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ALKOHOLE & ETHER

R R
Oδ δ O
H H δ H
δ H
O O
R R

1. ALKOHOLE UND ETHER ..................................................................................................................... 3


1.1 ALKOHOLE: DEFINITION & EINTEILUNG....................................................................................... 4
1.1.1 Nomenklatur....................................................................................................................... 5
1.1.2 Physiko-chemische Eigenschaften, Spektroskopie ........................................................... 6
1.1.3 Acidität und Basizität von Alkoholen.................................................................................. 7
1.2 ETHER & OXIRANE: DEFINITION & EINTEILUNG ......................................................................... 11
1.2.1 Nomenklatur..................................................................................................................... 12
1.2.2 Physiko-chemische Eigenschaften, Spektroskopie ......................................................... 13
1.3 REACTION MAP: ALKOHOLE & ETHER ....................................................................................... 14
2. REDOX-REAKTIONEN ...................................................................................................................... 15
2.1 ALLGEMEINES ZU REDOX-REAKTIONEN ..................................................................................... 15
2.2 OXIDATION VON ALKOHOLEN (OHNE C-C-SPALTUNG)................................................................ 17
2.3 OXIDATION VON ALKOHOLEN UNTER GLEICHZEITIGER C-C-SPALTUNG........................................ 22
2.4 PEROXID-BILDUNG: AUTOOXIDATION VON DIETHYLETHER & THF............................................... 23
2.5 OXIDATION VON AMINEN .......................................................................................................... 24
2.6 OXIDATIONEN IN BIOLOGISCHEN SYSTEMEN: NAD+ ................................................................... 25
2.7 REDUKTIONEN VON CARBONYLVERBINDUNGEN ......................................................................... 26
2.7.1 REDUKTIONEN ZU ALKOHOLEN ................................................................................................. 26
2.7.2 REDUKTIONSREAKTIONEN ZU ALDEHYDEN................................................................................. 31
2.8 WEITERE REDUKTIONSREAKTIONEN: AMINE & DERIVATE ........................................................... 34
2.9 KATALYTISCHE HYDRIERUNGEN ............................................................................................... 34
3. METALLORGANISCHE VERBINDUNGEN – HERSTELLUNG & ANWENDUNG .......................................... 38
3.1 METALLORGANISCHE VERBINDUNGEN ...................................................................................... 38
3.2 GRIGNARD-VERBINDUNGEN ..................................................................................................... 38
3.3 METALLIERUNGS-REAKTIONEN ................................................................................................. 40
3.4 ETHER ALS SCHUTZGRUPPEN FÜR ALKOHOLE ........................................................................... 45
5. SELBSTSTUDIUM ............................................................................................................................. 51
5.1 SELBSTSTUDIUM (SEITE 5) : NOMENKLATUR ALKOHOLE ............................................................ 51
5.2 SELBSTSTUDIUM (SEITE 10): REAKTION VON ISOBUTYLENGLYCOL ............................................. 52
5.3 SELBSTSTUDIUM (SEITE 13): NOMENKLATUR ETHER ................................................................ 53
5.4 SELBSTSTUDIUM (SEITE 17): OXIDATIONSZAHLEN ..................................................................... 54
5.5 SELBSTSTUDIUM (SEITE 21): NEUE VARIANTE DER SWERN-OXIDATION ...................................... 55
5.6 SELBSTSTUDIUM (SEITE 23): COPE ELIMINIERUNG .................................................................... 56
5.7 SELBSTSTUDIUM (SEITE 39): SYNTHESE VON 3-ALKYLCYCLOPENTENEN .................................... 58

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Weiterführende Literatur

• Vollhardt & Schore: Organische Chemie, 4. Auflage, VCH Verlag 2005.


• Brückner: Reaktionsmechanismen, 3. Auflage, Spektrum Akademischer Verlag, 2004.
• Sorrell: Organic Chemistry, 2nd Edition, University Science Book 2006.
• Clayden, Greeves, Warren, Wothers: Organic Chemistry, Oxford University Press 2001.

Internet

• www.chemgapedia.de
• www.organische-chemie.ch
• www.chem.wisc.edu/areas/organic/index-chem.htm
• www.cem.msu.edu/~reusch/VirtualText/intro1.htm

Weitere Übungen

• Vollhardt & Schore: Organische Chemie, 4. Auflage, VCH Verlag 2005.


• Sorrell: Organic Chemistry, 2nd Edition, University Science Book 2006.
• P.Y. Bruice: Organic Chemistry, Pearson 2005.

Bitte beachten Sie, dass das vorliegende Skript, Übungen etc. nur eingeschriebenen Studenten der ZHAW vorbehalten ist! Die
Unterlagen sind werden ausschliesslich zum Zweck des Unterrichts abgegeben und dürfen nicht an Dritte weitergegeben, reproduziert,
elektronisch oder anderweitig verändert oder manipuliert werden. Alle Rechte liegen beim Verfasser.

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1. ALKOHOLE UND ETHER

Beim Begriff Alkohol kommt einem sofort die Assoziation mit Ethanol, dem „Trinkalkohol“ der in
alkoholischen Getränken vorhanden ist. Die berauschende Wirkung ist schon seit Jahrtausenden
bekannt.
In der Synthese finden Alkohole eine breite Anwendung als Lösungsmittel, als Intermediate in
komplexeren Umsetzungen oder als interessante Zielverbindungen.

Lernziele

Alkohole & Ether


Definition, Nomenklatur, Eigenschaften
Reaction Map

Redox-Reaktionen
Oxidationszahlen, Definitionen
Oxidationen von Alkoholen: Cromat-Mechanismus, Swern-Oxidation
Reduktion von Carbonylverbindungen: LiAlH4- und NaBH4-Mechanismus
Synthese von Aldehyden
Katalytische Hydrierung

Metallorganische Verbindungen
Grignard-Verbindungen
Synthese & Schutzgruppen für Alkohole

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1.1 Alkohole: Definition & Einteilung1

Unter einem Alkohol versteht man eine offenkettige oder cyclische Verbindung der allgemeinen
Formel R-OH.
Alkohole können als Monosubstitutionsprodukte des Wassers aufgefasst werden. Dabei kann der
Rest R gesättigt, ungesättigt oder aromatischen Charakter aufweisen.

Anzahl OH-Gruppen Konstitution des Kohlenstoffrestes R


Gesättigt Ungesättigt Aromatisch
Alkohole mit einer OH- Alkanole bzw. Cyclo- OH-Gruppe direkt an dem Aromatische bzw.
Gruppe alkanole mit einer oder sp2-Kohlenstoff-atom der Phenole mit einer
mehreren OH-Gruppen π-Bindung gebunden: oder mehreren OH-
Vinylalkohole od. Enole. Gruppen

Oligo-Alkohole mit 2, 3, Mehrwertige Alkohole OH-Gruppe an gesättig-


usw. OH-Gruppen ten Nachbarkohlen-
(Diole, Triole, usw). stoffatom gebunden:
Polyalkohole mit vielen Allylalkohole
OH-Gruppen

Gesättigte Alkohole werden bezüglich der Art des eine Hydroxygruppe tragenden Kohlenstoffatomes
wie folgt weiter differenziert:

primär sekundär tertiär


H H R' R' R''
C
R OH R OH R OH

Struktur der Alkohole:

Die Strukturen der Alkohole ähneln denen des Wassers, mit einer gewinkelten Struktur und einer sp3-
Hybridisierung des Sauerstoffatomes. Die O-H-Bindung ist kürzer als die C-H-Bindung, dies zum Teil
wegen der höheren Elektronegativität des Sauerstoffes, entsprechend ist die O-H-Bindung auch
stärker. Die höhere EN des Sauerstoffes verursacht auch eine Polarisierung der Bindung, so dass das
Wassserstoffatom partiell positiv δ+ geladen sind, dies führt auch zu stabilisierenden Wasserstoff-
Brückenbildung. Dies zeigt sich in den hohen Siedepunkten von Alkoholen.

207 pm, ΔH° ca. 21


kJ/mol
96 pm, DH° ca.
R R 435 kJ/mol
Oδ δ O
H H δ H
δ H
O O
R R

1
Vollhardt & Schore (3te Ed.), Seiten 283-288.

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1.1.1 Nomenklatur

Alkohole werden im Wesentlichen auf vier verschiedene Arten bezeichnet:

a) Durch Verbindung des Namens des entsprechenden Alkans mit der Endung –ol. Die
Nummerierung des Alkans richtet sich nach der längsten Kette mit der Hydroxyl-Gruppe. Sie
erfolgt so, dass die Hydroxyl-Gruppe eine möglichst kleine Nummer erhält.
b) Man versteht die OH-Gruppe als Substitutent Hydroxy- am entsprechenden Alkan.
c) Durch Verbindung des Namens des entsprechenden Kohlenwasserstoff-Restes mit der Endung
–alkohol.
d) Eigennamen (Trivialnamen) wie Glykol, Phenol, u.a.m.

Beispiel Variante a) Variante b) Variante c)


OH 2-Propanol 2-Hydroxypropan Isopropylalkohol
(Isopropanol)

2-Methyl-1-propanol 1-Hydroxyisobutan Isobutylalkohol


OH

1-Methyl-1- 1-Hydroxy-1-methyl- -
OH cyclopentanol cyclopentan

OH Prop-2-en-1-ol 1-Hydroxy-2-propen Allylalkohol

Ethenol Hydroxyethen Vinylalkohol


OH

1,2,3-Propantriol 1,2,3- Glycerin


HO OH
Trihydroxypropan
OH

Selbststudium (Lösung Seite 51) : Nomenklatur Alkohole

Bestimmen Sie für die folgenden Verbindungen einen korrekten Namen nach IUPAC.

OH
OH OH

F3C COOH
OH OH

OH
OH Me HO
OH

NO2 H2N COOH

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1.1.2 Physiko-chemische Eigenschaften, Spektroskopie

Eigenschaft Beschreibung
Schmelz- & Siedepunkt Schmelz- und Siedepunkte von Alkoholen sind im Vergleich zu den
entsprechenden Alkanen und Halogenalkanen ungewöhnlich hoch.
Grund dazu ist die Bildung von Wasserstoffbrücken-Bindungen:

R R
Oδ δ O
H H δ H
δ H
O O
R R

Wasserstoffbrücken-Bindungen haben kovalenten Charakter, die


Bindungsenergie beträgt ca. 21-25 kJ/mol. Sie sind bei linearer
Anordnung besonders stabil.

