Sie sind auf Seite 1von 9

1

Prof. Dr. Rainer Mayer, Mannheim

Zehn Fakten und Argumente zum "Lebenspartnerschaftsgesetz“1


mit Erläuterungen und Hinweisen auf Dietrich Bonhoeffers Verantwortungsethik

I Vorbemerkung

Die folgenden zehn Thesen sind bewußt im Rahmen der "bloßen Vernunft" gehalten. Sie
setzen keine spezifisch christliche Überzeugung voraus und sind jedermann zugänglich.
Damit wird der Situation in einer säkularisierten Gesellschaft Rechnung getragen, in welcher
Glaubensgrundlagen im Rahmen ethischer Auseinandersetzungen nicht (mehr) akzeptiert
werden. In der Diskussion selbst braucht der Glaube jedoch keineswegs geleugnet zu werden.
Denn jedes ethische Argument beruht auf Fundamentalüberzeugungen. Das christliche
Bekenntnis betreffend gilt es, offensiv in das Gespräch einzutreten. Gegen "postmoderne"
Beliebigkeit und verweichlichte Gefühlsorientierung aufgrund wohlstandsbürgerlicher
Denkverweigerung (weil zu anstrengend!), ist Rationalität und sozialethische Plausibilität
aller Argumente zu fordern. Im Kampf um das bessere Argument können, mit Luther
gesprochen, die Geister in aller Freiheit "aufeinanderplatzen".

Sind die Thesen also für die öffentliche Diskussion gedacht, so sollen die anschließenden
theologischen Erläuterungen zur Vertiefung der Diskussion im innerkirchlichen Bereich
dienen. Insbesondere die Evangelische Kirche hat mit ihrer internen Auseinandersetzung um
Homosexualität - die manchmal die Kirche geradezu als Lobby-Gruppe der
"Schwulenbewegung" erscheinen läßt - die bedenkliche gesellschaftliche Entwicklung mehr
gefördert als mit einem durchdachten und biblisch orientierten sozialethischen Ansatz kritisch
begleitet2. Ganz abgesehen von den eindeutigen biblischen Aussagen zum Thema fehlt eine

1
Die genaue Bezeichnung lautet: "Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften:
Lebenspartnerschaften" (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2001 Teil 1 Nr. 9, ausgegeben zu Bonn am 22. Februar 2001). - Schon
der Titel ist irreführend. Eine gesetzgeberisch zu beendende, rechtliche Diskriminierung Homosexueller gibt es nicht.
Homosexuelle haben dieselben Rechte und Pflichten innerhalb der Ordnung des Grundgesetzes wie jedermann. Es geht nicht
um Beseitigung einer "Diskriminierung", sondern um Etablierung eines neuen, noch nie dagewesenen Rechtsinstituts für
"gleichgeschlechtliche Gemeinschaften", das der Ehe nachgebildet ist. Es war der Bundestagspartei Bündnis 90/Die Grünen
bei der Regierungsbildung gelungen, ein solches Gesetzesvorhaben verbindlich in den Koalitionsvertrag mit der SPD zu
schreiben. Als nach den ersten beiden Lesungen (ab 7. Juli 2000) deutlich wurde, daß vor allem Abgeordnete der CDU/CSU
dieses Gesetz im Parlament ablehnen und die von der CDU/CSU regierten Bundesländer es nicht im Bundesrat passieren
lassen würden, spaltete der von den Regierungsparteien beherrschte Rechtsausschuß kurzfristig vor der dritten Lesung das
Gesetz in zwei Teile auf: Diejenigen Regelungen, die nach Meinung der Regierungsfraktionen keine Bundesratszustimmung
benötigen, wurden im "Lebenspartnerschaftsgesetz" (LPartG), die anderen im "Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz"
(LPartErgG) zusammengefaßt. Am 10. November 2000 wurden beide Gesetze mit den Stimmen von SPD und Bündnis
90/Die Grünen im Bundestag verabschiedet. Sowohl Inhalt wie Verfahren dieser Gesetzgebung sind äußerst fragwürdig und
werden derzeit vom Bundesverfassungsgericht überprüft.
2
Schon 1988 veröffentlichte das "Deutsche Pfarrerblatt" einen Artikel: "Segen für ein Lesben-Paar" (88. Jg., Heft 9, Sept.
1988, S.372 f.). 1995 wurde das erste “Schwulenpaar“ vom Kölner Pfarrer Hans Mörtter "kirchlich getraut". Mörtter erhielt
damals zwar eine Rüge seitens der Rheinischen Kirchenleitung, weil die Handlung ohne ihre Zustimmung erfolgte, doch
schon damals deuteten viele Aussagen Synodaler darauf hin, daß Mörtter lediglich "seiner Zeit voraus" war. Vgl. auch den
Beschluß der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland vom 13. Januar 2000 über die „Gottesdienstliche
Begleitung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften“. Offensichtlich ist nicht die wichtige seelsorgerliche Begleitung
einzelner homosexuell empfindender Gemeindemitglieder gemeint. Vielmehr werden gleichgeschlechtliche
„Lebensgemeinschaften“ durch öffentliche Gottesdienste eheähnlich aufgewertet. - Jüngstens wandten sich auf Initiative
ihrer Pfarrvertretung 802 Württembergische Pfarrerinnen und Pfarrer mit einem Brief an Landesbischof Eberhardt Renz.
Unter dem Titel "Unterschiede wahrnehmen - einander achten" setzen sich die Unterzeichner u.a. dafür ein, daß
homosexuelle Pfarrerinnnen und Pfarrer zusammen mit ihrer Partnerin bzw. ihrem Partner "im Pfarrhaus angstfrei leben
können", denn bisher ist es in der Württembergischen Kirche nicht gestattet, daß homosexuelle "Paare" im Pfarrhaus
2

sozialethische Hermeneutik. Gemeindeethos und Gesellschaftsethos werden überhaupt nicht


oder nicht hinreichend unterschieden3. Die verwandelnde und erneuernde Kraft des
Evangeliums wird nicht bezeugt. Ein seelsorgerliches Angebot ist nicht im Blick oder, wo
entsprechende Seelsorge geschieht, wird sie verschwiegen, wenn nicht gar bekämpft4.
Personales Ethos und öffentlich-rechtliche Strukturfragen werden vermengt. So gibt
insbesondere die Evangelische Kirche in der Öffentlichkeit das Bild einer Institution ab, die
den gängigen gesellschaftlichen Trends hinterherläuft und deshalb belanglos geworden ist.
Dietrich Bonhoeffers Verantwortungsethik, die zum Widerstand anleitet, kann auch in diesem
Kontext Weisungen geben.

