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nachrichten g 3336 21.11.2002 18. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤
München: Wieder
Nazikundgebung
Am 16. November gab es erneut
Verwendung von Beschwerde
der Staats-
eine Nazikundgebung in München.
Der Protest dagegen war klein, aber
„Ruhm und Ehre anwalt-
munter.
Von 15-18 Uhr hielten knapp hun-
dert Neonazis am Karlsplatz/Stachus
der Waffen-SS“ schaft
Karlsruhe
ihre – inzwischen leider wöchentlich
stattfindende – Kungebung ab. Sie ver-
bald strafbar? erfolgreich
steckten sich hinter Pappschildern und
skandierten „Ruhm und Ehre der deut- Die Verwendung der Losung nicht dadurch aufgehoben, dass dem Be-
schen Wehrmacht“ etc. Diesmal hatten „Ruhm und Ehre der Waffen- griff „Ruhm und Ehre“ die Ergänzung
sie auch einen Lautsprecherwagen mit, SS“ ist strafbar. Dies hat am „...der Waffen-SS“ angefügt worden sei.
trotzdem gingen ihre Durchsagen zu- 15. November der 1. Strafsenat des Dies führe nämlich nicht dazu, dass die
meist unter den Pfeifkonzerten der an- Oberlandesgerichts Karlsruhe ent- Parole ihre Nähe zu jener der Hitlerju-
wesenden AntifaschistInnen unter. schieden und damit eine anderslau- gend verlöre. Denn die Verwechslungs-
Insgesamt wirkten die Faschisten tende Entscheidung des Landgerichts gefahr entfalle nicht dadurch, dass in der
recht müde – jede Woche für ,den Füh- Karlsruhe vom 8.5.2002 aufgehoben. Parole in Abweichung zur Originallo-
rer‘ in der Kälte stehen, strengt wohl sung ein Bezug zu einer anderen, in
ziemlich an – was jedoch durch den Diese Instanz hatte die Eröffnung des
„munteren“ Polizeieinsatz wettge- Hauptverfahrens gegen einen 25-jähri- Immer wieder bei Naziaufmärschen zu
macht wurde. So nahmen die zahlreich gen Studenten und einen 26-jährigen sehen – zuletzt im Oktober in München
anwesenden Polizisten ca. 20 Personen Handwerker abgelehnt und damit eine
in Gewahrsam. Als einige Antifaschis- Anklage der Staatsanwaltschaft Karls-
tInnen ein weißes Transparent um die ruhe vom 8.2.2002 zurückgewiesen.
Umzäunung der Kundgebung spann- Beiden wird hierin vorgeworfen, auf
ten, um die Sicht auf die Nazis zu er- ein von ihnen in Karlsruhe betriebenes
schweren, rissen es Polizisten herun- sog. „nationales Infotelefon“ als Band-
ter. Offensichtlich bereitet die Polizei ansage im Anschluss an verschiedene
für den Naziaufmarsch am 30. Novem- Veranstaltungshinweise der rechten
ber (auch da ist wieder ein Aufmarsch Szene die Parole „Ruhm und Ehre der
geplant – siehe Seite 5) einen kompro- Waffen-SS“ aufgesprochen und hier-
misslosen Kurs vor. durch Kennzeichen einer verfassungs-
Zu fragen bliebe noch, wo die meis- widrigen Organisation nach § 86a Abs.
ten Münchner AntifaschistInnen wa- 2 Satz 2 StGB verwendet zu haben.
ren, denn gekommen waren nicht eben Eine Strafbarkeit dieses Verhaltens hat die gleicher Weise verfassungswidrigen Or-
viele. Meinem Eindruck nach kam der Strafkammer aus Rechtsgründen verneint, ganisation hergestellt werde.