Polarität Das Dipolmoment eines Alkohols gleicht etwa dem eines vergleich-
baren Halogenalkanes.
Die Alkohole bis zum C-4-Alkohol sind gut wasserlöslich. Mit zu-
nehmender Grösse des lipophilen Kohlenwasserstoffrestes nimmt die
Wasserlöslichkeit ab.

IR-Spektroskopie ν(O-H, frei) = 3590-3640 cm-1


ν(O-H, assoziert) = ∼ 3350 cm-1
ν(C-O, primär) = 1050 cm-1
ν(C-O, sekundär) = 1100 cm-1
ν(C-O, tertiär) = 1100-1200 cm-1

NMR-Spektroskopie Die chemische Verschiebung von Protonen am Alkoholsauerstoff


liegt je nach Lösungsmittel bei 1-4.5 ppm.
Die chemische Verschiebung δ für R-CH2-OH liegt ca. bei 3-4 ppm.

Chemische Nachweis- Der qualitative Nachweis – rote Farbe - gelingt mit Cerammonium-
Reaktion: nitrat-Lösung ([NH4]2Ce[NO3]6).
Der Lukas-Test (HCl, ZnCl2) erlaubt die Unterscheidung von tert.
Alkoholen (Bildung des entsprechenden Chloralkanes und somit
langsame Trübung) gegenüber primären Alkoholen.
Für Phenole ist ihre Farbreaktion – blaue bis violette Färbung - mit
1%-FeCl3-Lösung charakteristisch.

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1.1.3 Acidität und Basizität von Alkoholen2

Alkohole weisen eine von Konstitution und Lösungsmittel abhängige Acidität auf (S = Lösungsmittel,
Solvens):

KA
R OH + S R O + [SH]

Korrespondierende Base von Alkoholen bezeichnet man als Alkoxide bzw. Alkoholate. Im
Lösungsmittel Wasser wurden für die folgenden Alkohole unterschiedliche Aciditäten gefunden:

Verbindung pKA Ind. Effekt Verbindung pKA Ind. Effekt


HO-H 15.7 ClO-H 7.5

σAcc Abnahme
σDo Zunahme

CH3O-H 15.5 Cl-CH2CH2O-H 14.3


CH3CH2O-H 15.9 CF3CH2O-H 12.4
(CH3)2CHO-H 17.1 CF3CH2CH2O-H 14.6
(CH3)3CO-H 18.0 CF3CH2CH2CH2O-H 15.4

Interpretation:

• Alkohole sind wie Wasser schwache Säuren.


• Induktive Effekte erhöhen bzw. erniedrigen in Abhängigkeit vom Abstand zur Alkoholgruppe
die Acidität von Alkoholen.
• Zunehmende Gruppenhäufung der Alkylgruppen um die Alkoholgruppe erniedrigt die Neigung
zu Solvatation und Wasserstoffbrücken-Bildung und erniedrigt damit die Acidität.
• Mesomere Effekte beeinflussen die Acidität von Alkoholen noch wesentlich stärker (vgl. dazu
das Kapitel Enole).

Bildung von Alkoxiden3

Alkoxide sind die entsprechenden Salze von Alkoholen. Als Folge der schwachen Acidität der
Alkohole sind Alkoxide als korrespondierende Basen entsprechend starke Basen und werden als
Reagenzien in vielerlei Reaktionen eingesetzt. Alkoxide werden durch Umsetzung mit einem
Alkalimetall (Redox-Reaktion) oder durch Säure/Base-Reaktion mit einer stärkeren Base hergestellt.

R O Metall

Alkoxid

2
Vollhardt & Schore (3th Ed.), Seiten 288-291.
3
Vollhardt & Schore (3th Ed.), Seiten 322-323.

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- +
R-OH + Metall Æ R-O Me + ½ H2
mit Alkalimetallen
Redox-Reaktion
Alkoxide durch

Relative Reaktivität:
a) K > Na > Li > Mg
b) RG steigt mit zunehmender Acidität (abnehmender pKA-Wert) des Alkohols.

- -
R-OH + Base Æ R-O + Base-H
stärkeren Basen
Alkoxide durch
Säure/Basen-

Gleichgewichtslage:
Reaktion mit

-
a) Abhängigkeit von der Basizität von B .
b) Als Basen setzt man vorzugsweise solche ein, deren korrespondierende
Säuren flüchtig bzw. innert sind: NaH, NaNH2, Li(NCHMe2) (LDA), BuLi

Alkoxide können auf verschiedene Arten bezeichnet werden, die gängigsten Bezeichnungen sind die
Endungen –oxid oder –olat.

Verbindung Nomenklatur
Natrium-methoxid Natrium-methanolat
H3C O Na (Natrium-methylat)

O Lithium-isopropoxid Lithium-isopropanolat
Li
(Lithium-isopropylat)

O Kalium-tert-butoxid Kalium-tert.-butanolat
K
(Kalium-tert-butylat)

Basizität von Alkoholen / Oxoniumsalze4

Als Folge der freien Elektronenpaare am Sauerstoffatom zeigen Alkohole gegenüber starken Säuren
HX basische Eigenschaften und bilden durch Protonierung Oxonium-Salze:

H
O + HX O + X
R H R H

4
Vollhardt & Schore (3th Ed.), Seiten 334-343.

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Oxonium-Salze sind als Folge der schwachen Basizität der Alkohole starke Säuren (pKA ~ -3).
Beispiele finden sich in der folgenden Tabelle:

Oxonium-Salz pKA von Acidität Ind. Effekt


R-OH2+
+
CH3-OH2 -2.2

σDo Zunahme
+
CH3CH2-OH2 -2.4
+
(CH3)2CH-OH2 -3.2
+
(CH3)3C-OH2 -3.8

Oxonium-Salze sind günstige Vorstufen zur Bildung von Carbenium-Ionen am Beispiel für nucleophile
Substitutitions- oder Eliminierungsreaktionen. Oxonium-Salze primärer Alkohole sind demzufolge,
sofern keine Nucleophile vorhanden sind und keine Umlagerungsreaktionen nach Wagner-Meerwein
denkbar sind, stabil.

H
FSO3H
OH O
H
(SO2)fl
FSO3

+ -
So ist das Triethyloxonium-tetrafluoroborat Et3O BF4 als isolierbares, charakterisierbares Salz, das
sogenannte Meerwein-Salz, bekannt. Es findet als starkes Alkylierungsmittel Anwendung in der
Synthesechemie. In allen anderen Fällen bilden sich durch Abspaltung von Wasser Carbenium-Ionen,
bzw. findet nucleophile Substitution statt.

Übung:

Ordnen Sie die verschiedenen Alkohole in zunehmender Acidität:

OH OH OH OH
a)

Cl Cl
Cl

b)
H3C F3C Cl3C
OH OH OH
H3C F3C Cl3C

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Übung:

Ein Beispiel für die Bildung von Oxonium-Ionen mit nachfolgender Umlagerungsreaktion ist die
sogenannte Pinakol/Pinakolon-Umlagerungsreaktion. Vicinale Diole (Pinakole) lagern unter
Einwirkung starker Säuren zu umgelagerten Ketonen (Pinakolonen) um. Formulieren Sie einen
Mechanismus.

HO OH H2SO4, H2O O

Wasserdampfdestillation

Selbststudium (Lösung Seite 52): Reaktion von Isobutylenglycol

Bei der Umsetzung von Isobutylenglycol 1 mit H2SO4 bildet sich ausschliesslich Isobutanal 2.
Formulieren Sie dazu als Erklärung einen korrekten Reaktionsmechanismus.

O
H2SO4, ΔT
HO
OH H

1 2

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1.2 Ether & Oxirane: Definition & Einteilung5

Unter einem Ether versteht man eine offenkettige oder cyclische, gesättigte, ungesättigte oder
aromatische Verbindung der allgemeinen Formel:

O
R R'

Unter einem Oxiran, Oxacyclopropan (ältere Bezeichnung: Epoxid) versteht man einen cyclisch-
gesättigten Ether mit Dreiring-Struktur:

Die spezielle Beschreibung im Vergleich mit den "normalen" cyclischen Ether rechtfertigt sich einzig
aus ihrem besonderen Reaktionsverhalten als Folge der gespannten Dreiring-Struktur:

Dreiring Bezeichnung Ringspannung


Cyclopropan 114.8 kJ/mol

O Oxiran 144.2 kJ/mol

S Episulfid 82.8 kJ/mol

HN Aziridin 112.5 kJ/mol

Allgemeines Reaktionsschema:

OH
O
Nu
Nu
Der Übergangszustand für diese Addition unter Ringöffnung nach dem Muster einer SN2-Reaktion
liegt demgemäss um etwa die Hälfte der Ringspannung tiefer als bei einer normalen SN2-Reaktion.
Dementsprechend ist die RG bei Oxiranen um einen Faktor 1010 grösser. Oxirane finden daher ein
weites Anwendungsgebiet als reaktive Synthesebausteine wie auch für Gebrauchsstoffe (Epoxid-
Harze6).

5
Vollhardt & Schore (3te Ed.), Seiten 347-350.
6
Vollhardt & Schore (3te Ed.), Seite 362.

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1.2.1 Nomenklatur7

Für die Bezeichnung von Ethern kennt man drei Möglichkeiten:

a.) Nach IUPAC versteht man die Ether als Alkoxy-Derivate von Kohlenwasserstoffen (üblich
bei komplex strukturierten Beispielen). Cyclische Vertreter versteht man als entsprechende
Oxa-Derivate des entsprechenden Cycloalkans.
b.) Radikofunktionelle Bezeichnung mit der Endung: -ether (üblich bei offenkettigen, einfachen
und/oder symmetrischen Ethern).
c.) Trivial- oder Eigennamen.

Beispiele:

Beispiel Variante a.) Variante b.) Variante c.)


Ethoxy-ethan Diethylether Aether
O

2-Ethoxypropan Ethyl-isopropylether -

O 1,2-Dimethoxyethan Ethylenglycol- Mono-Glym


O dimehtylether

O Methoxybenzol Methyl-phenylether Anisol

O Oxacyclopropan - Ethylenoxid

Oxacyclopentan Tetramethylenoxid Tetrahydrofuran


(THF)
O

3-Ethenyloxy-propen Allyl-vinyl-ether -
O

7
Vollhardt & Schore (3te Ed.), Seite 348.

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Selbststudium (Lösung Seite 53): Nomenklatur

Bestimmen Sie für die folgenden Verbindungen einen korrekten Namen nach IUPAC.

O
O
O

O
S
O
D3C
O

1.2.2 Physiko-chemische Eigenschaften, Spektroskopie

Eigenschaft Beschreibung
Schmelz- & Siedepunkt Im Vergleich zu den entsprechenden Alkoholen tiefer, jedoch
etwas höher als die vergleichbaren Alkane.

