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:antifaschistische Nr.

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nachrichten g 3336 21.11.2002 18. jahrg./issn 0945-3946 1,30 ¤

München: Wieder
Nazikundgebung
Am 16. November gab es erneut
Verwendung von Beschwerde
der Staats-
eine Nazikundgebung in München.
Der Protest dagegen war klein, aber
„Ruhm und Ehre anwalt-
munter.
Von 15-18 Uhr hielten knapp hun-
dert Neonazis am Karlsplatz/Stachus
der Waffen-SS“ schaft
Karlsruhe
ihre – inzwischen leider wöchentlich
stattfindende – Kungebung ab. Sie ver-
bald strafbar? erfolgreich
steckten sich hinter Pappschildern und
skandierten „Ruhm und Ehre der deut- Die Verwendung der Losung nicht dadurch aufgehoben, dass dem Be-
schen Wehrmacht“ etc. Diesmal hatten „Ruhm und Ehre der Waffen- griff „Ruhm und Ehre“ die Ergänzung
sie auch einen Lautsprecherwagen mit, SS“ ist strafbar. Dies hat am „...der Waffen-SS“ angefügt worden sei.
trotzdem gingen ihre Durchsagen zu- 15. November der 1. Strafsenat des Dies führe nämlich nicht dazu, dass die
meist unter den Pfeifkonzerten der an- Oberlandesgerichts Karlsruhe ent- Parole ihre Nähe zu jener der Hitlerju-
wesenden AntifaschistInnen unter. schieden und damit eine anderslau- gend verlöre. Denn die Verwechslungs-
Insgesamt wirkten die Faschisten tende Entscheidung des Landgerichts gefahr entfalle nicht dadurch, dass in der
recht müde – jede Woche für ,den Füh- Karlsruhe vom 8.5.2002 aufgehoben. Parole in Abweichung zur Originallo-
rer‘ in der Kälte stehen, strengt wohl sung ein Bezug zu einer anderen, in
ziemlich an – was jedoch durch den Diese Instanz hatte die Eröffnung des
„munteren“ Polizeieinsatz wettge- Hauptverfahrens gegen einen 25-jähri- Immer wieder bei Naziaufmärschen zu
macht wurde. So nahmen die zahlreich gen Studenten und einen 26-jährigen sehen – zuletzt im Oktober in München
anwesenden Polizisten ca. 20 Personen Handwerker abgelehnt und damit eine
in Gewahrsam. Als einige Antifaschis- Anklage der Staatsanwaltschaft Karls-
tInnen ein weißes Transparent um die ruhe vom 8.2.2002 zurückgewiesen.
Umzäunung der Kundgebung spann- Beiden wird hierin vorgeworfen, auf
ten, um die Sicht auf die Nazis zu er- ein von ihnen in Karlsruhe betriebenes
schweren, rissen es Polizisten herun- sog. „nationales Infotelefon“ als Band-
ter. Offensichtlich bereitet die Polizei ansage im Anschluss an verschiedene
für den Naziaufmarsch am 30. Novem- Veranstaltungshinweise der rechten
ber (auch da ist wieder ein Aufmarsch Szene die Parole „Ruhm und Ehre der
geplant – siehe Seite 5) einen kompro- Waffen-SS“ aufgesprochen und hier-
misslosen Kurs vor. durch Kennzeichen einer verfassungs-
Zu fragen bliebe noch, wo die meis- widrigen Organisation nach § 86a Abs.
ten Münchner AntifaschistInnen wa- 2 Satz 2 StGB verwendet zu haben.
ren, denn gekommen waren nicht eben Eine Strafbarkeit dieses Verhaltens hat die gleicher Weise verfassungswidrigen Or-
viele. Meinem Eindruck nach kam der Strafkammer aus Rechtsgründen verneint, ganisation hergestellt werde.
Protest vor allem von shoppenden weil die benutzte Parole keinem tatsäch- Auch die konkrete Art der Benutzung
Kids, die eher zufällig am Karlsplatz lich gebrauchten Kennzeichen der Waf- in Form einer Losung spreche für eine
vorbeigingen und den Nazis trotzdem fen-SS oder einer sonstigen ehemaligen Strafbarkeit, so der Senat. Die Bandansa-
ordentlich eingeheizt haben. nationalsozialistischen Organisation zum ge habe nämlich ansonsten nur Veranstal-
Bleibt zu hoffen, dass sich am Verwechseln ähnlich sei. tungshinweise enthalten und habe sich
30.11. genug Leute finden, die sich Anders nun der 1. Strafsenat nicht etwa mit der Geschichte der Waf-
den Nazis in den Weg stellen. fen-SS auseinandersetzen wollen. Werde
Quelle. www.indymedia.de ■ Die Parole „Ruhm und Ehre der Waffen- die Parole aber – wie in den letzten Jah-
SS“ sei nämlich nach der konkreten Art ren vermehrt geschehen – in erster Linie
ihrer Benutzung der Parole „Blut und als ein die gemeinsame Gesinnung reprä-
Aus dem Inhalt: Ehre“ der Hitlerjugend zum Verwechseln sentierendes Erkennungssymbol der
Ermittlungen gegen NS- ähnlich i.S.v. § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB. rechten Szene verwendet, so könnten
Verbrecher aus der Gebirgs- So seien die Begriffspaare "Ruhm und sich die Verwender insoweit nicht auf
truppe aufgenommen . . . . . . . . . 7 Ehre" und "Blut und Ehre" in sprach- den Schutz der Meinungsfreiheit berufen.
Flüchtlingspolitik im licher Hinsicht nahezu identisch. Auch Das Landgericht Karlsruhe muss nun
Landkreis Waldshut . . . . . . . . . . 12 inhaltlich verkörperten beide glorifizie- eine Hauptverhandlung in dieser Sache
rende Werte und vermittelten damit anberaumen. Ein Termin hierfür steht
Innenminister Schönbohm Symbolgehalte, denen in der Propaganda noch nicht fest. ■
gibt der Jungen Freiheit der NS-Zeit erhebliche Bedeutung zuge-
ein Interview . . . . . . . . . 15/16 kommen sei, heißt es in der Entschei- Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe,
dung. Diese Ähnlichkeit werde auch Beschluss vom 15.11.2002 - 1 Ws 179/02
: meldungen, aktionen
für den Datenschutz, kritisiert von den
„gravierenden Regelungen“ vor allem
die mangelhafte Information der – zu
„Junge Deutsche“ in Fulda hängern. In St.Petersburg, Woronesch, Unrecht – Überwachten und die erhebli-
Fulda. Die „Deutsche Partei“ unter dem Jaroslaw und anderen Großstädten seien che Schlechterstellung von Ausländern.
Bundesvorsitz von Heiner Kappel (ehe- es jeweils einige Hundert Skinheads . Der Staatsrechtsprofessor Erhard Den-
mals FDP-MdL, dann Bundesvorsitzen- WOSTOK 2/02 - hma ■ ninger kritisiert die falschen Verspre-
der des mittlerweile aufgelösten „Bund chungen der Politik, die Sicherheit als
Freier Bürger“) hat in Fulda einen Ju- Völkische Initiative paradiesischen Endzustand verheißt und
gendverband gegründet. Dieser fungiert zum Vorwand nimmt für neue restriktive
unter dem Namen „Junge Deutsche“ und Schweiz. Am 24. November will in der Maßnahmen. In der anschließenden Dis-
dem Motto: „mutig - ehrlich - frei“. Ein Schweiz eine „Volksinitiative gegen kussion spielten die „Grenzen- und Maß-
Freundeskreis, eine kostenlose Mitglied- Asylmissbrauch“ eine noch weitere Ver- stabslosigkeit“ des „Otto-Katalogs“, die
schaft und weitgehende Unabhängigkeit schärfung des Schweizer Asylrechts „Entwürdigung des Bürgers“ bei Kon-
von der Mutterpartei sollen Jugendliche durchsetzen. „Asylmissbrauch: Schluss trollen des Bundesgrenzschutzes, die
zur Mitarbeit locken. Angedacht wurde mit leeren Versprechungen! Jetzt muss Sammelwut der Geheimdienste und die
bei dem Gründungstreffen auch die das Volk handeln. JA zur Volksinitiative lange Dauer der Speicherung der Daten
Gründung einer eigenen „Akademie“. gegen Asylmissbrauch“ heißt es auf den eine zentrale Rolle
Eine enge Zusammenarbeit wurde mit Plakaten eines „Aktionskomitees gegen KStA 04.11.02 - hma ■
der „Freiheitlichen Jugend“ der FPÖ in Asylmissbrauch“.
Österreich vereinbart. Der Bundesvor- „Das Ausland verschärft seine Asyl- Roma-Proteste gegen
stand besteht aus Marcel Krenze als Vor- gesetze massiv. Die Folge: immer mehr
sitzenden, Dennis Makarewitsch als Illegale und dreiste Einschleicher kom- Leni Riefenstahl bei
Stellvertreter und Oliver Lotze als men in unser Land. Und was macht der Festival in Sevilla
Bundesschatzmeister. Inhaltlich wollen Bundesrat! Er macht immer nur leere Madrid. Die umstrittene deutsche Film-
sich die „Jungen Deutschen“ mit The- Versprechungen.“, heißt es u.a. auf Pla- regisseurin Leni Riefenstahl hat ein Fes-
men der inneren Sicherheit, der Bildung katen der „Schweizerischen Volkspartei“ tival in Sevilla in Südspanien auf Grund
und der Familienpolitik befassen. Im (SVP). Unterstützt wird die „Volksinita- von Protesten vorzeitig verlassen. Wie
Mittelpunkt soll dabei die geistige Er- tive“ gegen „Kriminal-Tourismus und die Zeitung „La Vanguardia“ am Montag
neuerung Deutschlands stehen. hma ■ Asyl-Chaos“ auch von der deutschspra- berichtete, umstellte eine Gruppe von
chigen „Schweizerzeit“, der „Bürgerlich- Roma das Auto der wegen ihrer Rolle im
Rassistische Übergriffe in konservativen Zeitung für Unabhängig- „Dritten Reich“ kritisierten Künstlerin.
keit, Föderalismus und Freiheit“ um Die Demonstranten warfen der 100 Jahre
Moskau Chefredakteur Dr. Ulrich Schlüer, Natio- alten Regisseurin vor, das NS-Regime
Rußland/GUS. Die Konsulate der nalrat und SVP-Mann, der 1996 auch auf verherrlicht zu haben. Zudem protestier-
GUS-Republiken Aserbeidschan, Arme- dem „Schulvereinstag“ der deutschtü- ten sie dagegen, dass Riefenstahl in ih-
nien, Georgien, Kasachstan, Kyrgystan, melnden „Österreichischen Landsmann- rem Film „Tiefland“ Roma aus NS-La-
Tadschikistan und Usbekistan haben in schaft“ sprach. In Auflagen bis zu gern als Komparsen einsetzte.
einem Brief an die Konsularabteilung 330000 Exemplaren wurde das Blatt, Die Veranstalter des Festivals in Sevil-
des russischen Außenministeriums ihre dem als Mitarbeiter auch die Bundes- la hielten es nach Angaben der Zeitung
Besorgnis darüber geäußert, dass Bürge- deutschen Christa Meves und Fritz auf Grund der Proteste für angebracht,
rInnen ihrer Länder in Moskau und ande- Schenk angehören, mit einer Sonderaus- dass die Regisseurin das Auto nicht ver-
ren Städten unter den zunehmenden An- gabe zugunsten der Initiative „gegen ließ und vorzeitig abreiste. Riefenstahl
griffen von rassistischen Skinheads zu Asylmissbrauch“ verbreitet. hma ■ habe der Vorführung ihres ersten Filmes
leiden haben. Vor allem aus Moskau „Das blaue Licht“ nicht beiwohnen kön-
habe es in letzter Zeit vermehrt Berichte Richter-Kritik am nen. Die kommunistische Vereinte Linke
über die Aktivitäten neofaschistischer forderte, dem Festival die staatlichen
Jugendgruppen gegeben. „Das inadäqua- „Otto-Katalog“ Subventionen zu entziehen. Im Rahmen
te Verhalten“ von Skinheads gegen Bad Münstereifel. Etwa 100 kritische der Festspiele wird in Sevilla auch eine
„nichtslawische Personen“ stelle „eine Richterinnen und Richter, Staatsanwäl- Ausstellung über das Leben der umstrit-
Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit tinnen und Staatsanwälte haben sich An- tenen Künstlerin gezeigt. ■
unserer Bürger dar, insbesondere an sol- fang November im Rahmen des "Rich-
chen Orten wie der Metro, den Märkten ter-Ratschlages" in Bad Münstereifel ge- Staatsschutz lässt Nazi-Feier
und Diskotheken“, heißt es in dem troffen. Im Mittelpunkt der diesjährigen
Schreiben. So kam es im vergangenen Diskussion, die seit mehr als 20 Jahren am 9. November gewähren!
Jahr wiederholt zu brutalen Massen- an wechselnden Orten stattfindet, stan- Köln. Das Vorstandsmitglied der Verei-
Übergriffen von Neofaschisten in Mos- den die Gesetze zur inneren Sicherheit, nigung der Verfolgten des Naziregimes -
kau. Insbesondere ein Überfall auf Men- die nach dem 11. September 2001 verab- Bund der Antifaschisten (VVN-BdA),
schen aus Kaukasien auf einem Moskau- schiedet wurden. Im Rahmen des Anti- Heinrich Schulz, kam am Nachmittag
er Markt fand in der Öffentlichkeit ein Terror-Kampfes seien abermals rechts- des 9. November zufällig am Vereins-
Echo. Neben der „Nationalbolschewisti- staatliche Sicherungen durchgebrannt, so haus der Kleingartenanlage der Deut-
schen Partei“ von Eduard Limonow, vor der Tenor der TeilnehmerInnen. schen Bundesbahn in der Berliner Straße
knapp zwei Jahren auch Interviewpartner Das „einseitige Sicherheitsdenken“, 160 vorbei. Er war geschockt: Im Ver-
der „Jungen Freiheit“, sind es vor allem die Vermischung von polizeilichen und einslokal der Kleingartenanlage fand das
die neofaschistischen Skinheads, die Ju- geheimdienstlichen Aufgaben und die 2. Gautreffen Rheinland des „Kampf-
gendliche anziehen. So gibt es nach An- Probleme der Rasterfahndung, so der bund deutscher Sozialisten“ mit ca. 30
gaben der „Antidiffamierungsliga“ in Kölner Strafverteidiger Heinrich Comes, Personen statt!
den Städten Moskau, Krasnojarsk, beunruhigt auch die TeilnehmerInnen „Die waren sogar uniformähnlich ge-
Tomsk, Irkutsk und Wladiwostok Grup- des Treffens. Wolfgang Pommer Esche, kleidet, mit Riemen über den Hemden,
pen von jeweils mehreren Tausend An- Referatsleiter beim Bundesbeauftragten ähnlich wie die SA. An der Wand hing

