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Do you

speak
Digital?
Sprachprobleme zwischen „Digital
Natives“ und „Digital Immigrants“

Günter Nimmerfall

Seminararbeit

Modul 13
Einführung in das
wissenschaftliche Arbeiten

eEducation 3

Donau-Universität Krems

eingereicht bei
Maga Edith Blaschitz

Februar 2010

Günter Nimmerfall, Matr. Nr.


9015582
Do you speak Digital? 2

Inhalt

Einleitung...............................................................................................................................3

Problemdarstellung & Forschungsfragen ................................................................................3

Prenskys Kernaussagen ..........................................................................................................3

In Part 1: „Digital Natives, Digital Immigrants“..................................................................3

Singularity oder „There is no way back!“........................................................................4

„Digitale Muttersprachler“ vs. „Digital Immigrants“.......................................................4

„Legacy content“ vs. „Future content“ oder die Kunst des Lehrens .................................5

In Part 2: „Do They Really Think Differently?“..................................................................6

Die Neuroplastizität des menschlichen Gehirns...............................................................7

Die Formbarkeit des Gehirns in Bezug auf unterschiedliche Denkweisen........................7

Die Problematik der kurzen Aufmerksamkeitsphasen......................................................7

Prenskys beruflicher Hintergrund ...........................................................................................8

Stil und Argumentationsweise in den beiden Texten...............................................................8

Schlussfolgerung ....................................................................................................................9

Literatur ...............................................................................................................................10
Do you speak Digital? 3

Einleitung

Prensky ist einer von zahlreichen amerikanischen SchriftstellerInnen, die sich mit dem
Heranwachsen einer neuen Generation, welche bereits von Kindesbeinen an mit den sie
umgebenden digitalen Medien konfrontiert ist, beschäftigen.

Während diese AutorInnen verschiedene Begriffe wie Net Generation, Generation Y oder
Generation @ kreierten, wählte Prensky für diese Heranwachsenden den Begriff Digital
Natives. All diesen Begriffen ist jedoch gemäß Schulmeister ein zentrales Merkmal
gemeinsam:

„Gemeint sind die jetzt und demnächst auf die Hochschulen zukommenden Studierenden-
Jahrgänge, die mit den digitalen Medien und dem Internet sozusagen aufgewachsen sind.“1

Problemdarstellung & Forschungsfragen

Diese Seminararbeit versucht Prenskys Behauptungen in Bezug auf Wissenschaftlichkeit und


Stichhaltigkeit zu untersuchen. Dafür wird unter anderem Rolf Schulmeisters Streitschrift zur
Gegeninterpretation, sowie mein eigener Interpretationsansatz verwendet.

Gibt es wirklich nur die „Digital Natives“ und die „Digital Immigrants“, oder ist diese
Schwarz-Weiß-Malerei eine fragwürdige Behauptung?

Sind die Aussagen der beiden Texte wissenschaftlich fundiert oder versucht Prensky lediglich
seine visionären Behauptungen unters Volk zu bringen? Wie sehen andere Autoren seine
Ansichten?

Prenskys Kernaussagen

In Part 1: „Digital Natives, Digital Immigrants“

In seinem Text „Digital Natives, Digital Immigrants“2 schreibt Prensky von radikalen
Veränderungen in Bezug auf den Umgang mit digitalen Medien und das damit zwangsläufig
verbundene andere Lernverhalten der Jugendlichen im 20. Jahrhundert. Er sieht in den

1 Schulmeister , 2009, S. 2
2
Prensky, 2001a
Do you speak Digital? 4

SchülerInnen, die von Kindheit an mit den neuen Medien, wie Fernsehen, Computer,
Spielkonsolen, Internet und Mobiltelefonen konfrontiert waren und über bzw. mit diesen
Technologien unbewusst gelernt haben, „digitale Muttersprachler“, die akzentfrei die Sprache
der digitalen Welt beherrschen. Dem gegenüber stellt er die „Digital Immigrants“, jene
Generation, die sich den Umgang mit digitalen Medien erst in späteren Lebensjahren
beibringen musste. Er behauptet, dass diese Generation immer nur als „digitale Zuwanderer“
gelten würde, also niemals die digitale Sprache der Jungen ohne Akzent beherrschen würde.