II Die Thesen

1. Ein wesentlicher Pfeiler der Grundordnung unseres Staates beruht auf Ehe und
Familie - und zwar in dieser Zusammengehörigkeit (Art. 6 GG). Auch Unverheiratete
sind darin eingeschlossen, denn jeder Mensch ist Kind einer Frau und eines Mannes.
Der Generationenvertrag (u.a. Rentenversicherung) beruht ebenfalls auf der Grundlage
von Ehe und Familie.

2. Mit der Anwendung des Begriffs "Lebensform" auf Ehe und Familie wird ein
soziologischer Begriff falsch benutzt5. Ehe und Familie, die durchaus historisch

zusammenleben. (Vgl. den Bericht von Peter Steinle, in: für arbeit und besinnung. Zeitschrift für die Württ. Evang.
Landeskirche, Heft 11, 2001, S. 459-463).
3
So heißt es z.B. in der Verlautbarung der Württembergischen Landeskirche "Gemeinsamer Bericht von Landessynode und
Oberkirchenrat zum Thema 'Verschiedene Lebensformen"': "Die kirchliche Diskussion über Lebensformen vollzieht sich vor
dem Hintergrund einer allgemeinen Pluralisierung von Normen und Werten... Dem entspricht es, daß Menschen unserer Zeit,
also auch evangelische Christen, in mannigfachen Lebensformen leben: in ehelichen Gemeinschaften, als Singles - entweder
verheiratet oder noch nicht verheiratet, geschieden oder verwitwet -, in nichtehelichen Lebensgemeinschaften, in
unterschiedlichen Formen von Familie oder als Alleinerziehende, auch in unterschiedlich geprägten gleichgeschlechtlichen
Beziehungen (März 1995; wieder veröffentlicht im landeskirchlichen Diskussionspapier "Gesichtspunkte im Blick auf die
Situation homosexueller kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", Stuttgart 2000, S. 5 f.). - Neben der gleichmachenden
Zusammenfassung unter "Lebensformen" ist deutlich, daß zwischen gesellschaftlichen Fakten und Gemeindeethos nicht
unterschieden wird.
4
Durchweg verschwiegen werden sowohl die praktische Arbeit wie die wissenschaftlichen Publikationen z.B. der
Seelsorgeinitiative "Wüstenstrom" in Tamm/Württ. oder des Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft in
Reichelsheim/Odenwald. Zur Bekämpfung des Therapieangebotes s.u. Anmerkung 8.
5
Der Begriff stammt aus der Biologie. Hier werden unter "Lebensform" Organismen mit ähnlicher Lebensweise oder
gleichem Lebensraum, mit gleichartigen Körpermerkmalen oder Organeinheiten zusammengefaßt. So ist z.B. die einzellige
Amöbe eine andere Lebensform als ein höheres Wirbeltier. Eduard Spranger hat die Rede von "Lebensformen" 1914 in die
Sozialpsychologie eingeführt, um damit "ideale Grundtypen der Individualität" zu beschreiben, nämlich nach seiner
Einteilung den theoretischen, den ökonomischen, den ästhetischen, den sozialen Menschen, den Machtmensch und
schließlich den religiösen Menschen (Eduard Spranger, Lebensformen. Geisteswissenschaftliche Psychologie und Ethik der
Persönlichkeit, 1. Aufl. 1914; 2. Aufl. 1921). Auf diese Weise wurde der Begriff als Umschreibung eines möglichen
Bildungsideals auch für die Pädagogik interessant, ohne daß er damit an Schärfe gewann - im Gegenteil: In den 30er und
40er Jahren konnten Völker- und Rassenunterschiede als "Lebensformen" bezeichnet werden (vgl. Hermann Nohl, Charakter
und Schicksal, 3. Aufl. 1947, 2. Teil "Die Lebensformen", Kapitel "Die Rassen- und Völkerunterschiede"). Wilhelm Flitner
nennt die Kultur einer sozialen Gruppe innerhalb der Gesellschaft "Lebensform" (vgl. z.B. Wilhelm Flitner, Die Geschichte
der abendländischen Lebensformen, München 1967), während T.S. Eliot die Gesamtkultur eines Volkes, etwa "the American
way of life" damit meint (Thomas Stearns Eliot, Zum Begriff der Kultur, dt. von G. Hensel, Frankfurt/M. 1961 - Hensel
übersetzt Eliots Begriff "way of life" mit "Lebensform"). Wolfgang Brezinka schließlich verwendet "Lebensform",
"Lebensordnung" und "Institution" vielfach synonym (vgl. z.B. Wolfgang Brezinka, Erziehung als Lebenshilfe, 2. Aufl.
Wien 1961). Summa summarum läßt sich sagen: Der Begriff "Lebensform" ist "nirgendwo terminologisch scharf gefaßt und
auf eindeutige Kriterien festgelegt worden" (Günter Krüger, Lebensformen christlicher Gemeinschaften. Eine pädagogische
Analyse, Heidelberg 1969, S. 20). In diesem unscharfen Sinne dient er heute Interessengruppen als Instrument, institutionelle
und ethische Unterschiede zwischen Ehe und Familie sowie anderen Sozialformen - insbesondere im sexuellen Kontext - zu
verwischen.
3

unterschiedlich gestaltet sein können, sind eine Daseinsgrundlage für alle Menschen,
keineswegs bloß eine "Lebensform" neben anderen. Als Ehe und Familie bezeichnet
werden - quer durch alle Kulturen und Religionen durch die gesamte
Menschheitsgeschichte - nur Verbindungen zwischen Mann und Frau, die auf die
Geburt von Kindern hin offen sind. Diese humane Wirklichkeit umzudefinieren, indem
Verbindungen zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen als "Ehe" (oder eheähnlich
mit entsprechenden Rechten) und Gruppen, in denen Kinder aufwachsen, generell als
"Familie" bezeichnet werden, bedeutet Zerstörung jeder Kultur und jedes humanen
Konsenses.