2 : antifaschistische nachrichten 24-2002


eine Reichskriegsflagge“, erklärt Hein-
rich Schulz. Heinrich Schulz war auf
dem Weg zur Gedenkveranstaltung der
Gedenktafel für
Synagogengemeinde in der Roonstraße.
Dort unterrichtete er Ratsmitglied Jörg
Detjen. Der rief sofort die Leitstelle der
Kaplan Dr. J. C. Rossaint
Polizei an, unterrichtete sie über das Düsseldorf. Zum 100. Geburts- Dr. Rossaint wie eine Gruppe ehemaliger
Nazi-Treffen und forderte, die Veranstal- tag ehrten über 150 Gäste Dr. „Sturmschar“-Mitglieder und Mitglieder
tung zu beenden. Joseph Cornelius Rossaint bei der VVN-BdA, deren langjähriger Präsi-
Heinrich Schulz unterrichtete auch einer Veranstaltung am vergangenen dent Dr. Rossaint war.
Oberbürgermeister Schramma nach der Sonntag (3.11.2002) in der Pfarrkir- Mit Bezug auf sein mit Alexander
Veranstaltung in der Synagoge, fuhr an- che St. Mariä Empfängnis auf der Düs- Rossaint verfasstes, kürzlich bei VAS er-
schließend nach Hause und ging noch seldorfer Oststraße, in der Dr. Ros- schienenes Buch sprach Professor Karl-
einmal am Vereinslokal vorbei. Hier saint von 1932 bis zu seiner Verhaf- Heinz Jahnke aus Rostock über Dr. Ros-
feierten die Nazis immer noch. tung durch die Gestapo 1936 als Ka- saint als Hauptangeklagten im Berliner
„Wir finden es empörend und schauer- plan tätig war. Katholikenprozess von 1937, in dem er
lich, dass an einem Tag, an dem überall in zu 11 Jahren Zuchthaus und 10 Jahren
der Bundesrepublik der Opfer des Nazi- Zu Beginn der Veranstaltung würdigte Ehrverlust verurteilt worden war. Sehr
Pogroms gedacht wird, eine Nazifeier in Stadtdechant Msgr. Rolf Steinhäuser Dr. bewegend war die anschließende Lesung
Köln stattfinden kann. Warum Polizei J.C. Rossaint als einen „Mann, der ganz von Helmut Rehmsen (WDR) aus Brie-
und Staatsschutz nicht eingegriffen ha- gerade und aufrecht war, der sich auch fen und Tagebuchaufzeichnungen von
ben, obwohl die Teilnehmer uniformiert unter Druck nicht hat verbiegen und kor- Dr. Rossaint in den Jahren seiner Haft im
waren, bleibt uns ein Rätsel“, meint die rumpieren lassen.“ Stadtdechant Stein- Zuchthaus Lüttringhausen. Mit großem
Kölner VVN-BdA und will den Fall auf- häuser führte in seinem Grußwort weiter Ernst und schönen Stimmen sangen zwei
klären. Zu vermuten ist, dass der Staats- aus: „Ich freue mich über den Gedanken, Schülerinnen der Rudolf-Steiner-Schule
schutz von der Veranstaltung wuss-te und das Gedächtnis an Kpl. Roissant in Düs- unter anderem aus dem Gellert-Zyklus
die Nazis gewähren ließ. Die Reingeleg- seldorf wach zu halten, in dem man eine von Beethoven.
ten waren der Kleingärtnerverein und der Gedenktafel für ihn anbringt und eine Die Besucher der Veranstaltung spen-
Pächter des Vereinlokals der von den Na- Straße nach ihm benennt. Wir können deten mit fast 400 Euro den Grundstock
zis getäuscht worden ist. jöd ■ und wollen uns als Kirche nicht ein drit- für eine künstlerisch zu gestaltende Ge-
tes Mal von ihm distanzieren. Deshalb denktafel, die im nächsten Sommer in ei-
Roma-Kind wurde geehrt unterstützen wir ein solches Projekt ger- nem feierlichen Akt bei St. Mariä Emp-
ne und aus Überzeugung. Wir ehren in fängnis enthüllt werden soll. Wer sich an
Köln. Am 9. November wurde in Köln- Kaplan Dr. Roissant einen Priester, des- diesem Projekt finanziell beteiligen
Bickendorf einem kleinen Sträßchen der sen Treue zum eigenen Gewissen ein möchte, kann seinen Beitrag überweisen
Name Laubingerweg verliehen. Licht in dunkler Zeit war und ist.“ an: Kath. Kichengemeinde St. Mariä
Anna Lina Laubinger wurde 1938 als Eingeladen hatten die Mahn- und Ge- Empfängnis Düsseldorf, Konto-Nr.
Sinti-Kind in Köln geboren und im Alter denkstätte Düsseldorf, die Vereinigung 10120731 bei der Stadtsparkasse Düssel-
von fünf Jahren in Auschwitz ermordet. der Verfolgten des Naziregimes (VVN) dorf (BLZ 30050110) unter dem Stich-
In seiner Rede wies der Ehrenfelder Be- und die Kirchengemeinde St. Mariä wort: Gedenktafel Dr. Rossaint.
zirksvorsteher Josef Wirges (SPD), auf Empfängnis. Unter den Gästen befanden Weitere Informationen: Helen Quandt,
die Widerstände gegen die Straßen- sich auch ein Neffe, Alexander Rossaint, Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf,
benennung hin. In einer Eingabe sei ge- sowie Zeitzeugen und Weggefährten von Tel. 0211 89-26202 ■
fordert worden, dem Weg einen Pflan-
zennamen zu geben. Zum einen wären Köln.
alle anderen Straßen ebenfalls nach Am 8. Novem-
Pflanzen benannt, zum anderen würden ber trafen
durch die Benennung „Roma und Sinti sich an der
angelockt“. Ecke Venloer
Wirges sprach den Wunsch aus, dass Straße/Bar-
in der Tat möglichst viele Menschen an- tholomäus-
gelockt werden sollten: Schulklassen, Schink-Straße
Jugendgruppen und viele andere, die an ca. 50 Perso-
der Laubingerstraße der ermordeten Sin- nen, um bei
ti und Roma gedenken sollten. einer von der
Ein Vertreter der Sinti wies daruf hin, VVN/BdA or-
dass es Rassenwahn und Vernichtungs- ganisierten
willen nicht nur im fernen Berlin gege- Gedenkstunde
ben habe, nach Machtantritt der Nazis an die dort
seien sie Alltag auch in Köln geworden. vor 58 Jahren
So sei die Normalität des Lebens der ermordeten
Sinti und Roma, die zum Teil schon seit Menschen zu
Jahrzehnten in Köln gelebt hätten, mit erinnern. Am
der Ghettoisierung der Menschen im so- 25. Oktober
genannten „Schwarz-Weiß-Lager“ im 1944 henkten
Ehrenfelder Takufeld zerstört wurde. die Nazis dort 11 Zwangsarbeiter, am 10. November des gleichen Jahres 13 junge
Dieser Prozess endete in den Todesla- Menschen, die der Widerstandsgruppe der Edelweißpiraten angehört hatten. Die Ge-
gern, den Stätten der fabrikmäßigen, an- denktafel für die Edelweißpiraten soll im nächsten Jahr mit einer feierlichen Ver-
onymen Vernichtung. anstaltung am Ehrenfelder Bahnhof neu angebracht werden. Foto:Gerd Humbach
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Am Ende der Feierstunde wies Pfarre- verboten und wurde daher von den Ver- ein zweites Mal probieren. Für den kom-
rin Renate Graffmann, Synodalbeauf- anstaltern abgesagt. Auf der Nazi-Seite menden Samstag, 23. November 2002
tragte des Kölner Kirchenkreises Nord von „widerstandnord“ heißt es: ruft der NPD-Verband Berlin-Branden-
für Sinti und Roma sowie Vorsitzende „Versammlungsleitung gibt bekannt: burg zu einer „Friedensdemonstration“
des Rom e.V. auf die aktuelle Situation Sonnabend, 16. November, 16.00 Uhr: (O-Ton NPD) unter dem Motto „Gegen
der Flüchtlinge aus Jugoslawien hin, die Bundesverfassungsgericht hat Aufhe- US-Terror – kein Blut für Öl!“ auf. Treff-
unter menschenunwürdigen Bedingun- bung des Beschlusses des OVG des Lan- punkt ist laut NPD um 11.00 Uhr am
gen im Kalker Containerlager leben des Brandenburg abgelehnt. Es meint, Hauptbahnhof Potsdam. Gegenaktionen
müssten und in wenigen Wochen auf ein die abenteuerliche Auslegung eines ein- waren bei Redaktionsschluss noch nicht
Wohnschiff gebracht werden sollten. fachen Landesgesetzes (zur Einschrän- bekannt, werden aber mit Sicherheit
tri ■ kung eines zentralen Grundrechtes) stattfinden.
durch das OVG sei „zumindest vertret- Berliner Antifaschisten rufen dazu auf,
Zwangsarbeiter kündigen bar“; außerdem sei Auslegung von Nor- anschließend an der Silvio Meier Demo
men des einfachen Rechts nicht Aufgabe in Berlin teilzunehmen. Anlass für diese
Proteste zur des Verfassungsgerichts. ... Die für mor- antifaschistische Demonstration ist der
Hauptversammlung an gen vorgesehene Versammlung fällt da- 10. Todestag von Silvio Meier, der 1992
Frankfurt. Vier Monate zu spät will mit aus. Veranstalter, Freundeskreis Hal- am U-Bahnhof Samariterstraße von Na-
die I.G. Farben AG „in Auflösung“ am be und Versammlungsleitung bedauern, zis erstochen wurde (infos unter
18. Dezember in Frankfurt am Main ihre daß der Repression damit wieder einmal http://www.antifa.de)
diesjährige Hauptversammlung abhalten. ein kleiner Teilerfolg beschieden war. Silvio-Meier-Demo: 14 Uhr - U-Bhf.
Die seit mehr als 50 Jahren fällige Liqui- Der Veranstalter hat für das nächste Jahr Samariterstraße (Berlin-Friedrichshain)
dierung der Firma steht jedoch weiterhin (wie auch die kommenden Jahre) nun- Zuerst den Naziaufmarsch in Potsdam
nicht auf der Tagesordnung. Überleben- mehr jeweils für den Sonnabend vor dem verhindern... und dann zur Silvio Meier
de Zwangsarbeiter, Kritische Aktionäre Heldengedenktag / Volkstrauertag in Demo nach Berlin !
und zahlreiche antifaschistische Organi- Halbe eine öffentliche Versammlung Weitere Infos erhaltet ihr unter:
sationen kündigen deshalb Proteste ge- gleichen Inhalts angemeldet.“ http://www.inforiot.de
gen das Aktionärstreffen an, das erneut Soweit der Text von „widerstand- http://www.antifa.de ■
in der Stadthalle des Frankfurter Vororts nord“. Endlich mal eine erfreuliche Re-
Bergen-Enkheim abgehalten wird. aktion von Gerichten auf die ständigen 50% Preissteigerung im
„Wir sind überrascht und empört, dass provokativen Aufmärsche.
die Liquidatoren die Auflösung der I.G. Rund 450 AntifaschistInnen gedach- NS-Dok. nicht zumutbar
Farben immer noch verschleppen“, ent- ten dann am Sonntag in Halbe der dort Köln. Die neue, noch nicht verabschie-
rüstet sich Peter Gingold, Sprecher der begrabenen Wehrmachtsdeserteure und dete Entgelt- und Benutzerordnung für
Vereinigung der Verfolgten des Naziregi- ZwangsarbeiterInnen. Die TeilnehmerIn- das NS-Dokumentationszentrum der
mes (VVN). „Das Restvermögen der I.G. nen der antifaschistischen Kundgebung Stadt Köln sieht für angemeldete Kölner
Farben gehört den überlebenden unter dem Motto „Nie wieder Krieg - Schulgruppen eine Erhöhrung von 1
Zwangsarbeitern und muss sofort ausge- Nie wieder Faschismus“ sahen sich ei- Euro auf 1,50 Euro je Schüler vor.
zahlt werden“, fordert auch die Vorsit- nem massiven Polizeiaufgebot gegen- Die PDS-Ratsgruppe hält eine Erhö-
zende des Auschwitz-Komitees Esther über, im Laufe des Tages kam es zu min- hung des Eintrittspreises bei Erwachse-
Bejarano. destens drei Festnahmen. „Es ist be- nen für akzeptabel, aber nicht für junge
In die bundesweite Entschädigungs- zeichnend, dass unser Gedenken an die Leute. Gerade in den letzten Jahren wur-
stiftung hat die Firma nicht eingezahlt Opfer des faschistischen Terrors unter den Bildungsangebote gegen Rechtsex-
und verweigert dies auch für die Zu- solch unwürdigen Bedingungen stattfin- tremismus vermehrt gefördert. Hier wird
kunft. Eine eigene Stiftung der I.G. Far- den muss“, merkte ein Redner an. nun ein falsches Zeichen gesetzt. Köln
ben wurde zwar kürzlich gegründet, ist Ludwig Baumann, ein Wehrmachtsde- braucht trotz halbgefüllter Kassen noch
aber von der Auszahlung erster Gelder serteur und NS-Militätjustiz-Opfer be- lange eine nachhaltige Förderung im
offenbar noch weit entfernt. richtete von seinen Erlebnissen in den Kampf gegen den Rechtsextremismus,
Der seinerzeit weltgrößte Chemiekon- letzten Kriegstagen und rief dazu auf, die so die Ratsgruppe. Da ist gerade das NS-
zern I.G. Farben hatte während der Nazi- Verbrechen der Nazis nicht in Vergessen- Dokumentationszentrum eine unver-
herrschaft zehntausende Zwangsarbeiter heit geraten zu lassen. zichtbare und wirkungsvolle Gedenk-
für sich schuften lassen und Tausende Auf dem Waldfriedhof bei Halbe lie- stätte, auf die andere Kommunen nicht
„durch Arbeit vernichtet“. Nach dem gen über 20.000 deutsche Soldaten, zurückgreifen können.
Zweiten Weltkrieg zerschlugen die Alli- SSler, Hitlerjugend-Angehörige und Der Besuch von Schülerinnen und
ierten das Unternehmen, wodurch BASF, Mitglieder des Volkssturm begraben. Schülern in anderen Museen der Stadt ist
Bayer, Hoechst und einige kleinere Fir- Dieses letzte Aufgebot der Nazis sollte in z.B. kostenlos.
men entstanden. Die Liquidationsgesell- den letzten Tagen des zweiten Weltkrie- SPD und Grüne signalisierten im Kul-
schaft „I.G. Farben i.A.“ sollte die Gläu- ges den Vormarsch der Roten Armee auf turausschuss, dass sie dem Antrag der
biger und Zwangsarbeiter des einstigen Berlin stoppen. Die Anzahl der in Halbe PDS Offenen Liste zustimmen würden,
Weltkonzerns ausbezahlen und sich dann begrabenen und auf der Kundgebung ge- die Gebühren für Schülerinnen und
auflösen. Dies haben die Vorstände und würdigten NS-Opfer liegt unter 60. Schüler nicht zu erhöhen. Die Verwal-
Aufsichtsräte der Firma jedoch seit über Quelle: www. indymedia.de ■ tung berichtet, dass ca. 2 400 Schüler bis
einem halben Jahrhundert verhindert – Oktober dieses Jahres das NS-Dokumen-
und werden dafür gut bezahlt. NPD hat noch nicht genug – tationszentrum besucht hätten. D.h., die
Henry Mathews ■ Mindereinnahme für die Stadt Köln wür-
Aufmarsch am 23.11.02 den – bezogen auf ein Jahr – ca. 1.500
Nazi-Aufmarsch in Halbe stoppen ! Euro betragen. Ein kleiner überschauba-
Potsdam. Nachdem der Versuch der rer Betrag.
blieb verboten NPD, Mitte September diesen Jahres in Vermutlich lenkt die Verwaltung ein.
Der für den 17. November geplante Na- Potsdam zu marschieren, kläglich schei- Ob die CDU/FDP-Mehrheit mitmacht,
ziaufmarsch in Halbe bei Berlin blieb terte, wollen es die Nazis nun offenbar ist nicht gewiss. jöd ■
: antifaschistische nachrichten 24-2002
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... planen die Nazis erneut ei-
nen Aufmarsch in München,
diesmal auf zwei Routen. Vor
Stoppt die Nazis am
einigen Wochen, am 12. Oktober
scheiterte ihr Versuch nach wenigen
hundert Metern. Mehrere tausend
30. November 2002 ...
Menschen hatten sich ihnen in den in München marschieren. Für den 30. Angemeldete Aufmarsch-Routen der
Weg gestellt und den Nazi-Zug noch November 02 haben die selben braunen Nazis am Samstag, den 30. November
vor dem Goetheplatz gestoppt. Auch Drahtzieher gleich zwei Demonstrations- 2002, Beginn: 12 Uhr. Vom Stachus und
am 30. November werden wir die züge angemeldet. Sie wollen auf alle Fäl- gleichzeitig vom Busparkplatz an der
Aufmärsche alter und neuer Nazis le ihre Märsche in München durchsetzen. südlichen Theresienwiese zum Goethe-
nicht hinnehmen. Wir Münchnerinnen und Münchner platz (Genaue Routen werden noch recht-
müssen ihnen noch klarer und deutlicher zeitig bekannt gegeben) Anmelder sind
Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda – als am 12. 0. und am 1. März 1997 zei- die führenden Nazi-Kader Christian
Wie in den vergangenen Jahren hat sich gen, dass wir Nazi-Aufmärsche nicht Worch und Steffen Hupka.
auch diesmal wieder gezeigt: Nur wenn dulden. Die Verhöhnung der Opfer der An die 90 Organisationen und doppelt
wir selbst handeln und auf die Strasse ge- Nazidiktatur und die Wiederbelebung so viele Einzelpersonen hatten den Auf-
hen, können die Nazis gestoppt werden. der Traditionen der Wehrmacht durch die ruf „Kein Nazi-Aufmarsch am 12. Okt-
Im Vorfeld des Neonazi-Aufmarsches Neonazis dürfen und werden wir nicht ober 2002“ unterzeichnet. Doch weitere
vom 12. 10. hatte sich ein breites gesell- zulassen. geplante Naziprovokationen (am 30. No-
schaftliches Bündnis gebildet, das einen Die deutsche Wehrmacht war die vember 2002) erfordern einen neuer-
solch massiven Druck entwickeln konn- „zweite Säule“ des NS-Staates. Ohne die- lichen Aufruf: „Stoppt die Nazis“.
te, dass das Kreisverwaltungsreferat den se Wehrmacht hätte es kein Auschwitz Wir bitten alle, die diesen Aufruf (auch
Marsch durch die Stadt kurzfristig ver- und nicht die 55 Millionen Toten des finanziell) unterstützen wollen, ihre Er-
bot. Dennoch wollten Gerichte und auf- Zweiten Weltkriegs gegeben. klärung schnellst möglich abzugeben.
grund deren Entscheidungen die Polizei Faschismus ist keine Meinung, son- Bündnis gegen Nazi-Aufmärsche ■
den Faschisten den Weg frei machen. dern ein Verbrechen – Wir rufen deshalb
Aber die Neonazis wurden von 3.000 alle Münchnerinnen und Münchner auf, Als erste haben sich spontan bereit gefunden
Gegendemonstranten gestoppt. Unver- den Nazis kreativ und entschlossen ent- (Dieser UnterstützerInnenkreis ist also längst
nicht repräsentativ): Initiatoren: Ver.di Arbeits-
ständlicherweise duldete die Polizei Hit- gegenzutreten. – Wann und wo immer kreis Aktiv gegen Rechts * Münchner Bündnis ge-
lergruß und unverhohlene Propaganda Nazis aufmarschieren – wir werden prä- gen Rassismus Organisationen: * AIDA e.V. -
für den „Nationalsozialismus“. sent sein! Antifasch. Informations- und Dokumentations-Ar-
Nach ihrer Niederlage vom 12. Ok- Stoppen wir gemeinsam den braunen chiv München * Anti-Nazi-Komitee Sendling *
antifaschistisch kämpfen München (akm) * AStA
tober wollen die Neonazis jetzt erst recht Spuk bereits dort, wo er beginnt. der Geschwister-Scholl-Universität München *
AusländerInnenbeirat München * Deutscher Frei-
denkerverband KV München * DKP München *
In vielen Städten fanden anlässlich des Volkstrauertages Aktionen gegen Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - rosa Liste im
Münchner Rathaus FDJ-Basisgruppe München *
die an diesem Tag üblichen militaristischen Veranstaltungen statt. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Mün-
Unser Bild zeigt die Proteste in Düsseldorf. Foto: arbeiterfotografie chen * Internat. Frauenliga für Frieden und Freiheit
(IFFF) * JAM - Junge Autonome München * La-
gergemeinschaft Dachau * Libertad! * Linksruck
München * München bewegt sich - Eine Stadt ge-
gen rechte Gewalt * Münchner Friedensbündnis *
Öffentliche Aufforderung zu gewaltfreiem Wider-
stand gegen Rüstung und Krieg * Ökumen. Büro
für Frieden und Gerechtigkeit * PDS München *
Revolutionär Sozialistischer Bund - RSB, IV.
Internationale * SDAJ-Gruppe München * SDAJ
Landesverband Bayern * ver.di-Jugend München *
ver.di Bezirk München * Vereinigung der geist-
lichen Schwestern in der Erzdiözese München-
Freising * Vereinigung der Verfolgten des Nazire-
gimes - Bund der AntifaschistInnen (VVN/BdA)
München Einzelpersonen: Angela Antoni, ver.di-
Betriebsrätin * Ernst Antoni, stv. Bezirksvors.
ver.di * Siegfried Benker, Fraktionsvors. Bündnis
90 /Die Grünen - rosa Liste im Münchner Stadtrat *
Heinrich Birner, Geschäftsführer ver.di-Bezirk
München * Bernd Bücking, DKP-Kreisvorstand
München * Eva Bulling-Schröter * Josef Frey,
ver.di VM, Betriebsrat * Hans-Georg Frieser, Per-
sonalrat ver.di, VM * Joachim-Peter Graf, Ge-
schäftsführer GEW München * Walter Listl, Vors.
DKP-Bezirk Südbayern * Martin Löwenberg,
Vorst.mitglied VVN-BdA * Max Mannheimer,
Vors. Lagergemeinschaft Dachau * Leo Mayer,
stellv. BR-Vorsitzender * Cumali Naz, Vors. Aus-
länderInnenbeirat MünchenTom Nikolai * Corinna
Poll, Mitgl. Landesvorstand AsF * Harald Pürzel,
Bezirksvors. ver.di München * Eleonore Romberg,
Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit
(IFFF) * Dagmar Rüdenburg, Gewerkschaftssekre-
tärin ver.di München * Adelheid Rupp, RAin,
stellv. Vorsitzende Münchner SPD * Claus Schreer,
Münchner Bündnis gegen Rassismus * Franz
Schütz, Jugendsekretär ver.di-Bezirk München *
Sybille Widenmann, Betriebswirtin * Günter Wim-
mer, Sozialarbeiter