Polarität Nahezu unlöslich in Wasser (Diethylether 4%). Mit organischen


Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar.

IR-Spektroskopie ν(Alkylether) = 1060-1150 cm-1


ν(Vinylether) = 1200-1275 cm-1

NMR-Spektroskopie Die chemische Verschiebung δ von Protonen in Ethern (-CH2O)


liegt ca. bei 2-4 ppm.

Bildung von Peroxiden: Etherperoxide entstehen durch Licht, Sauerstoff und Wärme.
Explosionsgefahr durch spontane Zersetzung (zBsp. Diiso-
propylether) oder durch Einengen (zBsp. Diethylether).

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1.3 Reaction Map: Alkohole & Ether
OH OH O O
Nucleophil:
El R R' R R' R R' R OH X: Br, I, Cl
R C: CN, Alkyn-,
R Nu
El: R'CHO El: R'COOMe El: R'CN El: CO2 O: HO-, RO-,
R MgX AN N: NH 3, N3-,
Grignar d-Reagenz S: RS-

Mg
SN
Nu
Nu
R X SN R OR'
H X NaX, Aceton R OSO2R'
X H
R' = Me, CF 3, pTo
R = OMs, OTf, OTsl
PX
a) HX b) HX, AIBN 3 or O
CX HX or
4 /PP h
3 R'SO2Cl,

, ΔT
Base R R'
b)

Base
or
a)

R OH
R COOX
a) or b) Redox R' = H
H OH
X = Hal, SR, OR,
HO H
conc. H 2SO4, ΔT N(OMe)Me
E1
b) BH3, then
R COOH
a) H2SO4, H2O or
Hg(OAc)2 then NaBH4 H2O 2/NaOH

Este
O Os r-Pyro
llyse
Co

O
o r Tsch
re

R OOH
(c uga ef
y-

f-R Ea
at
W

ktion
),N
in
te

M
r

R OAc or R-OC(S)SMe
,H

O H
2
O

HO OH

Nu-, Base H
NaIO4 or Pd(AcO)4
H
O O
H+, Nu
OH

H 1,2-Diole
OH HO

H HO H + O
Nu Nu H , DT

Pinakolol-Umlagerung
OH

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2. Redox-Reaktionen

2.1 Allgemeines zu Redox-Reaktionen8

Redoxreaktionen sind gemäss allgemeinem chemischem Verständnis Elektronenaustausch-


Reaktionen:

Anorganische Chemie: ….

Für die organische Chemie ist das Konzept der Elektronenübertragung bei Redoxreaktionen ist nicht
auf alle als Oxidation bzw. Reduktion bezeichneten Reaktionen übertragbar. Dies deshalb, weil dem
Kohlenstoff nicht immer eindeutig eine Oxidationszahl zugeordnet werden kann.

Beispiel:

Redox Red1 + Ox2 Æ Ox1 + Red2

Anorg. - -
2 Br + Cl2 Æ Br2 + 2 Cl
Chemie
Org. Chemie
C H + Cl2 C Cl + HCl

Um in der organischen Chemie zu brauchbaren Oxidationszahlen zu kommen, wird deren Definition


wie folgt modifiziert:

Die formale Oxidationszahl eines C-Atomes ergibt sich durch Vergleich der Elektronenzahl nach
erfolgter heterolytischer Spaltung der beteiligten σ-Bindungen gemäss der Pauling'scher
Elektronegativität mit der Elektronenzahl im nichtgebundenen C-Atom.

Bei Bindungsbildungen mit anderen C-Atomen werden diese unabhängig von der Hybridisierung
gleich behandelt. Demzufolge erfolgt in diesen Fällen immer eine homolytische Spaltung.

Oxidationsstufe Beispiele
-4 CH4

-3 CH3 R-CH3
-2 :CH2 H2C=CH2 H3COH H3CCl H3CNR2

-1 CH2Cl HC≡CH
0 [C] H2C=O H2C=NR H2CCl2 HC(OR)=CR2
2 :C=O :CCl2 HCOOH HCOOR HC≡N HC(OR)3
4 CO2 C(OR)4 ROC(O)OR R-N=C=O CCl4

8
Vollhardt & Schore (3th Ed.), Seiten 294-301; Brückner (1998), Seiten 485-494; Carey (2004), Seiten 1369-
1377.

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Gemäss dieser Betrachtungsweise kann man Redoxreaktionen in der organischen Chemie wie folgt
verstehen:

Als Oxidation in der organischen Chemie versteht man eine Umwandlung einer funktionellen Gruppe
in eine solche elektronegativeren Charakters und/oder höherer Bindungsordnung. Bei Reduktionen
ist es umgekehrt.

Redoxreaktionen lassen sich nach verschiedenen Kriterien einteilen. Vom Verständnis her am
zweckmässigsten ist eine Klassierung nach dem Reaktionsmechanismus. Dabei muss man
allerdings mit dem Handicap leben, dass bei einem Grossteil von Redoxreaktionen der
Reaktionsmechanismus nur rudimentär oder gar nicht bekannt ist. Trotzdem kann man in etwa
folgende Einteilung vornehmen:

a) Redoxreaktionen, bei denen die Elektronen als Elektronenpaare übertragen werden. Dabei
werden ionische Zwischenstufen durchlaufen. Dazu gehören alle Reduktionen mit komplexen
Hydriden wie LiAlH4 bzw. NaBH4 sowie Oxydationsreaktionen mit Chromsäure bzw. verwandten
Oxokomplexsäuren der Übergangsmetalle.

b) Redoxreaktionen, bei denen die Elektronen als Einzelelektronen übertragen werden. Dabei
werden radikalische Zwischenstufen durchlaufen. Dazu gehören alle Reduktionen mit Metallen
sowie Oxydationsreaktionen mit radikalbildenden Reagentien (Sauerstoff). Beispiele solcher
Redoxreaktionen werden aus zeitlichen Gründen nicht diskutiert.

c) Redoxreaktionen, bei denen die Elektronenübertragung im Sinne einer Einschrittreaktion erfolgt.


Dabei werden keine Zwischenstufen durchlaufen. Dazu gehören zum Beispiel die Bis-
Hydroxylierungen von Alkenen mit KMnO4 sowie im Idealfall die katalytische Hydrierung bzw.
Dehydrierung.

Übung:

Benzylalkohol ist mit Salpetersäure conc. Salpetersäure zu Benzoesäure zu oxidieren. Dabei bildet
sich neben der Benzoesäure Stickstoffmonoxid und Wasser:

OH OH
+ HNO3 + NO + H2O

- Bestimmen Sie die formalen Oxydationszahlen aller an der Reaktion beteiligten Stoffe.
- Welche Stoffe werden oxidiert, welche reduziert?
- Leiten Sie daraus die Koeffizienten für die dargestellte Redox-Reaktion ab.

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Selbststudium (Lösung Seite 50): Oxidationszahlen

Bestimmen Sie für die folgenden Verbindungen die Oxidationszahlen, Hybridisierung und Geometrie
der Kohlenstoffatome.

SH
Cl O
HN N
COOH
F O
OH O
O

2.2 Oxidation von Alkoholen (ohne C-C-Spaltung)9

Alkohole können je nach Reagenz und Reaktionsbedingungen zum entsprechenden Aldehyd/Keton


oder Carbonsäure oxidiert werden. Eine wichtige Unterscheidung ist hier, ob auf der Stufe des
Aldehydes gestoppt werden kann, oder ob die Oxidation bis zur Carbonsäure durchgeht.

Übliche Reagenzien sind Chrom(VI)-Verbindungen und „aktiviertes Dimethylsulfoxid“, neben diesen


Reagenzien gibt es noch eine Vielzahl von weiteren speziellen Oxidationsmitteln, welche Anwendung
finden, wenn die obigen versagen.

Oxidationsmittel sek. Alkohol Æ Keton prim. Alkohol Æ Aldeyhd Æ Carbonsäure


K2Cr2O7 Ja Nein Ja
verd. H2SO4
CrO3 Ja Zum Teil Ja
verd. H2SO4/Aceton für R = Aryl
Jones Reagenz
CrO3 x 2 Pyridin Ja Ja Nein
Collins Reagenz
PDC Ja Ja Nein
PCC Ja Ja Nein
Aktiviertes DMSO Ja Ja Nein
Dess-Martin Ja Ja nein

AcO OAc
N 2
I
CrO3 N H Cl CrO3 N H Cr2O7 O
2 2
O

Collins Reagenz Pyridinumchlorochromat Pyridinumdichromat Dess-Martin


PCC PDC

9
Brückner (1998), Seiten 494-501.

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Der Mechanismus für die Cr(VI)-Oxidation läuft via einen Chromsäurehalbester mit nachfolgender
Eliminierung nach E2 zum entsprechenden Aldehyd:

K2CrO 7 / H 2SO 4
OH O
Destillation

Die Chromige Säure H2Cr+IVO3 ist nicht stabil und verwandelt sich via eine Disproportionierung sowie
eine Folge-Oxidation in das stabile, dreiwertige und grüne Cr+III -Ion um:

Disproportionierung
Cr +IV + Cr+VI 2 Cr+V

-I Redox-Reaktion +I
2 Cr+V + 2 R-CH 2OH 2 R-CHO + 2 Cr +III

Somit lautet die Stöchiometrie der Alkohol-Oxydation:

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Arbeitet man mit Kaliumchromat oder dem Jones Reagenz so kann der gebildete Aldehyde nur
isoliert werden, wenn es gelingt ihn als leichtflüchtige Komponente aus der Reaktionsmischung
abzudestillieren, ansonsten wird er gleich zur Carbonsäure weiteroxidiert. Dies geschieht über das
Aldehyd-Hydrat, welches sich in Gegenwart von Wasser bildet. Die Oxidation zur Carbonsäure folgt
dem gleichen Mechanismus wie der zur Oxidation zum Aldehyd. In alkoholischen Lösungsmittel
beobachtet man in Analogie die Bildung von Ester.

O H 2O

R H

O R'OH

R H

Praktisches Beispiel: Cr(VI)-Oxidation10

O O

H H
CrO3

HO O

Pregn-2-en-3,20-dion: Eine Lösung von Cr(VI)O3 (75 mmol) in 4M H2SO4 (28 ml) wird bei 10°C
vorsichtig zu einer Lösung von 3β-Hydroxy-5-en-20-on (100 mmol) gelöst in 1.2 L Aceton zugetropft.
Nach 5 min. wird ein Überschuss Oxdiationsreagenz durch die Zugabe von MeOH zerstört. Die
Reaktionsmischung wird in kalte NaCl-Lösung gegossen, der Niederschlag abfiltriert, gewaschen und
weiter umkristallisert. Ausbeute: 90%.

