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Ubersicht 349

Geburtsleitung und Indikationen zur Interruptio und


Sectio caesarea bei Augenerkrankungen — eine Ubersicht
Gab riele Beate Kuba, Peter Kroll
Universitats-Augenklinik und Poliklinik Marburg (geschaftsfuhrender Direktor: Prof. Dr. P. KrolI)

Zusammenfassung Management of Labor and Indications for Abortion and See-


tio caesarea in Patients with Ophthalmologic Diseases — a Re-
Hintergrund Geburtsleitung und Indikationen zur Schwan- view
gerschaftsunterbrechung bei Augenerkrankungen werden in
der Literatur unterschiedlich beurteilt. Bei Pseudotumor ce- Background Management of labor and indications for abor-
rebri, hoher Myopie, Ablatio retinae, Retinopathie im Rah- tion in ophthalmologic diseases are discussed controversely
men einer EPH-Gestose, malignem Melanom der Aderhaut in literature. Overtreatment is still frequent. In diseases like
und diabetischer Retinopathie wird von Gynakologen immer pseudotumor cerebri, high myopia, retinal detachment, re-
wieder die Frage gestelit nach der optimalen Geburtsleitung tinopathy in EPH-gestosis, uveal melanoma and diabetic re-
bzw. sogar der Interruptio. tinopathy, the question for optimal management of labor or
Methode In dieser Ubersicht sollen diese Fragen anhand interruptio rises mainly from gynaecologists.
der Literatur — gewonnen durch eine Medline-Recherche — Methods In this review these conditions will be discussed
erörtert werden. with the literature — obtained by a medline-rese arch.
SchluBfolgerung Unserer Meinung nach braucht aus oph- Conclusions In the ophthalmologist's point of view — there

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thalmologischer Sicht die Indikation zur Interruptio bzw. Sec- are no indications for interruptio or sectio caesarea in pati-
tio caesarea bei oben genannten Erkrankungen nicht mehr ents with above mentioned ophthalmologic diseases.
gestellt zu werden. Key words pregnancy — pseudotumor cerebri — myopia — re-
Schlüsselwörter Schwangerschaft —Pseudotumor cerebri — EPH-gestosis — uveal melanoma — diabetic
tinal detachment —
Myopie — Ablatio retinae — EPH-Gestose — malignes Mela- retinopathy
nom der Aderhaut —diabetische Retinopathie

Die Schwangerschaft kann sowohi zu physiologischen der Schwangerschaft. Die Diagnose ergibt sich nach
als auch zu pathologischen schwangerschaftsspezifi- Ausschlul3 anderer rnoglicher Ursachen für einen ode-
schen Veranderungen am Auge fUhren. Desweiteren rnatösen PapillenprozeB.
werden jedoch auch präexistente Augenerkrankungen
durch Schwangerschaft und Gebnrt beeinflnl3t (61), so Während einige Veroffentlichungen einen moglichen
daB sich insbesondere bei Pseudotumor cerebri, hoher Zusammenhang zwischen Schwangerschaft und Pseu-
Myopie, Ablatio retinae, Retinopathie im Rahrnen einer dotumor cerebri beschreiben (12,56), wird von den mei-
EPH-Gestose, malignern Melanorn der Aderhaut und sten Autoren em EinfluB bzw. em haufigeres Auftreten
diabetischer Retinopathie die Frage der optimalen Ge- dieser Erkrankung während der Schwangerschaft eher
burtsieitung bzw. sogar der Interruptio ergibt —urn dro- verneint (18,42,49). Shekleton beschrieb 1980 das Syn-
hende irreversible Visusverluste der Mutter abzuwen- drom des Pseudotumors cerebri wahrend der Schwan-
den. gerschaft als gewohnhich schwerwiegende Erkrankung,
die nur iangsam auf gangige Therapieformen (wie wie-
Da sich von Seiten der Gynakologen immer wieder die derholte Lumbalpunktionen, Salz- und Wasserrestrik-
Frage der optimalen Geburtsleitung bzw. sogar der In- tion, Diuretika, Kortikosteroide, lumboperitonealer
terruptio bei verschiedenen Angenerkranknngen ergibt, Shunt oder Dekompression des N. opticus) anspricht.
sollen irn folgenden Geburtsleitung, Indikationen zurn Da bei lange bestehender Symptomatik em irreversibler
Schwangerschaftsabbruch oder Sectio caesarea bei oben Visnsverlust bzw. Gesichtsfeiddefekte drohen, empfiehlt
genannten Augenerkrankungen diskutiert werden. er, ebenso wie Erdheirn, Greer und Elian die vorzeiti-
ge Entbindnng bzw. den Abbruch der Schwangerschaft,
was zur Besserung der Syrnptornatik fuhren soil (12,14,
1) Pseudotumor cerebri 22,56). Poweii dagegen beschreibt den Pseudotumor ce-
rebri ais gewohnlich selbstlimitierende Erkrankung mit
Beim sog. Pseudotumor cerebri — charakterisiert durch sehr guter Prognose. Die Symptomatik bessere sich in
erhöhten intrakraniellen Druck, Kopfschrnerzen, Pa- der Regel schon nach Wochen bzw. Monaten, unab-
pillenodern, Sehstorungen,jedoch fehiende lokalisierte hangig von der angewandten Therapieform. So tendiert
neurologische Symptornatik (61) — handeit es sich urn er, ebenso wie Sunnes und Digre zunächst zu abwar-
eine seitene ophthalmologische Komplikation während tender Haltung rnit engrnaschiger Kontrolle von Visus
und Gesichtsfeld. Bei stabilern Verlauf kann die vaginale
Kim Monatsbl Augenheilkd 1997; 211:349—353 Entbindnng angestrebt werden. Auch sollten zunächst
1997 F. Enke Verlag Stuttgart bei schwerern Verlauf o. g. Therapieforrnen versucht
350 Kim Monatsbl Augenheilkd 1997; 211 GB Kuba, P Kroll

