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Die Suche nach dem Brustkrebsvirus des Menschen

Stand / Letzte Aktualisierung durch Elisabeth Rieping 01.03.2007

Zusammenfassung:

Bis heute ergab die Suche nach dem Brustkrebsvirus des Menschen keine reproduzierbaren Ergebnisse. Die Auswertung der wenigen erfolgreichen
Übertragungsexperimente zeigt, dass die infektiöse Substanz möglicherweise zellgebunden übertragbar ist und in Mäusen Lymphome auslöst. Es ist
nicht unwahrscheinlich, dass es sich dabei um einen in Monozyten integrierten Provirus handelt, ähnlich dem Erreger der Adulten T-Zell-Leukämie
des Menschen (HTLV-I und dem die Rinderleukose übertragenden BLV, Rinder-Leukämie-Virus).

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Seit der Entdeckung, dass Brusttumore der Maus durch einen Virus übertragen werden, hat man nach einem Virus gesucht, der die Krankheit beim
Menschen überträgt. Das übliche Verfahren zur Entdeckung eines Erregers, also die Übertragung auf eine andere Person, wurde aus ethischen
Gründen natürlich nicht unternommen. Stattdessen versuchte man menschlichen Brustkrebs auf Mäuse zu übertragen. Aber bei den infizierten
Mäusen stieg die Häufigkeit an Brusttumoren nur leicht von einem auf drei Prozent. Stattdessen wurde eine deutlich höhere Rate an Lymphomen,
also Tumoren des Lymphgewebes, gefunden [i].

Eigentlich ein aufregendes Ergebnis. Aber warum war abgesehen von dieser Arbeit keine weitere zu finden, in der die Übertragung des
menschlichen Brustkrebses auf Mäuse beschrieben wurde? Vermutlich doch nicht, weil es keiner es versucht hatte, sondern weil es keiner
erfolgreich versucht hatte. Also warum war nur das oben beschriebene Experiment gelungen, ohne erfolgreich wiederholt worden zu sein?

Nun, während die Wissenschaftler das als Kontrolle benutzte Maustumor-Material filtrierten, um den Maus-Mammatumorvirus MMTV von Zellen
und Bakterien zu isolieren, gingen sie bei dem menschlichen Tumormaterial anders vor und wichen von der Filtration, der damaligen
Standardprozedur zur Isolierung von Viren ab. Sie homogenisierten das Material aus menschlichen Tumoren, fügten Antibiotika zu, um
verunreinigende Bakterien abzutöten, zentrifugierten und benutzen dann die Interphase, also das Material, dass sich zwischen Zellen und Fett
abgesetzt hatte, für die Übertragung auf Mäuse. Das ist natürlich keine so scharfe Trennung wie beim Filtrieren und so wird das benutzte Material
auch Zellen enthalten haben. Möglicherweise genug Zellen, um darin enthaltene latente Viren zu übertragen. Beim üblichen Filtrieren wäre nur ein
zellgebunden übertragbarer Virus außen vor geblieben.
Andere Forscher, die das Virus nicht haben übertragen können, werden Filter benutzt haben, da es das übliche Verfahren war. Denn es war damals
noch nicht bekannt, dass es Retroviren gibt, die wie der Rinderleukämie-Virus BLV (von Bovine Leukemia Virus) in vivo also im lebenden Tier,
wenig Virusmaterial produzieren [ii], vermutlich um der Immunantwort des Organismus zu entgehen. Viren, wie BLV und HIV (für Human
Immundeficiency Virus, das Aids überträgt und dadurch allgemein wurde), waren 1977 noch nicht sehr bekannt.

Später, nämlich 1995, gab es einen weiteren Bericht über die häufige Entwicklung von Mäuse-T-Zell-Lymphomen nach Implantierung von
Material von Patientinnen mit inflammatorischem Brustkrebs auf Nacktmäuse [iii].

Das war im Grunde auch ein Bericht von der erfolgreichen Übertragung von Brustkrebs auf ein Tier, der aber nicht so wahrgenommen wurde.
Vermutlich waren die Experimente erfolgreich, weil Zellen benutzt worden waren. Sie geben so Anlass zu vermuten, das diese Krebszellen ein
übertragbares Agens enthalten haben könnten, das zellgebunden übertragen wird.