3. Homosexuelle Verbindungen (standes-)amtlich wie Ehen zu registrieren, ist schon


deshalb absurd, weil den Staat - außer im Bereich von Ehe und Familie als Grundlage
des Gemeinwesens - sexuelle Beziehungen, die Bürger miteinander aufnehmen, nichts
angehen. Wenn der Staat aber Treue, gegenseitige soziale Verpflichtungen und
Verläßlichkeit unterstützen will, darf er dazu das Eingehen sexueller Beziehungen nicht
zur Voraussetzung machen. Tut er es dennoch, verletzt er das Gleichbehandlungsgebot
nach Art. 3 GG falls er nicht alle anderen Gemeinschaften, die auf Treue und
Verläßlichkeit ausgerichtet sind (und das meist in viel höherem Maße als homotrope
Sexualbeziehungen), nämlich z.B. Lebensgemeinschaften unter Geschwistern oder
Orden in gleicher Weise fördert und mit Privilegien ausstattet6.
4. Das Argument, niemand würde durch die eingetragene "Lebenspartnerschaft"
Homosexueller benachteiligt, trifft nicht zu. Durch die angestrebten Änderungen von
über 110 Bundesgesetzen kommen z.T. hohe Kosten auf den Staat zu (z.B. durch

Um der Binsenweisheit Ausdruck zu verleihen, daß Ehe und Familie geschichtlichem Wandel unterworfen waren und
weiterhin sind, muß nicht die Sache selbst nivelliert und in den vernebelnden Begriffsgebrauch von "Lebensform" überführt
werden. Durch allen Wandel hindurch ist, wie in der obigen These gesagt, in allen Kulturen und Religionen der gesamten
Menschheitsgeschichte klar, was das Wesen von Ehe und Familie ausmacht, nämlich die Verbindung zwischen Mann und
Frau, die auf die Geburt von Kindern hin offen ist. Als solche ist sie stets institutionalisiert worden. In dem Grad der
Verbindlichkeit dieser Institutionalisierung zeigt sich "die soziale, moralische, ja meist religiöse Potenz einer Gesellschaft"
(Helmut Schelsky, Soziologie der Sexualität. Über die Beziehungen zwischen Geschlecht, Moral und Gesellschaft, 16. Aufl.
Hamburg 1965, S.50). - Soziologisch eignet sich die Benutzung des undeutlichen Begriffs "Lebensform" im Kontext von
Ehe und Familie also bestenfalls als Anzeige für den sozialen, moralischen und religiösen Verfall der gegenwärtigen
Gesellschaft.
6
Der Einwand von Verteidigern des LPartG, Ehe und Familie seien nicht tangiert, trifft nicht zu. Vielmehr ist das LPartG
zum Ehe- und Familienrecht parallel gefaßt: In Art. 1 "Begründung der Lebensparnerschaft" werden die charakteristischen
Merkmale der Ehe konsequent auf homosexuelle Verbindungen übertragen, als da sind: Die Partnerschaft gilt nur für zwei
Personen und wird auf Lebenszeit geschlossen (§ 1); sie umfaßt gegenseitige Fürsorge, Unterstützung und gemeinsame
Lebensgestaltung (§ 2); es gelten der Ehe entsprechende namensrechtliche Regelungen (§ 3) und vergleichbare Sorgfalts-,
Vermögens- und Unterhaltsleistungen (§§ 5-8 und 12-14) sowie sorgerechtliche Befugnisse (§ 9); auch Erbrecht (§ 10) und
Verwandtschaftsbestimmungen gelten entsprechend (§ 11). Die "Aufhebung" der Lebenspartnerschaft geschieht in Parallele
zur Ehescheidung (§ 15), und in Streitfällen ist das Familiengericht zuständig (§ 17). - Vollends in Artikel 2 "Änderungen
des Bürgerlichen Gesetzbuchs" werden die Regelungen des Eherechts im BGB Zug um Zug auf homosexuelle Verbindungen
übertragen. Nicht ohne Grund wird das neue Gesetz im Volksmund und in der populären Presse "Gesetz für die Homo-Ehe"
genannt.
Nun ist es durchaus wünschbar, daß der Staat Gruppen, die in Verantwortungsgemeinschaft zusammenleben, durch
rechtliche Ordnungen fördert. Die französische Regelung, der sogenannte "pact civil", könnte ein Vorbild dafür sein. Dort
wird allen gesellschaftlichen Gruppen ein Recht eingeräumt, es wird aber nicht die Praktizierung gleichgeschlechtlicher
Sexualität zur Voraussetzung gemacht. Auch wird keine Gruppe in die Nähe des Leitbildes Ehe gerückt. Mit dem LPartG
überschreitet der Staat bei weitem seine Grenzen, indem er in den Intimbereich der Bürger hineinregiert. Ehe und Familie
stehen wegen ihrer objektiv unersetzlichen Funktion für Staat und Gesellschaft und den Zusammenhalt der Generationen
unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Eine Handhabe für eine darüber hinausgehende staatliche "Sexualpolitik"
im Sinne einer Förderung beliebiger "Lebensformen" gibt es nicht. Homosexuelle werden durch das LPartG staatlich
privilegiert, weil nichteheliche Lebensgemeinschaften Heterosexueller und Verantwortungsgemeinschaften, die nicht durch
Sexualität geprägt sind, nicht in gleicher Weise gefördert werden. Dies wirft die Frage einer Verletzung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes (Grundgesetz Artikel 3) auf. Der staatliche Übergriff, der im LPartG geschieht, ist nicht
freiheitsfördernd, wie er sich den Anschein gibt, sondern freiheitsgefährdend!
4