Da Cr(VI)-Verbindungen als krebserzeugend eingestuft sind, sind chromfreie Oxidationsmethoden


sehr gefragt und für industrielle Anwendungen zwingend. Als Beispiel dazu werden die Methoden mit
aktivierten Dimethylsulfoxid detaillierter besprochen. Je nach Methode zur Aktivierung des DMSO
spricht man von einer:
O
S Aktivator
Me Me O
R OH
R
- Me2S
Aktivierung von DMSO mit Namensreaktion
Oxalylchlorid (COCl)2 oder Swern-Oxidation
Trifluoressigsäureanhydrid (TFFA)
Dicyclohexylcarbodiimid (DCC) Moffatt-Pfitzner-Oxidation
Pyridin-SO3 Parikh-Döring („Industrial Swern“)

10
Science of Synthesis, Band 26, Seite 47.

Februar 2008, v4, r.marti 19/59


Der Mechanismus verläuft über ein Sulfoniumsalz welches durch Zugabe von Base zum Ylid
deprotoniert wird. Dieses Zerfällt über eine β-Elimination mit einem cyclischen Übergangszustand zur
Carbonylverbindung und zu Dimethylsulfid.

O
Cl
Cl
O O
S
Me Me

Ein häufiges Nebenprodukt bei der Swern-Oxidation sind (Methylthio)methyl-Ether. Ihr Anteil hängt
stark von den Reaktionsbedingungen ab (Art der DMSO-Aktivierung, Reaktionstemperatur) und kann
durch die Addition des Alkohols an das Pummerer-Umlagerungsprodukt CH2=+SCH3 des aktivierten
DMSO verstanden werden.

Cl Cl
Cl R OH
Me S Me S R O S
CH2 CH2
H

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Praktisches Beispiel: „Industriel Swern Oxidation“11

Me Me
SO3 - Pyridin
x TsOH
N DMSO, NEt3 N
HO Bn O Bn

1 2

N-Benzyl-4-methyl-piperidin-3-one (2): A 200-L scrubber was charged with 13-15% bleach (60 L)
and water (60 L). A 640-L vessel was charged with SO3-pyridine (51.47 kg, 323.1 mol, 3.0 equiv).
DMSO (169 L) was added, and it was heated slowly at 33 °C IT. After a solution was obtained, it was
cooled to 25 °C prior to be transferred into the feed tank of the vessel. The TsOH salt 1 (40.9 kg,
107.7 mol) was added into the vessel and suspended in DMSO (50 L). After the addition of Et3N (62 L,
43.8 mol, 4.0 equiv), the SO3-pyridine solution in DMSO was added to the two phase mixture in the
vessel at such a rate as to keep the IT below 25 °C. After 1 h stirring at 22 °C IPC showed 92%
conversion. The mixture was cooled to 10 °C prior to quenching with water (182 L) over a period of 40
min at such a rate as to keep IT below 17 °C; 25% NH3 solution (16 L) was added during 8 min. IPC
showed a pH of 10. After phase separation, the aqueous phase (ca. 445 L) was extracted with three
portions of toluene (3 x 60 L) while controlling the pH of the aqueous phase after each extraction: the
first aqueous phase had a pH of 7, and 25% NH3 solution (6 L) was added to reach pH 10. The
second aqueous phase had a pH of 8, and 25% NH3 solution (6 L) was added to reach pH 10. The
combined organic phases (ca. 240 L) were extracted with water (61 L), and the bright-orange solution
was heated at 40-50 °C jacket temperature during 1 h while blowing a nitrogen stream into the solution
via an immersing tube (This is to chase the dimethyl sulfide from the organic solution into the
scrubber). Then, toluene (170 L) was stripped off at 50 °C to afford the product 2 (50.84 kg, 93%) as
an orange solution in toluene. Purity: 87.4% a/a (GC); LOD = 54%; the toluene solution was
processed directly in the next step.

Selbststudium (Lösung Seite 55): Neue Variante der Swern –Oxidation

In einer neueren Publikation wurde Trichlor-1,3,5-triazin (TCT) als neues Aktivierungsreagenz für die
Swern-Oxidation beschrieben (De Luca et al., J. Org. Chem. 2001, 66, 7970-7909). Formulieren Sie
einen Mechanismus für die Oxidation mit DMSO/TCT.

Cl
δ
O N N

Me Me Cl N Cl

OH TCT O

R R' R R'

11
Ripin et al., Org. Process Res. Dev. 2003, 7, 115-120.

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Übung:

Bestimmen Sie für die folgenden Reaktionen die Produkte:

K2Cr2O7

OH
Swern-Oxidation
OH

Collins-Reagenz

K2Cr2O7

OH

PCC

? O

OH
O
?
OH

2.3 Oxidation von Alkoholen unter gleichzeitiger C-C-Spaltung12

Vicinale Diole, so genannte Glycole, werden unter gleichzeitiger Spaltung der C-C-Bindung oxidiert.
Dabei wird als Reagenz Natrimperiodat NaIO4 verwendet, seltener Bleitetraacetat. Der
Reaktionsmechanismus verläuft über einen cyclischen Periodat-Ester, der unter Fragmentierung zu
den entsprechenden Aldehyden zerfällt. Glycole, in denen aufgrund von sterischen Gründen die
Ausbildung des cyclischen Zwischenstufe nicht möglich ist, sind gegenüber der oxidativen
Periodatspaltung praktisch innert. Die oxidative Spaltung von solchen 1,2-Diolen ist hingegen mit
Bleitetraacetat möglich, da mit diesem Reagenz auch ein offenkettiger Mechanismus möglich.

R OH
NaIO4

R' OH - H 2O

12
Brückner (1998), Seiten 503-505; Carey (2004), Seiten 1401-1402.

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2.4 Peroxid-Bildung: Autooxidation von Diethylether & THF13

Unter Autooxidation versteht man die „flammenfreie“ Verbrennung/Umsetzung von organischen


Molekülen mit Sauerstoff. Bedeutend sind hauptsächlich Reaktionen, die über hinreichend stabile
Radikale laufen, d.h. Allyl, Benzyl, tertiäre Alkane. Als Beispiel sei die technische Synthese von
Cumolhydroperoxid aufgeführt (Cumol und Luftsauerstoff) – das Peroxid wird aber nicht in Substanz
isoliert, sondern nach einer Umlagerunsreaktion zu Aceton und Phenol weiter umgesetzt.

Diethylether und Tetrahydrofuran, zwei gängige Lösungsmittel im Labor sind leider auch relativ leicht
autooxidierbar; in einer Substitutionsreakton in α-Stellung entstehen die thermisch labilen Hydro-
peroxide. Die α-Position ist leicht autooxidierbar, da ein Radikal durch eine Wechselwirkung mit dem
freien Elektronenpaar am Sauerstoff stabilisiert wird, ähnlich einer Hyperkonjugation eines p-Orbitals
mit dem σ(C-H)-Molekülorbital. Bei tert-Butylmethylether kann das nicht passieren, da einerseits keine
α-Wasserstoffatome verfügbar sind und das Me-Radikal nicht stabilisiert ist.

H O Radikal O
+ Radikal-H

O O2 O
O
O

O H O O O
O O
O H +
O

Selbststudium (Lösung Seite 56): Cope Eliminierung

Folgende beide diastereoisomeren Amine werden einer Cope-Eliminierung unterworfen; für das eine
erhalten Sie zwei Produkte, beim anderen finden Sie nur eines. Erklären Sie diesen Befund mit
einem Reaktionsmechanismus. Wie würden Sie die Amine aus (+)-Menthol herstellen?

1) H2O2
? + ?
N 2) ΔT

1) H2O2
N
2) ΔT
?

13
Brückner (1998), Seiten 30-32.

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2.5 Oxidation von Aminen14

Amine werden je nach Struktur zu Nitroverbindungen, Hydroxylaminen oder N-Oxiden oxidiert:

O
NH2 O NO2 Nitroverbindung
R R
Dimethyldioxiran

O OH
H
N O N Hydroxylamine
R R' R R'

R'' R''
H2O2 oder
N N O N-Oxide
R R' R
R'
O

R OOH

N-Oxide können einfach in Analogie zu einer Esterpyrolyse, respektive Tschugaeff-Reaktion in einer


syn-Eliminierung über einen 5-gliedrigen Übergangszustand zu Alkenen eliminieren; die Reaktion ist
als Cope-Eliminierung bekannt:

H3C
H3C N O R'
Cope-Eliminierung
R' H R' N OH
R ΔT R
R'
R R

Syn-Eliminierung

14
Vollhardt & Schore (4te Ed.), Seiten 1125ff; Brückner (3te Ed.), 768ff.

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2.6 Oxidationen in Biologischen Systemen: NAD+

Redox-Reaktionen an Hydroxyfunktionen finden sich auch in biologischen Systemen. Die Oxidation


von Alkoholen wird durch das Enzym Alkoholdehydrogenase katalysiert, hierzu wird ein zusätzliches
kleines organisches Molekül mitbenötigt, Nikotinamidadenindinucletid NAD+, welches als Coenzym
die Reaktion erst erlaubt. Das Enzym wird benötigt um die Reaktionspartner (Alkohol und NAD+)
korrekt anzuordnen und das Coenzym fungiert als Hydrid-Acceptor. Durch Markierungsexperimente
mit Deuterium konnte gezeigt werden, dass selektiv nur das HSi abstrahiert wird.

NH2
H3C Enzym / NAD+ H3C O O N
OH O
H P O
D - NADH D
O
O OH OH
O NH2
P
N
N
O O
H O H H O
N N
-
2e +H + O
NH2 NH2

N N OH X
R R

X = OH: NAD+
NAD+ NADH
X = OPO3-2: NADP+

Der alkylierte Pyridinring im NAD+ fungiert als Hydrid-Acceptor, in dem er die beiden Elektronen des
zu übertragenden Hydrides (H- = 2 e- und H+) durch das positiv geladene Stickstoffatom „neutralisiert“.
Dieser Mechanismus findet sich in vielen weiteren Redox-Reaktionen, wie zum Beispiel im
Zitronensäure-Zyklus in der Oxidation von Isocitrat zu α-Ketoglutarat sowie von der Oxidation von
Malat zu Oxalacetat.15

B B
H
H
O O

H3 C H H O H3 C H H O
D
D
NH 2 NH 2

N N
R R

15
K. Roth, Chem. in unserer Zeit 2005, 39, 348-354.

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2.7 Reduktionen von Carbonylverbindungen

Die Umkehrung der Oxidation von Alkoholen ist die Reduktion von Carbonylverbindungen,
Aldehyde/Ketone/Carbonsäurederivaten zu den entsprechenden Alkoholen. Es gibt eine Vielzahl von
Reagenzien und Methoden um je nach Problemstellung die Carbonylfunktion chemo
/regio/stereoselektiv zu Reduzieren.