Prensky sieht in der Tatsache, dass die „Digital Natives“ an den Schulen von „Digital
Immigrants“ unterrichtet werden, das zentrale Problem. Wie sollen Kinder, die digitale
Muttersprachler sind, das Kauderwelsch digitaler Zuwanderer verstehen?

Singularity oder „There is no way back!“

Prensky behauptet, dass das veränderte Medienverhalten in den letzten Jahrzehnten nicht
kontinuierlich, sondern plötzlich und sprunghaft stattgefunden hat. Er bezeichnet diese
Veränderung als „Singularity“, einem Ereignis, aus dem es keinen Weg zurück gibt.

Sein schärfster Kritiker Rolf Schulmeister argumentiert in Bezug auf diese These:

„Die Tatsache, dass heute andere Medien genutzt werden als in früheren Zeiten(sic!)
rechtfertigt es nicht, eine ganze Generation als andersartig zu mystifizieren.“3

„Digitale Muttersprachler“ vs. „Digital Immigrants“

Prensky unterscheidet zwischen den „Digital Natives“, die die digitale Kommunikation und
Handhabung technischer Geräte wie Computer, Mobiltelefon, Spielkonsolen etc. als
Muttersprache akzentfrei beherrschen und den „Digital Immigrants“, jenen digitalen
Zuwanderern, die sich zwar das für den (Berufs)Alltag nötige Wissen angeeignet haben, die
Sprache ihrer Kinder jedoch nur mit Akzent beherrschen. Dies macht sich beispielsweise
darin bemerkbar, dass sie sich die Emails von ihren SekretärInnen ausdrucken lassen oder ihre
Geschäftspartner anrufen, um nachzufragen, ob sie das Mail erhalten haben. All diese
Vorgangsweisen wären für einen „Digital Native“ undenkbar.

3
Schulmeister, 2009, S. 149
Do you speak Digital? 5

Prensky sieht vor allem in der Tatsache, dass im Bildungssystem die „Digital Natives“
großteils von „Digital Immigrants“ unterrichtet werden, das Hauptproblem im Lernen und
Lehren der heutigen Zeit. Da die beiden Teile, Lehrender und Lernender, unterschiedliche
Sprachen sprechen, kommt keine effiziente Kommunikation zustande.

Allerdings ist dabei die Tatsache, dass

„Die Pioniere der Computer- und Medientechnologie, die mit der Entstehung des
Computers aufgewachsen sind, die ihren Computer noch aufmachen mussten, um ihn
mit Controllern, Grafikkarten und zusätzlichen Prozessoren auszustatten, die
kryptische DOS-Befehle tippen und Programmiersprachen wie Assembler beherrschen
mussten, diese digitalen Experten (…)“4

nicht mit Prenskys Attribut „Digital Natives“ gemeint sind, mehr als verwunderlich.

Schulmeister entkräftet die These der „Digital Natives“ noch zusätzlich mit dem Argument,
dass

„die von Prensky so adressierten Jugendlichen gerade nicht die digitalen Aspekte ihrer
Geräte beherrschen, sich weder technisch mit der Hardware oder dem System
Netzwerk auskennen und beschäftigen noch programmieren können.“4

„Legacy content“ vs. „Future content“ oder die Kunst des Lehrens

Prensky stellt traditionelle Lehr- und Lerninhalte als sog. „Legacy content“ dem meist in
digitaler Form vorliegenden „Future content“ gegenüber.

Er beschreibt den traditionellen, überlieferten Lehrstoff folgendermaßen:

„‘Legacy‘ content includes reading, writing, arithmetic, logical thinking, understanding the
writings and ideas of the past, etc – all of our ‚traditional‘ curriculum.“5

Hingegen beschreibt er den, für heutige StudentInnen interessanteren, digitalen „Future


content“:

4
Schulmeister, 2009, S. 20
5
Prensky, 2001b, S. 4
Do you speak Digital? 6

„‘Future‘ content is to a large extent, not surprisingly, digital and technological. But
while it includes software, hardware, robotics, nanotechnology, genomics, etc. it also
includes the ethics, politics, sociology, languages and other things that go with them.“5

Prensky sieht in Videospielen das geeignete Mittel, um diesen „Future content“ in der
Sprache der „Digital Natives“ eben diesen anzubieten.