Änderungen des Staatsangehörigkeitsgesetzes, des Personenstandsgesetzes, des


Beamten- und Besoldungsrechtes usw.). Diese Folgekosten werden sich Jahr für Jahr
steigernd erheblich summieren. Und weil der Staat keine Kuh ist, die im Himmel
gefüttert und auf Erden gemolken wird, werden diese Kosten als Mehrbelastung durch
Menschen aus Ehe und Familie aufgebracht; wobei das Bundesverfassungsgericht schon
derzeit die dem Grundgesetz widersprechende finanzielle Benachteiligung von Ehe und
Familie in unserem Staat bemängelt hat7.

5. Das weitere Argument der "Schwulen-Bewegung", daß alle Menschen heiraten


dürften und könnten (wenn sie wollten) außer den homosexuell Veranlagten und daß
der Staat deshalb den Homosexuellen die Ehe ermöglichen müßte, sticht nicht. Zunächst
ist zu fragen, was hier mit "heiraten" gemeint ist und wieso der Staat eingeschaltet
werden soll, wenn jemand eine schöne Feier begehen will, was ja niemandem verwehrt
ist.

6. Wenn aber trotzdem "Homo-Ehe", dann gilt: Es ist ein völlig falsches Verständnis
bezüglich Staat und Gesellschaft, von öffentlichen Institutionen die Einlösung
individueller Glücksvorstellungen zu erwarten. Es wird staatlich-rechtliche
"Eheschließung" gefordert. Soll also doch das angeblich veraltete und überholte
bürgerliche Eheideal als Vorbild gelten? Mal so, mal so? Das ist unlogisch!

7. Außerdem wird vorausgesetzt, daß Homosexualität eine unveränderliche Festlegung


für einen Menschen darstellt, was keineswegs erwiesen ist. Bis heute wird von
namhaften Psychiatern und Psychoanalytikern immer wieder betont, daß
Homosexualität ein Lösungsversuch für innere Konflikte ist. Die Diagnose
Homosexualität wurde aus politischen Gründen von der Amerikanischen
Psychiatrischen Vereinigung 1973 aus dem Diagnoseregister der psychischen
Krankheiten gestrichen8. Die menschliche Sexualität ist plastisch. Insbesondere in der

7
Der Vorgang, der am meisten ins Auge springt, die amtliche Registrierung der homosexuellen Partnerschaften, ist der am
wenigsten bedeutsame. Entscheidend sind vielmehr die damit verknüpften Rechtsfolgen - vor allem die von Artikel 3 des
LPartG unter der Überschrift "Änderung sonstigen Bundesrechts". Es geht dabei z.B. um das Ausländergesetz
(Aufenthaltsbewilligung, Bleiberecht, Einbürgerung für den homosexuellen Partner) (§ 11) , die Krankenversicherung (§ 43)
und das Bundesversorgungsgesetz (§ 44). Allein in der Renten- und Krankenversicherung kann es durch die zusätzlichen
Leistungsberechtigten aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu Mehrausgaben von bis zu 2,4 Milliarden DM jährlich
kommen (Zahlen nach FAZ Nr. 175 vom 31.07.2000, S.2; hier zitiert nach: Arnd Uhle, Die "Homosexuellen-Ehe":
Diskriminierungsabbau oder Privilegienaufbau. Verfassungsrechtliche und verfassungspolitische Anmerkungen, in: Die neue
Ordnung, 55.Jg. , April 2001, S.87); vgl. auch den Befund bei Krings, Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2000, S. 409 ff.
(413 f.). Solche Mehrausgaben und Mindereinnahmen bei der Einkommenssteuer (Übernahme des Ehegattensplittings in der
Form eines Realsplittings in Höhe eines fiktiven Unterhaltsabzugsbetrages von 40.000 DM jährlich) müssen letztlich von
allen Steuerzahlern getragen werden.
8
Vgl. das Interview mit Robert L. Spitzer, New York (in: Bulletin. Nachrichten aus dem Deutschen Institut für Jugend und
Gesellschaft, Nr. 1, 2001, S. 27-31). Dr. Spitzer spielte eine Schlüsselrolle, als die Amerikanische Psychiater-Vereinigung
1973 beschloß, Homosexualität aus der Liste psychischer Störungen zu streichen. Er bestätigt, daß Druck ausgeübt wurde,
weil die Schwulen-Bewegung glaubte, bessere Chancen im Kampf um ihr politisches Programm zu haben, wenn
Homosexualität nicht mehr mit dem Etikett "psychische Störung" versehen sei (a.a.O., S.28).
Wissenschaftliche Untersuchungen schwanken zwischen der Behauptung, Homosexualität sei einerseits eine vererbte Anlage
(bis hin zu einem "Homo-Gen"), andererseits eine im Laufe der Kindheit und Jugendzeit erworbene Neigung. Beide
Versionen gefallen den Vertretern der Schwulenverbände nicht. Denn wenn Homosexualität eine erworbene Neigung ist,
kann sie psychotherapeutisch behandelt werden. Ist sie aber genetisch bedingt, handelt es sich um einen biologisch
gravierenden "Konstruktionsfehler". Deshalb wird gerne in unklarer Weise einfach von der "homophilen" Identität
gesprochen.
Zur Möglichkeit der Änderung im Kontext der internationalen Forschung vgl. u.a. die Werke des Niederländers Gerard v.d.
Aardweg (z.B. Das Drama des gewöhnlichen Homosexuellen. Analyse und Therapie, Neuhausen-Stuttgart, 2. Aufl. 1992)
und des Amerikaners Joseph Nicolosi (z.B. Healing Homosexuality. Case Stories of Reparative Therapy, New Jersey 1993).
- Die Möglichkeit der Änderung bestätigt auch Robert L. Spitzer im oben genannten Interview. Die Auffassung, es sei
ethisch nicht vertretbar, Homosexuellen Therapie anzubieten, hält er "für völlig absurd und lächerlich" (a.a.O., S.31).
5