Protest vor allem von shoppenden weil die benutzte Parole keinem tatsäch- Auch die konkrete Art der Benutzung
Kids, die eher zufällig am Karlsplatz lich gebrauchten Kennzeichen der Waf- in Form einer Losung spreche für eine
vorbeigingen und den Nazis trotzdem fen-SS oder einer sonstigen ehemaligen Strafbarkeit, so der Senat. Die Bandansa-
ordentlich eingeheizt haben. nationalsozialistischen Organisation zum ge habe nämlich ansonsten nur Veranstal-
Bleibt zu hoffen, dass sich am Verwechseln ähnlich sei. tungshinweise enthalten und habe sich
30.11. genug Leute finden, die sich Anders nun der 1. Strafsenat nicht etwa mit der Geschichte der Waf-
den Nazis in den Weg stellen. fen-SS auseinandersetzen wollen. Werde
Quelle. www.indymedia.de ■ Die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen- die Parole aber – wie in den letzten Jah-
SS“ sei nämlich nach der konkreten Art ren vermehrt geschehen – in erster Linie
ihrer Benutzung der Parole „Blut und als ein die gemeinsame Gesinnung reprä-
Aus dem Inhalt: Ehre“ der Hitlerjugend zum Verwechseln sentierendes Erkennungssymbol der
Ermittlungen gegen NS- ähnlich i.S.v. § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB. rechten Szene verwendet, so könnten
Verbrecher aus der Gebirgs- So seien die Begriffspaare "Ruhm und sich die Verwender insoweit nicht auf
truppe aufgenommen . . . . . . . . . 7 Ehre" und "Blut und Ehre" in sprach- den Schutz der Meinungsfreiheit berufen.
Flüchtlingspolitik im licher Hinsicht nahezu identisch. Auch Das Landgericht Karlsruhe muss nun
Landkreis Waldshut . . . . . . . . . . 12 inhaltlich verkörperten beide glorifizie- eine Hauptverhandlung in dieser Sache
rende Werte und vermittelten damit anberaumen. Ein Termin hierfür steht
Innenminister Schönbohm Symbolgehalte, denen in der Propaganda noch nicht fest. ■
gibt der Jungen Freiheit der NS-Zeit erhebliche Bedeutung zuge-
ein Interview . . . . . . . . . 15/16 kommen sei, heißt es in der Entschei- Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe,
dung. Diese Ähnlichkeit werde auch Beschluss vom 15.11.2002 - 1 Ws 179/02
: meldungen, aktionen
für den Datenschutz, kritisiert von den
„gravierenden Regelungen“ vor allem
die mangelhafte Information der – zu
„Junge Deutsche“ in Fulda hängern. In St.Petersburg, Woronesch, Unrecht – Überwachten und die erhebli-
Fulda. Die „Deutsche Partei“ unter dem Jaroslaw und anderen Großstädten seien che Schlechterstellung von Ausländern.
Bundesvorsitz von Heiner Kappel (ehe- es jeweils einige Hundert Skinheads . Der Staatsrechtsprofessor Erhard Den-
mals FDP-MdL, dann Bundesvorsitzen- WOSTOK 2/02 - hma ■ ninger kritisiert die falschen Verspre-
der des mittlerweile aufgelösten „Bund chungen der Politik, die Sicherheit als
Freier Bürger“) hat in Fulda einen Ju- Völkische Initiative paradiesischen Endzustand verheißt und
gendverband gegründet. Dieser fungiert zum Vorwand nimmt für neue restriktive
unter dem Namen „Junge Deutsche“ und Schweiz. Am 24. November will in der Maßnahmen. In der anschließenden Dis-
dem Motto: „mutig - ehrlich - frei“. Ein Schweiz eine „Volksinitiative gegen kussion spielten die „Grenzen- und Maß-
Freundeskreis, eine kostenlose Mitglied- Asylmissbrauch“ eine noch weitere Ver- stabslosigkeit“ des „Otto-Katalogs“, die
schaft und weitgehende Unabhängigkeit schärfung des Schweizer Asylrechts „Entwürdigung des Bürgers“ bei Kon-
von der Mutterpartei sollen Jugendliche durchsetzen. „Asylmissbrauch: Schluss trollen des Bundesgrenzschutzes, die
zur Mitarbeit locken. Angedacht wurde mit leeren Versprechungen! Jetzt muss Sammelwut der Geheimdienste und die
bei dem Gründungstreffen auch die das Volk handeln. JA zur Volksinitiative lange Dauer der Speicherung der Daten
Gründung einer eigenen „Akademie“. gegen Asylmissbrauch“ heißt es auf den eine zentrale Rolle
Eine enge Zusammenarbeit wurde mit Plakaten eines „Aktionskomitees gegen KStA 04.11.02 - hma ■
der „Freiheitlichen Jugend“ der FPÖ in Asylmissbrauch“.