R H

O O O H

R OH R O R

O O

R
R O R X

O H

R R'

2.7.1 Reduktionen zu Alkoholen16

Die Standardreagenzien zur Reduktion von Carbonylverbindungen zu Alkoholen sind vom


Aluminiumhydrid- und Borhydrid-Typ. Die beiden Reagenzientypen haben unterschiedliche
Reaktivitätsabstufungen und ergänzen sich somit ideal, so dass bei Bedarf chemoselektiv reduziert
werde kann (siehe Übersicht).
Neben den hier aufgeführten Reduktionsmitteln gibt es noch eine Vielzahl von weiteren Varianten
und alternativen Reagenzien, die je nach Aufgabenstellung eingesetzt werden.

16
Carey (2004), Seiten 977-988; Brückner (1998), Seiten 271-291.

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Al-Hydrid Typ B-Hydrid Typ
LiAlH4 LiAlH(O-tBu)3 (iBu)2AlH NaAlH2(OCH2CH2OMe)2 BH3- NaBH4 LiBH4 LiEt3BH
DIBAL Red-Al THF Superhydrid

O OH
+ + + + + + + +
R H R

O OH
+ + + + + + + +
R R' R R'

O OH
+ + + + - + + +
R Cl R

O OH
+ ± + + - - + +
R OR' R

O OH
+ - + + + - - -
R OH R

O O X= X = OR,
X = Cl - - X = Cl - -
R X R
NMe(OMe) NMe(OMe)

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Die Reaktionsmechanismen der Hydrid-Reduktion verlaufen über die nucleophile Addition eines
Hydrid-Wasserstoffatomes an die elektrophile Carbonylgruppe. LiAlH4 und NaBH4 haben je vier
aktive Hydride, die übertragen werden könne.

• Mechanismus der LiAlH4-Reduktion

LiAlH4 ist ein sehr starkes Reduktionsmittel. Als Lewis-Säure aktiviert es durch Komplexierung die
Carbonylgruppe noch zusätzlich. Die Hydridübertragung erfolgt stufenweise, wobei die Reaktivität
durch die zusätzlichen Alkoxygruppen stetig herabgesetzt wird. Dieser Effekt wird auch verwendet
um weniger reaktive Al-H-Redutionsmittel zu erhalten, zum Beispiel LiAlH(O-tert-Bu)3.
Üblicherweise arbeitet man in innerten Lösungsmittel wie THF oder Diethylether. Das gebildete
Aluminiumtetraalkoxid muss in einem Aufarbeitungschritt zur Freisetzung des Produktes hydrolysiert
werden. Dabei unterscheidet man zwischen der sauren Aufarbeitung und der basischen (Beispiele
für die praktische Durchführung folgen).

• Mechanismus der NaBH4-Reduktion

Die Reduktion von Carbonylverbindungen mit NaBH4 benötigt eine Aktivierung der C=O-Gruppe
durch Wasserstoffbrückenbildung mit alkoholischen Lösungsmitteln. Es muss beachtet werden, dass
NaBH4 z.Teil auch mit dem Lösungsmittel reagieren kann, zum Beispiel beobachtet man eine heftige
Reaktion mit Methanol, hingegen mit Isopropanol nur eine sehr schwache!
Die Hydridübertragung erfolgt stufenweise, wobei die zusätzlichen Alkoxygruppen wenig, bis keinen
Einfluss auf die Reaktivität haben. Hingegen sind LiBH4 und Ca(BH4)2, da Li+ und Ca2+ stärkere
Lewis-Säuren als Na+ sind, deutlich reaktiver als Natriumborhydrid und reduzieren sogar Ester.

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Beispiel: Reduktion eines Aldehydes mit LiAlH4 – saure Aufarbeitung17

O OH

Heptanol: Zu einer Lösung von 19.0 g (0.5 mol, 1.14 eq.) Lithiumaluminiumhydrid in 600 ml
Diethylether werden unter Rühren unter trockener Stickstoff-Atmosphäre 200 g (1.75 mol, 1 eq.)
Heptanal so zugetropft, dass die Mischung schwach siedet. Nach 10 min. wird unter starken Kühlen
mit Essigester zersetzt, in 200 ml Eiswasser gegossen, mit 1l 10% H2SO4-Lösung angesäuert, die
Ether-Phase abgetrennt und die wässrige Phase 2x mit je 100 ml Ether extrahiert. Die vereinigten
Ether-Phasen werden über MgSO4 getrocknet, eingeengt und der Rückstand fraktioniert destilliert
(175 °C). Ausbeute: 175 g (86%).

Beispiel: Reduktion eines Esters mit LiAlH4 – basische Aufarbeitung18

OMe
OMe
OMe
OMe
MeOOC HO

4-(Dimethoxymehyl)benzylalkohol: Der Ester (10.6 g, 50 mmol, 1 eq.) wurde in 50 ml Ether gelöst


und bei 0°C zu einer Suspension von 1.4 g (36.8 mmol, 1.45 eq.) Lithiumaluminiumhydrid in Ether
(80 ml) getropft. Nach 1h bei RT wurde das Reaktionsgemisch vorsichtig mit 1.4 ml Wasser, 1.1 ml
20% NaOH-Lösung und 4.9 ml Wasser hydrolysiert. Die resultierende grau-weisse Suspension wird
mit MgSO4 versetzt, filtriert, der Rückstand gut mit Ether gewaschen und das Lösungsmittel am

17
Houben-Weyl, Band IV/1d, Seite 277.
18
Dissertation R.Marti, ETHZ No. 11571 (1996).

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Rotationsverdampfer bei reduziertem Druck abdestilliert. Ausbeute: 9.0 g (95%).
Beispiel: Reduktion eines β-Ketoesters mit NaBH4

O O OH O

OEt OEt

2-Hydroxy-1-methyl-cyclohexancarbonsäure ethylester: 5.0 g (28 mmol, 1.0 eq.) β-Ketoester


wurde in 20 ml Ethanol gelöst und unter Rühren mit bei 0°C portionenweise mit 0.52 g (14 mmol, 2.0
eq.) NaBH4 versetzt. Man rührt 3h bei RT, kühlt auf 0 °C ab, zersetzt mit 5 ml 5M HCl-Lösung und
dampft ein. Der Rückstand wird in Wasser gelöst, mit Ether extrahiert, die organisch Phase mit
NaHCO3-Lösung und Wasser gewaschen, über MgSO4 getrocknet, das Lösungsmittel am
Rotationsverdampfer bei reduziertem Druck abdestilliert. Ausbeute: 4.08 g (81%).

Werden unsymmetrische Ketone zu den sekundären Alkoholen reduziert, so erhält man ein neues
Stereozentrum. Es gibt in der Literatur viele Beispiele für die enantioselektive Reduktionen von
Ketonen. So gibt es neben den stöchiometrisch benötigten Reagenzien wie BINAL-H oder den Bor-
Reagenzien (Alpine-Boran oder (Ipc)2BCl) auch katalytische Varianten wie das Boroxazolidinon von
Corey-Itsuno, welches in Kombination mit BH3 verwendet wird.

O OH

R R' R R'

sek. Alkohol

Beispiele:
BCl

O OEt
Al 2
O H B

(+)-(IPC)2BCl

BINAL-H

(+)-Alpine-Boran H
H
RR
HB
H O
Rklein

Rgross

H
O
N B Me
O
Me B Rklein
N
O
H H2B
Corey-Itsuno H Rgross

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Übung:

Geben Sie die Produkte für die folgenden Umsetzungen:

O O LiAlH4

O O
NaBH4
O

CHO DIBAL

O LiAlD4

2.7.2 Reduktionsreaktionen zu Aldehyden

Im Allgemeinen ist die selektive Reduktion von Carbonsäurederivaten zu Aldehyden nicht so einfach
zu bewerkstelligen, da vielfach sofort Weiterreduktion des reaktiven Aldehydes zum primären Alkohol
stattfindet. Häufig wird vollständig zum prim. Alkohol umgesetzt und in einem zusätzlichen
Reaktionsschritt zum Aldehyd re-oxidiert.

O O
H H
R OR/X R

Carbonsäure-Derivate Aldehyd

Trotzdem gibt es selektive Methoden, welche erlauben die Reduktion so zu führen, dass der
entsprechende Aldehyd isoliert wird; einige dieser Methoden sind im Folgenden aufgeführt.

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Rosenmund-Reduktion

O H2 , Pd-BaSO 4, Toluol O

R Cl - HCl R H

H 2, Pd-BaSO 4
H
syn-Addition H O

R Cl - HCl

Anmerkung:

• Das abgespaltene HCl-Gas entweicht sofort und kann durch verd. NaOH aufgefangen werden.
• Rücktitration ergibt Informationen über dem Umsatz der abgelaufenen Reaktion.

Fukayama-Reduktion

Wie schon erwähnt wird die Umsetzung von Carbonsäuren zu Aldehyden häufig in zwei Schritten
durchgeführt: Reduktion der Carbonsäure-Derivates zum Alkohol und Nachfolgend eine milde
Oxidation (zBsp. Swern-Oxidation). Als direkte Methode, welche von funktionellen Gruppen toleriert,
ist die Fukuyama-Reduktion bekannt. Sie erlaubt die einfache und selektive Umsetzung von
Thioestern zu den entsprechenden Aldehyden.

O Et3SiH, Pd-Katalysator O

R SEt R H

Der Mechanismus verläuft über eine oxidative Addition von Pd(0) an die C(sp2)-σ-Bindung, gefolgt
von einer Transmetallierung mit Et3SiH. Eine abschliessende reduktive Eliminierung des Acyl-
palladiumhydrides führt zum gewünschten Aldehyd. Die Reaktion ist katalytisch in Palladium.

O
O
R SEt
R H "Pd"

O
O
R Pd(II) H
R Pd(II) SEt

Et3SiSEt Et3SiH

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Wird anstelle von Et3SiH ein geeignetes Organometall-Reagenz mit den entsprechenden
Übergangsmetallkatalysatoren verwendet, so ist in einer Fukuyama-Kupplung19 die Synthese von
Ketonen möglich:

O R' O O
R'ZnI
R Pd-Katalysator R SEt Pd-Katalysator R R'
R' CuI

Reduktion von Nitrilen

Nitrile werden je nach Reaktionsbedingungen zum Amin oder zum entsprechenden Aldehyd
reduziert. Mit LiAlH4 erhält man das primäre Amin, mit DIBAL (i-Bu2Al-H) wird mit einem Equivalent
und bei tiefer Temperatur auf der Stufe des Imino-Derivates gestopt und nach wässriger Aufarbeitung
erhält man den Aldehyd; mit Überschuss und höherer Temperatur erfolgt weitere Reduktion und man
isoliert das Amin.

