A169_01

Studierendenmagazin der Universitäten Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen

pflichtlektüre
042010  www.pflichtlektuere.com

Ach Gott!
Trotz Missbrauch und Zölibat:
Junge Katholiken verteidigen ihre Kirche.

Drogen ohne Dealer

Frühlingsgefühle sind kein Mumpitz.

Praxis für Pädagogen

An der UDE werden Lehramtsstudenten für das wahre Leben ausgebildet.
 S 02 VOR-SPIEL
A
ls ich hier in Deutschland
angekommen bin, hat mich
der Nahverkehr überrascht –
gleich zweimal.
Zuerst war ich wegen der Fahrpreise
sehr erstaunt. Obwohl das Semster erst
im April begonnen hat, bin ich im März
schon aus Ungarn nach Dortmund ge-
kommen und habe einen Sprachkurs
gemacht. Unser NRW-Ticket haben wir
Erasmus-Studenten aber erst ab April
bekommen.
Deswegen mussten wir immer Ein-
zelkarten kaufen - und, na ja, sie sind
keine günstige Alternative. Ich bin
mehrmals schwarz gefahren und hat-
te einmal kein Glück. Ein Kontrolleur
ist gekommen, und ich sollte 40 Euro
Strafe zahlen.
Was geht
D
ie ersten Sonnenstrahlen ha-
ben sich schon gezeigt. Da wird
es höchste Zeit - schnappt euch
die Sonnenbrillen und dann
könnt ihr auch schon in den
lang ersehnten Festivalsommer 2010
starten.
Beim Pfingst-Open-Air in Essen gibt es
schonmal die Gelegenheit, sich auf die
anstehende Festival-Saison einzustim-
men. Die Freiluftparty findet am 24.
Mai in dem sonst eher ruhigen Essener
Stadtteil Werden statt. Gut für den Stu-
dentengeldbeutel - das Motto lautet
„umsonst und draußen“.
Das ehemalige Strandbad im Löwental
wird zu diesem Zweck in zwei Berei-
che geteilt. Die Main-Stage bietet alles,
was laut ist: Von Rock über Metal bis zu
Neulich In Deutschland
Schon kam die zweite Überraschung:
In Ungarn werden diese Strafen nicht
so ernst genommen. Das bedeutet zum
Beispiel, dass ausländische Leute kaum
gefunden werden können, deswegen
müssen sie fast nie wirklich bezahlen.
Meine deutschen Freunde haben mir
aber sehr dazu geraten, diese Summe
zu bezahlen, weil die deutschen Regeln
ganz anders sind – strenger vor allem.
So habe ich in Deutschland schon früh
eine Lehre erhalten – für 40 Euro!
text: viki
foto: jfk
Viktória Vígh kommt aus Ungarn und
studiert derzeit in Dortmund Journa-
listik.
Wissens-Wert
D
er Daumen ist ein Multitalent:
In Kombination mit Feuer-
zeugen beschert er uns offene
Flaschen und brennende Zi-
garetten, in Kombination mit
Spielekonsolen sogar Schalker Meister-
schaften. Darüber hinaus versorgt uns
dieser Finger mit vielen sprachlichen
Bildern: Wer nichts zu tun hat, dreht
Däumchen, Gärtner haben einen grü-
nen Daumen und Aussagen, die nur un-
gefähre Informationen enthalten, wer-
den „Pi mal Daumen“ gemacht – Pi mal
Daumen? Mathe mit den Fingern?
Michaela Pölzl, Germanistin an der Uni-
versität Graz, hat sich in ihrer Master-
Arbeit mit etwa 200 Formulierungen
beschäftigt, die in Zusammenhang mit
Mathematik stehen. Sie erklärt: „Pi mal
A367_02
Hardcore ist alles dabei. Diese Jahr freu-
en wir uns besonders auf den ehemali-
gen Sepultura Frontman Max Cavalera.
Der rockt mit seiner neuen Formation
Soulfly auf der Main Stage. Aber auch
auf Callejon und Bonaparte können wir
gespannt sein.
Auf der Elektronischen Wiese findet
sich alles, was unter die Kategorie Dub,
House, Techno und Minimal fällt. Hier
feiern dieses Jahr unter anderem Daniel
Stefanik, Kay Shanghai und DJ Casio mit
euch.
Der Einlass zum Pfingstopenair in Es-
sen-Werden ist am 24. Mai ab 13 Uhr. Der
Eintritt ist frei.
text: Jen
foto: Pfingst Open Air
Daumen“ habe sich vermutlich aus der
Wendung „etwas über den Daumen
peilen“ abgeleitet, die aus der Seefahrt
stammt. Der Ausdruck spiele mit der
Kombination aus dem formelhaften
Wert der Kreiszahl π und dem ungenau-
en Daumenmaß.
Und was ist die Kreiszahl genau? π be-
schreibt das Verhältnis des Umfangs
eines Kreises zu seinem Durchmesser.
Das heißt, der Umfang eines Kreises
mit dem Durchmesser 1 cm ist genau Pi
cm, also ungefähr 3,14. Genau weiß nie-
mand, wie groß Pi ist – die Zahl ist irra-
tional und nicht periodisch. Weder ein
Bruch noch eine Kommazahl können sie
exakt benennen. Darum einfach: π.

 text/foto: luk / montage: fh
A169_03 START-BLOCK S 03

HERZ-STÜCK diesmal Zur Ausgabe

E
Küsschen für den Papst
oder Kritik am Kirchen- s gibt Sätze, die knallen. Wie
DUISBURG/ESSEN Oberhaupt? Das sagen die von Sebastian in unserem
gläubige Studenten. Streitgespräch über die katho-
S 04 … Neu im Pott: Aus dem Norden auf die Zeche. lische Kirche und ihren Miss-
brauchsskandal (Herz-Stück
S 06

S 07
… Sicher vor die Klasse: Lehrertraining an der Uni.

… Fremde Heimat: Elena erzählt von Kirgisistan.

S 08 Seite 8 - 10):
„Gerade
Tatsache, dass
die

es diese Fälle
auch in der ka-
HERZ-STÜCK tholischen Kir-
che gibt, bestä-
S 08 … Krisen-Talk: Katholische Studenten debattieren tigt doch, dass
im pflichtlektüre-Streitgespräch über ihre Kirche. das, was sie
lehrt, richtig
S 11 … Experten-Duell: Was Theologie-Profs nach dem ist. Für mich
Missbrauchsskandal von der Kirche fordern. ist es deshalb
eine große Be-
stätigung mei-
RUHR-BLICK nes Glaubens.“
„Krass“, war das erste Wort, das ich da-
S 12 … Frühlings-Freuden: Von Dopamin und Serotonin, raufhin dachte. Aber lest selbst und bil-
Miniröcken und anderen „optischen Reizen“. det euch eure eigene Meinung darüber,
was vier gläubige Studenten zur Kir-
che und ihrem Umgang mit den Miss-
DIENST-BAR brauchsfällen sagen – und wie sie die
Frage beantworten, ob die katholische
S 14 … Sommer-Freuden: Beachparty, Fußballfieber Kirche noch zeitgemäß ist.
und Kirsch-Ernte.

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 S04 DUISBURG/ESSEN: MITTEN IM LEBEN A169_04

Rostiger Rundgang
Die gebürtige Bremerin Merle will mehr über die Kultur ihrer neuen Heimat erfahren und be-
sucht die Zeche Zollverein in Essen.

V
om Erdinneren bis zum Verladebahnhof
über die Mannschaftsbrücke läuft die
24-jährige Studentin Merle zusammen
mit anderen Teilnehmerin einer geführ-
ten Tour über das Zechengelände. Merle
ist ein Nordlicht, in Bremen geboren. Keiner ihrer
Verwandten, keine ihrer Vorfahren hat unter Ta-
ge gearbeitet. Industriekultur kennt sie nur aus
Vorlesungen. Doch das Kulturhauptstadtsjahr
will auch die Studentin zum Anlass nehmen, ihre
neue Heimat Essen zu entdecken. „Ich fange an,
immer mehr über das Ruhrgebiet zu staunen“,
berichtet die angehende Kulturwirtin. „Die IN-
dustriekultur ist faszinierend, eine Mischung aus
alt und neu, das ist irgendwie typisch“, erzählt
sie, während sie über Gitterroste und Eisenstan-
gen läuft, dem Weg, der die Bergmänner früher
zu ihrem Arbeitsplatz gebracht hat. „Gut, dass ich
keine Höhenangst habe“, denkt sie, als sie durch
die Gitter nach unten schaut.