werden, so daB eine Sectio caesarea bzw. sogar em bei vorausgegangener Netzhaut-Operation und bei zu
Schwangerschaftsabbruch nur in schwersten therapie- Ablationes pradisponierten Schwangeren (34). Die mei-
refraktären Fallen angezeigt ist (8, 49, 61). sten in den letzten Jahren erschienenen Publikationen
kommen jedoch zu einem gegenteiligen Ergebnis: In der
Unserer Meinung nach steilt das Syndrom des Pseudo- Literatur wurde noch kein Fall beschrieben, bei dem
tumors cerebri — auch bei Visusabfall und Gesichts- während einer normalen oder komplizierten Entbin-
feldverschlechterung — bei konservativen Therapieop- dung eine Ablatio retinae aufgetreten ware. Auch in ei-
tionen heutzutage keine Indikation zur Sectio caesarea ner 1975 von Schenk durchgefuhrten Umfrage wurde
oder sogar zur Interruptio dar. kein einziger Fall mitgeteilt. Der Autor, ebenso wie
Funk, vertritt die Meinung, daB sowohi hochmyopen als
auch zur Ablatio retinae pradisponierten Frauen eine
2) Hohe Myopie und Ablatio retinae Schwangerschaft und eine vaginale Entbindung zuzu-
muten ist, und dal3 durch verbesserte Operationstech-
Auch bei hoher Myopie und Ablatio retinae werden in niken bei Netzhautablosung keinerlei Indikation zur In-
der Literatur sowohi die optimale Geburtsleitung als terruptio besteht (18,54). Auch Sunness und Landau be-
auch die Indikation zur Schwangerschaftsunterbrechung furworten eine normale vaginale Entbindung bei Pati-
unterschiedlich beurteilt. Unter der Vorstellung, daB es entinnen mit erhöhtem Risiko für Netzhautablosungen
während der PreBwehen in der Austreibungsperiode zu (35,61), ebenso Neri, zumal Entbindungen mit Forceps
einem pathologischen Anstieg des intraokularen oder Vacuum mit höheren Geburtsverletzungen em-
Druckes kommt (1), ging man noch vor wenigen Jahren hergehen (46). Auch sprechen vor der Schwangersch aft