Pubertät gibt es eine Übergangsphase mit homosexuellen Phantasien9. Homosexualität


ist revidierbar, wie durch zahlreiche Beispiele aus Psychotherapie und Seelsorge belegt
ist. Allerdings zeigt die psychotherapeutische Praxis auch, daß insbesondere bei
Männern, die Homosexualität bereits kontinuierlich praktizieren, eine Revision durch
Therapie nur selten erreichbar ist. Darum wirkt sich die Absicht, homosexuellen
Verbindungen die Erziehung von Kindern anzuvertrauen, um so zerstörender für
kommende Generationen aus.

8. Das Argument der Schwulenverbände10, es müßten Benachteiligungen der


homosexuellen Mitbürger beseitigt werden, trifft nicht zu11. Auch ohne
"Lebenspartnerschaftsgesetz" war es schon bisher möglich, das Erbe per
testamentarischer Verfügung einem gleichgeschlechtlichen Partner zuzueignen; als
Einzelperson formalrechtlich ein Kind zu adoptieren; einen Vermieter zu zwingen, den
gleichgeschlechtlichen Mitmieter zu akzeptieren; ein gemeinsames Vermögen zu haben
und dies vertraglich zu fixieren; Rechtsgeschäfte per Vollmacht an einen Partner zu
delegieren. Letzteres gilt z.B. auch für die oft angeführte Entbindung von der ärztlichen
Schweigepflicht. Eine besondere Benachteiligung Homosexueller ist nicht zu erkennen.
Es geht also nicht um Beseitigung von Nachteilen, sondern um den Versuch der
Vorteilsnahme (gemäß obigem Punkt 4) auf Kosten der Allgemeinheit.

9. Schließlich: Selbst wenn die homosexuelle Orientierung unveränderlich wäre, muß


die Tatsache berücksichtigt werden, daß das Grundgesetz den besonderen Schutz für
Ehe und Familie nicht als einseitiges Privileg vergibt, sondern eine Gegenseitigkeit
(Mutualität) würdigt. Weil Ehe und Familie die soziale Grundlage von Staat und
Gesellschaft bilden, darum werden sie vom Staat geschützt. Diesen Nutzen für Staat und
Gesellschaft können homosexuelle Verbindungen naturgemäß nicht leisten.

10. Ergänzend sei noch darauf aufmerksam gemacht, daß lebenslängliche Treue nach
eigener Aussage der "Schwulen-Bewegung" nicht der Absicht und der Lebensart

9
Dazu ein geschichtliches, literarisch belegtes Beispiel: In ihrem Tagebuch beschreibt die 14jährige Anne Frank, wie sehr
sie sich zu Frauen hingezogen fühlt. Sie notiert: "Als ich bei einer Freundin übernachtete, fragte ich sie, ob wir als Beweis
unserer Freundschaft uns gegenseitig die Brüste befühlen wollten, sie weigerte sich. Ich fand es immer schön, sie zu küssen,
und habe es auch getan. Jedesmal gerate ich in Ekstase, wenn ich eine nackte Frauengestalt sehe, z.B. eine Venus." Später
verliebte sie sich in einen Mann, Peter van Daan. - Im Geiste der Schwulenbewegung müßte Anne Frank statt dessen
aufgefordert werden, ihre lesbische "Identität" zu entwickeln.
"Selbstverständlich andersrum", so titelt ein Faltblatt ausgerechnet der "Aktion Jugendschutz" (ajs) Württemberg und bringt
dabei massive Falschinformationen: "im Falle von Homosexualität sind hierbei familiäre Konstellationen ... oder Verführung
auszuschließen" (Stuttgart 2000, S.2).
10
Bis in kirchliche Verlautbarungen hinein wird der schlichte Befund "homosexuell" oft arglos und irrig mit der politischen
Kategorie und Option des "Schwul-Seins" der ideologischen Schwulenbewegung gleichgesetzt. Das zeigt entsprechende
Unkenntnis. Es wird nicht wahrgenommen, daß die internationale Schwulenbewegung bewußt einen ethischen Paradigmen-
Wechsel propagiert, dem zufolge alle beliebigen Geschlechter-Beziehungen programmatisch gleichwertig sein sollen. Es
geht um eine umfassende Gesellschaftsveränderung. Auf keinen Fall soll die Ehe im Sinne abendländischer Tradition (Mann
und Frau in lebenslänglicher Treue) als Leitbild dienen (zur Geschichte vgl. Manfred Herzer, Hg., 100 Jahre
Schwulenbewegung. Dokumentation einer Vortragsreihe in der Akademie der Künste, Berlin 1998). Helmut Schelsky
konstatiert: Mit der Verbindlichkeit ihrer sexuellen Normen "verteidigt jede Kultur ihre versehrbaren Fundamente"
(Soziologie der Sexualität, a.a.O., S. 50).
11
Vgl. das Buch des "Insiders" der Szene: Werner Hinzpeter, Schöne schwule Welt. Der Schlußverkauf einer Bewegung,
Querverlag, Berlin 1997. Hinzpeter, der für die Schwulen eintritt, möchte sie aus ihrer Larmoyanz weglocken. Im Vorwort
schreibt er: "Der offensichtliche Widerspruch zwischen dem fröhlichen, unbeschwerten Leben der Schwulen und den
Horrorgeschichten ihrer Funktionäre gab den Anstoß zu diesem Buch... Während der Jammer-Ossi klischeehaft zum
Buhmann der Nation gestempelt wird, haben Jammer-Schwuchteln beste Chancen, gehört zu werden" (S. 10). Der Untertitel
im zweiten Kapitel lautet: "Wer Deutschland noch als schwulenfeindlich bezeichnet, ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit"
(S. 23). - Das Buch wurde lange vor dem LPartG verfaßt!
6

