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Antonia M.

Joussen

Retinale Gefäßerkrankungen
Antonia M. Joussen

Retinale
Gefäßerkrankungen

Mit 663 Abbildungen und 47 Tabellen

1 23
Univ.-Prof. Dr. med. Antonia M. Joussen
Charité-Universitätsmedizin Berlin
Klinik für Augenheilkunde
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin

ISBN-13 978-3-642-18020-0 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York

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Planung: Dr. Klaus Richter, Heidelberg


Projektmanagement: Cécile Schütze-Gaukel, Heidelberg
Lektorat: Büro f. Wissensvermittlung Kathrin Nühse, Mannheim
Umschlaggestaltung: deblik Berlin
Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg

SPIN: 80023532

Gedruckt auf säurefreiem Papier 2111 – 5 4 3 2 1 0


V

Vorwort
Obwohl retinale Gefäßerkrankungen zu den häufigsten ophthalmologischen Erkrankungen
zählen und von den Patienten dramatisch erlebt werden, hat sich das Behandlungsspektrum
seit Einführung der Laserkoagulation für lange Zeit kaum geändert.
Mit den neuen antiangiogenen Behandlungsmöglichkeiten erfährt das Interesse an reti-
nalen Gefäßerkrankungen derzeit eine Renaissance. Nicht zuletzt das Interesse der Industrie
führte zu exzellenten Medikamentenstudien insbesondere für das Makulaödem diabetischer
Retinopathie und bei retinalen Venenverschlüssen. Hierbei rücken jedoch nicht nur Volkser-
krankungen wie die diabetische Retinopathie oder die Venenthrombosen in den Fokus des
Interesses, sondern auch seltenere Erkrankungen wie die Frühgeborenenretinopathie oder
vaskuläre Anomalien.
Auch hier gibt es faszinierende neue Behandlungsansätze und Erkenntnisse aus geneti-
schen Untersuchungen, die auf neue zukünftige Therapieansätze hoffen lassen. Die klinische
Anwendung von anti-VEGF-Therapien für vaskuläre Netzhauterkrankungen wird erst die
Spitze des Eisberges sein und weitere Therapieansätze sind zu erwarten.
Dennoch gibt es keine einheitliche Formel gegen eine pathologische Angiogenese oder
eine vaskulär bedingte Ischämie mit ihren Folgen. Trotz der neuen Behandlungsmöglichkei-
ten und des schnell wachsenden Wissens auf dem Gebiet der Gefäßbiologie und der Patho-
physiologie retinaler Gefäßerkrankungen bleiben die Gefäßerkrankungen der Netzhaut die
Haupterblindungsursache aller Altersklassen.
Die deutsche Neuauflage des Buches »Retinal Vascular Disease« umfasst das gesamte Spek-
trum vaskulärer Netzhauterkrankungen von vaskulären Anomalien über entzündliche Erkran-
kungen zu Tumoren. Im ersten Teil des Buches werden moderne diagnostische Verfahren und
Behandlungsstrategien diskutiert. Der zweite Teil umfasst den klinischen Verlauf, die Demo-
grafie sowie die Behandlungsmöglichkeiten der einzelnen vaskulären Netzhauterkrankungen.
Klinische Bildserien, die Langzeitverläufe dokumentieren sind ebenso wie schematische Gra-
fiken Charakteristika der Atlas-ähnlichen Ausstattung des Buches. Dies erlaubt eine Nutzung
durch Kollegen in der Weiterbildung ebenso wie durch erfahrene Netzhautspezialisten.
Die bewährten Autoren der englischen Auflage wurden durch Experten aus dem deutsch-
sprachigen Raum ergänzt. Mehr als 50 Kollegen haben so zum Gelingen dieses Werkes bei-
getragen.
Ein »Vielautorenbuch« kämpft immer mit verschiedenen Schreibstilen und einer gewis-
sen Redundanz. Wir haben diesen Ansatz jedoch bewusst gewählt, um der Leserschaft die
Einschätzung der Thematik durch verschiedene Experten nahezubringen.
Das Gebiet der Gefäßbiologie und der vaskulären Netzhauterkrankungen ist ein sich
derzeit sehr schnell entwickelnder und verändernder Bereich. Das Buch kann daher nur den
Stand der Entwicklung zum Zeitpunkt der Drucklegung widerspiegeln. Auf detaillierte Lite-
raturverzeichnisse haben wir aus eben diesem Grund verzichtet. Sie können für die einzelnen
Kapitel bei den Autoren angefordert werden.
Ich danke allen Autoren, die neben ihrer täglichen klinischen Belastung bereit waren
Kapitel zu erstellen und das Material für die tägliche Verwendung durch die praktisch tätigen
Kollegen aufzubereiten.
Beim Springer Verlag möchte ich die Hilfe von Herrn Dr. Klaus Richter und Frau Dr.
Sabine Ehlenbeck hervorheben, die den Wünschen der Autoren bezüglich Ausstattung und
Darstellung der Kapitel best möglich nachgekommen sind.
Zusammen mit den Autoren hoffe ich, dass dieses Werk allen retinologisch interessierten
Kollegen bei Diagnose und Therapie vaskulärer Netzhauterkrankungen gute Dienste tut.

Berlin, im Dezember 2011


Antonia M. Joussen
VII

Inhaltsverzeichnis

3.2.2 Wirkungsweise der Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37


I Diagnostische und 3.3 Standards und Indikationen für eine
panretinale Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
therapeutische Konzepte in
3.3.1 Panretinale Full-scatter-Laserkoagulation . . . . . . . . . 37
der Behandlung retinaler 3.3.2 Panretinale Mild-scatter-Laserkoagulation . . . . . . . . 39
Gefäßerkrankungen 3.4 Fokale Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.5 Subthreshold-Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
1 Fluoreszeinangiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
H. Heimann, S. Wolf 4 Die Bedeutung der PDT für vaskuläre
1.1 Geschichte der Fluoreszeinangiographie . . . . . . . . . . 4 Erkrankungen der Netzhaut . . . . . . . . . . . . . . . . .47
1.2 Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 B. Jurklies, C. Jurklies
1.3 Durchführung der Fluoreszeinangiographie . . . . . . 12 4.1 Photodynamische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
1.4 Interpretation der Fluoreszeinangiographie . . . . . . 14 4.1.1 Wirkung von Licht auf biologisches
1.5 Quantitative Auswertung der Fluoreszein- Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
angiographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 4.1.2 Unterschiede der PDT zur Laser-
1.6 Vermeidung unnötiger Angiographien . . . . . . . . . . . 17 koagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 4.1.3 Wirkmechanismen der PDT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
4.2 Verteporfin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
2 Optische Kohärenztomographie in der 4.2.1 Charakteristische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen . . . . . .19 4.2.2 Effekte der PDT in tierexperimentellen
F. M. A. Heußen, S. R. Sadda, A. C. Walsh Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
2.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.2.3 Effekte der PDT auf gesundes (humanes)
2.2 Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Gewebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.2.1 Optische Kohärenztomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 4.2.4 Toxische Effekte und Nebenwirkungen der
2.3 Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 PDT mit Verteporfin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
2.3.1 Intraretinale Ödeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4.3 Behandlungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
2.3.2 Zystoides Makulaödem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 4.4 Verteprofin bei retinalen Erkrankungen . . . . . . . . . . . 57
2.3.3 Seröse Netzhautabhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4.4.1 Retinales kapilläres Hämangiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.3.4 Vitreomakuläres Traktionssyndrom . . . . . . . . . . . . . . . 24 4.4.2 Vasoproliferative Tumore . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
2.3.5 Verschiedene Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4.4.3 Parafoveale Teleangiektasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.4 Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
2.4.1 Fokale und panretinale Laserkoagulation . . . . . . . . . 27
2.4.2 Pharmakotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5 Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien . . . . . . . . .67
2.4.3 Chirurgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 S. Brunner, S. Binder
2.5 Zukünftige Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5.1 Einleitung, historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.5.1 Aktuelle OCT-Limitationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 5.2 Vorbereitung zur vitreoretinalen Chirurgie:
2.5.2 Die Zukunft der OCT-Hardware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Geräte und Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
2.5.3 Die Zukunft der OCT-Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 5.3 Chirurgische Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 5.3.1 Inzisionstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
5.3.2 Vitrektomieprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3 Grundkonzepte zur Therapie retinaler 5.3.3 Färbemethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33 5.3.4 Behandlung ischämischer Netzhautareale . . . . . . . . 72
F. Rüfer, J. Roider 5.3.5 Tamponaden, Wundverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
3.1 Geschichte der retinalen Lasertherapie . . . . . . . . . . . 34 5.3.6 Kombinierte Kataraktchirurgie und
3.2 Laserquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Vitrektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
3.2.1 Histologische Befunde nach Licht- und 5.4 Ausblick, Zukunftsperspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
VIII Inhaltsverzeichnis

6 Behandlung des rubeotischen 8.2.2 Chirurgische Behandlung der proliferativen


Sekundärglaukoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .77 diabetischen Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
T. Schlote, K. U. Bartz-Schmidt 8.3 Diabetisches Makulaödem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
6.1 Stadieneinteilung und Therapieziele . . . . . . . . . . . . . 78 A. M. Joussen, S. Winterhalter, V. Kakkassery
6.2 Therapie des frühen rubeotischen 8.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Sekundärglaukoms (Offenwinkeltyp) . . . . . . . . . . . . . 79 8.3.2 Pathophysiologie des Diabetischen
6.3 Therapie des fortgeschrittenen rubeotischen Makulaödems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
Sekundärglaukoms (Winkelblocktyp) . . . . . . . . . . . . . 82 8.3.3 Klinische Stadien des Makulaödems . . . . . . . . . . . . . 141
6.4 Glaucoma absolutum mit Schmerzen . . . . . . . . . . . . 83 8.3.4 Lasertherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 8.3.5 VEGF-Inhibitoren in der Behandlung der
diabetischen Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
7 Pharmakologische Ansätze in der 8.3.6 Anti-inflammatorische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen . . .87 8.3.7 Chirurgische Therapie des diabetischen
F. Ziemssen Makulaödems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
7.2 Pharmakodynamische Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
7.3 Pharmakokinetik in der Behandlung retinaler 9 Frühgeborenenretinopathie . . . . . . . . . . . . . . 163
Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 C. Jandeck, H. Agostini
7.3.1 Glaskörperraum als »Reservoir« . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 9.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
7.3.2 Elimination und Verteilung intravitrealer 9.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Medikamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 9.3 Pathogenese der Frühgeborenenretinopathie . . . 164
7.3.3 Blut-Netzhaut-Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 9.3.1 Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
7.3.4 Moderne Drug-Delivery-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 9.3.2 Physiologische Gefäßentwicklung der
7.4 Intravitreale operative Medikamenten- Netzhaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
applikation (IVOM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 9.4 Pathologische Gefäßentwicklung der Netzhaut . . 165
7.4.1 Leitliniengerechte Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 9.5 Von der Krankheit zum Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166
7.4.2 Risiken und Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 9.6 Kommunikation im Rahmen retinaler
7.5 Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Angiogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 9.6.1 VEGF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
9.6.2 Integrine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
9.6.3 Ephrine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
9.6.4 IGF-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
II Pathologie, klinischer Verlauf 9.7 Serologische Marker der Frühgeborenen-
und Behandlung retinaler retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
Gefäßerkrankungen 9.7.1 IGF-1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
9.7.2 Lösliches E-Selectin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
9.8 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
8 Pathologie, Klinik und Behandlung 9.9 Symptomatik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . 170
von diabetischen retinalen Gefäß- 9.10 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99 9.10.1 Frühgeborenenretinopathie-Screening nach
8.1 Nicht-proliferative diabetische Retinopathie . . . . . 100 den deutschen Screening-Kriterien von 2008 . . . . 173
G. E. Lang, S. J. Lang 9.11 Untersuchungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 9.12 Indikationen zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.1.2 Pathogenese der diabetischen Retinopathie . . . . . 100 9.12.1 Indikationen zur Behandlung mittels
8.1.3 Somatostatin und Somatostatin-Analoga . . . . . . . . 100 Laserkoagulation nach der deutschen Leitlinie
8.1.4 Proteinkinase-C-Inhibitoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.1.5 Proteinkinase C und diabetische 9.12.2 Indikationen zur Behandlung nach den
Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Kriterien der ETROP-Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
8.2 Proliferative diabetische Retinopathie . . . . . . . . . . 110 9.12.3 Sonderform: Zone-I-Erkrankung . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
W. Soliman, M. Larsen, H. Helbig 9.13 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
8.2.1 Photokoagulation bei proliferativer 9.13.1 Kryokoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
diabetischer Retinopathie (PDR) . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 9.13.2 Laserkoagulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
IX
Inhaltsverzeichnis

9.13.3 Behandlung bei Stadium 4 und 5 . . . . . . . . . . . . . . . . 176 10.5 Okuläres Ischämiesyndrom (OIS) . . . . . . . . . . . . . . . . 231
9.13.4 Anti-VEGF-Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 J. M. Rohrbach, H. Heimann
9.13.5 Konservative Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 177 10.5.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
9.14 Spätveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 10.5.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
9.15 Differentialdiagnosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 10.5.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
9.16 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 10.5.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 10.5.5 Symptomatik und klinisches Bild/Diagnose . . . . . . 234
10.5.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
10 Verschlusserkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 10.5.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
10.1 Plasmaproteine und Gerinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 10.5.8 Prognose/Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 238
L.-O. Hattenbach, C. Hattenbach Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
10.1.1 Störungen der Gerinnung und intraokuläre
Blutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 11 Gefäßabnomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
10.1.2 Disseminierte intravasale Koagulopathie 11.1 Makuläre Teleangiektasien und Lebersche
(DIC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Miliaraneurysmenretinitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
10.1.3 Gerinnungsstörungen als Ursache arterieller M. Zeimer, B. Padge, D. Pauleikhoff
retinaler Gefäßverschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 11.1.1 Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
10.1.4 Gerinnungsstörungen als Ursache venöser 11.1.2 Klassifizierung, klinisches Bild und klinischer
retinaler Gefäßverschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
10.1.5 Hyperviskositätssyndrom und retinale 11.1.3 Elektronmikroskopische und lichtmikroskopische
Gefäßverschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
10.2 Zentralvenenverschluss (ZVV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 11.1.4 Natürlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
L.L. Hansen 11.1.5 Assoziation mit systemischen Erkrankungen
10.2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 und Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
10.2.2 Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 11.1.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
10.2.3 Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 11.2 Morbus Coats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
10.2.4 Diagnose und Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . 201 A. Schüler, N. Bornfeld
10.2.5 Medizinische Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 11.2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
10.2.6 Chirurgische und Laserbehandlung . . . . . . . . . . . . . 211 11.2.2 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
10.2.7 Leitlinien zur Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 11.2.3 Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
10.3 Retinaler Venenastverschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 11.2.4 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
N. Feltgen, H. Hoerauf 11.2.5 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
10.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 11.2.6 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255
10.3.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 11.3 Familiär exsudative Vitreoretinopathie . . . . . . . . . . . 257
10.3.3 Pathophysiologie und Risikofaktoren . . . . . . . . . . . 215 A. M. Joussen, W. Berger
10.3.4 Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 11.3.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
10.3.5 Klinisches Blid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 11.3.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
10.3.6 Spontanverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 11.3.3 Epidemiologie und Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
10.3.7 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 11.3.4 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260
10.3.8 Behandlungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 11.3.5 Symptomatik und klinisches Bild/
10.3.9 Systemische Begleiterkrankungen . . . . . . . . . . . . . . 223 Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
10.3.10 Wirksamkeitsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 11.3.6 Klinische Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
10.3.11 Wie sollte behandelt werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 11.3.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
10.4 Retinale arterielle Verschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 11.3.8 Prognose/Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
N. Feltgen 11.4 Wyburn-Mason-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
10.4.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 A. Wessing, A. Lommatzsch
10.4.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 11.4.1 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
10.4.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 11.4.2 Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
10.4.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 11.4.3 Fluoreszenzangiographie (FAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
10.4.5 Symptomatik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . 226 11.4.4 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
10.4.6 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 11.4.5 Natürlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
10.4.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 11.4.6 Histopathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278
X Inhaltsverzeichnis

11.4.7 Begleitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 13.3 Retinale Komplikationen nach Knochenmark-


11.4.8 Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 transplantation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
11.4.9 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 A. Gabel-Pfisterer, M. Doblhofer
11.5 Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM) . . . . . 280 13.3.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
S. Bopp 13.3.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
11.5.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 13.3.3 Symptomatik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . 330
11.5.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 13.3.4 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
11.5.3 Pathomorphologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . 280 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
11.5.4 Epidemiologie/Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
11.5.5 Symptomatik und klinisches Bild/ 14 Entzündliche Gefäßerkrankungen . . . . . . . . . 335
Diagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 14.1 Morbus Eales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
11.5.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 S. Gadkari, A. M. Joussen
11.5.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 14.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
11.5.8 Prognose/Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 297 14.1.2 Klinisches Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 14.1.3 Natürlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
14.1.4 Klassifikation des Morbus Eales . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343
12 Strahlenretinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 14.1.5 Ätiologie und Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
G. Willerding, J. Heufelder, V. Kakkassery, 14.1.6 Diagnostisches Vorgehen: Fluoreszein-
D. Cordini, A. M. Joussen angiographie und Fundusskopie . . . . . . . . . . . . . . . . 345
12.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 14.1.7 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345
12.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 14.1.8 Systemische Begleiterkrankungen bei
12.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 Morbus Eales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
12.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 14.1.9 Therapeutisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347
12.5 Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 14.2 Augenbeteiligung bei systemischem Lupus
12.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 erythematodes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
12.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 F. Mackensen, J. T. Rosenbaum, R. Max
12.8 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 14.2.1 Epidemiologie und Diagnosekriterien des
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 systemischen Lupus erythematodes (SLE) . . . . . . . 351
14.2.2 Häufigkeit von Augenpathologien bei SLE
13 Retinale Gefäßerkrankungen in und ihre Auswirkung auf die Prognose . . . . . . . . . . 352
Assoziation mit Systemerkrankungen . . . . . . 321 14.2.3 Typische pathogenetische und molekulare
13.1 Purtscher Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Abläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
S. Aisenbrey 14.2.4 SLE-assoziierte Retinopathie: klinisches Bild
13.1.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 und Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354
13.1.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 14.2.5 Behandlungsempfehlungen, Untersuchungs-
13.1.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 intervalle und Empfehlungen für Augenroutine-
13.1.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 untersuchungen bei SLE-Patienten . . . . . . . . . . . . . . 355
13.1.5 Symptomatik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . 323 14.3 Morbus Behçet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
13.1.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 C. Deuter, I. Kötter, N. Stübiger, M. Zierhut
13.1.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 14.3.1 Definition und Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357
13.1.8 Prognose/Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 14.3.2 Pathophysiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358
13.2 Terson-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 14.3.3 Krankheitsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
T. Neß 14.3.4 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360
13.2.1 Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 14.3.5 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
13.2.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 14.4 Vaskulitis bei Multipler Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . 363
13.2.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 U. Wiehler, C. Springer, M. Becker
13.2.4 Klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 14.4.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
13.2.5 Natürlicher Verlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 14.4.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
13.2.6 Andere Ursachen als eine Subarachnoidal- 14.4.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
blutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 14.4.4 Klinische Manifestation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365
13.2.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 14.4.5 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367
13.2.8 Komplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 14.4.6 Therapie der MS-assoziierten Uveitis . . . . . . . . . . . . 367
XI
Inhaltsverzeichnis

14.4.7 Prognose/Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 369 16.2.4 Pathogenese der Vasookklusion . . . . . . . . . . . . . . . . 408


14.5 Sarkoidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 16.3 Klinik der Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . 409
U. Pleyer, S. Winterhalter 16.3.1 Nicht-proliferative Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . 409
14.5.1 Definition und Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 16.3.2 Proliferative Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . . . . . . 414
14.5.2 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 16.3.3 Chorioideopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
14.5.3 Ätiologie und Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 16.3.4 Retinale Gefäßverschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
14.5.4 Genetik und Immunologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 16.4 Differentialdiagnosen der Sichelzell-
14.5.5 Klinik und Symptomatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422
14.5.6 Augenmanifestationen bei Sarkoidose . . . . . . . . . 373 16.5 Therapie der Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . . . . . 422
14.5.7 Sarkoidose im Kindesalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 16.5.1 Prophylaktische Behandlung für die
14.5.8 Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Proliferative Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . . . . . . 422
14.5.9 Differentialdiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 16.5.2 Epiretinale Membranen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423
14.5.10 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 16.5.3 Makulaforamina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424
14.5.11 Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425
14.6 Nekrotisierende Vaskulitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
S. Winterhalter, F. Hiepe, N. Stübiger, U. Pleyer 17 Vaskuläre Tumoren der Netzhaut . . . . . . . . . . 427
14.6.1 Infektiöse nekrotisierende Vaskulitis . . . . . . . . . . . . 378 17.1 Histopathologie retinal vaskulärer Tumoren . . . . . 428
14.6.2 Immunologisch vermittelte nekrotisierende S. E. Coupland
Vaskulitis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 17.1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428
14.7 Systemische Immunsuppression bei Vaskulitis . . 386 17.1.2 Histopathologie von kavernösen
S. Winterhalter, N. Stübiger, U. Pleyer Hämangiomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428
14.7.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 17.1.3 Histopathologie von kapillären
14.7.2 Therapeutische Grundprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . 386 Hämangioblastomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
14.7.3 Kortikosteroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 17.1.4 Histopathologie von razemösen
14.7.4 Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) . . . . . . . . . 387 Hämangiomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
14.7.5 Sulfasalazin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 17.1.5 Histopathologie von retinal vasoproliferativen
14.7.6 Immunsuppressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430
14.7.7 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 17.1.6 Histopathologie von retinal angiomatösen
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Proliferationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432
17.1.7 Histopathologie kombinierter Hamartome
15 Hypertensive Retinopathie . . . . . . . . . . . . . . . 399 des retinalen Pigmentepithels und der Retina . . . 433
S. Wolf 17.2 Kapilläres Hämangiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
15.1 Die Pathophysiologie der retinalen Gefäße J.A. Shields, C.L. Shields, K.U. Löffler
bei arterieller Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 17.2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
15.2 Netzhautveränderungen bei arterieller 17.2.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434
Hypertonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 17.2.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
15.3 Netzhautveränderungen bei der Retinopathia 17.2.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435
hypertensiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 17.2.5 Symptomatik und klinisches Bild . . . . . . . . . . . . . . . 435
15.4 Klinische Diagnosen bei Retinopathia 17.2.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
hypertensiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 17.2.7 Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
15.5 Behandlung der Retinopathia hypertensiva . . . . . 402 17.3 Kavernöses Hämangiom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
15.6 Einteilung der Augenhintergrund- B. Jurklies, C. Jurklies
veränderungen bei arterieller Hypertonie . . . . . . . 402 17.3.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 17.3.2 Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
17.3.3 Pathologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
16 Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 17.3.4 Klinisches Bild und Charakteristika . . . . . . . . . . . . . 442
J. v. Meurs, A. M. Joussen, G. A. Lutty 17.3.5 Genetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
16.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 17.3.6 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
16.2 Pathogenese der Sichelzellretinopathie . . . . . . . . . 406 17.3.7 Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445
16.2.1 Normales Hämoglobin und Sichelhämoglobin . . 406 17.4 Vasoproliferative Tumoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
16.2.2 Ursachen der HbS-Polymerisation . . . . . . . . . . . . . . 407 N. Bornfeld
16.2.3 Kombinationen mit Thalassämie . . . . . . . . . . . . . . . . 407 17.4.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
XII Inhaltsverzeichnis

17.4.2 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446


17.4.3 Pathogenese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
17.4.4 Epidemiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
17.4.5 Symptomatik und klinisches Bild/Diagnose . . . . . 446
17.4.6 Histologische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
17.4.7 Differentialdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448
17.4.8 Ophthalmologische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455
XIII

Autorenverzeichnis

Agostini, Hansjürgen, Prof. Dr. Cordini, Dino, Dr.


Augenklinik Charité Universitätsmedizin Berlin
Universitätsklinikum Freiburg, Protonen am Helmholtz-Zentrum Berlin für
Killianstraße 5, 79106 Freiburg Materialien und Energie
Hahn-Meitner-Platz 1, 14109 Berlin
Aisenbrey, Sabine, PD Dr.
Universitäts-Augenklinik Coupland, Sarah, Prof. Dr.
Eberhard Karls Universität Tübingen Consultant Histopathologist, Department of Histopathology,
Schleichstraße 12-16, 72076 Tübingen 5th Floor, Duncan Building, Daulby Street, Liverpool, L69 3GA,
United Kingdom
Bartz-Schmidt, Karl Ulrich, Univ.-Prof. Dr.
Klinikdirektor des Departments für Augenheilkunde Deuter, Christoph, Dr.
Eberhard Karls Universität Tübingen Universitäts-Augenklinik
Schleichstraße 12-16, 72076 Tübingen, Eberhard Karls Universität Tübingen
Schleichstraße 12-16, 72076 Tübingen
Becker, Matthias D., Prof. Dr.
Augenklinik Doblhofer, Miriam, Dr.
Stadtspital Triemli Charité Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Augenheilkunde
Birmensdorferstraße 497, 8063 Zürich, Schweiz (CBF), Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin

Berger, Wolfgang, Univ.-Prof. Dr. Feltgen, Nicolas, PD Dr.


Institut für Medizinische Molekulargenetik Augenklinik u. Poliklinik
Universität Zürich Georg-August-Universität Göttingen
Schorenstraße 16, 8603 Schwerzenbach, Schweiz Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen

Binder, Susanne, Prof. Dr. Gabel-Pfisterer, Amelie, Dr.


Vorstand der Augenabteilung Klinikum Ernst von Bergmann
Rudolfstiftung Charlottenstraße 72, 14467 Potsdam
Juchgasse 25, 1030 Wien, Österreich
Gadkari, Salil S., Dr.
Bopp, Silvia, PD Dr. Speciality Eye Clinics
Augenklinik Karve Road, Pune 411004, India
MVZ Universitätsallee GmbH
Parkallee 301 / Universitätsallee, 28213 Bremen Hansen, Lutz L., Prof. Dr.
Ärztlicher Direktor, Universitäts-Augenklinik,
Bornfeld, Norbert, Univ.-Prof. Dr. Universitätsklinikum Freiburg
Universitäts-Augenklinik Killianstraße 5 , 79106 Freiburg
Universitätsklinikum Essen
Hufelandstraße 55, 45147 Essen Hattenbach, Lars-Olof, Prof. Dr.
Augenklinik
Brunner, Simon, Dr. Klinikum Ludwigshafen
Augenabteilung, Rudolfstiftung Bremserstraße 79, 67063 Ludwigshafen
Juchgasse 25, 1030 Wien, Österreich
Hattenbach, Claudia, Dr.
Klinikum der Johann Wolfgang Goethe Universität
Klinik für Augenheilkunde
Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main
XIV Autorenverzeichnis

Heimann, Heinrich, Prof. Dr. Kötter, Ina, Prof. Dr.


Consultant Ophthalmic Surgeon, Royal Liverpool University Medizinische Klinik, Abteilung II
Hospital, Prescot Street, Liverpool L7 8XP, United Kingdom Universitätsklinikum Tübingen
Otfried-Müller-Straße 10, 72076 Tübingen
Helbig, Horst, Univ.-Prof. Dr.
Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Direktor, Lang, Gabriele E., Univ.-Prof. Dr.
Universitätsklinikum Regensburg Augenheilkunde – Sektion Retinologie und Laserchirurgie
Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg Universitätsklinikum Ulm
Prittwitzstraße 43, 89075 Ulm
Heußen, Florian, Dr.
Charité Universitätsmedizin Berlin Lang, Stefan J., Dr.
Klinik für Augenheilkunde (CVK) Augenklinik
Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Universitätsklinikum Freiburg
Killianstraße 5, 79106 Freiburg
Heufelder, Jens, Dr.
Helmholtz-Zentrum Berlin Larsen, Michael, Prof. MD
Hahn-Meitner-Platz 1, 14109 Berlin Professor of Ophthalmology, Department of Ophthalmology,
Herlev Hospital, University of Copenhagen, Herlev Ringvej 75,
Hiepe, Falk, Prof. Dr. 2730 Herlev, Denmark
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Centrum Innere Medizin und Dermatologie Loeffler, Karin, Prof. Dr.
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Augenklinik des Universitäts-Klinikums
Rheumatologie und Klinische Immunologie Universitätsklinikum Bonn
Charitéplatz 1, 10117 Berlin Ernst-Abbe-Straße 2, 53127 Bonn

Hoerauf, Hans, Univ.-Prof. Dr. Lommatzsch, Albrecht, Dr.


Direktor der Abt. f. Augenheilkunde Augenabteilung
Universitätsmedizin Göttingen St. Franziskus-Hospital Münster
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen Hohenzollernring 74, 48145 Münster

Jandeck, Claudia, Dr. Lutty, Gerard, PhD


Kennedyallee 55, 60596 Frankfurt The Wilmer Eye Institute
Johns Hopkins Hospital
Joussen, Antonia M., Univ.-Prof. Dr. 600 N. Wolfe Street, Baltimore, USA
Direktorin der Klinik
Charité Universitätsmedizin Berlin Mackensen, Friederike, Dr.
Klinik für Augenheilkunde (CVK) Interdisziplinäres Uveitiszentrum
Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg
Jurklies, Bernhard, Prof. Dr.
Helios-Klinikum Wuppertal, Augenklinik Max, Regina, Dr.
Klinikum der Universität Witten-Herdecke Interdisziplinäres Uveitiszentrum
Heusnerstraße 40, 42283 Essen Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg
Jurklies, Christine, Dr.
Universitäts-Augenklinik Neß, Thomas, Dr.
Universitätsklinikum Essen Augenklinik
Hufelandstraße 55, 45147 Essen Universitätsklinikum Freiburg
Killianstraße 5, 79106 Freiburg
Kakkassery, Vinodh, Dr.
Klinikum Steglitz (CBF) Padge, Björn, Dr.
Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin Brünebrede 47, 48231 Warendorf
XV
Autorenverzeichnis

Pauleikhoff, Daniel, Prof. Dr. Shields, Carol L., MD


Augenheilkunde Ocular Oncology Service, Wills Eye Institute
St. Franziskus Hospital Thomas Jefferson University
Hohenzollernring 74, 48415 Münster Philadelphia, Pennsylvania 19108, USA

Pleyer, Uwe, Prof. Dr. Soliman, Wael, MD


Charité Universitätsmedizin Berlin Department of Ophthalmology, Herlev Hospital
Klinik für Augenheilkunde (CVK) University of Copenhagen
Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin Herlev Ringvej 75, 2730 Herlev, Denmark

Rohrbach, Jens Martin, Prof. Dr. Springer, Christina, Dr.


Augenklinik Abt. 1 Augenklinik, Stadtspital Triemli
Universitätsklinikum Tübingen Birmensdorferstraße 497, 8063 Zürich, Schweiz
Schleichstraße 12, 72076 Tübingen
Stübiger, Nicole, Prof. Dr.
Roider, Johann, Univ.-Prof. Dr. Fakultät Gesundheitswesen
Universitätsklinikum Schleswig Holstein Campus Kiel Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften
Klinik für Augenheilkunde, Haus 25 Rothenfelder Straße 10, 38440 Wolfsburg
Arnold-Heller-Straße 3, 24105 Kiel
van Meurs, Jan C., Prof. Dr.
Rosenbaum, James T., MD Professor of Ophthalmology
Casey Eye Institute The Rotterdam Eye Hospital
Oregon Health & Science University Schiedamsevest 180, 3011 BH Rotterdam, Netherlands
Portland, Oregon, USA
Walsh, Alexander, MD
Rüfer, Florian, Dr. Department of Ophthalmology
Klinik für Augenheilkunde Doheny Eye Institute
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Kiel University of Southern California, USA
Arnold-Heller-Straße 3, 24105 Kiel
Wessing, Achim, Prof. Dr. Dr. h.c.
Sadda, Srinivas, MD Horster Straße 115, 45968 Gladbeck
Department of Ophthalmology
Doheny Eye Institute Wiehler, Ute, Dr.
University of Southern California, USA Sagarmartha Choudhary Eye Hospital
Lahan, Siraha District, Nepal
Schlote, Torsten, Prof. Dr.
Tagesklinik Ambimed Willerding, Gregor, Dr.
Klingentalstraße 9, 4057 Basel, Schweiz Charité Universitätsmedizin Berlin
Klinik für Augenheilkunde (CBF)
Schüler, Andreas, PD Dr. Hindenburgdamm 30, 12203 Berlin
Stell. Ärztlicher Direktor
Augenklinik Universitätsallee, Parkallee 301 / Winterhalter, Sibylle, Dr.
Universitätsallee, 28213 Bremen Charité Universitätsmedizin Berlin
Hochschulambulanz für Augenheilkunde (CVK)
Shields, Jerry A., MD PhD Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Ocular Oncology Service, Wills Eye Institute
Thomas Jefferson University Wolf, Sebastian, Univ.-Prof. Dr. Dr.
Philadelphia, Pennsylvania 19107, USA Universitätsklinik für Augenheilkunde
Inselspital Bern, 3010 Bern, Schweiz
XVI Autorenverzeichnis

Zeimer, Meike, Dr.


Augenheilkunde
St. Franziskus Hospital
Hohenzollernring 74, 48415 Münster

Ziemssen, Focke, PD Dr.


Universitäts-Augenklinik
Eberhard Karls Universität Tübingen
Schleichstraße 12-16, 72076 Tübingen,

Zierhut, Manfred, Prof. Dr.


Department für Augenheilkunde
Eberhard Karls Universität Tübingen
Schleichstraße 12-16, 72076 Tübingen
XVII

Abkürzungsverzeichnis

AAV adenoassoziierte Viren DM Diabetes mellitus


AAV Arterienastverschluss DMÖ diabetisches Makulaödem
ACE Angiotensin-konvertierende Enzym DRS Diabetic Retinopathy Study
ACI Arteria carotis interna EAE experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis
ACR American College of Rheumatology ECLAM European Consensus Lupus Activity Measurement
AEG Glyzierungsendprodukte (»early glycation end eNOS endotheliale Stickoxidsynthetase/Nitric Oxide
products«) Synthase
AION anteriore ischämische Optikusneuropathie ERG Elektroretinogramm
AMD altersabhängige Makuladegeneration ERM epiretinale Membran
ANA antinukleäre Antikörper ETDRS Early Treatment Diabetic Retinopathy Study
ANV Kammerwinkelneovaskularisation EVR familial exudative vitreoretinopathy
aPTT aktivierte partielle Thromboplastinzeit FA Fluoreszeinangiographie
ARN akute retinale Nekrose FAI Fluozinolone Acetonid Implantat
AT III Antithrombin-III FEVR familiäre exsudative Vitreoretinopathie
AVI invertiertes Bild FFP fresh frozen plasma
AVT retinale Astvenenthrombose FGF fibroblast growth factor
BAL Bronchoalveolarlavage fRAT familiäre retinale arterielle Tortuosität
bFGF basic fibroblast growth factor GAP glial fibrillary acidic protein
BPD-MA Benzoporphyrinderivat-Monoacid GH Wachstumshormon
BRVO branch retinal vein occlusion GvHD graft versus host disease
BSG Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit GWK Goldmann-Witmer-Koeffizient
BVA Berufsverband der Augenärzte (BVA) HIF Hypoxie-induzierbarer Faktor
CCM zerebrale kavernöse Malformation HREs hypoxia-responsive elements
CCS Chorioretinopathia centralis serosa HRG histidinreiches Glykoprotein
CCS Churg-Strauss-Syndrom HSV Herpes-simplex-Virus
CDMS klinisch definierte Multipe Sklerose ICAM intercellular adhesion molecule
CEA Carotis-Endarterektomie ICG Indozyaningrün
CGE Cobalt Gray Equivalent IFDA Initiativgruppe »Früherkennung diabetischer
CHAMPS Controlled High-Risk Subjects Avonex Multiple Augenerkrankungen« (IFDA)
Sclerosis Prevention Study IGF Insulin like growth factor
CME zystoides Makulaödem (»cystoid macular IL Interleukin
edema«) ILM Membrana limitans interna
CMV Zytomegalievirus INR international normalization ratio
CNV choroidale Neovaskularisation INV Irisneovaskularisation
cPAN klassische Panarteriitis nodosa IOD Intraokulardruck
cpm cuts per minute IOL Intraokularlinse
CRA chorioretinale Anastomose IRMA intraretinale mikrovaskuläre Anomalie
CRLR calcitonin receptor like receptor IVA Ausgangssehschärfe
ct centistokes IVOM intravitreale operative Medikamentenapplikation
CT Computertomogramm IVTA intravitreales Triamcinolon
CTGF connective tissue growth factor JAM junctional adhesion molecule
CVID common variable immunodeficiency KMT Knochenmarktransplantation
DAG Diacylglycerol LE Lupus erythematodes
DD Differentialdiagnose LIA Licht-induzierte Amaurose
DDG Deutsche Diabetesgesellschaft (DDG) LRP5 low-density lipoprotein receptor-related protein 5
DDS Dexamethason slow-release System MCP macrophage chemoattractant protein
DIC disseminierte intravasale Koagulopathie MIP macrophage inflammatory protein
XVIII Abkürzungsverzeichnis

mPAN mikroskopische Panarteriitis nodosa TNF tumor necrose factor


MRA MR-Angiographie t-PA Gewebsplasminogenaktivator (tissue
MRT Magnetresonanztomogramm plasminogen activator)
MS Multiple Sklerose TPZ Thromboplastinzeit
NAION nicht-arteriitische anteriore ischämische TTE transthorakales Herzecho
Optikusneuropathie TTP thrombotische thrombozytopenische
ND Norrie-Erkrankung Purpura
NF-κB nuclear factor κ B TZ Thrombinzeit
NVD Neovaskularisation auf oder neben der UTR untranslated regions
Papille VE-cadherin vascular endothelium cadherin
NVE Neovaskularisation andernorts am Fundus VEGF vascular endothelial growth factor
NVG neovaskuläres Glaukom vHL von Hippel-Lindau-Erkrankung
OCT Optische Kohärenztomographie VPF vascular permeability factor
OIR-Modell Oxygen induced retinopathy-model VTR vasoproliferativer Tumor der Retina
OIS Okuläres Ischämiesyndrom VZV Varicella-zoster-Virus
ON Optikusneuritis XL-FEVR X-linked familial exudative vitreoretinopathy
OPL äußere plexiforme Schicht ZAV Zentralarterienverschluss
OPPG-Syndrom Osteoporosis-pseudoglioma syndrome ZVT Zentralvenenthrombosen
PAI plasminogen activator inhibitor ZVV Zentralvenenverschluss
PCR polymerase chain reaction
PDT photodynamische Therapie
PEDF pigment epithelial derived factor
PFCL Perfluorcarbone
PHPV persistierende hyperplastische primäre
Glaskörper
PKC Proteinkinase C
POE Polyorthoesthern
PORN progressive äußere Netzhautnekrose
PPD purifiziertes Proteinderivat
PRP panretinale Photokoagulation
PVR proliferative Vitreoretinopathie
RAP retinal angiomatöse Proliferation
RAPD relativer afferenter Pupillendefekt
RCH retinales kapilläres Hämangiom
RON radiären Optikusneurotomie
ROP retinopathy of prematurity
RPE retinales Pigmentepithel
RPM Retinopathia praematurorum
rtPA rekombinierter Gewebsplasminaktivator
(recombinant tissue-like plasminogen
activator)
sE-Selectin soluble E-Selectin
SiO Silikonöl (SiO)
siRNA small interference-RNA
SLE systemischen Lupus erythematodes
SLEDAI Systemic Lupus Erythematosus Disease
Activity Index
SRD seröse Netzhautabhebung (»serous retinal
detachment«)
SRT selektiven Retinatherapie
SSTR1-5 5 Somatostatin-Rezeptor-Subtypen
TGF transforming growth factor
I

I Diagnostische und therapeutische


Konzepte in der Behandlung
retinaler Gefäßerkrankungen

1 Fluoreszeinangiographie – 3
H. Heimann, S. Wolf

2 Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler


Gefäßerkrankungen – 19
F. M. A. Heußen, S. R. Sadda, A. C. Walsh

3 Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen – 33


F. Rüfer, J. Roider

4 Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen


der Netzhaut – 47
B. Jurklies, C. Jurklies

5 Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien – 67


S. Brunner, S. Binder

6 Behandlung des rubeotischen Sekundärglaukoms – 77


T. Schlote, K. U. Bartz-Schmidt

7 Pharmakologische Ansätze in der Behandlung retinaler


Gefäßerkrankungen – 87
F. Ziemssen
3 1

Fluoreszeinangiographie
H. Heimann, S. Wolf

1.1 Geschichte der Fluoreszeinangiographie – 4

1.2 Konzept – 12

1.3 Durchführung der Fluoreszeinangiographie – 12

1.4 Interpretation der Fluoreszeinangiographie – 14

1.5 Quantitative Auswertung der Fluoreszeinangiographie – 17

1.6 Vermeidung unnötiger Angiographien – 17

Literatur – 18

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_1,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
4 Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

Die Fluoreszeinangiographie (FA) stellt neben der Oph- kunde, der »Medical Retina«, gelegt. Die ersten bahn-
1 thalmoskopie weiterhin eine wichtige Untersuchungs- brechenden großen Multizenterstudien in diesem neuen
methode bei Diagnose und Therapie der häufigsten Spezialgebiet basieren auf fluoreszenzangiographischen
Netzhauterkrankungen dar. Trotz der Weiterentwicklun- Befunden und haben so in den letzten 20 Jahren neue
gen von optischer Kohärenztomographie (OCT) und der Standards für die Behandlung von exsudativer AMD,
Indiozyaningrün-Angiographie können frühe Schädigun- diabetischer Retinopathie und retinalen Gefäßerkran-
gen der Netzhautgefäße, Neovaskularisationen bei exsu- kungen definiert.
dativer AMD sowie Netzhaut-Ischämien bei diabetischer Als wesentlicher technischer Fortschritt ist die Ein-
Retinopathie oder nach Gefäßverschlüssen zuverlässig führung digitaler Photographiesysteme anzusehen, die
nur mit der Fluoreszeinangiographie diagnostiziert wer- klassische filmbasierte Techniken seit etwa 10 Jahren
den. Daher wird diese Methode auf absehbare Zeit ein überholt und ersetzt haben. Die Vorteile dieser Metho-
wichtiger Bestandteil der Untersuchungen von Patienten den sind in einer sofortigen Verfügbarkeit der Bilder
mit retinalen und choroidalen Erkrankungen bleiben an mehreren Arbeitsplätzen innerhalb einer Klinik, der
(⊡ Abb. 1.1). Möglichkeit der digitalen Nachbearbeitung und Verbes-
serung der Aufnahmen, der vereinfachten Archivierung,
der Pseudo-Stereobetrachtung am Monitor und dem
1.1 Geschichte der Nutzen für telemedizinische Konsultationen zu sehen.
Fluoreszeinangiographie Diese hat in den letzten Jahren zur Etablierung mehre-
rer »Reading Centres« weltweit geführt, in denen Netz-
Fluoreszein ist einer der stärksten künstlichen Farbstoffe. hautspezialisten standardisierte Auswertungen und Be-
Es wurde erstmals 1871 von Adolf von Baeyer, einem urteilungen von bildgebenden Verfahren und Befunden
deutschen Chemiker, dem 1906 den Nobelpreis für Che- für Studienzwecke oder auch zur klinischen Behandlung
mie für die Entwicklung organischer Farbstoffe verliehen vornehmen.
wurde, synthetisiert. Eine Anreicherung von Fluoreszein Trotz der wichtigen neueren Untersuchungstechni-
in der Vorderkammer nach intravenöser Injektion des ken wie den elektrophysiologischen Untersuchungsme-
Farbstoffs wurde erstmals von Paul Ehrlich im Jahre 1882 thoden, der ICG-Angiographie und insbesondere der
beschrieben. Weitere Meilensteine waren die Beschrei- optischen Kohärenztomographie (OCT) bleibt die FA
bung einer Fluoreszein-Leckage in chorioretinischen auch weiterhin ein essentieller Bestandteil in der Di-
Herden durch Burk 1910 sowie 1955 die Anreicherung agnose und Behandlung der wichtigsten Netzhauter-
in Aderhauttumoren nach intravenöser Injektion durch krankungen. Eine zweifelsfreie Diagnose der häufigsten
MacLean und Maumenee. Erkrankungen (z.B. der exsudativen AMD) oder die Be-
Das Konzept der heute angewendeten Fluoreszeinan- urteilung der Netzhautperfusion bei diabetischem Ma-
giographie (FA) wurde erstmals 1959 von Flocks, Miller kulaödem und retinalen Gefäßerkrankungen kann nur
und Chao nach tierexperimentellen Studien an Katzen anhand der FA erfolgen. Dieser Methode kommt daher
beschrieben. Die erste FA am Menschen wurde kurz dar- auch weiterhin eine wichtige Rolle bei der Therapieent-
auf von Novotny und Alvis durchgeführt. Ein Meilenstein scheidung und Finanzierung der Behandlung retinaler
in der Interpretation der fluoreszenzangiographischen Erkrankungen zu.
Befunde und Standardwerk bis heute ist der »Stereosco- Durch die neuen Behandlungsoptionen in der Thera-
pic Atlas of Macular Diseases« von Donald Gass, der erst- pie der exsudativen AMD und nun auch der vaskulären
mals 1969 herausgegeben wurde. In Deutschland wurde retinalen Erkrankungen hat die Anzahl der durchzufüh-
die FA durch Achim Wessing und sein Lehrbuch »Flu- renden FA in den letzten 5 Jahren deutlich zugenommen.
oreszeinangiographie der Retina«, das 1968 publiziert Da es sich bei der FA um ein invasives und relativ zeitauf-
wurde, als fester Bestandteil der modernen Retinologie wendiges Verfahren handelt, sind die größeren Zentren
etabliert. nunmehr darauf bedacht, die Anzahl der durchgeführten
Die FA wird nun seit über 40 Jahren routinemä- FA auf das notwendige Minimum zu reduzieren. In den
ßig weltweit in allen Kliniken, die auf die Behand- vergangenen Jahren geht der Trend daher in die Rich-
lung der Erkrankungen des hinteren Augenabschnitts tung, die FA vor allem bei der Diagnosestellung und
spezialisiert sind, angewendet. Sie hat enorm zu dem initialen Therapieempfehlung einzusetzen. Der Thera-
Verständnis und zur Entwicklung neuer Therapiestrate- pieverlauf wird nunmehr meist durch sequentielle OCT
gien in der Behandlung dieser Erkrankungen beigetra- beurteilt. Die Bedeutung der FA hat hier in den letzten
gen. Zusammen mit der etwa zeitgleichen Einführung Jahren abgenommen und sie wird, z.B. im Rahmen der
der Laserkoagulation wurden so der Grundstein für Anti-VEGF Therapie der exsudativen AMD, nur noch in
ein eigenständiges neues Fachgebiet in der Augenheil- Einzelfällen durchgeführt.
Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

AMD

Klassische CNV Zentrale Makula GraueVerdickung zentrale Frühe, gut abgrenzbare Zunehmende Hy- Persistierende Frühe, gut abgrenzbare
Retina/RPE/ Makula Hyperfluoreszenz perfluoreszenz mit Hyperfluoreszenz Hyperfluoreszenz mit zuneh-
Choriokapillaris ± intraretinale Blutung Leckage vom Rand mender Leckage.
± Exsudate der CNV Speichenartige Gefäßstruktur
± RPE Veränderungen der CNV in einigen Fällen
± umgebender Pigment- sichtbar
ring

Okkulte CNV Zentrale Makula GraueVerdickung zentrale Hypofluoreszenz im Bereich Punktförmige oder Zunehmende Keine Hyperfluoreszenz in
Retina/RPE/ Makula des Netzhautödems größere Hyperfluo- Leckage, deren der Frühphase, dann zuneh-
1.1 · Geschichte der Fluoreszeinangiographie

Choriokapillaris ± intraretinale Blutung reszenzen, die erst in Herkunft nicht mende, nicht sicher zu lokali-
± Exsudate der arteriovenösen sicher lokalisiert sierende Leckage im Verlauf.
± RPE Veränderungen Phase auftreten werden kann, oder Stereo-Betrachtung wichtig
fibrovaskuläre RPE-
Abhebung