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davon aus, daB eine Spontanentbindung bei Patientin- durchgeführte Ablatio-Operationen nicht gegen eine Va-
nen mit hoher Myopie, peripheren Netzhautdegenera- ginale Entbindung (27).
tionen oder vorausgegangener Ablatio-Operation pro-
blematisch ware. So empfehlen Link und Hudemann Die früher vertretene Meinung, daB intraokulare Druck-
1974 bei einer Myopie von uber -6 dpt, die Kreifiende anstiege durch Valsalva-Manöver wahrend der Aus-
in der Austreibungsperiode durch Beckenausgangszan- treibungsperiode einen Risikofaktor für die Netzhaut
ge zu entlasten (40), Mewe rat noch 1981 zur Sectio bei pradisponierten Patientinnen darsteilt, teilen wir
caesarea bei hoher Myopie mit Netzhautveranderungen nicht. Man muB davon ausgehen, daB sich der Druck
(43). Nach Gasteiger ist bei sehr hoher Myopie bzw. bei wahrend des Pressens in alle Richtungen verteilt, und
Verschlechterung der Netzhautdegenerationen in frühe- deshalb keine lokalisierte vitreoretinale Traktion aus-
ren Schwangerschaften sogar die Indikation zum kann, die Ursache für eine Lochbildung oder so-
Schwangerschaftsabbruch gegeben (19). Dabei war er gar Ablatio sein kann. Aufgrund dieser Uberlegung und
einer der Autoren, die das indirekte Trauma — weiches der Tatsache, daB in der Literatur bisher kein Fall be-
man auch auf die Geburt ubertragen kann — als Ursa- schrieben wurde, bei dem eine Geburt zu Lochbildung
che für eine Ablatio eher ablehnte (20). Ebenso befür- bzw. Ablatio gefuhrt hätte, sehen wir keinen Grund, Pa-
wortete Birch-Hirschfeld schon 1929 die Schwanger- tientinnen mit hoher Myopie, peripheren Netzhautde-
schaftsunterbrechung bei hoher Myopie mit fortge- generationen oder vorausgegangenen Ablatio-Opera-
schrittenen zentralen Fundusveranderungen, wenn em tionen von euler normalen Entbindung abzuraten. Re-
Auge bereits eine hohe Visusreduktion aufweist (4). Die gelmaBige ophthalmologische Untersuchungen sindje-
Ansichten zu diesem Thema waren in der Vergangenheit doch angezeigt, urn irn Falle einer zufallig auftretenden
jedoch unterschiedlich. 1929 sahen Krückmann und Netzhautveranderung therapeutische Schritte einzulei-
1938 Zeller auch dann keine Indikation zum Schwan- ten. Bei heutzutage guten operativen Moglichkeiten
gerschaftsabbruch, wenn bereits eine Ablatio voraus- stelit unserer Meinung nach weder die Myopie noch die
gegangen war oder das 2. Auge eine ausgepragte Ma- Ablatio retinae eine Indikation zum Schwanger-
kulopathie aufwies (33,65). Auch Legerlotz sieht keine schaftsabbruch dar.
Indikation zur Interruptio, selbst wenn eine eindeutige
Disposition zur Ablatio vorliegt — ausgenommen beide
Augen sind gefahrdet (39). Bei Patientinnen, deren 3) EPH-Gestose
Netzhautablosung erst wahrend der Gravidität aufge-
treten ist und operiert wurde empfiehlt er die vaginal- Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die von
operative Verkurzung der Austreibungsperiode, sieht je- mehreren Autoren beschriebene serös exsudative
doch keine Indikation zur Sectio caesarea. Sofern Ab- Arnotio im Rahmen einer EPH-Gestose (6, 9, 16, 25).
latio und Operation vor der Schwangerschaft erfolgten, Obwohl sich die Exsudation in der Regel nach der Ge-
kann seiner Meinung nach die Spontangeburt abge- burt zurückbildet, sieht Funk wegen erheblicher beid-
wartet werden (38). Gleicher Ansicht sind auch Stolp et seitiger Sehstorungen unter Umstanden die Indikation
a! (60). Eross und Tarjan empfehlen jedoch die Section zur vorzeitigen Einleitung der Geburt, wenn keine Ge-
caesarea bei durchgeführter Amotio-Operation vor der fahr für das Baby besteht. Im frUhen Stadium der
Schwangerschaft (15), und auch Küchle und Busse ra- Schwangerschaft, in dem eine vorzeitige Entbindung für
ten zur Sectio oder zumindest zur Periduralanästhesie das Neugeborene riskant ware, sieht er jedoch von ei-
Geburtsleitung und Indikationen zur Interruptio Kim Monatsbi Augenheilkd 1997; 211 351