: antifaschistische nachrichten 24-2002 5


Während die Aufregung um
den verbalen Antisemitismus
im Stile Möllemanns anhält,
Nimmt Stoiber endlich
blieb unbeachtet, dass im Land von
Ex-Kanzlerkandidat Stoiber bis heute
die Hinweise der
mörderische Antisemiten frei herum-
laufen. In Bayern lebende Mittäter
bei Massakern der Wehrmacht in
VVN-BdA ernst ?
Griechenland und bei Judendeporta- Ermittlungen gegen NS-Verbrecher aus der Gebirgs-
tionen blieben unbehelligt, obwohl truppe aufgenommen
neue schwere und fundierte Vorwür-
fe gegen sie erhoben wurden. pflege“ – Stoiber hatte die Traditions- Vorher, am 16. August 1943, geschah
pflege der Bundeswehrgebirgler als dies: In Kommeno in Nordgriechenland
„Im Epirusgebiet unterstützten sie die „unanfechtbar“ bezeichnet – die Namen fuhren die Gebirgsjäger mit Maultieren
Geheime Feldpolizei bei der Deporta- und z.T. die Anschriften von 71 schwer und dem Küchenwagen vor und er-
tion der griechischen Juden in Joannina. Belasteten. Auch das Bundesverteidi- schossen 317 Frauen, Männer und Kin-
Und unter dem Deckmäntelchen der gungsministerium wurde eingeschaltet. der. Die „stolzen Soldaten“ der 12.
,Bandenbekämpfung‘ ermordeten sie Nachdem das lange Schweigen Stoi- Kompanie des Gebirgsjäger-Regiments
über 1000 Griechen und zerstörten im bers von den Antifaschisten kritisiert 98 unter dem späteren Bundeswehr-
Epirusgebiet mehr als 100 Dörfer allein worden war, ließ er jetzt ihr Schreiben oberstleutnant Reinhold Klebe ermorde-
im Oktober 1943.“ So heißt es in einer durch die Bayerische Staatskanzlei be- ten nicht nur unschuldige Zivilisten,
im Mai vorgelegten Dokumentation antworten. Man habe die ausgesproche- einzelne Soldaten machten sich noch
über die noch lebenden Kommandeure ne Dienstaufsichtsbeschwerde an den über die Frauenleichen her und schän-
von Kompanien des 98. Regiments der Justizminister weitergeleitet. Zudem deten sie, wie einer der Täter später be-
1. Gebirgsjägerdivision. verwahrt sich Stoiber gegen die kollek- richtete.
Die VVN-BdA hatte Ministerpräsi- tiven Beschuldigungen der Wehrmacht. Unter den gegenüber den bayerischen
dent Dr. Edmund Stoiber daher aufge- Sein Lob für die Traditionsarbeit der 1. Behörden Genannten befinden sich auch
fordert, gegen 71 mutmaßliche Kriegs- Gebirgsdivision – sie hieß bei der Wehr- Alfred Artmann, Kommandeur der 13.
verbrecher ermitteln zu lassen, die sich macht so und bis 2001 auch bei der Kompanie, die am 25.10.43 Periwoli/
in Bayern und Umgebung als Veteranen Bundeswehr – habe der Anknüpfung an Griechenland zerstörte und 53 Bewoh-
der 1. Wehrmachts-Gebirgsdivision un- die bayerischen Militärtraditionen des ner tötete, ferner Major a.D. Alois Eisl.
behelligt aufhalten. Stoiber wurde in ei- 19. Jahrhunderts gegolten. Aus Rache für den Tod des Massenmör-
nem Brief eines VVN-BdA-Sprechers Inzwischen ist auch Post eingegangen ders Oberstleutnant Josef Salminger –
aufmerksam gemacht auf den Versuch von der Staatsanwaltschaft II in Mün- er war mit seinem PKW gegen ein von
der Strafvereitelung durch bayerische chen und von der Ludwigsburger Zen- den Partisanen errichtetes Hindernis ge-
Staatsanwälte. Diese hatten junge Anti- tralstelle. Während sich die bayerische fahren und ums Leben gekommen – hat
faschisten aus Nordrhein-Westfalen un- Staatsanwaltschaft des Tragens von Ha- Eisl mit seinen Leuten zwischen dem 1.
ter Anklage gestellt und ihnen Hausfrie- kenkreuzen unter den Augen der Bun- und 4. Oktober 1943 18 Dörfer in Grie-
densbruch und Beleidigung vorgewor- deswehrvertreter annehmen will, fährt chenland zerstört, wer nicht floh, wurde
fen, während die Staatsanwaltschaft es Staatsanwalt Dr. Riedel aus Ludwigs- umgebracht. Auf flüchtende Zivilisten
unterließ, gegen die NS-Täter, deren burg schwereres Geschütz auf. wurde mit Geschützen gefeuert; Eisl
Untaten – z.B. in Griechenland – von Die Zentrale Stelle der Landesjustiz- meldete stolz „Volltreffer“; es war Mord
den Protestierenden dokumentiert wur- verwaltungen hat unter Aktenzeichen an 100 Zivilisten. All das und viele wei-
den, zu ermitteln. Bei der Vorlage der 508 AR 1110/02 umfangreiche Ermitt- tere Verbrechen der 1. Gebirgsdivision
Enthüllungen beim Gebirgsjägertreffen lungen aufgenommen, die aufgrund der und anderen Wehrmachtseinheiten auf
zu Pfingsten in Mittenwald war es zu Angaben der VVN-BdA angelaufen dem Balkan werden in den Büchern von
verbalen und tätlichen Auseinanderset- sind. Bei den mutmaßlichen Verbrechen Hermann Frank Meyer (Brüssel) ge-
zungen gekommen, die jedoch, so die handele es sich nicht nur um „deutsche schildert, der Eisl in München, wo er
jungen Leute, vor allem von den Vetera- Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg“, rüstig lebt, zur Rede stellen wollte.
nen und den Bundeswehrsoldaten aus- sondern man habe sich mit „nationalso- Eisl wollte nicht mit Meyer sprechen.
gingen. zialistischem Unrecht“ zu befassen. Jetzt wollen die Antifaschisten aus der
Die VVN-BdA richtete einen Brief Dr. Riedel schreibt: „Eben dieses Wuppertaler Forschungsgruppe und aus
und mehrere Dokumentationen an Stoi- könnte aber bei den von Ihnen aufge- der VVN-BdA dafür sorgen, dass sich
ber, dem prominentesten Mitglied der zeigten Sachverhalten zumindest teil- die Staatsanwaltschaft des Herrn Eisl
Gebirgstruppen-Traditionsvereinigung. weise durchaus der Fall sein. Eine Rei- und der 70 anderen mutmaßlichen Mör-
Sie schrieb außerdem an die Ludwigs- he der von Ihnen genannten Aktionen der annimmt.
burger Zentralstelle der Landesjustizver- von Angehörigen der 1. Gebirgsdivision Ulrich Sander ■
waltungen, die zuständig ist für die Er- war oder ist bereits Gegenstand straf- Literaturhinweis: „Kommeno - Erzäh-
mittlungen in Fällen von NS-Massen- rechtlicher Überprüfungen. So ist zum lende Rekonstruktion eines Wehr-
verbrechen. Eine unerledigte Anzeige Beispiel die Zentralstelle bei der Staats- machtsverbrechens in Griechenland,
liegt zudem beim Generalstaatsanwalt in anwaltschaft Dortmund derzeit einge- Romiosini, 1999, von Hermann Frank
München wegen öffentlichen Zeigens hend mit dem Geschehen in Kephallo- Meyer. Derselbe schrieb auch die wich-
von Hakenkreuzen anlässlich des letzten nia befasst.“ tigen Bücher „Vermißt in Griechenland.
Gebirgsjägertreffens zu Pfingsten bei Dort ermordeten Truppen der 1. Ge- Schicksale im griechischen Freiheits-
Mittenwald. Doch am schwersten wiegt birgs-Division am 13. September 1943 kampf 41-44“, Frieling, 1992 und „Von
der Vorwurf der Strafvereitelung zugun- auf griechischem Territorium mindes- Wien nach Kalavryta“ Die blutige Spur
sten von Kriegsverbrechern der 1. Ge- tens 4000 italienische Kriegsgefangene der 117. Jäger-Division durch Serbien
birgsdivision. Dazu benannten die aus Rache dafür, dass der ehemalige und Griechenland, Peleus, Band 12,
VVN-BdA und die Forschungsgruppe Verbündete Italien die Seiten gewech- 2001/2002“. www.hfmeyer.com,email:
aus Wuppertal „Anfechtbare Traditions- selt hatte. HFMeyer@compuserve.com