Neun Jahre vorher hatte gezeigt werden können, dass Monozyten von Brustkrebspatientinnen Riesenzellen bilden können [iv]. Da die
Riesenzellbildung ein Zeichen einer viralen Infektion sein kann, wurde versucht, Retrovirus-Partikel zu finden und deren Reverse Transkriptase
nachzuweisen. Nachdem man mononukleäre Zellen von Brustkrebspatientinnen einige Tage angezüchtet hatte, konnte man bei 97% Partikel
nachweisen, die Reverse Transkriptase-Aktivität zeigten. Bei dem Material von Kontrollpersonen war das nur bei 11% der Fall. Die Transkriptasen
arbeiteten außerdem besser mit Magnesium-Ionen als mit Mangan-Ionen, die von zellulären Transkriptasen bevorzugt werden [v].

Die Froscher um AlSumidaie setzten ihre Arbeit nicht weiter fort, weil zwei andere Gruppen, die sie wiederholen wollten, diese Ergebnisse nicht
bestätigen könnten. Eine Gruppe konnte die Monozyten erst gar nicht so züchten, dass sich Riesenzellen bildeten. Und sie fanden auch keine
Reverse Transkriptase-Aktivität. Allerdings fanden sie auch keine Reverse Transkriptase-Aktivität, wenn sie fremde Retroviren zur Kontrolle
zugaben, was darauf hätte hindeuten können, dass irgendetwas in ihren Medien die Reversen Transkriptasen behinderte. Dem wurde aber nicht
nachgegangen [vi].

Die nächste Gruppe, die die Experimente von AlSumidaie wiederholen wollte, fand ganz anders als ihre Vorgänger Mengen von
Riesenzellen. Leider nicht nur in den Kulturen von Brustkrebspatientinnen, sondern auch in denen von gesunden Frauen [vii]. Diese Arbeit war nun
glücklicherweise sehr ausführlich und man konnte nachsehen, was sie anders gemacht hatten als AlSumidaie. Eine Änderung in ihrem
Versuchsprotokoll war, dass sie ein anderes Kulturmedium genommen hatten und zwar hatten sie gepooltes - das heißt zusammen geschüttetes -
Serum von Frauen genommen. AlSumidaie hatte Kälberserum benutzt. Kälberserum, das einzeln, von gesunden Jungtieren abgefüllt wird, ist sehr
viel weniger wahrscheinlich verunreinigt als gepooltes Frauenserum.
Da in der ursprünglichen Arbeit ja gezeigt worden war, dass das Virus auch aus dem Material von etwa 10% der Kontrollpatientinnen gezüchtet
werden konnte, also von Frauen, die möglicherweise infiziert waren, ohne dass der Krebs sich schon nachweisbar entwickelt hatte, ist es möglich,
dass der für die massenhafte Riesenzellentwicklung nötige Virus aus dem zur Anzüchtung benutzten gepoolten Frauenserum kam. Gepooltes
Frauenserum könnte den Virus von gesunden, aber mit einem Brustkrebsvirus infizierten Frauen enthalten haben.

Es war noch ein weiterer Aspekt dieser Arbeit interessant. Trotz der Riesenzellentwicklung ließ sich keine Reverse Transkriptase-Aktivität
nachweisen. Auch beigefügte Kontrollen, hier wurde MMTV, das Mamma-Maustumorvirus benutzt, zeigten keine Virusaktivität. Das könnte dafür
sprechen, dass sich eine blockierende Substanz in dem gepoolten Frauenserum befand.

Da die Ergebnisse von AlSumidaie nicht wiederholt werden konnten, wurde die Suche und weitere Charakterisierung des menschlichen
Brustkrebsvirus von der gesamten Arbeitsgruppe eingestellt.

In ihrem 1998 erschienen Übersichtsartikel [viii] über mögliche Zusammenhänge zwischen Virusinfektionen und menschlichem Brustkrebs führt
die Autorin aus, vermutlich inspiriert durch die eigenen Ergebnisse mit Knochenerkrankungen [ix], [x], aber auch durch die anderer mit tierischen
[xi] und menschlichen [xii], [xiii] Retroviren, dass bei der Suche nach dem Brustkrebsvirus an erster Stelle Monozyten untersucht werden sollten,
wie es ja auch AlSumidaie gemacht hatte. Und das der gesuchte Brustkrebsvirus des Menschen nicht notwendigerweise MMTV oder ein naher
Verwandter dieses Virus sein muss.

Anders als MMTV, dessen Zugang zum Menschen schwierig vorzustellen ist, ist das Rinderleukämie-Virus BLV (für Bovine Leukemia Virus) ein
Riesenzellen bildendes Virus, das in den Lymphozyten der Kuhmilch als stabiles DNA-Provirus enthalten ist. Diese Kuhmilch wird in den
westlichen Industrieländern, und zwar verstärkt seit etwa 130 Jahren, als Nahrungsmittel menschlicher Säuglinge, aber auch für die Aufzucht von
Hunden und Katzen verwandt, eine Gewohnheit, die sich mittlerweile über die ganze Welt verbreitet hat. BLV war seit seiner Entdeckung
verdächtig. Aber mit den vor 30 Jahren üblichen Methoden konnten keine Antikörper gegen das Virus in Menschen gefunden werden.