homosexueller Verbindungen entspricht12. - Somit gilt insgesamt: Es ist abwegig,


Homosexualität als humanes Fixum anzusehen, das staatlicher Gestaltung, Förderung
oder gar staatlicher Privilegierung bedürfte. Die entsprechende Gesetzgebung, die auf
Aktionen der Minderheit einer Minderheit (die meisten Homosexuellen haben kein
Interesse an einer eheähnlichen Verbindlichkeit) beruht, gehört nicht in den
Aufgabenbereich des Staates. Sie ist nicht nur überflüssig, sondern wirkt zerstörend auf
Staat und Gesellschaft sowie Ehe und Familie zurück.

III Erläuterungen mit Hinweisen auf Dietrich Bonhoeffers Verantwortungsethik

Für die innertheologische Diskussion und kirchliche Urteilsbildung ist es hilfreich, auf
Dietrich Bonhoeffers Mandatenlehre zu verweisen. Bonhoeffer führt seine "Ethik" (im
folgenden zitiert als "E" nach der 6. Auflage und als "DBW 6" = Band 6 der Werkausgabe)
nach einer theologisch-methodischen Grundlegung von "allgemeiner Ethik" konsequent auf
die Darstellung und Entfaltung der Mandatenlehre im Sinne der "speziellen Ethik" hin. Er
entfaltet das konkrete Gebot Gottes in vier Mandaten als
* "Das Gebot Gottes in der Kirche"
* "Das Gebot Gottes in Ehe und Familie"
* "Das Gebot Gottes in der Arbeit"
* "Das Gebot Gottes in der Obrigkeit"
sowie im "Miteinander, Füreinander und Gegeneinander" (E 308=DBW 6,397) dieser
Mandate.

Um die Mandatenlehre Bonhoeffers ist es schon seit langem sehr still geworden, obwohl sie
zweifellos die Mitte seiner Ethik bildet. Sie klingt außerordentlich konservativ. "Kirche",
"Ehe und Familie" sowie "Arbeit" hören sich nach Vergangenheitsorientierung an gemäß dem
Spottwort von "Kinder, Küche, Kirche" als den Tätigkeitsfeldern derjenigen, die sich nicht
auf der Höhe der Zeit befinden. - Und wer redet heute gar politisch noch von "Obrigkeit"?

12
Es gibt die Behauptung, daß auch in den homosexuellen Verhältnissen eine feste und dauerhafte Beziehung gewünscht
wird und daß diese Beziehungen nicht häufiger in die Brüche gehen als Ehen. Doch dies heißt zu vergleichen, was passend
gar nicht verglichen werden kann, denn in homosexuellen Kreisen, insbesondere unter Männern, wird zwischen "sozialer"
und "sexueller Treue" grundsätzlich unterschieden. Das "Insider-Magazin" "Du & Ich" veröffentlichte in Nr. 352 vom März
1999 "vierzehn Beziehungstips". Da heißt es in Tip 12: "Beweisen Sie Ihrem Freund, daß Sie tolerant sind. Räumen Sie sich
gegenseitig ein- oder zweimal im Monat einen Abend 'Freizeit' ein, um ganz persönliche Bedürfnisse zu stillen. Ersparen Sie
sich jedoch gegenseitige Vorwürfe, sondern berücksichtigen Sie dabei die Tatsache, daß 'Verstand' und 'Triebleben' wenig
miteinander zu tun haben. Deshalb kann eine gesunde Ehe sich Toleranz leisten. Ein auswärtiges Abenteuer wird das
Sexualleben in den eigenen vier Wänden nur beleben und schafft einen gesunden Ausgleich" (S. 17).
Die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) meint mit ihrem verständlichen Wunsch, Aids einzugrenzen, in ihrer Stellungnahme vom
19.05.1999, es bestehe "kein Grund, Lesben und Schwulen das Institut der bürgerlichen Ehe vorzuenthalten". Gleichzeitig
stellt die DAH aber fest: "Jeder zweite schwule Mann hat keine festen Beziehungen. Von denjenigen, die in festen
Beziehungen leben, haben 60% zusätzliche sexuelle Beziehungen zu anderen Männern (Hervorhebung R.M.). Aus den
Erfahrungen heterosexueller Frauen wissen wir, dass das Rechtsinstitut Ehe nicht nur Probleme löst, sondern eigene schafft."
- Die Forscher Beil und Weinberg des renommierten Kinsey-Instituts haben festgestellt (Homosexualities: A Study of
Diversity Among Men and Women, New York 1978, S. 308-312), daß 43% der männlichen Homosexuellen in San Francisco
homosexuelle Beziehungen mit 500 und mehr Partnern hatten, 28% mit 1000 oder mehr; 79% gaben an, daß mehr als die
Hälfte ihrer Sexualpartner Fremde seien. Die Promiskuität wird auch von dem deutschen Sexualwissenschaftler Martin
Dannecker (der laut "Spiegel" selbst homosexuell ist) eingeräumt: Er hat über jährlich rund 3000 Neuinfizierungen mit dem
Aids-Virus geklagt und darauf verwiesen, daß neue Forschungsergebnisse gezeigt hätten, gerade in festen homosexuellen
Partnerschaften sei das Ansteckungsrisiko besonders hoch. Er verlangt deshalb absolute Treue, die aber nur selten
vorkomme; im Übrigen seien nach seinen Erfahrungen monogame homosexuelle Beziehungen kurzlebig ("Wochenspiegel-
epd" 22/1996). - Für manche Schwule und Lesben, die sich politisch links von den Grünen einordnen, ist das LPartG für eine
Ehe, die mit einem Ja-Wort möglicherweise sogar auf dem Standesamt geschlossen wird, ein Verrat an dem eigentlich
homosexuellen Lebensstil: sexuell aufregend, sozial jederzeit disponibel, ästhetisch subversiv.
7

Die Mandatenlehre bildet jedoch das Zentrum von Bonhoeffers Ethik und somit auch den
systematisch-theologischen Begründungszusammenhang für den politischen und kirchlichen
Widerstand bei Dietrich Bonhoeffer! Dies kann an dieser Stelle nicht im einzelnen
nachgezeichnet werden13. – Zu den Mandaten in aller Kürze hier nur das Folgende.