Auch diese These lässt Schulmeister nicht unkommentiert. Er bemängelt, dass Prensky zwar
von veralteten Inhalten (content) spricht, aber nicht klar zwischen Inhalten und Wissen trennt:

„Offenbar ist „legacy content“ vererbter, tradierter Content, der über ein Attribut verfügt: Er
ist entweder veraltet oder nicht veraltet. Dieses Attribut trifft aber nur auf Wissen zu, nicht auf
Content, denn Wissen in einer vergegenständlichten Form liegt in unterschiedlichen Formaten
vor, in Stein, in Papier, in Bildern, in Bändern und Platten, und es ist Kultur und veraltet als
solche nicht.“6

In Part 2: „Do They Really Think Differently?“

Im zweiten Teil seines Textes geht Prensky noch einen Schritt weiter: Er behauptet, dass sich
nicht nur die Jugendlichen durch den Umgang mit digitalen Medien verhaltensmäßig
verändern, sondern dass sogar physiologische Veränderungen stattfinden.

Diese Behauptungen begründet er mit:

 Der Neuroplastizität des Gehirns


 Die Formbarkeit des Gehirns in Bezug auf unterschiedliche Denkweisen

Dem stellt er jedoch die Problematik der kurzen Aufmerksamkeitsphasen und die Fähigkeit
das eigene Tun zu reflektieren gegenüber.

Laut Prensky gibt es für all diese Phänomene ein Wundermittel: das Lernen mit
(Computer)Spielen. Aber funktioniert das wirklich so einfach?

6
Schulmeister, 2009, S. 23
Do you speak Digital? 7

Die Neuroplastizität des menschlichen Gehirns

Unter dem Begriff der Neuroplastizität versteht man den Umstand, dass sich das menschliche
Gehirn ständig neu organisiert. Das bedeutet, dass die Stimulation durch vielfältige Formen
an Reizen die Gehirnstrukturen beeinflusst und verändert.

Prensky führt hierfür eine Vielzahl von Experimenten an, deren Ergebnisse jedoch kaum in
den Schulalltag übernommen werden können.

Schulmeister stimmt Prensky insofern zu, dass das Gehirn plastisch sei, widerspricht aber
Prenskys Behauptung, dass sich die biologischen Strukturen aufgrund gemachter Erfahrungen
verändern:

„Es sind keine ANDEREN, ANDERSARTIGEN oder BESONDEREN Transformationen, die


das Hirn durch den Gebrauch der Medien erfährt, sondern einfach die Prozesse, die bei allen
Individuen durch Interagieren mit den Objekten der realen Welt und durch die
kommunikative Interaktion stattfinden.“7

Die Formbarkeit des Gehirns in Bezug auf unterschiedliche Denkweisen

Prensky vergleicht „Digital Natives“ mit Aufwachsenden in anderen Kulturen:

„(…) people who grow up in different cultures do not just think about different things, they
actually think differently. „8

Prensky glaubt, dass unsere Gehirne im Verlauf unserer Entwicklungsgeschichte wiederholt


umgeschult wurden. Das erste Mal bei der Fertigkeit des Lesens und das zweite Mal bei der
Entwicklung des Fernsehens. Aus diesem Grund werden seiner Meinung nach die Gehirne
unserer Kinder ein weiteres Mal durch die Verwendung neuer Medien umgeschult.

Die Problematik der kurzen Aufmerksamkeitsphasen

Zahlreiche Pädagogen klagen darüber, dass die Jugendlichen nur für eine kurze Spanne
aufmerksam dem Unterricht folgen. Prensky behauptet jedoch, dass die heutigen

7
Schulmeister, 2009, S. 22
8
Prensky, 2001, S. 3
Do you speak Digital? 8

SchülerInnen nicht unfähig sind, längere Zeit dem Unterricht zu folgen, sondern dass sie sich
dazu schlicht und einfach entscheiden.

Denn bei Themen, die sie interessieren und bei denen sie interagieren können, vor allem bei
Computerspielen, ist kein Aufmerksamkeitsdefizit erkennbar.

Prensky belegt dies durch eine Studie, die für die Sesam Straße durchgeführt wurde. Eine
Untersuchung ergab dabei, dass Fünfjährige die wesentlichen Inhalte einer Fernsehsendung
wahrnehmen konnten, obwohl sie gleichzeitig mit Spielzeug spielten.

Prenskys beruflicher Hintergrund

Mark Prensky wurde 1946 in New York geboren, wo er heute noch mit seiner Frau Rie
Takemura und seinem Sohn Sky lebt.