Österreich vereinbart. Der Bundesvor- „Das Ausland verschärft seine Asyl- Roma-Proteste gegen
stand besteht aus Marcel Krenze als Vor- gesetze massiv. Die Folge: immer mehr
sitzenden, Dennis Makarewitsch als Illegale und dreiste Einschleicher kom- Leni Riefenstahl bei
Stellvertreter und Oliver Lotze als men in unser Land. Und was macht der Festival in Sevilla
Bundesschatzmeister. Inhaltlich wollen Bundesrat! Er macht immer nur leere Madrid. Die umstrittene deutsche Film-
sich die „Jungen Deutschen“ mit The- Versprechungen.“, heißt es u.a. auf Pla- regisseurin Leni Riefenstahl hat ein Fes-
men der inneren Sicherheit, der Bildung katen der „Schweizerischen Volkspartei“ tival in Sevilla in Südspanien auf Grund
und der Familienpolitik befassen. Im (SVP). Unterstützt wird die „Volksinita- von Protesten vorzeitig verlassen. Wie
Mittelpunkt soll dabei die geistige Er- tive“ gegen „Kriminal-Tourismus und die Zeitung „La Vanguardia“ am Montag
neuerung Deutschlands stehen. hma ■ Asyl-Chaos“ auch von der deutschspra- berichtete, umstellte eine Gruppe von
chigen „Schweizerzeit“, der „Bürgerlich- Roma das Auto der wegen ihrer Rolle im
Rassistische Übergriffe in konservativen Zeitung für Unabhängig- „Dritten Reich“ kritisierten Künstlerin.
keit, Föderalismus und Freiheit“ um Die Demonstranten warfen der 100 Jahre
Moskau Chefredakteur Dr. Ulrich Schlüer, Natio- alten Regisseurin vor, das NS-Regime
Rußland/GUS. Die Konsulate der nalrat und SVP-Mann, der 1996 auch auf verherrlicht zu haben. Zudem protestier-
GUS-Republiken Aserbeidschan, Arme- dem „Schulvereinstag“ der deutschtü- ten sie dagegen, dass Riefenstahl in ih-
nien, Georgien, Kasachstan, Kyrgystan, melnden „Österreichischen Landsmann- rem Film „Tiefland“ Roma aus NS-La-
Tadschikistan und Usbekistan haben in schaft“ sprach. In Auflagen bis zu gern als Komparsen einsetzte.
einem Brief an die Konsularabteilung 330000 Exemplaren wurde das Blatt, Die Veranstalter des Festivals in Sevil-
des russischen Außenministeriums ihre dem als Mitarbeiter auch die Bundes- la hielten es nach Angaben der Zeitung
Besorgnis darüber geäußert, dass Bürge- deutschen Christa Meves und Fritz auf Grund der Proteste für angebracht,
rInnen ihrer Länder in Moskau und ande- Schenk angehören, mit einer Sonderaus- dass die Regisseurin das Auto nicht ver-
ren Städten unter den zunehmenden An- gabe zugunsten der Initiative „gegen ließ und vorzeitig abreiste. Riefenstahl
griffen von rassistischen Skinheads zu Asylmissbrauch“ verbreitet. hma ■ habe der Vorführung ihres ersten Filmes
leiden haben. Vor allem aus Moskau „Das blaue Licht“ nicht beiwohnen kön-
habe es in letzter Zeit vermehrt Berichte Richter-Kritik am nen. Die kommunistische Vereinte Linke
über die Aktivitäten neofaschistischer forderte, dem Festival die staatlichen
Jugendgruppen gegeben. „Das inadäqua- „Otto-Katalog“ Subventionen zu entziehen. Im Rahmen
te Verhalten“ von Skinheads gegen Bad Münstereifel. Etwa 100 kritische der Festspiele wird in Sevilla auch eine
„nichtslawische Personen“ stelle „eine Richterinnen und Richter, Staatsanwäl- Ausstellung über das Leben der umstrit-
Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit tinnen und Staatsanwälte haben sich An- tenen Künstlerin gezeigt. ■
unserer Bürger dar, insbesondere an sol- fang November im Rahmen des "Rich-
chen Orten wie der Metro, den Märkten ter-Ratschlages" in Bad Münstereifel ge- Staatsschutz lässt Nazi-Feier
und Diskotheken“, heißt es in dem troffen. Im Mittelpunkt der diesjährigen
Schreiben. So kam es im vergangenen Diskussion, die seit mehr als 20 Jahren am 9. November gewähren!