Das hat sich geändert[xiv]. Mit modernen Methoden (Immunoblotting) konnten Antikörper gegen BLV in 74% der untersuchten Seren von
Menschen nachgewiesen werden. Unabhängig davon und einiges früher als die oben erwähnte Arbeit, war eine andere Gruppe, die auf der Suche
nach Zusammenhängen zwischen multipler Sklerose und BLV war, zu ähnlichen Ergebnissen kommen[xv]. Da sie aber Spuren von BLV in
Patienten und gesunden Kontrollpersonen fanden, wurde die Suche nicht fortgesetzt. Vermutlich war den Forschern nicht bewusst, dass in einigen
wichtigen Milch und Fleisch produzierenden Ländern nicht versucht wird, BLV aus dem Bestand zu eliminieren, weil angenommen wird, dass das
Virus gar nicht in den Menschen eindringen kann, obwohl über die Kuhmilch günstige Gelegenheit besteht.
Es wurde auch untersucht, ob BLV Veränderungen im Euter der Kuh verursacht [xvi]. Dabei wurden Veränderungen der Wachstumseigenschaften
in Linien von Epithelzellen gefunden, die BLV-infiziert waren. Die Zellen verdoppelten sich schneller, wuchsen bis zu einer höhern Zelldichte und
lebten länger. Alles Eigenschaften, die für Tumorzellen typisch sind. Dass BLV solche Veränderungen im Eutergewebe verursachen konnte,
inspirierte die Suche nach BLV-Erbmaterial in menschlichen Brustkrebszellen.

Dabei konnte BLV-DNA im Gewebe von Brustkrebsmaterial gefunden werden. Die Studie wird fortgeführt [xvii]. Wenn BLV eine wichtige
Ursache des menschlichen Brustkrebses sein sollte, und die Infektion über Säuglingsnahrung zustande kommt [xviii], die mit BLV verunreinigt ist,
sollten sich Virusspuren in etwa jeder zehnten Person westlicher Industriegesellschaften finden lassen. Denn etwa jede zehnte Frau bekommt dort
Brustkrebs.

In New York werden gesunde Blutspender auf Antikörper gegen HTLV-I und HTLV-II untersucht, obwohl die Stadt kein Gebiet ist, indem der
Virus endemisch vorkommt. Bei den Blutspendern, die keine Antikörper gegen die Strukturproteinen der beiden Viren haben, die also nicht infiziert
sein sollten, findet man in 8,6% Antikörper gegen das TAX-Protein von HTLV. Für TAX codierende DNA wurde auch gefunden, und zwar von
zwei unabhängig voneinander arbeitenden Gruppen[xix]. [xx].

Da New York ein Gebiet ist, in dem HTLV-Infektionen äußerst selten sind, war das ein erstaunliches Ergebnis.

Es ist kein erstaunliches Ergebnis, wenn das gefundene TAX-Protein das BLV-TAX-Protein ist. BLV ist der enge Verwandte des HTLV-I -Virus
und in den Vereinigten Staaten in der Kuhmilch enthalten, die für die Ernährung des Menschen, insbesondere auch der Säuglinge, verwendet wird.

Die DNA von BLV kommt als Provirus in der DNA von Milchlymphozyten vor und somit in der gepoolten Milch, die zur Produktion von
Säuglingsnährmitteln genutzt wird. Da DNA beim Kochen nicht zerstört wird, wird auch die integrierte DNA durch die Hitze basierten Prozeduren,
die benutzt werden, um die künstliche Säuglingsernährung sicherer zu machen, nicht zerstört. DNA reicht aus, um das Virus weiter zu geben.

Links

Die Übertragung von Tumoren auf neugeborene Säugetiere

Warum wurde nach einem menschlichen Brustkrebsvirus gesucht?

Englische Version des Textes: The Search for the Human Breast Cancer Virus
Text im Archiv der Library of Congress: http://web.archive.org/web/*/http://www.erieping.de/bkvsear.htm

Literatur

[i] Basombrio M. A., Mayer A. M. S., Rivell C. An increased incidence of lymphoma in mice inoculated with human breast cancer extracts. Arch.
Geschwulstforsch., 47: 679-684, 1977

[ii] Merezak C, Pierreux C, Adam E, Lemaigre F, Rousseau GG, Calomme C, Van Lint C, Christophe D, Kerkhofs P, Burny A, Kettmann R,
Willems L. Suboptimal enhancer sequences are required for efficient bovine leukemia virus propagation in vivo: implications for viral latency. J
Virol. 2001 Aug;75(15):6977-88.