ner Beendigung der Schwangerschaft ab (18). Die EPH- Bei nicht nachgewiesenem EinfluB der Schwangerschaft
Gestose kann zu unterschiedlichen Veranderungen am auf die Inzidenz bzw. Progression des matignen Metan-
Fundus fUhren: Blutungen, Cotton-wool-Herde, harte oms der Aderhaut und heutzutage guten Thera-
Exsudate, choroidale Ischämie, und am haufigsten Ge- piemogtichkeiten (Aufnahung einer Rutheniumptom-
faBspasmen. Basierend auf der Uberlegung, daB die re- be) gibt es unserer Meinung nach keine Indikation zum
tinalen Gefafie den Zustand der Plazentagefal3e wider- vorzeitigen Abbruch der Schwangerschaft.
spiegeln, raten mehrere Autoren beim Vorhandensein
von starken Spasmen zur vorzeitigen Entbindung (23,45,
51,53,62). Wenn auch viele Studien eine Korrelation zwi- 5) Diabetische Retinopathie
schen dem Schweregrad der Retinopathie und dem
Schweregrad der Eklampsie aufzeigen (11,23,36,45,53), Ob die Schwangerschaft einen EinfluB auf die Ent-
ist, taut Jaffe, die Rotle des Augenarztes bei Diagnose und wicktung einer diabetischen Retinopathie bzw. auf ihr
Management der EPH-Gestose eher gering (28). Fortschreiten hat, wird in der Literatur ebenfalts kon-
trovers diskutiert. Wahrend sich bei einigen Schwange-
Unserer Meinung nach kann die Indikation zur Inter- ren eine rapide Verschlechterung der diabetischen Re-
ruptio bzw. Sectio nur von Seiten der Internisten und tinopathie zeigt, bleibt diese bei anderen Patientinnen
Gynakotogen gestetlt werden; wenn eine schwere Att- stabil. Daruberhinaus wird auch eine Verbesserung nach
gemeinerkrankung vortiegt, stetit sich die Indikation von der Geburt beschrieben (32).
atleine. Der Ophthatmotoge kann ledigtich eine Ent-
scheidungshilfe teisten. Von groBer Bedeutung ist v. a. der EinfluB der Schwan-

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gerschaft auf die protiferative diabetische Retinopathie.
1950 berichtet Beetham uber 12 Patientinnen mit 18
4) Malignes Melanom der Aderhaut Schwangerschaften und proliferativer diabetischer Re-
tinopathie, von denen keine einzige die Schwangerschaft
In der Literatur existieren viete — wenn auch kontro- mit lebendem Kind und gutem Visus beendete (3).
verse — Berichte Uber den EinfluB der Schwangerschaft White beobachtete von 87 Patientinnen im proliferati-
auf das matigne Metanom der Haut. Uber einen Einflul3 vem Stadium wahrend der Schwangerschaft eine Er-
auf das matigne Metanom der Aderhaut wurde jedoch btindung in 11 Augen (64). Es existiert eine groi3e An-
nur in wenigen Fätlen berichtet, so daI3 die Ent- zaht von Studien, die Uber eine Progression der Reti-
stehung bzw. em beschleunigtes Wachstum des Ader- nopathie berichten; die Prozentangaben derjenigen
hautmetanoms während der Schwangerschaft eher nur Schwangeren, die eine Progression aufzeigen, schwan-
spekuliert werden kann. So tehnen Frenket et at. und ken jedoch extrem. Der Grund mag evtl. darin liegen,
Börner und Goder die Entstehung des malignen Meta- daB es bei vielen Studien keine Kontroligruppe gab, und
noms der Aderhaut in der Schwangerschaft eher ab, wei- der natUrtiche Verlauf der diabetischen Retinopathie in-
sen aber auf em mogtiches Wachstum bzw. eine Malig- nerhatb eines bestimmten Zeitintervatts bei einer nicht-
nisierung, wahrscheintich durch Sekretion von Hypo- schwangeren Diabetikerin nicht ausreichend genug be-
physenhormonen und adrenaten Hormonen, hin (5,17). kannt ist, urn Vergleiche anzustetten (61). Eine Pro-
Pack und Siegel berichten Fälle von rapidem gression ist laut Rosenn v. a. dann zu befurchten, wenn
Wachstum bistang ruhiger Tumoren während der gteichzeitig em arteriefler Hypertonus vorliegt (52). Die
Schwangerschaft (47,58). Seddon et a!. beschreiben so- Rigshospitatet Studie ebenso wie Moloney und Drury
gar eine höhere Inzidenz von matignen Aderhautmela- rnachten die interessante Beobachtung, daB die meisten
nomen wahrend der Schwangerschaft (55). 1991 vergti- Netzhautveranderungen — allerdings bei nichtprotife-
chen Shields et at. histopathologische Merkmate von rativer diabetischer Retinopathie — während der
malignen Aderhautmetanomen schwangerer — versus Schwangerschaft reversibel sind (13,44). Auf der ande-
nichtschwangerer — Patientinnen: die Gröl3enausdeh- ren Seite vertreten einige Autoren die Meinung, daB die
nung war bei nichtschwangeren Patientinnen grol3er, be- Schwangerschaft den Verlauf der proliferativen diabe-
zugtich Aktivität, subretinater Flussigkeit, tumoreigenen tischen Retinopathie nicht beeinfluBt, sondern die lan-
Gefäf3en, Pigmentierung, Entzundungszeichen und ge bestehende Diabetesdauer zufattig mit der Schwan-
Nekrosen zeigten sich keinerlei Unterschiede. Auch war gerschaft zusammentrifft (7,26). Von manchen Autoren
die 5-Jahres-Uberlebensrate mit 71% mit der der nicht- wird sogar Uber eine Verbesserung der proliferativen
schwangeren Patientinnen vergteichbar (57). Veranderungen während der Schwangerschaft berichtet
(7, 26, 29, 30).
Während Börner und Goder — unterder Vorstettung ei-
ner mogtichen Progression- noch eine Verhutung der Der EinfluB der Schwangerschaft auf das Fortschreiten
Schwangerschaft, nach wirksamer Behandlung des Me- der diabetischen Retinopathie scheint atso vie! geringer
tanoms, in den darauffotgenden 3—5 Jahren empfehlen zu sein, als frUher vermutet wurde. Die Dauer des Dia-
(5), gibt es in der Literatur keinen Hinweis, daB eine vor- betes mettitus und das Alter der Patientin spielen für
zeitige Beendigung der Schwangerschaft sinnvott ware den Vertauf eine weit groBere Rolte (21). Dennoch muB
(5, 18, 61). man aber davon ausgehen, daB es — wenn auch bei we-
352 Kim Monatsbl Augenheiikd 1997; 211 GB Kuba, P Kroll