Li
H H
H C N H C N H
C N Li Al R Al
R H H Li
R H
H

AlH3
H3O+, H2O
H-AlH3

H H
C N
R R NH2

H3O+, H2O

i-Bu
H Al i-Bu
H-Ali-Bu2 H
C N i-Bu
Al C N i-Bu
R R Al
i-Bu H
i-Bu

H3O+, H2O

R H

19
Fukuyma & Tokuyama, Aldrichimica Acta 2004, 37, 87.

Februar 2008, v4, r.marti 33/59


2.8 Weitere Reduktionsreaktionen: Amine & Derivate

Eine Vielzahl von funktionellen Gruppen lässt sich zu Amin-Derivaten reduzieren; mehr Details finden
sich im Skript „Amine“.

R'' R''
N HN

R R' R R'

R N3

R NO 2 R NH2

N
C
R
O
R''
R'' R N
R N
R'
R'

2.9 Katalytische Hydrierungen

Katalytische Hydrierungen mit Wasserstoff in Gegenwart eines Edelmetall-Katalysators zeichnen sich


für ihre Chemoselektivität bezüglich C=C-Doppelbindungen und benzylischen C-X-Bindungen aus;
C=O-Gruppen werden im Allgemeinen nicht angegriffen. Benzol-Derivate können auch hydriert
werden, häufig ist hier hoher Druck und Temperatur nötig.

H R
X H

H R
H X = N, O X

Pd, Pt, Ni Pt, Rh, Ni und Pd


hoher Druck

Die Wahl des Katalysators mit Additiven und Trägermaterial erlaubt einerseits ein breites
Einsatzgebiet und andererseits ein Fine-tuning einer speziellen Reaktion. Die Auswahl des
richtigen/besten Katalysators ist eine hohe Kunst und hat viel mit Erfahrung & Know-how zu tun!

Typische Katalysatoren:

Pd-C, Pd-Al2O3 Palladium auf Aktivkohle/Alox, üblicherweise 5-20% Beladung; häufig


ist der Katalysator mit Wasser befeuchtet um eine Selbstentzündung
zu unterbinden
Pd auf BaSO4 oder Lindlar-Katalysator; „vergifteter“ Katalysator mit reduzierter Aktivität für
Pd auf PbO/CaCO3/Chinolin die Hydrierung von Alkinen
PtO2 Adam’s Katalysator; Prekatalysator welcher unter den
Reduktionsbedingungen zum aktiven Katalysator, Pt, reduziert wird

Februar 2008, v4, r.marti 34/59


Hydrierung von Alkenen zu Alkanen

Hydrierung von C=C-Doppelbindungen in Gegenwart eines Edelmetalls (Pd, Pt, Ni..) verläuft mit hoher
cis-Selektivität. Üblicherweise wird das Alken in einem inerten Lösungsmittel (zBsp. MeOH, EtOH,
AcOEt) mit Wasserstoff in Gegenwart eines Katalysators unter Normaldruck oder leicht erhöhtem
Druck umgesetzt.
H
H2, Katalysator
R R
R' R'
H

R2 R3
R1 R4
H H H H

Pd Pd Pd Pd Pd Pd Pd Pd Pd

R3 R4 R3 R4
R2 R2
R1 H H R1 HH
R3 R4
Pd Pd Pd Pd Pd Pd
R2
R1 H
H

Die Reaktion ist exotherm und die Hydrierungswärme beträgt für fast alle Alkene ungefähr 120
kJ/mol für jede Doppelbindung. Obwohl exotherm, verläuft die unkatalysierte Reaktion – selbst bei
erhöhter Temperatur – mit vernachlässigbarer Geschwindigkeit. Der Katalysator, üblicherweise
Edelmetalle wie Palladium, Platin oder Nickel, erniedrigt die Aktivierungsenergie und erlaubt so die
Umsetzung bei Raumtemperatur. Der Katalysator aktiviert den Wasserstoff, denn ohne das Metall ist
die Spaltung der starken H-H-Bindung energetisch kaum möglich. Die Wasserstoffatome sind dann
an die Metalloberfläche gebunden und werden so sukzessiv an die Doppelbindung des adsorbierten
Alkens übertragen, d.h. die Hydrierung verläuft stereoselektiv mit cis-Selektivität, d.h. beide
eintretenden Wasserstoffe kommen von der gleichen Seite. Aufgrund von sterischen Gründen
reagieren monosubstituierte Ethylene rascher als 1,1-disubstituierte, und diese wiederum rascher als
cis disubstituierte Olefine:

R R R R R R R R R
> > > > >
R R R R R

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Hydrierung von Alkinen zu Alkenen

Alkine können mit Wasserstoff in Gegenwart eines Katalysators zu Z-Alkenen reduziert werden. Dabei
ist darauf zu achten, dass nicht zum Alkan „durchhydriert“ wird. Dazu verwendet man einen
desaktivierten („vergifteten“) Katalysator. Der gebräuchlichste ist der so genannte Lindlar-Katalysator
(Pd auf BaSO4 oder Pd auf PbO/CaCO3/Chinolin). Der Mechanismus verläuft analog der Hydrierung
von Doppelbindungen, was auch die hohe cis-Selektivität erklärt.

H2, Lindlar-Pd-Katalysator

Z-3-Hepten

Um aus Alkinen E-konfigurierte Alkene zu erhalten, kann man die Bedingungen von Birch anwenden:
gelöstes Natrium in flüssigem Ammoniak. Das Natrium reagiert als Reduktionsmittel und der
Mechanismus verläuft über Radikale. Die Stereochemie der Doppelbindung wird durch das bevorzugt
gebildete sterisch weniger behinderte trans-Alkenyl-Radikal bestimmt.

1) Na, flüssiges NH 3

2) H2 O
E-3-Hepten

Februar 2008, v4, r.marti 36/59


Übung

Geben Sie für folgende Reaktion die Produkte/Reagenzien an:

? ?

O
H2, Pd-C

H 2 , Pd-C
COOMe
O

COOMe H2 , Pt

50 bar, 50 °C
MeOOC

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3. Metallorganische Verbindungen – Herstellung & Anwendung20

3.1 Metallorganische Verbindungen

Die Kohlenstoff-Metall-Bindung ist aufgrund des grossen Elektronegativitätsunterschieds von C und


Metall stark polarisiert, wobei der elektronegativere Kohlenstoff formal als Carbonion vorliegt. Metall-
organische Verbindungen reagieren somit als Nucleophile, respektive als starke Basen. Synthetisch
bedeutsam sind Lithium-, Magnesium- (Grignard) und Zink-Verbindung.

E
H
H
C Li
Metall H
2s

sp3

3.2 Grignard-Verbindungen

Alkylhalogenide lassen sich durch Reaktion mit elementarem Magnesium in die entsprechende
organometallische Grignard-Verbindung umsetzen. Diese Reaktion wurde 1901 von Victor Grignard
entdeckt und die Arbeit wurde 1912 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.21

Der Mechanismus verläuft über radikalische Zwischenprodukte, dabei gehen stereochemische


Eigenschaften verloren, d.h. enantiomerenreine Halogenalkane ergeben racemische Grignard-
Verbindungen. Grignard-Verbindungen sind als Folge der stark polarisierten σ(C-Mg)-Bindung
potentielle Carbanionen, d.h. als solche zeigen sie nucleophile Eigenschaften. Das bedeutet, dass das
ursprünglich elektrophile Kohlenstoffatom seine Reaktivität umkehrt, man spricht in diesem Fall von
einer „Umpoolung“ der Reaktivität!

X X
R X + X Mg+2
R R R

Mg Mg e--Transfer
Mg Mg e--Transfer
Mg Mg Mg

20
Vollhardt & Schore (3te Ed.), Seite 302-310 & 322; Brückner (1996), Seiten 516-517.
21
http.//nobelprize.org

Februar 2008, v4, r.marti 38/59


Die C-Mg-Bindung ist kovalente Bindung und nicht ionischer Natur. In Lösung herrscht ein
Gleichgewicht – nach ihrem Entdecker Schlenk benannt - welches durch Zugabe von Dioxan auf die
Seite der Dialkylmagnesiumverbindung verschoben werden kann. In THF und Et2O findet man
ausschliesslich die monomeren Spezies RMgX.

δ+ δ- δ- δ+
C X C MgX

Alkylierungsmittel Nucleophil

2 R-MgX R2Mg + MgX2

Schlenk-Gleichgewicht

Alkyliodide und –bromide sind am einfachsten in die entsprechenden Grignard-Verbindungen zu


überführen, Chloride sind am wenigsten reaktiv. Eine allfällige Oxidschicht auf dem Magnesiummetall
kann mechanisch oder durch Anätzen mit Iod oder 1,2-Dibromethan entfernt werden um so eine hohe
Reaktivität zu erreichen („Starten des Grignards“).

Grignard-Reagenzien reagieren als Nucleophile in Substitutions- und Additionsreaktion mit einer


Vielzahl von Elektrophilen:

Hydrolyse H2O
R MgX R H
- MgOHX

Oxidation
X2
R MgX R X

Ox.mittel
R OH

SN R' X
R MgX R R'
Cu-Katalysator

O
OH
R1 R2
AN
R MgX R1
R2 R

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3.3 Metallierungs-Reaktionen

Nach dem gleichen Mechanismus wie für die Synthese von Grignard-Verbindungen können auch die
entsprechenden Alkylithium- und Alkylzinkhalogenidverbindungen aus den Metallen und den Alkyl-
halogeniden hergestellen werden. Auch diese Verbindungen werden dann analog zu den Grignard-
Verbindungen als nucleophile Reagenzien in der organischen Synthese eingesetzt.