Geleitet wird die Besichtigung an diesem Tag von

Katja Simon. Sie ist eine von vielen geschulten
Guides, die auf dem Gelände der Zeche Zollverein
Interessierte über die Anlage führen. Die zierliche
junge Frau weiß einiges über das Weltkulturerbe
zu berichten. In lockerer Mundart spricht sie von
der Gründung der Zeche, nennt Eckdaten und er-
klärt den Betriebsablauf. So erfahren die Anwe-
senden etwa, dass die Gebäude die vorrangige
Funktion besaßen, die Maschinen vor dem Wet-
ter zu schützen. „Es gab keine Isolation, so dass
die Arbeiter über Tage im Sommer wie in der
Sauna schwitzten und im Winter wie in einem
Kühlschrank froren“, erzählt Katja Simon. Alles
war allein auf die Produktion ausgelegt. Die Prio-
ritäten klar verteilt.

„So dunkel, verrostet und

verrottet ist das alles.“

„Es ist schwer vorstellbar, wie viele Menschen

noch vor ein paar Jahrzehnten hier gearbeitet
haben. Und das auch bei diesem grässlichen Wet-
ter“, stellt Merle nach einer halben Stunde Füh-
rung durch Wind und Regen fest.

Weiter geht die Führung durch das Gebäude der

Kohlenwäsche. Hier ist zumindest der kalte Wind
ausgesperrt. In den riesigen Hallen ist es schmut-
zig. Noch immer lagert Kohlenstaub auf den Bö-
den und an den Wänden.

In der Kohlenwäsche spricht Katja Simon über
den Transportweg der Rohkohle und deren Wei-
terverarbeitung. Von der Rohkohleübergabe über
die Siebtrommeln bis zum Strömungsbecken.
Ein Gefühl von Vergänglichkeit macht sich breit.
Mäßige Beleuchtung und Rost, der bereits klei-
nere und größere Löcher in die metallene Haut
der monströsen Geräte fraß, verschaffen ein un-
behagliches Gefühl. „Ganz schön unheimlich“,
Die Zeche von innen: Bei einer Führung durch
die alten Gebäude kann man auch die Gänge und
Schächte bewundern.
findet Merle. „So dunkel, verrostet und verrottet
ist das alles.“
Auch die Zeche Zollverein beteiligt sich mit einer
imposanten medialen Installation an dem Kul-
turhauptstadt 2010-Projekt. Die Maschinen, die
bisher nur als ‚schlafende Giganten’ einer frühe-
ren Zeit wahrgenommen wurden, erwachen. Die
stählernen Hüllen dienen als Projektionsflächen
ihres eigenen Innenlebens. Sie werden bespielt.
A169_05 DUISBURG/ESSEN: MITTEN IM LEBEN S05

So lässt sich dem Besucher in mehreren origi-

nalgetreuen Animationen zum einen die Funkti-
onsweise der jeweiligen Maschine als auch ihre
Einbettung in den Gesamtablauf des Kohletrans-
portes in bewegten Bildern nahe bringen. Dazu
bekommen ausgewählte Stationen des Rund-
gangs eine auditive Untermalung. Sie ermöglicht
es die spezifischen Geräusche des jeweiligen Ar-
beitsplatzes wahrzunehmen und vermittelt ei-
nen noch tieferen Eindruck in die damaligen Pro-
duktionsverhältnisse. Auch Merle ist begeistert,
wie gigantisch die Verhältnisse wirken. Gleich-
zeitig ist sie entsetzt: „Schwere Geräte, kaum Si-
cherheitskleidung, Gaseinlagerungen unter Tage,
viele waren taub oder hatten eine Staublunge.
Das war wirklich ein harter Job – heute über-
haupt nicht mehr hinnehmbar.“

Zum Abschluss gönnt sich die Studentin eine

Stück kulinarische Ruhrgebietskultur. Einen Be-
such einer Imbissbude. Ihre Portion isst sie im
Stehen, mit Blick auf die Zeche. Resümee? „Jetzt
habe ich einen ganz anderen Blick für die Indust-
riekultur und Menschen, die hier heute leben.“

text Lisa Helberg

fotos Malina Opitz

Staub und Dreck unter Tage.

FÜHRUNGEN
Kulturhistorische Führungen finden täglich
statt. Montags bis freitags um 11, 14 und 16 Uhr,
samstags, sonntags und an Feiertagen stündlich
zwischen 11 und 17 Uhr.
Für Studenten kostet die zweistündige Führung
fünf Euro. Um Anmeldung per E-Mail an besucher-
zentrum@zollverein.de oder Telefon unter
(0201) 24 68 10 wird gebeten.
Das Gelände rund um die Zeche kann kostenfrei
besichtigt werden.
Treffpunkt für Führungen und zentrale Anlaufstel-
le für Besucher ist das Besucherzentrum Ruhr,
Kohlenwäsche, auf dem Zollverein-Gelände. Hier
befindet sich auch das Ruhrmuseum (Eintritt
ermäßigt 4€).
Imposant von außen: Das Wahrzeichen
der Industriekultur im Pott.

Neues aus RUHRSTADT

Essen und Duisburg
Kulturhauptstadt zum Aufhängen
Das Kulturhauptstadt-Büro Essen hat auf die an-
haltende Nachfrage reagiert und gibt nun fünf
Hauptattraktionen der Ruhr 2010 als Postermo-
tive heraus. Für drei Euro könnt ihr euch wahl-
weise den nächtlichen Burgplatz, die Kokerei
Zollverein, das Schloss Borbeck, die Gruga oder
den beleuchteten Kennedyplatz zu Hause an die
Wand hängen. Abgelichtet hat die Orte allesamt
der Essener Fotograf Frank Vinken, wie auf der
städtischen Homepage zu erfahren ist. Erhält-
lich sind die Poster an der Touristik-Zentrale am
Hautbahnhof sowie an der Rathaus-Information.
Weitere Motive sind in Planung. mp
Euer Lieblingsort im Netz
Ihr kennt einen echten Geheimtipp im Ruhrge-
biet oder seid selber auf der Suche nach einem
außergewöhnlichen Ort im Revier. Seit einigen
Tagen könnt ihr auf www.ruhragenten.de eure
absoluten Lieblingsorte im Ruhrpott mit anderen
Usern teilen. Dabei geht es um angesagte Treff-
punkte, ausgefallene Locations, und bisher un-
bekannte Orte, die nicht in den gängigen Ruhr-
gebietsführern zu finden sind. Gefragt sind also
eure Insidertipps zu allem, was im Ruhrgebiet
sehens- und erlebenswert ist – von der skurrilen
Kneipe, der lieblings Pommesbude, bis hin zum
Museum und anderen Freizeitmöglichkeiten. fas
momente
Ewiger Student
Der Vorlesung ist vorbei, die nächste beginnt in
20 Minuten. Also schnell ins Campus-Bistro um
ein Brötchen, ein Duplo und eine Flasche Wasser
kaufen. Voll beladen mit meinem Mittagessen
und dem üblichn Unikram stehe ich in der Schlan-
ge. „2,80 Euro“, sagt die reizende Fachkraft hinter
der Kasse. Mist! Gähnende leere in der Geldbörse.
Also muss ich mein letztes Kleingeld aus der Ho-
sentasche kramen. Gut, das dauert zwei, drei Se-
kunden. Aber darauf weißt micht die chamante
Bedinungen umgehend hin. „Boah, wenn bei Dir
alles so lange dauert, wundert es mich nicht, dass
Du nicht mit dem Studium fertig wirst.“ fas
 S06 DUISBURG/ESSEN: IM HÖRSAAL A169_06

Keine Angst vor Schülern

Ein Trainingskurs an der UDE soll Lehramtsstudenten mit Praxis auf den späteren
Berufsalltag vorbereiten.

D
as erste Praktikum an einer Schule, das
erste Mal unterrichten: eine ungewohn-
te, neue Situation. Schnell gerät man
ins Schwitzen und fühlt sich unsicher.
Warum arbeiten die Kinder nicht so mit,
wie ich mir das wünsche? Merkt man mir meine
Nervosität an? Und vor allem: warum hat mich
die Uni auf diese Situation nicht vernünftig vor-
bereitet?

Aus diesen Fragen ist das „Basic und Advanced

Training“ des Zentrums für Lehrerbildung an der
Uni Duisburg-Essen entstanden, erzählt Projekt-
leiterin Kathrin Racherbäumer.

Beim „Basic Training“ lernen Studienanfänger

Präsentationstechnik oder Umgang mit MS-Office
und E-Learning-Plattformen. Im „Advanced Trai-
ning“ sollen dann berufspraktische Kompetenzen
der angehenden Lehrer geschult und verbessert
werden. Konfliktmanagement, Qualitätsanalyse
oder Klassenführung heißen die Workshops. Die
Kurse sind beliebt: Obwohl sich die Studenten
keine Credits anrechnen lassen können, waren
im vergangenen Semester alle Veranstaltungen
voll besetzt.