Prensky hat einen Masterabschluss der Universitäten Yale und der Harvard Business School.
Er arbeitete unter anderem als Konzertmusiker und Schauspieler. In seiner Lehrtätigkeit
unterrichtete er alle Altersklassen von der Unterstufe bis hin zum College. Nach seiner
Tätigkeit im Bereich der Personalberatung und Technologie bei verschiedenen Firmen
gründete er das E-Learning-Unternehmen Games2train, das (Computer)Lernspiele für
Jugendliche und Erwachsene programmiert.

Er bezeichnet sich selbst als Redner, Autor und Visionär. Seine Visionen schrieb er in
zahlreichen Büchern, Artikeln und Kolumnen nieder.

Stil und Argumentationsweise in den beiden Texten

Prenskys Schreibstil ist aufgrund seiner einfachen Satzstruktur gut lesbar. Er verwendet in
seinen Sätzen häufig vage Formulierungen, wie z.B. likely. Seine Texte sind großteils eine
Aneinanderreihung zahlreicher Behauptungen, die weder sachlich sind noch auf Fakten
beruhen. Seine Argumentationen sind häufig auf Aussagen von Einzelpersonen gestützt, wie
beispielsweise: „said a kindergarten student“ (…)“complains a high-school student“9

9
Prensky, 2001a, S. 3
Do you speak Digital? 9

Prensky zitiert keine empirischen Untersuchungen, was beispielsweise auch von Seufert in Bezug
auf die Lese- und Fernsehgewohnheiten bzw. das Videospielen der „Digital Natives“ bemängelt
wird:

„Prensky hat in einer relativ einfachen Hochrechnung geschätzt, wie viele Stunden heutige
Studienabsolventen mit Lesen, Videospielen und Fernsehen zugebracht haben.“10

Mit grob geschätzten Zahlen zu argumentieren, widerspricht den Kriterien wissenschaftlichen


Arbeitens und ist daher stark zu hinterfragen.

Beinahe alle von Prensky aufgestellten Thesen konnten von Rolf Schulmeister widerlegt werden,
was unter anderem auch an den mangelnden oder fehlenden Begriffsbestimmungen wie
beispielsweise „content“ liegt.

Prenskys Texte klingen eher wie Werbetexte für seine eigene Firma als wissenschaftlich
fundamentierte Artikel.

Schlussfolgerung

Prenskys Meinungen sind provokant und polarisieren seine Anhänger- oder Gegnerschar.
Nachdem jedoch alle seine Thesen bezüglich des Vergleiches der „Digital Natives“ mit den
„Digital Immigrants“ von Schulmeister entkräftet werden konnten, haben seine Artikel in der
wissenschaftlichen Community nur wenig Zustimmung erhalten.

Die einseitige Einteilung in „Digital Natives“ und „Digital Immigrants“ sind meiner Meinung
nach zu engstirnig. Wenn Prensky für seine Klassifikation schon ethnische Begriffe
verwendet, dann würde ich zusätzlich den Begriff der „Digital Assimilants“ kreieren.

Es ist jedoch durchaus wünschenswert, wenn sich andere Autoren mit Prenskys Ideen kritisch
und empirisch beschäftigen. So reißerisch Prenskys Texte verfasst sind, einige seiner Ansätze
sind auf jeden Fall eine wissenschaftliche Diskussion wert.

Denn egal, wie wir unsere neue Generation nennen, sie ist sicherlich einem ständigen Wandel
unterworfen und das System Schule sollte diesen Veränderung methodisch und didaktisch
gewachsen sein.

10
Seufert, 2007, S. 8
Do you speak Digital? 10

Literatur

Prensky, M., 2001a. Digital Natives, Digital Immigrants. On the Horizon, MCB University
Press(Vol. 9 No. 5).

Prensky, M., 2001b. Do They Really Think Differently? On the Horizon, MCB University
Press(Vol. 9 No. 6,).

Schulmeister, R., 2009. Gibt es eine »Net Generation«? Version 3.0. Available at:
http://www.zhw.uni-hamburg.de/uploads/schulmeister_net-generation_v3.pdf.

Seufert, S. & Brahm, T., 2007. Ne(x)t Generation Learning: Wikis, Blogs, Mediacasts & Co. -
Social Software und Personal Broadcasting auf der Spur, Themenreihe 1 zur Workshop-Serie

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