
S12 RUHR-BLICK: AUF DEM CAMPUS A367_12
D
ie Universitäten im Ruhrgebiet stehen der TU Dortmund. 4.000 Abiturienten haben ren viele Milliarden zusätzlich in die deutschen
vor dem größten Ansturm von Studi- zum Wintersemester ein Studium an der TU be- Hochschulen investiert werden.
enanfängern, den es je gegeben hat. gonnen, 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Mit den
Wenn in drei Jahren der doppelte Abi- 8.000 Studenten der FH Dortmund, sind nun Das Land NRW stellt zu seinen jährlichen Zu-
tur-Jahrgang in Nordrhein-Westfalen 30.000 Menschen auf dem Dortmunder Campus schüssen von drei Milliarden Euro noch mal 1,8
die Schulen verlässt, wird die Zahl der Studi- unterwegs. Ähnlich sieht es in Duisburg und Es- Milliarden Euro für die nächsten fünf Jahre bereit.
enanfänger im Vergleich zu 2005 um fast ein sen aus, wo die Zahl der Studienanfänger um gut Darüber, wie dieser Batzen Geld verteilt werden
Drittel steigen und erstmals die 100.000-Gren- acht Prozent auf 5.000 anstieg. Auch in Bochum soll, wird in diesen Tagen verhandelt. Die Hoch-
ze überschreiten. In den vergangenen Jahren werden es jedes Jahr mehr. In den letzten fünf schulen sollen verbindlich erklären, welchen An-
sind schon zusätzliche Studienplätze geschaf- Jahren hat sich dort die Zahl der Studierenden teil sie leisten können, um gut 130.000 neue Stu-
fen worden, doch das reicht bei weitem nicht um 1.600 auf mehr als 32.000 erhöht. dienplätze zu schaffen.
aus. In diesen Tagen beginnt das NRW-Wis-
senschaftsministerium mit den Universitäten Beim NRW-Wissenschaftsministerium gibt man
darüber zu verhandeln, wie viele zusätzliche Neue Milliarden für die Unis sich zuversichtlich. Sprecher André Zimmer-
Studienplätze möglich sind. Doch ob die Uni- mann: „Wir werden mit den Hochschulen Zielver-
versitäten dem Ansturm gewachsen sind, ist Das alles ist nur ein Vorgeschmack auf das, was einbarungen schließen, in denen wir ganz genau
fraglich. Schon jetzt hat zum Beispiel die Mensa bis 2015 auf die Universitäten zukommt. Bis dahin festhalten, wie viele zusätzliche Studienplätze je-
der TU-Dortmund ihre Kapazität überschritten werden neun Bundesländer ihr Abitur von 13 auf de Hochschule einrichtet. Damit haben wir schon
und die Hörsäle der Ruhr-Uni Bochum sind laut 12 Jahre verkürzen. Hamburg macht in diesem gute Erfahrungen gemacht“. Und tatsächlich sind
dem dortigen Asta gerade bei den Geisteswis- Jahr den Anfang, nächstes Jahr folgen Bayern und in den vergangenen fünf Jahren 26.000 neue
senschaften dauernd überfüllt. Niedersachsen, 2012 dann Baden-Württemberg, Plätze an den Hochschulen in NRW entstanden.
Berlin, Bremen und Brandenburg, bevor 2013 Finanziert über ein Prämiensystem (siehe Info-
Das nervt viele Studenten. „Ich war ja auch mal Nordrhein-Westfalen und Hessen den Abschluss kasten). Für jeden zusätzlichen Studienanfänger
Ersti, aber was hier im Oktober los war, ist schon bilden. Die Kultusministerkonferenz rechnet bis gab es Geld. Wenn eine Hochschule Studenten
extrem gewesen. S-Bahn, Mensa, Cafés und die 2015 deutschlandweit mit 275.000 zusätzlichen über ihrer Kapazität aufnahm, wurde der Betrag
Hörsäle, alles überfüllt“, sagt Katja Weidlich, Studienanfängern. Um die Hochschulen darauf durch eine Extraprämie sogar verdreifacht. Nach
Studentin der Erziehungswissenschaften an vorzubereiten, sollen in den nächsten zehn Jah- dem gleichen System sollen jetzt die noch feh-
A367_13 RUHR-BLICK: AUF DEM CAMPUS S13
Major John Reisman (Lee Marvin) Im Gegensatz zu modernen Harold, der Teenager wohnt al- zu Hause zu Verantwortung und
steht vor einer schweren Aufga- Kriegsfilmen wie „Platoon“ oder leine mit seiner snobistischen Disziplin erziehen möchte, lernt
be: Er soll im Jahr 1994 aus einem „Full Metal Jacket“ ist „Das dre- Mutter in einer Villa. Als Hobby viel von der alten Dame. Zum
Haufen verurteilter Verbrecher ckige Dutzend“ kein schockieren- geht er auf Beerdigungen oder Beispiel, dass das Leben auch ver-
eine Truppe formen, um die Na- der, nachdenklicher Antikriegs- schaut Gebäude an, die gerade gnüglich sein kann, man jeden
zis hinter den feindlichen Linien film, sondern ein düster-brutales zerstört werden. Er täuscht regel- Tag etwas Neues und Interessan-
zu ärgern. Abenteuer. Gespielt von einer mäßig auf verschiedene Arten tes finden muss und man auf sich
Der harte, militärische Drill und Truppe echter Kerle, die es im seinen Selbstmord vor. Auf einer selbst zählen soll. Der bis dahin
ein trickreiches Manöver, in dem Hollywood der 60er Jahre noch Beerdigung lernt er die 79-järige düstere Harold lernt von Maude
das „Dreckige Dutzend“ seine gab. Charles Bronson, Telly „Ko- liebe und lebenslustige Maude nicht nur Musik, Tanz und aus-
Tauglichkeit für die Front be- jak“ Savalas, Donald Sutherland kennen. Während Harold von Tod gelassene Heiterkeit, sondern fin-
weißt, schweißt die Truppe tat- und ihre Kameraden machen den und Untergang besessen ist, be- det in ihr den Mensch – vielleicht
sächlich zusammen. Es kommt Eindruck, als müssten sie gemein- geistert sich Maude für die Kunst, zum ersten Mal –, den er lieben
zum großen Showdown mit Of- sam tatsächlich weder Tod noch das Leben, und alles Lebendige. kann und der ihn liebt. jr
fizieren der Wehrmacht, die sich Teufel fürchten – und die Nazis Sie sieht auch in einer Beerdi-
in einem französischen Schloss schon gar nicht. bb gung den wunderbaren Kreislauf
aufhalten. des Lebens. Der Junge, den man
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