Pigmentepithel-Abhebung Makula Orang-gelbliche, kuppel- Hypofluoreszenz im Bereich Beginnende und Zunehmende und Eine nierenförmige Einker-
Retina/RPE artige Vorwölbung des Netzhautödems zunehmende Leckage persistierende bung der RPE-Abhebung
innerhalb der Abhe- Leckage, die die kann die Lokalisation einer
bung Grenzen der Abhe- CNV anzeigen.
bung nicht über- ICG-Angiographie zum Nach-
schreitet weis einer CNV oder polypoi-
daler Läsionen

RAP (Retinale angiomatöse Proli- Makula meist Exzentrische retinale Frühe, lokalisierte Hyperflu- Zunehmende Lecka- Persistierende Video-Angiographie verdeut-
feration) para-/juxtafo- Blutung mit umgebenden oreszenz ge im Bereich des Leckage im Bereich licht Kommunikation retinaler
veal Lipidexsudaten. Kommunikation der CNV Gefäßkomplexes des Gefäßkom- und choroidaler Gefäße.
Retina/RPE/ Retinale Gefäße, die sich mit dem retinalen Gefäß- plexes ICG-Angiographie sinnvoll
Choriokapillaris nicht verjüngen und in die komplex ± RPE-Abhebung
Aderhaut abtauchen
±RPE-Abhebung
5

⊡ Abb. 1.1 Übersicht typischer fluoreszenzangiographischer Befunde


1
1
6

Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Einriss des Pigmentepithels Makula, meist Gut abgrenzbare, meist Frühe, gut abgrenzbare Zunehmende Hyper- Persistierende Treten spontan oder häufiger
juxta-/extra- L-förmiges aufgehelltes Hyperfluoreszenz im De- fluoreszenz im De- Hyperfluoreszenz nach Therapie von CNV mit
foveal Areal, an einer Seite von fektbereich (Fensterdefekt ± fektbereich / CNV RPE-Abhebungen auf.
RPE dem dunkleren aufgeroll- CNV-Leckage), Hypofluores- Identifikation noch aktiver
ten RPE begrenzt zenz im Areal des aufgeroll- CNV für Entscheidung zur
ten RPEs Wiederbehandlung wichtig

Drusen Makula / hinte- Gelbliche Vorwölbungeun Überwiegend hypofluores- Zunehmende Hyper- Persistierende Keine Leckage über den
rer Pol unterschiedlicher Größe zent, einige Drusen können fluoreszenz, keine oder abnehmende Randbereich der Drusen
Retina/RPE jedoch vereinzelt eine frühe, Leckage Hyperfluoreszenz, hinaus
Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

gut abgrenzbare Hyperfluo- keine Leckage


reszenz aufweisen

Makuläre Teleangiektasien Juxtafoveal, Lokalisierte Gefäßerwei- Füllung der retinalen Telean- Leckage über den Leckage mit teilwei- Stereoangiographie zur
meist temporal terungen, schollige Pig- giektasien Teleangiektasien se zystoidem Ödem räumlichen Zuordnung der
inferior mentverschiebungen. Läsion wichtig.
Verlust der Netzhauttrans- OCT zeigt meist weniger
parenz Netzhautverdickung als nach
± RAP-ähnliche Verände- Angiographie zu erwarten
rungen mit CNV wäre.
Oft bilateral

Geographische Atrophie Zentrale Maku- Gut abgrenzbares Areal Frühre, gut abgrenzbare Zunehmende Hyper- Abnehmende Keine Leckage, kein Netz-
la, initial meist mit Fensterdefekt Hyperfluoreszenz mit sicht- fluoreszenz parallel Hyperfluoreszenz hautödem Autofluoreszenz
juxta-/extrafo- baren Aderhautgefäßen zur Aderhautfüllung parallel zum Nach- besser zur Untersuchung /
veal (Fensterdefekt) Keine Hyperfluores- lassen der Ader- Dokumentation geeignet
zenz über den Rand- hautfluoreszenz
bereich des Fenster-
defekts hinaus

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Diabetische Retinopathie

Fokales Ödem Meist extrafo- Lokalisierte Mikroaneu- Hypofluoreszenz durch Zunehmende Füllung Zunehmende Spätaufnahme nach 10 min
veal beginnend rysmen mit umgebendem Netzhautödem, Füllung der und Leckage der Leckage zeigt oft deutlich mehr Le-
Retina Netzhautödem, Lipid- Mikroaneurysmen Mikroaneurysmen ckage.
Exsudaten und Blutungen FA zur Identifikation von
Mirkoaneurysmen und ischä-
mischen Arealen

Diffuses Ödem Zentrale Makula Diffuse Netzhautverdi- Hypofluoreszenz durch Diffuse Leckage über Zunehmende Le- OCT zur Verlaufsbeobachtung
Retina ckung Netzhautödem, Füllung von geschädigten Netz- ckage, oft zystoide
1.1 · Geschichte der Fluoreszeinangiographie

± Exudate Mikroaneurysmen hautgefäßen und von Konfiguration


± Mikroaneurysmen Mikroaneurysmen

Ischämische Retinopathie Zentrale Makula Diffuse Verdickung Hypofluoreszenz in den Persistierende Hypo- Persistierende Ausmaß der Ischämie beein-
Retina ± »Ghost Vessels« Verschlussarealen fluoreszenz Hypofluoreszenz flusst Therapieentscheidung
± IRMA oder Neovaskula- Hyperfluoreszenz in
risationen im Randbereich den Randbereichen
der Ischämieareale über IRMA oder
± tiefe Netzhautblutungen Neovaskularisati-
onen

Proliferative Retinopathie An der Papille Sichtbare Neovaskulari- Frühe Füllung der Neovas- Leckage über den Persistierende Kleinere Neovaskularisatio-
oder entlang sationen kularisationen parallel zur Neovaskularisationen diffuse Leckage nen können oft nur mit der FA
der großen ± Fibrose Füllung der Netzhautgefäße über den Neovasku- identifiziert werden
Gefäßbögen ± Traktion larisationen
Epiretinal ± Makulaödem
7

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


1
1
8

Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Tumoren

Aderhautmelanom Gesamter Pigmentierter oder nicht- Hypofluoreszenz durch Hyperfluoreszenz Persistierende Tumoreigenes Gefäßsystem
Fundus pigmentierter Aderhaut- Tumor und Netzhautödem innerhalb des Tumors Hyperfluoreszenz unterstützt die Diagnose,
Aderhaut tumor Teilweise sichtbare Füllung ± lokalisierte Lecka- innerhalb des ist jedoch nicht immer zu
Gelegentlich Durchbruch eines tumoreigenen Gefäß- gen Tumors identifizieren und ist nicht
durch Bruch´sche Mem- systems ± zunehmende beweisend
bran und Netzhautinfil- Leckagen der Tumor-
tration gefäße
± Lipofuzin (»orange
pigment«)
± tumoreigenes Gefäß-
system
Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

± subretinale Blutungen
± Drusen
± Netzhautödem / exsu-
dative Ablatio

Aderhauthämangiom Hinterer Pol Rötlicher oder gräulicher Sehr frühe Füllung der Zunehmende, deutli- Persistierende Gute Aufnahmen der Früh-
Aderhaut Tumor mit Netzhautödem Tumorgefäße mit der Ader- che Hyperfluoreszenz Leckage innerhalb phase wichtig
oder exsudativer Ablatio hautfüllung (meist kurz vor innerhalb des Tumors des Tumors ICG-Angiographie hilfreich
Füllung der Netzhautge-
fäße)

Varia

Retinopathia centralis serosa Makula Gelbliche Läsionen und Hypofluoreszenz in Bereich Punktförmige Hy- Persistierende Multiple Läsionen möglich
Gelegentlich RPE-Veränderungen in der des Netzhautödems perfluoreszenz, die Leckage im Bereich Neurosensorische Abhebung
außerhalb der Makula sich langsam zu einer der neurosenso- meist nur im OCT erkennbar
Makula Makulaödem größeren Leckage rischen- / RPE- ICG Angiografie sinnvoll
RPE ± extrafoveale neurosen- ausweitet (»Rauch- Abhebung
sorische und RPE-Abhe- fahne«)
bungen

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Chronische Retinopathia centralis Makula Pigmentveränderungen in Frühe Fensterdefekte des Fensterdefekte Persistierende Wichtige Differentialdiagnose
serosa Gelegentlich der Makula RPE ± Leckagen in aktiven Fensterdefekte zur okkulten CNV
außerhalb der ± aktive Läsionen wie oben Läsionen ± Leckagen in Stereoangiografie, OCT und
Makula beschrieben aktiven Läsionen ICG Angiografie in der Diffe-
RPE rentialdiagnose hilfreich

Zystoides Makulaödem Zentrale Makula Zystoide Netzhautver- Hypofluoreszenz durch Langsam zunehmen- Zunehmende OCT zur Verlaufskontrolle
1.1 · Geschichte der Fluoreszeinangiographie

Retina änderungen (»Honigwa- Netzhauödem de Hyperfluoreszenz Leckages (Pooling) und Ausschluß vitreoretinaler
ben«) innerhalb der zystoi- in den zystoiden Traktionen
den Hohlräume Hohlräumen

Makulaforamen Zentrale Makula Punktförmige gelbliche Hypofluoreszenz im Bereich Gelegentlich geringe Gelegentlich zuneh- FA normalerweise nicht
Veränderung oder rundli- des Defekts Hyperfluoreszenz mende Hyperfluo- indiziert.
cher Netzhautdefekt mit innerhalb bzw. im reszenz im Randbe- Diagnose durch klinischen
punktförmigen gelblichen Randbereich des reich des Lochs Befund und OCT
Veränderungen innerhalb Lochs
des Defektes (»Salamisch-
eibe«)

Makular pucker Makula Verziehung der makulären Füllung der verzerrten Geringe Hyperfluo- Zunehmende FA normalerweise nicht
Retina Netzhautgefäße Netzhautgefäße reszenz der verzerr- Hyperfluoreszenz indiziert.
Sichtbare Gliose / Fibrose ten Netzhautgefäße über den verzerrten Diagnose durch klinischen
Gefäßen Befund und OCT
Gelegentlich zystoi-
de Leckage
9

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


1
1
10

Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Retinale Vasculitis Segmental oder Gefäßeinscheidungen, Verlangsamte Füllung der Zunehmende Hyper- Zunehmende Hy- Umfangreiche Differentialdi-
generalisiert Vitritis. betroffenen Netzhautgefä- fluoreszenz über ge- perfluoreszenz. agnose.
Kann gesamten Retinale Ödem und Blu- ße (Arterien und Venen) schädigten Gefäßen Späte Hyperfluo- FA gelegentlich zur Identifika-
Fundus betref- tungen Schwache Hyperfluoreszenz ± Füllungsdefekte reszenz über der tion von betroffenen Arealen
fen über geschädigten Gefäßen ± zystoides Makula- Papille und Neovaskularisationen
Retina ± Cho- ödem sinnvoll
roidea ± Leckage über
epiretinalen Neovas-
kularisationen
Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

Choroidale Vasculitis Segemental Pigmentveränderungen Hypofluoreszenzen in den Meist Übergang von Hyperfluoreszenz Umfangreiche Differentialdi-
oder genera- ± »weiße Flecken« betroffenen Arealen Hypofluoreszenz zu über den betrof- agnose.
lisiert ± Vitritis Hyperfluoreszenz fenen Aderhauta- ICG Angiografie hilfreich
Kann gesamten in den betroffenen realen.
Fundus betref- Aderhautarealen Späte Hyperfluo-
fen reszenz über der
Choroidea ± Papille
Retina

Retinale Gefäßverschlüsse

Zentralvenen-Verschluss Gesamter Intra- und präretinale Hypofluoreszenz über der Verzögerte Füllung Diffuse Leckage FA zur Identifikation von
Fundus Blutungen. ödematösen Netzhaut und der gestauten Netz- durch generalisierte Ischämiearealen und Neovas-
± Makulaödem Gestaute Netzhautvenen den Blutungen hautvenen Hypoflu- Schrankenstörung kularisationen.
Retina zystoides Makulaödem- oreszenz in Ischämie- der betroffenen OCT zur Verlaufsbeobachtung
Cotton-wool-Herde. arealen. Gefäße.
Bei älteren Verschlüssen: Leckage über Neo- ± zystoides Maku-
± retinale Teleangiek- vaskularisationen und laödem
tasien Teleangiektasien. ± Leckage über
± retinochoroidale Shunt- Keine Leckagen über Teleangiektasien
gefäße Shuntgefäßen und Neovaskularisa-
± Neovaskularisationen tionen

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


Erkrankung Lokalisation Klinischer Befund Frühe arteriovenöse Phase Arteriovenöse Phase Spätphase Kernpunkte

Venenast-Verschluss Ein bis zwei Wie Zentralvenen- Hypofluoreszenz über der Verzögerte Füllung Diffuse Leckage FA zur Identifikation von
Netzhautquad- Verschluss, jedoch auf ödematösen Netzhaut und der gestauten Netz- durch generalisierte Leckage und Ischämien vor
ranten ein bis zwei Quadranten den Blutungen hautvenen Hypoflu- Schrankenstörung Laserkoagulation.
± Makulaödem begrenzt oreszenz in Ischämie- der betroffenen OCT zur Verlaufsbeobachtung
arealen. Gefäße
Leckage über Neo- ± zystoides Maku-
vaskularisationen und laödem
Teleangiektasien. ± Leckage über
Keine Leckagen über Teleangiektasien
Shuntgefäßen und Neovaskularisa-
tionen

Zentralarterienverschluss / Retina Netzhautödem Verzögerte und segmentale Stark verzögerte Fül- Diffuse Leckage in FA gelegentlich in frischen
Arterienastverschluss Alle Quadran- Kirschroter Fleck der Füllung der betroffenen lung der betroffenen den betroffenen Fällen hilfreich, da noch kein
1.1 · Geschichte der Fluoreszeinangiographie

ten oder loka- Fovea Netzhautareale Choroidale Gefäße Quadranten auf- ausgeprägtes Netzhautödem
lisiert ± sichtbare intraarterielle Füllung erhalten falls Arteria ± Segmentierung des grund eine genera- vorliegt
Emboli ophthalmica noch durch- Fluoreszeinstroms lisierten Endothel- /
blutet, ansonsten fehlende in den betroffenen Schrankenstörung
Aderhautfüllung Gefäßen
Gelegentlich erhaltene Zir-
kulation eines zilioretinalen
Gefäßes and er Papille

Okuläres Ischämiesyndrom Retina Mikroaneurysmen, Maku- Deutlich verzögerte und Verlängert Arteriove- Diffuse Leckage Carotis-Doppler zur Diagno-
Gesamter laödem, Verengte Netz- ungleichmäßige Aderhaut- nöse Passagezeit. über Mikroaneurys- sesicherung erforderlich.
Fundus hautarterien füllung. Füllung der Mikro- men und geschä-
Deutlich verzögerte Füllung aneurysmen digten Netzhautge-
der Netzhautgefäße fäßen.
Leckage über der
Papille

⊡ Abb. 1.1 Fortsetzung


1 11
12 Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

1.2 Konzept Fluoreszein nach intravenöser Injektion frei in allen


1 Geweben.
Die Fluorezenz ist ein physikalisches Phänomen, bei dem Die intravenöse Injektion ist zumeist gut verträg-
absorbiertes Licht einer bestimmten Wellenlänge eine lich. Leichte Nebenwirkungen, wie z.B. Übelkeit, kom-
spontane Emission von elektromagnetischer Strahlung men bei etwa 1:20 Fällen vor. Mittelschwere Neben-
der gleichen oder unterschiedlicher Wellenlänge hervor- wirkungen wie Urtikaria oder Dyspnoe sind bei etwa
ruft. In der Praxis macht man sich dieses Phänomen zu 1:60 Fällen zu beobachten. Schwere Komplikationen wie
Nutzen, in dem man das erregende Licht durch Filter auf schwere allergische Reaktionen oder ein anaphylakti-
ein bestimmtes Wellenlängenspektrum beschränkt und scher Schock können bei etwa 1:2.000 Fällen auftreten.
das neu emittierte Licht wiederum durch selektive Filter Das Risiko für letale Komplikationen wird in der Lite-
aufnimmt. In der Praxis wirken die nicht an Proteine ratur mit 1:220.000 angegeben. Die FA ist bei Patienten
gebundenen Fluoreszeinmoleküle nach Anregung durch mit vorherigen allergischen Reaktionen auf Fluoreszein
das einfallende Licht wie unzählige Lichtquellen, die nun kontraindiziert. Es bestehen keine wissenschaftlichen
im Gewebe lokalisiert bzw. photographiert werden kön- Erkenntnisse, die gegen die Durchführung einer Angio-
nen und durch die fluoreszierenden Eigenschaften einen graphie während einer Schwangerschaft sprechen wür-
viel stärkeren Kontrast zu dem umgebenden Gewebe er- den. Jedoch wird diese in der Regel, zumal durch die
zeugen als dieses durch die reinen Färbeigenschaften des nun weit verbreitete nicht-invasive Untersuchungsme-
Farbstoffes möglich wäre. thode der OCT, meist erst nach der Geburt des Kindes
Natrium-Fluoreszein (C20H10O5Na2, MW 376) ist vorgenommen.
der am häufigsten für eine Fluoreszenzangiographie
angewendete Farbstoff. Indiozyaningrün (ICG) ist ein
zweiter, routinemäßig in der Fluroeszenzangiographie 1.3 Durchführung der
eingesetzter Farbstoff. Aufgrund der unterschiedlichen Fluoreszeinangiographie
Eigenschaften der beiden Farbstoffe werden sie bei un-
terschiedlichen Fragestellungen eingesetzt. Während ICG Vor der Angiographie ist eine Aufklärung des Patienten
überwiegend bei Diagnose der Erkrankungen der Ader- über die Gründe für die Angiographie und mögliche
haut von Bedeutung ist, ist Fluoreszein diesem Farbstoff Nebenwirkungen erforderlich. Da es sich um ein inva-
bei der Darstellung der Erkrankungen der Netzhaut und sives Untersuchungsverfahren handelt, ist in den meis-
des retino-choroidalen Interfaces überlegen. Die über- ten Ländern und Institutionen eine schriftliche Einver-
ragende Bedeutung des Fluoreszeins leitet sich von der ständniserklärung des Patienten vor Durchführung der
engen Beziehung zur Integrität der inneren und äußeren Angiographie Voraussetzung für die Durchführung der
Blut-Retina-Schranke ab (retinale Gefäßendothelien bzw. Untersuchung. Die Aufnahmen werden in der Regel von
retinale Pigmentepithelzellen). Sind diese intakt, so ver- einem spezialisierten Fotografen oder einem Augenarzt
lässt Fluoreszein die retinalen Gefäße praktisch nicht und vorgenommen, deren Fähigkeiten von entscheidender
kreuzt auch nicht die Barriere zwischen der Choriokapil- Bedeutung für die Qualität der Aufnahmen sind. Da z.B.
laris und den retinalen Pigmentepithelzellen. Doch schon für die Anfertigung der sehr wichtigen Aufnahmen der
geringgradige Störungen der Blut-Retina-Schranke re- arteriovenösen Frühaufnahmen nur ein kleines Zeitfens-
sultieren in einer abnormen Lokalisation und Ansamm- ter von einigen Sekunden zur Verfügung steht, ist es von
lung von Fluorezeinmolekülen, die mit der FA detektiert essentieller Bedeutung, dass sich der Fotograf über die
werden können. Durch die intravasale Lokalisation des zu untersuchenden Strukturen im Klaren ist und vorab
Fluoreszeins nach intravenöser Injektion können darü- informiert wurde. Werden die zu untersuchenden Struk-
ber hinaus Neovaskularisationen oder Gefäßverschlüsse turen nicht in der arteriovenösen Phase erfasst oder sind
sichtbar gemacht werden. die Aufnahmen von minderer Qualität, so sind die Unter-
Absorption- und Emmissionsspektren des Fluores- suchungsergebnisse in aller Regel völlig wertlos.
zeins sind von verscheidenden Faktoren abhängig. Bei
! Cave!
intravenöser Applikation liegen sie bei 465 nm (Absorp-
Da das sich noch im Körper befindliche Fluores-
tion) und 525 nm (Emission). Etwa 70-80% des injizier-
zein bei der Auswertung einer Folgeangiographie
ten Fluoreszeins werden an Proteine gebunden; 20-30%
stört, kann eine FA dann erst nach Ablauf von ei-
sind daher nicht gebunden. Injiziertes Fluoreszein wird
nigen Stunden, für Studienzwecke meist erst nach
nach intravenöser Injektion etwa um den Faktor 600
48 Stunden wiederholt werden.
im Blutstrom verdünnt und verteilt sich im gesamten
Körper. Mit der Ausnahme des Zentralnervensystems, Die Untersuchung wird in medikamentöser Mydriasis
der Retina und in gewissem Umfang der Iris findet sich vorgenommen. Ein sicherer intravenöser Zugang ist Vo-
1.3 · Durchführung der Fluoreszeinangiographie
13 1
raussetzung. Auch nach Injektion des Fluoreszeins wird in der Angiographie auffällige Strukturen besser zuord-
dieser Zugang zunächst belassen bis der Patient die Ins- nen zu können (z.B. Blutungen oder Hyperpigmentierun-
titution verlässt, um eine eventuell notwendige schnelle gen, die in den s/w Aufnahmen der FA leicht verwechselt
Medikamentenapplikation bei Notfällen zu erleichtern. werden können). Auch zusätzliche bildgebende Unter-
Aufgrund der potentiellen Nebenwirkungen sind eine suchungstechniken bei bestimmten Fragestellungen, z.B.
regelmäßige Schulung des Personals zur Behandlung von die immer wichtiger werdenden Autofluoreszenz-Auf-
Notfallsituationen notwendig sowie entsprechende Medi- nahmen oder Infrarot-Aufnahmen, sollten vor Beginn
kamente vorzuhalten. der Angiographie angefertigt werden.
Die apparative Ausstattung erfolgt heutzutage mit Die Angiographie beginnt mit einer intravenösen
einer digitalen Funduskamera mit Blitzlicht oder ei- Bolus-Injektion von 5 ml einer 10%-igen Natrium-Flu-
nem so genannten »Scanning-Laser-Ophthalmoskop«. oreszein Lösung (2,5 ml bei Patienten mit Nierenin-
Diese beinhalten Filter von 465-490 nm im blau-grünen suffizienz). Je schneller injiziert wird, desto besser ist
Spektrum für das erregende Licht sowie 520-530 nm im der Kontrast in den Frühaufnahmen der Angiographie
grün-gelben Spektrum zur Aufnahme des emittierten (aber desto häufiger tritt auch eine Übelkeit auf). Mit
Lichts. Pseudo-Stereoaufnahmen werden durch seitliches Beginn der Injektion wird eine Stoppuhr gestartet, die
Schwenken der Kamera zwischen den Einzelaufnahmen eine zeitliche Zuordnung der Aufnahmen der FA er-
angefertigt, bedürfen jedoch einer speziellen Software möglicht.
und Betrachtungseinheiten zur Erstellung und Auswer- Der Farbstoff tritt in der Regel etwa 10 bis 15 s nach
tung. Beginn der intravenösen Injektion in die Aderhaut- und
Von zunehmender klinischer Bedeutung ist auch die Netzhautzirkulation ein. Die ersten Aufnahmen werden
Anfertigung von Videosequenzen in der Frühphase der daher zu diesem Zeitpunkt zur Darstellung der arterio-
Angiographie, die auch als »dynamische Angiographie« venösen Frühphase gemacht. Danach werden etwa 1 bis
bezeichnet wird. Mit dieser Technik lassen sich bestimmte 2 Aufnahmen pro Sekunde angefertigt, bis der maximale
Krankheitsbilder, z.B. retinale angiomatöse Proliferatio- Kontrast der Fluoreszenzdarstellung nach etwa 25–35 s in
nen (»RAP-Läsionen«), leichter identifizieren. der arteriovenösen Übergangsphase erreicht ist. Darauf
Mit modernen Geräten ist die parallele oder kurz auf- folgend können, je nach Fragestellung und untersuchtem
einander folgende Durchführung von Fluoreszein- und Krankheitsbild, Aufnahmen der Fundusperipherie und
Indiozyaningrün-Angiographien möglich. Ein wichtiger des Partnerauges vorgenommen werden. Schließlich wird
Aspekt der modernen Digitaltechnik, der vor Anschaf- die Angiographie mit Spätaufnahmen nach 5 min bzw.
fung einer neuen Untersuchungseinheit bedacht werden 10 min, gelegentlich auch nach 15 min, beendet. Zwi-
muss, sind die inzwischen deutlich gestiegenen Anforde- schen der arteriovenösen Phase und den Spätaufnahmen
rungen an die Netzwerksstruktur und den notwendigen kann entweder eine IICG-Angiographie gestartet oder
Speicherplatz für die generierten digitalen Aufnahmen auch Fundusaufnahmen von anderen Patienten durchge-
und Daten. führt werden.
! Cave!
Bei geringen Speicherkapazitäten und einer lang-
Praxistipp I I
samen Netzwerkstruktur stoßen die moderneren Es existieren keine universellen Standardprotokolle
Angiographieeinheiten schnell an ihre Grenzen. für die Durchführung der FA. Die Etablierung stan-
Dieses kann unter Umständen die Anfertigung, dardisierter Protokolle bei bestimmten Erkrankungen
Archivierung und Interpretation der FA erheblich (z.B. exsudativer AMD oder diabetischer Retinopathie)
erschweren. ist empfehlenswert, um so die Anzahl der nicht aus-
sagekräftigen Angiographien auf ein Minimum zu
Die meisten Aufnahmeeinheiten verfügen über mehrere reduzieren.
Objektive, die einen Standardbildausschnitt von 30° des
hinteren Augenpols sowie 20°-Aufnahmen zur vergrö-
ßerten Darstellung, z.B. der Makula, und Weitwinkelauf- Im Rahmen von Therapiestudien werden in der Regel
nahmen von 50° oder 60° ermöglichen. Durch vorgesetzte festgelegte Untersuchungsprotokolle vorgegeben. Eine
Kontaktlinsen oder mit speziellen Weitwinkelkamerasys- Studienteilnahme ist zumeist auch an eine Zertifizierung
temen lassen sich inzwischen auch Weitwinkelangiogra- der Fotografen und der apparativen Ausstattung gebun-
phien des gesamten Fundus durchführen. den. Sollte man in der Zukunft an Behandlungsstudien
Vor Beginn der eigentlichen Angiographie sollte der teilnehmen wollen ist es daher ratsam, sich vor Anschaf-
Ausgangsbefund photodokumentiert werden. Dieses fung einer Angiographie-Einheit über die gängigen und
sollte eine Farbfundusphotographie beinhalten, um ggf. für Studien zugelassenen Systeme zu informieren.
14 Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

1.4 Interpretation der


1 Fluoreszeinangiographie

Die Interpretation der FA ist von unterschiedlichen


Faktoren wie Erfahrung und Können des befundenden
Arztes sowie der Qualität der Aufnahmen abhängig.
Abweichende Interpretationen zwischen individuellen
Befundern, aber auch zwischen Bewertungen eines Be-
funders zu unterschiedlichen Zeitpunkten sind in der
Praxis durchaus zu beobachten; das Ausmaß der Abwei-
chungen entspricht in etwa den Abweichungen, die bei
der Interpretation eines Routine-Röntgenbildes erhoben
wurden. Im Zweifelsfall ist eine Rücksprache mit einem
erfahrenen Kollegen empfehlenswert. Dieses ist heute a
aufgrund der digitalen Aufnahmetechniken per Internet
und E-Mail relativ unkompliziert durchzuführen.
Grundsätzlich sollten die Angiographien an einem
möglichst großen, hochauflösenden Bildschirm be-
trachtet werden. Wenn vorhanden, liefert die Pseudo-
Stereobetrachtung zusätzliche wertvolle Informationen,
da sie eine räumliche Zuordnung der Veränderungen
ermöglicht (z.B. Lokalisationen von Leckagequellen in
der Netzhaut, in der Ebene des retinalen Pigmentepithels
oder in der Aderhaut). Sie gehört daher in den etablierten
»Reading Centres« zum Standard der Angiographieaus-
wertung.
Die Befundung sollte bei gleichzeitiger Betrachtung
des klinischen Befundes im Rahmen der Patientenunter-
b
suchung erfolgen. Alternativ sollte, bei späterer Auswer-
tung, eine Farbaufnahme des Fundusbefundes vorhanden
sein, da diese die Zuordnung von Befunden in der s/w
Angiographie erleichtern kann. Die klinischen Befunde
(Anamnese, Visus, Vorbehandlung, Befund des Part-
nerauges) sollten bei der Auswertung der Angiographie
vorliegen. Eventuell zuvor durchgeführte Angiographien
älteren Datums und zusätzliche Untersuchungsergeb-
nisse wie OCT oder ICG-Angiographie können ebenfalls
eine wertvolle Hilfestellung bei der Interpretation leisten
(⊡ Abb. 1.2).
Ein standardisiertes Befundungsschema existiert
nicht. Allerdings erfolgt die Interpretation in den meisten
Zentren relativ übereinstimmend anhand der zeitlichen
Zuordnung der Veränderungen während der Angiogra-
c
phien. Meist werden die Leeraufnahme vor der Farb-
stoffinjektion, die arteriovenöse Frühphase (ca. 12-15 s),
⊡ Abb. 1.2 a Fundusphoto des hinteren Pols (Normalbefund). Die
die arteriovenöse Übergangsphase (ca. 25-35 s) und eine Fovea erscheint aufgrund des höheren Pigmentgehalts dunkler.
Spätphase gesondert betrachtet und die auftretenden flu- b Fundusphoto bei Patientin nach Entfernung einer choroidalen Neo-
oreszenzangiographischen Veränderungen zeitlich zuge- vaskularisation. Teile des RPE und der Choriokapillaris wurden zusam-
ordnet. Daraus ergeben sich schließlich die Diagnose und, men mit der Membran entfernt. Dieses ermöglicht die Identifizierung
der unterschiedlichen Gefäßsysteme in der nachfolgenden Fluores-
in Abhängigkeit vom klinischen Befund und Verlauf, die
zeinangiographie. c Graphische Darstellung der unterschiedlichen
Therapieempfehlung (⊡ Abb. 1.3, ⊡ Abb. 1.11, ⊡ Abb. 1.12). Schichten des Befundes in b. A Choriokapillaris und RPE entfernt, tiefe
Bei der Befundung werden zwei wesentliche fluo- Aderhautgefäße noch vorhanden. B Choriokapillaris noch vorhanden,
reszenzangiographische Phänomene unterschieden und aber RPE entfernt. (Aus Heimann H u. Wolf S 2007)
1.4 · Interpretation der Fluoreszeinangiographie
15 1

a a

b b

⊡ Abb. 1.3 Frühphase (10-15 s). a Nach Füllung der tiefen Netzhaut-
gefäße (nicht sichtbar) kommt es zu einer schnellen und gleichmä-
ßigen Füllung der Choriokapillaris. Das schnelle Ausströmen des
Farbstoffs in die Choriokapillaris und die Streuung von einfallendem
und emittierten Licht durch das RPE resultieren in einer diffusen
Hintergrund-Hyperfluoreszenz. Diese wird durch das Makulapigment
teilweise blockiert. Die Netzhautarterien füllen sich mit Fluoreszein.
b Die Füllung einer posterioren Ziliararterie kann im Abschnitt A be-
obachtet werden, da hier Choriokapillaris und RPE fehlen. Fluoreszein
leckt nicht aus diesen tiefen Aderhautgefäßen. Diese Gefäße füllen
zügig das feine Gefäßnetzwerk der Choriokapillaris, aus welchen
Fluoreszein durch die fenestrierten Kapillaren früh herausdiffundiert
(Abschnitt B). Der Weichzeichnereffekt des RPE wird in den Randbe-
reichen deutlich, in denen die Choriokapillaris noch von einer dün-
nen RPE-Schicht bedeckt ist. (Aus Heimann H u. Wolf S 2007) c

⊡ Abb. 1.4 Arteriovenöse Phase (15-30 s). a Initial zeigt sich eine
laminäre Füllung der Netzhautvenen. b Gleichmäßige Füllung von
räumlich und zeitlich zugeordnet: Hyperfluoreszenz und Arterien und Venen. c Hypofluoreszenz in Abschnitt A aufgrund der
Hypofluoreszenz. fehlenden Choriokapillaris. (Aus Heimann H u. Wolf S 2007)
Bei der Hyperfluoreszenz handelt es sich um eine
vermehrte Fluoreszeinansammlung im Vergleich zu dem
Normalbefund einer Standardangiographie oder nicht Störungen der Blut-Retina-Schranke), Gewebsneubil-
pathologisch veränderten Arealen des Fundus. Eine Hy- dungen (z.B. Neovaskularisationen oder Fibrosen) oder
perfluoreszenz kann mehrere unterschiedliche Ursachen durch das Wegfallen einer optischen Schranke im Ge-
haben und z.B. durch eine erhöhte Permeabilität (z.B. webe hervorgerufen werden (z.B. so genannter »Fens-
16 Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

a a

b b

⊡ Abb. 1.5 Spätphase (1-10 min). a Auswaschen des Fluoreszeins aus ⊡ Abb. 1.6 a Klinischer Befund eines Patienten mit peripherer diszifor-
den Netzhaut- und Aderhautgefäßen. Die Aderhautgefäße können mer Chorioretinopathie nach Kryotherapie mit Vernarbung in der tem-
als Schatten gegen den Hintergrundfluoreszenz in Aderhaut und poralen Peripherie. b Weitwinkel-Fluoreszeinangiographie mit dem
Sklera erfasst werden. b Diese Abbildung zeigt die persistierende Optos-System. Der Fensterdefekt in der Peripherie nach Kryotherapie
Hintergrundfluoreszenz in der Choriokapillaris im Randbereich der ist ebenso darstellbar wie eine detailreiche Angiographie des hinteren
Abschnitte A und B. (Aus Heimann H u. Wolf S 2007) Pols und sogar der nasalen Netzhaut. (Aus Heimann H u. Wolf S 2007)

terdefekt« durch Schädigungen des retinalen Pigmen- AMD oder der proliferativen diabetischen Retinopathie.
tepithels, bei dem die normale Fluoreszeinanfärbung Eine Unterform der Leckage wird auch als »Pooling«
der Aderhautgefäße durch das Fenster des geschädigten bezeichnet. Hierbei handelt es sich um eine Ansamm-
Pigmentepithels besser sichtbar ist und heller erscheint) lung von Fluoreszein in präformierten Hohlräumen, z.B.
(⊡ Abb. 1.13). Ein wichtiger Begriff bei der Identifikation einer Pigmentepithel-Abhebung. Von der Leckage wird
von Hyperfluorezenzen ist die so genannte »Leckage«. auch das »Staining« unterschieden. Darunter versteht
Dabei handelt es sich um einen deutlich sichtbaren und man eine Fluoreszeinansammlung in solidem Gewebe,
im Verlauf der Angiographie zunehmenden Übertritt z.B. fibrotischem Gewebe in Abgrenzung zu Neovas-
von Fluoreszein in umgebende Gewebeschichten. Ty- kularisationen. Für das Staining ist typisch, dass es die
pisch ist, dass der Farbstoffaustritt aus den Gefäßen in Hyperfluoreszenz wie bei einer Leckage von der Früh-
der Frühphase oder der arteriovenösen Übergangsphase phase oder arteriovenösen Phase zur Spätphase nach
beginnt und dann bis zur Spätphase weiter zunimmt, 5 min zunimmt, sich dann jedoch in der Aufnahme nach
wobei typischerweise die Grenzen der Leckagequellen 10 min wieder vermindert; bei der Leckage ist keine Ver-
wie Wasserfarbe verwischen. Leckagen geben oft Hin- ringerung der Intensität der Hyperfluoreszenz zwischen
weise auf Neovaskularisationen, z.B. bei der exsudativen 5 und 10 min zu beobachten (⊡ Abb. 1.14).
1.6 · Vermeidung unnötiger Angiographien
17 1
1.5 Quantitative Auswertung
der Fluoreszeinangiographie

Fluoreszenzangiographische Phänomene können auch


quantitativ ausgewertet werden. Diese Analysen werden
jedoch nur bei bestimmten Erkrankungen und Frage-
stellungen durchgeführt. Das Auftreten des Fluoreszeins
während der Untersuchung wird in Früh-, Mittel- und
Spätphase unterteilt. Dabei definiert der Untersucher den
Zeitpunkt des Fluoreszeineintritts an der Papille.

Arm-Retina-Zeit. Zeitraum von Beginn der intravenösen


Injektion bis zum ersten Auftreten des Farbstoffs an der
Papille, Normwert 10-20 s. Eine verlängerte Arm-Retina-
Zeit kann ein Hinweis auf eine generalisierte Durchblu-
tungsstörung sein (z.B. Herzinsuffizienz oder Carotis-
a stenose).

Arterielle Füllungszeit. Diese ist definiert als der Zeit-


raum zwischen erstem Auftreten des Farbstoffs an der
Papille bis zur vollständigen Füllung der Netzhautarterien
und beträgt normalerweise weniger als 1 s. Eine verlang-
samte arterielle Füllung kann wiederum ein Hinweis auf
eine generalisierte Zirkulationsstörung sein.

Arteriovenöse Übergangszeit. Diese kann einmal an


der Papille bestimmt werden (Zeitraum zwischen Auftre-
ten des Farbstoffs in den papillennahen Netzhautarterien
bis zum ersten Nachweise in den korrespondierenden
Venen, normalerweise 1-2 s) oder auch als arteriovenöse
Passagezeit gemessen werden (Zeitraum zwischen erstem
Auftreten des Farbstoffs in den temporalen Netzhautar-
terien bis zur vollständigen Füllung der Netzhautvenen,
Normwert bis zu 11 s). Die arteriovenöse Passagezeit
b
kann bei retinalen und choroidalen Gefäßerkrankungen
verlängert sein, z.B. bei diabetischer Retinopathie, Gefäß-
⊡ Abb. 1.7 a Klinischer Befund eines vasoproliferativen Tumors der
Netzhaut in der unteren Fundusperipherie mit Veränderungen der
verschlüssen oder entzündlichen Aderhauterkrankungen.
umgebenden RPE-Schicht. b Weitwinkel-Fluoreszeinangiographie
mit dem Heidelberg-System und Staurenghi Kontaktlinse. Die Weit-
winkelaufnahme zeigt Hyperfluoreszenzen im Bereich des retinalen 1.6 Vermeidung unnötiger
Tumors in der unteren Peripherie sowie ausgedehnte Hypofluores- Angiographien
zenzen in den Arealen der umgebenden Aderhautatrophie. (Aus
Heimann H u. Wolf S 2007)
Eine FA sollte nur durchgeführt werden, wenn sie zur Di-
agnosestellung, Therapieentscheidung oder Verlaufskont-
rolle notwendig ist. Sie sollte keinen Ersatz für eine gute
Als Hypofluoreszenz bezeichnet man eine vermin- klinische Untersuchung sein oder »auf Verdacht« oder zu
derte Fluoreszeindarstellung im Vergleich zu einer nor- reinen Dokumentationszwecken durchgeführt werden.
malen Standardangiographie oder normalem umgeben- Durch die enorme Zunahme der Patientenzahlen
den Gewebe. Diese kann durch Blockadephänomene (z.B. nach Einführung der Anti-VEGF Therapie arbeiten viele
durch Blutungen) oder eine Zerstörung oder mangelnde Zentren derzeit an ihrer Kapazitätsgrenze. Aus gesund-
Perfusion von normalerweise angefärbten Strukturen heitsökonomischen Aspekten und unter der Prämisse der
hervorgerufen werden (z.B. Gefäßverschlüsse retinaler Vermeidung von unnötigen invasiven, mit potentiellen
oder choroidaler Gefäße). Komplikationen verbundenen Untersuchungsverfahren
18 Kapitel 1 · Fluoreszeinangiographie

sollte daher die Anzahl der durchgeführten Angiogra- 1:60 Fällen zu beobachten. Schwere Komplikationen wie all-
1 phien auf ein notwendiges Minimum reduziert werden. ergische Reaktionen oder ein anaphylaktischer Schock kön-
Mit der OCT steht inzwischen auch ein nicht-in- nen bei etwa 1:2.000 Fällen beobachtet werden. Das Risiko
vasives Untersuchungsverfahren zur Verfügung, das bei für letale Komplikationen wird in der Literatur mit 1:220.000
unklaren klinischen Befunden auch ein relativ unkom- angegeben. Die FA ist bei Patienten mit vorherigen allergi-
pliziertes Screening bei Verdacht auf ein Makulaödem schen Reaktionen auf Fluoreszein kontraindiziert.
ermöglicht. Unseren Erfahrungen nach werden jedoch
immer wieder in den folgenden Situationen unnötige
Angiographien durchgeführt: Literatur
▬ Nicht-exsudative AMD. Hier hat sich die Autofluo-
reszenz als nicht-invasives Verfahren zur Diagnose- Blacharski Pa (1985) Twenty-five years of fluorescein angiography.
Arch Ophthalmol 103:1301-1302
stellung und Verlaufsdokumentation etabliert.
Bressler Nm (2002) Verteporfin therapy of subfoveal choroidal neo-
▬ Endstadien der exsudativen AMD. Die Diagnose vascularization in age-related macular degeneration: two-year
kann in der Regel ohne Angiographie gestellt wer- results of a randomized clinical trial including lesions with occult
den und eine therapeutische Konsequenz ergibt sich with no classic choroidal neovascularization-verteporfin in pho-
meist nicht. todynamic therapy report 2. Am J Ophthalmol 133:168-169
Early Treatment Diabetic Retinopathy Study Research Group (1995)
▬ Klinisch signifkantes Makulaödem bei diabetischer
Focal photocoagulation treatment of diabetic macular edema.
Retinopathie. Die Diagnose wird ophthalmoskopisch Relationship of treatment effect to fluorescein angiographic and
gestellt und basiert nicht auf angiographischen Krite- other retinal characteristics at baseline: ETDRS report no. 19. Arch
rien. Eine FA erscheint nur bei geplanter Laserthera- Ophthalmol 113:1144-1155
pie oder bei dem Verdacht auf ausgeprägte Ischämien Gass Jd (1997) Stereoscopic atlas of macular diseases: Diagnosis and
treatment. Mosby, St. Louis
sinnvoll.
Halperin Ls, Olk Rj, Soubrane G et al. (1990) Safety of fluorescein an-
▬ Retinale Venenverschlüsse. Die Diagnose kann in giography during pregnancy. Am J Ophthalmol 109:563-566
der Regel ohne Angiographie gestellt werden. Eine Heimann H, Wolf S (2007) A practical guide to fluorescein angiogra-
prophylaktische Laserkoagulation auf der Basis nach- phy. In: Joussen AM, Gardner TW, Kirchhof B, Ryan SJ (Hrsg) Reti-
gewiesener Ischämien in der FA ist umstritten. nal Vascular Disease. Springer Berlin Heidelberg, p 193-204
Holz Fg, Jorzik J, Schutt F et al. (2003) Agreement among ophthalmo-
▬ Differentialdiagnose intraokularer Tumoren. Die FA
logists in evaluating fluorescein angiograms in patients with neo-
bringt hier nur einen geringen Informationsgewinn, vascular age-related macular degeneration for photodynamic
der nur in seltenen Ausnahmefällen zur Festlegung therapy eligibility (FLAP-study). Ophthalmology 110:400-405
der korrekten Diagnose entscheidend beiträgt. Macular Photocoagulation Study Group.(1991) Subfoveal neovascular
lesions in age-related macular degeneration. Guidelines for eva-
Fazit für die Praxis luation and treatment in the macular photocoagulation study.
Arch Ophthalmol 109:1242-1257
Die herausragende Wertigkeit der FA beruht auf ihrer Eigen- Norton Ew (1981) Doyne memorial lecture, 1981. Fluorescein angio-
schaft, die Integrität der Blut-Retina-Schranke darzustellen. graphy. Twenty years later. Trans Ophthalmol Soc U K 101:229-
Schon sehr geringe Störungen der Blut-Retina-Schranke 233
lassen sich mit dieser Methode erkennen und bildlich dar- The Branch Vein Occlusion Study Group (1984) Argon laser photo-
coagulation for macular edema in branch vein occlusion. Am J
stellen. Diese Kenntnis trägt direkt zur Diagnosestellung und
Ophthalmol 98: 271-282
Therapieempfehlung bei. Wessing A (1968) Fluoreszenzangiografie der Retina. Lehrbuch und
Bisher existiert kein weltweit standardisiertes Protokoll Atlas. Georg-Thieme Verlag, Stuttgart
zur Anfertigung und Interpretation der FA. In der Regel Wolf S, Arend O, Reim M (1994) Measurement of retinal hemodyna-
werden 30 bis 40 Fundusphotographien zwischen 10 s und mics with scanning laser ophthalmoscopy: reference values and
variation. Surv Ophthalmol 38:95-100
10 min nach intravenöser Injektion von 5 ml 10%-igem Fluo-
Yannuzzi La, Rohrer Kt, Tindel Lj et al. (1986) Fluorescein angiography
reszein-Natrium angefertigt. complication survey. Ophthalmology 93:611-617
Bei der Interpretation werden in der Regel eine frühe
arterielle Phase (12-15 s) von einer arterio-venösen Phase
(15-35 s) und einer Spätphase (5 oder 10 min) unterschieden.
Idealerweise werden auch Pseudo-Stereoangiographien, die
eine dreidimensionale Betrachtung der Befunde ermögli-
chen, angefertigt.
Die FA ist ein invasives, jedoch insgesamt sehr sicheres
Untersuchungsverfahren. Leichte Nebenwirkungen, wie z.B.
Übelkeit, kommen bei etwa 1:20 Fällen vor. Mittelschwere
Nebenwirkungen wie Urtikaria oder Dyspnoe sind bei etwa
2

Optische Kohärenztomographie in der


Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen
F. M. A. Heußen, S. R. Sadda, A. C. Walsh

2.1 Übersicht – 20

2.2 Hintergrund – 20
2.2.1 Optische Kohärenztomographie – 20

2.3 Diagnose – 21
2.3.1 Intraretinale Ödeme – 22
2.3.2 Zystoides Makulaödem – 22
2.3.3 Seröse Netzhautabhebung – 23
2.3.4 Vitreomakuläres Traktionssyndrom – 24
2.3.5 Verschiedene Befunde – 26

2.4 Management – 27
2.4.1 Fokale und panretinale Laserkoagulation – 27
2.4.2 Pharmakotherapie – 28
2.4.3 Chirurgie – 28

2.5 Zukünftige Entwicklungen – 29


2.5.1 Aktuelle OCT-Limitationen – 29
2.5.2 Die Zukunft der OCT-Hardware – 30
2.5.3 Die Zukunft der OCT-Software – 31

Literatur – 31

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_2,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
20 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