[iii] Wakasugi H., Koyama K., Gyotoku M., Yoshimoto M., Hirohashi S., Sugimura T., Terada M. Frequent development of murine T-cell
lymphomas with TcR/+, cd4/8- phenotype after implantation of human inflammatory breast cancer cells in BALB/c nude mice. Jpn. J. Cancer Res.,
86: 1086-1096, 1995.

[iv] Al-Sumidaie AM, Leinster SJ, Jenkins SA Transformation of blood monocytes to giant cells in vitro from patients with breast cancer. Br J Surg.
1986 Oct;73(10):839-42.

[v] Al-Sumidaie AM, Leinster SJ, Hart CA, Green CD, McCarthy K. Particles with properties of retroviruses in monocytes from patients with breast
cancer. Lancet. 1988 Jan 2-9;1(8575-6):5-9.

[vi] Hallam N, McAlpine L, Puszczynska E, Bayliss G. Absence of reverse transcriptase activity in monocyte cultures from patients with breast
cancer. Lancet. 1990 Oct 27;336(8722):1079.

[vii] Kahl LP, Carroll AR, Rhodes P, Wood J, Read NG. An evaluation of the putative human mammary tumorvirus associated with peripheral
blood monocytes. Br J Cancer 1991, 63:534-540.

[viii] Labat ML Possible retroviral etiology of human breast cancer. Biomed Pharmacother. 1998;52(1):6-12.

[ix] Labat ML A new approach to the study of the origin of genetic diseases: retroviral etiology of osteopetrosis. Biomed Pharmacother.
1991;45(1):23-7.
[x] Labat ML. Retroviruses and bone diseases. Clin Orthop. 1996 May;(326):287-309.

[xi] Burny A, Bruck C, Chantrenne H, Cleuter Y, Dekegel D, Ghysdael J, et al. Bovine Leukemia Virus : Molecular Biology and epidemiology. In
Klein G. ed. Viral Oncology New York : Raven Press 1980: 231-89.

[xii] Miller JM, Miller MD, Olson C, Gilette KG, Virus-like particles in phythemagglutin.stimulated lymphocyte cultures with references to bovine
Lymphosarcoma. J Natl Cancer Inst 1969, 43: 1459-62.

[xiii] Poiesz BJ, Ruscetti FW, Gazdar AF, Bunn PA, Minna JD, Gallo RC. Detection and isolation of type C retrovirus particles from fresh and
cultured lymphocytes of a patient with cutaneous T-cell lymphoma. Proc Natl Acad Sci U S A. 1980 Dec;77(12):7415-9.

[xiv] Buehring GC, Philpott SM, Choi KY A reverse transcriptase assay for detection of the bovine leukemia virus. Am J Vet Res. 1977
Nov;38(11):1739-44. Humans have antibodies reactive with Bovine leukemia virus. AIDS Res Hum Retroviruses. 2003 Dec;19(12):1105-13.

[xv] Clausen J, Hoff-Jorgensen R, Rasmussen HB. Antibody reactivity against animal retroviruses in multiple sclerosis. Acta Neurol Scand. 1990
Mar;81(3):223-8

[xvi] Motton DD, Buehring GC. Bovine leukemia virus alters growth properties and casein synthesis in mammary epithelial cells. J Dairy Sci. 2003
Sep;86(9):2826-38.

[xvii] Buehring GC. Bovine Leukemia Virus Infection and Human Breast Cancer Risk. http://www.cbcrp.org/research/PageGrant.asp?
grant_id=1815 or http://www.erieping.de/Buehring.htm

[xviii] Rieping E. Breast Cancer and Early Contact to Cow’s Milk. Cancer Letters30:June Supp.104, 1986. Updated and more explicitely und
www.erieping.de .

[xix] Zucker-Franklin D, Pancake BA. Human T-cell lymphotropic virus type 1 tax among American blood donors. Clin Diagn Lab Immunol. 1998
Nov;5(6):831-5.

[xx] Ehrlich GD, Glaser JB, Abbott MA, Slamon DJ, Keith D, Sliwkowski M, Brandis J, Keitelman E, Teramoto Y, Papsidero L, et al. Detection of
anti-HTLV-I Tax antibodies in HTLV-I enzyme-linked immunosorbent assay-negative individuals. Blood. 1989 Aug 15;74(3):1066-72.

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