Mg
R X R MgX

2 Li
R X R Li
- LiX

Zn
R X R ZnX

Deprotonierung von „sauren“ CH-Verbindungen ist ein weiterer Weg Metallorganyle herzustellen, das
bekannteste Beispiel ist sicher die Deprotonierung von Aceylenverbindungen. Eine erstaunliche
Selektivität findet sich bei bestimment Benzol-Derivaten, durch eine Komplexierung mit Butyllithium
wird bevorzugt in ortho-Position deprotoniert. Diese Reaktion ist auch als ortho-Lithiierung bekannt
und man kennt eine Vielzahl von Gruppen, welche diese Metallierung selektiv steuert.22

Bu-Li
H Li
R - Butan R

pKa ≈ 25 pKa ≈ 50

O O
H Li

- Butan

pKa ≈ 50
pKa ≈ 43
ortho-Metallierung

Weitere wichtige Metallierungsreaktion ist der Halogen-Metall-Austausch; auch hier ist die
treibende Kraft der ΔpKA-Wert (Butan mit einem pKA-Wert von ca. 50 vs. Benzol mit ca. 43). Eine
interessante moderne Anwendung ist die Reaktion mit von Bromiden mit dem Turbo-Grignard-
Reagenz, einer 1:1-Mischung von iPr-MgCl und LiCl.23 Es erlaubt eine einfache Herstellung von

22
Schlosser, Angew. Chem. 2005, 117, 380-398.
23
Hauck et al., Org. Process Res. Dev.. 2006, 10, 733-736.

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Grignard-Reagenzien ohne die Probleme des „Starten“ der Grignard-Reaktion mit elementarem
Magnesium!

Li
Bu

Br Br-Li Austausch Li

- BuBr

"Turbo-Grignard"
Br iPr-MgCl / LiCl MgCl - LiCl

- iPr-Br

Übung: Brom-Lithium-Austausch mit t-BuLi

Für den Brom-Lithium-Austausch mit t-BuLi werden im Allgemeinen 2 Equivalente t-BuLi verwendet.
Erklären Sie diesen Befund.

2 t-BuLi
I Li
R - LiBr R

Die Transmetallierung von Metallorganylen erlaubt eine „Einstellung“ der Reaktivität der
Reagenzien; durch Wechsel des stark elektropositiveren Lithium zu Magnesium, Zink oder Cer wird
die Basizität der Reagenzien herabgesetzt und die Metallorganyle reagieren „selektiver“ als
Nucleophile wie folgendes Beispiel zeigt.

Beispiel:
MgBr 2
R Li R MgBr
- LiBr Li
OMe H OMe
Li
O O
CeCl3
R CeCl2 Deprotonierung !
- LiBr
OMe OMe

ZnBr2
R ZnBr
- LiBr OMe
CeCl2 O

AN

OMe

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3.3 Additionsreaktionen an Carbonylverbindungen24

Alkohole sind durch die nucleophile Addition AN von C-Nucleophilen wie zum Beispiel Grignard-
Verbindungen an Carbonylverbindungen einfach zugänglich. Je nach Typ der Carbonylverbindung –
Aldehyd, Keton, Ester – sind sekundäre oder tertiäre Alkohole das Produkt.
Als C-Nucleophile werden neben Grignard-Verbindungen (RMgX), Alkyl-Lithium-Verbindungen (R-Li)
oder Zink-Organyle (R2Zn oder RZnX) verwendet.

O R2-Metall OH

R R2
R R1
R1

R1 = H, Alkyl, Aryl

O R1-Metall OH

R R1
R OAlkyl
R1

Als Mechanismus für die Addition von Grignard-Reagenzien an Carbonylverbindungen lassen sich
ein 4-Zentren, respektive ein 6-Zentren-Mechanismus formulieren. Da Grignard-Reagenzien häufig
als Dimere vorliegen ist der 6-Zentren-Mechanismus „besser“. Der 6-Zentren-Mechanimsus lässt sich
auch als Radikal-Mechanismus formulieren, dies wird experimentell durch den Befund bestätigt, dass
chirale Grignard-Reagenzien im Allgemeinen partiell bis vollständig racemisieren.

Br
Mg OMgBr O
O MgBr
R
R R

4-Zentren-Mechanismus

Mg OMgBr + MgBr 2 OMgBr


O Br
R - RMgBr R
MgBr
R

6-Zentren-Mechanismus

Radikal-Mechanismus

24
Vollhardt & Schore (3th Ed.), Seiten 302-309.

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Übung:

Bei der Addition von Allyl-Grignard-Reagenzien findet sich nicht das erwartete Produkt; erklären Sie
diesen Befund.

MgBr
O HO

HO
nicht:

Selbststudium (Lösung Seite 58): Synthese von 3-Alkylcyclopentenen

Wenn trans-2-Methylcyclopentanol mit Tosylchlorid und anschliessend mit tert-BuOK umgesetzt wird,
erhält man ausschliesslich 3-Methylcyclopenten als Produkt.
Formulieren Sie einen Reaktionsmechanismus für diese Umsetzung und wie ist der stereochemische
Verlauf dieser Reaktion.
Ergänzen Sie die Reaktionssequenz für die allgemeine Synthese von 3-Alkylcyclopentenen
ausgehend von Cyclopentanon. Wieso werden die Tosylate und nicht die entsprechenden
Halogenide verwendet.

RMgBr H3O+, ΔT ?
O R

OH

TsCl, Base tert-BuOK


R R

OTs

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Übung:

Bestimmen Sie die Produkte der folgenden Umsetzungen:

OH K2Cr2O7 MeMgBr

PBr3

H3O+, ΔT
H3O+, ΔT

1) Mg
OsO4 2) CH3CHO

CHCl3, NaOH

Br2 1) BH3
2) H2O2, NaOH

H3O+, ΔT
NaIO4 ?

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3.4 Ether als Schutzgruppen für Alkohole25

Hat man mehrere Alkoholgruppen in einem Molekül, so stellen sich bei einer geplanten Reaktion
sofort zwei Probleme:

• ist/sind die Alkoholgruppen im Molekül stabil/innert unter den Reaktionsbedingungen?


• ist eine Unterscheidung der verschiedenen Alkoholgruppen möglich/erwünscht?

Beispiel: Selektive Oxidation des sek. Alkohols

OH ? O

OH OH

Um allfällige chemo/regio-Selektivitätsprobleme zu umgehen, ist man häufig gezwungen eine oder


mehrere Alkoholgruppen zu schützten. Ether, und speziell auch die Silyl-Ether sind gängige
Schutzgruppen für die Alkoholfunktionalität.26 Sie lassen sich im Allgemeinen via eine Williamson-
Ethersynthese einführen (R-OH + X-R’ oder X-SiR’3).

Eine wichtige Eigenschaft von Alkoholschutzgruppen ist ihre Stabilität gegenüber gewählten
Reaktionsbedingungen und ihre „Einfachheit“ sie wieder abzuspalten. Es gibt in der Literatur
detaillierte Tabellen mit den Stabilitäten gegenüber einer Vielzahl von Reaktionsbedingungen.27 Die
wichtigsten Stabilitäten, respektive wie die Schutzgruppen gespalten werden können findet sich in
folgender Tabelle:

Alkylether Alkylether sind sehr innert gegenüber den gängigen Reaktionsbedingungen (Base,
Nucleophile, Elektrophile, Redox). Die Abspaltung erfolgt meist unter sauren
Bedingungen, wobei die Stabilität des gebildeten Carbenium-Ions die Leichtigkeit der
Spaltung bestimmt (Ph3C+ > Me3C+ ~ PhCH2+). Die Benzyl-Ether werden im
Allgemeinen hydrogenolytisch gespalten (H2, Pd-Katalysator).

O O O O
R Me R R R

Methyl-Ether tert-Butyl-Ether Benzyl-Ether


(t-Bu) (Bn)
Trityl-Ether (Trt)

25
Monographien: P. J. Kocienski „Protecting Groups“, Thieme Verlag 2005; T.W. Greene & P.G.M. Wuts,
„Protective Groups in Organic Synthesis“, Wiley 1999.
Siehe auch Vollhardt & Schore (3te. Ed.), Seite 309-316 & 361; Carey (2004), Seiten 1430-1437.
26
Es sind hier nur Schutzgruppen für Monoalkohole aufgeführt, für Diole, speziell 1,2-Diole gibt es zusätzlich
andere Möglichkeiten, welche hier nicht besprochen werden. Für eine detaillierte Diskussion ist auf die gängige
Literatur verwiesen.
27
www.organische-chemie.ch (Accessed 2005); Monographien von Kocienski und Greene & Wuts.

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Alkoxymethyl- Alkoxymethyl-Ether als Ketale sind Säure-labil, ansonsten gegenüber den meisten
Ether Reaktionsbedingungen stabil (Base, Nucleophile/Elektrophile, Redox).

O O O O
R R

Methoyxmethyl-Ether Tetrahydropyranl-Ether
(MOM) (THP)

Silylether Silylether sind sehr gute Schutzgruppen für Alkohole. Sie sind labil unter stark sauren
und stark basischen Bedingungen, ansonsten innert gegenüber den gängigsten
Reaktionsbedingungen (schwache Säure, Basen, Nucleophile /Elektrophile, Redox).
Ihre Stabilität steigt mit der sterischen Hinderung, d.h. von TMS zu TBDMS zu
TBDPS. Sie lassen sich im Allgemeinen mit Fluorid-Ionen einfach abspalten.

O O O
R Si R Si R Si

Trimethylsilyl-Ether tert-Butyldimethylsilyl-Ether tert-Butyldiphenylsilyl-Ether


(TMS) (TBMS) (TBDP)

Ester Ester sind labil gegenüber stark sauren und basischen Bedingungen; sie werden im
Allgemeinen so auch abgespalten. Durch den elektrophilen Carbonyl-Kohlenstoff sind
sie auch labil gegenüber Basen und einer Vielzahl von nucleophilen Reagenzien (H,
C, N, S, O-Nucleophile).

O O O
R R R
O O O

Acetat-Ester Pivaloyl-Ester Benzoat-Ester


(Ac) (Piv) (Bz)

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Beispiel: Synthese eines Bausteines für die Totalsynthese28 von Soraphen A1α

Ph
OH
PhCHO, BF3OEt NaBH3CN, TiCl4 OH
COOMe O O
MeOOC COOMe
AcOEt CH3CN MeOOC
OH MeOOC COOMe OBn

TsCl, Pyridiin
CH2Cl2

H OTs OTs
O NaOH, MeOH LiBH4
HO COOMe
OH OH MeOOC
H2O, CH2Cl2 THF
OBn OBn OBn

TBDMSCl, Imidazol
DMF

H H H
O H2, Pd/C O O
MeI, NaH
OTBDMS OTBDMS OTBDMS
EtOH, AcOH THF
OBn OH OMe

33% Ausbeute über 8 Stufen

Übung:

Synthese mit Grignard-Verbindungen:

28
S. Hintermann, Dissertation ETHZ No. 12045 (1997).

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4. Schwefel-Analoga29

Die Schwefel-Analoga der Alkohole werden als Thiole (Präffix), oder als SH-Substitutent als
Mercapto-Verbindungen benannt. Wegen der Grösse der Schwefelatome, der diffusen Orbitale und
der nur schwach polarisierten S-H-Bindung können Thiole nur schwache Wasserstoff-
Brückenbindungen ausbilden. Dadurch sind ihre Siedepunkte nicht so hoch wie diejenigen der
entsprechenden Alkohole, sie sind eher vergleichbar mit denen der entsprechenden Halogenalkanen.