Die optische Kohärenztomographie (OCT) ist eine mo- Während dieser Zeit entwickelte Carl Zeiss Meditec
derne, kontaktlose Bildgebung, die sowohl Querschnitt- unbeachtet von der breiten Öffentlichkeit bereits eine
aufnahmen als auch klinisch relevante, quantitative Mes- noch junge Technologie, die in naher Zukunft das ge-
2 sungen des Augengewebes liefert. Dies ermöglicht nicht samte Feld revolutionieren sollte – OCT. Die Einführung
nur eine objektive Beobachtung des Krankheitsverlaufes dieser Technologie erforderte die Entwicklung gänzlich
im Rahmen klinischer Studien und im klinischen Alltag, neuer Hard- und Software sowie einen neuen Markt, um
sondern auch eine Bewertung des Therapieerfolgs auf Ba- eine erfolgreiche Vermarktung sicherzustellen. Als weg-
sis reproduzierbarer Messdaten. Die Entwicklung der OCT weisend gilt dabei, dass sich Zeiss radikal von alten In-
schreitet rasch voran und lässt keinen Zweifel daran, dass dustrienormen abkehrte. Anstatt einfach ein Fundusbild
diese Technologie auch die nächsten Jahre maßgeblich durch das Gerät zur Verfügung zu stellen, welches dann
prägen wird. durch einen Kliniker befundet werden musste, entschied
sich Zeiss dazu, automatisch quantitative Informationen
aus den OCT-Bildern zu extrahieren. Dies galt als dra-
2.1 Übersicht matische Abkehr von althergebrachten Standards, welche
lediglich eine Darstellung der Fundusbilder für eine sub-
Die Entdeckung und Weiterentwicklung der optischen jektive Beurteilung forderten, ohne jegliche automati-
Kohärenztomographie (»optical coherence tomography« sierte Messung oder Auswertung.
= OCT) hat die Diagnosestellung und das Krankheits- Mit der Spaltlampenbiomikroskopie als Goldstandard
management retinaler Gefäßerkrankungen maßgeblich klinischer Befundung und der Fluoreszenzangiographie
beeinflusst, insbesondere durch die Darstellung feinster als primäres Hilfswerkzeug zur weiteren Krankheitstypi-
struktureller Veränderungen der Netzhaut als auch in sierung waren viele Kliniker Mitte der 90er Jahre skep-
der Erfassung und Quantifizierung des Makulaödems. tisch ob der Einführung der neuen Technologie. Bald
Obwohl ihre Erstbeschreibung erst 20 Jahre zurück liegt, jedoch wurden die Vorteile dieser kontaktlosen Schnitt-
hat die OCT sich fest im klinischen Alltag und der klini- bildgebung offensichtlich. Vitreomakuläre Traktion zum
schen Forschung etabliert und wird auch in absehbarer Beispiel, zuvor unerkannt bei vielen Patienten, konnte
Zukunft eine herausragende Rolle spielen. Die Anwen- mithilfe der OCT mit großer Sicherheit dargestellt und
dung der OCT bei Diagnosestellung und Verlaufskon- diagnostiziert werden. Ebenso konnten Makulaforamina
trolle retinaler Gefäßerkrankungen soll im Folgenden und Zysten visualisiert und beobachtet werden. Mit der
diskutiert werden. Einführung intravitrealer Injektionstherapie waren die
letzten Zweifel beseitigt, dass die OCT einen hohen Stel-
lenwert in der Quantifizierung von Netzhautödemen und
2.2 Hintergrund subretinaler Exsudation innehaben würde. Das optimale
Zusammenführen von OCT-Daten mit anderen klini-
Das Repertoire an Diagnostika, das Netzhautspezialisten schen Befunden, um eine umfassende Krankenbetreu-
in den frühen 90er Jahren zur Verfügung stand, basierte ung zu gewährleisten, ist immer noch ein fortlaufender
technisch auf Methoden, die schon zwei Jahrzehnte zuvor Prozess.
Anwendung gefunden hatten. Diese Phase der Stagnation
wurde überwunden, als Mitte der 90er Jahre die Ent-
wicklung von Computern und digitaler Bildbearbeitung 2.2.1 Optische Kohärenztomographie
zeitgleich geradezu explosionsartig voranschritt. Die Di-
gitalisierung der Fundusphotographie und Fluoreszen- Eine vollständige Diskussion der OCT sprengt den Um-
zangiographie reduzierte die Wartezeit für Patienten und fang und die Zielsetzung dieses Kapitels. Wir verweisen
vereinfachte die Infrastruktur, die für die Entwicklung den interessierten Leser an andere, exzellente Literatur
von Filmnegativen gebraucht wurde. zu diesem Thema. Zusammengefasst basiert die OCT
Unbeeindruckt von dieser rasanten Entwicklung in auf dem Prinzip der Interferometrie von Licht geringer
den Computer- und Bildgebungstechnologien blieb die Kohärenz. Analog der B-Bild-Sonographie nutzt die OCT
Art und Weise, wie diagnostische Bilddaten ausgewertet die unterschiedliche Reflektivität von – in diesem Falle
und interpretiert wurden, nahezu unverändert. Die Be- – Lichtwellen, um zweidimensionale Schnittbilder der
urteilung angiographischer Befunde erforderte immer Netzhaut (Tomogramme) zu erstellen. Verschiedenartige
noch Training und Expertise und war zugleich geplagt Lichtquellen, typischerweise Superlumineszenzdioden
von Subjektivität, schlechter Reproduzierbarkeit und be- (SLD) oder extrem kurz gepulste Laser (z.B. Femtose-
trächtlichen Differenzen zwischen verschiedenen Begut- kundenlaser), werden verwendet, um Licht mit breiter
achtern. Bandbreite zu erzeugen. Die axiale Auflösung der OCT
2.3 · Diagnose
21 2
basiert auf dieser Bandbreite der Lichtquelle, die laterale men. Zu diesem Zwecke müssen die erste hochreflek-
Auflösung hängt hingegen vom Durchmesser des fokus- tive Grenzschicht (innere Grenze der neurosensorischen
sierten Messstrahles ab. Netzhaut) sowie die hintere Begrenzung der Netzhaut
direkt anterior zur retinalen Pigmentepithelschicht iden-
Praxistipp I I tifiziert werden. Eine Vielzahl an Studien hat die Repro-
Die axiale Auflösung der OCT misst <7 μm, während duzierbarkeit dieser Messparameter durch wiederholte
die laterale Auflösung rund 20 μm beträgt. Messungen desselben Auges innerhalb weniger Minu-
ten bis Stunden verifiziert. Auch bei Diabetikern scheint
die Reproduzierbarkeit der Messungen sehr gut zu sein.
Das Licht wird in zwei optische Wege getrennt: Hierbei gilt anzumerken, dass auch Diabetiker ohne kli-
▬ ein Referenzstrahl, der ins Innere des Gerätes proji- nisch signifikantes Makulaödem eine, im Vergleich zu
ziert wird, und normalen Augen, erhöhte Netzhautdicke haben können,
▬ ein Messstrahl, der auf das zu untersuchende Gewebe die zudem von tageszeitlichen Schwankungen abhängig
fokussiert wird. ist. Männliches Geschlecht, hoher BMI und eine größere
axiale Länge können ebenso mit einer erhöhten Netz-
Bei der Time-Domain-OCT werden die unterschiedlichen hautdickenmessung assoziiert sein und müssen im Rah-
Wegzeiten der beiden Strahlen mithilfe eines Michelson- men klinischer Studien bei der Verwendung von OCT
Interferometers gemessen. Bei der Fourier-Domain-OCT berücksichtigt werden.
werden diese Unterschiede in einem Spektrometer und Diese Studien geben den grundlegenden Nachweis,
durch Fourier-basierte mathematische Transformationen dass die OCT sowohl genau, als auch reproduzierbar
charakterisiert. Unterschiedliche optische Charakteristi- ist. Die quantitative Messung der Netzhautdicke gibt
ken der verschiedenen Gewebe rufen unterschiedlich in- konkrete Zahlen an die Hand, welchen dann bei der
tensive Reflektivitätsmuster in der OCT hervor. Behandlung komplexer Erkrankungen verwendet wer-
Ein einziger Lichtpunkt, welcher von Netzhautgewebe den können. Zudem stellen die OCT-Bilder an sich eine
reflektiert wird, bildet hierbei einen A-Scan, der Informa- hervorragende Möglichkeit dar, um den individuellen
tionen über die axiale Lage dieses Punktes innerhalb der Krankheitsverlauf zu dokumentieren und den Patienten
Netzhaut wiedergibt. Diese Lichtpunkte können Seite an eine visuelle Erklärungshilfe ihrer Erkrankung zu bieten.
Seite aneinandergereiht werden, um so einen B-Scan zu
ergeben. Letztere werden häufig im Falschfarbenmodus
dargestellt, sodass verschiedene Farben verschiedenen 2.3 Diagnose
Reflektivitätsintensitäten entsprechen:
▬ hochreflektive Grenzschichten werden weiß oder rot Aufgrund ihrer Fähigkeit, intraretinale Details wie-
angezeigt, derzugeben und die Netzhautdicke präzise zu messen,
▬ mittlere Reflektivität als gelb bis grün und präsentiert sich die OCT als ein wertvolles Werkzeug
▬ Merkmale niedriger Reflektivität in blauer Farbe. bei Diagnose und Krankheitsmanagement retinaler Ge-
fäßerkrankungen. In Verbindung mit anderen Bildge-
OCT-Daten können ebenfalls als transversale Schnittbil- bungsmodalitäten, wie z.B. der FA, kann die OCT Ein-
der, sog. C-Scans, oder als dichte dreidimensionale Wür- blicke in die Pathogenese einer Erkrankung gewähren
fel (3D-OCT) wiedergegeben werden. Während die Auf- und so die Behandlung weiter optimieren. Die OCT
lösung der Echographie in der Augenheilkunde maximal kann auch bei der Diagnose eines Makulaödems hilfreich
100 μm erreicht, kann die OCT Unterschiede <10 μm sein, wenn Medientrübungen wie eine asteroide Hyalose
darstellen. Neuere Instrumente, potenziell in Verbindung eine Beurteilung durch die Spaltlampe erschweren. Wei-
mit adaptiver Optik, erreichen eine axiale Auflösung von terhin sind Diagnosen wie das vitreomakuläre Trakti-
<2 μm. onssyndrom, welches in der Vergangenheit nicht selten
Der Scanvorgang ist schmerzlos für den Patienten, übersehen wurde, auf Grundlage der OCT-Schnittbilder
erfordert jedoch Kooperation und eine stabile Fixation, eindeutig zu formulieren. Aber auch in Fällen mit klar
was für Patienten mit Makulaerkrankungen nur schwer ersichtlichen Pathologien kann die OCT durch Messung
machbar ist. Aus diesen Gründen wird generell die Ver- des zentralen Netzhautvolumens einen klaren Ausgangs-
wendung eines externen Fixationslichtes für das Partner- wert für das weitere Krankheitsmanagement liefern. Se-
auge empfohlen, sollte die Sehschärfe auf dem zu unter- rielle Messungen können so mit Messungen aus einer
suchenden Auge 20/300 oder weniger betragen. normalen Referenzgruppe verglichen werden, um eine
Die Software konventioneller OCT-Geräte versucht, genauere und frühere Diagnose sowie Therapieplanung
auf automatische Weise die Netzhautdicke zu bestim- zu ermöglichen.
22 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

Retinale Gefäßerkrankungen zeigen in der OCT typi- Otanis Definition einer äußeren, schwammartigen
scherweise drei verschiedenartige Befunde: Schwellung verdeutlicht weiter, dass ein Netzhautödem
▬ Netzhautödeme, oft schwer abzugrenzen und weitläufig ist. Dies steht
2 ▬ intraretinale zystoide Veränderungen und dem zystoiden Makulaödem gegenüber, welches häu-
▬ seröse Netzhautabhebungen. figer fokal und gut abgegrenzt ist. Netzhautödeme als
primäre Pathologie sollten klar differenziert werden von
Die komplexen Muster dieser Befunde im OCT können sekundären Ödemen infolge von Netzhauttraktion. Ein
hilfreich bei Diagnose und Prognoseeinschätzung sein Blick auf die vitreomakuläre Grenzfläche, um eine etwa-
und werden im Folgenden diskutiert. ige epiretinale Membran oder Traktion des posterioren
Glaskörpers festzustellen, sollte in diesen Fällen Klarheit
schaffen.
2.3.1 Intraretinale Ödeme
Praxistipp I I
Ödeme innerhalb der Netzhaut stellen sich in der OCT Jedes retinale Ödem im OCT muss sorgfältig nach vit-
als Netzhautverdickungen mit verringerter posteriorer reomakulärer Traktion untersucht werden.
Lichtreflektivität dar. Im Falschfarbenmodus erscheinen
diese Bereiche dunkler als ihre Umgebung (⊡ Abb. 2.1).
Wenn das Ödem unmittelbar unter oder neben der Fovea
auftritt, kann die typische foveale Kontur verstrichen, 2.3.2 Zystoides Makulaödem
oder auch komplett invertiert sein. Astvenenverschlüsse
(»branch retinal vein occlusion« = BRVO) gehen typi- Das zystoide Makulaödem (»cystoid macular edema« =
scherweise mit einer solchen, charakteristischen, einsei- CME) ist sehr wahrscheinlich eine gemeinsame Endstre-
tigen Schwellung der Netzhaut entlang der horizontalen cke für verschiedene retinale Gefäßerkrankungen wie das
Achse einher (⊡ Abb. 2.2). diabetische Makulaödem, venöse Verschlüsse, die hypter-

⊡ Abb. 2.1 Ein generelles Netzhautödem,


wahrscheinlich mit verursacht durch
die sichtbare epiretinale Membran. (Mit
freundl. Genehmigung des Doheny Eye
Institute, Los Angeles, USA)

⊡ Abb. 2.2 Befund eines einseitigen


Netzhautödems, charakteristisch für re-
tinale Astvenenverschlüsse. (Mit freundl.
Genehmiung des Doheny Eye Institute,
Los Angeles, USA)
2.3 · Diagnose
23 2
tensive Retinopathie und die juxtafoveale Teleangiektasie. Makula verteilt, während bei einem Astvenenverschluss
Histopathologische Berichte konnten zeigen, dass die in- typischerweise nur eine Netzhauthälfte betroffen ist
traretinalen zystoiden Räume in Größe und räumlicher (⊡ Abb. 2.2). Während das CME normalerweise in Zu-
Verteilung je nach Krankheitsätiologie variieren. Dies sammenhang mit einer schwammartigen Netzhautver-
kann nun in der OCT bestätigt werden, da die zystoiden dickung auftritt, kann man es auch einzeln finden, wie
Räume als runde, hyporeflektive Strukturen innerhalb der z.B. bei der idiopathischen juxtafovealen Teleangiektasie.
Netzhaut erscheinen (⊡ Abb. 2.3). Diese Merkmale treten Bei diesem Syndrom finden sich häufig kleine, horizontal
häufig in den äußeren Netzhautschichten auf, können orientierte, ovale zystoide Räume innerhalb der Fovea
sich jedoch bis zur inneren Grenzmembran erstrecken, oder unmittelbar temporal. Die foveale Kontur kann da-
wenn sie an Größe zunehmen. Das pseudophake CME bei durchaus erhalten sein.
ist eine erwähnenswerte Ausnahme, weil diese hypore-
flektiven Räume auch primär in den inneren Netzhaut-
schichten vorkommen können. Kleine zystoide Räume 2.3.3 Seröse Netzhautabhebung
sind vielfach gut umgrenzt, während größere Räume eher
diffus erscheinen. Eine seröse Netzhautabhebung (»serous retinal detach-
ment« = SRD) tritt auf, wenn Flüssigkeit zwischen die
Praxistipp I I neurosensorische Netzhaut und das Pigmentepithel ge-
Die intraretinale Lokalisation der zystoiden Räume langt und diese trennt. In der OCT ist dies zu erkennen
kann ein wichtiger Hinweis bei der Diagnosefindung an einem optischen klaren Raum zwischen der inneren
sein. hochreflektiven Grenzschicht, die nach derzeitigem Er-
kenntnisstand die äußeren Photorezeptorsegmente re-
präsentiert, und der äußeren hochreflektiven RPE-Linie
Die Verteilung der zystoiden Räume innerhalb der Netz- (⊡ Abb. 2.4).
haut kann einen Hinweis auf die zugrunde liegende Ätio- Obwohl seröse Netzhautabhebungen am ehesten
logie geben. Ein zystoides Ödem infolge eines Zentral- bei Erkrankungen der Chorioidea und des retinalen
venenverschlusses z.B. ist gleichmäßig über die gesamte Pigmentepithels auftreten (z.B. chorioidale Neovasku-

⊡ Abb. 2.3 Ein zystoides Makulaödem, zu


erkennen an den multiplen hyporeflekti-
ven, rundlichen Strukturen innerhalb der
Netzhaut. (Mit freundl. Genehmigung des
Doheny Eye Institute, Los Angeles, USA)

⊡ Abb. 2.4 Subretinale Flüssigkeit, hier un-


mittelbar subfoveolär, stellt sich als optisch
klarer Raum anterior zum RPE-Band und
posterior zum Photorezeptorband dar. (Mit
freundl. Genehmigung des Doheny Eye Ins-
titute, Los Angeles, USA)
24 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

larisationen, Retinopathia centralis serosa), können sie ! Cave!


auch klinische wichtige Merkmale retinaler Gefäßer- Die Diagnose einer serösen Netzhautabhebung
krankungen sein. Im Gegensatz zu ihrer auffallenden hat prognostische Relevanz.
2 Erscheinung im OCT, sind SRDs im Rahmen retinaler
Gefäßerkrankungen nur schwer mittels Spaltlampenbio-
mikroskopie oder Angiographie darzustellen. Die relative 2.3.4 Vitreomakuläres Traktionssyndrom
Insensitivität der Biomikroskopie und der FA bei der Di-
agnose von SRDs ist wahrscheinlich auf das gleichzeitige Retinale Gefäßerkrankungen sind häufig mit einer Stö-
Vorhandensein anderer ausgeprägter Pathologien (z.B. rung der Blut-Netzhaut-Schranke assoziiert. Fluoropho-
eines Netzhautödems) in diesen Patienten zurückzufüh- tometrische Untersuchungen lassen vermuten, dass das
ren. Nichtsdestotrotz legt diese Ungenauigkeit nahe, dass Transsudat aus retinalen Gefäßen nicht nur in die Netz-
eine routinemäßige OCT-Bildgebung in diesen Patienten haut, sondern auch in den Glaskörperraum migriert.
dem Kliniker helfen kann, ein vollständigeres Bild der Frühe histologische und biochemische Veränderungen
retinalen Morphologie infolge der gegebenen Erkran- im Glaskörper von Patienten mit Diabetes beinhalten
kungen zu ermitteln. erhöhte Werte von Glyzierungsendprodukten, sog. »early
glycation end products« (AEG), und verstärktes Kolla-
Praxistipp I I gen-Crosslinking. Stitt beobachtete, dass AEG als Subst-
Eine seröse Netzhautabhebung kann in 1/3 der Fälle rat für Kollagen-Crosslinking in diesen Patienten dienen
mit DME, mehr als 2/3 der Fälle mit BRVO und mehr können, und mutmaßte, dass dieses Crosslinking für die
als 8/10 der Fälle mit CRVO präsent sein und lässt sich klinisch auftretenden Glaskörperveränderungen ursäch-
sehr gut im OCT darstellen. lich ist. Veränderungen im Glaskörper von Augen mit
retinalen Gefäßerkrankungen können zur Entwicklung
eines Makulaödems beitragen, insbesondere eines zysto-
In Studien zu Patienten mit diabetischem Makulaödem iden Makulaödems, indem sie ein Substrat für Netzhaut-
waren 15-31% von einer serösen Netzhautabhebung in traktion zur Verfügung stellen. Schepens beschrieb zwei
der OCT betroffen. SRDs scheinen jedoch häufiger bei Arten von Traktion:
Fällen mit retinalen Venenverschlüssen vorzuliegen und ▬ Traktion ausgehend von einem schmalen Band oder
sind in 82% der Fälle mit CRVO und 71% der Fälle mit ▬ Traktion durch eine breite vitreoretinale Adhäsions-
BRVO präsent. Obwohl der Mechanismus der subretina- fläche.
len Flüssigkeitsakkumulation nicht vollständig geklärt ist,
wurde dieses Phänomen in histopathologischen Studien Biomikroskopisch sind die Wechselwirkungen zwischen
untersucht. Wolter und Kollegen vertreten die Hypo- der hinteren Glaskörperfläche und der Netzhaut zum
these, dass eine Beeinträchtigung der RPE-Funktion auf- Teil schwierig darzustellen, insbesondere in Patienten mit
grund von Inflammation oder assoziierter Ischämie eine breitbasigen Adhäsionen. Die OCT hat die Bewertung
Rolle spielt. Die Geschwindigkeit der Flüssigkeitsbewe- eben dieser Wechselwirkung dramatisch verbessert und
gungen aus dem intravasalen Raum heraus wird ebenso die Erkennung vitreomakulärer Traktion vereinfacht. In
als wichtiger Faktor postuliert, insbesondere bei venösen Patienten mit vollständig abgehobenem hinteren Glas-
Verschlusskrankheiten. Auch eine gleichzeitig bestehende körper ist die hintere Glaskörpergrenzmembran als dün-
vitreomakuläre Traktion kann zu der Akkumulation von nes, hyperreflektives Band anterior und deutlich getrennt
subretinaler Flüssigkeit beitragen. von der Netzhaut zu sehen. Dieses Signal fehlt bei Pati-
Unabhängig vom Mechanismus scheint das Erkennen enten mit komplett anliegendem hinterem Glaskörper.
einer SRD von klinischer Relevanz zu sein. Ohashi et al. Bei Patienten mit partieller Glaskörperabhebung können
beobachteten eine langsamere Resorption eines intrareti- die dünne, hyperreflektive hintere Grenzmembran und
nalen Ödems und eine langsamere, abgeschwächte Visus- ihre teils breite, teils schmale Insertion an der Netzhaut
erholung in Patienten mit einer SRD. Einige Untersucher dargestellt werden. Die resultierende antero-posteriore
haben vorgeschlagen, eine Pars-Plana-Vitrektomie (PPV) Distorsion der retinalen Kontur kann eine recht typische
bei Patienten mit diabetischem Makulaödem und SRD Gestalt annehmen oder auch eine fokale Netzhautabhe-
durchzuführen. Interessanterweise scheint das grundsätz- bung provozieren (⊡ Abb. 2.5).
liche Vorhandensein oder die Ausdehnung subretinaler Die Überlegenheit der OCT bei der Darstellung der
Flüssigkeit nicht mit der Dicke der darüber liegenden vitreoretinalen Grenzfläche veranlasste Gaucher dazu,
Netzhaut zu korrelieren. Weiterhin ist die Sehschärfe un- durch eine Kombination von klinischen und OCT-Para-
abhängig davon, ob neben der SRD intraretinale zystoide metern eine neue Klassifizierung von Glaskörperabhe-
Veränderungen bestehen oder nicht. bungen bei Diabetikern zu propagieren:
2.3 · Diagnose
25 2

⊡ Abb. 2.5 Eine Traktion des hinteren


Glaskörpers an der Makula ruft nicht selten
dieses charakteristische Bild mit zystoidem
Ödem und invertierter Foveakontur hervor.
(Mit freundl. Genehmigung des Doheny Eye
Institute, Los Angeles, USA)

▬ Grad 0 war definiert als die Abwesenheit eine hin- abgrenzen. ERM können einfacher zu detektieren sein,
teren Glaskörperabhebung (PVD) mit fehlendem wenn sie von der inneren Netzhaut abgehoben sind,
Weiss-Ring und fehlender Separation im OCT; aber auch eine sekundäre Netzhautdistorsion oder eine
▬ Grad 1 als perifoveale PVD mit Anheftung der Fove- verstrichene foveale Kontur geben deutliche Hinweise auf
ola (der hintere Glaskörper ist auf mindestens einem eine vorliegende ERM. Die OCT kann weiterhin benutzt
OCT-Scan zumindest partiell an der Makula ange- werden, um verschiedenste Parameter zu dokumentieren:
heftet); wie die Opazität und Dicke einer epiretinalen Memb-
▬ Grad 2 als inkomplette PVD mit verbleibender An- ran, ihre Entfernung zur inneren Netzhaut, ihre Effekte
heftung am Sehnerven (kein Weiss-Ring sichtbar, auf die darunterliegende Netzhaut wie Distorsion und
aber hintere Glaskörperreste auf allen OCT-Scans Ödembildung, eine neurosensorische Netzhautabhebung,
sichtbar mit klarer Separation von der Makula); und oder auch den individuellen Behandlungserfolg.
▬ Grad 3 als vollständige hintere Glaskörperabhebung Eine fortgeschrittene Form der epiretinalen Traktion,
(Weiss-Ring funduskopisch sichtbar). fibrovaskuläre Proliferationen als Sekundärerscheinung
einer proliferativen diabetischen Retinopathie, kann mit
Bei Anwendung dieses Klassifizierungssystems waren zwei ausgeprägten anatomischen Konfigurationen ein-
Grad 1 PVDs deutlich häufiger bei Patienten mit DME zu hergehen: einer Traktionsamotio und einer traktions-
beobachten (53%), als in Fällen ohne Ödem (22%). Dies bedingten Retinoschisis. Eine Traktionsamotio ist an
steht in Einklang mit der Bedeutung der vitreomakulä- dem optischen klaren, subretinalen Raum bei gleichzei-
ren Traktion beim DME. Catier und Kollegen betrach- tig vorhandener epiretinaler Proliferation zu erkennen.
teten Patienten mit einem Makulaödem verschiedenster Eine Retinoschisis dagegen stellt sich als eine Spaltung
Ätiologie und schlussfolgerten, dass Patienten mit ei- der neurosensorischen Netzhaut in zwei Schichten mit
nem DME sehr viel wahrscheinlicher eine unvollständige erkennbaren schmalen Gewebebrücken und fehlender
Glaskörperabhebung aufweisen, als andere Ödemformen. subretinaler Flüssigkeit dar. Eine Differenzierung zwi-
Interessanterweise fand jedoch Uchinos Gruppe dieses schen diesen beiden Entitäten kann von prognostischer
Stadium einer PVD in mehr als der Hälfte ihrer Normal- Relevanz bei der Wahl der Therapie sein.
patienten. Die Darstellung der vitreomakulären Grenzflache
im OCT hat auch das Management von Patienten mit
Praxistipp I I DME beeinflusst. So kann etwa eine frühzeitige PPV
Unvollständige Glaskörperabhebungen sind häufiger bei Patienten mit signifikanter vitreomakulärer Traktion
bei Patienten mit DME. indiziert sein. In einer prospektiven Studie untersuchten
Shah und Kollegen die prognostische Signifikanz vitreo-
makulärer Traktion bei 33 Patienten, die einer Vitrekto-
Epiretinale Membranen (ERM) stellen eine weitere Form mie unterzogen wurden. Die Autoren beobachteten, dass
präretinaler Traktion dar, die im Rahmen retinaler Ge- Patienten mit präoperativen Hinweisen auf eine klinische
fässerkrankungen auftreten kann und im OCT deutlich oder im OCT sichtbare makuläre Traktion eine deutlich
sichtbar wird. Typischerweise kann man ERM von der bessere postoperative Sehschärfe aufwiesen, als Patienten
hinteren Glaskörpergrenzfläche durch ihre große Dicke, ohne Zeichen einer präoperativen Traktion. Yamada und
gleichmäßige Erscheinung und eine höhere Reflektivität Kollegen führten eine ähnliche Studie durch, indem sie
26 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

2 ⊡ Abb. 2.6 Gefäße stellen sich als zirkuläre


oder semizirkuläre Strukturen mit einem
ausgeprägten, posterioren Schattenwurf
dar. Abgebildet ist ein fovealer Scan eines
Normalauges, ein großes Gefäß ist deutlich
rechts im Bild zu erkennen. Größere retinale
Gefäße sind eindeutig in der inneren Netz-
haut lokalisiert. (Mit freundl. Genehmigung
des Doheny Eye Institute, Los Angeles, USA)

⊡ Abb. 2.7 Parafovealer OCT-Scan bei


einem Patienten Monate nach einem
Astarterienverschluss. Deutlich ist die ein-
seitige Netzhautatrophie, im Bild links, zu
erkennen. (Mit freundl. Genehmigung des
Doheny Eye Institute, Los Angeles, USA)

die prognostische Relevanz zweier unterschiedlicher Ar- jedoch mitunter nur schwer von einer nichtvaskularisier-
ten einer unvollständigen Glaskörperabhebung im OCT ten epiretinalen Membran zu unterscheiden. Eine innere
verglichen: Netzhautischämie wird oftmals sichtbar als erhöhte Re-
1. Eine inkomplette V-förmige Abhebung. flektivität der Nervenfaserschicht und innerer Netzhaut-
2. Eine partielle Abhebung temporal der Fovea mit na- schichten. Obwohl retinale Arterienverschlüsse sich akut
saler Anheftung. genauso darstellen, folgt hierauf mittel- bis langfristig
häufig eine ausgeprägte retinale Atrophie (⊡ Abb. 2.7).
Sie konnten zeigen, dass das anatomische Ergebnis in der Traditionell waren die typischen Merkmale retina-
ersten Gruppe etwas besser ausfiel. ler Gefässerkrankungen wie Mikroaneurysmata und in-
Über seine Fähigkeit hinaus, das Lösen von Traktions- traretinale mikrovaskuläre Veränderungen in der OCT
kräften nach einer PPV darzustellen, wird das OCT auch schwierig abzubilden. Dies rührt zumindest zum Teil
verwendet, um die Resorption einer neurosensorischen daher, dass die periphere Makula mit dem üblichen ra-
Abhebung und die vitreomakulären Wechselwirkungen diären Linienmuster nicht dicht genug vermessen wird.
nach einer YAG-Kapsulotomie zu dokumentieren. Die OCT der aktuellen Generation verwenden die weit-
aus schnellere Fourier-Domain-Technologie, welche die
bekannten Limitationen durch eine drastische erhöhte
2.3.5 Verschiedene Befunde Scandichte sowie eine größere axiale Auflösung überwin-
den kann.
Blutgefäße erscheinen im OCT als zirkuläre oder semizir-
! Cave!
kuläre, hyperreflektive oder hyporeflektive Strukturen mit
Die OCT-Interpretation sollte nie allein gestellt ge-
posteriorem Schattenwurf unterschiedlicher Ausprägung
schehen, sondern andere Bildgebungstechniken
(⊡ Abb. 2.6). Retinale Blutungen, im Besonderen dichte
mit einschließen.
Blutungen, können ebenfalls als hyperreflektive Regio-
nen mit hinterem Schattenwurf zu sehen sein. Retinale Lipid- und Proteinexsudation sind häufige Merkmale
Neovaskularsationen können sich als fokale, hyperreflek- retinaler Gefäßerkrankungen. Aufgrund ihrer relativen
tive Zonen an der Netzhautoberfläche darstellen, sind optischen Dichte erscheinen harte Exsudate im OCT als
2.4 · Management
27 2

⊡ Abb. 2.8 Eine Lipidexsudation, die sich


typischerweise als hochreflektive Struktur
mit massivem Schattenwurf darstellt. Bei
diesem Patienten mit DME besteht außer-
dem eine erhebliche VMT, die sehr wahr-
scheinlich Mitauslöser des zystoiden Ödems
ist. (Mit freundl. Genehmigung des Doheny
Eye Institute, Los Angeles, USA)

fokale, hyperreflektive Bereiche mit posteriorem Schat- Viele Kliniker konnten jedoch im OCT foveale Ödeme
tenwurf (⊡ Abb. 2.8). Obwohl diese am häufigsten in der diagnostizieren, die ansonsten übersehen worden wären.
äußeren plexiformen Schicht (OPL) auftreten, können Es ist noch unklar, ob diese Patienten mit »subklinischen
sie auch in nahezu jeder anderen Netzhautschicht sowie Ödemen« einem erhöhten Risiko für moderaten Visus-
subretinal vorkommen. verlust ausgesetzt sind und von einer fokalen Laserko-
agulation profitieren würden. Brown und Kollegen befan-
den, dass es derzeit nicht sinnvoll ist, die Ergebnisse der
2.4 Management ETDRS-Studie auf Patienten mit subklinischen Ödemen
zu übertragen. Das OCT könnte jedoch Patienten mit
Die OCT wird beim Management von Patienten mit falsch-positiven Befunden ohne foveales Ödem vor einer
retinalen Gefäßerkrankungen, speziell bei solchen mit unnötigen Therapie bewahren und so therapiebedingte
einem Makulaödem, häufig angewendet. Die Quantifi- Komplikationen wie ein parafoveales Skotom oder choro-
zierung der Netzhautdicke im OCT kann dabei helfen, idale Neovaskularisationen (CNV) verhindern.
angebrachte Therapien zu identifizieren, hierfür geeig-
nete Patienten auszuwählen, die Anwendung dieser The- Praxistipp I I
rapie zu steuern und den Verlauf der Erkrankung genau Patienten mit klinischem fovealen Ödem können vor
zu dokumentieren. OCT-Befunde können prognostische unnötiger Laserung bewahrt werden, wenn im OCT
Implikationen haben und die Behandlungsstrategie maß- eine normale foveale Netzhautdicke nachgewiesen
geblich beeinflussen. Von den Patienten mit einer diabe- werden kann.
tischen Retinopathie und guter Sehschärfe (20/20), die
einer panretinalen Photokoagulation (PRP) unterzogen
wurden, hatten solche mit einer präoperativen, parafo- In einer Fallserie von Rivellesse et al. zeigten Patienten
vealen Netzhaudicke jenseits 300 μm eine höhere Inzi- mit CSME eine deutliche Reduktion des Netzhautödems
denz eines bleibend schlechten Visus nach PRP. Diese nach fokaler Photokoagulation. Die anatomischen Ef-
Beobachtung kann dabei helfen, eine Gruppe Patienten fekte von Laser auf die makuläre Netzhautdicke wurden
zu identifizieren, die potenziell von einer weniger ag- auch in Patienten mit proliferativer diabetischer Reti-
gressiven Therapie, mit einer schrittweisen Laserung und nopathie, die eine PRP erhielten, untersucht. Shimura
größeren Zeitintervallen zwischen den einzelnen Termi- und Kollegen werteten 72 Augen von 36 Patienten aus,
nen, profitiert. die eine PRP verteilt über 4 Sitzungen erhielten. Die
Patienten wurden wöchentlich auf dem einen und zwei-
wöchentlich auf dem anderen Auge behandelt. Die ma-
2.4.1 Fokale und panretinale kuläre Netzhautdicke im OCT nahm in beiden Augen
Laserkoagulation vorübergehend langsam zu, in größerem Masse aber in
den wöchentlich behandelten Augen. Die Normalisie-
Die »Early Treatment Diabetic Retinopathy Study« (ET- rung der Netzhautdicke geschah schneller in den zwei-
DRS) konnte zeigen, dass eine fokale Photokoagulation wöchentlich behandelten Augen, die finale Sehschärfe
das Risiko für einen moderaten Sehverlust (definiert als unterschied sich jedoch nicht signifikant in den beiden
Verdoppelung des Sehwinkels) bei Patienten reduziert, Gruppen. Obwohl diese Ergebnisse nur einer relative
bei denen mittels Spaltlampenmikroskopie und stereos- kleinen Fallserie entstammten, untermauerten diese Be-
kopischen Fundusphotos ein CSME diagnostiziert wurde. obachtungen doch die ursprüngliche ETDRS-Studie, in
28 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

der von einer Verschlechterung von Makulaödemen un-


mittelbar nach PRP berichtet wurde.
Praxistipp I I
Die OCT-gemessene Netzhautdicke wird immer wich-
tiger als Einschlusskriterium oder Endpunkt klinischer
2 2.4.2 Pharmakotherapie Studien zu retinalen Gefäßerkrankungen.

Die Entwicklung der Pharmakotherapie für retinale Ge- Mehrere randomisierte Studien in Patienten mit DME
fäßerkrankungen war seit der Entdeckung der tragenden konzentrieren sich neben der Sehschärfe auf die dur-
Rolle des »vascular endothelial growth factors« (VEGF) schnittliche Reduktion der zentralen Netzhautdicke im
in der Pathophysiologie dieser Erkrankungen ein Schwer- OCT, um einen Therapieerfolg festzustellen (RESOLVE,
punkt in der klinischen Forschung. Die morphologischen READ-2). Eine Abnahme der Netzhautdicke korreliert
Veränderungen im OCT sind seitdem wichtige Parameter in diesen Fällen häufig mit einer Verbesserung der Seh-
in Studien, um die Effektivität eines Medikamentes zu schärfe.
bewerten.
Obwohl intravitreales Triamcinolon (IVTA) wahr-
scheinlich eine multifaktorielle Wirkung neben seinem 2.4.3 Chirurgie
anti-VEGF-Effekt hat, wird es bei einer Vielzahl retinaler
Gefäßerkrankungen eingesetzt. Eine Anzahl kleiner Stu- Chirurgische Ansätze bei der Behandlung retinaler Ge-
dien konnten eine Abnahme der zentralen Netzhautdicke fäßerkrankungen finden zunehmend Verbreitung und
nach bereits einer Injektion von IVTA bei Patienten OCT-Befunde sind hierbei nicht nur für die Krankheits-
mit einem Makulaödem infolge von Diabetes oder ei- beobachtung nützlich, sondern dienen auch der Auswahl
nes retinalen Venenverschlusses zeigen. Die Folgeunter- geeigneter chirurgischer Methoden.
suchungen variierten erheblich zwischen den Studien,
aber eine 50%ige Reduktion der zentralen Netzhautdicke Pars-Plana-Vitrektomie bei Makulaödem
im OCT war ein typischer Befund 3 Monate nach Be- Die Pars-Plana-Vitrektomie gilt als potenzielle Therapie
handlungsbeginn. In einigen Fallserien korrelierte die bei Patienten mit refraktärem DME, insbesondere bei
Abnahme der Netzhautdicke mit reduzierter Leckage in Patienten mit VMT. Die OCT hat die Selektion von Pa-
der Angiographie und einer besseren Sehschärfe. Die tienten für eine chirurgische Intervention revolutioniert,
Beobachtung der chronologischen Entwicklung der Netz- indem sie den eindeutigen Nachweis für makuläre Trak-
hautdicke nach Triamcinoloninjektion im OCT zeigte, tion liefert. Giovanni et al. identifizierten 2 Muster der
dass ein Makulaödem häufig nach 3 Monaten rezidiviert. VMT bei Patienten:
Die OCT-basierte Definition eines Ödemrezidivs ist ein ▬ eine Verdickung des superioren Profils im OCT, oder
hilfreiches Kriterium für Kliniker, wenn diese eine er- ▬ das Verstreichen bzw. die Inversion der fovealen De-
neute Behandlung abwägen. Groß angelegte, klinische pression.
Studien (SCORE, DRCR) evaluieren die Effektivität von
IVTA bei Patienten mit einem Makulaödem infolge re- Nach chirurgischer Intervention normalisierte sich die
tinaler Gefäßerkrankungen. Netzhautdickenmessungen Morphologie in vielen dieser Augen. Weitere retrospek-
im OCT werden sowohl als sekundärer Endpunkt wie tive Studien berichteten ähnliche Ergebnisse nach Vitrek-
auch als Ein- oder Ausschlusskriterium in diesen Studien tomie: eine unterschiedlich ausgeprägte aber signifikante
angewendet. Reduktion der fovealen Netzhautdicke im OCT. Einige
Die BRAVO-Studie untersucht die Wirksamkeit von Studien demonstrierten funktionelle Verbesserungen der
Ranibizumab bei retinalen Astvenenverschlüssen und Sehschärfe und im mfERG in Verbindung mit den offen-
stützt sich in wesentlichen Punkten des Studiendesigns, sichtlichen, positiven anatomischen Ergebnissen.
wie z.B. der Behandlungsstrategie und den sekundären
Endpunkten, auf OCT-Untersuchungen. Praxistipp I I
Auch wegweisende Studien zu antiangiogenen The- Die Detektion vitreomakulärer Traktion im OCT hilft bei
rapien für neovaskuläre AMD (MARINA, ANCHOR, der Selektion von Patienten für eine Vitrektomie.
PIER), integrieren OCT-Parameter fest in das Studien-
design. In der PrONTO-Studie wurde erstmals ein OCT-
basiertes Behandlungsschema für NVAMD angewandt Andere Untersucher propagierten eine PPV bei thera-
– mit beachtenswertem Erfolg. Die Rolle der OCT bei pierefraktärem DME auch in Abwesenheit makulärer
Verlaufsbeobachtung und Therapieentscheidungen in Traktion im OCT. Patel und Kollegen beobachteten eine
diesem Rahmen ist unumstritten. Reduktion der Netzhautdicke im OCT bei Patienten
2.5 · Zukünftige Entwicklungen
29 2
nach PPV für ein diffuses DME, einschließlich einer operativen Komplikationen, wie z.B. ein Makulaforamen,
kleinen Subgruppe von Patienten, die keine Anzeichen zu dokumentieren. In einigen, kleinen Fallstudien wurde
einer Glaskörpertraktion zeigten. Trotz dieser guten ana- von einer dramatischen Reduktion der Netzhautdicke im
tomischen Resultate im OCT bleibt der wahre Wert der OCT mehrere Monate nach dem Eingriff berichtet. Diese
PPV beim diffusen DME unklar. In einer randomisierten positiven anatomischen Ergebnisse allerdings korrelier-
Studie zum Vergleich von Vitrektomie versus zusätzli- ten nur selten mit einem Visusanstieg, insbesondere bei
chem Laser bei Patienten mit refraktärem DME (nach Patienten mit ischämischen Okklusionen.
zuvorgegangenem Laser) und ohne vitreomakuläre Trak-
! Cave!
tion war kein signifikanter Unterschied zwischen den
Die morphologischen Veränderungen im OCT
Behandlungsarmen festzustellen, weder morphologisch
entsprechen häufig nicht den funktionellen Be-
noch funktionell.
funden.
Zusätzlich zu dem Mangel an überzeugenden Daten
aus randomisierten klinischen Studien, ist der Einsatz
der PPV bei DME nicht ohne Risiken. Obwohl eine Arteriovenöse Dissektion bei
reduzierte Netzhautdicke beobachtet wurde, berichteten Astvenenverschlüssen
Yamamoto et al. von einer Anzahl an intra-und postope- Einige Untersucher brachten die chirurgische, arteriove-
rativen Komplikationen wie Foramina, Netzhautablösun- nöse Dissektion bei Patienten mit persistierendem Ma-
gen, Glaskörperblutungen, Neovaskularisationsglauko- kulaödem infolge eines Astvenenverschlusses auf. Be-
men, ERM-Bildung und lamellären Löchern. Eine weitere fürworter dieser Methode glauben, dass eine Eröffnung
Komplikation, die sowohl von Yamamoto als auch Otani der gemeinsamen Adventitia von Arterie und Vene an
berichtet wurde, ist die Akkumulation von harten Exsu- den arteriovenösen Kreuzungen eine Dekompression
daten im intraretinalen Raum, ein Befund, der typischer- des venösen Lumens bewirkt und so einen vermuteten
weise mit einer schlechteren Visusprognose einhergeht. Thrombus mobilisieren kann. Eine rasche Reperfusion
Otani stellte außerdem fest, dass das Vorhandensein einer der retinalen Zirkulation, mitunter noch während des
serösen Netzhautablösung im OCT vor oder nach dem Eingriffes, wurde von diesen Untersuchern berichtet. Fuji
operativen Eingriff mit einer höheren Inzidenz dieser et al. demonstrierten eine rasche, dramatische und blei-
subfovealen Exsudate assoziiert war. bende Reduktion des Netzhautödems im OCT sowie eine
Die Anwendung der OCT, um die Reduktion ei- gleichzeitige Visusverbesserung, beginnend nur einen Tag
nes Makulaödems nach Vitrektomie zu quantifizieren, nach dem Eingriff bei Patienten mit BRVO.
ist nicht nur auf Patienten mit diabetischer Retinopathie
beschränkt. Sekiryu und Kollegen berichteten von einer
dramatischen Abnahme der Netzhautdicke in einer klei- 2.5 Zukünftige Entwicklungen
nen Fallserie mit Patienten, die aufgrund eines fovealen
zystoiden Makulaödems bei Zentralvenenverschluss vit- Trotz der außerordentlichen Fortschritte des Hardware-
rektomiert wurden. Designs innerhalb des letzten Jahrzehnts, sammeln kon-
ventionelle OCT-Geräte nur einen limitierten Datensatz
Radiäre Optikusneurotomie bei und verwenden überholte, fehlerbehaftete Software. Die
Zentralvenenverschluss Entwicklungen in der OCT-Hardware haben den Stand
Ompremcak und Kollegen propagierten die Anwendung der Software längst überholt. Der klinische Nutzen und
einer radiären Optikusneurotomie (RON) zur Behand- Erfolg der nächsten OCT-Generation ist abhängig von
lung von Patienten mit persistierendem Makulaödem sorgfältiger Optimierung sowohl der Hardware als auch
nach stattgehabtem Zentralvenenverschluss. Bei dem der Software. Zukünftige OCT-Geräte werden sehr wahr-
Eingriff erfolgt ein Schnitt in die nasale Seite des Seh- scheinlich auch ein breit gefächertes Anwendungsspek-
nervs. Obwohl die Wirkungsmechanismen nicht bekannt trum außerhalb der Augenheilkunde haben: in der Kar-
sind, glauben viele Untersucher, dass dieser Eingriff die diologie, Gastroenterologie, Onkologie, Orthopädie, Hals-
Entwicklung von Kollateralgefäßen begünstigt, die das Nasen-Ohrenheilkunde und evtl. auch der Urologie.
venöse Bett entlasten. In einer Serie von 117 konsekuti-
ven Patienten mit Zentralvenenverschluss und schwerem
Visusverlust fanden Ompremcak und Kollegen eine ana- 2.5.1 Aktuelle OCT-Limitationen
tomische (95%) und funktionelle (71%) Resolution in der
Mehrzahl der Patienten. Obwohl die OCT eine quantitative Revolution in der Dia-
Das OCT gilt auch in diesem Fall als nützliches Hilfs- gnostik und im Management retinaler Erkrankungen an-
mittel, um den Therapieerfolg eine RON sowie die post- geführt hat, gibt es einige hardware- und softwarebedingte
30 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

Limitationen, die der Kliniker kennen sollte, um OCT- ! Cave!