So auch die Veranstaltung „Stimm- und Sprech-

training“ von Michael Kober. Der staatlich ge-
prüfte Atem-, Sprech- und Stimmlehrer bemerkt
auf seinen Veranstaltungen eine ganze Reihe von
Defiziten bei den Teilnehmern: „Unsicher wirken-
des Auftreten, zu leises Sprechen, zu schnelles
Sprechen, zu undeutliches Sprechen, mangelnder
Blickkontakt.“ Daran soll im Workshop gearbei-
tet werden. In einem theoretischen Teil werden
zunächst unterschiedliche Aspekte des Stimm-
und Körpereinsatzes behandelt. Durch praktische
Übungen wird dieses Wissen im zweiten Teil ver-
tieft. Fragen wie „Wie trete ich vor eine Gruppe?“
unterstützt durch Eigenwahrnehmung, aber auch
Feedback der anderen Teilnehmer sollen den Stu-
dierenden helfen, ihre künftigen Lehrsituationen
besser zu meistern.
Wie schont man seine Stimme?
Man merkt, dass alle Teilnehmer nicht da sind,
weil sie müssen, sondern weil sie wollen. Enga-
giert und interessiert wird mitgearbeitet und
das anschließende Fazit fällt überaus positiv aus.
Maggy Halemba glaubt, die im Seminar erlern-
ten Fähigkeiten später in der Praxis gut gebrau-
chen zu können. „Ich habe wirklich etwas über
Körperhaltung und Stimmeinsatz gelernt“, freut
sie sich. Im Unterricht muss man schließlich sehr
viel reden und da ist es hilfreich zu wissen, wie
man ‚schonend‘ spricht“.
Zukünftige Lehrer in Aktion: Das Basic und Advanced
Training hilft mit praktischen Übungen.
den Berufsalltag im Vordergrund? Der Biologie-
Student Sebastian Fischer analysiert kritisch: „In
einigen Fächern beziehungsweise Fakultäten ist
die Didaktik sehr weit, fachlich fundiert, dennoch TERMINE
praxisorientiert und erscheint als schlüssiges Ge-
samtkonzept, das einen auf den Lehrberuf vorbe- Basic und Advanced Training:
reitet. Allerdings ist dies nicht in allen Fakultäten
Wiki-Schulung:
der Fall. In einigen Fächern wird in vermeintli-
chen ‚Didaktik-Veranstaltungen‘ lediglich fachli-
26.05.10 Ort: R09 R00 H02 Uhrzeit: 18-20 Uhr
ches Wissen ohne didaktischen/praktischen Be- Qualitätsanalyse
zug ausgeweitet oder Detailwissen vermittelt.“ 28.05.10 Ort: R12 R04 A63 Uhrzeit: 14-18 Uhr
Unterrichtsmethoden in der Sek. I
Wer also das Gefühl hat, er werde in seinem Studi- 17.06.10 Ort: Wird noch bekannt gegeben Uhrzeit:
engang nicht genug auf die spezifischen Heraus-
9-15 Uhr
forderungen des Lehrerberufs vorbereitet, sollte
das Programm des Zentrums für Lehrerbildung Kooperatives Lernen
für das kommende Semester einmal genau unter 25.06.10 Ort: R12 R04 A63 Uhrzeit: 14-18 Uhr
die Lupe nehmen. Im „Basic und Advanced Trai- Anmeldung ist online möglich:
ning“ ist derjenige sicherlich gut aufgehoben. http://zlb.uni-due.de/zlb/buatrainings
text und foto Benedikt Filthaus

Wer an so einer Veranstaltungen teilnehmen soll-

te, hängt vom jeweiligen Lehramtstudiengang
ab: Wie sehr stehen dort neben den fachlichen
Kompetenzen auch didaktischen Fähigkeiten für
A169_07
Leben wie vor 200 Jahren
Aussiedler in Deutschland: Elena Janzen kam vor 19 Jahren aus Kirgisistan.
N
ur der Kindergarten fehlt ihr in ihrem
sonst perfekten Lebenslauf. Doch ei-
nen deutschen Kindergarten hat Ele-
na Janzen (25) nie besucht. „Ich bin in
Deutschland direkt in die erste Klasse
gekommen, nur etwa zwei Monate später als die
anderen Erstklässler.“
Elena ist Aussiedlerin aus Kirgisistan, einer ehe-
maligen Sowjetrepublik an der Grenze zu Chi-
na. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion
1991 lebt sie mit ihrer Familie in Deutschland.
Nach einer abenteuerlichen Reise über Moskau,
durch zwei deutsche Aufnahmelager, wurde sie
schließlich in einer niederrheinischen Kleinstadt
heimisch. „Ich dachte, das wäre das Wunderland“,
sagt Elena lachend.
Wenn man es nicht wüsste, würde man niemals
denken, dass Elena in Kirgisistan geboren ist. Ihr
Deutsch ist fehler-und akzentfrei, obwohl sie es
1991 kaum beherrschte. „Ich habe in Kirgisistan
nur Russisch mit meinen Eltern gesprochen“, sagt
sie und doziert über die russische Grammatik. Sie
zeichnet mit ihrem Finger Linien auf den Tisch.
Hätte sie Stift und Papier, sie würde Beispielsätze
schreiben.
„Ich habe schnell Deutsch gelernt und auch deut-
sche Freunde gefunden. Ich wollte ja nicht auffal-
len. Trotzdem fühlte ich mich anfangs fremd, weil
viele Kinder skeptisch waren.“ Innerhalb weni-
pflichtlektuere com
Die nackte Wahrheit: Sex sells
Zu Besuch in der Heimat Kirgisistan: Aussied-
lerin Elena Janzen.
ger Jahre lernt sie die deutsche Sprache und lebt
von da an ein ganz normales Leben in Deutsch-
land. Im Jahr 2008 besuchte Elena wieder Kirgi-
sistan, zum ersten Mal seit 1991. „Das war schon
Sie sind die heimli-
chen Stars auf jeder
Automesse: leicht be-
kleidete Girls, die an
Stangen tanzen und
sich auf Motorhauben
räkeln. Sie dienen als
Blickfang und sollen
Lust machen - auf die
Autos natürlich.
Bei der Essener Mo-
torshow zeigten sie
viel nackte Haut und
gewährten pflicht-
lektüre Einblicke in
ihren Job.
DUISBURG/ESSEN: MITTEN IM LEBEN S07
komisch. Im Flugzeug dachte ich, dass die alten
Erinnerungen wieder hochkommen, aber leider
war es nicht so. Damals habe ich die Welt eben
mit Kinderaugen gesehen“, sagt sie, und die Ent-
täuschung ist ihr anzusehen.
Sie erzählt von der kirgisischen Landschaft, von
den kleinen Dörfern und ihren Bewohnern und
von ihrem Heimatdorf, welches sie so gern besu-
chen wollte: „Das ist eine ganz andere Welt. Die
leben da immer noch wie vor 200 Jahren. Das
war schon irgendwie komisch.“ In den zwei Wo-
chen habe sie aber leider nur sehr wenig gesehen
und erlebt.
Auf die Frage, warum so viele Aussiedler Integ-
rationsprobleme haben, fällt ihr erst nach länge-
rem Nachdenken eine Antwort ein: „Viele fühlen
sich nicht als Ausländer und erwarten zu viel.
Und wir Deutschen sind ja auch immer skeptisch
gegenüber Ausländern. Außerdem sind viele
Aussiedler auch frustriert über nicht anerkannte
Qualifikationen und sind dementsprechend un-
terfordert.“ Elena lässt ihren Kopf in ihre Hände
senken und starrt gedankenverloren ins Leere.
„Viele glauben, dass einem hier was geschenkt
wird. Aber das ist nicht so.“
text Chris Cadel
foto privat
.
Noch Zeit zum Jobben?
Freiheit, Feiern, auf der faulen
Haut - alles vorbei? Seit der Um-
stellung auf den Bachelor klagen
Studierende über zu viel Stress.
Ob und wie man dann noch einen
Nebenjob schafft, erklären eine
Psychologin, ein Arbeitsvermitt-
ler - und eine Studentin, für die 5
Euro Stundenlohn eine „bittere“
Erfahrung sind.
Prostitution im Tierreich
Ganz und gar nicht jugendfrei sind die Sexpraktiken mancher Tiere.
Während weibliche Tanzfliegen Geschenke als Gegenleistung für den
Akt erwarten, gelten Delfine als dauergeil. Dass es im Tierreich neben
Homosexuellen auch Transvestiten gibt, lest ihr im Netz.
 S 08 HERZ-STÜCK A367_08

„Kirche muss sich nicht

rechtfertigen!“
Fünf Jahre nach „Wir sind Papst!“ steht die deutsche
katholische Kirche vor einem Scherbenhaufen. Was
bleibt nach dem Missbrauchsskandal von der Insti-
tution Kirche? Wir haben mit vier katholischen Stu-
denten aus dem Ruhrgebiet darüber gesprochen.