1. Ehe und Familie


Ehe und Familie sind auch bei Bonhoeffer unlöslich miteinander verbunden, es handelt sich
um ein und dasselbe Mandat. An Stellen, wo Bonhoeffer nur von "Ehe" (E 223=DBW 6,58),
das andere Mal nur von "Familie" (E 295=DBW 6,383) spricht, zeigt der Kontext, daß es ihm
um beides geht.
Obwohl der Begriff "Lebensform" schon seit 1914 durch die "geisteswissenschaftliche
Psychologie" und die "Ethik der Persönlichkeit" Eduard Sprangers in die Diskussion
eingeführt war, spricht Bonhoeffer keineswegs von der "Lebensform" Ehe, sondern im
Unterschied dazu bewußt vom "göttlichen Mandat" (= göttlichen Auftrag) der Ehe und
Familie. Gemäß der Mandatenlehre Bonhoeffers muß widersprochen und widerstanden
werden, wenn definiert wird, Ehe sei dort, wo Menschen, auch gleichgeschlechtlich, sich für
längere Zeit zu sexueller Beziehung zusammentun; und Familie sei dort, wo immer auch
Kinder aufgezogen werden. - Im übrigen können Staat und Kirche definieren, was sie wollen,
sie verfehlen dann zwar ihren eigenen Auftrag im Miteinander der Mandate, aber das Mandat
von Ehe und Familie selbst bleibt gültig. Bonhoeffer betont: "Ehen werden weder durch die
Kirche noch durch den Staat geschlossen und empfangen auch nicht erst durch diese
Institutionen ihr Recht. Die Eheschließung erfolgt vielmehr durch die beiden Ehegatten... Das
ist lutherische Lehre" (E 186=DBW 6,202).

2. Arbeit
Arbeit ist ein menschliches Existenzial. Das Wirtschaftsleben ruht darauf auf, bildet ein
Resultat der Arbeit vieler Menschen. Bewußt spricht Bonhoeffer nicht vom Mandat der
Wirtschaft, denn dem „Produktionsmittel“ Arbeit gebührt der Vorrang vor dem
„Produktionsmittel“ Kapital. Nach Luther ist der Mensch zum Arbeiten geboren wie der
Vogel zum Fliegen.
Im Rahmen der Diskussion um das „Lebenspartnerschaftsgesetz“ kommt das Mandat der
Arbeit ebenfalls ins Spiel, weil es mit Ehe und Familie besonders eng zusammengehört. Beide
Mandate sind urständlich.
Im Sinne der Gebotsorientierung des Mandats Arbeit folgt daraus, daß der Produktionsfaktor
Arbeit neu zu stärken ist. Die neue globalisierte Marktwirtschaft, die einem laissez-faire-
Liberalismus immer näher kommt, muß im Sinne einer sozialen und ökologischen
Marktwirtschaft gebändigt werden. Die Politik des sozialen Ausgleichs und der sozialen
Sicherung muß weitgehend Familienpolitik sein. Neben Arbeitsschutzmaßnahmen für
„Familienzeiten“ ist die häusliche bislang unbezahlte Familienarbeit einschließlich
Kindererziehung und Altenpflege neu zu bewerten. Der Wirtschaftskreislauf ist auf Konsum
angewiesen. Sinnvoller Konsum im Unterschied zur luxuriösen Verschwendung von
materiellen Gütern geschieht vor allem in Familien, in denen Kinder aufwachsen. Deshalb ist
alles zu unterlassen, was Ehe und Familie schwächt. Ehe und Familie werden auch dadurch
entwertet, daß - wie es im „Lebenspartnerschaftsgesetz“ geschieht - zur „Ehe“ gemacht wird,
bzw. ihr gleich gestellt wird, was gar nicht Ehe ist.

13
Vgl. dazu den Artikel: Rainer Mayer, Die theologische Begründung des Widerstandes bei Dietrich Bonhoeffer und ihre
Aktualität, in: Rainer Mayer/Peter Zimmerling, Dietrich Bonhoeffer aktuell: Biographie - Theologie - Spiritualität, Gießen /
Basel 2001.
8

3. Kirche
Nach Martin Luther ist es nicht nur Aufgabe der Kirche, Ehe und Familie als Gottes Mandat
zu achten, zu stützen und zu fördern, sondern die Anerkennung des Ehestandes als göttlicher
Ordnung gehört sogar zu den notae ecclesiae (vgl. WA 51,483 "Wider Hans Worst")! In
seinem Entwurf von 1940/41 für ein kirchliches Schuldbekenntnis schreibt Dietrich
Bonhoeffer: "Die Kirche bekennt, kein wegweisendes und helfendes Wort gewußt zu haben
zu der Auflösung aller Ordnung im Verhältnis der Geschlechter zueinander. Sie hat der
Verhöhnung der Keuschheit und der Proklamation der geschlechtlichen Zügellosigkeit nichts
Gültiges und Starkes entgegenzusetzen gewußt... Sie hat die Zugehörigkeit unseres Leibes
zum Leib Christi nicht stark zu verkündigen gewußt" (E 122= DBW 6,130 f.).
In seinem Buch "Nachfolge" von 1937 hatte Bonhoeffer die biblischen Lasterkataloge
untersucht und war zu dem Ergebnis gekommen, daß die am Leib geschehende Sünde im
Neuen Testament vor allem deshalb als besonders schwerwiegend betont wird, weil sie in
einem direkten Widerspruch zum Leib Christi steht und die "imago dei" des Menschen in
spezieller Weise verletzt. Diesen Zusammenhang greift Bonhoeffer im genannten
Schuldbekenntnis und in der Mandatenlehre wieder auf. In Rahmen der Mandatenlehre zieht
er ausdrücklich die Analogie zwischen Ehe und Familie einerseits und Leib Christi
andererseits: "Ehe =Christus und Gemeinde; Familie: Gott Vater und Sohn, Bruderschaft der
Menschen mit Christus" (E 351 =DBW 16,561). Will die Kirche ihrem Wesen als Leib
Christi entsprechen, muß sie die menschliche Leiblichkeit einschließlich der Sexualität in
Obhut nehmen und heiligen.