6 : antifaschistische nachrichten 24-2002


„Jetzt, wo es auf den Krieg
zugeht, werden die Diskussio-
nen wieder häufiger und hef-
Die Diskussionen
tiger“ – Solches oder Ähnliches war
am Rande der Kundgebung zum 9. nehmen
November auf dem Paradeplatz in
Mannheim häufiger zu hören. In der
Tat: Zum Aufruf und geplanten Ab-
wieder zu …
dersetzung ab: Ist es richtig, am Ge- gen? Wie gehen wir damit um, dass bei
lauf der Veranstaltung gab es plötz- denktag zur Reichspogromnacht den jeder Kritik an der Regierungspolitik des
lich, und das erst kurz vor dem 9.11., Akzent Richtung Irak-Krieg zu ver- Staates Israel schmeißfliegenartig gleich
einige Debatten und schließlich Absa- schieben und – wie im Aufruf geschehen auch Antisemiten aller Couleur und
gen bereits zugesagter Redner. – aktive Erinnerung an den Holocaust, (Neo-) Nazis zugegen sind? Welche Stel-
Faschismus und die wieder zunehmende lung soll/kann die Friedensbewegung zur
Holocaust – Israel – Irak und der von antisemitische Diskussion mitten in der arabischen Lobby in Europa einnehmen?
den USA geplante Krieg – dies Dreieck Gesellschaft an diesem Tag an den Rand Das Friedensplenum stimmte schließ-
steckt letztlich das Feld der Auseinan- zu drücken? lich mehrheitlich einer Kritik an den Ver-
anstaltern des Irak-Kongresses zu, die
auch bundesweite Verbreitung fand
Beide Diskussionsstränge sind eng
miteinander verwoben. Gemessen an
klaren „Freund-Feind“-Situationen ist
die Weltlage wie auch ihre Widerspiege-
lung in der Gesellschaft der Bundesrepu-
blik eine wirklich „schwierige Gemenge-
lage“.
Letztlich hilft nur die Orientierung an
einem Positiv-Katalog, der wesentliche
Ansprüche an emanzipative Politik stellt.
Das aktive Eintreten für einen solchen
„Positiv-Katalog“ in dieser Gesellschaft
setzt alle, die dieses Ziel verfolgen, ei-
nem durchgehenden Glaubwürdigkeits-
druck aus: Hat die vertretene konkrete
politische Stellungnahme noch Verbin-
dung zu den Werte-Grundlagen? Oder
Mannheim. Auf Initiative des Aktionsbündnisses gegen Rassismus und Fa- wird diese Verbindung überwuchert von
schismus fand aus Anlass des Jahrestages der Reichspogromnacht vom 9. taktischen Überlegungen?
November 1938 eine Kundgebung auf dem Paradeplatz statt, an der sich ca. Die Orientierung an emanzipatori-
200 Menschen beteiligten. Vom Aktionsbündnis wurden zwei Reden gehal- schen Zielen mag im Einzelfall hinder-
ten. Die erste Rede erinnerte an Vorgeschichte und Vorgänge des 9. Novem- lich und nicht zielführend erscheinen, sie
ber 1938 und zog Schlussfolgerungen für den notwendigen Widerstand ge- mag polarisieren. Sie ist aber auch die
gen die erneute Zunahme antisemitischer und rassistischer Aktivitäten. Die einzige Chance, diejenigen zusammen-
zweite Rede rief zum Widerstand gegen den Irak-Krieg auf. Kulturell eingelei- zubringen oder wenigstens zusammenzu-
tet wurde die Kundgebung durch Mitglieder der Kleinkunstbühne am Peter- halten, die emanzipatorische Interessen
Petersen-Gymnasium, die u.a. Verse eines jüdischen Dichters aus Mannheim vertreten. Ein solcher „Positiv-Katalog“
vortrugen. Auf die geplante Demonstration wurde verzichtet. tht ■ könnte sein (weder erschöpfend – hier
nur vom Diskussionsgegenstand ausge-
Diskussionen hend – noch in der Reihenfolge wer-
aber auch im tend): Annäherung der wirtschaftlichen
Friedensplenum und sozialen Entwicklungschancen in
aus Anlass des in- den Weltregionen, Polizentrismus, Frei-
zwischen stattge- heit von innergesellschaftlicher Diskri-
fundenen Irak- minierung, Lebensrecht Aller in einer
Kongresses in Gesellschaft, Freiheit von militärischer
Berlin: Wie weit bzw. terroristischer Gewalt, Demokratie
darf die Kritik an und politische Freiheiten, Selbstbestim-
der US-amerika- mung. Solcher „Positivkatalog“ führt
nisch / britischen auch in der Positionierung gegenüber
Kriegsdrohung Antisemitismus, israelischer Regierungs-
die Kritik an dem politik, Palästina, Irak weiter.
bedrohten, aber Eine teilblinde Bündnisbildung bzw. –
verbrecherischen als Kehrseite – Bündnisverweigerung ist
Regime überde- zwar vielleicht gut für das Selbstdarstel-
Protest auch am 17.11. in Köln cken? Mit wem darf man sich im Wider- lungsbedürfnis, bietet Gelegenheit zur
bei der Feier am Volkstrauer- stand gegen den Krieg treffen? Wie ist Verteilung von Ketzerhüten und Unwert-
tag, zu der Stadt, Bundeswehr, unser Verhältnis zur irakischen Opposi- urteilen; sie ist aber wenig geeignet für
Soldatenverbände traditionell tion? Kann es mit dem Saddam-Regime den Versuch, in so wichtigen Fragen wie
aufrufen. noch Diplomatie geben? Wie verlässlich Krieg und Frieden in der Gesellschaft
ist die Wahlkampfaussage Schröders, einen politisch wirksamen Konsens
Foto: arbeiterfotografie Deutschland nicht am Krieg zu beteili- herzustellen. tht ■

: antifaschistische nachrichten 24-2002 7


Spuren in Stein und Messing ...
Am 22. Oktober, dem 62. Jah- zialismus durch individuel-
restag der Deportation der le Stolpersteine seit 1992.
Freiburger Juden, wurde in Für den als „Spurenleger“
Freiburg der erste Stolperstein in der bekannten Künstler, ist es
Goethestrasse 33 für den jüdischen wichtig, daß diese Erinne-
Professor für Nationalökonomie Ro- rungsmale in unserer Le-
bert Liefmann verlegt. Der Stein mit bensmitte zu finden sind.
Messingplatte erinnert an Professor Die Gedenksteine werden
Liefmanns einstigen Wohnort im Frei- so zu Stolpersteinen gegen
burger Stadtteil Wiehre. das Vergessen, genau an
dem Ort an dem die NS-
Liefmann wurde von den Nationalsozia- Opfer gewohnt und gelebt
listen aufgrund seiner jüdischen Her- haben.
kunft zwangseremitiert und am 22. Okt- In Köln hat er im Jahr
ober 1940 zusammen mit seiner Familie 1996 den ersten Stein ille-
und 450 Freiburger Jüdinnen und Juden gal in der Oranienburger
in das Konzentrationslager Gurs in Süd- Straße in den Gehweg ein-
westfrankreich deportiert. Der Hoch- gelassen – 50 weitere folg-
schullehrer starb bereits fünf Monate ten. Gegen grosse Wider-
nach der Deportation. An Liefmann er- stände, besonders auf Ver-
innert nun ein 10 x 10 cm großer Stol- waltungsebene der Stadt
perstein mit einer Messingplatte, deren Köln, setzte der 1947 in Berlin geborene Stolpersteine finanzieren. Der Preis für
Schrift der Künstler, sein Projekt in Köln durch. eine Patenschaft liegt bei 75 Euro. Zur
Künstler Diese 51 Steine wurden dann nachträg- Zeit gibt es schon 75 Paten für Steine,
Gunter lich legalisiert und viele weitere folgten die an die Freiburger Opfer des NS Re-
Demnig mit mit dem Einverständnis der Stadt und gimes erinnern sollen. Zunächst ist die
Schlag- der finanziel- Verlegung von 500 bis 1000 Stolperstei-
buchstaben len Unterstüt- nen in Freiburg geplant. Wer Interesse
gehämmert zung von Pri- an einer Patenschaft für einen Stein hat,
hat. Etwa vatleuten. oder weitere Informationen zu dem Pro-
20 Gäste Mittlerweile jekt „Stolpersteine“ haben möchte, wen-
aus Politik konnte der det sich bitte an: Büro für ungewöhnli-
und Kultur Wahlkölner che Massnahmen, Sautierstraße 21,
wohnten u.a. in Berlin, 79104 Freiburg. dim ■
der Verle- Hamburg,
gung des Düsseldorf, Wer in seiner Stadt eine solche Aktion auch
ersten Stol- Wuppertal, anschieben möchte, wende sich an Gunter
persteins in Euskirchen, Demnig, Richard-Wagner-Str. 16, 50674 Köln,
Tel. 0221-251489, www.stolpersteine.com
Freiburg Bonn, Leverkusen, Erkelenz, Wermels-
bei. Der Freiburger Schauspieler Ullo kirchen, Brühl und nun auch Freiburg
von Peinen las bei der „illegalen“ Verle- über 2000 Stolpersteine für Opfer des
gung Passagen aus Briefen von Robert deutschen Faschismus verlegen. Für die Grundpositionen des europä-
Liefmann aus Gurs und Morlaas. Ausweitung des Erinnerns durch steiner- ischen Rechtsextremismus
Individuelle Erinnerungsmale für ne Denkanstöße im Alltag in europäi- Auf dem diesjährigen Europakongress
Freiburg sche Städte, hat Gunter Demnig bereits der rechtsextremen deutschen National-
Kontakte nach Antwerpen, Amsterdam,
demokratischen Partei Deutschlands
Dieser erste Stolperstein für Robert Mailand, Paris, Budapest und Saloniki
(NPD) wurde, wie jetzt bekannt wurde,
Liefmann soll der Beginn eines großen geknüpft.
ein Positionspapier als „Grundlage einer
Gedenkprojektes für die Freiburger Op- Wie steht die Stadt Freiburg zu den
fer des NS-Terrors, das von Marlis Me-
weiteren Zusammenarbeit europäischer
Stolpersteinen? Patrioten“ anerkannt. Unter den Unter-
ckel initiiert wird, sein. Marlis Meckel
hat die Idee und das Projekt des Kölner Zurück nach Freiburg. Hier hat sich die zeichnern waren unter anderem NPD-
Künstlers Gunter Demnig, an die Verfol- Stadt Freiburg bereits positiv zu dem Chef Udo Voigt, der bekannte deutsche
gung und Vernichtung der Juden, Sinti Projekt geäußert, das nun im Kulturaus- Rechtsextremist Horst Mahler und der
und Roma, Homosexuellen, Zeugen Je- schuss und danach im Hauptausschuss Chairman der British National Party
hovas, Euthanasieopfer, Zwangsarbeiter, diskutiert und dann entschieden werden (BNP), Nick Griffin. Verfasser des auf
antifaschistischen Widerstandskämpfer soll. Denn es geht ja, so der Sprecher breite Zustimmung in der rechtsextremen
und aller Opfer des Nationalsozialismus der Stadt Freiburg Walter Preker „um Szene stoßenden Papiers war niemand
durch Stolpersteine im öffentlichen die Nutzung öffentlichen Straßen- geringerer als Andreas Mölzer, Heraus-
Raum zu erinnern, für Freiburg aufge- raums“. Der Stein in der Goethestraße geber der staatlich geförderten rechts-
griffen. nutzt den öffentlichen Straßenraum also extremen Wochenzeitschrift „Zur Zeit“,
derzeit noch illegal. FPÖ-Berater und langjähriger Wegge-
Das Projekt Stolpersteine von Gun-
ter Demnig fährte Jörg Haiders.
Patenschaften für Steine Quelle: http://derstandard.at
Gunter Demnig verfolgt sein Projekt der Die Initiative will das gesamte Projekt Newsletter Rosa Antifa Wien ■
Erinnerung an die Opfer des Nationalso- über Patenschaften für die einzelnen