Jahr wiederholt zu brutalen Massen- an wechselnden Orten stattfindet, stan- Köln. Das Vorstandsmitglied der Verei-
Übergriffen von Neofaschisten in Mos- den die Gesetze zur inneren Sicherheit, nigung der Verfolgten des Naziregimes -
kau. Insbesondere ein Überfall auf Men- die nach dem 11. September 2001 verab- Bund der Antifaschisten (VVN-BdA),
schen aus Kaukasien auf einem Moskau- schiedet wurden. Im Rahmen des Anti- Heinrich Schulz, kam am Nachmittag
er Markt fand in der Öffentlichkeit ein Terror-Kampfes seien abermals rechts- des 9. November zufällig am Vereins-
Echo. Neben der „Nationalbolschewisti- staatliche Sicherungen durchgebrannt, so haus der Kleingartenanlage der Deut-
schen Partei“ von Eduard Limonow, vor der Tenor der TeilnehmerInnen. schen Bundesbahn in der Berliner Straße
knapp zwei Jahren auch Interviewpartner Das „einseitige Sicherheitsdenken“, 160 vorbei. Er war geschockt: Im Ver-
der „Jungen Freiheit“, sind es vor allem die Vermischung von polizeilichen und einslokal der Kleingartenanlage fand das
die neofaschistischen Skinheads, die Ju- geheimdienstlichen Aufgaben und die 2. Gautreffen Rheinland des „Kampf-
gendliche anziehen. So gibt es nach An- Probleme der Rasterfahndung, so der bund deutscher Sozialisten“ mit ca. 30
gaben der „Antidiffamierungsliga“ in Kölner Strafverteidiger Heinrich Comes, Personen statt!
den Städten Moskau, Krasnojarsk, beunruhigt auch die TeilnehmerInnen „Die waren sogar uniformähnlich ge-
Tomsk, Irkutsk und Wladiwostok Grup- des Treffens. Wolfgang Pommer Esche, kleidet, mit Riemen über den Hemden,
pen von jeweils mehreren Tausend An- Referatsleiter beim Bundesbeauftragten ähnlich wie die SA. An der Wand hing
Wir, 150 Flüchtlinge aus über 10 Län- Einheimischen. In der näheren Umge- Wir können hier nicht weg: Wir selbst
dern, sind in der Flüchtlingsunterkunft bung liegen Dörfer mit wenigen hundert dürfen nur 15 Tage im Jahr – mit einer
Albbruck-Stieg (Landkreis Waldshut) Einwohnern. Die nächste Stadt ist 9 km besonderen Genehmigung – den Land-
untergebracht. Die Unterkunft war früher entfernt. kreis verlassen, die restlichen 350 Tage
ein Erholungsheim, sie liegt mitten im Unsere Kinder können keine Freunde sollen wir auf dem Stieg bleiben. Wir ha-
Wald. Niemand von uns hat selbst ent- treffen. Wir Kinder werden von den an- ben keine Freizeitmöglichkeiten, können
schieden, hier zu wohnen. Wir leben hier deren „die Stiegler“ genannt und sind keine Freunde treffen, können uns nicht
völlig isoliert einen fremdbestimmten deshalb Außenseiter und werden gehän- bei Vereinen engagieren, keine Kurse
Alltag, der uns verzweifeln lässt und selt. Niemand will etwas mit uns zu tun am Abend besuchen und auch nicht an
krank macht. Unsere Bitten und Forde- haben und niemand kommt uns besu- kulturellen Veranstaltungen teilnehmen.
rungen nach einer Verbesserung der Le- chen. Wir haben Angst. Zitat eines Kin- Wir dürfen selbst die alltäglichsten Din-
bensbedingungen sind in den Wind ge- des: „Wir haben keine Freunde in der ge nicht selbst bestimmen: Wir leben zu
sprochen. Wir werden nicht gehört. Das Schule, aber die im Kindergarten sind zweit, zu dritt oder zu viert in kleinen
sind die Gründe, warum wir uns mit die- anders, da sagte ein Dreijähriger zu mir: Zimmern. 4,5 qm sind für jede Person
sem Hilferuf an alle Menschen, Grup- ‚willst du mein Freund sein‘“ vorgesehen. Wir haben kein Recht auf ei-
pen, Organisationen, Verbände und Par- Uns Eltern ist es durch die schlechte nen freien Einkauf. Eine alleinstehende
teien innerhalb und außerhalb des Land- Verkehrsanbindung nicht möglich einen Person darf nur am Dienstag in der Zeit
kreises Waldshut, national und interna- Elternabend in der Schule unserer Kin- von 14 bis 16 Uhr einkaufen und zwar in
tional, wenden. der zu besuchen. einem einzigen festgelegten Geschäft.