4. Staat
Der Staat hat, wie schon gezeigt wurde, keine Vollmacht, das eigenständige Mandat von Ehe
und Familie zu konstituieren. Vielmehr setzt das Mandat der Obrigkeit das Mandat von Ehe
und Familie seinerseits voraus, denn letzteres ist urständlich, ersteres gehört in den Rahmen
der Notordnung nach dem Fall. Dietrich Bonhoeffer betont: "Die Obrigkeit kann nicht selbst
Leben oder Werte erzeugen, sie ist nicht schöpferisch, sie hält das Geschaffene in seiner ihm
durch Gottes Auftrag zuteil gewordenen Ordnung" (E 223=DBW 6,58 f.).
Kann die Obrigkeit Leben und Werte nicht schaffen, so gehört es zu ihrem spezifischen
Mandat, Leben und Werte zu schützen, Frieden zu fördern, Recht und Ordnung zu wahren. In
seinem Aufsatz "Die Kirche vor der Judenfrage" von 1933 zeigt Bonhoeffer nun, daß
Widerstand geboten ist, wenn die Obrigkeit ihr Mandat mißbraucht oder verfehlt. Sie
mißbraucht und verfehlt es sowohl dann, wenn sie ein "Zuviel an Ordnung und Recht", wie
auch dann, wenn sie ein "Zuwenig an Ordnung und Recht" setzt (Gesammelte Schriften
II,47=DBW 12,352). Bei der Einführung des "Arierparagraphen" durch den national-
sozialistischen Staat sah Bonhoeffer beides gegeben. Der Staat schaffte ein "Zuwenig" an
Ordnung und Recht, indem er Juden und andere "Nichtarier" in den Status eines minderen
Rechtes versetzte; er schaffte ein "Zuviel" an Ordnung und Recht, indem er in die Belange
der Kirche eingriff und z.B. den "Arierparagraphen" auch für den innerkirchlichen Bereich in
Geltung setzen wollte. Weil der Staat sein Mandat übertrat und seiner Aufgabe untreu wurde,
rief Bonhoeffer zum Widerstand auf.
Gegenwärtig sehen wir, daß der Staat erneut seinem Mandat untreu wird und mit dem
"Lebenspartnerschaftsgesetz" in das ihm fremde Mandat von Ehe und Familie übergreift. Der
Staat reißt Ehe und Familie auseinander, subsidiär fördert er Ehe und Familie zu wenig, wie
bereits auch das Verfassungsgericht feststellte. Damit schafft er erneut ein "Zuwenig an
Ordnung und Recht". Er schafft erneut ein "Zuviel an Ordnung und Recht", indem er das wie
9

Ehe behandelt, was nicht Ehe ist, und als Familie definiert, was nicht Familie genannt werden
kann.

Fazit
Im Rahmen einer von Bonhoeffer angeleiteten Verantwortungsethik ist gegen das
„Lebenspartnerschaftsgesetz“ von allen Menschen guten Willens, insbesondere aber von
Christen, die um das Gebot Gottes wissen, entschieden Widerstand zu leisten14. Es geht
keineswegs um die Beurteilung einzelner homosexuell orientierter Personen. Diese haben
volle Freiheit. Abzuwehren ist vielmehr eine Überreglementierung. Ein Staat, der in Bereiche
eingreift, die nicht seines Amtes sind, verletzt sein Mandat und begibt sich auf den Weg in
Richtung totalitärer Strukturen. Für aufmerksame Zeitgenossen ist das
"Lebenspartnerschaftsgesetz" ein erneutes Warnsignal, das die Frage nicht mehr ruhen läßt,
ob wir uns bereits unter dem Zeichen angeblicher Liberalität auf dem Marsch in eine neue
(Gesinnungs-) Diktatur befinden. Was wäre, wenn wir später wieder einmal feststellen
müßten, daß die Kirche abermals versagt und den schädlichen Entwicklungen "nichts
Gültiges und Starkes entgegenzusetzen gewußt" (Bonhoeffer) hat, weil sie nicht nur
geschwiegen, sondern durch ihre komplizenhafte Anpassung erneut zur "Auflösung aller
Ordnungen" (Bonhoeffer) selbst beigetragen hat? - Was Dietrich Bonhoeffer heute sagen
würde, ist zweifellos deutlich. Ob er mehr gehört würde als zu seiner Zeit, ist jedenfalls
fraglich.

Aus: Theologische Beiträge 1/2002

14
Vgl. die in vielen Punkten überraschende Übereinstimmung mit Joachim Kahl: “Homosexualität-Ehe-Familie.
Philosophisch-ethische Überlegungen zu einem aktuellen Normenkonflikt.” Joachim Kahl, erklärter Atheist und
Christentumsfeind (“Das Elend des Christentums”), wendet sich aufgrund humanistischer Prinzipien gegen die Umdeutung
und Umwertung von Ehe und Familie. Sein Text ist zu finden unter “http://www.philosophia-online.de
/homosexualitaetvortrag.htm”.

Das könnte Ihnen auch gefallen