8 : antifaschistische nachrichten 24-2002


Der Bundesausschuss Friedens- Irak-Resolution des UN-Sicherheitsrats:
ratschlag hat eine differenzierte
Bewertung der Resolution des
UN-Sicherheitsrats vom Freitag vorge-
nommen, wie einer seiner Sprecher am
Die Kriegsgefahr ist
Sonntag erklärte. Festzustellen sei, dass
die Protagonisten der Resolution, die
nicht gebannt
USA und Großbritannien, offenbar ande- Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag
re Ziele verfolgen als die übrigen Mit-
glieder des Sicherheitsrats. zum anderen die Bestimmung, dass nicht ben Tagen positiv reagiert und die Reso-
USA und Großbritannien waren be- ein einzelner Staat, sondern der UN-Si- lution 1441 (2202) nach dessen Wün-
strebt, eine Resolution zu erhalten, die cherheitsrat allein zu „bewerten“ hat, ob schen erfüllt.
ihnen die Möglichkeit gibt, im Falle Irak die Resolution „vollinhaltlich“ be- In einem Brief an die Friedensbewe-
irgendeiner tatsächlichen oder vermeint- folgt oder nicht (Ziffern 4, 11 und 12). gung hat der Bundesausschuss Friedens-
lichen Behinderung der Waffeninspek- Dennoch lassen viele Formulierungen ratschlag am Wochenende vorgeschla-
tionen im Irak militärisch zu antworten. in der Resolution einen großen Spiel- gen, in ihren Protesten und Aktionen
Diesem Kriegs-Automatismus wollten raum für unterschiedliche Interpretatio- nicht nachzulassen. An die Bundesregie-
insbesondere Frankreich und Russland nen übrig. Festlegungen, wonach der rung wird appelliert, der Bush-Adminis-
nicht folgen und haben daher die USA tration jegliche wirtschaftliche und
zur Abschwächung des ursprünglichen logistische Hilfe für einen Krieg ge-
Resolutionsentwurfs gezwungen. Die gen Irak zu verweigern. Die
nun einstimmig angenommene Resolu- deutsch-amerikanische Freund-
tion scheint beiden Seiten Recht zu ge- schaft wird darunter nicht leiden.
ben: Die USA bewerten sie als hart ge- Manchmal ist es geradezu unab-
nug, um im Fall einer – auch nur gering- weisbar, einen Freund vor einem
fügigen – Verletzung der Resolution großen Fehler zurückzuhalten, oder
Krieg gegen Irak führen zu können, wie der frühere UN-Waffeninspek-
Frankreich und Russland sind stolz dar- teur Scott Ritter sagte: „Man darf
auf erreicht zu haben, dass es keinen einen Freund nicht betrunken ans
„Automatismus“ zum Krieg gibt. Steuer lassen“ („You don´t let a
Wichtig aus Sicht der Friedensbewe- friend drive drunk“).
gung sind einmal der zeitliche Korridor Die Spürpanzer müssen jetzt aus
(60 Tage für den Bericht der Waffenin- Kuwait abgezogen werden. Die
spekteure), der die unmittelbare Kriegs- Marineverbände müssen aus der
gefahr zumindest etwas entschärft, und Golfregion zurück beordert werden.
Und die nach wie vor unter Aus-
schluss der Öffentlichkeit operie-
Deutscher Rechtsextremist Florenz 2002 renden und jeder parlamentarischen
schreibt für seine Kontrolle entzogene Eliteeinheit
Irak „genaue“, „vollständige“, „endgülti- des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in
österreichischen Freunde ge“, „verifizierbare“ Auflistungen über Afghanistan muss ebenfalls zurückge-
Wien. Laut Dokumentationsarchiv des seine verbotenen Waffenprogramme ab- holt werden. ... Die Bundesregierung
österreichischen Widerstandes schrieb zuliefern hat, oder wonach die Inspek- muss der US-Regierung im Falle eines
Frank Rennicke in der jüngsten Aus- teure „ungehinderten“, „bedingungslo- Krieges die Nutzung von Militärstütz-
gabe des „Eckartboten“ (Organ der sen“, „sofortigen“ und „uneingeschränk- punkten in Deutschland sowie Überflug-
Österreichischen Landsmannschaft) ten“ Zugang zu allen Stätten vermuteter und Landerechte verweigern. Der nach
über die „Liquidierung eines unbeque- Forschung, Entwicklung oder Produk- wie vor geplante Krieg der US-Regie-
men Mitmenschen“ – gemeint ist da- tion von verbotenen Waffen und ihrer rung verstößt gegen die Ziele der UN-
mit die Abtreibung. In Stuttgart stand „Komponenten“ und „Subkomponen- Charta, gegen das Völkerrecht und gegen
Rennicke kürzlich wegen Volksver- ten“ erhalten müssen, sind sehr ausle- das Grundgesetz.
hetzung vor Gericht. Er soll wissent- gungsfähig. Die Weltöffentlichkeit wird Die Friedensbewegung in Deutsch-
lich über tausend Exemplare des indi- den Prozess der Waffeninspektionen sehr land muss weiterhin alles tun, um den
zierten „Heimatvertriebenenlied“ ver- aufmerksam verfolgen müssen, um gra- drohenden Krieg zu verhindern. Es ist
kauft haben (verteidigt wurde er von vierende Verstöße des Irak von geringfü- die Zeit gekommen für vielfältige Aktio-
NPD-Anwalt Horst Mahler). Auch in gigen oder nur behaupteten Beeinträchti- nen des Protests einschließlich des zivi-
Österreich hatte er mehrfach die Gele- gungen der Arbeit der Inspekteure zu len Widerstands unter anderem vor den
genheit, seine braune Gesinnung unterscheiden. militärischen und politischen Einrichtun-
kundzutun. Vor zwei Jahren ist er in Der Bundesausschuss Friedensrat- gen der USA und Großbritanniens als
der rechtsextremen Arbeitsgemein- schlag kommt zum Ergebnis, dass die den beiden Hauptkriegstreibern. Darüber
schaft für demokratische Politik (AfP) Kriegsgefahr längst nicht gebannt ist. hinaus tritt der Bundesausschuss Frie-
aufgetreten, was ihm eine Anzeige Die UN-Resolution ist zwar besser als densratschlag dafür ein, dass die gesamte
nach dem NS-Verbotsgesetz einbrach- der Droh-Zustand zuvor, aber die ersten Friedensbewegung am 8. Februar zu
te. Zur Österreichischen Landsmann- Äußerungen von Bush und Powell lassen zwei großen Manifestationen aufruft: für
schaft bleibt anzumerken, dass sie – keinen Zweifel, das die USA weiterhin den süddeutschen Raum nach München
welch Wunder – von hochrangigen zum Krieg entschlossen und bereit sind. (anlässlich der „Sicherheitskonferenz“)
Wiener FPÖ-Poltikern dominiert wird. Auch geht der Truppenaufmarsch am und für den west-, nord- und ostdeut-
Quelle: http://www.doew.at Golf unbeirrt weiter. Vom Regime in schen Raum nach Berlin.
aus Newsletter der Rosa Antifa Wien, Bagdad erwartet die Friedensbewegung, Kassel, 10. November 2002, für den
http://www.raw.at ■ dass es auf die Forderungen des UN-Si- Bundesausschuss Friedensratschlag:
cherheitsrats innerhalb der Frist von sie- Dr. Peter Strutynski (Sprecher) ■

: antifaschistische nachrichten 24-2002 9


Rechtsextreme und Neonazis wurde in diesem Internet-Fo-
rum die „Machtübernahme des rechten
Flügels“ begrüßt.

Neonazis zur FPÖ-Krise Aber man bleibt dabei realistisch. So


schrieb ein „Cherusker“ am 10.9.: „Mit
einer Haider-FPÖ an der Macht be-
Österreich. Die rechtsextreme Arbeits- politische Strahlkraft weit über die kommst du sicher kein 4. Reich. Der
gemeinschaft für demokratische Politik Grenzen Österreichs einsetzen wird. Vorteil ist halt, dass viele Burschen-
(AFP) fragt sich in einem aktuellen Und freuen uns darauf.“ schafter in höhere Positionen einsickern
Flugblatt: „Was machen wir ohne Hai- Robert Faller, Kopf der neonazisti- und zumindest gibt es keine neuen Re-
der?“ Mit ihm hat die AFP den „fähig- schen Kameradschaft Germania, schrieb pressionen gegen uns. Haider als jüdi-
sten, visionärsten, erfolgreichsten und am 8.10.2002 im Forum des deutschen schen Platzhalter zu denunzieren, geht
besten Politiker Österreichs“ verloren. Wikinger-Versandes über die FPÖ: „Den ein bisschen weit, immerhin trug seine
Nichtsdestotrotz seien „zwei schwere Nationalismus kann man dieser Partei Fechtpuppe den Namen Wiesenthal auf
Fehler bei Jörg Haider“ festzustellen: nicht absprechen, wenn man sich mit der der Brust. [...] Die wichtigen Kontakte
Erstens habe er seine Partei „mindestens Geschichte und der Basis dieser Partei in den arabischen Raum brauch ich wohl
vier Jahre zu früh“ auf die Regierungs- auseinander gesetzt hat – leider sitzen an auch nicht extra erwähnen.“
bank geschickt, zweitens fehle ihm die der Spitze und hinter den Kulissen auch Neues von Rechts,
notwendige „Menschenkenntnis“ bei der hier schon Großindustrielle, die uns Na- www.doew.at ■
Auswahl seiner MitstreiterInnen. Als tionalisten ausnutzen und so an die
Beispiele für Haiders Fehlgriffe in Per- Macht kommen wollen! Auf welcher
sonalfragen nennt die AFP Peter Sich- Seite Jörg Haider in dieser Schlacht Schönhuber im „Haus der
rovsky und Daniela Raschhofer. Leute steht, hat der schon mehrfach und nach-
wie diese würden „natürlich jetzt wie drücklich bewiesen (SS-Treffen, Aussa- Heimat“
die Ratten das sinkende Schiff verlas- gen über die Beschäftigungspolitik im Österreich. Das erst unlängst von
sen“. dritten Reich, [...]. Solange es in Öster- Bundesminister Haupt (FPÖ) mit vier
Aber man will die Hoffnung nicht reich keine Aufhebung der Knebelgeset- Millionen Euro Fördergeldern bedachte
aufgeben: „Wir glauben, dass Jörg Hai- ze gibt, ist die FPÖ unsere einzige Stim- „Haus der Heimat“ wird einmal mehr
der spätestens bei den nächsten Europa- me und Hoffnung zugleich [...] Ich ken- seinem Ruf als Veranstaltungsort für
wahlen wieder da sein wird und seine ne persönlich genug überzeugte Natio- Rechtsextreme gerecht. Am 18. Novem-
nalisten ber soll dort niemand Geringerer als

Die Rechte bis ins


hohe Alter,
die bei der
Franz Schönhuber sprechen. Der ehema-
lige Waffen-SS-Mann und Vorsitzende
der deutschen Republikaner versucht

in Europa FPÖ sind


... einen
Fuß hat si-
schon seit einiger Zeit sein ganzes Ge-
wicht für die Einigung der zersplitterten
deutschen Rechtsextremisten-Szene in
cherlich die Waagschale zu werfen. Auch sein
praktisch Vortrag in Wien ist mit „Schluss mit den
jede natio- rechten Bruderkriegen!“ betitelt.
nale Be- Schönhuber schreibt regelmäßig unter
wegung in anderem für die rechtsextreme Zeit-
der FPÖ!“ schrift Nation & Europa. Ende 2001 rief
Noch er dort zur Gründung einer neuen „Na-
am 9.9. tionalen Widerstandspartei“ auf, die im
begrüßte Unterschied zu den alten Rechtsparteien
Faller im „das herrschende System in Frage“ stel-
Die Journalisten Bernhard Nationalen len solle. (Nation & Europa 11-12/2001,
Forum S. 62) Seinen „Vorstellungen einer fun-
Schmid und Gerhard Feldbauer (Die Spin- damentalen Widerstandspartei“ (ebenda,
berichten aus Frankreich, ne) den S. 63) sei die neonazistische NPD am
Rücktritt nächsten gekommen. „Aber“, so Schön-
Italien, sowie über die von Riess- huber weiter, „sie hat sich durch äußere
Situation in Europa insgesamt Passer als Darstellung, geringe geistige Potenz und
„Reini- Dialogunfähigkeit gegenüber Anders-
gungspro- denkenden auch ohne Verbot selbst dis-
zess“: qualifiziert.“ (Ebenda) Als vorrangiges
„Die alten Ziel einer neuen rechtsextremen Partei
liberalen sieht er den Kampf „gegen die Unterwer-
Krusten fung unter den verderblichen, von Ame-
der Partei rika gesteuerten Zeitgeist“. (Ebenda, S.
kamen 62). Dass auch Schönhuber die USA von
noch mal Juden beherrscht sieht, wurde ein paar
zum Vor- Nation & Europa-Ausgaben zuvor deut-
18. Januar 2003, 14.00 Uhr schein, um lich. Dort behauptete er, „dass jüdische
Köln, Bürgerzentrum Alte Feuerwache, Melchiorstr. 3 sie endgül- Macht nicht von Ministerposten kommt,
Kleines Forum tig wegzu- sondern aus dem Bereich der Banken
Veranstalter: Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten räumen!“ und der Medien“. (Nation & Europa
Infos: Tel. 0221-21 16 58 Auch von 4/2001, S. 35)
anderen Neues von Rechts, www.doew.at ■