Scans korrekt bewerten zu können. Augenbewegungen Moderate und schwere Fehler des automatischen
von Patienten mit Erkrankungen der Makula und schlech- Algorithmus sind häufig, besonders bei Fällen mit
2 tem zentralem Visus können die Scanqualität erheblich subretinalen Pathologien.
reduzieren. Zwar bietet die Fourier-Domain-Technolgie
eine sehr schnelle Aufnahmegeschwindigkeit, jedoch wur-
den gleichzeitig die Scanraster dichter und umfassender. 2.5.2 Die Zukunft der OCT-Hardware
Eine instabile Fixation mindert auch die Möglichkeiten
einer Bildregistrierung mit anderen Modalitäten wie Fun- Die Hardware, die eine OCT der Augen möglich machte,
dusphotos oder Fluoreszenzangiogrammen. Obwohl am hat sich in den letzten 2 Jahrzehnten rasant entwickelt, vor
Ende eines jeden Scans ein Infrarotbild des Fundus ange- allem innerhalb der letzten 5 Jahre. Bedeutsame Verbes-
fertigt wird, um die ungefähre Lokalisation des Scans zu serungen betreffen sowohl die axiale Auflösung als auch
ermöglichen, so ist der genaue Ort doch unbekannt. Eine die Aufnahmegeschwindigkeit. Den größten Anteil an der
mögliche Lösung des Problems ist die Verwendung eines besseren axialen Auflösung haben die neuartigen Licht-
Tracking-Verfahrens, wie es auch schon kommerziell ver- quellen, die in modernen OCT-Geräten verbaut werden.
fügbar ist. Bislang bieten jedoch die wenigsten Hersteller Die superlumineszierende Diode (SLD), eine Technologie
ein solches Tracking-Verfahren an. die man aufgrund ihrer hohen Bandbreite und der gerin-
gen Kosten durchaus als Arbeitspferd der OCT bezeich-
! Cave!
nen kann, wurde über die letzten 5 Jahre stetig verbessert.
Augenbewegungen während des Scanvorgangs kön-
Weitergehende Forschung zum Nutzen von ganzen SLD-
nen die OCT-Interpretation erheblich erschweren.
Serien (»SLD-Arrays«) und neue SLD-Technologien, wie
Die Analysesoftware hat ebenso wichtige Mängel. Die z.B. die Verwendung von »quantum dots«, werden die
Generierung einer topographischen Karte zum Beispiel, Auflösung der OCT weiter steigern. OCT-Geräte, die auf
das Kernmerkmal quantitativer OCT-Befunde, ist abhän- Laserlichtquellen wie Titanium:Sapphir (Ti:Al2O3)-La-
gig von der korrekten Identifizierung der inneren und äu- sern basieren, bieten eine herausragende Bildqualität, sind
ßeren Netzhautgrenzen. Als innere Netzhautgrenze wird jedoch aufgrund ihrer hohen Kosten nur bedingt massen-
zumeist die innere Grenzmembran (»inner limiting mem- tauglich. Eine weitere spannende Technologieentwicklung
brane« = ILM) definiert, während die äußere Grenze sich in der OCT-Hardware sind sog. »Swept-Source«-Licht-
am retinalen Pigmentepithel orientiert, sich jedoch leicht quellen. Bei Swept-Source-OCTs wird der bewegliche Re-
zwischen den verschiedenen Gerätetypen unterschei- ferenzarm der Time-Domain-OCTs durch einen Laser
det, was wiederum eine Vergleichbarkeit der Messungen mit variabler Frequenz ersetzt. Dies ermöglicht eine tiefe
zwischen den Geräten deutlich erschwert. Obwohl der Gewebepenetration sowie eine sehr gute Signalstabilität.
Algorithmus zur automatischen Erkennung dieser Netz- Andere Gruppenbemühen sich derzeit, adaptive Optiken
hautgrenzen noch relativ zuverlässig in normalen Augen in ihre Systeme einzubauen. Adaptive Optiksysteme nut-
und makulären Ödemen funktioniert, so stellen kom- zen Wellenfrontdetektoren und verformbare Spiegel, um
plexe Morphologien, wie sie z.B. bei neovaskulärer AMD optische Aberrationen aus dem reflektierten Licht zu eli-
auftreten, auch bei der aktuellen Softwaregeneration ein minieren. Adaptive Optiken könnten sowohl die axiale als
ernst zu nehmendes Problem dar. In einer Studie von auch die transversale Auflösung derart erhöhen, dass ein-
Krebs et al. zeigten 25% der untersuchten FD-OCT-Scans zelne Zellpopulationen der Netzhaut darstellbar wären.
Fehler der automatisierten Netzhauterkennung. Zwar er- Die Verbesserungen der Aufnahmegeschwindigkeit
lauben nahezu alle Hersteller eine manuelle Korrektur von OCT-Geräten sind wichtige Schritte vorwärts in der
der Netzhautgrenzen, jedoch ist dies im klinischen Alltag OCT-Entwicklung, da sie Probleme wie eine instabile
aus Zeitgründen nur selten durchführbar. Patientenfixation und eine zu lockere Scandichte deut-
Ein weiteres Problem ist die fehlende Separierung von lich mildern. Den größten Geschwindigkeitsschub in der
subretinalem Raum und sub-RPE-Raum. So wird subre- kommerziell verfügbaren OCT-Technologie stellte zwei-
tinale Flüssigkeit regelmäßig in die Netzhautdickenmes- felsohne die Fourier- oder Spectral-Domain-Technologie
sung miteinbezogen. Dieser Mangel stellt einen Verlust dar, welche Scangeschwindigkeit bis zu 50-mal schneller
klinisch wertvoller Information dar. Einige Therapien als bisherige Time-Domain-OCTs erlaubt und so eine
z.B. können vorzugsweise ein Makulaödem reduzieren, 3D-Rekonstruktion des Scanbereichs ermöglicht. Diese
nicht jedoch subretinale Flüssigkeit. Die aktuelle Analy- letztgenannte Fähigkeit erlaubt einen genaueren Vergleich
sesoftware erlaubt auch keine Quantifizierung anderer von OCT-Aufnahme im Zeitverlauf sowie mit anderen
OCT-Befunde retinaler Gefäßerkrankungen wie retinaler Bildgebungsmodalitäten. Ganzfeld-OCT-Geräte bieten
Zysten und Lipidexsudaten. gegenüber FDOCTs einen noch größeren Geschwindig-
Literatur
31 2
keitsvorteil. Indem die spektralen Informationen einer Zwei wichtige Verbesserungen werden für die OCT-
ganzen Fläche gleichzeitig durch einen 2-dimensionalen Software der nächsten Generation notwendig sein. An
Detektor anstelle eines linearen Aufbaus aufgenommen erster Stelle muss die Genauigkeit der Messungen deutlich
werden, negieren Ganzfeld-OCTs den Zeitverlust, der bei verbessert werden. Da klinische Entscheidungen mehr und
konventionellen Systemen durch serielles Abtasten jedes mehr auf die Präzision der OCT-Quantifizierung vertrauen
einzelnen A-Scans entsteht. Andere vielversprechende werden, sind die Standards für die Software der nächsten
Zukunftsrichtungen der OCT-Hardware sind die polari- Generation höher anzusetzen, als bei der momentan ver-
sationssensitive OCT (PS OCT), Doppler-OCT oder die fügbaren, fehleranfälligen Software. Ein ungelöstes Prob-
funktionelle OCT. PS OCT basiert auf den nativen Po- lem jedoch besteht darin, dass unser histopathologisches
larisationseigenschaften der Gewebeschichten (wie der Verständnis mit der technischen Weiterentwicklung der
Nervenfaserschicht), um das Reflektivitätssignal weiter OCT Schritt halten muss. So ist nun z.B. bekannt, dass die
zu differenzieren. Die Doppler-OCT nutzt die im OCT- äußere Netzhautgrenze vom Stratus OCT inkorrekt wie-
Signal enkodierten Bewegungsdaten und könnte eine dergegeben wurde. Idealerweise besitzen zukünftige OCT-
detaillierte Kartierung von Blutgefäßen und Blutfluss er- Softwaresysteme die Fähigkeit, sich an aktuelle Fortschritte
lauben, analog zur Fluoreszenzangiographie. Obwohl die des klinischen Verständnisses anzupassen und diese in die
Doppler-OCT die dynamischen Leckageinformationen diagnostischen Messungen einfließen zu lassen.
einer FA nicht erfassen kann, könnte sie eine Brücke zwi- Die andere große Herausforderung, der zukünftige
schen beiden Technologien darstellen. Abschließend stellt OCT-Softwaresysteme gegenüberstehen werden, ist, die
die funktionelle Bildgebung und ihr Fokus auf Gesund- klinische Relevanz der Messungen zu erhöhen. Obwohl
heit und Funktion des Gewebes – anstelle seiner Struktur die Netzhautdicke für viele Erkrankungen einen wichti-
allein – ein gänzlich neues Paradigma in der Bildgebung gen Parameter darstellt, so wird doch ein großer Vorteil
dar. Aktuelle Forschungsanstrengungen zur funktionellen dieses Querschichtaufnahmeverfahrens verspielt, indem
OCT machen sich die Spektralinformationen neuerer alle subretinalen und intraretinalen Pathologien in einer
OCTs zunutze. Gekoppelt mit adaptiver Optik könnte die einzigen Messung gebündelt werden. In einer Zeit der all-
funktionelle OCT ein leistungsstarkes, neues Werkzeug seits präsenten intravitrealen anti-VEGF-Therapien wäre
für sowohl Forschung als auch Klinik werden. es nützlich, die Volumina der individuellen Strukturen wie
Netzhaut, zystoider Räume, subretinaler Flüssigkeit, sub-
Praxistipp I I retinalem Gewebe und dem sub-RPE-Raum anstelle eines
Die Doppler-OCT könnte eine Brückentechnologie zur einfachen Gesamtnetzhautvolumens zu quantifizieren. Zu-
FA sein, indem sie dynamische OCT-Daten liefert. dem könnten diese Messungen dank der verbesserten Bild-
registrierungsmöglichkeiten der FD-OCT-Geräte im Zeit-
verlauf miteinander verglichen werden, um eine klinisch
relevante Krankheitsprogression einfacher zu erkennen.
2.5.3 Die Zukunft der OCT-Software
Fazit für die Praxis
Trotz des gewaltigen Sprunges in der automatisierten Die OCT hat die Augenheilkunde revolutioniert. Zukünftige
Quantifizierung durch die Erstgeneration-OCT-Software Hardware- und Softwareentwicklungen sollten die Relevanz
waren die folgenden Fortschritte schleppend verglichen und Präzision der OCT-Messungen verbessern. Diese gestei-
mit der raschen Fortentwicklung der OCT-Hardware. Die gerte Leistungsfähigkeit wird dem Arzt beim Management
Defizite der aktuell verfügbaren OCT-Software wurden komplexer Erkrankungen helfen, eine wichtige Entscheidungs-
umso klarer mit Erscheinen der FD-OCT-Technologie. hilfe für kritische Therapieschritte sein und vielleicht auch eine
Nunmehr werden größere Datenmengen in kürzerer Zeit Diagnose im früheren Krankheitsstadium ermöglichen.
gesammelt und komplexe mathematische Transformatio-
nen sind notwendig, um klinisch nützliche Daten zu er-
halten. Kliniker, die in der Vergangenheit noch jeden der Literatur
6 radiären Scans einzeln begutachten konnten, verlassen
sich jetzt nahezu vollkommen auf die automatisch ge- Brown JC, Solomon SD, Bressler SB, Schachat AP, DiBernardo C, Bress-
nerierten, topographischen Karten der FD-OCT-Geräte. ler NM (2004) Detection of diabetic foveal edema: contact lens
Eine Begutachtung der einzelnen B-Scans eines Volu- biomicroscopy compared with optical coherence tomography.
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Catier A, Tadayoni R, Paques M, Erginay A, Haouchine B, Gaudric A,
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subjektive, klinische Befundungen immer stärker durch etiologies by optical coherence tomography. American journal of
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32 Kapitel 2 · Optische Kohärenztomographie in der Diagnose retinaler Gefäßerkrankungen

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3

Grundkonzepte zur Therapie retinaler


Gefäßerkrankungen
F. Rüfer, J. Roider

3.1 Geschichte der retinalen Lasertherapie – 34

3.2 Laserquellen – 34
3.2.1 Histologische Befunde nach Licht- und Laserkoagulation – 35
3.2.2 Wirkungsweise der Behandlung – 37

3.3 Standards und Indikationen für eine panretinale Laserkoagulation – 37


3.3.1 Panretinale Full-scatter-Laserkoagulation – 37
3.3.2 Panretinale Mild-scatter-Laserkoagulation – 39

3.4 Fokale Laserkoagulation – 40

3.5 Subthreshold-Laserkoagulation – 41

Literatur – 44

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_3,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
34 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

Die retinale Lasertherapie stellt neben den in den letzten Jah-


ren immer mehr verbreiteten intravitrealen VEGF-Inhibitoren
( Abschn. 8.3.5) nach wie vor ein wichtiges Standbein zur
Behandlung von retinalen Gefäßerkrankungen dar. Durch
die Lasertherapie wird bei retinalen Gefäßerkrankungen
das Gleichgewicht zwischen Sauerstoffbedarf und Sauer-
3 stoffangebot verbessert. Die Wirkungsweise scheint jedoch
zusätzlich auf einer Modifikation von verschiedenen lokalen
Wachstumsfaktoren zu beruhen. Inwieweit für den thera-
peutischen Effekt konventionelle, alle Netzhautschichten
betreffende Laserläsionen erforderlich sind, ist noch nicht
abschließend geklärt. Welche retinalen Gefäßerkrankungen
auch ausreichend durch eine selektive Behandlung des reti-
nalen Pigmentepithels unter Schonung der Photorezeptoren
erfolgreich therapiert werden können, ist noch Gegenstand
der aktuellen Forschung.

3.1 Geschichte der retinalen


Lasertherapie

Heute ist die Laserkoagulation eine weitverbreitete Be-


handlungsmethode, die noch immer die Basis vieler re-
tinaler Gefäßerkrankungen bildet. Die Ursprünge gehen
auf Meyer-Schwickerath zurück, der dafür ab 1949 Son-
nenlicht als Energiequelle nutzte (⊡ Abb. 3.1). Allerdings
erwies sich das Sonnenlicht aus mehreren Gründen als
problematisch. Zum einen waren ein aufwändiges System
von mehreren Spiegeln und lange Expositionszeiten er-
forderlich, zum anderen war die Abhängigkeit vom Wet-
ter ein offensichtliches Problem. Durch die Entwicklung
der Xenon-Hochdrucklampen zu Beginn der fünfziger
Jahre stand genug Leistung für eine Lichtkoagulation
der Netzhaut bereit. Zu dieser Zeit wurden zahlreiche ⊡ Abb. 3.1 Xenon-Hochdrucklampe (Aus Rüfer F u. Roider J 2007)
Arbeiten publiziert, die den therapeutischen Effekt der
retinalen Lichtkoagulation belegten und zu einem breiten
Erfahrungsschatz führten. Der wesentliche Fokus lag da- das Hämoglobin haben eine untergeordnete Bedeutung.
bei auf der Retinopexie bei Netzhautdefekten und auf der Die kurzen Pulse des Rubinlasers (694 nm) variierten
Therapie der proliferativen diabetischen Retinopathie. in Abhängigkeit vom technischen Modus zwischen 20
und 1.000 ns. Zu kurze Laserpulse verhinderten am An-
fang eine sinnvolle klinische Anwendung. Es traten un-
3.2 Laserquellen erwünschte Nebenwirkungen wie retinale Blutungen und
Netzhautlöcher auf, und es konnte keine ausreichende
Mit der Erfindung der Lasertechnologie 1960 durch Mai- Adhäsion im Sinne einer Retinopexie erreicht werden.
man setzte auch eine schnelle Entwicklung der retinalen Mit der Einführung der Argonlasertechnologie zu Be-
Laserkoagulation ein. Der erste verfügbare Laser war ein ginn der siebziger Jahre waren Systeme verfügbar, die
Rubinlaser. Am Anfang lag der Fokus der Experimente aufgrund ihrer kontinuierlichen Lichtemission und hohen
auf der Interaktion zwischen einem gepulsten Rubinlaser Leistung eine breite klinische Anwendung ermöglichten.
und dem retinalen Gewebe. Es stellte sich heraus, dass die Die ersten kommerziellen Argonlasersysteme wurden
histologischen Effekte in der Retina durch die Absorption 1971 in der Augenheilkunde eingeführt. Zwischen 1972
verschiedener Strukturen erklärbar waren. Die wichtigste und 1975 wurde die Diabetic Retinopathy Study durchge-
absorbierende Struktur in der Retina sind die Mela- führt, die als große prospektive randomisierte multizentri-
ningranula im RPE (⊡ Abb. 3.2), andere Absorber wie sche Studie angelegt war. Es zeigte sich, dass die Behand-
3.2 · Laserquellen
35 3
subretinalen Membranen oder bei der Behandlung von
vasoproliferativen Erkrankungen.
In der klinischen Anwendung führten alle Lasersys-
teme ausgehend von den absorbierenden Strukturen zu
einer ähnlichen Wärmeausbreitung in die umliegenden
Gewebeschichten sobald die Expositionszeiten 100 ms
oder mehr betrugen.

3.2.1 Histologische Befunde nach


Licht- und Laserkoagulation

Die ersten histologischen Untersuchungen wurden an


retinalem Gewebe durchgeführt, das durch Xenonlicht
⊡ Abb. 3.2 Lichtabsorption im humanen retinalen Pigmentepithel. koaguliert wurde. Die retinalen Läsionen zeigten irrever-
(Aus Rüfer F u. Roider J 2007) sible Gewebsschädigungen. Bereiche mit funduskopisch
milder Koagulation zeigten eine Destruktion der Cho-
riokapillaris, des RPEs und der Photorezeptoren ein-
lung der proliferativen diabetischen Retinopathie mittels schließlich der äußeren Körnerschicht (⊡ Abb. 3.3). Die
Koagulation große Vorteile brachte und dass so das Risiko Zerstörung der Photorezeptoren bedeutete einen lokal
für einen schwerwiegenden Visusverlust um 50% redu- begrenzten irreversiblen Funktionsverlust des koagulier-
ziert werden konnte. Aus diesem Grund wurde die Studie ten Bereichs. Ausgeprägtere Läsionen mit Laserleistun-
zugunsten der Laserbehandlung abgebrochen. Es stellte gen wie in der klinischen Anwendung zeigten eine wei-
sich auch heraus, dass es keine Unterschiede zwischen den tergehende Schädigung mit pyknotischen Zellen in der
therapeutischen Effekten einer Xenon- oder Argonlaser- inneren Körnerschicht und in der Gangionszellschicht
koagulation gab, auch wenn die technischen Vorteile der (⊡ Abb. 3.4). Histologisch unterscheiden sich Laserläsio-
Argonlasersysteme überwogen. Die Argonlasersysteme nen nicht, solange Expositionszeiten zwischen 100 und
konnten über Spiegelsysteme gut gekoppelt werden und 500 ms verwendet werden. Während der ersten Stunde,
konnten dadurch präziser am Fundus angewendet wer- möglicherweise sogar während der ersten Sekunden wird
den. Mit der Weiterentwicklung der Lasertechnik wurden der Effekt biologisch durch ein intra- und interzellulä-
weitere Lasersysteme verfügbar. Initial wurden alle aus- res Ödem verstärkt. Neben einer Schädigung des RPE
reichend leistungsstarken Continuous-Wave-Laser expe- sind immer auch die Photorezeptoren betroffen. Diese
rimentell getestet und klinische Studien durchgeführt. Die Befunde sind unabhängig von der Wellenlänge der ver-
verschiedenen Lasertypen wie Kryptonlaser (647 nm oder wendeten Laser.
530 nm), Farbstofflaser (560 nm bis 680 nm), Nd:YAG- Schäden der inneren Netzhautschichten (Ganglionzell-
Laser (1064 nm oder 532 nm) oder Diodenlaser (810 nm) schicht, Nervenfaserschicht) sind unerwünscht. Auch
unterschieden sich hauptsächlich in der Wellenlänge und wenn Leistungsparameter für Läsionen an der Schwelle
in technischen Parametern wie der Größe der Geräte, der zur Sichtbarkeit verwendet werden, kann eine Schädigung
Effizienz, der erforderlichen Betriebsspannung und der der Photorezeptoren nicht verhindert werden, weil es eine
Notwendigkeit für eine Kühlung. breite intra- und interindividuelle Variabilität der Netz-
Da der wesentliche Unterschied vor allem die Wel- hautdicke und der Pigmentierung gibt. Retinale Gefäße
lenlänge war, waren nur geringe Unterschiede im histo- werden üblicherweise primär nicht durch die retinale
logischen Ergebnis zu erwarten, wenn Pulsdauern von Koagulation geschädigt, da die Leistung zu niedrig und
100 ms oder länger verwendet wurden. Durch längere die Spotgröße im Vergleich zum Gefäßkaliber von einigen
Wellenlängen kann zwar das relative Absorptionsmaxi- Mikrometern zu groß ist. Die Temperaturerhöhungen im
mum des Hämoglobins vermieden werden, allerdings RPE unter gebräuchlichen Koagulationsparametern füh-
nimmt gleichzeitig die Absorption im RPE ab. Dadurch ren auch nicht zu Koagulationseffekten in den retinalen
kommt es bei längeren Wellenlängen zu einer zunehmen- Kapillaren. Aufgrund der unterschiedlichen Absorptions-
den Schädigung von tiefer liegenden Strukturen wie der charakteristika im RPE sind theoretisch für verschiedene
Aderhaut. Ein praktischer Vorteil längerer Wellenlängen Wellenlänge unterschiedliche Effekte auf das Gewebe zu
ist die bessere Transmission durch getrübte Linsen. Kei- erwarten. Allerdings lassen sich keine Unterschiede be-
ner der unterschiedlichen Lasertypen hatte einen we- züglich des Schadens am RPE und and den äußeren
sentlichen klinischen Vorteil bei der Koagulation von Netzhautschichten feststellen, wenn die unterschiedlichen
36 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 3.3 Milde Läsion nach Laserkoagulation mit einem grünen ⊡ Abb. 3.5 Laserläsion, die durch Narbengewebe ersetzt wurde. (Aus
Laser (514 nm), Expositionszeit 100 ms – Die Läsion war klinisch nicht Rüfer F u. Roider J 2007)
sichtbar. (Aus Rüfer F u. Roider J 2007)

Auch der Reparaturprozess eines Laserherdes ist un-


spezifisch für die Art des verwendeten Lasers und ist dem
einer Netzhautablösung ähnlich. Darüber hinaus scheint
es auch zwischen verschiedenen Tierarten nur kleine Un-
terschiede zu geben.
Nach einer Laserkoagulation regeneriert sich das be-
troffene Areal allmählich durch proliferierende Gliazellen
aus der intakten Retina und der benachbarten Choroidea.
Dabei trägt das RPE in vielerlei Hinsicht zum Vernarbungs-
prozess bei: Die Blut-Retina-Schranke beginnt sich nach
7 Tagen neu zu formieren. Die Barriere durch das RPE
regeneriert sich anatomisch und funktionell. Nach 3 Mo-
naten können im koagulierten Areal Mikroglia nachgewie-
⊡ Abb. 3.4 Histologie einer Laserläsion (514 nm), die klinisch sichtbar sen werden. Defekte in der äußeren Körnerschicht werden
war (Expositionszeit 100 ms). (Aus Rüfer F u. Roider J 2007) durch Müllerzellen ersetzt. Moderate Läsionen führen zu
einer differenzierten Regeneration ohne Adhäsionen zwi-
schen Gliagewebe und dem RPE. Ausgeprägtere Läsionen
Wellenlängen von Kryptonlaser, Nd:YAG-Laser und Di- führen zu retinalen Defekten mit einer Adhäsion der Netz-
odenlaser zum Einsatz kommen. Die inneren Netzhaut- hautschichten an das RPE, oder, falls nicht vorhanden, zu
schichten können durch die Verwendung von längeren Adhäsionen mit der Bruch’schen Membran. Die Befunde
Wellenlängen (z.B. mit dem Kryptonlaser) geschont wer- bei den Reparaturvorgängen in der Choriokapillaris wei-
den, wie tierexperimentell gezeigt werden konnte. Wegen chen davon ab. Während bei Katzen 30 Tage nach der Ko-
der geringeren Absorption durch Xanthophyll hat hat agulation eine Rekapillarisierung gefunden wurde, wurden
der frequenzverdoppelte ND:YAG-Laser (532 nm) einen in Affen persistierende Defekte nachgewiesen. Die medika-
leichten Vorteil gegenüber dem Argonlaser für die An- mentöse Behandlung von Netzhautschäden zum Beispiel
wendung in der Makula. Andrerseits penetrieren längere bei Laserunfällen zeigt einen statistisch signifikanten Effekt
Wellenlängen vermehrt in die Aderhaut, was zu choroida- auf der Größe der zerstörten Fläche, kann aber nicht die
len Blutungen führen kann. Nach Koagulation mit einem irreversible Zerstörung der Photorezeptoren verhindern.
1064-nm-Nd:YAG-Laser wurden schwerwiegende Ver- Zusammenfassend betrachtet handelt es sich bei der
änderungen in der Aderhaut mit Verschlüssen größerer Koagulation mit Licht um eine unspezifische Methode.
choroidaler Gefäße gefunden, was mit der verminderten Mit gebräuchlichen Laserparametern werden das retinale
Absorption im RPE im Einklang steht. Pigmentepithel, die Choriokapillaris, die Photorezepto-
Die biologische Antwort auf Licht- oder Laserko- ren und bis zu einem gewissen Grad auch räumlich wei-
agulation ist ähnlich und zeigt sich unabhängig von der ter entfernte Strukturen geschädigt. Das koagulierte Areal
Lichtquelle. Unterschiede zeigen sich lediglich im Aus- wird durch unspezifisches Narbengewebe ersetzt, was zu
maß des zerstörten Areals. irreversiblen Gesichtsfeldausfällen führt.
3.3 · Standards und Indikationen für eine panretinale Laserkoagulation
37 3
3.2.2 Wirkungsweise der Behandlung nigt bFGF die Wundheilung. Somit wird vermutet, dass
bFGF zumindest in der Zellkultur die Proliferation von
Bei der proliferativen diabetischen Retinopathie war einer laserbehandelten RPE-Zellen fördert. Neben angiogenen
der ersten Erklärungsansätze für den Effekt der Laser- Faktoren fanden Ogata et al. 6 Stunden nach Koagulation
koagulation die Zerstörung der sauerstoffverbrauchenden auch eine erhöhte Expression von »kinase insert domain-
Photorezeptoren. Es wurde angenommen, dass dadurch containing receptor-1« (KDR/flk-1) und Ets-1, das ein
die Relation zwischen Sauerstoffbedarf und zur Verfügung Transkriptionsfaktor ist, der in Endothelzellen bei der
stehendem Sauerstoff optimiert werden kann. Andere tier- Angiogenese exprimiert wird. Ogata et al. fanden darü-
experimentelle Befunde zeigten frühe Veränderungen im ber hinaus vermehrt »nuclear factor kappa B »(NF-κB),
RPE und führten so zu der Annahme, dass der therapeu- was die Initiation der Angiogenese und VEGF reguliert.
tische Effekt eine Folge der Zerstörung und Ersetzung der Interessanterweise zeigte sich nach 72 Stunden auch für
spezifisch geschädigten RPE-Zellen ist. Ein weiteres Erklä- KDR/flk-1, Ets-1, NF-κB und VEGF erniedrigte Level
rungsmodell stammt von Marshall et al., die nach Koagu- unterhalb des Ausgangsniveaus vor Laserkoagulation.
lation von Schweineaugen proliferierende Zellen fanden, Diese experimentellen Befunde in kultivierten RPE-
die von venösen Kapillaren ausgingen. Solche aktivierten Zellen zeigen, dass es nicht nur auf das Vorhandensein
Zellen wurden bis in die inneren Netzhautschichten hinein verschiedener Wachstumsfaktoren, sondern auch auf ihr
nachgewiesen und lassen den Effekt einer biologischen Auftreten im zeitlichen Verlauf ankommt, um die kom-
Substanz über eine größere Distanz vermuten. Wahrschein- plexen Vorgänge nach retinaler Laserkoagulation zu ver-
lich handelt es sich bei dieser vermuteten Substanz um den stehen. Nach wie vor ist die Wirkungsweise nicht kom-
»vascular endothelial growth factor« (VEGF), der sauer- plett verstanden.
stoffabhängig ausgeschüttet wird und sowohl bei retinalen
Ischämien als auch bei bei okulären Neovaskularisationen
vermehrt auftritt. VEGF ist ein starker angiogener Faktor. 3.3 Standards und Indikationen für
Um die positiven Effekte der retinalen Laserkoagula- eine panretinale Laserkoagulation
tion zu erklären, untersuchten Wilson et al. die Genex-
pression von Retina, RPE und Choroidea in Mäuseaugen 3.3.1 Panretinale Full-scatter-
drei Tage nach retinaler Laserkoagulation. Unter 265 Laserkoagulation
verschiedenen Genen wurde eine erhöhte Expression des
Angiotensin-II-Typ-2-Rezeptors festgestellt, der in der Diabetes
Inhibition der VEGF-Expression und in der VEGF-indu- Die derzeitigen Empfehlungen für die panretinale Laser-
zierten Angiogenese eine Rolle spielt. In derselben Studie koagulation basieren im Wesentlichen auf den Erfahrun-
wurden auch verminderte Expressionen der Vorstufen gen mit der diabetischen Retinopathie. Die Laserbehand-
▬ des »calcitonin receptor like receptor« (CRLR), lung der proliferativen diabetischen Retinopathie geht auf
▬ von Interleukin 1 (IL-1βm), die Diabetic Retinopathy Study (DRS) zurück. Die DRS
▬ der »fibroblast growth factor« FGF 14 und FGF 16 war eine prospektive, randomisierte und multizentrische
und Studie. Dafür wurden 1.700 Patienten mit proliferativer
▬ des »plasminogen activator inhibitors II« (PAI-2) und nicht-proliferativer diabetischer Retinopathie zwi-
gefunden, die ebenfalls zu den antiangiogenen Effekten schen 1972 und 1975 darauf hin untersucht, ob eine reti-
der Lasertherapie beitragen können. nale Koagulation mittels Xenon- oder Argonlasers zu ei-
Ogata et al. fanden eine Hochregulation des »pigment nem günstigeren Ergebnis als dem Spontanverlauf führt.
epithelium derived factor« (PEDF) in kultivierten RPE- Die Behandlungsparameter waren Expositionszeiten von
Zellen nach Photokoagulation. Es wurde nachgewiesen, 100 ms und Herdgrößen zwischen 500 und 1.000 μm. Pro
dass PEDF ein potenter Inhibitor der okulären Angioge- Sitzung wurden 500 bis 1000 Laserherde appliziert.
nese ist. Ogata et al. fanden in kultivierten RPE-Zellen, Bei derart intensiver Zerstörung von retinalen Ge-
dass nach Laserkoagulation nicht nur anti-angiogene weben konnte das Risiko für einen schwerwiegenden
Faktoren hochreguliert waren, sondern dass vorüberge- Visusverlust über einen Zeitraum von 2 Jahren um 50%
hend auch angiogene Faktoren in erhöhter Konzentration vermindert werden. Als Konsequenz wurde die Studie
nachweisbar waren. Mittels PCR wurde ein signifikan- zugunsten der Laserbehandlung für alle Patienten abge-
ter Anstieg des Expressionslevels des »basic fibroblast brochen. Die systematische Analyse der retinalen Verän-
growth factor« (bFGF) mit einem Maximum 6 Stun- derungen erbrachte 4 Faktoren für ein hohes Risiko, einen
den nach Photokoagulation und einem Abfall unter das akuten Visusverlust zu erleiden. Das Vorhandensein die-
Ausgangsniveau nach 72 Stunden gefunden. Auch bFGF ser Faktoren wird weiterhin als Indikation für eine dichte
ist ein starker angiogener Faktor. Zusätzlich beschleu- (»full scatter«) panretinale Laserkoagulation anerkannt.
38 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

Während Augen mit nur einem Risikofaktor ein relati- Koagulation erforderlich. Eine Regression der Neovaskulari-
ves Risiko für einen schwerwiegenden Visusverlust von sationen ist frühestens nach 4-6 Wochen zu erwarten.
4,2-6,8% haben, steigt das Risiko beim Vorhandensein
von 4 Faktoren auf 37%. Risikofaktoren, die gleichzeitig z Pattern-scanning-Laser
auch die Indikationen für eine panretinale Full-scatter- Mit einem Pattern-scanning-Laser ist es möglich, in-
Laserkoagulation darstellen, sind im Einzelnen: nerhalb eines Augenblicks unterschiedliche Pattern mit
3 1. Vorhandensein einer Glaskörper- oder präretinalen bis zu 56 Einzelherden zu applizieren. Die verwendeten
Blutung Pattern bestehen aus Einzelherden, die in kurzer Ab-
2. Neovaskularisationen auf oder neben der Papille folge mit einem Scanner appliziert werden. Damit dies
(NVD) möglich ist, werden für die Einzelherde sehr viel kürzere
3. Neovaskularisationen andernorts am Fundus (NVE) Expositionszeiten (10-30 ms) gebraucht. Bei derart ver-
4. Größe der Neovaskularisationen (größer als ¼ der kürzten Expositionszeiten ist es gleichzeitig notwendig,
Papillenfläche) die erforderliche Leistung der Einzelherde zu erhöhen,
um vergleichbare weißliche Herde zu erzielen. Auf diese
Zentralvenenverschluss Weise werden für die Einzelherde Leistungen von etwa
Eine weitere Indikation für eine panretinale Full-scatter- 500-2.000 mW benötigt. So wird die erforderliche Laser-
Laserkoagulation besteht bei retinalem Zentralvenenver- energie schlagartig auf ein kleineres Volumen deponiert.
schluss (ZVV). Eine wesentliche Komplikation bei ZVV – Hierdurch wird der therapeutische Bereich zwischen ge-
abgesehen von einem Makulaödem – besteht in Neovasku- rade eben sichtbaren Herden und einer Überkoagulation
larisationen der Retina und der Iris. Die Inzidenz retinaler mit Blutungen kleiner. Es ist deshalb ratsam, für Areale
Neovaskularisationen ist stark mit dem Ausmaß der Ischä- mit unterschiedlicher Pigmentierung oder unterschied-
mie korreliert. Die Empfehlungen für die Laserbehandlung licher Netzhautdicke die erforderliche Leistung mit Ein-
eines ZVV basieren auf der Central Retinal Vein Occlusion zelherden häufig neu zu titrieren und ggf. anzupassen. Da
Study, die von 1988 bis 1992 durchgeführt wurde. Durch die die Herde mit dem Pattern-scanning-Laser maximal ei-
Studie konnte gezeigt werden, dass ein Makulaödem durch nen Durchmesser von 400 μm haben, ist es ggf. erforder-
eine Gridlaserkoagulation zwar reduziert werden kann, dass lich, mehr als 2.000 Herde zu applizieren. Es ist in vielen
es dadurch aber nicht zu einer signifikanten Visusverbesse- Fällen sinnvoll, kleinere Pattern (2×2 Herde, 3×3 Herde
rung kommt. Es konnte kein Effekt einer prophylaktischen oder 4×4 Herde) zu verwenden, da bei größeren Pattern
panretinalen Laserkoagulation zur Verhinderung von Iris- häufig die Intensität der Einzelherde als Folge der in der
neovaskularisationen nachgewiesen werden. Allerdings pro- Peripherie dünneren Netzhaut sehr unterschiedlich gerät.
fitieren eindeutig Augen von einer panretinalen Full-scatter-
Laserkoagulation, bei denen bereits Neovaskularisationen Venenastverschluss
der Retina oder der Iris vorhanden sind. Der Spontanverlauf bei Venenastverschlüssen ist vielfach
durch ein Makulaödem und Glaskörperblutungen aus re-
Anleitung für die Klinik tinalen Neovaskularisationen charakterisiert. Ohne The-
z Einzelherdtechnik rapie erholt sich der Visus bei 30 bis 50% der Patienten
Geeignete Expositionszeiten sind 100-200 ms und eine auf 0,5 oder besser. Fälle mit einem schlechteren Visus
Herdgröße von 500 μm. Die Leistung muss individuell so werden durch eine Ischämie bedingt. Bei 2/3 der Patien-
titriert werden, dass durch das Lasern zart weißliche retinale ten führt ein Makulaödem zu einem Visusverlust. Neo-
Läsionen entstehen. Der Abstand zwischen den Laserherden vaskularisationen können sich entwickeln, wenn große
sollte 0,5 bis 1 Herddurchmesser betragen. Bei »Hochrisiko- ischämische Bereiche vorhanden sind.
augen« mit proliferativer diabetischer Retinopathie sollten Die Empfehlungen zur Lasertherapie beruhen nach
1.000 bis 2.000 Herde (abhängig von der Herdgröße) plat- wie vor auf der Branch Vein Occlusion Study. In der Be-
ziert werden. Es ist empfehlenswert, die Herde aufgeteilt in 2 handlungsgruppe zeigte sich nach 3 Jahren ein besserer Vi-
bis 4 Sitzungen zu applizieren, mit einem Sicherheitsabstand sus. Es konnte auch bewiesen werden, dass das Risiko, eine
von etwa 2 Wochen, um eine Aderhautamotio zu vermeiden Neovaskularisation zu entwickeln, durch eine modifizierte
und die Behandlung für die Patienten besser erträglich zu sektorielle Laserkoagulation gesenkt werden konnte.
gestalten. Im Bereich von intraretinalen Blutungen sollte
eine Laserung vermieden werden, da eine Absorption des z Anleitung für die Klinik
Laserlichts in den inneren Netzhautschichten sonst zu einer Die retinale Laserkoagulation sollte nicht früher als 3-6 Mo-
Überkoagulation und Schädigung der inneren Netzhaut- nate nach dem Auftreten eines Venenastverschlusses durch-
schichten führen kann. Bei Zentralvenenverschluss mit ma- geführt werden. Sie sollte erst dann erfolgen, wenn sich
nifesten Neovaskularisationen ist häufig eine noch dichtere etwaige streifige intraretinale Blutungen zurückgebildet ha-
3.3 · Standards und Indikationen für eine panretinale Laserkoagulation
39 3

⊡ Abb. 3.7 Fundusbild eine Stunde nach panretinaler Mild-scatter-


Laserkoagulation mit einem Pattern-scanning-Laser mit einem 2×2
a
Pattern bei schwerer nichtproliferativer diabetischer Retinopathie

3.3.2 Panretinale Mild-scatter-


Laserkoagulation

Die Behandlungsempfehlungen der nichtproliferativen


diabetischen Retinopathie basieren auf den Ergebnissen
der Early Treatment Diabetic Retinopathy Study (ET-
DRS). Vergleichbar mit der DRS handelte es sich um eine
multizentrische, prospektive und randomisierte Studie,
an der 3.711 Patienten mit nichtproliferativer oder begin-
nender proliferativer diabetischer Retinopathie teilnah-
men. Zur Klassifikation wurden im Wesentlichen fun-
duskopisch sichtbare Netzhautveränderungen verwendet.
Die Analyse der gefundenen Risikofaktoren führte zur
noch immer gültigen Empfehlung, auch bei schwerer
nichtproliferativer diabetischer Retinopathie eine retinale
Laserkoagulation durchzuführen.
b

⊡ Abb. 3.6 a Fluoreszenzangiographie eines Patienten mit ausge-


Praxistipp I I
prägter Neovaskularisation der Papille (NVD). b Fluoreszenzangiogra- Zur Diagnose einer schweren nichtproliferativen diabe-
phie nach panretinaler Laserkoagulation. Die NVD hat sich signifikant tischen Retinopathie kann die sogenannte 4:2:1-Regel
zurückgebildet. (Aus Rüfer F u. Roider J 2007)
herangezogen werden.

ben. Andernfalls kommt es zu einer unerwünschten Schä- Eine schwere nichtproliferative diabetische Retinopathie
digung der inneren Netzhautschichten. Von den übrigen liegt vor, wenn entweder
Parametern entspricht die Behandlung dem o.g. Schema bei ▬ intraretinale Blutungen in 4 Quadranten vorliegen
der diabetischen Retinopathie, mit dem Unterschied, dass oder
nur die vom Verschluss betroffenen ischämischen Areale ▬ wenn perlschnurartige Venen in mindestens 2 Quad-
koaguliert werden und die unbetroffene gesunde Netzhaut ranten vorliegen oder
nicht behandelt wird. Beim Auftreten von Neovaskularisa- ▬ wenn eine intraretinale mikrovaskuläre Anomalie
tionen ist eine modifizierte sektorielle Koagulation mit den (IRMA) in mindestens einem Quadranten vorhan-
Parametern einer Full-scatter-Laserkoagulation indiziert. den ist
40 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

z Komplikationen der panretinalen Laserkoagulation


Abhängig vom zerstörten Netzhautareal, sind Gesichts-
feldverschlechterungen und Störungen des Dämmerungs-
sehens die häufigsten Komplikationen. Wenn der Bereich
außerhalb der Gefäßbögen vollständig koaguliert wird,
wird das Gesichtsfeld auf etwa 20 Grad reduziert. In sel-
3 tenen Fällen kann ein Makulaödem nach retinaler Laser-
koagulation zu einer Visusminderung führen. Aufgrund
dieser Komplikationen sollte eine Überkoagulation ver-
mieden werden. Andererseits ist ein häufiger Grund für
das Versagen einer Lasertherapie eine insuffiziente Ko-
agulation mit zu kleinen und zu wenigen Laserherden.
Ein therapeutischer Effekt nach panretinaler Laser-
koagulation ist üblicherweise nicht vor Ablauf von 6 Wo-
chen zu erwarten. Wenn kein Rückgang der Risikofak-
toren festzustellen ist, ist eine erneute Laserkoagulation
sinnvoll.

⊡ Abb. 3.8 Fundusbild eines Patienten mit schwerer nichtproliferati-


ver diabetischer Retinopathie: Ausgeprägte perlschnurartige Venen 3.4 Fokale Laserkoagulation
(*).(Aus Rüfer F u. Roider J 2007)

Die ETDRS-Studie konnte nachweisen, dass eine fokale


Laserkoagulation bei diabetischem Makulaödem das
Risiko für einen moderaten Visusverlust senken kann.
Innerhalb eines Jahres war eine signifikante Visusminde-
rung bei 5% der behandelten Augen feststellbar, wohin-
gegen der Anteil bei nicht behandelten Augen 8% betrug.
Nach 2 Jahren bestand in der behandelten Gruppe bei 7%
ein Visusverlust, in der unbehandelten Gruppe bei 16%.
Im dritten Jahr betrug das Verhältnis 12% zu 24%. Auch
die Diagnose eines klinisch signifikanten Makulaödems
kann funduskopisch gestellt werden, wenn
▬ eine Netzhautverdickung innerhalb von 500 μm vom
Zentrum der Makula vorliegt.
▬ harte Exsudate innerhalb von 500 μm vom Zentrum
der Makula vorhanden sind.
▬ eine Netzhautverdickung von der Größe mindestens
eines Papillendurchmessers innerhalb eines Abstan-
des von einem Papillendurchmesser vom Zentrum
der Makula auftritt.

z Anleitung für die Klinik und Komplikationen


⊡ Abb. 3.9 Frische Laserläsionen eine Stunde nach panretinaler Mild- der fokalen Laserkoagulation
scatter-Laserkoagulation in Einzelherdtechnik. (Aus Rüfer F u Roider
Bei der fokalen Laserkoagulation muss die Platzierung
J 2007)
der Laserherde auf Basis der Fluoreszenzangiographie
geplant werden. Ödematöse Bereiche sollten nah der
Leckage behandelt werden. Geeignete Expositionszeiten
z Anleitung für die Klinik sind 100 ms bei einer Herdgröße von 100 μm. Die initi-
Eine panretinale Mild-scatter-Laserkoagulation wird ale Leistung sollte nicht höher als 70-80 mW liegen. Die
ähnlich einer Full-scatter-Laserkoagulation durchgeführt, Laserapplikation sollte zu einer milden gräulich schim-
mit dem Unterschied, dass insgesamt nur etwa 600 Herde mernden Läsion führen, ggf. muss die Leistung dafür
mit einem Herddurchmesser von 500 μm in entsprechend sukzessive gesteigert werden. Die ersten Laserherde zur
größeren Abständen zueinander appliziert werden. Titrierung der geeigneten Leistung sollten mit ausrei-
3.5 · Subthreshold-Laserkoagulation
41 3
3.5 Subthreshold-Laserkoagulation

Der therapeutische Effekt einer retinalen Laserbehand-


lung wurde traditionell der oben beschriebenen Zer-
störung der retinalen Gewebe zugeschrieben. Die Wär-
meausbreitung ausgehend vom bestrahlten RPE führt bei
solchen konventionellen Laserherden zu einer irreversib-
len thermischen Denaturierung der Photorezeptoren.
Für einige retinale Erkrankungen, die mit Pathologien
des RPE assoziiert sind, kann möglicherweise auch eine
selektive Behandlung des RPE ausreichend sein. Auf diese
Weise können die darüber liegenden Photorezeptoren ge-
schont werden und so ein Verlust des Gesichtsfeldes ver-
hindert werden, was insbesondere im Bereich der Makula
hilfreich ist. Idealerweise kann sich das geschädigte RPE
während des Heilungsprozesses durch Migration und
Proliferation des benachbarten RPEs regenerieren. Auf
⊡ Abb. 3.10 Fundus mit klinisch signifikantem diabetischem Makula- diese Weise könnte eine minimal destruktive, selektive
ödem. (Aus Rüfer F u Roider J 2007) RPE-Behandlung für einige Indikationen optimal sein.
Konventionelle Laserexpositionszeiten von 100 ms
und mehr führen zu einer ausgeprägten Wärmeausbrei-
chendem Sicherheitsabstand zur Fovea gesetzt werden. tung, da sich Wärme aus dem absorbierenden RPE mit
Der Abstand zwischen den Laserherden sollte etwa einen einer Geschwindigkeit von etwa 1 μm pro Mikrosekunde
Herddurchmesser betragen. Ein therapeutischer Effekt ist ausbreitet. Die zeitliche und räumliche Temperaturaus-
nicht vor Ablauf von 3 Monaten zu erwarten. breitung wurde durch mathematische Modelle berechnet
Die häufigste mögliche Komplikation ist eine Störung und experimentell verifiziert. Nach einer 100-ms-Expo-
der Lesefähigkeit, die durch eine irreversible Schädigung sition besteht zwischen dem RPE und der Neuroretina
der Photorezeptoren ausgelöst werden kann. nur eine geringe Temperaturdifferenz. Die Differenz vom
RPE bis 5 μm in die Retina beträgt nur etwa 18%. Die
Praxistipp I I notwendige verkürzte Pulsdauer, die erforderlich ist, um
Um das Risiko von Komplikationen zu senken, kann die Neuroretina zu schonen, kann durch die thermale Re-
alternativ auch eine modifizierte Gridlaserkoagulation laxationszeit oder als das Zeitintervall berechnet werden,
durchgeführt werden, die dann sinnvoll ist, wenn ein das erforderlich ist, damit Wärme aus einem absorbie-
flächiges diffuses Makulaödem vorliegt. renden Gewebe geleitet wird. Bei einer RPE-Zellgröße
von etwa 10 μm können hohe Temperaturen auf die
RPE-Zelle selbst beschränkt bleiben, wenn die Expositi-
Eine modifizierte Gridlaserkoagulation wird ähnlich wie onszeiten sich im Bereich von Mikrosekunden, nicht im
eine fokale Laserkoagulation durchgeführt, mit dem Un- konventionellen Bereich von Millisekunden bewegen. Da
terschied, dass der Abstand zwischen den Laserherden am Ende eines Laserpulses keine weitere Energie mehr
2-3 Herddurchmesser betragen sollte. Mit dieser Methode abgegeben wird, fällt die Temperatur danach schnell ab.
sollte der dann der gesamte ödematöse Bereich behandelt Wenn das Gewebe zwischen repetitiven Laserpulsen aus-
werden. Als seltene Komplikation kann eine sekundäre reichend Zeit hat, um sich komplett auf die Ausgangstem-
choroidale Neovaskularisation auftreten. Die Autoren peratur abzukühlen, dann können innerhalb des RPEs
empfehlen für eine fokale oder für eine modifizierte hohe Temperaturen erreicht werden, während gleichzei-
Gridlaserkoagulation ausdrücklich nicht die Pattern eines tig die Temperaturen in den benachbarten Photorezepto-
Pattern-scanning-Lasers, da aufgrund der unterschiedlich ren niedrig bleiben. ⊡ Abb. 3.11 zeigt den histologischen
ausgeprägten Netzhautdicke in ödematösen und nicht Effekt nach Exposition einer Kette von 500 repetitiven
ödematösen Bereichen die Gefahr einer lokalen Überko- 5-μs-Laserpulsen.
agulation besteht. Zusätzlich besteht aufgrund der Nähe Tierexperimentell konnte gezeigt werden, dass das
zur Fovea ein Risiko, dass aus Versehen während eines RPE in der Lage ist, auf mehrere Arten auf traumatische
ca. 1 s dauernden Scanvorgangs auf das Laserlicht fixiert Veränderungen zu reagieren. Benachbarte RPE-Zellen
wird, was zu einer Koagulation der Fovea mit irreversib- können sich durch Hypertrophie über Defekte ausbrei-
lem Visusverlust führen könnte. ten. Dies konnte nach Photokoagulation und nach chi-
42 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

sen bei AMD. Die Behandlung wurde mit Ketten von


repetitiven Laserpulsen mit einem frequenzverdoppelten
Nd: YLF-Laser durchgeführt. In einer Pilotstudie wurde
die Selektivität der Behandlung des RPE untersucht. Bis
zu einem Jahr nach Lasertherapie wurden dafür mikrope-
rimetrische Untersuchungen direkt im Bereich der Laser-
3 herde durchgeführt. Verwendet wurden Pulsenergien von
20-130 μJ. Um die erforderliche Energie zu bestimmen,
wurden Testexpositionen in der inferioren Makularegion
appliziert. Alle Testläsionen wurden an der Schwelle zu
einer RPE-Zerstörung angebracht, mittels Funduskopie
waren jedoch keine Laserherde während der Laserkoagu-
lation sichtbar. Nach Exposition mit 500 Pulsen (100 μJ)
⊡ Abb. 3.11 Histologie der Retina 2 Stunden nach selektiver Reti- konnten bei bis zu 73% der Patienten retinale Defekte
natherapie (»selective RPE treatment«). Das RPE weist eine deutliche
am ersten Tag nach der Behandlung festgestellt wer-
Schädigung auf. (Aus Rüfer F u Roider J 2007)
den. Die meisten Defekte waren jedoch nach 3 Monaten
nicht mehr nachweisbar. Nach Exposition mit 100 Pulsen
(70 und 100 μJ) konnten am ersten Tag der Behandlung
keine retinalen Defekte mehr festgestellt werden. Auch
während des Follow-up zeigte sich die Neuroretina un-
geschädigt. Auf diese Weise konnte eine selektive Schädi-
gung des RPEs erreicht werden.
In einer multizentrischen klinischen Studie wur-
den der Visus und die morphologischen Ergebnisse bei
Patienten mit fokaler diabetischer Makulopathie un-
tersucht, die mittels der beschriebenen selektiven Reti-
natherapie (SRT) behandelt wurden (⊡ Abb. 3.13). Dafür
wurden 60 Augen von insgesamt 60 Patienten mittels
SRT unter Verwendung eines frequenzverdoppelten Q-
switched-Nd:YLF-Lasers (527 nm) behandelt. Jede La-
serexposition bestand aus einer Kette von 30 Pulsen
⊡ Abb. 3.12 Temperaturen in RPE und Retina im zeitlichen Verlauf
während der Applikation von repetitiven Laserpulsen. Trotz der sig- jeweils mit einer Dauer von 1,7 μs bei einer Repetitions-
nifikanten Temperaturanstiege innerhalb des RPEs bleibt die mittlere rate von 100 Hz. Die SRT-Läsionen waren während der
Temperatur in der Retina niedrig, wodurch die Photorezeptoren ge- Behandlung funduskopisch nicht sichtbar, konnten aber
schont werden. (Aus Rüfer F u Roider J 2007) mittels Fluoreszenzangiographie nachgewiesen werden.
Die mediane foveale Netzhautdicke, bestimmt mittels
OCT, betrug vor Therapie 244 μm und nach 6 Mona-
rurgisch induzierten RPE-Defekten an Kaninchen und ten 230 μm. Die maximale Netzhautdicke wurde durch
nach Amotio retinae an Affen gezeigt werden. Eine neue radiäre OCT-Scans bestimmt und verminderte sich
RPE-Barriere etabliert sich schnell. im Bereich der behandelten ödematösen Makula von
Bei der Behandlung des diabetischen Makulaödems 351 μm auf 330 μm nach 6 Monaten. Die Leckage im
wird der positive therapeutische Effekt einer Laserko- Fluoreszenzangiogramm verminderte sich bei 31,1% der
agulation durch die Wiederherstellung einer neuen RPE- Patienten, blieb bei 52,1% stabil und nahm bei 15,8%
Barriere vermittelt. Derselbe Mechanismus ist auch die der Patienten nach 6 Monaten zu. Die Visusergebnisse
Rationale bei der Lasertherapie der Retinopathia centralis nach 6 Monaten zeigten bei 39,6% der Patienten eine
serosa (RCS). Besserung von mehr als einer Zeile, bei 49,1% einen
Ein weiteres mögliches Ziel ist die Therapie von Dru- stabilen Befund und 11,3% eine Verschlechterung von
sen. Drusen verschwinden nach Photokoagulation des einer oder mehr Zeilen. Gemäß dieser ersten klinischen
umliegenden Gewebes. Der Nutzen einer prophylakti- Resultate scheint eine SRT das Potenzial für eine frühe
schen Behandlung von Drusen wird durch mehrere Ar- und foveanahe Behandlung ohne die mit der konventi-
beitsgruppen untersucht. In ersten klinischen Versuchen onellen Laserkoagulation assoziierten Nebenwirkungen
lag der Fokus der Therapie auf drei unterschiedlichen zu haben. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse konnte
Pathologien: Diabetisches Makulaödem, RCS und Dru- durch die SRT gezeigt werden, dass eine Zerstörung der
3.5 · Subthreshold-Laserkoagulation
43 3
Photorezeptoren nicht in jedem Fall erforderlich ist und
dass Laserbehandlungen zukünftig genau auf die zu-
grunde liegenden Krankheitsbilder abgestimmt werden
müssen.