Auf der Suche nach Leuten für dieses Gespräch Stefan: Glaube heißt zweifeln.
haben wir Theologie-Studenten beim Hoch-
schulgottesdienst gefragt, ob Sie Lust haben, Zweifel, aber vor allem den Verlust
mit uns über Kirche, Papst und Missbrauch zu von Vertrauen beklagt die Öffent-
reden. Aus Angst, die noch nicht einmal erhal- lichkeit genauso wie auch viele
tene Lehrerlaubnis gleich wieder zu verlieren, Katholiken nach den Vorfällen der
haben sie sich, anders als ihr, gesträubt... vergangenen Monate. Was hat
Stefan: Das ist eine berechtigte Sorge. Eine der Missbrauchsskandal mit eurer
Person entscheidet darüber, ob ich unterrich- Wahrnehmung der Kirche, mit eu-
ten darf oder nicht. rem Glauben gemacht?
Sebastian: Natürlich haben die Angst. Es ist Philipp: Jedes Opfer ist zu viel. Aber
schlimm, dass es diese Angst gibt. Aber man als der Skandal dieses Ausmaß an-
darf sich doch davon nicht einschüchtern las- genommen hat, war ich froh, dass
sen! Wenn dieser Mann mir die Lehrerlaubnis alles auf den Tisch kommt. Mein Charlotte
nicht erteilen würde, dann würde ich für die- Glaube wackelt deswegen nicht.
se Kirche ohnehin nicht arbeiten wollen. Ich halte an der Kirche fest, weil es
Charlotte: Aber dann bist du arbeitslos. die Kirche von Jesus Christus ist.
Sebastian: Dann ist es halt so, wäre wenigs- Ich glaube nicht an die Priester, sondern an Charlotte: Ich war nie euphorisch!
tens konsequent. Dann werde ich freischaf- seine Botschaft. Philipp: Bei mir gab es diese Euphorie. Ich ha-
fender Beerdigungsredner. Sebastian: Dass es Sünder gibt, auch in den be durchaus gespürt, dass sich bei mir da was Sebastian
eigenen Reihen, das getan hat. Durch den deutschen Papst hatte
Sollte die Auseinanderset- überrascht mich nicht. ich eine andere Beziehung zu dem Amt. Für
zung mit Kritik und Zweifel
in der Kirche, aber auch in „Ich halte an der Das Ausmaß scho- mich ist er ein Geschenk für die Welt und die
ckiert natürlich. Gera- katholische Kirche, weil er sehr wissenschaft-
der religiösen Lehre nicht
fester Bestandteil sein? Kirche fest“ de die Tatsache, dass lich ist, ein großer Theologe. Er ist dabei kein
es diese Fälle auch einfacher Papst. Der Missbrauchsskandal hat
Charlotte: Die katholische in der katholischen meine Sichtweise nicht geändert, weil er sich
Kirche ist konservativ, doch Philipp Kirche gibt, bestätigt ständig und deutlich dazu geäußert hat.
sie gibt etwas, woran man doch, dass das, was
sich reiben kann. Und das ist gut. Ich finde, sie lehrt, richtig ist. Für mich ist es deshalb ei- Medial ist ein anderes Bild entstanden. Ist der
das Schlimmste ist, wenn man in der Schule ne große Bestätigung meines Glaubens. Papst falsch verstanden worden? Oder wie
steht und die Kinder sagen: Das ist mir alles Charlotte: Man schämt sich einfach, zur glei- empfindet Ihr seine Reaktion auf die Vorfälle?
egal! Denn wenn man irgendwas hat, woran chen Institution zu gehören, in der so viel Philipp: Der Vatikan reagiert sehr bedacht-
man sich reiben kann, dann kann man daran Furchtbares gemacht wurde. Das hat auch sam, sagt lieber gar nichts als was falsches.
auch wachsen. Für mich ist Religionsunter- meinen Unterricht beeinflusst. Man muss Charlotte: Das Ganze zu vertuschen – das hät-
richt immer auch Kritik suchen. Kindern beibringen zu sprechen und ein te man nicht versuchen sollen. Sowas kommt
selbstbestimmtes eh raus. Wenn die Kirche solche Moralvorstel-
Leben zu führen. Nie- lungen im Stich lässt, was hat sie dann noch?
mand hat Macht über Sebastian: Was in den Medien als Vertu-
DIE AKTEURE dich, sei es der Vater schung gedeutet wurde, war der Versuch, das
oder der Priester. zu ordnen und zentral zu regeln. Der Papst hat
Stefan: Die Institution eben theologisch auf die Vorfälle geantwortet
Charlotte Schulte: Die Reformerin 26, Englisch und Theologie Kirche hat für mich und sich nicht auf die von den Medien aufge-
auf Lehramt, Uni Dortmund viel Glaubwürdigkeit drängten Debatten eingelassen. Er hat gesagt,
Sebastian Sasse: Der Verteidiger 30, Doktorand Geschichte, verloren. Ich trenne was die Kirche dazu zu sagen hat.
Uni Essen daher klar Kirche und
Glaube. Damit ist er der Kirche vielleicht gerecht ge-
Philipp Heimansfeld: Der Solidarische 22, Betriebswirtschaftslehre, worden, gilt das aber auch für die Opfer?
Uni Duisburg Wie steht es um die Stefan: Die Opfer wurden meiner Meinung
Stefan Göddecke: Der Schlichter 33, Kath. Theologie und SoWi Einstellung zum Papst? nach verhöhnt.
auf Lehramt, Uni Bochum Vor fünf Jahren waren Sebastian: Die eigentliche Verhöhnung der
wir alle Papst, die Eu- Opfer ist doch, wie bestimmte kirchenfeindli- Stefan
phorie war riesig. che Kräfte diesen Skandal nutzen, um ihre al-
A367_09 HERZ-STÜCK S 09

Im Zuge dieser Diskussion ging es auch

wieder verstärkt um die Bedeutung des
Zölibats. Gibt es da für euch einen Zu-
sammenhang zu den Missbrauchs-Vor-
fällen?
Philipp: Es ist naiv zu sagen, dass der Zö-
libat Missbrauch begünstigt. Man kann
davon nicht auf Pädophilie schließen.
Der Zölibat ist eine freiwillige Sache
– theoretisch müsste es sonst ja beim
buddhistischen Mönchtum auch Miss-
brauchsfälle geben. Die leben auch zöli-
batär.
Charlotte: Es fördert aber einen krank-
haften Umgang mit Sexualität. Es gibt
überhaupt immer einen relativ negati-
ven Umgang der Kirche mit Sexualität.
Dabei gibt es in der Bibel so viele sexu-
elle Konnotationen – das wird einfach
immer so weg geschwiegen. Warum
muss Sexualität denn verleugnet und
unterdrückt werden? Warum treibt man
Menschen in so einen Zwiespalt, warum
muss man sich entscheiden?
Philipp Philipp: Das hast du doch aber auch in
der Ehe. In der Ehe sagst du ja auch nicht:
Ich verzichte, sondern: Ich bevorzuge! Ich
bevorzuge diese Frau vor allen anderen
ten Ladenhüter rauszuholen und der Kirche mal Frauen. Wenn man den Zölibat verstehen will,
wieder einen Schlag zu versetzen. Da werden dann muss man auch den Glauben mit reinbrin-
Opfer instrumentalisiert. Wem würde es denn gen. Kardinal Meißner schreibt in seinem Buch,
nützen, wenn er jetzt sagt: „Ich bereue“? er sei ein paar Mal schwer verliebt gewesen. Das
Stefan: Selbstverständlich gibt es Stimmen, die hat ihn innerlich fast kaputt gemacht. Aber er hat
das Ganze für ihre Zwecke ausschlachten. Dafür gespürt: Meine Berufung ist Gott.
haben wir nunmal eine freie Presse. Charlotte: Aber warum kann man nicht beides
Philipp: Damals wurden massive Fehler ge- haben?
macht, darüber bin ich sehr entrüstet. Sowohl Philipp: Ein Bischof kann das nicht. Ein Bischof
von denen, die kann nicht verheiratet
die Verbrechen sein, das geht nicht ...
ausübten, wie Stefan: Dabei sagt man
von denen, die
geschwiegen „Ohne Zölibat wäre ich doch, dass hinter einem
erfolgreichen Mann
haben. Papst Be-
nedikt aber hat längst Priester“ auch immer eine starke
Frau steht ...
richtig gehandelt. Sebastian: ... ja, oder:
Vergessen wir Sebastian Hinter einem Priester
nicht, dass den steht Gott!
Opfern heute Psy- Charlotte: Liebe, egal
chologen zur Verfügung gestellt und Schmer- ob es mit einem Menschen oder mit Gott ist, ver-
zensgeld gezahlt wird. mehrt sich in der Gemeinschaft und im Dialog.
Und deshalb steht es überhaupt nicht im Wider-
Das tut die Kirche jetzt, da der Skandal in der Öf- spruch.
fentlichkeit ist ... Sebastian: Wenn es den Zölibat nicht gäbe, wäre
Philipp: Die Kirche kann nur handeln, wenn sie ich längst Priester ...
davon erfährt.
Sebastian: Mehr kann man nicht machen. Die Diskussion zeigt, dass es offenbar an einigen
Charlotte: Doch! Prävention kann man machen. Stellen innerhalb der katholischen Kirche Reform-
Sebastian: Seit 2002 gibt es Richtlinien dazu. bedarf gibt. Ist die Kirche, so wie sie jetzt besteht,
Selbst Sportvereine haben nicht solch klare Re- eigentlich noch zeitgemäß?
gel dafür, wie man in Verdachtsfällen vorgeht Sebastian: Sie ist nicht zeitgemäß – und das ist
und wie Kinder geschützt werden. auch gut so!
Stefan: Ich sehe das nicht so. Dieser Skandal war Philipp: Sie ist zeitlos.
ein Weckruf. Jetzt wird daran gearbeitet – das
war vorher noch nicht so. Auf Seite 10 geht es weiter
 S 10 HERZ-STÜCK A367_10