10 : antifaschistische nachrichten 24-2002


: ausländer- und asylpolitik
Muslime werden in Mün-
chen zu Freiwild
Bleiberecht für Mit der Begründung, das Auswärtige München. Vor einigen Monaten suchte
Constance Etchu Amt habe Nachforschungen in ihrer Hei- die Bayerische Kriminalpolizei noch per
mat betrieben und sie sei weder als Stu- Stellenanzeige in der Süddeutschen Zei-
Gera. Mitte der 90er Jahre schloss Con- dentin eingeschrieben gewesen, noch tung Islam- und Nahostexperten. Nach-
stance Etchu sich als junge Studentin der seien politische Aktivitäten bekannt, dem sich offensichtlich ausreichend ar-
Southern Cameroon Youth League wurde ihr Antrag vom Bundesamt für die beitslose Orientalisten gemeldet haben,
(SCYL) an und bekam Kontakt zu dem Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gab das Münchner Polizeipräsidium nun
Southern Cameroon National Council (BAFL) inzwischen als „offensichtlich die Gründung einer Ermittlungsgruppe
(SCNC), einer sozialdemokratisch ge- unbegründet“ abgelehnt. Das Verwal- zur Bekämpfung islamistischer Terroris-
prägten Organisation, die für die Unab- tungsgericht Gera ordnete daraufhin die ten bekannt. Angeleitet wird diese Spezi-
hängigkeit des südlichen Landesteiles Abschiebung an. Kürzlich erhielt Frau aleinheit, der weitere Ermittlergruppen
von Kamerun eintritt. Sie beteiligte sich Etchu einen Brief von einer Tante aus in anderen bayerischen Polizeipräsidien
an Protestaktionen und wurde mehrfach Süd-Kamerun, die ihr mitteilte, sie habe folgen sollen, von einem 10-köpfigen
verhaftet. Zuletzt im Zusammenhang mit Besuch von Constances Freunden aus Planungsstab beim Landeskriminalamt,
den Protestaktionen am 1. Oktober ‘01. Deutschland erhalten. Diese hätten Fra- dem neben Islamkundlern und Arabisten
Bei Massendemonstrationen wurden an gen über Constances Schulausbildung auch Internetexperten und Fachleute zur
diesem Tag von den Regierungstruppen und ihr politisches Engagement gestellt. Überwachung von Finanztransfers ange-
mehrere Menschen getötet, Hunderte Der Tante waren die neuen Freunde ihrer hören.
Nichte allerdings nicht ganz Polizeistreifen in München wurden
geheuer und deshalb angewiesen, ab sofort „Kontrollen gegen
schwieg sie sich mehr oder (!) Personen aus islamischen Herkunfts-
weniger aus. Bei diesen omi- ländern“ zu intensivieren. Radikale Isla-
nösen Freunden handelte es misten sollten so einem stärkeren Kon-
sich vermutlich um Beamte trolldruck ausgesetzt werde. Ein Großteil
der Behörden Französisch- der rund 80.000 Muslime in München
Kameruns, die in Amtshilfe stammt aus der Türkei. Diese seien nicht
für das Auswärtige Amt die primär das Ziel der verstärkten Überwa-
sogenannten „Nachfor- chung, da die Türkei selber kein islami-
schungen“ anstellten. scher Staat sei, so die Polizei. Weil Mi-
Constance Etchu erhielt granten aus islamischen Staaten nicht
inzwischen die Bestätigung immer an langen Bärten oder Burkas zu
ihrer ehemaligen Univer- erkennen sind, müssen allerdings gene-
sität, dass sie dort einge- rell Menschen nichtdeutscher Herkunft
schrieben war. Mit diesen mit verstärkten Kontrollen der Polizei
Belegen kann ihr Anwalt, rechnen.
Herr Hubert Heinhold aus Damit sich auch die normale Bevölke-
München, beweisen, dass die rung an der Denunziation ihrer ägypti-
„Nachforschungen“ des schen oder tunesischen Nachbarn beteili-
verletzt und an diesem und den folgen- Auswärtigen Amtes zu falschen Ergeb- gen kann, hat der Staatsschutz eine zu-
den Tagen mehr als dreihundert Personen nissen geführt haben. Er beantragte er- sätzliche Rufnummer eingerichtet.
inhaftiert, darunter auch Constance Et- neut beim Verwaltungsgericht Gera, auf- Im Rahmen der Terrorbekämpfung
chu. schiebende Wirkung – und damit zumin- sollen über 500 in München beheimatete
Sie wurde am 11. November ‘01 aus dest ein vorläufiges Bleiberecht – anzu- so genannten Ausländervereine - von de-
der Haft befreit und ihr wurde zur Flucht ordnen. nen nur eine Minderheit dem islami-
in die BRD verholfen, wo sie Asyl bean- Auch in Bezug auf die politischen Ak- schen Kulturkreis zu zuordnen ist - einer
tragte. tivitäten Frau Etchus stützt das Auswärti- intensiven Überwachung unterzogen
Constance Etchu engagierte sich auch ge Amt sich auf falsche Tatsachen. Frau werden, wobei die Fahnder insbesondere
im Exil weiterhin politisch. Sie ist Mit- Etchu legte eine Erklärung des ihres An- Finanztransaktionen im Auge haben. Der
glied der deutschen Sektion der SCYL waltes aus Kamerun vor – einem in ihrer Ägypter Ahmet Alkhalifa, Vorsteher der
und des SCNC und der Flüchtlingsselbs- Heimat sehr angesehenen und als seriös größten Münchner Moschee in Freimann
torganisation The Voice - African Forum. geltenden Juristen – der sie zwei Mal beklagt, dass seit mehreren Wochen Be-
In diesem Sommer beteiligte sie sich an vertreten hat, als sie aus politischen sucher der Moschee von Kriminalbeamte
der fünfwöchigen Karawane für die Gründen inhaftiert war. Das Bundesamt in Zivil über ihre Lebensgewohnheiten
Rechte der Flüchtlinge und MigrantIn- ignorierte diesen Beweis jedoch. ausfragt würden – eine Darstellung, die
nen. Und am diesjährigen 1. Oktober, Im Falle einer Abschiebung nach Ka- von der Polizei als unzutreffend zurück-
dem offiziellen Unabhängigkeitstag, an merun erwartet Constance Etchu Haft gewiesen wurde.
der Besetzung der Botschaft Kameruns und Folter, die sie vermutlich nicht über- Die Führung der Al Quaida habe im
in Bonn. An diesem Tag fanden in Süd- leben wird. Deshalb ruft die Karawane katarischen Fernsehsender Al Dschasira
Kamerun zahlreiche Massendemonstra- für die Rechte der Flüchtlinge und Mi- erstmals auch Deutschland und Frank-
tionen statt. Mit der Besetzung wollten grantInnen zu einer Faxkampagne auf. reich als Anschlagsziele genannt, be-
SCNC und SCYL die internationale Öf- gründete Kriminalrat Clemens Merkl bei
fentlichkeit auf den Widerstand der Süd- Verwaltungsgericht Gera, In der Hain- der Vorstellung der Münchner Ermitt-
Kamerunischen Bevölkerung gegen die straße 21, 07505 Gera,Fax: 0365/ 833 lungsgruppe am Mittwoch die verstärkte
Okkupation aufmerksam machen. 91 00. Bitte schickt auch eine Kopie an Überwachung von Ausländern. Rund
Mit dieser Aktion wollten SCNC und uns Fax: 01212-53 84 21 306 200 Millionen Euro sollen den bayeri-
SCYL auf die Menschenrechtssituation oder email an: mail@basicrights.de schen Steuerzahler diese Maßnahmen
dort hinwiesen. The VOICE Jena ■ kosten. Nick Brauns ■

: antifaschistische nachrichten 24-2002 11


In Albbruck-Stieg brennt es zum vierten Mal

Flüchtlingspolitik des Landkreises Waldshut


basiert auf Willkür und
Missachtung der Menschenrechte
Am Sonntagmorgen, den über den Vorfall informieren. Vom dorti-
6.10., gegen 1.40 Uhr brannte gen Sozialarbeiter gab es ohne jegliche
es zum vierten Mal in der Begründung oder Grund sofort einen
Sammelunterkunft Albbruck-Stieg Hausverweis, obwohl die SAGA-Mit-
im Landkreis Waldshut. Gebrannt glieder die Turnhalle überhaupt noch
hat es gleich an zwei verschiedenen nicht betreten hatten. Für ca. fünf Minu-
Stellen. Niemand weiß, wer die ten sind die beiden Unterstützer trotzdem
Brandstifter sind. Nur durch einen in die Halle gekommen und konnten so
Zufall wurde niemand ernstlich ver- mit Flüchtlingen sprechen. Die Gesprä-
letzt. Alle Bewohnerinnen und Be- che mit den Flüchtlingen wurden aller-
wohner verließen das Gebäude und dings vor der Halle weitergeführt. Eine
warteten auf Feuerwehr, Polizei und Polizeistreife kam angefahren. Der Sozi-
Rotes Kreuz. Nach 20 Minuten wa- alarbeiter sprach mit den beiden Polizei-
ren die ersten Löschfahrzeuge am beamten. Kurze Zeit später wurden die
Ort. Später wurden die Flüchtlinge beiden Unterstützer aufgefordert den
vom Roten Kreuz mit heißem Tee Vorplatz vor der Turnhalle zu verlassen,
versorgt. Noch am selben Tag wur- da ansonsten eine Festnahme erfolgen
den alle Flüchtlinge in der Turnhalle werde. Die beiden Unterstützer, die noch
in Unteralpfen notdürftig unterge- mit Flüchtlingen sprachen, gingen zum
bracht. Flüchtlinge, die das Wo- Autoparkplatz und sprachen noch mit ei-
chenende über auf Besuch waren, nigen Betroffenen. Sofort kam wieder
erfuhren erst am Sonntagabend von ein Polizeibeamter mit Taschenlampe,
dem Brand. Sie durften keine priva- forderte zum Verlassen des Geländes auf
ten Sachen aus dem Gebäude holen. und setzte den SAGA-Mitgliedern ein
Die Polizei hatte das Gebäude ver- Ultimatum von fünf Minuten, „wenn sie
riegelt. die Nacht nicht bei uns verbringen
Polizei gegen Unterstützer möchten“.
Aus der Presse konnten man vom Po-
Am Abend besuchten zwei SAGA- lizeisprecher Peter-Georg Biewald erfah-
Mitglieder die Turnhalle und woll- ren, dass sich das Aufenthaltsverbot auf
ten sich direkt bei den Betroffenen die gesamte Gemeinde Unteralpfen be-

Hilferuf tags einmal, sonntags zweimal am Tag.


Während der Schulferien gibt es fast kei-
ne Verkehrsanbindung. Bekannte, die
stunden oder am Wochenende, wie es
beispielsweise in der Gastronomie oft
der Fall ist, können wir wegen der feh-
vom Stieg kein Auto haben, können uns abends
nicht besuchen. Niemand darf übernach-
ten. Wir haben keinen Kontakt zu den
lenden Verkehrsanbindung die Arbeit
nicht annehmen.

Wir, 150 Flüchtlinge aus über 10 Län- Einheimischen. In der näheren Umge- Wir können hier nicht weg: Wir selbst
dern, sind in der Flüchtlingsunterkunft bung liegen Dörfer mit wenigen hundert dürfen nur 15 Tage im Jahr – mit einer
Albbruck-Stieg (Landkreis Waldshut) Einwohnern. Die nächste Stadt ist 9 km besonderen Genehmigung – den Land-
untergebracht. Die Unterkunft war früher entfernt. kreis verlassen, die restlichen 350 Tage
ein Erholungsheim, sie liegt mitten im Unsere Kinder können keine Freunde sollen wir auf dem Stieg bleiben. Wir ha-
Wald. Niemand von uns hat selbst ent- treffen. Wir Kinder werden von den an- ben keine Freizeitmöglichkeiten, können
schieden, hier zu wohnen. Wir leben hier deren „die Stiegler“ genannt und sind keine Freunde treffen, können uns nicht
völlig isoliert einen fremdbestimmten deshalb Außenseiter und werden gehän- bei Vereinen engagieren, keine Kurse
Alltag, der uns verzweifeln lässt und selt. Niemand will etwas mit uns zu tun am Abend besuchen und auch nicht an
krank macht. Unsere Bitten und Forde- haben und niemand kommt uns besu- kulturellen Veranstaltungen teilnehmen.
rungen nach einer Verbesserung der Le- chen. Wir haben Angst. Zitat eines Kin- Wir dürfen selbst die alltäglichsten Din-
bensbedingungen sind in den Wind ge- des: „Wir haben keine Freunde in der ge nicht selbst bestimmen: Wir leben zu
sprochen. Wir werden nicht gehört. Das Schule, aber die im Kindergarten sind zweit, zu dritt oder zu viert in kleinen
sind die Gründe, warum wir uns mit die- anders, da sagte ein Dreijähriger zu mir: Zimmern. 4,5 qm sind für jede Person
sem Hilferuf an alle Menschen, Grup- ‚willst du mein Freund sein‘“ vorgesehen. Wir haben kein Recht auf ei-
pen, Organisationen, Verbände und Par- Uns Eltern ist es durch die schlechte nen freien Einkauf. Eine alleinstehende
teien innerhalb und außerhalb des Land- Verkehrsanbindung nicht möglich einen Person darf nur am Dienstag in der Zeit
kreises Waldshut, national und interna- Elternabend in der Schule unserer Kin- von 14 bis 16 Uhr einkaufen und zwar in
tional, wenden. der zu besuchen. einem einzigen festgelegten Geschäft.
Wir leben hier ganz isoliert: Die öf- Familien dürfen zweimal in der Woche
fentlichen Verkehrsmittel fahren nur von Wir sind zum Nichtstun verdammt: Es ist einkaufen. Kann jemand zu der festge-
6.50 bis 17.10 Uhr die Unterkunft an, an für uns sehr schwer, eine Arbeit zu fin- legten Zeit nicht einkaufen, muss er oder
Wochenenden fährt der Bus nur sams- den. Liegt die Arbeitszeit in den Abend- sie bis zur nächsten Woche warten. Hin