Fazit für die Praxis


▬ Die ersten retinalen Koagulationen wurden 1949 mit
Sonnenlicht von Meyer-Schwickerath durchgeführt.
Dieses Verfahren wurde in den fünfziger Jahren durch
Xenon-Hochdrucklampen ersetzt.
▬ Die Entwicklung der Lasertechnologie begann um 1960.
▬ Die wesentliche absorbierende Struktur in der Retina
ist das Melanin in den Pigmentgranula des retinalen
Pigmentepithels (RPE). Die ersten Rubinlaser führten zu
unerwünschten Nebenwirkungen wie Netzhautlöchern
a
und retinalen Blutungen.
▬ Die ersten kommerziellen Argonlasersysteme ermöglich-
ten die Diabetic Retinopathy Study zwischen 1972 und
1975.
▬ Verschiedene Lasertypen wie Kryptonlaser (647 nm oder
530 nm), Farbstofflaser (560 nm bis 680 nm), Nd:YAG-
Laser (1064 nm oder 532 nm) oder Diodenlaser (810 nm)
wiesen in ihrer Wirkung nur geringe histologische Unter-
schiede auf. Durch längere Wellenlängen kann das rela-
tive Absorbtionsmaximum von Hämoglobin vermieden
werden. Die koagulierten Bereiche werden durch unspe-
zifisches Narbengewebe ersetzt.
▬ Die Wirkungsweise der retinalen Laserkoagulation ist
bisher nicht vollständig geklärt. Durch die retinale Laser-
koagulation wird das Verhältnis zwischen Sauerstoffbe-
darf und Sauerstoffangebot optimiert. Für komplexere
b
Erklärungsmodelle spielen Wachstumsfaktoren in ihrem
zeitlichen Verlauf eine Rolle.
▬ Bei der diabetischen Retinopathie kann durch eine La-
serkoagulation das Risiko, innerhalb von 2 Jahren einen
schwerwiegenden Visusverlust zu erleiden, um 50% ge-
senkt werden.
▬ Beim Neovaskularisationen der Iris oder der Netzhaut
profitieren Augen von einer panretinalen Full-scatter-
Laserkoagulation, allerdings führt die Behandlung in der
Regel nicht zu einer Visusverbesserung.
▬ Bei retinalen Venenastverschlüssen kann das Risiko,
eine Neovaskularisation zu entwickeln, durch eine mo-
difizierte sektorielle Laserkoagulation gesenkt werden.
▬ Das RPE kann durch kurze repetitive Laserpulse mit
minimaler Wärmeausbreitung in die benachbarten
Netzhautschichten selektiv behandelt werden. Damit
c ist eine Behandlung der Makula ohne Schädigung der
darüber liegenden Photorezeptoren möglich. Derzeit
⊡ Abb. 3.13 a Fokales diabetisches Makulaödem vor Behandlung mit
wird der therapeutische Nutzen dieses Verfahrens
SRT. b Derselbe Fundus zwei Stunden nach SRT – Die Läsionen sind
nur in der Fluoreszenzangiographie sichtbar und entsprechen dem beim diabetischen Makulaödem, bei Retinopathia
Behandlungsmuster. c Fundusbild 6 Monate nach SRT. Die harten Ex- centralis serosa und bei Drusen im Rahmen der AMD
sudate sind verschwunden. (Aus Rüfer F u Roider J 2007) untersucht.
44 Kapitel 3 · Grundkonzepte zur Therapie retinaler Gefäßerkrankungen

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report on effects of photocoagulation therapy. Am.J.Ophthalmol.
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4

Die Bedeutung der PDT für vaskuläre


Erkrankungen der Netzhaut
B. Jurklies, C. Jurklies

4.1 Photodynamische Therapie – 48


4.1.1 Wirkung von Licht auf biologisches Gewebe – 48
4.1.2 Unterschiede der PDT zur Laserkoagulation – 48
4.1.3 Wirkmechanismen der PDT – 50

4.2 Verteporfin – 51
4.2.1 Charakteristische Merkmale – 52
4.2.2 Effekte der PDT in tierexperimentellen Untersuchungen – 52
4.2.3 Effekte der PDT auf gesundes (humanes) Gewebe – 53
4.2.4 Toxische Effekte und Nebenwirkungen der PDT mit Verteporfin – 55

4.3 Behandlungsparameter – 56

4.4 Verteprofin bei retinalen Erkrankungen – 57


4.4.1 Retinales kapilläres Hämangiom – 57
4.4.2 Vasoproliferative Tumore – 58
4.4.3 Parafoveale Teleangiektasien – 60

Literatur – 62

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_4,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
48 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

Die photodynamische Therapie (PDT) mit Verteporfin hat Zielgewebes sowie der Beleuchtung des zu behandelnden
aufgrund der deutlich besseren Ergebnisse und Wirksamkeit Areals mit einer dem Absorptionsmaximum des Photo-
von VEGF-Inhibitoren ihren Stellenwert in der Behandlung sensibilisators entsprechenden Wellenlänge.
subfovealer choroidaler Neovaskularisationen (CNV) infolge
einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD) verloren.
Dennoch verbesserte die PDT zum Zeitpunkt ihrer Einfüh- 4.1.1 Wirkung von Licht auf biologisches
rung als erstes Therapiekonzept die funktionellen Ergebnisse Gewebe
in der Behandlung der subfovealen CNV im Rahmen zahl-
4 reicher Grunderkrankungen. Hatte sie sich ursprünglich in Die therapeutische Wirkung von hochenergetischem
der Therapie der AMD und pathologischen Myopie bewährt, Licht auf Gewebe in der Ophthalmologie kann auf pho-
konnte in zahlreichen Fallserien und prospektiven Studien tomechanischem, photothermischem und photochemi-
eine zum Teil noch bessere Wirksamkeit auf CNV außerhalb schem Weg erfolgen. Die Photodisruption konzentriert
der AMD nachgewiesen werden, wie z. B. infolge eines oku- Licht sehr hoher Energie für extrem kurze Dauer auf
lären Histoplasmose-Syndroms, einer Choroiditis, »angioid eine sehr kleine Fläche. Dies erzeugt durch Ionisierung
streaks«, eines Morbus Stargardt, symptomatischen choroi- der Gewebemoleküle Schockwellen, die mechanisch zu
dalen Hämangioms und anderer Ursachen. Daher kann die Mikrorupturen führen. Durch Disruption können mit
PDT in speziellen Situationen noch bei CNV außerhalb der kurz gepulsten (Nanosekunden) Lasern (ND:YAG Laser)
AMD, z.B. bei sehr jungen Patienten, als sinnvolle Option intraokulare Gewebe durchtrennt werden.
erwogen werden. Hingegen gilt die PDT auch weiterhin als Typische Indikationen sind die Iridotomie und Kapsu-
Therapie der ersten Wahl in der Behandlung des choroidalen lotomie. Bei der Photokoagulation wird die eingestrahlte
Hämangioms. Sie wird auch bei anderen vaskulären Läsionen Lichtenergie in den Zielstrukturen (Melanin im retinalen
der Netzhaut wie vaskulären Tumoren angewandt. Die Wirk- Pigmentepithel und in der Aderhaut, das Hämoglobin)
samkeit der PDT auf retinale Läsionen sollte jedoch vor dem absorbiert und in Wärme umgewandelt. Bei ausreichen-
Hintergrund der niedrigen Inzidenz der zu behandelnden der Temperatur entsteht durch den thermischen Effekt
Erkrankungen sowie der geringen Fallzahl und begrenzten eine irreversible Eiweißdenaturierung mit Zellschäden
Fallserien beurteilt werden. in Form einer nicht selektiven Koagulationsnekrose, die
Dieses Kapitel fasst die Grundlagen und Mechanismen dem Temperaturfeld entsprechend umgebende Struktu-
der PDT sowie die Charakteristika des Photosensibilisators ren mit einbezieht. Thermische Effekte werden z. B. bei
Verteporfin zusammen und stellt Daten von verfügbaren der Photokoagulation extrafovealer CNV genutzt, um
Studien dar, insbesondere hinsichtlich der Durchführung und eine Obliteration der Neovaskularisationen zu erreichen.
Ergebnisse der Therapie bei retinalen Erkrankungen. Der restriktive Einsatz in der Behandlung subfovealer
Läsionen ist verständlich und erforderte die Suche nach
Verfahren, welche die zentralen retinalen Funktionen we-
4.1 Photodynamische Therapie niger beeinträchtigen (⊡ Abb. 4.1a). Im Gegensatz dazu
handelt es sich bei der PDT um ein photochemisches,
Die PDT ist ein nicht-thermisches, photochemisches, medikamentöses Verfahren, welches die Anwesenheit
zweistufiges Behandlungsverfahren mit einer relativ se- von Sauerstoff im Gewebe erfordert: Zunächst reichert
lektiven Wirksamkeit gegenüber vaskularisierten Ziel- sich die intravenös applizierte, lichtaktivierbare Substanz,
strukturen. Sie erfordert der Photosensibilisator, im Zielgewebe an. Anschließend
▬ die Gabe einer nicht toxischen, photoaktivierbaren erfolgt durch die nicht-thermische Beleuchtung mit einer
Substanz, Wellenlänge, die dem Absorptionsmaximum des Photo-
▬ den Photosensibilisator, sensibilisators entspricht, dessen Aktivierung. Dies sind
▬ die Akkumulation des Sensibilisators im Zielgewebe, die beiden Voraussetzungen für die umschriebenen, pho-
▬ Sauerstoff und toinduzierten oxidativen Reaktionen in dem bestrahlten
▬ die Aktivierung des Farbstoffs durch (nichtthermi- Areal, den Zielstrukturen. (⊡ Abb. 4.2).
sches) Licht spezifischer Wellenlänge, welches dem
Absorptionsmaximum des Photosensibilisators ent-
spricht. 4.1.2 Unterschiede der PDT
zur Laserkoagulation
In der Folge wird eine Sequenz photochemischer und
-biologischer Prozesse aktiviert. Die relative Selektivität Die Laserkoagulation erfordert als thermisches Verfahren
beruht auf der vorzugsweisen Anreicherung des Pho- eine relativ höhere Intensität (mW/cm2) bei einer kurzen
tosensibilisators in den (pathologischen) Gefäßen des Expositionszeit (ms) und relativ kleinen Spotgröße (μm)
4.1 · Photodynamische Therapie
49 4

⊡ Abb. 4.1 a Choroidale Narbe nach mehrfacher Laserphotokoagulation einer extrafovealen CNV und Rezidiven mit juxtafovealer Ausdehnung.
b Fundus nach erfolgter PDT ohne ophthalmoskopisch sichtbare Effekte. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)

Ia. Intravenöse Gabe Photosensibilisator Administration

Ib. Systemische
Verteilung
Gefäße Herz, Haut Auge ⊡ Abb. 4.2 Die Photodynamische Therapie erfordert
andere Organe Zielgewebe als zweistufiges Verfahren sowohl die intravenöse
Verabreichung des Photosensibilisators (Ia), die Ver-
teilung und Akkumulation des Photosensibilisators
im zu behandelnden Gewebe (Ib) als auch als auch
II. Beleuchtung die Beleuchtung des Zielgewebes mittels Licht spe-
zifischer Wellenlänge (II) zur Aktivierung des Photo-
Wirkung nur im Zielgewebe sensibilisators

sowie eine größere Anzahl Expositionen, die sofort sicht-


⊡ Tab. 4.1 Unterschiede zwischen Laserkoagulation und PDT
bar werden, wenn sie überschwellig appliziert werden. hinsichtlich der Behandlungsparameter. ↑ höher bzw. länger;
Im Gegensatz dazu zeichnet sich die PDT durch eine ↓ niedriger bzw. kürzer
niedrigere Intensität bei langer Expositionszeit (Sekun-
den bis Minuten) und großflächigen Spot (mm) aus. Parameter Laserkoagulation PDT
In der Regel ist nur eine Exposition notwendig. Da die Expositionszeit ↓ ↑
photochemischen Reaktionen keine Lichtdosen mit ther-
mischen oder mechanischen Effekte gestatten, ist unmit- Zahl der Expositionen ↑ ↓
telbar nach der PDT im Gegensatz zur Laserkoagulation Spotgröße ↓ ↑
keine Veränderung im behandelten Areal zu erkennen.
(⊡ Abb. 4.1b). Die wesentlichsten Unterschiede der bei- Lichtintensität ↑ ↓
den Verfahren hinsichtlich der Behandlungsparameter
Sichtbarkeit ↑ ↓
sind in der ⊡ Tab. 4.1 gegenübergestellt.
50 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

4.1.3 Wirkmechanismen der PDT todynamische Reaktion von Bedeutung sind, scheint die
Typ-II-Reaktion mit der Bildung von singulärem Sauer-
Der Begriff »photodynamisch« wurde für photochemi- stoff bei der PDT die wesentliche Rolle zu spielen.
sche Reaktionen gewählt, die mit einer Beteiligung bzw. Der durch die photodynamischen Reaktionen indu-
unter Verbrauch von Sauerstoff ablaufen. Die komplexen zierte oxidative Gewebeschaden ist ferner von den jeweili-
photochemischen Prozesse der PDT nach der Aktivierung gen Eigenschaften des Photosensibilisators abhängig, den
des Photosensibilisators im Zielgewebe werden in ihren energetisch höheren Triplett-Zustand zu bilden. Die gebil-
wesentlichen Grundzügen in ⊡ Abb. 4.3 beschrieben. deten freien Radikale, singulärer Sauerstoff, Superoxidan-
4 Während der Beleuchtung des im Zielgewebe ak- ionen, Hydroxylradikale reagieren u.a. mit Nukleinsäuren,
kumulierten Photosensibilisators wird von diesem Licht Zellorganellen, Zellmembranen und Enzymen. Neben der
absorbiert (hν). Durch die Aufnahme von Lichtenergie Wirkung auf zellulärer Ebene kann die PDT vaskuläre
wird der Photosensibilisators zunächst von einem singu- und auch immunmodulatorische Effekte auslösen.
lären Grundzustand (S0) in einen angeregten singulären Eine Destruktion der Zellmembranen kann schon
Zustand (S1) überführt. S1 kann unter Photonemission kurz nach der Lichtexposition nachgewiesen werden und
(Fluoreszenz) wieder auf ein energetisch niedrigeres zeigt sich in einer Endothelzellschwellung, verminderten
Niveau (S0) zurückfallen oder durch Veränderung des Aktivität der Membrantransportsysteme, einer erhöhten
Aktivitäts- und Energiezustandes auf Elektronenniveau Membranpermeabilität, Hemmung von Enzymen, Per-
(»intersystem crossing«, Elektronenspin) in den angereg- oxidation von Lipidmembranen und membrangebunde-
ten Triplett-Zustand (S3) übergehen. Dieser kurzlebige, nen Enzymen sowie einer Deformierung von Zellorga-
hochreaktive Aktivitätszustand kann entweder die Ener- nellen und Mitochondrien.
gie in Form von Phosphoreszenz abgeben und wieder An den Gefäßen bewirkt die PDT nach Reaktion
den singulären Grundzustand S0 erreichen oder direkt des Photosensibilisators eine Schädigung endothelialer
mit dem umgebenden Gewebe (Typ I) bzw. mit Sauer- Zellmembranen mit Thrombozytenaggregation, Aus-
stoff (Typ II) reagieren und photochemische Prozesse schüttung thrombogener Faktoren, resultierend in Ge-
induzieren (⊡ Abb. 4.3). fäßverschlüssen durch die Ausbildung eines Thrombus
Bei der Typ-I-Reaktion führt die Reaktion des Tri- (Photothrombose). Die Effekte der PDT auf vaskuläre
plettzustandes des Photosensibilisators (S3) mit den Strukturen sind in ⊡ Abb. 4.4 dargestellt. Das Ausmaß der
Gewebemolekülen (Substrate) über Elektronentrans- photothrombotischen Effekte dürfte sich dabei proporti-
fer unter anderem zur Bildung von freien Radikalen, onal zur Konzentration des im Zielgewebe zirkulierenden
Superoxidanionen(O2-), Hydroxylradikalen und anderen und mithilfe der Beleuchtung aktivierten Photosensibili-
zytotoxischen Zwischenprodukten. Bei der Typ-II-Reak- sators verhalten.
tion kommt es zur Reaktion von S3 mit molekularem Nicht zu vergessen sind immunmodulatorische Ei-
Sauerstoff. In der Folge bildet sich kurzlebiger (<0,04 μs), genschaften der PDT, die in erster Linie als Folge der
sehr reaktionsfreudiger singulärer Sauerstoff (1O2), der Entzündungsreaktionen zu verstehen sind: Beobachtet
oxidative Reaktionen auf zellulärer und subzellulärer wurden u.a. eine Erhöhung von Interleukinen wie IL-1β,
Ebene bewirkt. Wenn auch beide Reaktionen für die pho- IL-2, IL-10,TNF-α und des Granulozyten stimulierenden

hv

3Sens *
Typ II
Aktivierter 3O
2
Photosensibilisator Triplet Zustand Energie

Electron spin Typ I


Phospho-
intersystem crossing
reszenz e-, H + Transfer
1 Sens * 1O
2
Angeregter freie Radikale
Singlet Zustand cytotoxische
Zwischenprodukte
Fluoreszenz

Zelluläre Schädigung
Sens *
Immunomodulation
⊡ Abb. 4.3 Mechanismen der photodynamischen Aktivierter
Vaskuläre Schädigung
Reaktion Grundzustand
4.2 · Verteporfin
51 4
der Zeit zwischen intravenöser Applikation des Photo-
selektive Anlagerung zur gezielten Therapie
sensibilisators und der Beleuchtung vermindert. Daraus
 resultiert, dass eine Verkürzung dieses Zeitintervalls die
okklusiven vaskulären Effekte auf Retina und Choroidea
Schädigung endothelialer Zellmembranen
bei gleichzeitigem Verlust der retinochoroidalen Selekti-
thrombogene Faktoren  vität erhöht.

Photosensibilisator
Photothrombose Sowohl die intravenöse Konzentration und die medika-
mentöse Aufbereitung des Photosensibilisator als auch
⊡ Abb. 4.4 Vaskuläre Effekte der PDT, die im Wesentlichen eine Photo- die Infusionsdauer beeinflussen die Effektivität und Se-
thrombose bewirken lektivität der PDT. Zum Zeitpunkt der Beleuchtung muss
eine ausreichende Konzentration im zu behandelnden
Gewebe vorliegen, um effektive photodynamische Reak-
Faktors, die Migration von Makrophagen, Neutrophilen, tionen auszulösen. Die phototoxischen Wirkungen im
die Aktivierung von B-Lymphozyten und Subtypen der Gewebe korrelieren sowohl mit der applizierten Lichtdo-
T-Lymphozyten sowie vorübergehende immunsuppres- sis als auch Medikamentendosis. Um gleiche Wirkungen
sive Effekte durch die Verminderung Antigen präsentie- zu erreichen, korreliert die Konzentration des Photosen-
render Zellen: Niedrig konzentriertes Verteporfin konnte sibilisators invers mit der Lichtdosis.
die Überlebensdauer von Hauttransplantaten verlängern. Verschiedenste Zellbestandteile wie Liposomen, Mi-
Zusammenfassend wirkt die PDT in den Zielstrukturen tochondrien, Zellmembranen, der Endothelzellen werden
auf zellulärem, vaskulärem und auch immunmodulatori- durch Photosensibilisatoren beeinflusst. Während hydro-
schem Weg. Während die vaskulären Effekte eine wesentli- phile Substanzen eher das Interstitium erreichen, werden
che Rolle beim Wirkmechanismus aller Photosensibilisato- die Gefäßwände von lipophilen Stoffen bevorzugt. Für
ren spielen, hängt der relative Beitrag dieser Mechanismen lipophile Photosensibilisatoren ist ein zytotoxischer Ef-
vom jeweiligen Typ des Photosensibilisators ab. fekt absorbierter Lichteinheit wahrscheinlich. Die Gabe
des Photosensibilisators erfolgte tierexperimentell des-
Licht halb in Form eines Bolus, da eine erhöhte relative Selek-
Da es sich bei der PDT um einen linearen Prozess han- tivität und Wirksamkeit gegenüber neovaskulären und
delt, bestimmt die Summe der während der Beleuchtung pathologischen Gefäßstrukturen vermutet wurde. Durch
absorbierten Lichtenergie deren Effekt mit. Diese Licht- die Bindung an Marker, Antikörper oder Lipoproteine,
dosis (J/cm2) ist das Produkt der Expositionszeit in Se- die bei der Zellproliferation eine Rolle spielen, kann
kunden und der Lichtintensität (W/cm2). Um ein Licht- die Selektivität des Photosensibilisators gesteigert wer-
dosis von 50 J/cm2 zu erreichen, ist z.B. eine Beleuchtung den. Da maligne und neovaskuläre Endothelien reich
mit 600 mW/cm2 über 83 s erforderlich. an LDL-Rezeptoren sind und vermehrt LDL-Rezeptoren
Die Lichtquelle sollte das Absorptionsspektrum des exprimieren, scheinen sie für die selektive Affinität der
Photosensibilisators erfassen. In der Ophthalmologie Photosensibilisatoren, insbesondere der Porphyrine, ver-
sind Laser die beste Wahl, da sie monochromatisches, antwortlich zu sein. Im Vergleich zu gesundem Gewebe
kohärentes Licht hoher Energie mit einer konstanten, (Haut, Muskel, Gehirn, Lunge) konnte nach Applika-
homogenen Lichtdosis im Beleuchtungsstrahl abgeben, tion im Tumorgewebe eine erhöhte Konzentration von
welches direkt auf den Fundus gelenkt werden kann. Der- Photosensibilisatoren nachgewiesen werden. Durch die
zeit stellen Diodenlaser die erste Wahl dar. Bindung an LDL-Rezeptoren kann der LDL-Rezeptor-
Die Eindringtiefe des Lasers in Gewebe hängt von der Photosensibilisator-Komplex intrazelluläre Effekte der
Wellenlänge des Lichts ab und beträgt etwa 2 bis 3 mm PDT nach Beleuchtung verstärken.
für (rotes) Licht der Wellenlänge 630 nm und reicht bis
zu 5 bis 6 mm tief bei einer Wellenlänge von 700-800 nm.
Da die Wirkung der PDT von den spezifischen Eigen- 4.2 Verteporfin
schaften des Photosensibilisators beeinflusst wird, ist der
Verlust der Lichtintensität durch die Absorption des Ge- Als einziger Photosensibilisator ist Verteporfin für die
webes am Fundus zu vernachlässigen. klinische Anwendung in der Ophthalmologie zugelassen,
Von Bedeutung ist die relativ höhere Selektivität der im speziellen für die Behandlung choroidaler Neovas-
PDT auf die Choroidea gegenüber der Retina. Dieser kularisationsmembranen bei AMD und pathologischer
Grad der Selektivität ist mit zunehmender Verkürzung Myopie.
52 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

4.2.1 Charakteristische Merkmale verlauf beobachtet wurde. In den Gefäßen der Netzhaut
und Aderhaut ist BPD-MA entsprechend rasch nachzu-
Verteporfin, Benzoporphyrinderivat-Monoacid (BPD-MA), weisen, aufgrund der schnellen Eliminationszeit dieses
ein photosensibilisierender Farbstoff, ist ein Porphyrin- Wirkstoffes jedoch lediglich in den ersten 2 Stunden nach
präparat der zweiten Generation und besteht aus zwei der Injektion. Kramer et al (1996) konnten BPD-MA
Isomeren, welche sich lediglich bezüglich der Lage der in CNV innerhalb von 30 min nach der Injektion von
Carboxylsäure- und Methyl-Ester-Bindung an den Rin- 2,0 mg/kg für einen Zeitraum von bis zu 2,5 Stunden
gen C und D des chlorinartigen Moleküls unterscheiden. nachweisen. Hingegen fand sich die Fluoreszenz von
4 BPD-MA besteht aus einem verkleinerten Porphyrinring BPD-MA in gesunden choroidalen und retinalen Gefä-
mit einem an Ring A gebundenen Cyclohexadienring, ßen früher und verminderte sich bereits nach 5 Minuten
der für das hohe Photosensibilisierungspotenzial des Mo- in den choroidalen bzw. 20 min in den retinalen Gefäßen.
leküls wesentlich verantwortlich sein dürfte. Dennoch konnten vereinzelt Reste von fluoreszierenden
Im Vergleich zu Hämatoporphyrin hat BPD-MA eine BPD-MA im retinalen Pigmentepithel bis zu 24 Stunden
um den Faktor 4-10 effizientere Lichtabsorption und nach der Infusion nachgewiesen werden.
weist einen um 10- bis 70-mal höheren zytotoxischen Ef- Basierend auf dem »Laser-injury-Modell« nach Ryan
fekt gegenüber zirkulierenden Zellinien (Leukämiezellen, konnten im Tiermodell an Affen experimentell induzierte
humane Lymphozyten, Mastozytomzellen der Maus) auf. CNV nach einer intravenösen Injektion von 1 bis 2 mg/kg
Bei einer schnellen Clearence-Rate mit einer Plasma- BPD-MA über 5 min ophthalmoskopisch, Fluoreszein-
halbwertzeit von 5-6 Stunden wird BPD-MA in der Leber angiographisch und elektronenmikroskopisch nachweis-
zu inaktiven Metaboliten verstoffwechselt und über die bar verschlossen werden. Die PDT mit BPD-MA erfolgte
Galle ausgeschieden. Nur 4% werden renal eliminiert. jeweils 1-81 min nach der Injektion mit einer Lichtdosis
Die kurze Halbwertszeit reduziert die toxischen Neben- von 50, 75, 100 bzw. 150 J/cm² und einer Leuchtdichte
wirkungen und das Risiko einer Photosensibilisierung. von 150, 300 bzw. 600 mW/cm2.
24 Stunden nach intravenöser Gabe von Verteporfin be- Die Endothelzellen der CNV waren entweder nek-
steht kein erhöhtes Risiko für eine Photosensibilisierung rotisch oder nicht mehr nachweisbar. Die Gefäße waren
der Haut mehr. nach der PDT mit Thrombozyten, Neutrophilen, Leu-
Verteporfin besitzt Absorptionsmaxima bei 400 nm kozyten, Erythrozyten und Fibrin verlegt. Die Perizyten
und 692 nm, letzteres wird zu therapeutischen Zwecken zeigten eine erhebliche Vakuolisierung. Es fand sich aber
eingesetzt, um Blaulichtschäden zu vermeiden. Ferner auch eine Destruktion des RPE, pyknotische Zellkerne der
konkurriert das Absorptionsmaximum von 692 nm nicht äußeren Körnerschicht und ein Schaden oder Verlust der
mit jenem des Hämoglobins, welches Licht der Wellen- Photorezeptoren als Begleitreaktion, während die Anteile
länge unter 600 nm absorbiert. der inneren Netzhaut weitgehend unbeeinträchtigt waren.
Als relativ lipophile Substanz lagert sich Verteporfin Husain et al (1996) verwendeten BPD-MA in einer
leicht an Zellmembranen an. Um die selektive Anreiche- Dosis von 0,375 mg/kg mit einer Infusionszeit von 10 min
rung und damit die photodynamische Aktivität in den (schnelle Infusionszeit) sowie 32 min (langsame Infusi-
Zielstrukturen zu verbessern, wurde auf der Basis eines onszeit). Die Beleuchtung erfolgte 32 bis 105 min nach
erhöhten LDL-Metabolismus in neovaskulären Geweben Beginn der Infusion mit einer Lichtdosis von 150 J/cm2
sowie Tumorzellen BPD-MA an humanes Low-density- bei einer Leuchtdichte von 600 mW/cm2. Fluoreszein-an-
Lipoprotein gekoppelt. Die liposomale Aufbereitung für giographisch konnte die Okklusion der CNV 24 Stunden
die klinische Anwendung erleichtert die Bindung an Plas- nach der PDT beobachtet werden, wenn die Beleuchtung
malipoproteine und LDL-Rezeptoren im Zielgewebe und 32 min (schnelle Infusionszeit) bzw. 32 bis 55 min (lang-
verstärkt so die phototoxischen Effekte. same Infusionszeit) nach Beginn der Infusion erfolgte.
Histologisch wies auch die Choriokapillaris unter der
CNV Verschlüsse auf, war aber anhand histopathologi-
4.2.2 Effekte der PDT in tierexperimentellen scher Untersuchungen vier Wochen nach der PDT wieder
Untersuchungen rekanalisiert. Die neurosensorische Retina war vereinzelt
durch eine Separierung der Photorezeptoraußensegmente,
Mit Hilfe Fluoreszein-mikroskopischer Untersuchungen eine Schwellung der äußeren plexiformen Schicht und
konnte BPD-MA im retinalen Pigmentepithel und der pyknotische Zellen in der äußeren Körnerschicht gekenn-
Aderhaut bereits 5 min nach der Injektion nachgewiesen zeichnet Die Untersuchung der photodynamischen Wir-
werden, wobei eine zunehmende Anreicherung über ei- kung auf die gesunde Retina und Choriokapillaris zeigten
nen Zeitraum von 20 min sowie ein Staining auch im Be- Veränderungen im RPE, der Choriokapillaris sowie den
reich der Photorezeptoraußensegmente im weiteren Zeit- Photorezeptoren in allen behandelten Augen. Die neuro-
4.2 · Verteporfin
53 4
sensorische Retina wies in bis zu 40% eine Pyknose der und die Photorezeptoren histologisch weniger ausgeprägt
äußeren Körnerschicht infolge der Beleuchtung 30 bis zeigten und die neurosensorische Retina keine photody-
40 min nach Beginn der Infusion (schnelle Infusionsrate) namischen Nebeneffekte mehr aufwies. Diese Effekte auf
auf. Eine Beeinträchtigung der Choriokapillaris, des reti- die CNV und die gesunden Strukturen wurden nach einer
nalen Pigmentepithels und der Photorezeptoren sowie in Bolus-Injektion sowie einer Infusion über 10 und 32 min
20% pyknotische Zellveränderungen der äußeren Körner- beobachtet. Die Wirkung wiederholter Behandlungen an
schicht wurden auch bei einer langsamen Infusionsrate Affen im Abstand von zwei Wochen wurde unter Verwen-
und einer Beleuchtung 65 min nach der Infusion beob- dung einer variablen Dosis von BPD-MA (6, 12, 18 mg/m2
achtet. Hierbei blieben größere Aderhautgefäße intakt und Körperoberfläche) und einer Lichtdosis von 100 J/m2 mit
wiesen keine photodynamischen Effekte auf. 600 mW/cm2 20 min nach der Bolus-Injektion untersucht.
Kramer et al (1996) führten dosimetrische Untersu- Lediglich geringe Beeinträchtigungen an der gesunden Re-
chungen durch, um optimale Behandlungsparameter für tina und der Aderhaut zeigten sich bei einer Dosis von
einen effektiven, selektiven Verschluss einer experimentell 0,47 mg/kg (entspricht 6 mg/m2 Körperoberfläche beim
im Tiermodell am Affen induzierten CNV zu finden. Menschen), während höhere Dosierungen von BPD-MA
BPD-MA wurde in einer Dosis von 0,25, 0,375, 0,5 und ein erhöhtes Risiko für eine signifikante Schädigung ge-
1,0 mg/kg bei konstanten Beleuchtungsparametern (150 J/ sunder Strukturen mit sich brachte.
cm2 mit 600 mW/cm2) verwendet. Je niedriger die Dosis
! Cave!
gewählt wurde, umso kürzer war das Zeitfenster nach der
Eine höhere Dosis als 0,47 mg/kg BPD-MA
Injektion, in welchem ein Verschluss der CNV erreicht
ergeben ein erhöhtes Risiko für eine signifikante
werden konnte. Die Untersuchungen ergaben optimale
Schädigung gesunder Strukturen.
Behandlungsergebnisse mit einer Dosis von 0,375 mg/kg,
welche etwa der im klinischen Alltag verwendeten Dosis
von 6,0 mg/m2 Körperoberfläche entspricht, und einer
Beleuchtung 20 bis 50 min nach Beginn der Infusion. 85% 4.2.3 Effekte der PDT auf gesundes
der CNV konnten hiermit verschlossen werden. Jedoch (humanes) Gewebe
wurden bei allen verwendeten Dosierungen auch Effekte
im RPE, den Photorezeptoraußensegmenten und der äu- Ausgehend von den Ergebnissen der experimentellen
ßeren Körnerschicht beobachtet. Eine Beeinträchtigung Untersuchungen wurden in einer Phase-I/II-Studie als
der größeren choroidalen und retinalen Gefäße oder eine »proof of principle« bei Patienten mit einer CNV in Folge
signifikante Zellpyknose in der äußeren Körnerschicht einer altersabhängigen Makuladegeneration, einer patho-
waren bei Verwendung einer Dosis von 1,0 sowie 0,5 und logischen Myopie, »angioid streaks« und eines POHS Un-
0,375 mg/kg zu erkennen, wenn innerhalb von 50 bzw. 20 tersuchungen zur Wirksamkeit der PDT durchgeführt.
und 10 min nach einer Bolus-Injektion eine Behandlung Eine Woche nach erfolgter PDT zeigte sich Fluores-
durchgeführt wurde. Daraus folgt, dass die Selektivität der zein angiographisch eine komplette Okklusion der CNV,
PDT mit BPD-MA zur Behandlung von CNV vermindert nach vier Wochen fand sich eine minimale erneute Le-
ist, wenn die Zeit zwischen der Beleuchtung und dem Be- ckage. 12 Wochen nach PDT war eine deutliche Leckage
ginn der Infusion relativ kurz gehalten wird. Fluoreszein angiographisch bei einer Mehrzahl der Pati-
enten wieder nachzuweisen, jedoch zum Teil schwächer
Praxistipp I I ausgeprägt, wenn die Beleuchtung 15 bis 20 min nach Be-
Effekte in den retinalen und größeren choroidalen ginn der Infusion durchgeführt wurde. Dennoch konnte
Gefäßen wurden beobachtet, wenn die Beleuchtung bei einigen Patienten eine Größenzunahme der CNV be-
innerhalb von 5 min nach der Bolus-Injektion durch- obachtet werden, vor allem dann, wenn die Beleuchtung
geführt wurde, vermutlich weil der Photosensibilisator 30 min nach Beginn der Infusion durchgeführt wurde.
in den choroidalen und retinalen Gefäßen in gleicher Aus diesem Grund wurde das Intervall zwischen Beginn
Konzentration vorlag wie in der CNV. der Infusion und der Beleuchtung verkürzt.
Wiederholte Behandlungen zeigten keine signifikan-
ten Auswirkungen auf die Sehfunktion. Signifikante Ef-
Die photodynamischen Effekte mit BPD-MA (0,375 mg/kg, fekte der PDT auf die CNV wurden bei Verwendung
Beleuchtung 100 J/cm2 mit 600 mW/cm2) an experimen- einer Lichtdosis von minimal 25 J/cm2 bis maximal 150 J/
tell induzierten CNV wurden noch nach vier und sieben cm2 beobachtet. Als optimale Parameter zur Behandlung
Wochen beobachtet: Vier Wochen nach PDT waren 71% von CNV haben sich die intravenöse Gabe von 6 mg/m2
der CNV verschlossen, während sich sieben Wochen nach Körperfläche Verteporfin als Infusion über einen Zeit-
PDT die akuten Effekte auf das RPE, die Choriokapillaris raum von 10 min gezeigt, das 15 min nach Beginn der
54 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

Infusion mit einer Lichtdosis von 50 J/cm2 über 83 s bei tende Fragmentierung des Thrombus und eine erneute
einer Lichtintensität von 600 mW/cm2 aktiviert wird. Endothelauskleidung dürften die Rekanalisation der ok-
Die Effekte der PDT auf vaskuläre Läsionen im zeit- kludierten Gefäße mit einleiten. Im Zentrum der CNV
lichen Verlauf sind in ⊡ Tab. 4.2 dargestellt und im We- blieben die Gefäße unverändert, was als Erklärung für die
sentlichen bei CNV und vaskulären Tumoren ähnlich: Reperfusion nach der Okklusion interpretiert wurde.
Innerhalb der ersten Stunden nach erfolgter PDT wird das Die Effekte der PDT innerhalb der ersten Woche nach
vaskuläre Endothel geschädigt mit der Folge eines Zusam- Behandlung waren nicht auf die CNV begrenzt: Die nach
menbruchs der »tight junctions« und einer zunehmenden der PDT Fluoreszein-angiographisch sichtbare Hypofluo-
4 Leckage sowie Exsudation in das umgebende Gewebe. reszenz entspricht in erster Linie der Größe des Behand-
Innerhalb der ersten Tage nach PDT entwickelt sich eine lungsstrahls und dürfte teilweise auch zur CNV benach-
Photothrombose mit Okklusion der CNV und partiell barte gesunde Strukturen der Aderhaut mit einbeziehen
des benachbarten choroidalen Gewebes. Im Verlauf der (⊡ Abb. 4.5). Als Korrelat dieser dokumentierten Hypo-
nächsten Wochen kommt es zu einer Rekanalisation und fluoreszenz im Bereich gesunden Aderhautgewebes zeigte
Reproliferation der CNV infolge reparativer Mechanis- sich histopathologisch eine vorübergehende Perfusions-
men, die teils durch eine vermehrte Ausschüttung von beeinträchtigung der Aderhaut in dem behandelten Areal.
Angionesefaktoren (VEGF und PEDF) nach der PDT in-
duziert werden. Diese Reaktionen stellen sich als erneutes
Auftreten einer Leckage in der Fluoreszeinangiographie
dar und erfordern eine Wiederbehandlung der Läsion. Ein
Umbau mit einer Involution der CNV bzw. der Tumore
lässt sich in der Regel bei den meisten Patienten mit einer
zunehmenden Anzahl von Wiederbehandlung erreichen.
Elektronenmikroskopische und histologische Unter-
suchungen zeigten vier Wochen nach der Behandlung
einer CNV mit PDT Zeichen einer Endothelzelldegene-
ration, einer Thrombozytenaggregation und Thrombose
der peripheren Gefäße der CNV. Einige Gefäße zeigten
eine Kernschwellung mit Verklumpung des Chromatins
und Vakuolisierung des Zytoplasmas der Endothelzellen,
während an anderen Gefäßen ein vermindertes Zyto-
plasma mit unförmigen Zellen nachzuweisen war. Letzte-
res wurde als Unterbrechung des Endothels nach vorange-
gangener Veränderung interpretiert. Erythrozyten in mit ⊡ Abb. 4.5 Fluoreszeinangiographisch sichtbare Effekte der PDT eine
Woche nach erfolgter PDT-Behandlung in Form einer Hypofluores-
degenerierten Endothelzellen und Perizyten ausgefüllten
zenz, welche mit der Größe des mit dem Diodenlaser gewählten Be-
Gefäßen sowie Makrophagen im Bereich der okkludier- leuchtungsareals korreliert und zumindest zum Teil nicht direkt von
ten Gefäße und der Basalmembran wurden als Zeichen der Läsion betroffene Anteile des Fundus mit einbezieht. (Aus Jurklies
eines Gefäßumbaus verstanden. Eine teils zu beobach- B u. Bornfeld N 2007)

⊡ Tab. 4.2 Effekte der PDT auf vaskuläre Läsionen im zeitlichen Verlauf

Effekte der PDT zeitlicher Verlauf

Selektive Anreicherung/Verteilung des Photosensibilisators

Reaktion mit der Endothelzellmembran

Schädigung der Endothelzellmembran Stunden

Exsudation aufgrund der Gefäßpermeabilität Stunden

Photothrombose in den Gefäßen Stunden bis Tage

Rekanalisation Wochen

Reproliferation Wochen bis Monate

Sukzessive Deaktivierung und Fibrosierung und Deaktivierung Wochen bis Monate


nach wiederholter PDT-Behandlung
4.2 · Verteporfin
55 4
Mit einer Lichtdosis von 50 J/cm2 wurde ein homogener
Verschluss der Choriokapillaris mit Beeinträchtigung der
Praxistipp I I
Bei einer Dosis von 6 mg/m2 Körperoberfläche Verte-
Endothelzellen (Schwellung, Destruktion, Abhebung von
porfin wurden sowohl innerhalb von 24 Stunden als
der Basalmembran) beobachtet, zusammen mit extravasa-
auch im weiteren Verlauf nach der Infusion keine pho-
len Entzündungszellen und Erythrozyten. Die Verteilung
totoxischen Schäden der Haut beobachtet.
regulärer Endothelzellen ließ jedoch Mechanismen der Re-
organisation neuer Gefäße mit dem Ziel einer Rekanalisa-
tion der okkludierten Gefäße vermuten. Vereinzelt wurden Das Spektrum möglicher Nebenwirkungen einer PDT mit
auch vakuolisierte Zellen des retinalen Pigmentepithels Verteporfin wurde in zahlreichen prospektiven, randomi-
beobachtet. Bei einer Lichtdosis von 100 J/cm2 zeigten sich sierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Multizen-
zusätzlich Effekte an größeren Aderhautgefäßen und teil- terstudien untersucht. Klinisch relevante Nebeneffekte,
weise im RPE mit einer zellulären Vakuolisierung und Se- die im Rahmen dieser Studien beobachtet worden sind,
parierung von der Bruchschen Membran. Sowohl mit 50 J/ werden in ⊡ Tab. 4.3 dargestellt: Sehstörungen in Form
cm2 als auch mit 100 J/cm2 zeigten sich keine signifikanten von Veränderungen des Sehvermögens im Vergleich zum
Effekte der PDT auf die Photorezeptoren, die retinalen Ausgangsbefund vor der Infusion und Behandlung wur-
Kapillaren oder die Ganglienzellschicht. den bei Patienten mit okkulten CNV häufiger beobachtet
als bei Patienten mit klassischen CNV. Auch ein akuter
schwerer Sehverlust innert 7 Tagen nach PDT wurde
4.2.4 Toxische Effekte und Nebenwirkungen bei Vorliegen okkulter CNV häufiger festgestellt als bei
der PDT mit Verteporfin klassischen CNV. Allergische Reaktionen, infusionsbe-
dingte Schmerzen, lokale Veränderungen im Bereich der
Eine der wichtigsten Nebenwirkungen der PDT ist die Infusionsstelle und eine Photosensibilisierung der Haut
erhöhte Photosensibilisierung, vor allem für die Haut, so- fanden sich als weitere systemische Nebenwirkungen in
lange der Photosensibilisator in seiner aktiven Form zir- den Multizenterstudien.
kuliert. Sowohl die Clearance als auch die Retentionszeit Die Ergebnisse der Phase-I/II-Studie zeigten ab einer
des Sensibilisators bestimmen das Risiko eines potentiell verwendeten Lichtdosis von 150 J/cm2, welche 15 min
phototoxischen Effekts auf die Haut mit. nach Infusion von Verteporfin (6 mg/m2 Körperoberflä-

⊡ Tab. 4.3 Klinisch relevante Nebenwirkungen der PDT in den Multizenterstudien TAP, VIP und VIM (Angaben in % der behandelten Augen)

TAP, 2001 VIP, 2001 VIP, 2001 VIM, 2004

AMD AMD Myopie AMD


+ ++ +++ ++++
Visuelle Beeinträchtigungen 22,1 42 23 5/13

Akture Visusminderung§ 0,7§§§§ 4,4§§ - 0/3

Lokale Reaktionen# 15,9 8 10 8/15

Rückenschmerzen (Infusion) 2,5 2,2 1 3/5

Allergische Reaktion 2 1 4 0/0

Photosensibilsierung 3,5 0,4 4 0/0

Visusminderung ≥6 Zeilen 18,2 29§§§ 11 18/13

+ Visuelle Beeinträchtigungen umfassen Sehstörungen, Visusminderung und Gesichtsfelddefekte in der Verteporfin-Gruppe