Charlotte: Sie wandelt sich nerschaft in Verantwortung

zumindest. Doch auch, wenn zu leben, dann ist das schon
etwa Frauen viel Einfluss auf viel wert. Das andere kann
das Gemeindeleben haben schwerlich die Kirche alles
– das Argument hört man sanktionieren. Die Kirche ist
ja immer wieder –, werden ja auch nicht lustfeindlich,
die hohen Ämter noch im- sie ist das lustvollste über-
mer von Männern bekleidet. haupt – mal eine andere
Die Frauen arbeiten nur im Perspektive: Geh‘ mal in eine
Hintergrund. Die ganzen Sa- katholische Messe! Gerade in
kramente – Taufe, Geburt, Sal- dieser verbindlichen Bezie-
bungen – werden von Frauen hung hast du eine viel grö-
erfüllt, da sollten die auch ßere Lust, weil du es gestal-
endlich was zu sagen haben ten und entwickeln kann.
und Ämter bekleiden.
Philipp: Du reduzierst die Frau Was muss die Kirche tun,
auf die Machtrolle. Ich sehe um mit diesen Anliegen und
die Frau in der Kirche anders: Zuhören und kontern: „Der Papst hat richtig gehandelt“, glaubt Philipp. auch insgesamt näher vor
Sie ist die gute Seele. Ein Bei- allem bei den jungen Men-
spiel ist die Marienverehrung. schen zu sein?
In Polen wird Maria mehr verehrt als Jesus, eine Charlotte: Wenn man der Überzeugung ist, dass Stefan: Die Missbrauchsfälle bedürfen zunächst
enorme Position. Das Problem der Kirche ist, dass es nur in der Ehe Sex geben soll, und nur um Kin- mal Zeit und Aufarbeitung. Außerdem muss die
sie die Botschaft mehr verkünden muss, sie muss der zu zeugen, dann ist Verhütung ja auch über- Jugendarbeit verstärkt werden. Jugendhäuser
zurück zur Liturgie; dass die Feste und Gottes- flüssig und man braucht sie nicht. und Kindergärten dürfen nicht geschlossen wer-
dienste wieder mehr zelebriert werden. Stefan: Es wird ja eine vernünftige Familienpla- den, sondern da muss mehr Geld rein. Wenn man
Charlotte: ... aber sie spricht keinen mehr an, das nung eingestanden. Es wird nicht mehr gesagt, die Jugend für Kirche interessieren will, muss
ist das Problem. man soll nicht verhüten. Ich meine sogar, dass es man sich öffnen und gesprächsbereit sein. Wenn
Philipp: Deshalb hast du als Religionslehrerin Paaren zugestanden wird, sich kennenzulernen, sich Pastoren und Gemeindereferenten unters
auch so eine wichtige Rolle, im Hinblick auf die wobei dann auch Sex inbegriffen ist. Dieses alte Volk mischen und das vernünftiges Personal ist,
Vermittlung. Damit leistest Du so viel. Dogma „Kein Sex vor der Ehe“ ist längst gefallen. dann kann man schon etwas erreichen.
Charlotte: Damit sagst du, dass alles so gut ist, Das würde dir heute kein Priester mehr sagen. Charlotte: Nein, ich bin der Meinung, dass Religi-
wie es ist. Ich bleibe aber dabei, dass ich mich als Charlotte: Aber es ist ja auch nichts gegen einen onsunterricht an den Schulen dafür ganz wichtig
Frau in der Kirche nicht so willkommen, nicht so verantwortungsvollen Umgang mit Sexualität ist. Wir sind eine christlich geprägte Gesellschaft
repräsentiert fühle, wie ihr als Männer. Das Ver- einzuwenden. Es geht ja auch um Verantwor- und Kultur, und man kann andere erst verstehen,
ständnis ist doch längst überholt! tung. Als Lehrerin würde ich einem 13-Jährigen wenn man sich selbst versteht. Es geht nicht da-
das nicht verbieten, aber ich würde ihm raten: rum, nur über die katholische Kirche zu reden,
Als überholt sehen viele auch den Umgang der Warte doch noch! Denk‘ nochmal drüber nach. sondern auch über Weltreligionen und Ethik,
katholischen Kirche mit Verhütung an. Philipp: Es geht um Ernsthaftigkeit. Es geht um das gehört dazu. Da wird man von der Schule
Stefan: Dabei geht es doch immer um diesen ei- die Liebe bei der Sache. Es geht um Lebensschutz gezwungen, dass man sich mit dem Thema aus-
nen Spruch, den Johannes Paul II. damals in Afri- und darum, dass Liebe einen Stellenwert hat. einandersetzen muss! Denn wenn man sich da-
ka gesagt hat, dass man nicht verhüten soll. Sebastian: Wenn das Bemühen da ist, eine Part- gegen entscheidet, dann muss man auch wissen,
wogegen man sich entscheidet.
Philipp: Sie macht schon viel, aber sie publiziert
es nicht genug. Man kann doch bei seinem Seel-

KOMMENTAR VON TINO PERLICK

sorger anrufen und sich ausheulen. Das geht. Sie
muss die Medien mehr nutzen, dass sie greifbar
ist. Und ihr Außenprofil schärfen, mehr katho-
lisch sein. Gestern habe ich meinen Priester bei

I
n der „Daily Show“ des amerikanischen
Entertainers Jon Stewart finden Geschich-
ten aus dem Vatikan einen Platz in der
„Pope Opera“. In der Tat lohnt ein Ver-
gleich zwischen katholischer Kirche und
Seifenoper auch abseits des offensichtlichen
Wortwitzes.
Beides existiert praktisch für immer. Beidem
liegt eine gläubige Gefolgschaft zugrunde.
Nicht-Interessierte können beidem weitge-
hend unbeschadet aus dem Weg gehen. Zu-
mindest bislang. Denn die neueste Entwick-
lung, der Missbrauchsskandal, lässt sich nicht
so einfach wegzappen.
Die Schwere der Verbrechen, sowohl der
Schänder als auch der Vertuscher, haben wir
nach den üblichen zwei, drei Nachrichtenzyk-
len noch lange nicht verdaut. Ungeduldig
erwarten wir Konsequenzen vom Vatikan.
Traditionelles Aussitzen und interne Ver-
handlungen hinter verschlossenen Türen
passen eben nicht in diese transparent ge-
wordene Welt, die uns im vergangenen Som-
mer noch zeigte, wie junge Iraner einem
Mullah-Regime via Handy und YouTube den
Kampf ansagen können.
Aldi getroffen, der war in zivil. Ich habe ihn ange-
Viele Stimmen sprochen: Warum erkenne ich Sie nicht? Das wär‘
verlangen nach doch schön. Dann würden Leute ihn ansprechen,
einer direkten sehen, dass er auch zu Aldi geht.
Entschuldigung Sebastian: Man muss auf die Menschen zugehen,
des Papstes – ohne sich anzubiedern. Das ist der Vorteil der ka-
gerade an die tholischen Kirche, dass sie die katholische Kirche
deutschen Op- ist, es nicht nötig hat, so zu sein, wie die Mehrheit
fer. Doch Papst sie haben will. Sie muss katholisch bleiben. Und
Benedikt ist seit sich auch nicht dafür rechtfertigen wollen.
seinem Amts-
antritt so wenig Kann man das angesichts der zuletzt dramatisch
Deutscher wie gestiegenen Austrittszahlen noch guten Gewis-
Däne. sens so vertreten?
Sebastian: Das ist doch nicht schlimm. Die Leute
Er ist Stellvertreter Gottes auf Erden. Nichts sollen mal austreten.
verpflichtet ihn zu einer direkten Entschul- Stefan: Die Kirche kann sich doch nicht gesund
digung. Das mag theologisch alles durchaus schrumpfen. Sie möchte alle Menschen erreichen
gut und richtig sein. Ein Kirchenoberhaupt, und das tut sie nicht, wenn Menschen austreten.
das Gott näher steht als den Gläubigen, ist Charlotte: Gerade Kritiker bringen eine Organisa-
für die Opfer aber in etwa so tröstend wie ei- tion doch voran – deshalb ist es schade, wenn die
ne Oblate am Ende der Fastenzeit. verloren gehen. Statt zu gehen oder sich abzufin-
den, sollte man versuchen, etwas zu ändern!
Eine Seifenoper ohne Zuschauer wird abge-
setzt. So weit wird es mit der katholischen
Kirche nicht kommen. Ohne deutliche Refor- moderation Tino Perlick, Julia Weiss
men ist sie jedoch auf dem besten Wege, sich und Deborah Schmidt
selbst direkt ins Nachtprogramm zu manöv- fotos Florian Hückelheim
rieren.
A367_11 HERZ-STÜCK S 11

Von wegen Geschwätz

Aus Grundvertrauen wurde Grundmisstrauen: Die katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise.
Doch der Missbrauchsskandal ist nicht das einzige Problem, analysieren Experten.