12 : antifaschistische nachrichten 24-2002


zog. Dieser repressive Vorgang wird nun
ein juristisches Nachspiel haben.
Zwischenzeitlich wurde von der Polizei
eine amtliche Begründung für die polizei-
liche Gewaltandrohung angefordert. Laut
einem Brief der Polizei Waldshut-Tien-
gen vom 17. Oktober 02 soll eine „Ab-
klärung und Überprüfung“ stattfinden,
danach soll es einen „abschließenden Be-
scheid“ geben. Eine Dienstaufsichtsbe-
schwerde und eine Anzeige gegen die Po-
lizei wird nicht ausgeschlossen.
Polizei gegen Flüchtlinge
Am 8. Oktober kam es in Unteralpfen zu
einem massiven Polizeieinsatz gegen
Flüchtlinge. Wie von Flüchtlingen be-
richtet wurde, waren 13 Einsatzfahrzeu-
ge und eine hohe Anzahl von Beamten
des BGS und der Polizei bei dem Einsatz
Diese Postkarten mit der winterlichen Schwarzwaldidylle können Flüchtlinge für 50 Cent beim
beteiligt. Drei Flüchtlinge wurden auf Hausmeister kaufen
dem Vorplatz der Turnhalle grundlos
festgenommen und in Handschellen ab- in der Tasche haben. Die Polizeiaktion Kritik der Flüchtlinge in einem „Hilferuf
geführt. Sie wurden einige Stunden im diente der weiteren Stigmatisierung von vom Stieg“ zusammengefasst. Bei einer
Polizeirevier in Waldshut festgehalten. Flüchtlingen im Landkreis Waldshut. Sie Unterschriftenaktion, die von den
Gründe hat man ihnen keine genannt. ist entschieden zu verurteilen. Noch am Flüchtlingen selbst durchgeführt wurde,
Nicht zufällig handelt es sich bei den gleichen Tag (8. Oktober) mussten eini- haben bislang über 50 Bewohnerinnen
Festgenommenen um Personen, die ge Einzelpersonen und Familien wieder und Bewohner in der Unterkunft den
Kontakt zu Flüchtlingsorganisationen zurück in das Gebäude, in dem es ge- Hilferuf unterschrieben. Mit der Veröf-
haben. Die Polizei durchsuchte alle Per- brannt hatte. Seitdem haben die Bewoh- fentlichung des Hilferufs Mitte Novem-
sonen der Unterkunft nach Wertsachen, nerinnen und Bewohner Angst vor einem ber werden sämtliche Menschenrechts-,
so auch die Kinder. „Hast du das Geld in erneuten Feuer und damit auch schlaflo- Exil- und Flüchtlingsorganisationen so-
den Socken versteckt?“, wurde ein 13- se Nächte. wie die Wohlfahrtsverbände aufgefor-
jähriges Mädchen von einem Polizisten Appell zu dem Hilferuf dert, den Hilferuf in ihren Publikationen
gefragt, als sie wie alle anderen auch, vor weiterzuverbreiten und entsprechend
dem Einsteigen in den Bus durchsucht Da die Flüchtlinge nicht weiter isoliert Druck auf das Landratsamt Waldshut
wurde. Offensichtlich sollte ein Klischee und abgeschnitten von jedem gesell- auszuüben, so dass eine dezentrale Un-
bedient werden, nachdem „Asylanten“ schaftlichen Leben auf dem ca. 700 Me- terbringung der Flüchtlinge möglich ist.
mit Drogen dealen und immer viel Geld ter hohen Stieg leben wollen, wurde die was ■

und wieder werden wir beim Einkauf normales Leben führen können. Immer dem in dem Teil der Unterkunft, der vom
überwacht. Manche von uns dürfen sechs nur Menschen zu sehen, die nur ein Feuer nicht beschädigt wurde. Aber
Monate nicht in dem Geschäft einkaufen. Schatten ihrer selbst sind, das zermürbt auch in diesem Teil gab es schon eine
Es wird ihnen unterstellt, etwas mitge- auch. Brandstiftung. Wir können nicht schla-
nommen zu haben. Es gibt aber keine Zwei Frauen haben in der Unterkunft fen und halten es nicht mehr aus. Wir
Beweise. Andere müssen dann für diese Selbstmord begangen. Einige von uns fordern die Schließung der Flüchtlings-
einkaufen. Manchmal werden Waren, die sind in ärztlicher Behandlung und kön- unterkunft in Albbruck-Stieg, bevor es
wir ausgewählt haben, aussortiert. Man- nen die Isolation nur durch Einnahme zu weiteren Opfern kommt.
che Dinge dürfen wir nicht kaufen, zum von Medikamenten aushalten. Viele von Einige von uns haben einen Brief ver-
Beispiel Spielzeug für die Kinder. Klei- uns sind krank und können nicht gene- fasst und wollen diesen an den UNHCR
der können wir gar nicht in einem Ge- sen. in Berlin schicken.
schäft kaufen: zweimal im Jahr kommt Viermal hat es in der Unterkunft ge- ● Wir möchten weg aus dieser Unter-
ein Kleiderwagen zum Wohnheim. Darin brannt. Wir wissen nicht, wer das Feuer kunft.
sind wenige Kleider angeboten, unter de- gelegt hat. Zuletzt hat es am Sonntag- ● Wir möchten in einer normalen Wohn-
nen wir auswählen müssen. morgen, den 6. Oktober 2002, gebrannt, gegend in einer normalen Wohnung le-
Wir sind dankbar, dass wir hier Auf- gleich an zwei Stellen. Nur durch Zufall ben.
nahme gefunden haben und Hilfe erhal- wurde niemand verletzt. Viele standen in ● Wir möchten auswählen und einkau-
ten! Gleichzeitig kränkt und verletzt uns, den Nachthemden vor dem brennenden fen, wie es normal ist.
dass die Hilfe in dieser Weise gewährt Gebäude, bis nach ca. 20 Minuten die ● Wir möchten Verwandte und Freunde
wird: Warum werden wir bevormundet Feuerwehr und das Rote Kreuz kamen. besuchen, ohne einen Antrag stellen zu
und reglementiert, als wären wir Betrü- Nachdem wir zwei Nächte in der Turn- müssen.
ger oder nicht zurechnungsfähig? Warum halle in Unteralpfen untergebracht und ● Wir möchten, dass die Hilfe, die wir
werden wir zum Aufenthalt an einem Ort versorgt worden waren, wurde ein Teil hier bekommen, uns nicht ausgrenzt und
im Abseits gezwungen? Wir fühlen uns von uns in das Heim im Stieg zurückge- nicht demütigt. ■
ohnehin entwurzelt und verloren und bracht. Wer nicht zurück wollte, wurde Unterschriften von 49 im Stieg lebenden Bewoh-
wünschen uns, wieder einer Gemein- mit polizeilichem Druck zurückgezwun- nern (inkl. Kinder) aus Irak, Türkei, Pakistan,
schaft anzugehören. Manchmal erkennen gen. Auch einige Familien mit Kindern Indien, Kosovo, Guinea, Congo, Syrien und Alge-
rien.
wir uns selbst nicht mehr, weil wir kein wollten nicht zurück. Wir wohnen seit-

: antifaschistische nachrichten 24-2002 13


Kampagne gegen
Abschiebungen, Abschiebehaft
und Abschiebelager
tion zur derzeitig ausschließlich wahr- er es nicht bezahlen kann, und sich die
nehmbaren Meinung in Bezug auf Bußgelder häufen, ins Gefängnis, erst in
Flucht und Migration etablieren. Diese Strafhaft, danach in Abschiebehaft und
alternative Position setzt nicht auf ein nach gescheiterter Abschiebehaft wieder
rigides Abschiebesystem, sondern zurück ins Abschiebelager bringen kann.
räumt allen 6 Milliarden Mitgliedern Arbeit und der Besuch von Deutschkur-
der „menschlichen Familie“ (Allge- sen sind untersagt. Die medizinische
meine Erklärung der Menschenrechte) Versorgung ist beschränkt, es muss vor
das Recht ein, vor Verfolgung, Armut dem Arztbesuch ein Krankenschein beim
und Hunger zu fliehen und ihren Le- Sozialamt geholt werden, häufig werden
bensmittelpunkt ihrer menschlichen nur Schmerzmittel verschrieben, d.h.
Würde gemäß frei zu wählen. Sie for- Symptome behandelt.
dern das Ende von Abschiebungen, Besuch ist nicht gestattet, nur mit Ge-
Abschiebehaft und Abschiebelagern im nehmigung der Regierungsbehörden,
Bewusstsein, dass Deutschland seine auch nicht, wenn eine ausdrückliche Ein-
Verpflichtung zum Flüchtlingsschutz ladung eines Lagerinsassen vorliegt. Ein
vernachlässigt: Während Großbritan- Besucher, der einmal über den Zaun ge-
nien nach Angaben von Pro Asyl im klettert ist, um einen Bekannten zu besu-
Jahr 2001 ca. 40% aller Flüchtlinge chen, wurde von der Polizei festgenom-
Schutz gewährte, lag diese Quote in men, aus dem Lager begleitet und zur
Deutschland 2001 bei 21,19% (nach Bushaltestelle gebracht. Er bekam über-
§16a GG und Genfer Flüchtlingskon- dies eine Anzeige wegen Hausfriedens-
vention) und befindet sich seitdem im bruch. Die zynisch klingende offizielle
freien Fall (Jan. – Sept. 2002 nur noch Begründung für die Verweigerung von
Bild von der Aktion in Köln im Museum Ludwig
5,46%). Diese geringe Anerkennungs- Besuch ist „der Schutz der Privatsphäre
quote kann nicht den Flüchtlingen allein der Insassen“.
Am 2. November fand unter dem angerechnet werden, denn sie ist als be- Das Lager ist umzäunt, am Eingang ist
Motto „Tag der offenen Tür“ ein absichtigtes Ergebnis der Asylgesetzän- ein Drehkreuz, das elektronisch geöffnet
bundesweiter Aktionstag gegen derung von 1993 hausgemacht. und geschlossen wird. Tag und Nacht
Abschiebung, Abschiebehaft und Ab- Ebenfalls hausgemacht ist damit die sitzt ein Wachmann des Wach- und
schiebelager statt, u.a. in Berlin, Düs- gegenläufig steigende Zahl der Flücht- Schließdienstes Arndt hinter einem Fen-
seldorf, Köln, Ingelheim, Hamburg, linge, deren Asylbegehren abgelehnt ster am Eingang. Der Wachmann über-
Hannover, Leipzig, Nürnberg, Regens- wurden, die somit ausreisepflichtig sind, nimmt auch Hausmeisteraufgaben. Es
burg, Rendsburg und Tübingen. jedoch einen vorübergehenden Abschie- gibt keine schriftliche Hausordnung, das
beschutz (Duldung) bekommen, da sie einzige Personal ist der Wachdienst, was
Dieser Aktionstag bildete den Auftakt zu weder ausreisen noch abgeschoben wer- der Willkür Tür und Tor offenlässt.
einer bundesweiten Kampagne. Anlass ist den können. Das sind derzeit 230.000 Nachts patroulliert der Wachdienst ca.
die in Deutschland derzeit stattfindende Menschen, 150.000 von ihnen leben be- stündlich mit Hund und bewaffnet mit
Entwicklung, als Ergänzung zur Abschie- reits seit mehr als 5 Jahren in Deutsch- Schlagstock und Elektroschockgerät
behaft ein neues Modell von Zwangs- land. www.abschiebehaft.de ■ durch das Lager, ca. 6 bis 7 Mann. Die
maßnahmen gegen Flüchtlinge zu etablie- Polizei schaut auch allabendlich mal vor-
ren: Abschiebelager, die verharmlosend Bericht von Insassen des bei. Die Insassen können das Lager ver-
Ausreisezentren genannt werden. Diese lassen, es gibt auch kein Zeitlimit. Sie
neue Form der Ausgrenzung und Ab- Abschiebelagers Fürth müssen sich allerdings beim Verlassen
schottung von Flüchtlingen und Migran- Die Zimmer sind ca. 15 qm groß, für und Wiederbetreten des Lagers von
tInnen ist im neuen sog. Zuwanderungs- zwei Personen. Es gibt eine Toilette, Wachdienst registrieren lassen, d.h. der
gesetz das ab 2003 in Kraft treten soll, zwei Duschen, eine Waschmaschine und Wachmann notiert die Zeit, wann jemand
ausdrücklich vorgesehen. einen kaputten Trockner. Die Küche ist geht und kommt und betätigt dann den
Die in diesen Lagern festgehaltenen spartanisch eingerichtet, den Herd muss elektrischen Drehkreuzöffner. Es ist auch
Menschen sollen unter weitest gehendem man alle 5 Minuten wieder einschalten, bei Androhung von Taschengeldentzug
Entzug ihrer Persönlichkeitsrechte und weil er sich danach automatisch abschal- untersagt, außerhalb des Lagers zu über-
massivem behördlichen und psychologi- tet. Das Essen ist auf das notwendigste nachten.
schen Druck zur freiwilligen Ausreise ge- beschränkt, es wird täglich in Esspaketen Bis jetzt haben 47 Personen Einwei-
zwungen werden. Die bereits bestehen- ausgegeben, die noch schlechter sind als sungsbescheide erhalten, davon sind
den Modellprojekte in Braunschweig, Ol- die Pakete im Heim nebenan. über die Hälfte untergetaucht, 2 Afrika-
denburg und Bramsche (Niedersachsen), Es gibt 40 Euro Taschengeld monat- ner wurden mit Handschellen ins Lager
Ingelheim (Rheinland-Pfalz) und Halber- lich. Handys werden registriert, d.h. die gebracht, von den ca. 12–15 Menschen,
stadt (Sachsen-Anhalt) sowie Fürth (Bay- Nummern notiert. Fernsehen und Radio die sich dauerhaft im Lager aufhalten,
ern) zeigen, dass diese Zwangsmaßnah- sind untersagt. Die Residenzpflicht ist wollen 5 das Land verlassen, weil sie die
men mehr als die Hälfte der Betroffenen auf Fürth beschränkt, d.h. es ist verboten, Verhältnisse dort nicht ertragen. Die
in die Illegalität treiben. das Stadtgebiet von Fürth zu verlassen. meisten kommen aus GUS-Staaten, weil
Mit der Bundeskampagne wollen die Wird jemand beim Übertreten ertappt, die Behörden sich ausrechnen, dass mit
beteiligten Gruppen eine alternative Posi- bekommt er ein Bußgeld, was ihn, weil diesen Staaten Rückführungsabkommen