Wir leben hier ganz isoliert: Die öf- Familien dürfen zweimal in der Woche
fentlichen Verkehrsmittel fahren nur von Wir sind zum Nichtstun verdammt: Es ist einkaufen. Kann jemand zu der festge-
6.50 bis 17.10 Uhr die Unterkunft an, an für uns sehr schwer, eine Arbeit zu fin- legten Zeit nicht einkaufen, muss er oder
Wochenenden fährt der Bus nur sams- den. Liegt die Arbeitszeit in den Abend- sie bis zur nächsten Woche warten. Hin
und wieder werden wir beim Einkauf normales Leben führen können. Immer dem in dem Teil der Unterkunft, der vom
überwacht. Manche von uns dürfen sechs nur Menschen zu sehen, die nur ein Feuer nicht beschädigt wurde. Aber
Monate nicht in dem Geschäft einkaufen. Schatten ihrer selbst sind, das zermürbt auch in diesem Teil gab es schon eine
Es wird ihnen unterstellt, etwas mitge- auch. Brandstiftung. Wir können nicht schla-
nommen zu haben. Es gibt aber keine Zwei Frauen haben in der Unterkunft fen und halten es nicht mehr aus. Wir
Beweise. Andere müssen dann für diese Selbstmord begangen. Einige von uns fordern die Schließung der Flüchtlings-
einkaufen. Manchmal werden Waren, die sind in ärztlicher Behandlung und kön- unterkunft in Albbruck-Stieg, bevor es
wir ausgewählt haben, aussortiert. Man- nen die Isolation nur durch Einnahme zu weiteren Opfern kommt.
che Dinge dürfen wir nicht kaufen, zum von Medikamenten aushalten. Viele von Einige von uns haben einen Brief ver-
Beispiel Spielzeug für die Kinder. Klei- uns sind krank und können nicht gene- fasst und wollen diesen an den UNHCR
der können wir gar nicht in einem Ge- sen. in Berlin schicken.
schäft kaufen: zweimal im Jahr kommt Viermal hat es in der Unterkunft ge- ● Wir möchten weg aus dieser Unter-
ein Kleiderwagen zum Wohnheim. Darin brannt. Wir wissen nicht, wer das Feuer kunft.
sind wenige Kleider angeboten, unter de- gelegt hat. Zuletzt hat es am Sonntag- ● Wir möchten in einer normalen Wohn-
nen wir auswählen müssen. morgen, den 6. Oktober 2002, gebrannt, gegend in einer normalen Wohnung le-
Wir sind dankbar, dass wir hier Auf- gleich an zwei Stellen. Nur durch Zufall ben.
nahme gefunden haben und Hilfe erhal- wurde niemand verletzt. Viele standen in ● Wir möchten auswählen und einkau-
ten! Gleichzeitig kränkt und verletzt uns, den Nachthemden vor dem brennenden fen, wie es normal ist.
dass die Hilfe in dieser Weise gewährt Gebäude, bis nach ca. 20 Minuten die ● Wir möchten Verwandte und Freunde
wird: Warum werden wir bevormundet Feuerwehr und das Rote Kreuz kamen. besuchen, ohne einen Antrag stellen zu
und reglementiert, als wären wir Betrü- Nachdem wir zwei Nächte in der Turn- müssen.
ger oder nicht zurechnungsfähig? Warum halle in Unteralpfen untergebracht und ● Wir möchten, dass die Hilfe, die wir
werden wir zum Aufenthalt an einem Ort versorgt worden waren, wurde ein Teil hier bekommen, uns nicht ausgrenzt und
im Abseits gezwungen? Wir fühlen uns von uns in das Heim im Stieg zurückge- nicht demütigt. ■
ohnehin entwurzelt und verloren und bracht. Wer nicht zurück wollte, wurde Unterschriften von 49 im Stieg lebenden Bewoh-
wünschen uns, wieder einer Gemein- mit polizeilichem Druck zurückgezwun- nern (inkl. Kinder) aus Irak, Türkei, Pakistan,
schaft anzugehören. Manchmal erkennen gen. Auch einige Familien mit Kindern Indien, Kosovo, Guinea, Congo, Syrien und Alge-
rien.
wir uns selbst nicht mehr, weil wir kein wollten nicht zurück. Wir wohnen seit-