I
n seiner Osterbotschaft an den Papst nannte die Gesellschaft sich wandelte.
Kardinal Angelo Sodano die Diskussion um „Auch die katholische Kirche muss
„Die Stellung der Frau in der Kirche ist katastrophal“, betont
die katholische Kirche „unbedeutendes Ge- endlich in die Demokratisierung
Theologe Norbert Mette. Dieses Exemplar wehrt sich per Stift.
schwätz“. Norbert Mette, Professor für katho- gehen“, fordert Mette und denkt
lische Theologie an der TU Dortmund, sieht dabei auch an mehr Frauenrechte.
das anders: „Wir befinden uns in der größten Die Stellung der Frauen im System
Vertrauenskrise in Kirche bezeichnet er schlicht als
der Geschichte der „katastrophal“. Auch sein Kollege
Kirche in neuerer Wiemeyer meint, dass auf diesem
Zeit.“ Gebiet mehr passieren könnte.
Auch, „wenn Frauen heute bereits
Keine punktuelle in verantwortungsvollen Positio-
Krise, sondern ein nen vertreten sind – zum Beispiel
ganzes „Krisen- als Abteilungsleiterinnen der Bi-
paket“ habe die schofskonferenz“. Norbert Mette
katholische Kirche ist das noch nicht genug. Er fordert,
nun zu bewältigen. Frauen sollten Priester, Bischöfe
Der Dekan der ka- oder gar Papst werden dürfen. Das
tholischen Theo- Problem in seinen Augen sind die
logie an der Ruhr- zwei großen Frauenbilder, die es in
Prof. Dr. Norbert Mette Uni Bochum, Prof. der Bibel gibt. Maria und Eva. „Ma-
Joachim Wiemey- ria ist Reinheit, Keuschheit und
er, sagt: „Früher Unschuld in Person. Eva ist die Ver-
schickten Eltern führerin, die mit Schlangen spricht,
ihre Kinder wie verbotene Früchte isst“, so Mette.
selbstverständlich Das habe eine verheerende Rezep-
in katholische Ein- tionswirkung. „Dabei bezeichnete
richtungen. Heute Jesus Frauen als gleichwertig.“
zweifeln sie.“
In der Außenwahrnehmung ist
Sie sei starr und die Kirche trotz allem ein Män-
festgezurrt in ih- nerbund. Hier sieht Mette einen
ren veralteten Grund für die vielen Missbräuche:
Strukturen – auch „Reine Männerorganisationen
Prof. Dr. Joachim Wiemeyer das werfen vie- sind, vorsichtig gesagt, oft anfäl-
le der Kirche vor. liger für gewisse Merkwürdigkei-
„Wir dürfen nicht ten. Ein anderes Beispiel wäre das
vergessen, dass die heutige Hierarchie der Kirche Militär.“ Der Zölibat, der durch die Missbrauchs- Wenn auch nicht verantwortlich für die Miss-
nicht einfach in den Schoß gelegt wurde“, sagt skandale wieder häufig thematisiert wurde, habe bräuche, hält Mette den Zölibat heute trotzdem
Mette. Sie sei in ihrer Organisation stets Abbild damit aber wenig zu tun. Das meint auch Wie- für überflüssig. Wiemeyer betont dagegen den
gesellschaftlicher Zustände gewesen. Die Macht- meyer: „Missbrauch findet in verschiedensten Sinn der Idee: „Der Zölibat ist ein deutliches Zei-
strukturen, die sich bei der Kirche im Mittelalter gesellschaftlichen Bereichen statt, wo immer Ju- chen dafür, sich ganz Gott hinzugeben.“ Hinter-
etablierten, waren damals nicht ungewöhnlich. gendliche präsent sind – sei es in Familien, Sport- grund dieser Regelung: Als der Zölibat 1139 offi-
Doch sie verharrte in ihrem System, während vereinen oder eben der Kirche.“ ziell eingeführt wurde, galt Sexualität noch als
unrein. Außerdem erbten Söhne in dieser Zeit
stets das Amt des Vaters, was jedoch nicht in das
Selbstverständnis der Kirche passte. Jeder soll-
AUSTRITTE IN ZAHLEN te freien Zugang zum Amt haben, und Priester-
Dynastien somit verhindert werden.