++ TAP-Studie nach 24 Monaten: Sehstörungen (10,2%), Visusminderung (14,4%) und Gesichtsfelddefekte (6%) in der Verteporfin-Gruppe
+++ VIP-Studie nach 24 Monaten: Sehstörungen (20%), Visusminderung (30%), Gesichtsfelddefekte (15%) in der Verteporfin-Gruppe
++++ VIP-Studie CNV bei pathologischer Myopie nach 24 Monaten: Sehstörungen (9%), Visusminderung (16%), Gesichtsfelddefekte (4%) in der
Verteporfin-Gruppe
§ Visusabfall von mindestens 4 Zeilen innerhalb von 7 Tagen nach PDT
§§ Verteporfin-Gruppe mit okkulter CNV bei AMD: ausgedehnte subretinale Exsudation (0,4%), subretinale RPE-Hämorrhagien (1,3%), ohne
eindeutige Ursache (2,6%).
§§§ Angaben für Verteporfin-Gruppe mit okkulter CNV bei AMD
§§§§ TAP-Studie: 3 der 402 Patienten in der Verteporfin-Gruppe
# Reaktionen im Bereich der Infusionsstelle, z.B. Schmerzen, Ödem, Extravasation, Entzündung, Blutung, Überempfindlichkeit, Verfärbung und
Fibrose
* Die Angaben gelten für die 2 Subgruppen mit reduzierter (25 J/cm2 ) und Standardlichtdosis (50 J/cm2)
56 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

che) verabreicht wurde, einen Verschluss retinaler Ge- ration (AMD) und CNV außerhalb der AMD sowie
fäße. Histopathologische Untersuchungen konnten keine der pathologischen Myopie: Verteporfin wird in einer
signifikanten Effekte auf die retinalen Gefäße, die Gangli- Dosierung von 6 mg/m2 Körperoberfläche über einen
enzellschicht und die Photorezeptoren nachweisen bei ei- Zeitraum von 10 min intravenös appliziert. Nach weite-
ner verabreichten Lichtdosis von 50 J/cm2 und 100 J/cm2. ren 5 min, d.h. 15 min nach Beginn der Infusion, erfolgt
Hingegen wurden Veränderungen des retinalen Pig- die Beleuchtung des zu behandelnden Areals mit einem
mentepithels (RPE) nach PDT in mehreren Fallserien Dioden-Laser der Wellenlänge 689 nm (nicht thermi-
und prospektiven Studien beschrieben (⊡ Abb. 4.6). Diese sches rotes Licht). Es wird eine Lichtdosis von 50 J/cm2
4 Veränderungen des RPE wurden häufiger bei jungen mit einer Beleuchtungsdichte (Intensität) von 600 mW/
(weiblichen) Patienten mit klassischen CNV sowie Pa- cm2 über 83 s abgegeben. Der Laserspot sollte die Lä-
tienten mit choroidalen Hämangiom gesehen. Die Re- sion mit den Veränderungen im Randbereich (Blutungen,
aktionen des RPE in Form von Pigmentverklumpungen Blockaden durch RPE, Blut oder Fibrose sowie Pigmen-
sowie fokaler Atrophie korrelierten mit der Größe des zur tepithelabhebungen) komplett erfassen, ggf. wird eine
Behandlung verwendeten Zielstrahls (Spotgröße), ohne ergänzende Beleuchtung durch nicht überlappende Spots
dass signifikante Veränderungen der Netzhautfunktion erforderlich. Ausgehend von Publikationen zur Therapie
nachgewiesen werden konnten. Eine verstärkte Sensibi- des choroidalen Hämangioms wird von einigen Autoren
lisierung gegenüber den photochemischen Effekten der für die Behandlung von retinalen Angiomen eine Licht-
PDT für das retinale Pigmentepithel, eine fokale Atrophie dosis von 100 J/cm2 (600 mW/cm2 über einen Zeitraum
des RPE infolge einer zumindest temporären Okklusion von 166 s) favorisiert, um eine dauerhafte Gefäßokklusion
der choroidalen Gefäße, eine verstärkte Reaktion des RPE sicherzustellen. Wenn auch mit einer Lichtdosis von 50 J/
und der Einfluss hormoneller Faktoren wurden als Ursa- cm2 therapeutische Effekte beobachtet wurden, so entwi-
chen der RPE-Reaktionen nach einer PDT diskutiert. ckelte sich während der Nachbeobachtungszeit vereinzelt
eine erneute Exsudation. Einige Autoren betrachten die
ursprünglich zur Behandlung vaskulärer Tumorläsionen
4.3 Behandlungsparameter verwendete Lichtdosis von 100 J/cm2 als effektiver hin-
sichtlich der Resorption von Flüssigkeit, der Regression
Die derzeitigen Therapieempfehlungen zur PDT basieren der Läsion, der Rezidivneigung und einer Stabilisierung
auf tierexperimentellen Wirksamkeits- und prospektiven visueller Funktionen und bevorzugen daher diese gegen-
Multizenterstudien zur Behandlung von neovaskulären über der ursprünglich für die CNV verwendeten Lichtdo-
Läsionen infolge einer altersabhängigen Makuladegene- sis von 50 J/cm2.

vor PDT nach PDT

⊡ Abb. 4.6 Pigmentverschiebungen und Fensterdefekte des RPE. Die Fläche der Atrophie des RPE korreliert mit der Größe des gewählten Ziel-
strahls des Lasers. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)
4.4 · Verteprofin bei retinalen Erkrankungen
57 4
4.4 Verteprofin bei retinalen der Papille lokalisierten Tumoren erschwert zu erkennen
Erkrankungen sein. In diesen Fällen hilft die Fluoreszein-Angiografie, die
die typische schnelle Füllung eines »Feeder-Vessel« in der
Im Folgenden wird auf die Wirksamkeit der PDT bei Frühphase und ein Staining mit einer Leckage in der Spät-
Vorliegen von retinalen kapillären Hämangiomen, vas- phase im Bereich des RCH darstellen lässt (⊡ Abb. 4.8).
oproliferativen Tumoren und parafovealen Teleangiek-
tasien eingegangen, wobei hier einschränkend die be- Therapie retinaler kapillärer Hämangiome
grenzte Fallzahl sowie die geringe Zahl der Fallserien In Abhängigkeit von der Größe und Lokalisation des RCH
und Publikationen aufgrund der niedrigen Inzidenz der sowie sekundären Veränderungen stehen zahlreiche Be-
Erkrankungen zu berücksichtigen ist. handlungsoptionen zur Verfügung. Sie umfassen zum einen
▬ die Laserkoagulation von kleinen RCH bis zu einem
Durchmesser von 1,5 mm,
4.4.1 Retinales kapilläres Hämangiom ▬ die Kryobehandlung von kleinen, anterior gelegenen
RCH sowie
Charakteristische klinische Befunde ▬ die lokale (Applikator) und perkutane Strahlenthera-
Retinale kapilläre Hämangiome (RCH) können sowohl pie, aber auch
solitär als auch als häufigste Erstmanifestation im Rah- ▬ ein chirurgisches Vorgehen.
men eines von Hippel-Lindau-Syndroms (VHL) auftreten,
wobei sie im Rahmen des VHL in bis zu 46% der Fälle zu Juxtapapilläre RCH stellen in der Regel eine therapeuti-
finden sind. Die Mehrzahl der RCH ist in der temporalen sche Herausforderung dar, zumal ein hohes Risiko irre-
Peripherie der Retina als rötliche, angiomatöse Verände- versibler Beeinträchtigungen des Sehnervs, der Nerven-
rung (⊡ Abb. 4.7) mit dilatierten, geschlängelten zu- und faserschicht und der retinalen Gefäße entweder durch die
abführenden Gefäßen zu erkennen, wobei ein Teil der Erkrankung selbst oder die Therapie besteht.
VHL-Gen-Träger auch juxtapapilläre Läsionen aufweisen
können. Intraretinale und subretinale Exsudationen, die Praxistipp I I
zunächst umschrieben sind, können bei verzögerter Diag- Eine Behandlung juxtapapillärer Läsionen ist somit nur
nose und ohne zielgerichtete Therapie zu einer exsudativen zu empfehlen, wenn zentrale visuelle Funktionen und
Netzhautablösung unter Einbeziehung des hinteren Pols das Gesichtsfeld nachweislich bedroht sind und eine
führen und einen irreversiblen Verlust der Sehschärfe be- sorgfältige Abwägung des Risikos eines potentiellen
wirken. Epiretinale Membranen, traktive Netzhautablösun- Verlusts der Sehfunktion durch die Erkrankung auf der
gen, retinale und vitreale Hämorrhagien wurden als Folge einen Seite bzw. durch die potentiellen Folgen der
von nicht behandelten retinalen Hämangiomen beobach- Therapie auf der anderen Seite im Einvernehmen mit
tet. Die typischen, zur Diagnose führenden Versorgungs- dem Patienten vorgenommen wurde.
gefäße können zuweilen bei sehr kleinen RCH sowie an

⊡ Abb. 4.7 Retinales kapilläres Hämangiom mit Begleitexsudation, welche den hinteren Pol und die Macula mit einbezieht. (Aus Jurklies B u.
Bornfeld N 2007)
58 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

⊡ Abb. 4.8 Retinales kapilläres Hämangiom mit subretinaler Begleitexsudation vor der ersten PDT-Behandlung. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)

PDT-Wirkung auf RCH Regel zeigt sich eine Woche nach PDT ein Verschluss des
Die Behandlung der RCH mit der PDT ist in kleinen RCH (⊡ Abb. 4.10) dokumentiert durch eine zunehmende
Fallserien publiziert worden. Demnach dürfte die PDT Resorption der subretinalen Exsudation mit einem all-
insbesondere für peripher lokalisierte RCH in Frage mählichen Anstieg der Sehschärfe. Nach drei Monaten
kommen. Die meisten Autoren empfehlen eine Lichtdosis kann eine partielle Rekanalisierung des RCH erfolgen
von 100 J/cm2. und damit eine wiederholte PDT erforderlich werden.
Ein Verschluss des RCH ohne signifikante Begleitexsu-
z Juxtapapilläre retinale Angiome dation wurde drei Monate nach der letzten PDT gesehen.
In einer prospektiven Fallserie von Schmidt-Erfurth et al. ⊡ Abb. 4.11 zeigt eine mäßige Exsudation 6 Monate nach
(2002) wurden 5 Patienten mit symptomatischen juxta- der ersten PDT, wobei die Größe des Angioms im Ver-
papillären retinalen Angiomen mittels PDT behandelt, gleich zum Ausgangsbefund deutlich abgenommen hat.
wobei die Standarddosis von 6 mg/m2 Körperoberfläche Der Effekt der zweiten PDT wird in ⊡ Abb. 4.12 dargestellt
Verteporfin und eine Lichtdosis von 100 J/cm2 appliziert und zeigt ein hypofluoreszentes Areal um den Tumor als
wurden. Zwölf Monate nach Durchführung der ersten Folge der PDT sowie eine geringe Begleitexsudation im
PDT-Behandlung war die subretinale Exsudation am hin- Fluoreszein Angiogramm.
teren Pol resorbiert und das RCA bei allen 5 Patienten Wie von zahlreichen Autoren in kleinen Fallserien
regressiv. Die Sehschärfe war am Ende des Beobach- gezeigt, können RCH mithilfe der PDT effektiv behandelt
tungszeitraumes von 0,22 (0,5-0,025) auf 0,1 (0,32-0,012) werden.
gesunken. Drei Patienten zeigten einen Visusabfall von 1,
3 bzw. 10 Zeilen, je ein Patient konnte den Visus von 0,05 Praxistipp I I
halten bzw. von 0,063 auf 0,1 verbessern. Morphologisch Die PDT kann als eine sinnvolle Behandlungsalterna-
wurden bei 3 von 5 Patienten eine Okklusion der reti- tive für RCH betrachtet werden, die einer alleiniger
nalen Gefäße und eine Ischämie der Papille beobachtet, Laserkoagulation nicht mehr zugänglich sind, insbe-
sodass die positiven Effekte der PDT auf die subretinale sondere bei Vorliegen einer Exsudation und anterioren
Exsudation und die Größe des RCA von negativen Ein- Lokalisation.
flüssen auf die visuelle Funktion begleitet waren.

z Periphere retinale kapilläre Hämangiome


Der Effekt der PDT auf periphere RCH im Verlauf nach 4.4.2 Vasoproliferative Tumore
der Behandlung wird in den Abbildungen ⊡ Abb. 4.8 bis
⊡ Abb. 4.12 demonstriert. Aufgrund der eingetretenen Charakteristische klinische Befunde
Schrankenstörung nach Destruktion des Endothels und Dieser benigne, meist solitär auftretende, stark vaskulari-
der Gefäße infolge der PDT kann die subretinale Ex- sierte, lachsfarbene unscharf begrenzte retinale Tumor ist
sudation akut erheblich zunehmen (⊡ Abb. 4.9). In der in der Mehrzahl der Fälle in der temporal unteren Fundus
4.4 · Verteprofin bei retinalen Erkrankungen
59 4

⊡ Abb. 4.9 Fundusphoto (a) und Fluoreszeinangiographie (b, c) eines retinalen kapillären Hämangioms 24 h nach der ersten PDT. Es lässt sich
hier eine ausgeprägte Exsudation und Leckage im Vergleich zum Ausgangsbefund erkennen. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)

⊡ Abb. 4.10 Fundusphoto (a) und Fluoreszeinangiographie (b, c) eines retinalen kapillären Hämangioms eine Woche nach der PDT mit einer
ausgeprägten Exsudation und Leckage im Vergleich zum Ausgangsbefund

⊡ Abb. 4.11 Fundusphoto (a) und Fluoreszeinangiographie (b, c) eines retinalen kapillären Hämangioms 6 Monate nach der ersten PDT und
vor der zweiten PDT mit einer im Vergleich zum Ausgangsbefund deutlichen Abnahme der Größe des retinalen kapillären Hämangiomes und
der Exsudation. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)

⊡ Abb. 4.12 Fundusphoto (a) und Fluoreszeinangiographie (b, c) eines retinalen kapillären Hämangioms 24 h nach der zweiten PDT mit einer
um das retinale kapilläre Hämangiom sichtbaren Hypofluoreszenz, korrelierend zur Größe des beleuchteten Areals als Hinweis für eine erneut
erfolgte Behandlung. Zusätzlich zeigt sich eine schwache Leckage in Form einer Hyperfluoreszenz. (Aus Jurklies B u. Bornfeld N 2007)
60 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

Peripherie anterior des Äquators lokalisiert. Begleitend können. Rechtwinklig veränderte Venolen, Kapillarok-
entwickelt sich eine subretinale Exsudation mit Verände- klusionen, eine Atrophie und Hyperplasie des retinalen
rungen des retinalen Pigmentepithels. In der Regel sind Pigmentepithels (RPE), kristalline Ablagerungen und Li-
das zuführende, arterielle Gefäß und die drainierende pidexsudationen sowie choroidale Neovaskularisations-
Vene im Vergleich zum RCA nur geringfügig dilatiert, membranen (CNV) wurden bei parafovealen Teleangiek-
fluoreszeinangiografisch können jedoch ähnliche Be- tasien als charakteristisch beschrieben. Yanuzzi differen-
funde beobachtet werden. Symptomatisch werden die pe- ziert aneurysmatische und teleangiektatische parafoveale
ripheren Tumore durch tumorferne Veränderungen wie Teleangiektasien, wobei letztere im Verlauf mit einer neo-
4 eine exsudative Makulopathie, Blutungen und epiretinale vaskulären Form (retionoretinale oder retinochoroidale
Gliosen mit Visusminderung. Vasoproliferative Tumore Anastomose, choroidale Neovaskularisationsmembran)
können idiopathisch oder als sekundäre Veränderungen, kombiniert sein können. Parafoveale Teleangiektasien
typischerweise bei Retinitis pigmentosa, Uveitis, Mor- sind in Abhängigkeit der jeweiligen Stadien als unilateral,
bus Coats, okulärer Toxocariasis, Sichelzell-Retinopathie bilateral, fokal oder diffus beschrieben worden. Fluores-
oder länger bestehender Netzhautablösung auftreten. Bei zein angiografisch zeigen sich irreguläre parafoveoläre
Progressionstendenz im Sinne einer zunehmenden Ex- Kapillaren, die mit einer Leckage sowie Defekten des RPE
sudation, Symptomatik oder Funktionseinbußen sollten kombiniert sein können. Die initial sehr positiven Effekte
vaskuläre Tumore behandelt werden. von VEGF-Inhibitoren bei der Behandlung von parafo-
vealen Teleangiektasien wurden im Verlauf der Beobach-
Therapie vasoproliferativer Tumore tungsphasen von Rezidiven und Rebound-Phänomenen
Die Auswahl des Therapieverfahrens bei vasoproliferati- überlagert, die proportional zum Beobachtungszeitraum
ven Tumoren richtet sich nach der Ausdehnung, Loka- sowie zur Anzahl der Injektionen zunahmen. Kovach
lisation und begleitenden Fundus Veränderungen. Ein- und Rosenfeld (2009) konnten keine signifikanten Effekte
heitliche Behandlungsempfehlungen existieren nicht, die in einer Fallserie von neun Patienten beobachten, sodass
publizierten Strategien reichen von der Laser- und Kryo- sie von einer Behandlung mit VEGF-Inhibitoren ohne
koagulation bis zur Strahlentherapie mittels Ruthenium- gleichzeitiges Vorliegen einer CNV abrieten. Als Ursache
applikator oder Vitrektomie infolge der Komplikationen. für die allenfalls vorübergehenden Effekte dürften Ergeb-
In kleineren Fallserien wurde eine sehr gute Wirksamkeit nisse von Studien mithilfe der optischen Kohärenztomo-
der PDT bei vasoproliferativen Tumoren meist schon grafie sein, die über degenerative Befunde im Bereich der
nach einmaliger Anwendung erzielt. Als effektive Be- Photorezeptoren in Form von verkürzten Außensegmen-
handlungsparameter wurde die Verwendung einer Licht- ten und einer verdünnten äußeren Körnerschicht sowie
dosis von 50 J/cm2, seltener 100 J/cm² und der übliche einen Bruch zwischen Photorezptorinnen- und -außen-
Zeitabstand von 15 min zwischen Infusionsbeginn und segmenten berichteten. Der erhobene Visus korrelierte
Aktivierung des Verteporfin mit der Standarddosis von jeweils mit dem Ausmaß der degenerativen Befunde im
6 mg/m2 Körperoberfläche verwendet. Bereich der Photorezeptoren. Zudem wies die Dicke der
äußeren Körnerschicht keine eindeutige Korrelation mit
PDT-Wirkung auf vasoproliferative Tumore den zystischen Läsionen der Netzhaut auf. Auch ein
Die beobachteten Effekte entsprechen im Wesentlichen Verlust und eine Dysfunktion der Müller Zellen wur-
jenen nach PDT eines retinalen kapillären Angioms in den als charakteristische pathophysiologische Ursachen
Form einer Okklusion der Tumorgefäße des vasoproli- identifiziert. Diese Befunde sprechen gegen eine primär
ferativen Tumors mit einer allmählichen Resorption der vaskuläre Genese der parafovealen Teleangiektasien. Sie
subretinalen Flüssigkeit, einer Abnahme der Tumorhöhe, lassen daher therapeutische Konzepte mit primär vasku-
gefolgt von einer Visusverbesserung. Diese dauerhafte lärem Ansatz zumindest zur Behandlung dieser primären
Tumorregression wurde nach ein- bis zweimaliger PDT- Veränderungen als fraglich wirksam erscheinen.
Behandlung bei einer Nachbeobachtungszeit von 7 bis
12 Monaten festgestellt. Therapie parafovealer Teleangiektasien
Sofern keine CNV vorliegt, die mit VEGF-Inhibitoren
behandelt werden kann, sind die therapeutischen Kon-
4.4.3 Parafoveale Teleangiektasien zepte sehr begrenzt. Eine Laserphotokoagulation wurde
anfänglich im Fall einer Visusminderung infolge eines
Charakteristische klinische Befunde Makulaödems und einer Exsudation vor allem bei Typ-1-
Parafoveale retinale Teleangiektasien sind klinisch durch Teleangiektasien empfohlen, wobei hier im weiteren Ver-
dilatierte parafoveale Kapillaren charakterisiert, welche lauf variable Ergebnisse beobachtet wurden, die vor dem
zu einer Exsudation und einem Makulaödem führen Hintergrund der oben erwähnten Befunde der optischen
4.4 · Verteprofin bei retinalen Erkrankungen
61 4
Kohärenztomografie im Nachhinein sehr gut nachzuvoll- Laserbehandlung nicht mehr möglich ist und ein Appli-
ziehen sind. Querques und Noci (2008) empfahlen die kator überproportional viel gesundes Gewebe beein-
Injektion von VEGF-Inhibitoren nur im Falle einer nor- trächtigen würde, sowie vasoproliferativen Tumoren eine
malen zentralen Netzhautdicke, die aufgrund der struktu- sinnvolle Indikation darstellt, hat sich die Behandlung bei
rellen Veränderungen bei parafovealen Teleangiektasien parafovealen Teleangiektasien nicht bewährt.
wiederum einer relativen Verdickung im Rahmen eines ▬ Die PDT ist ein nicht-thermisches, photochemisches, me-
Makulaödems entsprechen würde. Hingegen konnten dikamentöses, zweistufiges Verfahren mit einer relativen
Kovach und Rosenfeld (2009) nicht einmal kurzfristige Selektivität gegenüber dem vaskularisierten, pathologi-
Effekte von VEGF Inhibitoren auf derartige Veränderun- schen Gewebe als Zielstruktur, bevorzugt in der Ader-
gen bei parafovealen Teleangiektasien beobachten, sofern haut, unter relativer Schonung der retinalen Strukturen.
diese nicht mit einer CNV assoziiert waren. PDT erfordert:
– Einen photoaktivierbaren Photosensibilisator, der vor-
PDT-Wirkung auf parafoveoläre zugsweise in dem Zielgewebe akkumuliert,
Teleangiektasien – Sauerstoff,
Einige wenige Fallserien untersuchten die Behandlung von – Licht spezifischer Wellenlänge, welches das Absorp-
juxtafoveolären Teleangiektasien mit einer PDT. Hierbei tionsmaximum des Photosensibilisators besitzt und
konnte keine signifikante Wirkung auf die Sehschärfe und diesen aktiviert.
die Ausprägung des Makulaödems nach PDT beobachtet ▬ Während die Photokoagulation im Falle eines über-
werden. Bei gleichzeitig vorhandener CNV wurden bei ei- schwelligen Stimulus mit hoher Intensität und kurzer Ap-
nigen Fallserien teilweise positive Effekte auf die Therapie plikationszeit unmittelbar einen sichtbaren thermischen
der CNV, nicht jedoch auf die juxtafoveolaren Teleangiek- Effekt in Form einer nicht selektiven Koagulationsnekrose
tasien beobachtet: Nach einem Beobachtungszeitraum von verursacht, benötigt die PDT gegensätzliche Parameter
21 Monaten zeigten sich bei zwei Augen eine Stabilisierung in Form einer längeren Lichtexpositionszeit, einer klei-
der Sehschärfe (Abfall und Anstieg von weniger als einer neren Anzahl von Beleuchtungen, im Idealfall eine, mit
Zeile), ein Visusanstieg bei drei Augen (mindestens 1 Zeile) einem größeren Zielstrahl und geringerer Lichtintensität.
und eine Visusminderung bei zwei Augen (mindestens Die dadurch entstehende Photothrombose ist zunächst
1 Zeile) bei gleichzeitiger Resorption der Flüssigkeit bei sowohl während als auch unmittelbar nach der Behand-
allen 7 Augen. Als negativer Effekt wurde eine Atrophie lung ophthalmoskopisch nicht sichtbar.
des RPE im Bereich des beleuchteten Dioden-Laserareals ▬ Nach der Akkumulation des Photosensibilisators im Ziel-
nach intravenöser Gabe des Verteporfins beobachtet. In- gewebe führt die Exposition von Licht spezifischer Wel-
sofern kommt der PDT derzeit in Anbetracht der Befunde lenlänge zu einer Aktivierung und Transformierung des
der Photorezeptoren (OCT) sowie der insgesamt besseren Sensibilisators in einen angeregten, sogenannten Triplet-
Wirksamkeit von VEGF-Inhibitoren bei neovaskulären Er- Zustand, der entweder in Form einer Typ-I-Reaktion mit
krankungen keine Bedeutung zu. dem Gewebe oder in Form einer Typ-II-Reaktion mit Sau-
erstoff reagieren kann. Letztere führt zu sehr reaktiven
Fazit für die Praxis singulären Sauerstoff und dürfte beim Wirkmechanismus
▬ Die Photodynamische Therapie mit Verteporfin hat als der PDT die größere Rolle spielen.
erstes relativ selektives Verfahren die Prognose zahlrei- ▬ Die PDT kann zelluläre, vaskuläre und immunmodula-
cher Erkrankungen der Makula mit Beteiligung der Cho- torische Effekte auslösen, die in einer Destruktion und
roidea, der Choriokapillaris und der Retina verbessert, Deformierung der Zellorganellen, Peroxidation von
insbesondere bei subfoveolarer Lage der Läsion. Diese Lipidmembranen, einer erhöhten Membranpermeabili-
Effekte sind zwischenzeitlich von VEGF-Inhibitoren mit tät, Endothelschäden, Thrombosen, Gefäßokklusionen,
deutlich besseren morphologischen und funktionellen Aktivieren verschiedener Interleukine und Lymphozyten
Ergebnissen bei exsudativen und choroidalen neovasku- sowie immunsuppressiven Effekten bestehen.
lären Läsionen überholt worden. Dies gilt insbesondere ▬ Verteporfin (Benzoporphyrinderivat Monoacid A) ist in
für die Behandlung von CNV. zahlreichen tierexperimentellen und klinischen Multizen-
▬ Wenn auch die PDT derzeit bei der AMD durch VEGF-Inhi- terstudien untersucht worden und der derzeit einzige
bitoren verdrängt worden ist und ihren Stellenwert verlo- zugelassene Photosensibilisator für die klinische Anwen-
ren hat, kann sie durchaus noch in speziellen Situationen dung und die Therapie okulärer Erkrankungen.
bei CNV außerhalb der AMD als sinnvolle Option gelten – Die liposomale Aufbereitung als Medikament erleich-
und ist in der Behandlung des choroidalen Hämangiom tert die Bindung an Plasmalipoproteine und LDL-
weiterhin die Therapie der ersten Wahl. Während die PDT Rezeptoren im Zielgewebe und verstärkt so die photo-
bei retinalen kapillären Hämangiomen, bei denen eine toxischen Effekte.
62 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

– Die kurze Halbwertszeit reduziert die toxischen Neben- – Es wurden vielversprechende Behandlungseffekte
wirkungen und das Risiko einer Photosensibilisierung. nach PDT vasoproliferativer Tumoren beobachtet.
– Das Absorptionsmaximum bei 692 nm wird in der The-
rapie genutzt. In der Behandlung parafovealer Teleangiektasien spielt die
▬ Die Effekte der PDT auf vaskuläre Läsionen können im PDT keine Rolle mehr.
Verlauf wie folgt charakterisiert werden:
– Endothelschaden (Stunden nach der PDT)
– Exsudation aufgrund der Gefäßpermeabilität (Stunden Literatur
4 nach der PDT)
– Photothrombose in den Gefäßen des Zielgewebes Aaberg TM Jr, Aaberg TM Sr, Martin DF, Gilman JP, Myles R (2006).
(Stunden bis Tage nach der PDT) Three cases of large retinal capillary hemangioma treated with
– Rekanalisation und Reproliferation durch die Aktivie- verteporfin and photodynamic therapy. Arch Ophthalmol,
123:328-332.
rung und Stimulierung angiogenetischer Faktoren wie
Allison BA, Waterfield E, Richter AM, Levy JG (1991). The effects of
VEGF (Wochen nach PDT) plasma lipoproteins on in vitro tumor cell killing and in vivo
– Fibrose und Deaktivierung nach wiederholter Behand- tumor photosensitization with benzoporphyrin derivative. Pho-
lung (Wochen bis Monate nach PDT) tochem Photobiol 54:709-715.
▬ Die Behandlung choroidaler Läsionen mit den expe- Anastassiou G, Bornfeld N, Schüler AO, Schilling H, Weber S, Flühs D,
Jurklies B, Sauerwein W (2006).Ruthenium-106 plaque brachythe-
rimentell und klinisch getesteten Parametern wurde
rapy for symptomatic vasoproliferative tumours of the retina. Br J
vorrangig durch die relativ höhere Selektivität der PDT Ophthalmol, 90:447-450.
gegenüber choroidalen als retinalen Gewebe begründet, Arnold JJ, Blinder KJ, Bressler NM, Bressler SB, Burdan A, Haynes L,
dennoch ist zu berücksichtigen, dass der Effekt der PDT, Lim JI, Miller JW, Potter MJ, Reaves A, Rosenfeld PJ, Sickenberg
wenn auch in möglicherweise schwächer ausgeprägter M, Slakter JS, Soubrane G, Strong HA, Stur M, Treatment of Age-
Related Macular Degeneration with Photodynamic Therapy
Form, nicht nur im choroidalen Zielgewebe, sondern
Study Group, Verteporfin in Photodynamic Therapy Study Group
auch im gesunden Gewebe, welches dem Zielstrahl aus- (2004). Acute severe visual acuity decrease after photodynamic
gesetzt ist, nachgewiesen werden kann. therapy with verteporfin: case reports from randomized clinical
▬ Toxische Effekte und Nebenwirkungen der PDT sind in trials – TAP and VIP report No. 3. Am J Ophthalmol, 137:683-696.
Anlehnung an die klinischen Multizenterstudien im We- Atebara NH (2002). Retinal capillary hemangioma treated with verte-
porfin photodynamic therapy. Am J Ophthalmol, 134:788-790.
sentlichen:
Bakri SJ, Sears JE, Singh AD (2005).Transient closure of a retinal capil-
– Funktionelle Beeinträchtigungen (Visus, Gesichtsfeld)
lary hemangioma with verteporfin. Retina, 25:1103-1104.
– Akuter schwerer Visusverlust und Visusminderung von Barbazetto IA, Smith RT (2003). Vasoproliferative tumor of the retina
mehr als 6 Zeilen treated with PDT. Retina, 23:565-567.
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– Lokale Injektionsreaktionen treatment and prophylaxis. Chapter 14 In: Berger JW, Fine SL,
– Allergische Reaktionen Maguire MG (eds.) age-related macular degeneration. Mosby, St.
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▬ Die derzeitigen Behandlungsparameter der PDT basieren Blasi MA, Scupola A, Tiberti AC, Sasso P, Balestrazzi E (2006). Photo-
dynamic therapy for vasoproliferative retinal tumors. Retina,
auf den Multizenterstudien zur Behandlung von CNV:
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– Verteporfin in einer Dosierung von 6 mg/m2 Kör- Bloom SM, Brucker AJ (1997). Principles of photocoagulation. In: Laser
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– Lichtdosis: 50 J/cm2 (ggbf. 100 J/cm2 bei vaskulären cott-Raven, Philadelphia.
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– Lichtintensität: 600 mW/cm2
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– Applikationsdauer: 83 s (166 s)
De Lahitte GD, Cohen SY, Gaudric A (2004). Lack of apparent short-
▬ Die Effekte der PDT auf retinale Läsionen sind unter Vor- term benefit of photodynamic therapy in bilateral, acquired,
behalt kleiner Fallzahlen und Fallserien bei gleichzeitig parafoveal teleangiectasis without subretinal neovascularization.
geringer Inzidenz dieser Erkrankungen zu bewerten: Am J Ophthalmol, 138:892-894.
– Die PDT stellt eine sinnvolle Behandlungsoption für De Vree WJ, Essers MC, Koster JF, Sluiter W (1997). Role of interleukin
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retinale kapilläre Angiome (RCA) dar, die einer alleini-
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64 Kapitel 4 · Die Bedeutung der PDT für vaskuläre Erkrankungen der Netzhaut

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Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien


S. Brunner, S. Binder

5.1 Einleitung, historischer Überblick – 68

5.2 Vorbereitung zur vitreoretinalen Chirurgie: Geräte und Material – 68

5.3 Chirurgische Technik – 69


5.3.1 Inzisionstechniken – 69
5.3.2 Vitrektomieprinzipien – 70
5.3.3 Färbemethoden – 71
5.3.4 Behandlung ischämischer Netzhautareale – 72
5.3.5 Tamponaden, Wundverschluss – 74
5.3.6 Kombinierte Kataraktchirurgie und Vitrektomie – 75

5.4 Ausblick, Zukunftsperspektiven – 76

Literatur – 76

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_5,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
68 Kapitel 5 · Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien

Mittels moderner vitreoretinaler Chirurgie können auch fort- agulation mittels Gas- oder Silikonöltamponade versorgt.
geschrittene Fälle ischämischer retinaler Gefäßerkrankungen Reoperationen bei Diabetikern waren an der Tagesord-
erfolgreich behandelt werden. Die Hauptprinzipien dabei nung, da Rezidivblutungen unterhalb der Gas- oder Sili-
sind das Entfernen von Medientrübungen (Blut), die Entlas- konölblase, oder auch mit Silikon vermischt zu weiteren
tung vitreo-retinaler Adhärenzen und Traktionen, die Aus- Fibrosierungen über der Netzhaut führten. Die so ent-
schaltung ischämischer Netzhautareale und die Applikation standenen zusätzlichen Peri-Silikonölproliferationen und
verschiedener Tamponaden mit und ohne anti-angiogenen anterioren Ischämien verursachten häufig eine Rubeosis
Medikamenten zur Langzeitprophylaxe. Dieses Vorgehen iridis und ein Sekundärglaukom.
erfordert eine umfassende technische Ausstattung, wie Das moderne Konzept für den Einsatz der Vitrekto-
Koaxial-Mikroskop, Weitwinkel-Linsensysteme, Endo-Laser- mie bei retinalen Gefäßerkrankungen hat heute 4 wesent-
sonde, Mikroinstrumente, sowie verschiedene Tamponaden liche Ziele:
5 und Farbstoffe. Bei fortgeschrittener Ischämie können die 1. Die Entfernung eingetrübter Medien
Endophotokoagulation, Silikonöltamponade und Applikation 2. Die Erlangung eines inaktiven Zustandes der Erkran-
antiangiogener Stoffe die Freisetzung und Ausbreitung pro- kung
angiogener Wachstumsfaktoren im Glaskörperraum hem- 3. Eine Verbesserung der Sauerstoffversorgung der
men. Weiters stehen verschiedene chirurgische Optionen zur Netzhaut
vaskulären Rekanalisierung, verbesserten Oxygenierung und 4. Neue Therapieoptionen zur vaskulären Rekanalisie-
Ödemresorption in Erprobung. Bei kombinierter Kataraktchi- rung und Verbesserung der Durchblutung, sowie zur
rurgie ist auf eine ausreichend große Kapsulorhexis bei Scho- Abschwellung von Ödemen
nung der Hinterkapsel zu achten. Es sollten nur Intraokular-
linsen aus Acrylat verwendet werden, da Silikonlinsen nach
intraokularer Silikonöltamponade bei offener Linsenkapsel in 5.2 Vorbereitung zur vitreoretinalen
Kontakt zu Silikonöl quellen und sich eintrüben können. Chirurgie: Geräte und Material

Unverzichtbar sind ein binokulares (Stereo-)Mikroskop


5.1 Einleitung, historischer Überblick mit Koaxialbeleuchtung, 10- bis 30facher Vergrößerung
und fußgesteuerter Einstellung von Schärfe, Vergrößerung
Der erste erfolgreiche Fall einer Pars-plana-Vitrektomie, (Zoom) und XY-Position. Das Mikroskop sollte mit ent-
den Robert Machemer 1970 ausführte, war an einer diabe- sprechenden Laserfiltern, einem Strahlenteiler für die As-
tischen Patientin, die an einer chronischen Glaskörperblu- sistenz sowie einer Videokamera zur Dokumentation und
tung litt, glücklicherweise ohne schwere Proliferationen und Bildübertragung für das Pflegepersonal ausgerüstet sein.
ohne traktive Netzhautabhebung. In der Folge gab es viele Die Patienten werden am Auge für mindestens drei Minu-
Misserfolge nach Vitrektomien, da die ergänzenden Instru- ten desinfiziert und vor Einsetzen des Lidsperrers mit einem
mente, ein Endolaser und auch entsprechende Kenntnisse sterilen Tuch abgedeckt – dieses sollte für eine Vitrektomie
über den Verlauf einer vaskulären Netzhautkomplikation mit Plastiktaschen auf beiden Seiten ausgerüstet sein.
– sei es diabetesbedingt, aber auch nach Ast- und Zent- Zur intraokularen Visualisierung werden verschie-
ralvenenverschlüssen – fehlte. Die Entfernung dauerhaft dene Linsensysteme verwendet, diese können auf die
eingetrübter Medien war damals die Hauptindikation für Hornhaut auflegbar (Kontakt-Systeme) oder am Mikros-
eine Glaskörperchirurgie; über den Einfluss auf die Grund- kop montiert sein (Non-Kontakt-Systeme; ⊡ Abb. 5.1).
erkrankung hatte man keine entsprechenden Erfahrungen. Die heute am meisten verwendeten, an der unteren
Erst in den 80er Jahren wurde das Instrumentarium Optik des Mikroskops montierten Non-Kontakt-Systeme
entsprechend aufgerüstet, und der Einsatz des Endola- sind das BIOM sowie das EIBOS. Das BIOM erzeugt ein
sers verringerte die Nachblutungsrate bei Diabetikern um invertiertes, spiegelverkehrtes Bild, das mittels optischer
75%. Die chirurgische Technik der Pars-plana-Vitrek- Invertiervorrichtung während der OP seitenrichtig darge-
tomie war damals bereits eine 3-Port-Vitrektomie, ver- stellt werden kann. Mittels verschiedener Linsen sind hier
schiedene Linsensysteme ermöglichten einen guten Fun- Bildwinkel von 70° bis 110° möglich. Das EIBOS hingegen
duseinblick; das Konzept bei Gefäßerkrankungen war, erzeugt mit zwei verschiedenen Linsen ein aufrechtes
primär alle anterior-posterioren Traktionen zu entfernen, Bild im Winkel von 100° oder 125°.
sekundär alle horizontalen Traktionen in Netzhautnähe. Die Kontaktsysteme bestehen aus auf die Hornhaut
Adhärente fibrovaskuläre Platten (Proliferationen) auflegbaren, miniaturisierten Linsen mit Bildwinkeln von
wurden entweder mittels Mikroscheren segmentiert oder 68° bis 130°, die ein invertiertes (AVI) oder reinvertiertes
lamellär abgetragen, die Blutungen mittels Endodiather- (ROLS) Bild erzeugen. Zur korrekten Positionierung die-
mie koaguliert und das Auge nach einer Standardlaserko- ser Linsen ist zumeist eine Assistenz erforderlich.
5.3 · Chirurgische Technik
69 5
Regel in einem Vitrektomie-Kombigerät vereinigt, die
neuesten Modelle haben meist auch noch Licht, Luft-
pumpe, Diathermie, Phakoemulsifikation und eine oder
zwei Laserquellen integriert und sind über ein Touchpad
oder das Fußpedal bedienbar (⊡ Abb. 5.2).
Weitere im Rahmen der chirurgischen Therapie re-
tinaler Gefäßerkrankungen unverzichtbare Instrumente
sind verschiedene (Endo-) Pinzetten, Scheren, Spatel, Ka-
nülen, Absaugkanülen (»Fluidnadeln«) und weitere Spe-
zialinstrumente, die teilweise noch in Erprobung stehen
und bei den jeweiligen chirurgischen Techniken weiter
unten angesprochen werden.

⊡ Abb. 5.1 OP-Situs vor einer Vitrektomie. Das Binokularmikroskop 5.3 Chirurgische Technik
wurde mit sterilen Knöpfen versehen, am Objektiv ist ein BIOM-Weitwin-
kelsystem montiert. Das Steriltuch ist mit zwei Seitentaschen versehen
5.3.1 Inzisionstechniken

Seit den 1980er-Jahren werden bei einer Pars-plana-Vit-


rektomie nach türflügelartigem Eröffnen der Bindehaut
standardisiert 3 sklerale Inzisionen (»Ports«) angelegt:
▬ zuerst eine für die Infusionskanüle temporal unten
(bei 4 oder 8 Uhr),
▬ danach zwei weitere Inzisionen für das Endolicht
und den Arbeitszugang bei 10 und 2 Uhr.

Die korrekte Lage der Infusionskanüle sollte sofort kon-


trolliert werden, um eine subretinale oder subchoroidale
Infusion mit nachfolgender Hypotonie zu vermeiden.
Der Abstand der Inzisionen vom Limbus beträgt
4,0 mm beim phaken und 3,5 mm beim aphaken oder
pseudophaken Auge. Bis in die 1990er-Jahre war die
20-gauge(20-g)-Inzision mit einem Durchmesser von
0,89 mm (Schnittbreite 1,4 mm) weltweiter Standard. Seit
etwa 15 Jahren sind auch Kanülensysteme für wesentlich
kleinere Inzisionen am Markt (23-g, 25-g, 27-g), bei
denen die entsprechende Kanüle meist mittels Trokar
eingesetzt wird. Durch schräges Einführen dieser Trokare
durch die Sklera – parallel oder normal zum Limbus –
entsteht ein selbstabdichtender Tunnel, sodass die Inzisi-
onen am Ende der OP im Prinzip nicht zugenäht werden
müssen (⊡ Abb. 5.3).
Bislang wurden aber nur wenige randomisierte Ver-
⊡ Abb. 5.2 Vitrektomiegerät der neuesten Generation (ALCON Cons-
tellation Vision System). Das Gerät verfügt über eine komplette Kata-
gleichsstudien der verschiedenen Kleinschnitttechniken
rakt/Vitrektomie-Einheit mit Hochfrequenz-Cutter (max. 3.000 cpm) publiziert. Ihr wesentlicher Vorteil besteht in einem höhe-
und zwei Laser-Systemen ren Patientenkomfort in den ersten Tagen, diskutiert wird
auch ein gewisser Schutz vor Glaskörperinkarzeration in
der Sklerotomie. Werden gleiche Mengen an Glaskörper
Um eine Vitrektomie ausführen zu können, wird ein entfernt, wird der primäre Vorteil der kürzeren Inzisions-
miniaturisiertes Saug-Schneide-Gerät (Stripper oder dauer aber durch eine verlängerte Vitrektomiezeit wie-
Cutter) in Kombination mit einer starken Glasfaserlicht- der aufgehoben. Das Instrumentarium der 23-g-Systeme
quelle und einer zumeist druckgesteuerten Infusion ver- entspricht heute etwa dem 20-g-Standard und wird bei
wendet. Diese technischen Basisfunktionen sind in der nahezu allen Vitrektomieindikationen eingesetzt.
70 Kapitel 5 · Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien

Ziel der Vitrektomie ist nicht nur die Entfernung der


Medientrübung, sondern vor allem die Unterbrechung
fibrovaskulärer Proliferationen oder Traktionen und das
Ermöglichen einer adäquaten Laser- oder Kryopexiebe-
handlung ischämischer Areale, wie bei diabetischer Re-
tinopathie oder der Frühgeborenenretinopathie (Retino-
pathia of Prematurity=ROP). Bei fehlendem Fundusein-
blick und anliegender Netzhaut sollte bei ischämischen
a Gefäßerkrankungen, vor allem bei Diabetes Typ I, eine
möglichst frühzeitige Vitrektomie innerhalb von 4 bis
12 Wochen angestrebt werden, um die Prognose zu op-
5 timieren. Ein niedriges Patientenalter, das Fehlen einer
vorangehenden Laserbehandlung, eine Rubeosis Iridis
mit Neovaskularisationsglaukom oder eine beginnende
periphere Netzhautabhebung führen zu einer noch dring-
licheren OP-Indikation.
Neben der Wahl des Vitrektomiesystems (20-g oder
kleiner) spielen bei der OP zwei Faktoren eine wesentli-
che Rolle:
▬ die Schnittfrequenz (gemessen in cuts per minute =
cpm) und
▬ das Vakuum als Maß der Absaugfunktion (gemessen
b
in mmHg).
⊡ Abb. 5.3 Vergleich der derzeit verfügbaren Schneidsysteme (20-g,
23-g, 25-g). Die Ports der 23-g- und 25-g-Stripper liegen deutlich
Diese drei Parameter sollten möglichst optimal aufei-
näher an der Instrumentenspitze (a). Beachte den für die nahtlose nander abgestimmt werden, abhängig vor allem von
Technik notwendigen flachen Inzisionswinkel des Trokars (b) der Pathologie des Auges. Die Grundtechnik besteht
in langsam kreisenden Bewegungen des Strippers im
zentralen Glaskörperraum bei mittlerer Saug- und
! Cave! Schneidrate (z.B. für 20-g-Systeme: 150-200 mmHg,
Die 25-g- und 27-g-Systeme werden derzeit nach un- 1.000-1.500 cpm). Bei Glaskörpereinblutung oder zellu-
serer Meinung für komplizierte Fälle (wie die prolife- lärer Reaktion müssen Schnittrate und Vakuum entspre-
rative Vitreoretinopathie = PVR, traktive diabetische chend erhöht werden; bei fibrovaskulären Membranen
Retinopathie) nicht empfohlen, da das Instrumenta- im Rahmen ischämischer oder proliferativer Retino-
rium zu biegsam und das Lumen für die Aufarbeitung pathien wird die Schnittrate maximiert (bei 20-g: bis
dichter fibrovaskulärer Proliferationen zu eng ist. 2.000 cpm; bei 23-g und 25-g: bis maximal 5.000 cpm).
Hier zeigt sich ein deutlicher Vorteil der 23-g- und 25-
Bei solchen Fällen kann auch eine vierte Sklerainzision g-Instrumente, da bei hoher Schnittrate die Mobilität
bei 12 Uhr sinnvoll sein (»4-Port-Vitrektomie«); in dieser der Netzhaut gering ist.
wird eine starke Endolichtsonde befestigt oder durch die
! Cave!
Assistenz gehalten (»chandelier light«), um dem Ope-
Insbesondere bei netzhautnahem Arbeiten (z.B.
rateur ein optimales bimanuelles Arbeiten durch beide
Blutungen, Traktionsherde) oder Membranpee-
Zugänge bei 10 und 2 Uhr zu ermöglichen.
ling soll die Saugleistung deutlich (auf etwa
100-150 mmHg) reduziert werden, um ein Ansau-
5.3.2 Vitrektomieprinzipien gen der Netzhaut zu vermeiden.

Im Gegensatz dazu wird das Vakuum zur Induktion einer


Ausschneiden von Medientrübungen hinteren Glaskörperabhebung über dem Nervus opticus
Glaskörpereinblutungen bei ischämischen oder prolife- deutlich erhöht (bei 20-g auf >300 mmHg, bei 23-g auf
rativen Erkrankungen entstehen meist durch rupturierte 400-500 mmHg). Die Stripperöffnung muss für den Ope-
Gefäße oder Neovaskularisationen an der vitreoretinalen rateur stets sichtbar sein. Nach zentraler und posteriorer
Grenzfläche, oft besteht dabei eine inkomplette hintere Vitrektomie sollen die Glaskörperreste bei jeder Vitrek-
Glaskörperabhebung. tomie möglichst sorgfältig über 360° bis nach anterior
5.3 · Chirurgische Technik
71 5
▬ Die klassische Methode besteht in der Exzision
zunächst der antero-posterioren Adhärenzen, dar-
auffolgend auch der tangentialen oder horizontalen
Traktionen.
▬ Bei der neueren Methode, die sich speziell bei kom-
plexeren vitreoretinalen Proliferationen bewährt
hat, wird nach einer einfachen zentralen (Core-)
Vitrektomie die hintere Glaskörpergrenze »en bloc«
angehoben und abgelöst, was durch die nicht durch-
trennten antero-posterioren Verbindungen erleichtert
wird. Besonders festhaftende fibrovaskuläre Memb-
ranen, vor allem bei der diabetischen Retinopathie
(DRP), können dabei oftmals nur bis zum Ansatz
a
zurückgeschnitten (segmentiert) werden. Flächige
Adhärenzen müssen delaminiert werden. Auch hier
kann ein bimanuelles Arbeiten mittels »chandelier
light« oder kombiniertem Licht/Arbeitsinstrument
von Vorteil sein. Bei vorliegender traktiver Netz-
hautabhebung wird empfohlen, diese Schritte nach
Instillation einer Perfluoroctan-(PFCL) Blase über
dem hinteren Pol durchzuführen, um Makula und
Teile der abgehobenen Netzhaut zu stabilisieren
(s. u.). In diesen schwierigen Fällen ist auch der
zusätzliche Einsatz einer Cerclage zu überlegen
(⊡ Abb. 5.4;  Abschn. 8.2).