SH SH HS
OH

Cyclopentanthiol 2-Methylpropanthiol 2-Mercapotethanol


Mercaptocyclopentan 1-Mercapto-isobutan

Durch die schwache S-H-Bindung sind Thiole acider als die entsprechenden Alkohole, die pKA-Werte
liegen zwischen 9-12, d.h. Thiole lassen sich einfach durch Alkalihydroxide deprotonieren.

+ OH R S + H2O
R SH

pKA = 9-12

Die Reaktivität der Thiole ist sehr vergleichbar mit deren der Alkohole. Bedingt durch die leichtere
Polarisierbarkeit/Grösse der Schwefelatome und die diffusen Orbitale sind Thiole sogar noch
nuleophiler als die Alkohole. Entsprechend einfach ist die Synthese von Thiolen durch nucleophile
Substitution von R-X mit Schwefelnucleophilen.

HCl
R X + Na2S2O3 R S SO3 Na R SH

O O
OH
+ R SH
S Na R S

O
+ R' SO2 R S R'
Na
O

29
Vollhardt & Schore (3th Ed.), Seiten 363-366.

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Durch die Möglichkeit d-Orbitale kann der Schwefel in Thiolen mit starken Oxidationsmitteln zu
Sulfonsäuren oxidiert werden. In Thioether erfolgt die Oxidation stufenweise, d.h. zuerst zum Sulfoxid
und dann weiter zum Sulfon.

OH
R SH R S
O O

Sulfonsäure

O O O
S S S
R R' R R' R R'

Sulfoxid Sulfon

Unter milden Bedingungen erfolgt die Oxidation zu Disulfiden. Disulfide lassen sich einfach wieder zu
den Thiolen reduzieren. Diese Reversibilität der Thiol/Disulfid-Redoxreaktion ist ein wichtiger
biologischer Prozess. Viele Peptide enthalten über die Aminosäure Cystein freie Thiol-Gruppen
welche intramolekulare Disulfid-Bindungen eingehen können. Diese Disulfid-Brücken sind wichtig für
die Faltung, d.h. für die Sekundärstruktur von Peptiden.

S R
R SH R S R SH

Thiol Disulfid

HS
SH S S
HS
SH

freie SH von Cystein

Faltung der Peptidkette Disulf id-Brücke

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Einschub: Schwefel-Verbindungen im Knoblauch30

O
Alliinase
S
S OH S S
O S
O NH2

Alliin Allicin
S
S S

S
S S
O

Das geruchlose Alliin kommt bis zu 1.8% in Knoblauch vor. Bei einer mechanischen Schädigung wird
das in den Vakuolen vorliegende Enzym Alliinase freigesetzt, welches das zytosolische Alliin in das
antibiotisch wirksame Allicin umwandelt. Durch weitere enzymatische und thermische Reaktionen
werden weitere Allylsulfide, Disulfide und Schwefel-Derivate gebildet, welchen den typischen
charakteristischen Geruch von Knoblauch ausmachen.

Der Name Allyl für 2-Propenyl- kommt vom lateinischen Namen für Knoblauch Allium.

30
Jain et al., Chemie in unserer Zeit 1988, 22, 193-200; Block et al., Pure & Appl. Chem. 1993, 65, 625-632;
Vollhardt & Schore (3th Ed.), Seite 370.

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5. Selbststudium

5.1 Selbststudium (Seite 5) : Nomenklatur Alkohole

Bestimmen Sie für die folgenden Verbindungen einen korrekten Namen nach IUPAC.

OH OH
OH COOH
F3C OH
OH (S)-1,1,1-Trifluorbutan-2-ol
3-Hydroxybuttersäure

(1R,2R)-Cyclohexan-1,2-diol

1-Methyl-4-(prop-1-en-2-yl)cyclohexanol
HO
OH
OH Me H2N COOH

Serin
NO2 (S)-2-Amino-3-hydroxypropansäure
2-Naphthol OH
2-Methyl-3-nitrophenol

3,5-Dimethylbenzylalkohol

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5.2 Selbststudium (Seite 10): Reaktion von Isobutylenglycol

Bei der Umsetzung von Isobutylenglycol 1 mit H2SO4 bildet sich ausschliesslich Isobutanal 2.
Formulieren Sie dazu als Erklärung einen korrekten Reaktionsmechanismus.

O
H2SO4, ΔT
HO
OH H

1 2

H2O
OH

H
H H H
O O

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5.3 Selbststudium (Seite 13): Nomenklatur Ether

Bestimmen Sie für die folgenden Verbindungen einen korrekten Namen nach IUPAC.

O
O
O

Oxetan
Oxacyclobutan 1-Oxa-spiro[2.5]octan
1-Isopropoxy-3,5-dimethylbenzol

D3C S
O
O
(S)-1,1,1-Trideutero-2-
methoxypentan
2,2-Dimethyl-1-oxa-3-
thiacyclohexan 4-(Vinyloxy)-pent-1-en
2,2-Dimethyl-[1,3]oxathian

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5.4 Selbststudium (Seite 17): Oxidationszahlen

Bestimmen Sie für die folgenden Verbindungen die Oxidationszahlen, Hybridisierung und Geometrie
der Kohlenstoffatome.

-2, sp 2
-1, sp3
-3, sp 3 +1, sp 3 0, sp 3
+3, sp2 +1, sp2
0, sp 2
SH -2, sp 2
+1, sp 2 N O
Cl
0, sp HN O
COOH F
O
+1, sp2
H OH
-1, sp2 +3, sp 2
O
0, sp 3 -1, sp2 2
-1, sp3 +1, sp
-1, sp

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5.5 Selbststudium (Seite 21): Neue Variante der Swern-Oxidation

In einer neueren Publikation wurde Trichlor-1,3,5-triazin (TCT) als neues Aktivierungsreagenz für die
Swern-Oxidation beschrieben (De Luca et al., J. Org. Chem. 2001, 66, 7970-7909).

Formulieren Sie einen Mechanismus für die Oxidation mit DMSO/TCT.

OH O

R R' R R'

S
Cl
δ
O N N
+
Sδ R
Me
Me Me Cl N Cl R' O
S
TMT H CH2

THF, -30 °C, 30 min

R'
Cl
Cl O
S OH S
O R R Me
O O
R R' S
NEt3
N N N N R' CH2
H
Cl N Cl Cl N Cl
NEt3
OH

Beispiele: N N

Cl N Cl
OH 86% Ausbeute O
N N
Fmoc Fmoc

OH O
90% Ausbeute

n-Bu n-Bu

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5.6 Selbststudium (Seite 23): Cope Eliminierung

Folgende beide diastereoisomeren Amine werden einer Cope-Eliminierung unterworfen; für das eine
erhalten Sie zwei Produkte, beim anderen finden Sie nur eines. Erklären Sie diesen Befund mit
einem Reaktionsmechanismus.

Wie würden Sie die Amine aus (+)-Menthol herstellen?

1) H2O2
? + ?
N 2) ΔT

1) H2O2
N
2) ΔT
?

Lösung:

Je nach Diastereoisomer stehen für die syn-Eliminierung des N-Oxides ein, respektiv zwei
Wasserstoffatome zur Verfügung, d.h. es gibt ein, respektiv zwei Produkte.

H H
1) H2O2 H H
CH3 + CH3
H H
N 2) ΔT
N H H H
N
O
O

64% 36%

100%

H
1) H2O2 N O
CH3
H
N 2) ΔT
H
H

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Synthese der Amine:

Tos-Cl, Pyridin O O HNMe2

CH2Cl2 S
OH O SN2 N

(+)-Menthol

CBr4, PPh3

Appel-Reaktion (SN2)

HNMe2

Br SN2 N

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5.7 Selbststudium (Seite 39): Synthese von 3-Alkylcyclopentenen

Wenn trans-2-Methylcyclopentanol mit Tosylchlorid und anschliessend mit tert-BuOK umgesetzt wird,
erhält man ausschliesslich 3-Methylcyclopenten als Produkt.
Formulieren Sie einen Reaktionsmechanismus für diese Umsetzung und Ergänzen Sie die
Reaktionssequenz für die allgemeine Synthese von 3-Alkylcyclopentenen ausgehend von
Cyclopentanon. Wieso werden die Tosylate und nicht die entsprechenden Halogenide verwendet.

Wässrige H3O+, ΔT
δ δ OMgBr OH
R
O R Aufarbeitung R
δ
R MgBr
-H

H
O H
R
R
- H2O
H

H R
BH3 H2O2 TsCl, Base
R R R
B
NaOH
Cis-Addition H OH OTs
3
Base
Anti-Markovnikow-Produkt

R R

Cl
O Cl O O
S S O
O O

Die Eliminationsreaktion des Tosylates verläuft, da eine starke & sterisch anspruchsvolle Base
verwendet wird, nach einem E2-Mechanismus, d.h. eine anti-Elimination. Die zu eliminierenden
Gruppen H/OTs müssen anti angeordnet sein. Für das trans-konfigurierte Molekül kann somit nur
das 3-Alkylcyclopenten gebildet werden.

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tert-BuOK
R

OTs starkte, sterisch anspruchsvolle Base --> E2-Elimination

Base
H R
R
H
OTs

anti-Elimination

Wird Anstelle der Tosylat-Gruppe ein Halogenid verwendet (zBsp. via Finkelstein-Reaktion aus dem
Tosylate oder via Reaktion des Alkoholes mit PBr3) so wird das Stereozentrum invertiert, d.h. man
erhält ein cis-konfiguriertes Molekül. Für eine anti-Elimination müssen die zu eliminierenden Gruppen
H/Halogen anti angeordnet sein, d.h. es gibt nun zwei Möglichkeiten. Es wird somit das Produkt
gebildet, welches die höhersubstitutierte Doppelbindung enthält, d.h. das 1-Alkylcyclopenten.

NaI I R
R R
Aceton H anti-Elimination
H H
OTs I Base
Base

Da SN2 --> Inversion, d.h. cis Konfiguration

R R

Höhersubstituierte Doppelbindung (Saytzev-Produkt)


wird bevorzugt gebildet

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