„Yeah!“, „Jawoll!“, „Endlich!“ – Reaktionen, die eine
Sachbearbeiterin im Bochumer Amtsgericht zurzeit
des Öfteren hört, wenn sie folgenden Satz verliest:
„Sie sind nun offiziell aus der katholischen Kirche
ausgetreten.“ Und das ist immer häufiger ihr Job,
seit die katholische Kirche im Kreuzfeuer steht.
Während das Amtsgericht in Bochum im Januar
noch 85 und im Februar 38 Austritte verzeichnete,
waren es im März satte 125. Im April verließen zu
Redaktionsschluss bereits 139 Bochumer Katholi-
ken ihre Kirche. „Viele gleichgeschlechtliche Paare
riefen uns vor allem am Tag nach der Sendung von
Anne Will an, als der Bischof des Bistums Essen,
Franz-Josef Overbeck, Homosexualität öffentlich
als Sünde bezeichnete“, so die Sachbearbeiterin.
Im gesamten Bistum Essen (etwa 891.000 Katho-
liken) bietet sich ein ähnliches Bild: 308 Austritte
waren es im Januar, 282 im Februar – 749 im März.
In Dortmund entschieden sich in den ersten drei
Monaten des Jahres 312 Katholiken für den Austritt.
Im ersten Quartal 2009 waren es 237.
Wie der Austritt aus der Kirche funktioniert,
erklären wir euch auf pflichtlektuere.com
Kardinal Angelo Sodano nannte die Anschuldi-
gungen der Öffentlichkeit Geschwätz. „Eine völlig
verzerrende Darstellung der aktuellen Lage“, sagt
Mette. Die Kirche müsse sich endlich der Wahr-
heit stellen und solle sich nicht so schwer tun, sich
selbst sündig zu nennen. „Der Sinn ist doch das
Evangelium zu verkünden – die frohe Botschaft.
Um das zu tun, müssen wir endlich schauen, was
die Ängste und Hoffnungen der Menschen in der
Welt sind und uns damit solidarisieren. Sonst se-
he ich keine Zukunft für die katholische Kirche.“
text Julian Pfahl
fotos Carolin Bredendiek, Julian Pfahl, privat
 S 12 RUHR-BLICK: AUF DEM CAMPUS
Hochkonjunktur für Gefühle
Sie machen den Campus wieder sexy und den Unialltag zum Paradies für alle Flirtwilligen -
Frühlingsgefühle. Doch die Schmetterlinge im Bauch sind nur ein Produkt unserer Hormone.
S
ie sind einfach einem Gefühl gefolgt.
Was es war, können sie beide nicht ge-
nau sagen. Nun sitzen Kati und Lukas
grinsend über ihrem Bier und wissen
nicht, was sie sagen sollen. Während
sie sich fragt, ob SIE schon wieder bereit für ei-
ne Beziehung ist, versucht ER sich zu erinnern,
wie ihre Brüste ohne BH ausgesehen haben. Er
will eigentlich nichts Festes anfangen, nur ein
bisschen unverbindlichen Spaß, mit Option auf
mehr. Vor ein paar Tagen sind sie im zusammen
im Bett gelandet und haben das getan, was ei-
nige nach ein paar Tequila so tun. Was sie am
anderen so gut finden, wissen sie selbst nicht,
da war einfach so ein Gefühl.
Minirock statt Schal
Nicht nur Kati und Lukas, sondern viele der
über elf Millionen Singles in Deutschland tau-
schen momentan wieder vermehrt heiße Blicke
aus. Frühling liegt in der Luft und damit auch
immer ein bißchen Sex und Liebe. Der Hormon-
forscher Dr. Burkhard Herrmann von der Uni-
versität Duisburg-Essen kann diesen Frühlings-
zustand verstehen und erklären: „Es ist ganz
A367_12
Knutschen auf dem Campus - Liebe
oder Hormonschwankungen?
normal, dass wir im Frühjahr offener für Neues den länger, die Nächte kürzer und umso heißer.
sind. Gerade optische Reize machen uns neu- Dabei sind sich Forscher uneinig, ob der moder-
gierig.“ Und optische Reize gibt es im Frühling ne Mensch wirklich noch sensibel für die Verän-
mehr als genug - nicht nur die Natur zeigt sich derungen der Natur ist. Schließlich können wir
von ihrer schönsten Seite, auch uns sieben Tage in der Woche, 24
die Menschen setzen mehr auf Stunden lang von künstlichem Licht
T-Shirt und Mini-Rock als auf bestrahlen lassen. Und viele Frau-
Schal und dicke Jacke. en sind, hormonell gesehen, durch
die Einnahme der Pille permanent
Um zu verstehen, was Lukas scheinschwanger. „Der entscheiden-
dazu gebracht hat, in Katis Aus- de Punkt ist, dass wir das Licht im
schnitt zu starren, muss man Frühjahr nicht nur sehen, sondern
sich in die letzten Hirnwindun- auch wahrnehmen.“, sagt der Endo-
gen des Menschen begeben. krinologe.
Doch erst einmal eines vorweg:
Es gibt nicht nur ein spezielles Wir nehmen also, ob Single oder
Hormon für Frühlingsgefühle, nicht, die Sonnenstrahlen über das
das sich pünktlich zum Früh- Auge auf und leiten Impulse an un-
lingsanfang wieder meldet. Dr. Burkhard Herrmann, ser Großhirn weiter. Von dort aus
Doch was macht uns zur Zeit so Hormonspezialist geht es zu unserem „Tor zum Hirn“,
aktiv, vor allem wenn es um die dem Hypothalamus. Hier docken die
Liebe geht? Stress- und die Glückshormone an. Der Hypotha-
lamus leitet die Impulse an die Hirnanhangsdrü-
So modern wie unsere Gesellschaft sein mag, die se weiter. Die ist die zentrale Stelle für unsere
Natur gibt immer noch den Takt an: Sobald sich Hormone und damit für unsere Lust und Laune
die ersten Sonnenstrahlen wieder sehen lassen, zuständig. Was kompliziert klingen mag, muss
fühlen wir uns einfach lebendiger. Die Tage wer- man sich einfach als Schienennetz im öffent-
A367_13
lichen Nahverkehr vorstellen, mit zwei großen
Bahnhöfen in einer Stadt und einigen U-Bahn-
Haltestellen. Genauso werden von der Hirnan-
hangsdrüse die Informationen auf dem Blutweg
an unsere Drüsen weitergeleitet. Das Frühlings-
gefühl ist wie ein Dominoeffekt, der jedes Jahr
ausgelöst wird: Die zuständigen Hormone arbei-
ten das ganze Jahr über in uns, durch die Sonnen-
strahlen wird aber ein Stein angestoßen. So sind
die Hormone Serotonin, Melatonin und Dopamin
vom Wetter abhängig.
Hormonschwankungen
Das Melatonin ist das Schlafhormon – je sonni-
ger es ist, desto weniger produzieren wir davon,
wir fühlen uns wacher und somit aktiver. Das
Serotonin ist für unser Glück zuständig, aber im
Einzelnen auch für den Schlaf und den Appetit.
Je mehr unser Körper vom Glückshormon Seroto-
nin produziert, desto weniger Melatonin schüttet
er aus. Das Dopamin ist streng genommen kein
Hormon, sondern ein Neurotransmitter, also ein
Botenstoff in unserem Nervensystem. Es stimu-
liert unsere Motivation, Aufmerksamkeit und un-
sere Libido. Der Wetterumschwung im Frühling
regelt das Dopamin und das Serotonin. Dabei ist
nicht die Höhe des Hormonspiegels ausschlagge-
bend, sondern die Schwankung als solche. „Wir
treiben im Frühjahr mehr Sport, weil wir so viel
Energie haben. Wir gehen einfach mehr raus, set-
zen das positive Gefühl in ein aktives um“, sagt
EURE FRÜHLINGSGEFÜHLE
Tatjana, 27, studiert Biotech-
nik an der Uni Duisburg-
Essen
„Die Sonne scheint, alle kommen aus
ihren Löchern gekrochen. Da sieht man
Menschen, die man das ganze Jahr über
nicht gesehen hat. Es wird immer wär-
mer, die Kleidung wird immer dünner, da
ist es kein Wunder, dass Sex in der Luft
liegt. Auf unserer Liegewiese vor der Uni
kann man seit Tagen beobachten, wie das
Lernen von der Bibliothek auf die Wiese
verlagert wird.“
RUHR-BLICK: AUF DEM CAMPUS S 13
der Hormonspezialist Burkhard Herrmann von
der Uni Duisburg-Essen.
Das Frühlingsgefühl an sich ist also ein Zusam-
menspiel unserer Hormone und hat wenig mit
Romantik zu tun. Die Hormone schlummern das
ganze Jahr in uns und werden durch die ersten
Sonnenstrahlen vermehrt aktiv. Dass wir so ak-
tiv sind, freut alle, die an der Liebeslust verdie-
nen können: Der Absatz der Kondome steigt im
Frühjahr deutlich an und auch Singlebörsen ver-
zeichnen mehr Zulauf: „Der Frühling ist auf jeden
Fall eine Hochsaison im Bereich der Partnersu-
che. Nach Ostern kann man fast zusehen, wie die
Neuanmeldungen in die Höhe schießen“, sagt
Christian Henne von der Single-Börse neu.de. Je
aktiver wir also gegen das Alleinsein kämpfen,
desto mehr profitiert die Wirtschaft davon. Der
Kondomhersteller Durex verzeichnet vor allem
im Frühjahr steigende Absatzzahlen, das Hoch
des Jahres wird im Sommer erreicht. Ereignisse
wie die Weltmeisterschaft bringen unsere Libido
und das Gummi-Geschäft zusätzlich auf Hoch-
touren.
Nicht nur für Frischverliebte
Doch der Frühling ist nicht nur für Singles der
perfekte Anfang für etwas Neues: Auch Paare, die
schon länger zusammen sind, entdecken sich im
Frühjahr neu. Nicht umsonst spricht der Volks-
mund vom „zweiten Frühling“. Wer sich das Ge-
Felix , 28, studiert Psychologie
und Englisch an der TU
Dortmund
„Bei dem Sonnenschein geh ich natürlich
mehr raus, vor allem, um Sport zu treiben.
Klar, ich flirte auch mehr im Frühling:
Gerade beim Sport klappt das ganz gut. Ich
bin offen für Neues und geh auch auf Men-
schen zu, vielleicht mag ich deswegen den
Frühling. Das beste am Frühlingsgefühl
ist aber, dass der ganze Dreck des Winters
einfach abfällt.“
fühl des Frischverliebtseins bewahren möchte,
sollte das tun, was Frischverliebte tun: immer
wieder Neues ausprobieren, das bringt die
anfängliche Neugier zurück. „Ein neuer Haar-
schnitt kann Wunder bewirken. Mein Partner
nimmt mich wieder wahr, anstatt mich nur
anzusehen. Weg von der dunklen Kleidung,
hin zu allem, was frisch ist. Dann kann auch
Ihr langjähriger Partner sich wieder neu in Sie
verlieben“, weiß Hormonforscher Herrmann.
Was bleibt also vom viel besungenen Lenz?
Ein paar Hormonschwankungen, die uns gute
Laune bringen und Liebe, die das erste Jahr nur
durch Doping überlebt.
text Christina Hahn
fotos Viktoria Vigh / Christina Hahn
Janette, 20, studiert Rehabili-
tationswissenschaften an der
TU Dortmund
„Im Frühling bin ich eindeutig besser
gelaunt und hab dementsprechend mehr
Lust zu flirten. Bei einem Kaffee oder
einem Cocktail schaue ich gern zwei Mal
hin – alles andere muss sich einfach
ergeben, denke ich. Ich hab allerdings
auch kein Problem damit, einen Typen
anzusprechen.“
 S 14 DIENST-BAR A367_14

Federicos Kirschen TERMINE

12.05.2010
Komödie über die Liebe zur Natur und die Macht des Fortschritts Cocktailtour
Der Sommer ist die beste Zeit
für eine Kneipentour. Für 17
Euro bekommt ihr in zehn
Dortmunder Bars je einen
Cocktail. Los geht’s um 19 Uhr.
Ab 23 Uhr kommt ihr kostenlos
ins Nightrooms.