Praxistipp I I
Bei fest haftenden epiretinalen Membranen oder fibro-
vaskulären Segeln nach retinalen Gefäßerkrankungen
b
ist die Verwendung eines 23-g-Strippers hilfreich, da die
Öffnung (Port) nahe der Instrumentenspitze liegt und
⊡ Abb. 5.4 a Beispiel eines Patienten mit proliferativer diabetischer
Retinopathie, Glaskörpereinblutung und fibrovaskulären Traktionen ein netzhautnahes Arbeiten ermöglicht. Die Schnittrate
über den Gefäßarkaden, beginnende Traktionsamotio der Netzhaut. soll dabei eher hoch (>1.500 cpm) und das Vakuum
b Derselbe Patient nach erfolgreicher Vitrektomie, Membranektomie, mittel bis niedrig (<100 mmHg) eingestellt sein.
Laserkoagulation und Gas/Lufttamponade

5.3.3 Färbemethoden
ausgeschnitten werden, am besten unter Zuhilfenahme
einer Eindellung von außen (Indentation). Farbstoffe werden bei einer Vitrektomie vor allem zur
Darstellung schlecht kontrastierender epiretinaler und
Entlastung vitreo-retinaler Traktionen retinaler Membranen sowie Glaskörperstrukturen ver-
Die besonders nach retinalen Gefäßerkrankungen häufig wendet (»Chromovitrektomie«). Epiretinale Membranen
vorkommenden bindegewebigen vitreoretinalen Traktio- oder fibrovaskuläre Segel können dabei mittels Kanüle
nen dienen auch als Verbindungsschiene für kontraktile direkt angefärbt (Positivfärbung) oder durch Färbung der
Zellen und pro-angiogene sowie pro-inflammatorische Umgebung dargestellt werden (Negativfärbung).
Faktoren (zB. VEGF, SDF-1, IGF-1) mit den Kollagen- Eine Positivfärbung erzeugen z.B. Trypanblau (Mem-
fasern des Glaskörpers. Vor allem ein Zusammentref- braneBlue) oder Brillant Blau G (BrillantPeel), eine Nega-
fen kontraktiler Pigmentzellen mit Entzündungsfakto- tivfärbung z.B. Indozyaningrün (ICG) oder Infrazyanin-
ren führt dabei auch zu einem erhöhten PVR-Risiko. grün (0,05% bis 0,125% in 5% Glucose). Innere Netzhaut-
Fibrovaskuläre Gewebe können bei der Vitrektomie strukturen, wie die Membrana limitans interna, werden
nach zwei verschiedenen Prinzipien ausgeschnitten mit den Trypanblaufarbstoffen eher schwach, mit den
werden: Zyaningrünfarbstoffen deutlich stärker gefärbt.
72 Kapitel 5 · Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien

Zu beachten ist dabei eine relativ kurze Einwirkungs-


zeit (10-30 s für Brillant Blau G bzw. 5-10 s für ICG), um
toxische Gewebeschäden durch die Farbstoffe möglichst
zu vermeiden. Vor allem nach einer ICG-Färbung wird
ein intensives Absaugen und Ausspülen des Farbstoffes
um den Nervus opticus empfohlen, da hier in Studien
teils irreversible Schäden im peripheren Gesichtsfeld
nachgewiesen wurden.

Praxistipp I I
5 Zur besseren Visualisierung eines noch anheftenden
Glaskörpers kann auch Triamcinolonacetonid (4-10 mg;
40 mg/ml) in den Glaskörperraum appliziert werden.
Die Kristalle sind ein guter Indikator für periphere oder
anteriore Glaskörperreste, die besonders bei ischämi- ⊡ Abb. 5.5 Schema einer Endo-Laserkoagulation. Die Lasersonde hat
schen oder proliferativen Retinopathien zu weiterer eine ausfahrbare halbrunde Verlängerung, somit ist die netzhautnahe
Schrumpfung oder PVR führen können. Des Weiteren Koagulation an nahezu jeder Position im idealen Winkel möglich
verfügen die Kortisonkristalle über eine anti-inflamma-
torische und anti-proliferative Wirkung.
mit Vorsicht erfolgen, da sie zu weiteren Gefäßverschlüs-
sen und Ischämien führen kann. Blutungen sollten nicht
direkt gelasert werden, um eine nachfolgende Narbenbil-
5.3.4 Behandlung ischämischer dung oder Schrumpfung zu vermeiden. Bei vorliegender
Netzhautareale Netzhautablösung erfolgt die Laserkoagulation im PFCL-
oder gasgefüllten Auge mit bereits wieder anliegender
(Endo)-Laserkoagulation Netzhaut (⊡ Abb. 5.5,  Abschn. 8.2).
Die Lasertherapie stellt nach wie vor die vielleicht we-
sentlichste und dauerhafteste Maßnahme in der Behand- Radiäre Optikusneurotomie
lung ischämischer und proliferativer Retinopathien dar. Diese Technik zur Behandlung retinaler Zentralvenen-
Neben der Versorgung von Netzhautforamina ist vor thrombosen (ZVT) beruht auf der Annahme, dass die
allem die Scatter-Koagulation bei fokaler Ischämie und meisten Thrombosen im Bereich der Lamina cribrosa
die panretinale Koagulation bei allen ischämischen Reti- entstehen. Bei abnehmendem Blutfluss kommt es an die-
nopathien mit Neovaskularisation von Netzhaut oder Iris ser natürlichen Engstelle zu einer »klappenartigen« Kom-
von Bedeutung (vor allem bei Thrombosen und DRP). pression der Zentralvene. Es folgen Endothelverände-
Zunehmende Bedeutung erhält die Laserkoagulation rungen und schließlich die Ausbildung eines Thrombus
auch bei der ROP, wo die Indikation zu einer Vitrektomie von posterior nach anterior. Die radiäre Optikusneuro-
heute eher sparsamer und später im Krankheitsverlauf tomie (RON) verfolgt daher das Prinzip, den arteriellen
gestellt wird. Durchfluss an dieser Stelle mittels Durchtrennung des
Zur intraoperativen Behandlung sind heutzutage vor Skleraringes am nasalen Teil des Sehnervenkopfes zu
allem Dioden- und Argon-Lasersysteme – teils auch in- entlasten. Durch konsekutive Reduktion der Ischämie soll
tegriert in die Vitrektomieeinheit (⊡ Abb. 5.2) – in Ver- damit auch der venöse Abfluss verbessert werden. Dazu
wendung. Das Schema einer Endo-Laserbehandlung ent- wurde von Opremcak 2001 eine Spezialklinge entwickelt,
spricht im Prinzip der Behandlung an der Spaltlampe, die eine stumpfe und eine scharfe Seite aufweist. Eine
wobei vor allem auf eine ausreichende periphere, aber entsprechende Markierung zeigt die ideale Eindringtiefe
auch anteriore Laserkoagulation unter zirkulärer Inden- von 1,5 mm an. Im Rahmen einer Standardvitrektomie
tation zu achten ist. Neben den Parametern Spotgröße, erfolgt die Inzision unter erhöhtem Intraokulardruck (ca.
Dauer, Intensität und Pigmentierungsgrad sind hier vor 50 mmHg), um mögliche Blutungen zu verhindern. Der
allem auch der Abstand und Winkel der Lasersonde Schnitt erfolgt sodann am nasalen Papillenrand hori-
zur Netzhautoberfläche entscheidend für eine korrekte zontal, mit der spitzen Seite nach außen (⊡ Abb. 5.6).
Koagulation. Zu intensive Koagulate können zu choroi- Meist kommt es zu keiner signifikanten Blutung und die
daler Neovaskularisation (CNV), Netzhautdefekten und OP kann normal – mit und ohne Tamponade – zu Ende
-nekrosen führen. Die Laserbehandlung und Ausschal- geführt werden. Histopatologische Studien zeigten keine
tung von Neovaskularisationen oder Aneurysmen soll nennenswerte Optikusatrophie oder tiefere Schädigung
5.3 · Chirurgische Technik
73 5
rektomie dieses Funktionsverbesserungen bewirkten. Ein
weiterer Nachteil dieser Methode besteht in einer relativ
hohen intraoperativen (venösen) Blutungsrate von bis zu
40%.
Kritisch zu beurteilen sind auch die positiven Resul-
tate einiger Studien, in denen Patienten mit AVT sofort
nach Diagnosestellung operiert wurden, ohne den oft-
mals günstigen Spontanverlauf in diesen Fällen abzuwar-
ten ( Abschn. 10.3).

Membranpeeling
Diese chirurgische Maßnahme stellt einen ganz wesent-
lichen Schritt bei vielen Vitrektomien dar, insbesondere
nach retinalen Gefäßerkrankungen. Abgesehen von idio-
pathischen (»macular pucker«) oder traktiven epi- und
⊡ Abb. 5.6 Prinzip der radiären Optikusneurotomie (RON). Die nasale
Inzision erfolgt nach Standardvitrektomie unter erhöhtem Intraoku- subretinalen Membranen nach Ablatio retinae oder PVR
lardruck, die Markierung der Klinge ist sichtbar kommt es sehr häufig auch zu sekundären Membranen.
Diese können nach ischämischen Retinopathien – speziell
nach venösen Gefäßverschlüssen, bei einer diabetischen
von Aderhaut und Sklera. Zahlreiche klinische Studien Retino- und Makulopathie – sowie nach längerfristiger
ergaben eine anatomische Verbesserung mit Abnahme intraokulärer Silikonöltamponade auftreten. Die patho-
des Makulaödems und Erhöhung des Blutflusses bei bis genetische Bedeutung einer chirurgischen Membranent-
zu 95%, sowie eine Visusbesserung über 4 Zeilen bei etwa fernung (»Membranpeeling«) reicht von einer mechani-
25%; bei unserem Patientengut kam es zu einem Visusan- schen Komponente, die Traktionen und Schrumpfung
stieg von über 3 Zeilen bei 49%. Insbesondere beschrie- entgegenwirkt, bis hin zu physikalisch-chemischen Ef-
ben die meisten Autoren postoperativ eine signifikante, fekten einer verbesserten retinalen Oxygenierung durch
raschere Ausbildung chorio-retinaler Anastomosen an optimierte Konvektion.
der Papille. Weitere randomisierte Studien sind noch aus- Alle Membranen können vor ihrer Entfernung mittels
ständig, um den Stellenwert der RON im Rahmen einer Vitalfärbung dargestellt ( Abschn. 5.3.3) und schließlich
ZVT besser einzuordnen ( Abschn. 8.3). mittels Scraper, Mikropinzetten und -scheren abgezo-
gen werden. Bei sehr festhaftenden Membranen muss
Sheathotomie gelegentlich der Ansatz stehen gelassen oder mit dem
Eine retinale Astvenenthrombose (AVT) entsteht häu- Stripper verkleinert werden. Subretinale Membranen und
fig vor arteriovenösen Gefäßkreuzungen. Das pathoge- fibrotische Stränge können teilweise über kleine Retino-
netische Konzept nimmt eine Kompression der Vene tomien exzidiert oder zumindest verkürzt werden.
durch die jeweils darunter- oder darüberliegende Ar- Besondere Erfolge konnten in den letzten Jahren bei
terie an, da Arterie und Vene in einer gemeinsamen der Behandlung des diabetischen Makulaödems (DMÖ)
Adventitiascheide (»adventitial sheath«) liegen. Das Ziel erzielt werden. Die Indikationen zur Vitrektomie mit
der Sheathotomie ist somit, diese Scheide möglichst ge- und ohne Peeling von epiretinalen Membranen oder der
fäßschonend zu durchtrennen, um damit die Obstruk- Membrana limitans interna (MLI) wurden dabei auf Pati-
tion des venösen Blutstromes aufzuheben. Zu diesem enten mit vitreomakulärer Traktion, geringer subretinaler
Zweck wurde auch eine speziell gebogene Gefäßpinzette Flüssigkeit, relativ kurzer Anamnesedauer und nur mäßig
entwickelt. verschlechtertem Ausgangsvisus eingegrenzt. Neben der
Zahlreiche klinische Studien aus den letzten 20 Jah- Entfernung präretinaler traktiver Membranen könnte hier
ren zeigten, dass das Verfahren relativ sicher und repro- eine verbesserte präretinale Sauerstoffkonzentration nach
duzierbar durchgeführt werden konnte. Eine verbesserte Vitrektomie, sowie die Entfernung vasoaktiver Media-
Perfusion sowie anatomische Verbesserung wurde bei toren in der hinteren Glaskörpergrenzschicht eine Rolle
den meisten operierten Patienten gefunden, eine Funkti- spielen. Eine Kontrolle dieser Faktoren kann nämlich
onsbesserung von mehr als 2 Zeilen bei über 60%. direkt oder indirekt eine Stabilisierung der Blut-Retina-
Dennoch konnte sich diese Technik nicht völlig Schranke bewirken, die beim Diabetes mellitus (DM) in
durchsetzen, da unter anderem nicht klar ist, ob die der Funktion gestört ist – was vor allem beim Typ-II-DM
Sheathotomie selbst oder bereits das zentrale Peeling der zu erhöhter Permeabilität der Netzhautgefäße mit daraus
Membrana limitans interna (MLI) im Rahmen der Vit- folgendem DMÖ führt ( Abschn. 8.3).
74 Kapitel 5 · Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien

Embolektomie
Verschiedene Autoren konnten auch die erfolgreiche Re-
kanalisation verschlossener venöser und arterieller Netz-
hautgefäße nach chirurgischer Eröffnung des Gefäßlu-
mens und nachfolgender Exzision oder Verdrängung des
okkludierenden Embolus bzw. Thrombus zeigen. In einer
Fallserie wurde der Thrombus nach Gefäßpunktion der
Zentralvene mittels feiner Glaskanüle und Injektion von
BSS und rtPA nach anterograd weitergespült. 54% der
PatientInnen hatten daraufhin eine Visusbesserung um
mindestens 3 Zeilen. Diese Technik wurde von anderen
5 Gruppen wiederholt, die positiven Ergebnisse konnten
jedoch nicht bestätigt werden, außerdem zeigte sich eine
etwas höhere Komplikationsrate (vor allem intra- und
postoperative Blutungen).
⊡ Abb. 5.7 Embolektomie bei einem Patienten nach Astarterienver-
In einer kleineren Kohorte von PatientInnen nach
schluss. Der exzidierte, kleine, gelbweiße, verkalkte Embolus ist ne-
Astarterienverschluss mit sichtbarem Embolus wurde ben der eröffneten Zentralarterie am Rande einer Blutung erkennbar
dieser nach Stichinzision der Arterienwand entfernt und
abgesaugt. Hier zeigten sich nur mäßige intra/postope-
rative Blutungskomplikationen bei deutlichem durch-
schnittlichem Visusanstieg um 4-5 Zeilen. Zusammen- dibles Luft/Gasgemisch verabreicht werden (SF6: 18%,
fassend befinden sich diese Operationsmethoden aber C2F6: 16%, C3F8: 14%), um das Risiko einer postoperati-
noch in klinischer Evaluierung, da weltweit erst etwa ein ven okulären Hypertension zu verringern.
Dutzend Fälle publiziert worden sind. Sie können aber im
! Cave!
Einzelfall, vor allem bei kurzer Anamnese, eine therapeu-
Wichtig ist auch, bereits präoperativ abzuklären,
tische Option für erfahrene Netzhautchirurgen darstellen
ob der/die Patient/in eine entsprechend notwen-
( Abschn. 10.4).
dige Lagerung auch einhalten kann. Die Verwen-
dung von N2O als Narkosegas bei diesen PatientIn-
5.3.5 Tamponaden, Wundverschluss nen führt zur dessen Anreicherung in der Gasblase
im Auge, aber auch dessen postoperativer Abat-
mung, sodass Gasnarkosen in diesem Zeitraum
Prinzipiell werden bei Vitrektomie nach retinalen Ge-
vermieden werden sollten.
fäßerkrankungen am Ende dieselben Tamponaden in den
Glaskörperraum instilliert wie bei allen anderen Vitrekto- Als temporäre Tamponade während einer Vitrektomie
mieindikationen. In Frage kommen daher BSS, Luft, ver- sind Perfluorkarbone (PFCL) heutzutage ein unverzicht-
schiedene expandierbare Gase, (nicht)expansible Gas/Luft- bares Werkzeug. Durch hohes spezifisches Gewicht und
Gemische oder Silikonöl verschiedener Schweregrade. Oberflächenspannung kommen sie zur Stabiliserung der
Die Entscheidung, welche Tamponade zum Einsatz Netzhaut bei schwierigen Fällen (PVR, Ablatio retinae,
kommt, hängt natürlich von der jeweiligen Pathologie Fremdkörper-Extraktion, Entfernung schwerer Silikonöle)
und den sonstigen Begleitumständen ab – etwa, ob es zu oder intraoperativen Komplikationen, wie subretinalen
Nachblutungen oder einer Netzhautablösung (Ablatio) Blutungen, zum Einsatz. Auch die Endolaserapplikation ist
gekommen ist. Standardfälle ohne schwere intraoperative vereinfacht, da die Netzhaut durch PFCL an das Pigmen-
Komplikationen werden meist mit BSS oder gefilterter tepithel gedrückt wird. PFCL müssen jedoch vor Ende der
Luft alleine versorgt. Bei mäßig schweren Komplikati- OP wieder entfernt werden, da sie bei längerer Verweilzeit
onen wie Blutungen ohne PVR, Netzhautdefekten oder im Auge durch Diffusion ins Gewebe toxische Effekte (Gli-
umschriebener Ablatio wird die Verwendung von expan- ose, PVR, Photorezeptordefekte) haben können.
dierenden Gasen, wie semifluorierten Alkanen empfoh- Bei schweren Komplikationen oder Rezidiveingrif-
len. Diese haben die Tendenz Stickstoff, Sauerstoff und fen, nach (diabetischer) PVR, bei Ablatio der unteren
CO2 aus dem Blut rasch aufzunehmen und dadurch bis Hälfte oder nach schwerer Ischämie ist die vorüberge-
zu einem Equilibrium zu expandieren, woraus sich eine hende Instillation von Silikonöl (SiO) nach wie vor in-
unterschiedlich lange durchschnittliche Verweildauer im diziert. SiO kann direkt im Austausch gegen BSS, PFCL
Glaskörperraum ergibt (SF6: 2 Wochen, C2F6: 2 Wochen, oder Luft über die Infusionskanüle instilliert werden. Die
C3F8: 4 Wochen). Die Gase können auch als nichtexpan- SiOs sind chemisch hochgereinigte Polydimethylsiloxane,
5.3 · Chirurgische Technik
75 5
deren Molekulargerwicht und damit Viskosität von der
Länge ihrer Seitenketten abhängig sind. Es sind SiOs ▬ Bei abgehobener Netzhaut und notwendiger Prä-
von 1.000-5.000, 5.700 oder 10.000 centistokes (ct) als paration fibrovaskulärer Proliferationen oder epi-
Maß für die Viskosität erhältlich. Es konnte jedoch bei retinaler Membranen schützt die Instillation von
den verschiedenen Kettenlängen der SiOs kein signifi- PFCL über dem hinteren Pol die Makula während
kanter Unterschied im funktionellen oder anatomischen der weiteren Schritte
Outcome gefunden werden. Im weiteren scheint in der ▬ PFCL-Silikonaustausch: Nach kompletter Füllung
Qualität und Sicherheit SiOs gleicher Kettenlänge von des Auges mit PFCL bis zur Infusionsebene erfolgt
verschiedenen Herstellern kein klinisch signifikanter Un- der Umstieg auf Silikoninfusion. Das PFCL wird
terschied zu bestehen. Die kurzkettigen SiOs sind für nun unterhalb des Silikonöls mittels Fluidnadel
leichtere Fälle mit kürzerer Tamponadedauer von 1 bis abgesaugt, wobei auf möglichst vollständige Ent-
3 Monate geeignet, die langkettigeren, schwereren SiOs fernung der dazwischen liegenden Flüssigkeitsla-
dienen der Versorgung komplexer Fälle mit inferiorer melle zu achten ist.
PVR für eine entsprechend längere Anwendungsdauer.
Densiron 68 ist eine Mischung aus 5.000 mPas SiO Eine schonende Dissektion der Gewebe von der Netz-
und 3,5 mPas F6H8, weist eine geringe Viskosität auf und haut gelingt durch die »En-bloque-Technik«, hier kann
ist etwas schwerer als Wasser (1,06 g/cm3). Solche SiOs auch ein wenig Healon zur leichteren Separation und
können im Rahmen retinaler Gefäßerkrankungen eine zum Schutz vor iatrogenen Netzhautrissen verwendet
abdichtende Wirkung, vor allem im unteren Glaskör- werden
perraum ausüben. Damit können sie die Diffusion von
(Blut-)Zellen und vasoaktiven Mediatoren (VEGF, SDF-1,
IGF, Interleukine) nach anterior unterbrechen, sodass
sowohl die Entwicklung einer anterioren PVR als auch 5.3.6 Kombinierte Kataraktchirurgie
eines Sekundärglaukoms damit gebremst werden kön- und Vitrektomie
nen. Andererseits kann es, insbesondere nach retinalen
Gefäßerkrankungen mit gestörter Blut-Retina-Schranke Heute werden die meisten Vitrektomien – auch jene bei
und erhöhter Permeabilität, zu einer »Kompartimentie- retinalen Gefäßerkrankungen – in Kombination mit einer
rung« vasoaktiver Substanzen unter der SiO-Blase, mit Kataraktoperation ausgeführt, sofern der/die Patient/in
darauffolgender »sub-SiO-Proliferation« kommen. Um über 50 Jahre und nicht pseudophak ist. Grund dafür
Spätkomplikationen durch die SiOs, wie Emulsifikation, ist die raschere Kataraktformation nach einer Vitrekto-
epiretinale Membranformation, Fibrosierungen, Optiku- mie – insbesondere bei Verwendung von Tamponaden
satrophie, Glaukom oder Keratopathie, zu verhindern, wie Gas oder Silikonöl – aber natürlich auch die relativ
wird die Entfernung der SiOs nach etwa 3 bis 6 Monaten große Sicherheit und Effizienz einer Katarakt-OP. Diese
empfohlen, bei Densiron 68 bereits nach maximal 3 Mo- wird stets vor der Vitrektomie ausgeführt, um den Fun-
naten; tendenziell sollte der jeweils frühestmögliche Ter- duseinblick zu verbessern und die Gefahr eines »lens
min angestrebt werden. Eine zukünftige Anwendungs- touch« zu vermeiden. Standard ist hier die übliche skle-
möglichkeit der SiOs, insbesondere bei ischämischen rokorneale oder korneale Kleinschnitttechnik mit Inzisi-
Retinopathien, ist die Verwendung modifizierter SiOs onsgrößen unter 3 mm. Die Intraokularlinse (IOL) kann
(FSiOs) als intraokulare Medikamententräger, im Ide- mittels Pinzette oder Injektor implantiert werden. Am
alfall als »Slow release-Systeme«. Erste Studien mit Tri- Ende der Kataraktoperation kann die Inzision mit einer
amcinolon und anderen Substanzen zeigten eine sichere temporären Naht verschlossen oder hydratisiert werden;
Anwendung und gute Wirksamkeit dieser Systeme, sie die Vorderkammer wird neuerlich mit Viskoelastikum
stehen aber noch nicht in breiter klinischer Verwendung. gefüllt, um während der nachfolgenden Vitrektomie sta-
bil zu bleiben. Zu beachten ist weiter eine ausreichend
Praxistipp I I große vordere Kapsulorhexis, die den Rand der IOL ge-
PFCL sollten langsam und kontinuierlich über der rade noch überdeckt, um die postoperative Kapselfibrose
Netzhaut instilliert werden, um iatrogene Netzhaut- und Nachstarrate niedrig zu halten. Zonula und hintere
foramina und subretinales PFCL zu vermeiden. Ins- Linsenkapsel müssen geschont werden, um einen Durch-
besondere submakuläre PFCL-Blasen müssen mittels tritt eventueller Tamponaden in die Vorderkammer zu
einer Fluidnadel wieder abgesaugt werden, um einen verhindern. Insbesondere bei geplanter oder möglicher
Visusverlust zu vermeiden. Silikonölchirurgie dürfen keine Silikonlinsen verwendet
werden, da diese sonst über die Linsenkapsel mit dem

Silikonöl im Glaskörperraum verkleben. Zum Schutz der
76 Kapitel 5 · Vitrektomie: Chirurgische Prinzipien

Makula, insbesondere bei ischämischen Gefäßerkrankun- Literatur


gen oder proliferativer diabetischer Retinopathie wird der
protektive Effekt gelber Blaulichtfilter-IOLs diskutiert, Binder S, Aggermann T, Brunner S (2007) Long-term effects of radial
optic neurotomy for central retinal vein occlusion consecutive
hier fehlt zur Zeit aber noch die Evidenz einer klinischen
interventional case series. Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol.
Wirksamkeit. 245(10):1447-52
Brunner S, Izay B, Weidinger B, Maichel B, Binder S (2011) Chemical
impurities and contaminants in different silicone oils in human
5.4 Ausblick, Zukunftsperspektiven eyes before and after prolonged use. Graefes Arch Clin Exp Oph-
thalmol. Jan;249(1):29-36
Farah ME, Maia M, Rodrigues EB (2009) Dyes in ocular surgery: princip-
Die Zukunft der Vitrektomie liegt sicherlich – wie schon les for use in chromovitrectomy. Am J Ophthalmol. 148(3):332-40
die Erfahrung der letzten Jahrzehnte gezeigt hat – in
5 einem immer breiter werdenden, aber auch differenzier-
Feltgen N, Junker B, Agostini H, Hansen LL (2007) Retinal endovascu-
lar lysis in ischemic central retinal vein occlusion: one-year results
terem Indikationsspektrum. Dazu beigetragen haben ihre of a pilot study. Ophthalmology 114(4):716-23
relativ rasche weltweite Verbreitung, zunehmende Sicher- Figueroa MS, Contreras I, Noval S (2009) Anti-angiogenic drugs as an
adjunctive therapy in the surgical treatment of diabetic retinopa-
heit und fortschreitende Weiterentwicklung. Die neuesten thy. Curr Diabetes Rev 5(1):52-6. Review
Innovationen betreffen Kleinschnitt-(»small-gauge«)-In- Gandorfer A, Kampik A (2005) Pharmacologic vitreolysis combining
zisionen, die bei nahezu gleichem Anwendungsspektrum the two enzymes plasmin and hyaluronidase. Retina 25(5):674;
und niedrigen Komplikationsraten vor allem zur Verkür- author reply 674-5
zung der postoperativen Wundheilung und Verbesserung García-Arumí J, Martinez-Castillo V, Boixadera A, Fonollosa A, Corco-
stegui B (2006) Surgical embolus removal in retinal artery occlu-
des Komforts der PatientInnen beigetragen haben; die
sion. Br J Ophthalmol. 90(10):1252-5
kleinsten Systeme (27-gauge) sind derzeit noch in Erpro- Ibarra MS, Hermel M, Prenner JL, Hassan TS (2005) Longer-term out-
bung. Weitere Ansätze der jüngeren Forschung betreffen comes of transconjunctival sutureless 25-gauge vitrectomy. Am J
die Entwicklung vitreolytisch wirksamer Medikamente, Ophthalmol 139:831-6.
die alleine oder in Kombination mit einer Vitrektomie Joussen AM, Gardner TW, Kirchhof B, Ryan SJ (2007) Retinal Vascular
Disease. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg
zu einer effizienteren, schonenderen Behandlung bei vit-
Kellner L, Wimpissinger B, Stolba U, Brannath W, Binder S (2007) 25-
reoretinalen Erkrankungen – vor allem bei vorliegenden gauge vs 20-gauge system for pars plana vitrectomy: a prospec-
vitreoretinalen Traktionen – beitragen sollen. tive randomised clinical trial. Br J Ophthalmol. 91(7):945-8
Durch die Entwicklung immer weiter miniaturisierter Kroll P, Meyer CH, Mester U, Binder S, García-Arumi J (2005) Sheatho-
Instrumente, verbesserter Farbstoffe und Tamponaden tomy to decompress BRVO. Ophthalmology 112(3):528-9
Lang GE (2007) Diabetic Retinopathy, Vol. 39; from Developments in
kann die Vitrektomie seit einiger Zeit auch in der Früh-
Ophthalmology (Editor: W. Behrens-Baumann), Karger AG, Basel
behandlung schwerer oder ischämischer retinaler Ge- Opremcak EM, Rehmar AJ, Ridenour CD, Kurz DE (2006) Radial optic
fäßerkrankungen angewendet werden. Das Maß für die neurotomy for central retinal vein occlusion: 117 consecutive
Invasivität soll jedoch auch hier sein: »so viel wie nötig, cases. Retina 26(3):297-305
so wenig wie möglich«: Kleinschnitttechnik, saubere und Oshima Y, Wakabayashi T, Sato T, Ohji M, Tano Y (2010) A 27-gauge
instrument system for transconjunctival sutureless microincision
ausreichende Vitrektomie, Membranpeeling nach sparsa-
vitrectomy surgery. Ophthalmology 117(1):93-102.e2. Epub 2009
mem Anfärben, Laserkoagulation, eventuell Applikation Oct 31
anti-inflammatorischer und anti-angiogener Medika- Park DH, Kim IT (2010) Long-term effects of vitrectomy and internal
mente, stadiengerechte Auswahl der Tamponaden, mit limiting membrane peeling for macular edema secondary to cen-
tendenziell eher restriktivem Einsatz von Silikonöl. Das tral retinal vein occlusion and hemiretinal vein occlusion. Retina
30(1):117-24
Behandlungskonzept wird dabei immer mehr individua-
Schmid-Kubista KE, Lamar PD, Schenk A, Stolba U, Binder S (2010)
lisiert, also an Art und Ausmaß der Netzhauterkrankung Comparison of macular function and visual fields after memb-
sowie die sonstigen Begleitumstände angepasst werden rane blue or infracyanine green staining in vitreoretinal surgery.
(vor allem bei extrem schwierigen Erkrankungen wie der Graefes Arch Clin Exp Ophthalmol. 248(3):381-8
ROP). Das Ziel muss dabei immer eine möglichst rasche, Scott IU, Flynn HW Jr, Murray TG, Smiddy WE, Davis JL, Feuer WJ (2005)
Outcomes of complex retinal detachment repair using 1000- vs
bestmögliche funktionelle Rehabilitation mit geringst-
5000-centistoke silicone oil. Arch Ophthalmol. 123(4):473-8
möglicher Komplikations- oder Rezidivrate sein. Bei al- Stefansson E, Landers MB (2006) How does vitrectomy affect diabetic
len faszinierenden Entwicklungen der Netzhautchirurgie macular edema? Am J Ophthalmol 141:984
der jüngsten Zeit dürfen aber nach wie vor die Grenzen Stolba U, Binder S, Gruber D, Krebs I, Aggermann T, Neumaier B (2005)
von Ethik und Sinnhaftigkeit nicht übersehen werden. Vitrectomy for persistent diffuse diabetic macular edema. Am J
Ophthalmol 140:295-301
Hier ist, insbesondere bei Augenerkrankungen mit ent-
Wong D, Van Meurs JC, Stappler T, Groenewald C, Pearce IA, McGalli-
sprechender internistischer oder neurologischer Grund- ard JN, Manousakis E, Herbert EN (2005) A pilot study on the use
erkrankung, eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Analyse und of a perfluorohexyloctane/silicone oil solution as a heavier than
optimale interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich. water internal tamponade agent. Br J Ophthalmol. 89(6):662-5
6

Behandlung des rubeotischen


Sekundärglaukoms
T. Schlote, K. U. Bartz-Schmidt

6.1 Stadieneinteilung und Therapieziele – 78

6.2 Therapie des frühen rubeotischen Sekundärglaukoms (Offenwinkeltyp) – 79

6.3 Therapie des fortgeschrittenen rubeotischen Sekundärglaukoms


(Winkelblocktyp) – 82

6.4 Glaucoma absolutum mit Schmerzen – 83

Literatur – 85

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_6,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
78 Kapitel 6 · Behandlung des rubeotischen Sekundärglaukoms

Das rubeotische Sekundärglaukom (Neovaskularisationsglau-


⊡ Tab. 6.1 Erkrankungen mit dem Risiko eines rubeotischen
kom) ist eines der am Schwersten zu therapierenden Sekun- Sekundärglaukoms
därglaukome überhaupt. Die Visusprognose ist in der Regel
bereits als Folge der Grunderkrankung eher schlecht. Immerhin Retinale Proliferative diabetische Retinopathie
Ischämie Zentralvenenverschluss
bis zu 15% aller Enukleationen erfolgen wegen eines therapie-
Zentralarterienverschluss
resistenten rubeotischen Sekundärglaukoms, bei bis zu 50% Ischämische Ophthalmopathie
aller enukleierten Augen ließ sich eine Rubeosis iridis nachwei- Lange bestehende Ablatio retinae
sen. Die weit größte Zahl der rubeotischen Sekundärglaukome Sichelzellanämie
(rund 97%) entsteht auf der Basis einer retinalen Ischämie. Da- Retinopathia prematurorum
Strahlenretinopathie
bei spielen zwei Krankheitsbilder eine überragende Rolle: X-chromosomal vererbte Retinoschisis
▬ die proliferative diabetische Retinopathie und
▬ die proliferative Retinopathie nach Zentralvenenverschluss. Entzündliche Intermediäre / posteriore Uveitiden
Erkrankungen Fuchs Heterochromie Zyklitis
Morbus Behçet
6 Die Häufigkeit des rubeotischen Sekundärglaukoms liegt bei Morbus Eales
bis zu 8% bei proliferativer diabetischer Retinopathie und bis Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom
zu 30% nach Zentralvenenverschluss. Zur Behandlung eines Systemischer Lupus erythematodes
Sympathische Ophthalmie
rubeotischen, ischämisch induzierten Sekundärglaukoms ge-
hört deshalb immer auch die Behandlung der ischämischen Intraokulare Retinoblastom
Retinopathie. Viele dieser Behandlungsschritte wie der reti- Tumoren Melanom der Iris/ Choroidea
nalen Pan-Laserkoagulation dienen bereits im Vorhinein der Lymphom
Metastasen
Prophylaxe eines rubeotischen Glaukoms.
Weit seltener sind dagegen die rubeotischen Glaukome
anderer Genese (⊡ Tab. 6.1). In all diesen Fällen stellt die
Therapie eine Kombination aus der Behandlung der jeweils 6.1 Stadieneinteilung und Therapieziele
vorliegenden Grunderkrankung und der Behandlung der Fol-
geerscheinung Neovaskularisationsglaukom dar. In diesem Das rubeotische Sekundärglaukom bei retinaler Ischämie
Kapitel gilt die besondere Aufmerksamkeit dem Letzteren. kann in 3 Formen bzw. Stadien eingeteilt werden:
▬ Frühes rubeotisches Sekundärglaukom mit überwie-
Praxistipp I I gend offenem Kammerwinkel (⊡ Abb. 6.1a,b)
Hauptauslöser eines rubeotischen Sekundärgaukoms ▬ Fortgeschrittenes rubeotisches Sekundärglaukom mit
sind die proliferative diabetische Retinopathie und der verschlossenem Kammerwinkel (sekundäres Winkel-
Zentralvenenverschluss. blockglaukom) (⊡ Abb. 6.1c)
▬ Glaucoma absolutum mit oder ohne Schmerzen

a b c

⊡ Abb. 6.1 Kammerwinkelbefunde bei rubeotischem Sekundärglaukom. a Offener Kammerwinkel (keine vorderen Synechien), beginnende
Neovaskularisation. b Offener Kammerwinkel mit ausgeprägten Neovaskularisationen und fokalen peripheren vorderen Synechien. c Komplet-
ter verschlossener Kammerwinkel durch vordere Synechien (sekundärer Winkelblock) (Aus Schlote et al. 2007)
6.2 · Therapie des frühen rubeotischen Sekundärglaukoms (Offenwinkeltyp)
79 6
Dieser Stadieneinteilung folgend sind unterschiedliche
Therapiestrategien erforderlich, die im Folgenden behan-
delt werden.
Grundsätzlich wird das Ziel einer Glaukomtherapie
aktuell so definiert, dass die Sehfunktion des Patienten
und damit seine Lebensqualität zu vertretbaren Kosten
unter Berücksichtigung der Lebenserwartung eines indi-
viduellen Patienten zu erhalten ist.
Für die spezielle Situation der rubeotischen Sekun-
därglaukome (bei retinaler Ischämie) lassen sich die The-
rapieziele noch weiter konkretisieren:
a
▬ Behandlung der retinalen Ischämie
▬ Rückbildung von Rubeosis iridis und Kammerwin-
kelneovaskularisationen
▬ Verhinderung eines sekundären Winkelblocks durch
vordere Synechierung
▬ Kontrolle des Intraokulardrucks (IOD)
▬ Erhalt der Sehschärfe (und Lebensqualität)
▬ Vermeidung chronischer Schmerzzustände

6.2 Therapie des frühen rubeotischen


Sekundärglaukoms (Offenwinkeltyp)
b
Das frühe rubeotische Sekundärglaukom ist gekenn-
zeichnet durch erhöhten Intraokulardruck (IOD), Kam-
merwinkelneovaskularisationen und fehlender (oder
gerade beginnender) peripherer vorderer Synechierung
(⊡ Abb. 6.1a,b, ⊡ Abb. 6.2a).
Bei der Verlaufskontrolle von Patienten mit retinaler
Ischämie (D.m., Z.n. Zentralvenenverschluss) muss be-
dacht werden, das Kammerwinkelneovaskularisationen
ohne an der Spaltlampe sichtbare Rubeosis nicht selten
sind. Browning et al. (1988) konnten Kammerwinkelneo-
vaskularisationen ohne Rubeosis iridis bei 12% der Au-
gen nach Zentralvenenverschluss beobachten. Ähnliche
c
Befunde fanden sich auch bei Patienten mit diabetischer
Retinopathie. Die Gonioskopie ist deshalb unverzicht-
⊡ Abb. 6.2 Gonioskopiebefunde bei rubeotischem Sekundärglaukom.
barer Bestandteil aller Kontrolluntersuchungen von Pa- a Frühe Kammerwinkelneovaskularisationen ohne vordere Synechien.
tienten mit retinalen Ischämien. Typisch sind irregulär b Kompletter Kammerwinkelverschluss (sekundärer Winkelblock).
verteilte feine Gefäße, die über das ganze trabekuläre c Siderosis des trabekulären Maschenwerks (Aus Schlote et al. 2007)
Maschenwerk hinweg ziehen können.

Praxistipp I I
Kammerwinkelneovaskularisationen ohne erkennbare malisierung des IOD beim frühen Neovaskularisations-
Rubeosis sind nicht selten. Deshalb immer eine Goniok- glaukom.
sopie durchführen! Bei klaren optischen Medien ist die panretinale La-
serkoagulation als Goldstandard zu bezeichnen. Ohnishi
et al. (1994) konnten eine Rückbildung der Rubeosis bei
Die Behandlung der retinalen Ischämie ist der wichtigste 68% der Patienten und eine Normalisierung des IOD bei
Schritt, um eine Rückbildung der Neovaskuarisationen 42% der Patienten beobachten. Dabei besteht eine klare
auf der Iris und im Kammerwinkel zu bewirken, und Abhängigkeit vom Umfang der Panlaserkoagulation.
damit auch ein sehr wichtiger Einflussfaktor für die Nor- Striga und Ivanisevic (1993) fanden eine Rückgang der
80 Kapitel 6 · Behandlung des rubeotischen Sekundärglaukoms

6 a

⊡ Abb. 6.3 Intravitreale Anti-VEGF-Therapie bei Rubeosis iridis. a Iris-Fluoreszenzangiographie zur Dokumentation der Rubeosis vor Gabe von
Bevacizumab (links Leeraufnahme, rechts 2 min nach Applikation der Fluoreszein). b Iris-Fluoreszenzangiographie gleichen Auges nach Gabe
von Bevacizumab (links Leeraufnahme, rechts 2 min nach Applikation von Flureszein) (Mit freundl. Genehmigung von Grisanti et al. 2006)

Rubeosis in 70% nach ausgiebiger Panlaserkoagulation


(1.200-1.600 Herde), aber nur in 37,5% nach lockerer
Praxistipp I I
Die adjuvante (!), intravitreale Applikation von Anti-
Panlaserbehandlung (400-650 Herde).
VEGF-Antikörpern zur Behandlung der Rubeosis ist ein
! Cave! »Off-label-use«, aber sehr schnell und gut wirksam.
Eine lockere oder unvollständige Panlaserkoagu-
lation verschlechtert die Rückbildungstendenz
Als topische IOD-senkende Mittel kommen vor allem
einer Rubeosis erheblich.
Mittel zur Senkung der Kammerwasserproduktion (Be-
Ergänzend zur Panlaserkoagulation hat sich die frühe, tablocker, Karboanhydrasehemmer, Alpha-2-Analoga)
adjuvante Behandlung einer Rubeosis mittels intravit- unter Berücksichtigung möglicher Kontraindikationen
realer Applikation von Anti-VEGF-Antikörpern (Ranibi- infrage. Prostaglandinanaloga sind vermutlich weniger
zumab oder Bevacizumab) als sehr erfolgreich erwiesen. wirksam, da erhöhte intraokulare Prostaglandinspiegel
Bereits die einmalige intravitreale Gabe kann innerhalb aufgrund der begleitenden entzündlichen Prozesse vor-
weniger Tage zu einem weitgehenden Verschluss rubeoti- liegen. Pilocarpin ist ebenfalls nicht empfehlenswert, da
scher Gefäße auf der Iris und im Kammerwinkel führen es die Blut-Kammerwasser-Schranke weiter verschlech-
(⊡ Abb. 6.3). Wiederholte Injektionen sollten nur in Ab- tert und bei Pupillenverengung die Ausbildung hinterer
hängigkeit vom individuellen Verlauf erfolgen. Synechien fördert.
6.2 · Therapie des frühen rubeotischen Sekundärglaukoms (Offenwinkeltyp)
81 6
Praxistipp I I müssen. Die Behandlung eines frühen rubeotischen
Sekundärglaukoms mit überwiegend offenem Kammer-
Keine Prostaglandinanaloga oder Pilocarpin beim Neo-
winkel und weitgehend klaren optischen Medien scheint
vaskularisationsglaukom.
auf der Basis der genannten Optionen in folgender
Kombination dieser Verfahren aktuell am Erfolg ver-
Zusätzlich zur drucksenkenden Lokaltherapie sollte eine sprechendsten:
lokale antientzündliche Therapie durchgeführt wer- 1. Suffiziente panretinale Laserkoagulation
den, da der Zusammenbruch der Blut-Kammerwasser- 2. Frühe intravitreale Gabe von Bevacizumab
Schranke zu einem erhöhten Protein- und Zellgehalt im 3. Topische IOD-senkende Therapie, bei Scheitern
Kammerwasser führt, und entzündliche Prozesse ein nachfolgende Trabekulektomie mit MMC.
wesentlicher Faktor bei der Ausbildung von Synechien
sind. Am Potentesten sind Prednisolonacetat- und Dexa- Praxistipp I I
methason-Augentropfen, allerdings mit dem Risiko des Therapie des frühes Neovaskularisationsglaukom
sekundären, steroidinduzierten Druckanstiegs. Alterna- = Panlaserkoagulation + intravitreal Anti-VEGF + topi-
tiv kann auf Rimexolon zurückgegriffen werden, das sche Glaukomittel und ggf. nachfolgende Trabekulek-
eine geringere drucksteigernde Potenz haben soll. tomie mit MMC.
Fistulierende Eingriffe wie die Trabekulektomie
kommen bei Patienten mit persistierender IOD-Erhö-
hung trotz maximaler lokaler Therapie nach Behandlung Gelingt keine ausreichende Panlaserkoagulation (1.200
der retinalen Ischämie mit einer Panlaserkoagulation, bis 1.600 Herde), kann zusätzlich eine periphere, retinale
Rückbildung der Rubeosis und überwiegend offenem Kryotherapie oder transsklerale Zyklophotokoagulation
Kammerwinkel infrage. Ohne Antimetaboliten oder eine erfolgen. Die panretinale Kryotherapie stellt durchaus
andere Form der adjuvanten Therapie ist jedoch mit eine effektive Behandlungsmethode zur Rückbildung ei-
einer hohen Vernarbungsrate (80%) zu rechnen (Mietz ner Rubeosis und IOD-Kontrolle bei frühen Neovasku-
et al. 1999). Selbst mit Mitomycin C (MMC) Applikation larisationsglaukomen dar. Es wurde über eine IOD-Kon-
ist von einer eher reduzierten Erfolgsrate (30-60%) aus- trolle bei 82% der Patienten ein Jahr nach panretinaler
zugehen. Kryotherapie berichtet.
Neue Möglichkeiten bietet die Kombination aus Tra- Aufgrund der guten technischen Entwicklung stellt
bekulektomie und anti-VEGF-Therapie. Die gleichzei- die Pars-plana-Vitektomie (mit/ohne Lentektomie) und
tige intravitreale Gabe von Bevacizumab verbessert die Endolaserphotokoagulation heute die Methode der
Prognose der Trabekulektomie im Vergleich zu einer Wahl dar zur Behandlung proliferativer Retinopathien
alleinigen Trabekulektomie. Weitgehender ist das von mit Progression von Rubeosis und Retinopathie nach
Alkawas und Mitarbeitern (2010) untersuchte Konzept, unzureichender bzw. therapeutisch nicht ausreichend
bei dem zunächst eine Panlaserkoagulation mit intravit- wirksamer Panlaserkoagulation. Bei Glaskörpertrü-
realer Gabe von Bevacizumab erfolgte und nachfolgend bungen kann sie bereits sehr früh notwendig werden.
eine Trabekulektomie mit MMC durchgeführt wurde. Bei dieser Vorgehensweise (Vitrektomie ohne Endo-
Eine weitere kleine Studie von Marey und Ellakwa tamponade) ist allerdings mit einer weiter erhöhten
(2011) an 20 Augen konnte bei gleicher Vorgehens- Konzentration von VEGF im Glaskörperraum zu rech-
weise eine Erfolgsrate von 78% nach einem Jahr beob- nen. Ein rubeotisches Sekundärglaukom mit progres-
achten. Histopathologisch konnte in den während der siver, proliferativer Retinopathie nach insuffizienter
Trabekulektomie entnommenen Trabekelwerksproben Panlaserkoagulation wird deshalb in der Regel eine so
bei Vorbehandlung mit anti-VEGF-Hemmern geringere genannte antiproliferative Chirurgie benötigen. Diese
entzündliche und vaskuläre Veränderungen beobachtet beinhaltet eine Pars-plana-Vitrektomie, Endolaser-
werden. In einer weiteren kleinen Fallserie wurde zu- photokoagulation von Retina und Ziliarkörper sowie
sätzlich zur intraoperativen Gabe von MMC am Ope- eine Endotamponade mit Silikonöl. Bartz-Schmidt et
rationsende zusätzlich Bevazicumab subkonjunktival al. (1999) berichteten bei dieser Vorgehensweise über
appliziert. eine IOD-Normalisierung bei 72% der behandelten
Fasst man all die genannten Möglichkeiten der adju- Patienten mit unkontrolliertem rubeotischen Sekun-
vanten anti-VEGF-Therapie im Rahmen der Glaukom- därglaukom bei proliferativer diabetischer Retinopathie
chirurgie neovaskulärer Glaukome zusammen, scheint oder Zentralvenenverschluss. Die Silikonöltamponade
sich die anti-VEGF-Therapie auch in diesem Segment verhindert postoperative Komplikationen und sepa-
allmählich zu etablieren, auch wenn zukünftige Stu- riert den vorderen und hinteren Augenabschnitt von-
dien noch die beste Applikationsweise herausarbeiten einander.
82 Kapitel 6 · Behandlung des rubeotischen Sekundärglaukoms

Praxistipp I I
Rubeotisches Sekundärglaukom, (Glaskörpertrübun-
gen) und proliferative Retinopathie bei insuffizienter
Panlaserkoagulation bedürfen einer Pars-plana-Vit-
rektomie/Endolaserkoagulation/Endotamponade mit
Silikonöl.