14 : antifaschistische nachrichten 24-2002


: aus der faschistischen presse
geschlossen werden können. Bisher sind
die meisten GUS-Staatler Russen, es gibt
aber auch einen Tschetschenen, der einen
Einweisungsbefehl bekommen hat, ob-
wohl er bisher mit einer deutschen Frau
Schönbohm sucht Zusammen-
zusammengelebt hat, gemeinsam gemel-
det war und Heiratspläne hat. Das Kon-
arbeit mit Rechtsextremen
fliktpotenzial ist abzusehen, wenn
Tschetschenen, Russen, Weißrussen, Ge- Junge Freiheit Nr. 47/02, hielt mit 1,7% (bundesweit 0,8%) nach
orgier, Armenier und Aserbeidschaner 15. November 2002 Hamburg in Brandenburg eines der be-
auf so engem Raum zusammengepfercht Sehr bewusst hat der Innenminister und sten Ergebnisse. Dazu kommt, dass in
werden. Auch dies erscheint als ein Teil stellvertretende Ministerpräsident von Brandenburg die NPD bei den Bundes-
der Zermürbungsstrategie. Brandenburg Jörg Schönbohm der Jun- tagswahlen mit 1,5% (1998: 0,8%) ein
Alle zwei Tage sind Befragungen. Wer gen Freiheit vom 15.11. ein Interview absolutes Spitzenergebnis bekam und
zu den Befragungen nicht erscheint, dem gegeben, davon kann ausgegangen wer- bundesweit nur 0,4% erhielt (alles
wird das Taschengeld gekürzt. Die Be- den. Als Innenminister weiß er, was er da Zweitstimmen).
frager versuchen die Leute zu überreden: getan hat. Er ist ja dafür zuständig, auch Auch deshalb ist Schönbohm den
„Geh doch nach Russland zurück, da ist die Junge Freiheit zu beobachten. Aber Rechtsextremen einen Schritt entgegen
es schön. Da kannst du eine Firma grün- er beobachtet sie nicht, sondern macht gegangen, er muss sie direkt vereinnah-
den und Material aus Deutschland mit- sie hoffähig und holt
nehmen. Hier hast du keine Perspektive, das Blatt aus seiner
geh zurück nach Russland, da hast du es rechten Ecke heraus.
besser.“ Und das zu Menschen, die von Schönbohm hat ge-
40 Euro Taschengeld im Monat leben, zielt einen Tabubruch
die z. T. vor dem Kriegsdienst in Tschet- begangen.
schenien geflohen sind, und denen bei Mit Empörung ha-
Rückkehr heftige Strafen (zwischen 10 ben viele kritische
und 25 Jahre Gefängnis) drohen und sich Geister die prominen-
der russische Staat weigert, sie überhaupt ten Interviewpartner
noch als Staatsbürger anzuerkennen und des Blattes immer
Papiere auszustellen. Systematischer Zy- wieder zur Kenntnis
nismus als Strategie zur Zermürbung. genommen. Ein
Ein Insasse des Lagers ist schon seit Innenminister bzw.
elf Jahren in Deutschland, hat Freunde stellvertretender Mi-
und Bekannte hier und entspricht daher nisterpräsident war
so überhaupt nicht dem Bild des gerade aber noch nie dabei.
frisch Eingetroffenen , der sich gar nicht Insofern ist der Vor-
erst hier integrieren soll. Seine bestehen- gang ein Tabubruch
Schönbohm im Gespräch mit Stein (JF)
den Beziehungen werden zerschlagen, von bundesweiter Bedeutung.
da er aus Bamberg kommt und wegen Schönbohm ist über sich und die
der Residenzpflicht nicht dorthin fahren rechtsextremen Kreise etwas verbittert. men, anders kann er die norddeutschen
darf. Ein anderer sitzt in diesem Lager, Hat er doch schon immer diese Kräfte Rechten nicht ansprechen und da ist die
dessen Eltern schon als Zwangsarbeite- angesprochen und versucht für die CDU Junge Freiheit als Transmissionsriemen
rInnen in Deutschland arbeiten mussten zu mobilisieren, so ist ihm dies nur zum zwischen Rechtsextremen und Konser-
und dessen Mutter eine Entschädigung Teil gelungen. Der Hinweis, die Partei vativen das richtige Mittel.
von 400 DM vom Roten Kreuz bekam! seines Innenministerkollegen aus Ham- Schönbohm hat also in jeder Hinsicht
Karawane für die Rechte der Flücht- burg, – die Schillpartei – habe der CDU keinen Beitrag zum Kampf gegen den
linge und MigrantInnen Nürnberg, den Wahlsieg genommen, ist nicht von Rechtsextremismus geleistet. Als rech-
www.ausreisezentren.cjb.net ■ der Hand zu weisen. Die Schillpartei er- ter, konservativer Politiker konnte er kei-
ne rechten Kräfte binden, ja man kann
sogar behaupten, er hat diese Kräfte ge-
Der Herausgabekreis und die Redaktion sind zu erreichen über: stärkt. Insofern sind seine Ausfälle gegen
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln Tel. 0221 / 21 16 58, Fax 0221 / 21 53 73. den „Aufstand der Anständigen“ unge-
email: antifanachrichten@netcologne.de, Internet: http://www.antifaschistische-nachrichten.de
Erscheint bei GNN, Verlagsges. m.b.H., Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. V.i.S.d.P.: U. Bach heuerlich und verlogen.
Redaktion: Für Schleswig-Holstein, Hamburg: W. Siede, erreichbar über GNN-Verlag, Neuer Kamp 25, Er behauptet, in dieser Phase „steigen
20359 Hamburg, Tel. 040 / 43 18 88 20. Für NRW, Hessen, Rheinland Pfalz, Saarland: U. Bach, die rechtsextrem motivierten Straftaten
GNN-Verlag Köln. Baden-Württemberg und Bayern über GNN-Süd, Stubaier Str. 2, 70327 Stuttgart, parallel sprunghaft an. Seit dem Abflau-
Tel. 0711 / 62 47 01. Für „Aus der faschistischen Presse“: J. Detjen c/o GNN Köln. en des ,Kampfes gegen Rechts‘ sind
Erscheinungsweise: 14-täglich. Bezugspreis: Einzelheft 1,30 Euro.
Bestellungen sind zu richten an: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln. Sonderbestellungen sind auch diese Straftaten wieder rückläufig.“
möglich, Wiederverkäufer erhalten 30 % Rabatt. Schönbohm verharmlost nicht nur die
Die antifaschistischen Nachrichten beruhen vor allen Dingen auf Mitteilungen von Initiativen. Soweit ein-
rechtsextremen Anschläge, sondern
zelne Artikel ausdrücklich in ihrer Herkunft gekennzeichnet sind, geben sie nicht unbedingt die Meinung macht sogar noch die Demokraten und
der Redaktion wieder, die nicht alle bei ihr eingehenden Meldungen überprüfen kann. die Bewegung gegen Rechts für die An-
Herausgabekreis der Antifaschistischen Nachrichten: Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR); Annelie schläge verantwortlich.
Buntenbach, Bündnis 90/Die Grünen; Rolf Burgard (VVN-BdA); Jörg Detjen (Forum kommunistischer Arbeitsgemein- Schönbohm ist zu weit gegangen, aber
schaften); Martin Dietzsch; Regina Girod (Bund der Antifaschisten, Dachverband); Dr. Christel Hartinger (Friedenszen-
trum e.V., Leipzig); Hartmut-Meyer-Archiv bei der VVN - Bund der Antifaschisten NRW; Ulla Jelpke, PDS; Jochen Koeni- ob das die CDU weiß?
ger (Arbeitsgruppe gegen Militarismus und Repression); Marion Bentin, Edith Bergmann, Hannes Nuijen (Mitglieder Jörg Detjen ■
des Vorstandes der Arbeitsgemeinschaft gegen Reaktion, Faschismus und Krieg–Förderverein Antifaschistische Nach-
richten); Kreisvereinigung Aachen VVN-BdA; AG Antifaschismus/ Antirassismus in der PDS NRW; Angelo Lucifero (Lan-
desleiter hbv in ver.di Thüringen); Kai Metzner (Info Pool Network); Bernhard Strasdeit (MdB-Büro Winfried Wolf); Volk- Ausschnitte aus dem Interview sind
mar Wölk. auf Seite 16 nachzulesen.

: antifaschistische nachrichten 24-2002 15


: aus der faschistischen presse
Schönbohm als Innen-
Auszüge aus dem Interview Pflicht, an der Familie festzuhalten. Dies
minister nicht mehr tragbar
der Jungen Freiheit mit Jörg gilt ebenso beim Thema Nation – schon Zum Junge-Freiheit-Interview von Innenminis-
darum, weil wir ohne die Nation die ter Jörg Schönbohm erklärt Cornelia Behm,
Schönbohm, Innenminister deutsche Einheit nicht erklären können. bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete aus
von Brandenburg und Und deshalb sind auch die heute gerne Brandenburg:
stellv. Ministerpräsident verlachten klassischen bürgerlichen Tu-
genden, wie Erziehung, Leistung und Mit Entsetzen habe ich das Interview gelesen,
Dieter Stein / Moritz Schwarz (JF): Herr Verantwortung wieder so wichtig. … dass der Brandenburgische Innenminister
Schönbohm der Wochenzeitung „Junge Frei-
Minister, die CDU-Parteivorsitzende An- JF: Wie bewerten Sie das NPD-Verbots- heit“ gegeben hat.
gela Merkel nennt als Gründe für die verfahren unter dem Gesichtspunkt sei- Laut Bundesverfasssungsschutzbericht von
Niederlage der Union bei der Bundes- nes Anlasses, des Bombenattentates auf 2001 ist die Junge Freiheit ein Forum für
tagswahl den mangelnden Erfolg der die Düsseldorfer S-Bahn-Station im rechtsextreme Autoren. Es ist unglaublich,
Partei in urbanen Milieus und bei jungen Sommer 2000, das offenbar nicht auf das dass ein Innenminister einer solchen Zeitung
Leuten. Eine Analyse der Konrad-Ade- Konto von Rechtsextremisten geht? Interviews gibt. Schlimmer aber noch ist, was
nauer-Stiftung (JF43/02) kommt dage- Schönbohm: Ich habe bereits früher ge- er da sagt.
Herr Ministerpräsident, Sie haben sich in ih-
gen zu dem Ergebnis, daß die Union bei sagt, daß ich es für unverantwortlich ge-
rer Regierungserklärung zu einem toleranten
ihrer Stammwählerschaft der über 60jäh- halten habe, sofort Rechtsextremisten für Brandenburg bekannt. Ich fordere Sie auf: Tun
rigen die entscheidenden Prozente verlo- diese Tat verantwortlich zu machen, sie etwas dafür und entlassen Sie Ihren Innen-
ren habe. ohne irgendwelche Anhaltspunkte dafür minister Schönbohm.
Schönbohm: … Vergessen dürfen wir zu haben. Dies gilt ebenso für den An- Es ist ungeheuerlich, dass Herr Schönbohm
auch nicht die bereits erfolgten Einbür- schlag auf die Düsseldorfer Synagoge ei- der Aussage zustimmt, dass „es beim Kampf
gerungen über den Doppelpass. Ich nige Wochen später, der sich dann als gegen Rechts nicht wirklich um das Problem
unterstelle mal, dass es Rot-Grün dabei Anschlag im Kontext des Palästina-Kon- des Rechtsextremismus geht, sondern darum,
die Union unter Druck zu setzen“. Es ist eben-
in erster Linie um wahltaktische Ent- fliktes herausstellte. Dennoch wurde so ungeheuerlich, dass er den „Aufstand der
scheidungen, nicht um Integration ging. nach dem S-Bahn-Attentat nicht zum Zuständigen und Anständigen“ beim Kampf
... Als weiterer Faktor muß das Antreten Kampf gegen Rechtsextremismus, son- gegen den Rechtsextremismus als „verordne-
der Schill-Partei genannt werden, die dern zum „Kampf gegen Rechts“ aufge- ten, moralisch überhöhten Aktionismus“ und
immerhin fast ein Prozent bekommen rufen. Ich habe an solchen Veranstaltun- als „Anstands-Inszenierung“ verhöhnt. Mit sei-
hat. Wäre die nicht angetreten, dann sä- gen allerdings nie teilgenommen, son- nen Aussagen stellt er den Grundkonsens der
hen die Verhältnisse in Berlin heute ganz dern klargemacht: „Ich nehme keine demokratischen Parteien beim Kampf gegen
den Rechtsextremismus in Frage.
anders aus. Kerze in die Hand, sondern das Schwert
Schönbohm behauptet, dass „mit der heißen
JF: Tatsächlich geht es nicht nur um des Rechtsstaates“. Diese Äußerung hat Phase des Aufstandes Zuständiger und An-
Wohlstand und Rente, sondern – und das mir sehr viel Ärger eingebracht, was ja ständiger gegen Rechts die rechtsextrem moti-
machen sich die Menschen nicht klar – schon für sich spricht. Was da insgesamt vierten Straftaten parallel sprunghaft anstie-
um das Verschwinden der Deutschen als wirkte, war verordneter, moralisch über- gen“ und dass „seit dem Abflauen des Kampfs
historische und soziale Kategorie, eben höhter Aktionismus und der wurde gegen rechts auch diese Straftaten wieder
als Volk. schließlich sogar noch parteipolitisch ge- klar rückläufig sind“. Der Innenminister ver-
Schönbohm: Es ist richtig, daß wir in gen die CDU instrumentalisiert. Die trei- dreht hier in schamloser Weise Ursache und
Wirkung! Ein Innenminister, der mit seinen
diesem Land eigentlich ernsthaft die Fra- benden Kräfte dabei waren die Herren Aussagen all die Menschen verhöhnt, die sich
ge diskutieren müßten, ob wir wirklich Thierse und Fischer. gegen den Rechtsextremismus engagieren, ein
das deutsche Volk schrittweise reduzie- JF: Im Zuge des „Kampfes gegen Innenminister, der meint, V-Männer dürften
ren wollen. Denn das wird in der Tat am Rechts“ gelang es, die linksradikale The- Straftaten begehen, und der strafverfolgenden
Ende dieses Prozesses stehen. Wir wür- se, der Rechtsextremismus komme „aus Justiz auch noch vorwirft, sie führe einen politi-
den sozusagen in den Staub der Ge- der Mitte der Gesellschaft“, in der gesell- schen Prozess, ein solcher Innenminister ist für
schichte fallen. Deshalb halte ich eben schaftlichen Mitte zu verankern. den Rechtsstaat nicht tragbar. Wenn die Bran-
die Vorschläge zur Egalisierung aller Le- Schönbohm: Mit der heißen Phase des denburger CDU ihrem Landesvorsitzenden
nicht völlig hörig ist, dann muss sie ihn in Ren-
bensformen für falsch und sehe gar die „Aufstandes Zuständiger und Anständi- te schicken. Ich hoffe, die CDU hat im Interes-
se Brandenburgs den Mut dazu.
Cornelia Behm (MdB)
cornelia.behm@bundestag.de ■
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O Förder-Abo, 13 Hefte 27 Euro 14-täglich ger gegen Rechts“ stiegen die rechtsex-
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trem motivierten Straftaten parallel
O Förder-Abo, 26 Hefte 54 Euro
sprunghaft an. Seit dem Abflauen des
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O Ich möchte Mitglied im Förderverein Antifaschistische Nachrichten werden. Der Verein unterstützt finanziell
„Kampf gegen Rechts“ sind auch diese
und politisch die Herausgabe der Antifaschistischen Nachrichten (Mindestjahresbeitrag 60,- DM). Straftaten wieder klar rückläufig. Und
Einzugsermächtigung: Hiermit ermächtige ich den GNN-Verlag widerruflich, den Rechnungsbetrag zu Lasten jetzt stellt vor allem Herr Thierse diese
meines Kontos abzubuchen. (ansonsten gegen Rechnung) These auf: Da der Rechtsextremismus
aus der Mitte der Gesellschaft komme,
Name: Adresse: fände er nun verdeckt, nicht mehr offen
statt. Was damit bezweckt werden soll ist
Konto-Nr. / BLZ Genaue Bezeichnung des kontoführenden Kreditinstituts klar: Nämlich den Diskurs der verschie-
denen politischen Lager – der notwendig
Unterschrift
zu einer lebendigen Demokratie gehört –
GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, 50674 Köln, Tel. 0221 – 21 16 58, Fax 21 53 73, email: gnn-koeln@netcologne.de
zu unterbinden, um das konservative La-
Bankverbindung: Postbank Köln, BLZ 370 100 50, Kontonummer 10419507
ger erneut matt zu setzen. ... Das können
wir nicht hinnehmen. ■

16 : antifaschistische nachrichten 24-2002

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