nigen Frauen — unter der hormonellen Urnstellung groBer Bedeutung. Ophthalrnologische Funduskon-
während der Schwangerschaft zu einer Verschlechte- trollen sind im 1. Trimester obligat, die Abstände für wei-
rung der diabetischen Retinopathie kommen kann. tere Kontrolluntersuchungen hangen vorn Vorliegen
bzw. vom Stadium einer diabetischen Retinopathie ab.
So wurde früher sowohl von Ophthalmologen als auch
von Gynakologen die proliferative diabetische Retino- Unserer Meinung nach braucht aus ophthalrnologischer
pathie als relative Kontraindikation für eine Schwan- Sicht die Indikation zur Interruptio bzw. Sectio caesarea
gerschaft angesehen. 1950 empfiehlt Beetharn, 1952 bei Pseudotumor cerebri, hoher Myopie,Ablatio retinae,
Landesrnann et al., 1965 Driscoll und Gillespie und 1971 Retinopathie irn Rahmen der EPH-Gestose, malignem
White irn Falle einer proliferativen diabetischen Reti- Melanom der Aderhaut oder proliferativer diabetischer
nopathie — zur Vermeidung eines irreversiblen Visus- Retinopathie nicht mehr gestelit zu werden.
verlustes — sogar den Schwangerschaftsabbruch (3, 10,
37,64). Selbst 1981 noch beschreibt Mewe das Vorliegen
einer proliferativen diabetischen Retinopathie ohne Literatur
Einschrankung als Indikation zur Interruptio (43). Be-
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'

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burt bisher in der Literatur nicht beschrieben wurde, Se- Birch-Hirschfeld A. Hochgradige Kurzsichtigkeit und künstliche
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Spontangeburt. Sie weisen dagegen vielmehr auf die Borner R, Goder G. Melanoblastom der Uvea und Schwangerschaft.
Wichtigkeit der rechtzeitigen lndikationsstellung zur 6
KIm Monatsbl Augenheilkd 1966; 149:684—693
Argonlaserkoagulation hin (13, 61). Da die proliferati- Burke JP, Whyte I, Mac Ewen Cf. Bilateral serous retinal detach-
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lation zwischenzeitlich in einem hohen Prozentsatz mit
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gutem Erfolg zu behandeln ist, halten es viele Autoren 8
Digre KB, Varner MW, Corbett JJ. Pseudotumor cerebri and preg-
mittlerweile für nicht mehr vertretbar, die Interruptio nancy. Neurology 1984; 34:721—729
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12
Elian M, Ben-Tovim N, Bechar Metal. Recurrent benign intracra-
fruhzeitige Beendigung der Schwangerschaft abgelehnt
(41, 63). Es wird als relativ harmloses Syndrorn be- nial hypertension (pseudotumor cerebri) during pregnancy. Obstet
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schrieben, das bis zu 60% beidseits auftritt (2,48). Eben- 13
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so stellt das Makulaödern — welches zu schwerwiegen- Retinopathy in Pregnancy:A Review. Obstetrics & Gynecology
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Da in der Zwischenzeit — von einigen Ausnahmen ab- ' 1969, ed 3, p2124-2125


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wie moglich Kinder bekomrnen, da die Dauer des Dia- 126:513—529
betes mellitus einen wichtigen Faktor für die Manife- 21
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