18.05.2010
Deadmau5 Live
Im Bootshaus Köln legt DJ
Deadmau5 aus Kanada seine
Progressive-House und Mini-
mal-Mucke für euch auf. Die
Party startet um 20 Uhr. Ti-
ckets bekommt ihr ab 12 Euro.

Federico weiß, was er will: Das Koh-
lekraftwerk, das sein paradiesi-
sches Tal bedroht, soll endlich still
stehen. Seit mehr als 30 Jahren
kämpft der störrische Dorfbewoh-
ner gegen die Dreckschleuder, die
nicht nur die Natur des idyllischen
Dorfes verschmutzt, sondern vor
allem seine Kirschernte gefähr-
det. Mit stoischer Beharrlichkeit
versucht der Bauer, sein Obst und
Land mit den skurrilsten Mitteln
zu schützen. Eines Tages trifft er
auf den schottischen Touristen Pol
Ferguson, der ungewollt nach einer
Autopanne in der spanischen Idyl-
le festsitzt. Der gestrandete Schot-
te ist schnell vom exzentrischen
Spanier fasziniert und schließt
sich Federicos Kampf an. Im Klein-
krieg gegen die Betreiber und die
dort arbeitenden Dorfbewohner
bemerkt er jedoch schnell, dass es
nicht nur eine Wahrheit gibt. In der
hübschen Spanierin Cristina findet
er zudem einen Grund mehr, seine
Abreise nicht voranzutreiben. Eine
liebenswerte Umweltkomödie über
die Liebe zur Natur und das Unver-
mögen des Menschen, die Macht
des Fortschritts aufzuhalten.
text und foto: sz
Federicos Kirschen.
Filmstart: 20. Mai im Casablanca in
Bochum
20.05.2010
Besh O droM
Die Ungarische Band spielt ab
20 Uhr Balkan- und Zigeuner-
melodien im Bochumer Kultur-
zentrum Bahnhof Langendre-
er. Tickets gibt es ab 13 Euro.
23.05.2010
Hotel Shanghai
Der innovative Elektro-Musi-
ker „The Proxy“ aus Moskau
legt Indi-Rock und brachiale
Technobeats auf. Die Party be-
ginnt um 23 Uhr.

pflichtlektüre rockt... Durchgeblättert

Parkour-Convention in Dortmund Fußballtragödie nen Traum erfüllte. Oder der alte
Seif Nassor, der auf dem Platz noch
Geschicklichkeit und voller Körperein- Seit er „Sissi“ im Fernsehen sah, die englischen Kolonialherren
satz sind bei der ersten Dortmunder wollte Kameruns Star-Stürmer Sa- ausdribbelte. Oft lässt Ewers die
Parkour-Convention gefragt. Am 15. muel Eto`o nach Europa. Für ihn Protagonisten selbst sprechen. Sie
Mai sollt ihr im Skatepark des Diet- war es das Reich der schönen Prin- reden dann über ihre Erwartungen
rich-Keuning-Hauses über Müllton- zessinnen, das Paradies. Mittler- an die WM, über Träume und Hoff-
nen, Flüsse und andere Hindernisse weile, nach Jahren als Topstürmer nungen. Haroub Ali sagt: „Wir sind
springen. Am besten schneller als alle in den besten Ligen Europas, weiß nicht so kaputt und so anders, wie
anderen Teilnehmer. Mitmachen kann er, dass Europa anders ist. Eto`os ihr vielleicht denkt. Wir sind auch
jeder. Los geht‘s um 11 Uhr. Der Eintritt einstige Vorstellung klingt unfass- von dieser Welt. Und wir können
ist frei. bar naiv - aber kaum ein Europäer richtig gut Fußball spielen.“
ist sich bewusst, dass unsere Sicht
auf Afrika ebenso naiv ist.
Strand mitten im Pott
Aids, Hunger, Krieg, lauten die Kli-
Auch wenn das Meer ein Stück weg ist, schees. Dass Afrika viel mehr ist,
könnt ihr in Essen eine chillige Strand- zeigt Christian Ewers in seinem
party feiern. Seit Anfang des Monats hat eindrucksvollen Buch. Einfühlsam
der Seaside Beach Club am Baldeneysee schreibt er Geschichten von Men-
geöffnet. Dort gibt es Sand, Sonne und schen, die er in Afrika selbst getrof-
coole Konzerte. Am 12. Mai legen die DJs fen hat: Die Straßenfußballer aus
Gianna di Muro, Buddy und Sebastian Abidjan, die ihre Ergebnisse nicht
Phillip bei ihrer „Get ready for Ministry of an Toren, sondern an Kunststü- foto & text: als
Sounds!“ Party auf. Beginn ist um 17 Uhr. cken messen. Etwa der talentierte
Infos unter www.mysmag.de. Dorge Kouemaha, der in Europa Christian Ewers: Ich werde rennen
nie glücklich wurde und Nadir Ha- wie ein Schwarzer, um zu leben wie
text: jen/ifi fotos: B.Hell / H.Hoppe, pixelio roub Ali, der sich in den USA sei- ein Weißer. 164 Seiten, 17,95 Euro.

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Knobeln mit Sudoku
Für Fortgeschrittene: Pro Spalte, pro Reihe und pro drei mal drei Kästchen
großem Quadrat dürfen die Zahlen 1 bis 9 nur jeweils einmal vorkommen.
2 4
6 5
8 7
8 9 3 5
6 2 5 1 3
1 9 2 8 7
4 8 1
9 4 5 3 6 8
3 9 1
KleinE anzeigen
HonorarmitarbeiterIn gesucht
Die CAJ Essen sucht zum 01.
Juli 2010 eine/n Honorar-
mitarbeiterIn für die Verwal-
tung für ca. 15 Stunden pro
Monat. Zu den Tätigkeiten
gehören u. a.: Buchhaltung
& Jahresabschluss, Postver-
sendungen und allgemeine
Bürotätigkeiten.
Anforderungen: idealerwei-
se eine Ausbildung im kauf-
männischen Bereich bzw.
Besuch eines Wirtschafts-
gymnasium oder der Höhe-
ren Handelsschule. Kennt-
nisse in Word und Excel sind
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Impressum
Herausgeber: Institut für Journalistik, TU Dortmund
Projektleitung: Prof. Dr. Klaus Meier
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Redaktion: Uni-Center, Vogelpothsweg 74, Campus Nord, 44227
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Briefanschrift: pflichtlektüre, c/o Institut für Journalistik, TU
Dortmund, 44221 Dortmund
E-Mail: post@pflichtlektuere.com
Produktion: Tobias Jochheim (tjo), Daniel Klager (tni) und Mats
Schönauer (mats)
Bild: Florian Hückelheim (fh), Alexa Kasparek (lex), Elvira
Neuendank und Pascal Amos Rest
Titelbild: Stefanie Feck
An dieser Ausgabe haben mitgewirkt: Tamás Bogdan (ifi), Caro-
lin Bredendiek, Jennifer Büsing (jen), Chris Cadel, Susann
Eberlein (se), Benedikt Filthaus, Jonathan Focke (jfk), Chris- NEU ab 13.05.2010
tina Hahn (chh), Agnes Heitmann (ah), Lisa Helberg, Sarah SCHOCK LABYRINTH 3D
Keller (sk), Jonas Knoop (jk), Maximilian Koch (max), Laura ROBIN HOOD
Millmann, Malina Opitz (mao), Tino Perlick (TP), Julian Pfahl PLAN B FÜR DIE LIEBE (nicht in Lünen)
(jp), Michael Prieler (mp), Sophia Reimers, Sebastian Schaal
(ses), Deborah Schmidt (ds), Katrin Schmidt (ks), Lisa Schra- NEU ab 20.05.2010
der (ISA), Lukas Schürmann (luk), Fabian Schwane (fas), Ali- PRINCE OF PERSIA – DER SAND DER ZEIT
na Schwermer (als), Kathrin Strehle (kas), Natascha Tscher- NIGHTMARE ON ELM STREET (nicht in Herten)
noster (nt), Viktória Vigh (viki), Barbara Wege (bw), Julian 26.05.2010 Ladies Night
Weimer (juwe), Julia Weiß (jw), Anja Kristin Willner (awi), SEX AND THE CITY 2
Sarah Zoche (sz), (Der Vorverkauf läuft!)
Verantwortlich für Anzeigen: Oliver Nothelfer, Anschrift wie Ver-
lag, Kontakt: 0201/804-8944 10.07.2010
Objektleiter: Wolfgang Ibel TWILIGHT-TRIPLE
Verlag: Westdeutsche Allgemeine Zeitungsverlagsgesell- (Vorverkaufsstart 13.05.2010)
schaft , E.Brost & J. Funke GmbH u. Co.KG, Friedrichstr. 34-38,
45128 Essen
Druck: Druckhaus WAZ GmbH & Co. Betriebs-KG, Anschrift
wie Verlag. Kontakt: druckhaus@waz.de
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