Bei Scheitern einer Trabekulektomie kann eine trans-


limbale Implantation eines Drainageröhrchens (Molteno,
Baerveldt, Ahmed) oder eine transsklerale Zyklophoto-
koagulation durchgeführt werden. Die translimbale Im-
plantation eines Drainageimplantats ist prinzipiell ge- ⊡ Abb. 6.4 Ausgeprägte Rubeosis vor allem der peripheren Iris und
6 eignet für Patienten ohne vollständige Verlegung des des Kammerwinkels bei proliferativer diabetischer Retinopathie. (Aus
Kammerwinkels. Mermoud und Mitarbeiter (1993) be- Schlote et al. 2007)
richteten über eine Erfolgsrate nach Einsetzen eines (»sin-
gle plate«) Molteno-Implantats bei 60 Augen mit rubeoti-
schem Glaukom von 62% nach einem Jahr und 10% nach Mittel wie bei der frühen Form des Neovaskularisations-
5 Jahren. 48% der Augen erblindeten, 18% entwickelten glaukoms ( Abschn. 6.2).
eine Phthisis bulbi. Die Autoren empfahlen die Methode Für das sekundäre Winkelblockglaukom steht nach
deshalb nur bei Augen mit dem Behandlungsziel der suffizienter Behandlung der retinalen Ischämie durch
Schmerzfreiheit und Vermeidung einer Enukleation. panretinale Laserkoagulation die transsklerale Zyklo-
Die transsklerale Zyklophotokoagulation kann bei photokoagulation zur Verfügung. In der Literatur sind
einem deutlich geringeren Risiko von Komplikationen Erfolgsraten zwischen 56% und 87% bei einer Nachbe-
besonders bei älteren Patienten erfolgreich eingesetzt obachtungszeit von 1 bis 5 Jahren beschrieben worden.
werden. Vergleichbare Erfolgsraten nach Zyklophotoko- Wiederholte Behandlungen sind bei 40% bis 50% der Pa-
agulation versus Trabekulektomie beim Neovaskularisa- tienten notwendig. Gegenüber anderen Glaukomformen
tionsglaukom wurden berichtet ( Abschn. 6.3 und  Ab- besteht möglicherweise ein erhöhtes Risiko der Hypo-
schn. 6.4). tonie und Phthisis, da die jeweils individuell erforderli-
che Dosis bei Vorliegen eines Kammerwinkelverschlus-
ses kaum abschätzbar ist. Die wiederholte Behandlung
6.3 Therapie des fortgeschrittenen scheint insgesamt die sinnvollere Vorgehensweise als eine
rubeotischen Sekundärglaukoms forcierte Erstbehandlung.
(Winkelblocktyp) Bei aktiver proliferativer Retinopathie wird die Zyk-
lophotokoagulation (endo- oder transskleral) häufig in
Das fortgeschrittene rubeotische Glaukom ist durch den Kombination mit einer Pars-plana-Vitrektomie, Endola-
(sub)totalen Kammerwinkelverschluss durch exzessive serphotokoagulation und Silikonöltamponade notwendig
vordere Synechierung (sekundärer Winkelblock) ge- sein (s. antiproliferative Chirurgie unter  Abschn. 6.2)
kennzeichnet (⊡ Abb. 6.1c und ⊡ Abb. 6.2b). Der typische Die transsklerale Zyklophotokoagulation bleibt wei-
Spaltlampenbefund zeigt eine ausgeprägte Rubeosis iridis ter eine gute Option bei Patienten mit langfristiger Si-
(⊡ Abb. 6.4), die im Folgenden mit einem Verlust der nor- likonöltamponade und Sekundärglaukom. Beschrieben
malen Irisarchitektur durch Ausbildung einer fibrovasku- wurden Erfolgsraten um 50%. Möglicherweise erhöhen
lären Membran einhergeht. Weitere Sekundärkomplikati- mehrfache, vorhergehende vitreoretinale Eingriffe das
onen sind eine Pupillenverziehung, Ectropium uveae, He- Risiko einer späteren Bulbushypotonie nach Diodenlaser-
terochromie, hintere Synechien, Katarakt, bandförmige Zyklophotokoagulation.
Hornhautdegeneration. Trotzdem wird ein Teil der Patienten mit rubeoti-
Ein überwiegend verschlossener Kammerwinkel wird schem sekundären Winkelblockglaukom mit den oben
in der Regel mit einer bleibenden IOD-Erhöhung ein- genannten Möglichkeiten nicht ausreichend therapierbar
hergehen, selbst wenn eine suffiziente Behandlung der sein. Eine Möglichkeit bieten hier die Pars-plana modi-
retinalen Ischämie und ein Rückgang der Rubeosis er- fizierten Drainageimplantate (⊡ Abb. 6.5). Für das mo-
reicht werden. Auch die topische, medikamentöse Glau- difizierte Baerveldt-Implantat wurden hohe Erfolgsraten
komtherapie wird in dieser Situation häufig scheitern. Zu von bis zu 90% bei sekundären Winkelblockglaukomen
bevorzugen sind prinzipiell kammerwasserreduzierende beschrieben.
6.4 · Glaucoma absolutum mit Schmerzen
83 6

⊡ Abb. 6.5 Pars-plana Baerveldt Drainageimplantat mit Hofmann- ⊡ Abb. 6.6 Retinektomie im tempero-superioren Quadranten der
Ellbogen. (Aus Schlote et al. 2007) Retina. (Aus Schlote et al. 2007)

Alternativ kann das modifizierte Ahmed Glaucoma Als letzte Möglichkeit der IOD-Senkung steht die Reti-
Valve mit Pars-plana-Clip verwendet werden. In einer nektomie zur Verfügung (⊡ Abb. 6.6). Bei der Retinek-
Pilotstudie wurde dieses nach vorheriger separater Vit- tomie mit intraokularer Gastamponade zeigten 5 Jahre
rektomie und nach Scheitern der Zyklophotokoagulation nach dem Eingriff 53% aller behandelten Augen einen
bei sekundären Winkelblockglaukomen verschiedener IOD im Normbereich. Andererseits entwickelten 48%
Genese implantiert und führte zu einer IOD-Regulation der Augen retinale Komplikationen. Das Risiko retinaler
(<21 mmHg) bei 91% der Patienten innerhalb des ers- Komplikationen kann wahrscheinlich durch Kombina-
ten Jahres. In einer weiteren Studie wurde bei 18 Augen tion mit einer zeitlich begrenzten Silikonöltamponade
mit Neovaskularisationsglaukom zeitgleich eine Vitrek- deutlich verringert werden.
tomie, panretinale Laserkoagulation und Implantation
einer Pars-plana Ahmed Valve durchgeführt. Insgesamt
erreichten rund 72% der Augen einen IOD zwischen 6.4 Glaucoma absolutum mit Schmerzen
5 und 21 mmHg. Bei der Implantation von Drainageim-
plantaten muss im Besonderen auf frühe und zeitliche Das primäre Ziel der Behandlung eines blinden, schmerz-
etwas verzögerte (2 Monate postoperative) Druckspitzen haften Auges liegt in der Beschwerdefreiheit bei gleichzei-
geachtet werden. Ein größerer Teil der Patienten wird tig kosmetisch akzeptabler Situation (⊡ Abb. 6.7).
auch postoperativ mittelfristig eine zusätzlich drucksen- Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Schmerzen bei
kende Tropfentherapie benötigen. einem blinden Auge mehrere Gründe haben können:
▬ Schmerzen aufgrund eines erhöhten IOD
Praxistipp I I ▬ Schmerzen aufgrund eines Ziliarkörperspasmus bei
Pars-plana modifizierte Drainageimplantate sind bei persistierender intraokularer Entzündung
vorheriger oder zeitgleicher Durchführung einer Pars- ▬ Schmerzen aufgrund einer Oberflächenproblematik
plana-Vitrektomie eine gute Option zur Senkung des
IOD bei sekundären Winkelblockglaukomen. Bei schmerzinduzierendem, erhöhten IOD wird eine
topische medikamentöse Therapie der erste Therapie-
schritt sein. Ein nicht kleiner Teil der Patienten wird
! Cave! aber so nicht ausreichend behandelbar sein. Die trans-
Druckspitzen nach Einsetzen von Drainageim- sklerale Zyklophotokoagulation hat sich als gute Me-
plantaten in den ersten postoperativen Monaten! thode zur Reduktion des IOD, aber auch zur Reduktion
84 Kapitel 6 · Behandlung des rubeotischen Sekundärglaukoms

kann) kann ebenfalls mit einer systemischen Kortikos-


teroidtherapie über mehrere Wochen erfolgreich behan-
delbar sein. Es handelt sich hier jeweils um Einzelfall-
entscheidungen, für die es es keine allgemein gültigen
Richtlinien gibt.
Schmerzen aufgrund einer Oberflächenproblema-
tik beinhalten die Benetzungsstörung, Dekompensation
der Hornhaut, bandförmige Hornhautdegeneration und
tropische Hornhautulzera. In Frage kommen Tränener-
satzmittel, Serum-Augentropfen, Verbandslinsen, Entfer-
nung einer Hornhautbanddegeneration, oder die Am-
nionmembrantransplantation zur Deckung trophischer
Hornhautulzera bis hin zur Bindehautdeckung oder par-
⊡ Abb. 6.7 Blindes, schmerzhaftes Auge mit rubeotischem Glaukom
6 und bandförmiger Hornhautdegeneration nach mehrfachen chirurgi-
tiellen bis kompletten Tarsorhaphie.
schen Eingriffen. (Aus Schlote et al. 2007)
Fazit für die Praxis
Die Behandlung eines rubeotischen Sekundärglaukoms
schließt sich zunächst der Therapie der Grunderkrankung
der Schmerzen (selbst wenn der IOD nicht oder nur an, wobei es sich vor allem um eine retinale Ischämie unter-
graduell sinken sollte) bewährt. Martin und Broadway schiedlicher Genese handelt.
(2001) konnten über eine Beseitigung von Schmerzen Bei frühen Formen des rubeotischen Glaukoms kann
bei 95% der Patienten nach Diodenlaser-Zyklophotoko- die konsequente panretinale Laserkoagulation eine IOD-
agulation berichten. Die Schmerzreduktion war signi- Normalisierung bewirken. Die frühe intravitreale Gabe
fikant assoziiert mit einer IOD-Senkung über 30% des von Anti-VEGF-Faktoren scheint diesen Prozess wirksam
Ausgangswertes. Ein intraokularer Eingriff sollte wenn zu unterstützen. Bei weiter persistierender IOD-Erhöhung
möglich vermieden werden, da bei diesen Augen wegen trotz Lokaltherapie nach gelungener Behandlung der
der schwierigen Ausgangssituation nicht beherrschbare retinalen Ischämie scheint die Trabekulektomie mit Mito-
Komplikationen auftreten können und ein (wenn auch mycin C die Erfolg versprechendste Operationsmethode.
niedriges) Risiko einer sympathischen Ophthalmie ein- Progrediente neovaskuläre Glaukome mit unzureichender
gegangen wird. Behandlung der retinalen Ischämie bedürfen einer anti-
Alternativ oder bei Scheitern anderer Behandlungs- proliferativen Chirurgie (Vitrektomie, Endolaser, Silikonöl-
möglichkeiten kann eine retrobulbäre Injektion von Al- tamponade).
kohol oder Chlorpromazin (nicht mehr zugelassen in der Das rubeotische Glaukom mit verschlossenem Kammer-
Bundesrepublik Deutschland) erwogen werden. Es wurde winkel kann bei ausreichender retinaler Laserkoagulation
über eine Erfolgsrate von 80% nach Retrobulbärinjektion mittels transskleraler Zyklophotokoagulation behandelt
von 1-2 ml Chlorpromazin (25 mg/ml) berichtet. Mehr werden, da die topische medikamentöse Therapie zumeist
als 50% der Patienten blieben länger als 1 Jahr schmerz- nicht ausreichend ist. Bei Progredienz des proliferativen Ge-
frei. schehens wird eine antiproliferaitve Chirurgie erforderlich
Die Enukleation bleibt die Ultima Ratio und be- sein. Lässt sich der IOD trotz vorgenannter Möglichkeiten
wirkt eine Schmerzbeseitigung bei den meisten Patienten nicht beherrschen, stellen die Drainageimplantate via Pars
(>90%). Dies gilt insbesondere für Fälle einer beginnen- plana eine gute Behandlungsmöglichkeit mit relativ hoher
den schmerzhaften Phthisis. Erfolgsaussicht dar.
Ein entzündungsbedingter Schmerz muss auch an- Beim blinden, schmerzhaften Glaukomauge richtet sich
tientzündlich angegangen werden, wobei hier auf eine der Therapieansatz nach der Ursache der Schmerzen, die
mögliche infektiöse Genese (z.B. bakterielle Hornhautin- entzündungsbedingt, IOD-bedingt, oder durch Oberflä-
filtrate) zu achten ist. Fehlen Hinweise auf eine infekti- chenprobleme bedingt sein können. Die Enukleation bleibt
öse Genese, kommen bei intraokularer Entzündungsre- die Ultima Ratio.
aktion topische Kortikosteroide mit hoher Wirkpotenz Die Behandlung des neovaskulären Glaukoms befindet
(Dexamethason, Prednisolonacetat) in Kombination mit sich insgesamt in einem interessanten Entwicklungspro-
Zykloplegika in Frage. Eine beginnende schmerzhafte zess, wobei z.B. die weitere Optimierung der Anti-VEGF-The-
Phthisis kann gelegentlich auch auf eine systemische rapie und der Drainageimplantate wichtige Ansatzpunkte
Kortikosteroidtherapie ansprechen. Die seltene, nicht- für eine Verbesserung der Prognose bei diesen schwierigen
infektiöse Skleritis (die auch Teil einer Phthisis sein Glaukomen bieten.
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7

Pharmakologische Ansätze in der


Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen
F. Ziemssen

7.1 Einleitung – 88

7.2 Pharmakodynamische Prinzipien – 88

7.3 Pharmakokinetik in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen – 89


7.3.1 Glaskörperraum als »Reservoir« – 89
7.3.2 Elimination und Verteilung intravitrealer Medikamente – 89
7.3.3 Blut-Netzhaut-Schranke – 89
7.3.4 Moderne Drug-Delivery-Systeme – 90

7.4 Intravitreale operative Medikamentenapplikation (IVOM) – 91


7.4.1 Leitliniengerechte Durchführung – 92
7.4.2 Risiken und Komplikationen – 93

7.5 Schlussbemerkungen – 94

Literatur – 94

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_7,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
88 Kapitel 7 · Pharmakologische Ansätze in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen

Die Verfügbarkeit moderner Medikamente hat zu einem biotechnologischen Fortschritte ermöglichen es heute,
exponentiellen Anstieg der intravitrealen Pharmakotherapie ein Medikament so zu designen, das es zielgerichtet ein
geführt. Schon allein deshalb ist das Wissen um pharmakolo- Zytokin, ein Rezeptormolekül oder den entscheidenden
gische Prinzipien, die korrekte Durchführung sowie relevante Botenstoff eines Signaltransduktionswegs beeinflusst. Die
Risiken des Eingriffs von großer Bedeutung für die klinische Rezeptoren werden grob in mindestens vier verschiedene
Routine. funktionelle Familien eingeteilt:
1. Typ-1-Rezeptoren sind Membranproteine, die mit
einem Ionenkanal verbunden sind (Rezeptor eines
7.1 Einleitung Neurotransmitters)
2. Bei Typ-2-Rezeptoren wird die biologische Wirkung
Während früher allein Medikamente des vorderen Au- zwischen Membranprotein und Enzym oder Kanal
genabschnitts – insbesondere Augentropfen – den Markt durch ein G-Protein vermittelt
der ophthalmologischen Präparate dominiert haben, 3. Die Signalweitergabe an den Typ-3-Rezeptoren er-
spielen retinale Strukturen als Angriffspunkte eine zu- folgt typischerweise durch ein direkt gebundenes
nehmende Rolle. Obwohl das Konzept, den Glaskör- Enzym oder inhärente enzymatische Aktivität (Phos-
7 per als Medikamentenreservoir oder Depot zu nutzen, phorylierung des Insulinrezeptors)
ursprünglich schon von Machemer (PVR-Prophylaxe) 4. Typ-4-Rezeptoren sind wiederum im Zellkern oder
stammt, wurden die ersten Erfahrungen mit der intra- Zytoplasma lokalisiert und beeinflussen dort die Ge-
vitrealen Pharmakotherapie hauptsächlich in der Be- nexpression (Steroidrezeptoren)
handlung infektiöser Retiniden und Endophthalmitiden
weiterentwickelt. Indem Erreger wie Bakterien oder Cy- Die räumliche Organisation ist dafür verantwortlich, dass
tomegalieviren direkt am Ort der Erkrankung behandelt es trotz überlappender Botenstoffe und interagierender
wurden, konnte die systemische Exposition und so auch Signalwege (Crosstalk) nicht zu einem völligen Durchei-
die Nebenwirkungen reduziert werden. Gleichzeitig kann nander kommt.
die Dosis an die okulären Anforderungen angepasst wer- Entsprechend der Wirkung werden Medikamente in
den, weil die Blut-Netzhaut-Schranke der retinalen Ge- ▬ Agonisten,
fäße nicht mehr zu überwinden ist. Nach kristalloiden ▬ Antagonisten,
Wirkstoffen, die definierte Mengen entsprechend des ▬ partielle Agonisten,
Löslichkeitsprodukts abgeben, stehen heute ausgeklü- ▬ inverse Agonisten und
gelte Drug-Release-Systeme für den Glaskörperraum zur ▬ allosterische Modulatoren
Verfügung.
Den rasanten Durchbruch verdankt die medikamen- unterschieden. Es ist wichtig, zwischen der Wirkstärke
töse Therapie aber auch der Entwicklung zielgerichteter oder Potenz einer Substanz, die angibt, welche mini-
Biologika. Weil eine Affektion der retinalen Gefäße nicht malen Dosen nötig sind, um einen gewünschten Effekt
zuletzt den ophthalmologischen »Volkserkrankungen« zu zu erzielen, und dem Maximaleffekt eines Wirkstoffs
Grunde liegt, waren es die VEGF-Inhibitoren, die weltweit zu differenzieren. Einzelne Individuen können sich in
neue Therapiemaßstäbe mit der intravitrealen operativen dieser Dosiswirkungsbeziehung, die mit der mittleren
Medikamentenapplikation (IVOM) setzten. Schätzungen Effektivdosis ED50 beschrieben werden kann, erheblich
gehen davon aus, dass in den westlichen Industrieländern unterscheiden. Für das therapeutische Fenster eines Me-
mittlerweile mindestens 300 IVOMs/100.000 Einwohner dikaments ist vor allem die Spanne zwischen wirksamem
und Jahr erfolgen. Bereich und negativen Effekten von Bedeutung. Bei den
sogenannten Biologika steht auf Seiten der Toxizität die
Antigenität zunehmend im Blickfeld (Anaphylaxie und
7.2 Pharmakodynamische Prinzipien Tachyphylaxie durch Antikörper).
In Bezug auf die Pharmakodynamik muss man zum
Das Verständnis von biochemischen Abläufen erlaubt es, Teil multiple Mechanismen eines einzelnen Wirkstoffs
das gerichtete Angreifen eines Pharmakons an ein Mo- berücksichtigen (Pleiotropie). Diese können durch ver-
lekül zu planen. Die Zielstruktur eines Medikaments ist schiedene Zielstrukturen bedingt sein, die auch ein zeit-
dabei nicht notwendigerweise das retinale Gefäß selbst, lich abweichendes Ansprechen (früh – spät) erklären
sondern z.B. bei Infektionen ein Fremdorganismus. Ne- können (⊡ Tab. 7.1). Die Spezifität der Effekte muss ge-
ben Stoffen, die mit Membranproteinen und Ionenka- nauso beachtet werden wie Reversibilität (Bindungsaffi-
nälen interagieren, sind Substanzen zu berücksichtigen, nität) und Kompetition mit anderen Bindungsepitopen
die intrazellulär binden (Zytoskelett, Promotoren). Die (Spare-Rezeptor).
7.3 · Pharmakokinetik in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen
89 7
gehen. Hohe Wirkstoffdosen und systemische Exposition
⊡ Tab. 7.1 Grundlegende pharmakodynamische Effekte an
vaskulären Zielstrukturen. können so vermieden werden.

Pharmako- Zelluläre und molekulare


dynamische Effekte Zielstrukturen 7.3.1 Glaskörperraum als »Reservoir«
Anti-proliferativ Müllerzellen/Glia, Gefäßendothel,
Makrophagen Der Glaskörper macht mit 3,8-5 ml mehr als ⅔ des Au-
Anti-inflammatorisch Lymphozyten, Makrophagen, genvolumens aus. Abgesehen vom hohen Wassergehalt
Komplementfaktoren, Zytokine (98%) stellt Hyaluronsäure den wichtigsten Bestandteil
dar, indem diese eine mehrfach höhere Viskosität gegen-
Anti-exudativ Zellkontakte, Proteasen
über physiologischer Kochsalzlösung bewirkt. Entspre-
Rheologisch Thrombozyten, Gerinnungsfak- chend ist die Diffusionsgeschwindigkeit intravitreal ein-
toren, Membranproteine des gebrachter Wirkstoffe gegenüber einer wässrigen Lösung
Endothels (Integrine/Selektine),
verringert. Die Viskosität des Glaskörpers zeigt allerdings
(lytische) Proteasen
deutliche örtliche Unterschiede. Der zentrale Glaskörper
weist in der mittleren Ebene den Cloquetschen Kanal auf,
der als embryologisches Relikt (Regression der Arteria
7.3 Pharmakokinetik in der Behandlung hyaloidea) einen Bereich geringerer Viskosität darstellt.
retinaler Gefäßerkrankungen Daher ist die Verteilung injizierter Substanzen von der
genauen Lokalisation und Injektionsrichtung abhängig.
Wichtige Nachteile der topischen Applikation bleiben die Normalerweise zeigt der Glaskörper vorne an der soge-
geringe okuläre Bioverfügbarkeit, daher auch die Notwen- nannten Basis, die als 3-4 mm breites Band jeweils zur
digkeit einer häufigen Behandlung, die pulsatile Penetra- Hälfte der peripheren Netzhaut und der Pars plana anhaf-
tion, die systemische Resorption durch Bindehaut und tet, die stärkste Adhärenz mit der Augenwand.
Nasenschleimhaut und die geringen Konzentrationen im
hinteren Augensegment, die selbst mit besonderen For-
mulierungen wie Salben und Gelen und somit für den 7.3.2 Elimination und Verteilung
Preis einer schlechteren Optik nicht wesentlich gesteigert intravitrealer Medikamente
werden können. Die Strömung des Kammerwassers, die
amphiphile Hornhaut sowie die lange Diffusionsstrecke Die Elimination und Verteilung der Wirkstoffe hängt we-
erschweren für viele Augentropfen ein Überwinden des sentlich von deren chemischen Eigenschaften und der Ver-
Iris-Linsen-Diaphragmas. Einzelne kleine Moleküle aus fügbarkeit aktiver Transportmechanismen ab. Lipophile
der pharmazeutischen Entwicklung sind in der Lage, den Substanzen wie Fluorescein oder Dexamethason verlassen
hinteren Augenpol zu erreichen. den Glaskörperraum überwiegend durch Netzhaut und
Alternative Routen über den periokulären Raum wie Aderhaut (⊡ Abb. 7.1). Für die transretinale Absorption
subkonjunktivale, subtenonale, peri- und retrobulbäre zeigt sich auf Grund der großen Diffusionsfläche meist
Gabe sehen letztlich die Diffusion aus dem juxtasklera- eine kurze Halbwertszeit. Hingegen werden hydrophile
len Raum in den hinteren Augenabschnitt vor. Bezogen Stoffe durch die Hinter- bzw. Vorderkammer drainiert. Je
auf die gesamte Oberfläche der Sklera (16-17 cm2) ist weiter nach hinten der Wirkstoff in den Glaskörperraum
eine Penetration vor allem im Äquatorbereich durch die eingegeben wird, umso langsamer ist die Konvektion zum
niedrige Skleradicke (0,4 mm) aussichtsreich. Episkle- Trabekelwerk. Die Konzentrationen können insbesondere
rale Exoplants sind meist zur Bindehaut hin verkapselt, in pseudo- und aphaken Augen schnell absinken. Eine
um die systemische Resorption zu verringern. Lipophile Störung der Blut-Netzhaut-Schranke beschleunigt in der
und kleine Moleküle können das dichte Bindegewebe Regel den Abtransport der Medikamente.
gut penetrieren. Für Stoffe mit höherem Molekularge-
wicht nimmt die Permeabilität der Sklera mit dem Alter
ab. Allerdings ist auch die starke Aderhautperfusion zu 7.3.3 Blut-Netzhaut-Schranke
beachten und die Barriere des Pigmentepithels zu über-
winden. Die Barriere zwischen Blut und okulärem Gewebe wird
Neben der systemischen Verabreichung bleibt somit vor allem durch das Endothel der retinalen Gefäße (in-
die intraokulare Gabe unmittelbar in den Glaskörperr- nere Blut-Netzhaut-Schranke) und das Pigmentepithel
aum ein probates Mittel, um die statischen (korneoskle- (äußere Blut-Netzhaut-Schranke) gebildet und soll die
ral) und dynamischen (konjunktival) Barrieren zu um- Homöostase des neurosensorischen Gewebes sichern.
90 Kapitel 7 · Pharmakologische Ansätze in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen

per vor, ohne dass die genauen Eliminationsmechanismen


und -kinetiken genau verstanden werden. Die Ausstattung
des Endothels mit multiplen Transportproteinen lässt er-
kennen, dass sowohl der regulierte Influx von Metaboliten
und Vitaminen (GLUT1, MCT1, LAT, SR-BI) als auch der
kontrollierte Efflux von Fremdstoffen höheren Moleku-
largewichts (MDR1, ABCG2) vorwiegend aktive Prozesse
darstellen. Somit spielen energieabhängige Resorptions-
und Transzytosevorgänge für die Absorption eines Medi-
kaments eine wichtige Rolle und weniger die passive Dif-
fusion entlang eines Konzentrationsgradienten wie früher
angenommen. Besonders plastisch wird die strenge Kom-
partimentierung an den Kontrollmechanismen, die der
Diapedese von Leukozyten – selbst in der Situation einer
a Entzündung – noch vorgeschaltet sind. Vor der Migration
7 von Leukozyten durch die Blut-Netzhaut-Schranke wer-
den die initialen Interaktionen durch Selektine vermittelt.
Eine Aktivierung wird durch G-Protein gekoppelte Rezep-
toren ausgelöst. Konformationsänderungen von Integrin-
Molekülen bewirken eine größere Adhäsion am Endothel.
Eine strikte Kompartimentierung wird durch Membran-
proteine der retinalen Gefäße erreicht. Die Diapedese
wird dann durch Chemokine und Metalloproteinasen un-
terstützt. Proinflammatorische Zytokine und Nitrit (NO)
können mit einem vollständigen Verlust der Barrierefunk-
tion (»Schrankenstörung«) verbunden sein.
Im Bereich des Ziliarkörpers, der sogenannten Blut-
Kammerwasser-Schranke, dominiert der Einstrom von
Flüssigkeit, die in das posteriore Segment aktiv sezerniert
wird. Viele systemisch verabreichte Medikamente errei-
chen über die Ziliarkörper- und Irisgefäße meist besser
den (vorderen) Glaskörper als über die retinalen Gefäße.

b
7.3.4 Moderne Drug-Delivery-Systeme
⊡ Abb. 7.1 a Hydrophobe Wirkstoffen verlassen den Glaskörperraum
Häufige und multiple Injektionen haben nicht nur wegen
vorwiegend durch die Netzhaut. b Für wasserlösliche Medikamente
ist die Drainage durch die Vorderkammer meist von größerer Bedeu- spitzer Nadeln und möglicher Schmerzen eine schlechte
tung als der Abtransport über retinale und choridale Gefäße Akzeptanz bei den Patienten. Relevante Komplikationen
lassen eine strenge Indikationsstellung fordern und haben
das Bemühen um eine längere Wirkungsdauer verstärkt.
Die einfache Verdopplung der Dosis kann die Wirkung
Ultrastrukturell erinnern vor allem die retinalen Gefäße eines Medikaments im besten Fall um eine Halbwertszeit
an die Blut-Hirn-Schranke (⊡ Abb. 7.2). Tight junctions verlängern. Neben Verbesserungen der Bioverfügbarkeit
und multiple interzelluläre Membranproteine formieren (Viskosität, Liposomen, Prodrugs, Iontophorese) werden
den junktionalen Komplex, der in der physiologischen eine verzögerte Freisetzung und protrahierte Wirkung
Situation einen Stofftransport an der Endothelzelle vorbei angestrebt.
verhindert und eine strenge Abgrenzung zwischen basa- Materialien mit einer vollständigen Biodegradation
ler und luminaler Seite bewirkt. Unterhalb des Pigmen- umgehen die Notwendigkeit einer späteren Entfernung
tepithels ergibt sich noch eine besondere Situation durch oder eines permanenten Verbleibens der Implantate,
das gefensterte Endothel der Choriocapillaris. zeigen aber nicht selten einen letzten unkontrollierten
Nach wie vor liegen für viele Substanzen lediglich Anstieg (»Burst«) im Freisetzungsprofil. Polymilchsäu-
pharmazeutische Spiegelbestimmungen aus dem Glaskör- ren (Polylactide, PLA) und Copolymere mit Glykolsäure
7.4 · Intravitreale operative Medikamentenapplikation (IVOM)
91 7

⊡ Abb. 7.2 Eine strikte Kompartimentierung wird durch Membranproteine der retinalen Gefäße erreicht. Während Perizyten Teil der inneren
Blut-Netzhaut-Schranke sind (links), sichert ein Komplex aus Pigmentepithel und Bruchscher Membran die Integrität der äußeren Blut-Netz-
haut-Schranke (rechts). AZ amakrine Zellen, BZ Bipolarzellen, GZ Ganglienzellen, HZ Horizintalzellen, MZ Müllerzellen, S Stäbchen, Z Zapfen

(PLGA) werden in die Einzelbestandteile zersetzt und als kleine Schraube in die Sklera gedreht werden (iIVa-
letztlich im Krebszyklus zu CO2 und Wasser abgebaut. tion, SurModics). Es gibt auch Entwicklungen, die Öff-
Dadurch wird der Wirkstoff innerhalb der gesamten Ma- nung des Reservoirs durch einen Mikrochip oder Laser
trix mittels Diffusion freigesetzt, meist aber mit einer un- zu kontrollieren.
gleichmäßigen linearen Kinetik. Statt einer festeren Kon- Perspektivisch gesehen ist die Produktion oder die
sistenz erlaubt die Verwendung von Polyorthoesthern Hemmung von Proteinen durch nicht-viralen Gentrans-
(POE) den Einschluss in eine visköse Matrix, die das Me- fer denkbar. Zwei Virusfamilien haben sich aber auch
dikament nur an den äußeren Flächen kapazitätslimitiert als mögliche Instrumente für den Einbau entsprechender
freisetzt. Ozurdex (Allergan) ist beispielsweise ein zuge- DNA-Fragmente erwiesen: Mit adenoassoziierten Viren
lassenes Implantat aus PLGA, das über eine längere Zeit (AAV) und Adenoviren lässt sich eine effiziente Transkrip-
abfallende Konzentrationen von Dexamethason freisetzt. tion in Photorezeptoren und RPE-Zellen erreichen. Über
Alternative Darreichungsformen wie Mikrosphä- Vektoren mit Adenoviren kann wegen der höheren Im-
ren (Durchmesser: 1–1.000 mm) oder Nanosphären munogenität nur eine kürzere Expression erreicht werden,
(1–1.000 nm) können mit Wirkstoff beladen werden. Weil sie sind aber für größere Genfragmente besser geeignet.
Mikrosphären in den unteren Glaskörperraum absinken, AAV-Systeme haben dagegen in verschiedenen Modellen
verursachen sie nur eine temporäre opitsche Transpa- eine stabile Genexpression über lange Zeiträume gezeigt
renzminderung. Der Einschluss in biologisch abbaubare und bieten den Vorteil, dass keine subretinale Injektion,
Implantate kann Amino- und Nukleinsäuren auch vor sondern eine intravitreale Applikation ausreichend ist.
endogenen Enzymen schützen und so die Stabilität und Transfizierte Zellen (ARPE-19) können auch in kleine
Wirkungsdauer verbessern. Allerdings bleiben der Erhalt Kammern implantiert werden (Encapsulated Cell Techno-
und die Integrität empfindlicher Konformationen inner- logy, Neurotech), die dann Wachstumsfaktoren und Anti-
halb der Trägersubstanz nicht zwingender Weise erhalten. körper (CNTF, rHub) durch eine Membran sezernieren.
Nicht degradierbare Reservoire weisen meist eine zen-
trale Kammer auf, die von einer permeablen Membran
(z.B. aus Polyvinylalkohol) abgetrennt ist. Die Gestaltung 7.4 Intravitreale operative Medikamen-
der umgebenden semipermeablen Membran (Polymere, tenapplikation (IVOM)
Silikon) ermöglicht eine kontinuierliche Freisetzung einer
definierten Menge (dosisunabhängige Eliminationskin- Die Eingabe von Medikamenten in den Glaskörperraum
etik). Beispiele sind Vitrasert (Ganciclovir) und Retisert stellt aus medizinjuristischer Sicht eindeutig einen ope-
(Fluocinolon, beide Bausch & Lomb), die mittels Naht rativen Eingriff dar. Von daher ist über die allgemeine
fixiert werden. Daneben gibt es Reservoire, die injiziert Behandlungsinformation hinaus ein informiertes Ein-
werden (Iluvien, 3,5×0,37 mm, Alimera Sciences) oder verständnis nach einer individuellen Eingriffsaufklärung
92 Kapitel 7 · Pharmakologische Ansätze in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen

über Risiken und Alternativen sowie ausreichender Be-


denkzeit (24 h) erforderlich. Für Off-label-Präparate sind
die Besonderheiten der Produkthaftung fester Bestandteil
des Aufklärungsgesprächs.

7.4.1 Leitliniengerechte Durchführung

Zusätzlich zur allgemeinen Sorgfaltspflicht und Siche-


rung der Prozessqualität sind die Empfehlungen der
wissenschaftlichen Fachgesellschaft zu beachten. Die
Hygienestandards an den Eingriffsraum sind in den
gesetzlich vereinbarten Qualitätssicherungsmaßnahmen
der ambulanten Chirurgie (Abschnitt C, §5 und §6.4)
definiert. Es liegt in der Verantwortung des Apothekers
7 bzw. Herstellers, den Patienten über evtl. notwendige a
Kühlanforderungen des Wirkstoffs beim Transport hin-
zuweisen.

Vorbereitung
Nach der ersten Kontaktaufnahme mit Überprüfung der
Patientenidentität und Behandlungsseite sollte durch eine
Untersuchung des vorderen Augenabschnitts Infektio-
nen ausgeschlossen und Risikofaktoren abgeklärt werden.
Wenn eine erhebliche Erregerlast – selbst mit kommensa-
lischen Baktereien – vorliegt, erscheint eine Vorbereitung
mittels lokaler Antibiotika für einige Tage sinnvoll.
Eine ausreichende Mydriasis ist für die perioperative b

Beurteilung des Augenhintergrunds erforderlich. In der


⊡ Abb. 7.3 a Für das sorgfältige Ausspülen der bulbären und forni-
Regel ist eine topische Anästhesie mit Tropfen ausrei-
kalen Bindehaut mit Povidon-Jod und das periokuläre Abstreichen ist
chend, die Verwendung von Einzelophtiolen erscheint auch eine ausreichende Einwirkzeit zu beachten (90 s). b Durch Ab-
sinnvoll. Alternative Verfahren (Infiltrationsanästhesie, decken und Verwendung einer Klebefolie können die Zilien aus dem
Sedierung) kommen vor allem für unruhige oder ängst- Operationsgebiet gehalten werden
liche Patienten in Frage. Weil Angst und Erregung – ins-
besondere vor der ersten Behandlung – den Blutdruck
multimorbider Patienten erhöhen können, ist eine be- gen Eintropfen der Lösung überlegen ist. Eine Alternative
ruhigende Kommunikation und die Überwachung der bei bekannten Jod- oder Kontrastmittelallergien sowie
Kreislaufparameter zu empfehlen. Allergien bzw. Unver- hyperthyreoter Struma sind bakterizide Desinfektions-
träglichkeiten auf Jod oder Medikamente sind routine- mittel wie z.B. Octenidin.
mäßig abzufragen. Nach der Entlüftung der Spritze sollte die Lokalisa-
tion in der unteren Zirkumferenz mit dem Wissen um
Antisepsis und Injektion die Anatomie der Pars plana gewählt werden (⊡ Abb. 7.4).
Zur Prophylaxe der relevantesten Komplikation (Endoph- Der Aufblick des Patienten verhindert, dass sich der
thalmitis) ist eine strenge Beachtung der hygienischen Bulbus bei Abwehrbewegungen (Bellsches Phänomen)
Anforderungen geboten. Wissenschaftliche Studien bele- gegenläufig bewegt. Eventuelle Netzhautdefekte zeigen in
gen den Nutzen der präoperativen Desinfektion mit Po- der unteren Hälfte eine höhere spontane Verschlussrate.
vidon-Jod, das nicht nur die bakterielle Flora deutlich re- Außerdem ist bei tieferliegenden Augen der inferiore Zu-
duzieren, sondern auch die Infektionsrate in prospektiven gang besser zugänglich. Nach multiplen Injektionen oder
Untersuchungen signifikant senken konnte (⊡ Abb. 7.3). für den Fall einer Skleromalazie kann auf lokale Verdün-
Für das Ausspülen der betäubten Bindehaut wird eine nungen Rücksicht genommen werden.
5%ige Lösung verwendet, für die äußere Lidhaut eine Vergleichende Studien haben gezeigt, dass subjektives
Konzentration von 10%. Literaturberichte deuten darauf Missempfinden und Schmerzen mit dem Durchmesser
hin, dass das Ausspülen des Bindehautsacks dem alleini- der Injektionsnadel abnehmen. Von daher empfiehlt sich
7.4 · Intravitreale operative Medikamentenapplikation (IVOM)
93 7
erhaltenen Sehfunktion überzeugen. Für unkooperative
Patienten (Demenz, Sprache, etc.) und einen schlechten
Ausgangsvisus ist eine sofortige Funduskopie angeraten,
um mit größerer Sicherheit eine ausreichende Perfusion
der Zentralarterie überprüfen zu können.

7.4.2 Risiken und Komplikationen

Endophthalmitis
In der VISION-Studie wurde im ersten Jahr eine Rate von
0,18% beobachtet, als die Injektion noch an der Spalt-
lampe erfolgen durfte. Die Beachtung von Desinfektion
und Verwendung steriler Handschuhe konnten die Inzi-
denz auf 0,07% senken. Während der Zulassungsstudien
von Ranibizumab traten nach 18.096 Behandlungen acht
Endophthalmitiden auf (0,04%). Somit handelt es sich
schon um eine seltene Komplikation (<0,1%).
! Cave!
⊡ Abb. 7.4 Der Einstich erfolgt über die inferotemporale Pars plana Allerdings muss beachtet werden, dass die über-
(3,5 mm Limbusabstand) im Aufblick, um eine Verletzung von Linse wiegende Mehrheit der Patienten – wenn einmal
oder Netzhaut zu vermeiden. Die Lage und Ausdehnung des Ziliar-
erkrankt – eine schwere Sehverschlechterung er-
körperbands (bei 2 mm) können durch Transillumination überprüft
werden leidet (Erblindungsrisiko: 15%).

Die Keime stammen fast immer von der bakteriellen Flora


der Bindehaut, sodass vor allem die individuellen Risiko-
ein geringer Außendurchmesser, zumindest 30-Gauge faktoren berücksichtigt werden müssen. Neben der Erre-
(0,31 mm)- oder 32-Gauge (0,24 mm)-Kanülen. gerlast der okulären Adnexe kann das eine bekannte Im-
munsuppression oder -schwäche bzw. Neurodermitis sein.
Praxistipp I I Auch nicht-infektiöse Entzündungen sind für einzelne
Nach schrägem, tunneliertem Durchstechen der Binde- Wirkstoffe beschrieben. Im Vergleich zu den bakteriellen
haut und Sklera sollte die Nadel zum hinteren Pol hin Infektionen scheint der Entzündungsreiz bei den immu-
orientiert sein und der Wirkstoff langsam in die hintere nogenen Entzündungen früher aufzutreten. Die akute
Kavität erfolgen. Nach dem Verabreichen der genauen Endophthalmitis ist dagegen häufiger von Schmerzen
Dosis sollte die Spritze erst mit etwas Verzögerung zu- und einer zellulären Infiltration/Hypopyon begleitet.
rückgezogen werden.
Hyposphagma
Arteriosklerotische Gefäßveränderungen und die Mani-
Der Nutzen einer generellen Parazentese ist umstritten. pulation an der oberflächlichen Bindehaut können zu
Insbesondere in kleinen hyperopen Augen ist die Gefahr Unterblutungen der Bindehaut variabler Ausprägung
einer Linsenverletzung oder eines schnellen Druckanstiegs führen (Häufigkeit: 20%). Meist sind sie nur Ursache
(je nach Volumen des Wirkstoffs) jedoch erhöht. Ein kon- einer grundlosen Beunruhigung, selten kann eine pro-
trolliertes Ablassen von Kammerwasser vor der Eingabe minente Blutung aber auch eine Benetzungsproblematik
des Wirkstoffs kann in diesen Situationen ein Reservevo- oder Erosio bewirken. Blutverdünnende oder gegen die
lumen schaffen und so auch das Risiko eines Reflux oder Blutstillung gerichtete Medikamente müssen nicht abge-
Glaskörperprolaps verringern. Nach dem Herausziehen setzt werden.
der Nadel kann der Stichkanal mit einem Tupfer oder ei-
ner Kolibri zusätzlich kurz abgedichtet werden. Schmerzen
Postoperative Missempfindungen sind nicht selten. Sie
Nachkontrolle gehen meist auf die Reizung der Bindehaut durch die
Es ist sinnvoll, den postoperativen Augendruck palpa- Desinfektion zurück.
torisch, wenn nicht sogar applanatorisch zu beurteilen. Hierzu kann selten eine Verletzung des konjunktiva-
Mittels einer Kontrolle sollte der Operateur sich von der len oder kornealen Epithels beitragen (Häufigkeit einer
94 Kapitel 7 · Pharmakologische Ansätze in der Behandlung retinaler Gefäßerkrankungen

Stippung: 32%), die durch Arzt oder Verband entstanden stoff selbst erhöht werden. Erste Daten deuten darauf hin,
sind. Wichtig ist, dass der Augenarzt nach Untersuchung dass sich das Risiko einer langfristigen Drucksteigerung
des Vorderabschnitts auf die individuellen Bedürfnisse für die einzelnen VEGF-Inhibitoren unterscheidet.
und Empfindlichkeiten des Patienten eingeht.

Reflux von Glaskörper 7.5 Schlussbemerkungen


Wenn die oben erwähnten Vorkehrungen nicht den Aus-
tritt von Kammerwasser/Glaskörper-Flüssigkeit vermei- Bessere und länger wirksame Medikamente werden den
den konnten (Häufigkeit: 26-50%), sind in der Regel Bedarf an intravitrealen Behandlungen senken. In der
keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Eher theoreti- klinischen Routine können vor allem die Sensibilität für
scher Natur sind die Überlegungen, dass eine mögliche individuelle Risikofaktoren und eine ausreichende In-
Dochtwirkung nach außen das Infektionsrisiko erhöhen formation über frühe Endophthalmitis-Symptome eine
dürfte. Eine wirkliche Inkarzeration von Glaskörper- größere Sicherheit bewirken. Der Nutzen einer gene-
strängen ist extrem selten. rellen Antibiotika-Prophylaxe ist nicht erwiesen. Trotz
Diskussionen über Kosten und Resistenzinduktion kann
Traumatische Katarakt
7 sie in der konsequenten Durchführung (ausreichende
Schon eine leichte Berührung der hinteren Linsenkapsel Dauer und Dosierung) und im zielgerichteten Einsatz
kann zu einer schnellen Eintrübung führen. Die sel- sinnvoll sein.
tene Komplikation (Häufigkeit: <1%) kann z.B. durch Obwohl die intravitreale operative Medikamenten-
plötzliche Kopfbewegungen des Patienten hervorgerufen applikation zum festen Bestandteil des ophthalmologi-
werden. schen Alltags geworden ist, sollten die möglichen Visus
bedrohenden Nebenwirkungen nicht bagatellisiert wer-
Netzhautdefekte, Amotio den. Gerade angesichts der häufigen und repetitive An-
Es gibt lediglich anekdotische Berichte über eine Netz- wendung darf die Sensibilität für seltene Risiken nicht
hautablösung nach einer intravitrealen Injektion. Nach verloren gehen.
richtiger Durchführung und Einstechen vor der Ora ser-
rata dürften Foramina nur sehr sporadisch nach der ope- Fazit für die Praxis
rativen Manipulation entstehen. Die restriktive Blut-Netzhaut-Schranke verhindert für viele
Wirkstoffe das Erreichen ausreichender Spiegel im hinteren
Druckanstieg und Glaukom Augensegment, wenn keine direkte Applikation in den Glas-
Der Volumenzuwachs innerhalb des Glaskörperraums körperraum erfolgt.
(0,03-0,1 ml) kann kurzfristig nicht über den Kammer- Die Einhaltung steriler Kautelen ist für die intravitreale
winkel drainiert werden. So sind temporäre Druckan- operative Medikamentenapplikation von entscheidender Be-
stiege über 30 mmHg keine Seltenheit (Häufigkeit: 17%). deutung. Patienten sollten ausreichend über Frühsymptome
Eine Normalisierung findet jedoch meist innerhalb weni- einer Endophthalmitis informiert sein.
ger Minuten statt. Postoperative Druckanstiege sind nicht selten, wenn
auch in den meisten Fällen temporär. Problembewusstsein
! Cave!
und ein schnelles Reaktionsvermögen sind hilfreich, wenn es
Insbesondere in kleinen hyperopen Augen ist die
(selten) doch einmal zu einem Verschluss der Zentralarterie
Gefahr einer Linsenverletzung oder eines plötzli-
kommt.
chen Druckanstiegs besonders hoch!

In der Literatur ist immerhin eine Bulbusberstung be-


schrieben. Vorsicht ist sicher bei glaukomatös vorge- Literatur
schädigten Sehnerven oder einer schlechten Perfusion
geboten. In der Literatur gibt es einige Berichte, die Ach T, Dawczynski J, Konigsdorffer E et al. (2007) Subjective sensa-
tions after intravitreal injection of bevacizumab. Klin Monatsbl
von einer anterioren Optikusischämie oder einem Zent- Augenheilkd 224: 180–184
ralarterienverschluss im Rahmen der Injektion berichten. Aiello LP, Brucker AJ, Chang S et al (2004) Evolving guidelines for int-
Geht die Lichtscheinwahrnehmung verloren, kann durch ravitreous injections. Retina 2004;24 [5 Suppl]:S3-19
eine Parazentese die Perfusion wiederhergestellt werden. Anderson OA, Bainbridge JWB, Shima DT (2010) Delivery of anti-an-
giogenic molecular therapies for retinal disease. Drug Discovery
Ist diese nur für eine Minute unterbrochen, ist kein blei-
Today 15 (7/8): 272-282
bender Schaden zu erwarten. Anijeet DR, Hanson RJ, Bhagery J et al (2007) National survey of the
Jedoch kann die Drucklage bei Glaukompatienten – technique of intravitreal triamcinolone injection in the United
nicht nur nach der Gabe von Steroiden – durch den Wirk- Kingdom. Eye 21(4): 480-486
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95 7
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II

II Pathologie, klinischer Verlauf


und Behandlung retinaler
Gefäßerkrankungen

8 Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen


retinalen Gefäßerkrankungen – 99
G. E. Lang, S. J. Lang, W. Soliman, M. Larsen, H. Helbig, A. M. Joussen,
S. Winterhalter, V. Kakkassery

9 Frühgeborenenretinopathie – 163
C. Jandeck, H. Agostini

10 Verschlusserkrankungen – 181
L.-O. Hattenbach, C. Hattenbach, L.L. Hansen, N. Feltgen, H. Hoerauf,
J. M. Rohrbach, H. Heimann

11 Gefäßabnomalien – 243
M. Zeimer, B. Padge, D. Pauleikhoff, A. Schüler, N. Bornfeld, A. M. Joussen,
W. Berger, A. Wessing, A. Lommatzsch, S. Bopp

12 Strahlenretinopathie – 305
G. Willerding, J. Heufelder, V. Kakkassery, D. Cordini, A. M. Joussen

13 Retinale Gefäßerkrankungen in Assoziation mit Systemerkran-


kungen – 321
S. Aisenbrey, T. Neß, A. Gabel-Pfisterer, M. Doblhofer

14 Entzündliche Gefäßerkrankungen – 335


S. Gadkari, A. M. Joussen, F. Mackensen, J. T. Rosenbaum, R. Max, C. Deuter,
I. Kötter, N. Stübiger, M. Zierhut, U. Wiehler, C. Springer, M. Becker, U. Pleyer,
F. Hiepe, U. Pleyer

15 Hypertensive Retinopathie – 399


S. Wolf

16 Sichelzellretinopathie – 405
J. v. Meurs, A. M. Joussen, G. A. Lutty

17 Vaskuläre Tumoren der Netzhaut – 427


S. E. Coupland, J.A. Shields, C.L. Shields, K.U. Löffler, B. Jurklies,
C. Jurklies, N. Bornfeld
8

Pathologie, Klinik und Behandlung von


diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

8.1 Nicht-proliferative diabetische Retinopathie – 100


G. E. Lang, S. J. Lang
8.1.1 Einleitung – 100
8.1.2 Pathogenese der diabetischen Retinopathie – 100
8.1.3 Somatostatin und Somatostatin-Analoga – 100
8.1.4 Proteinkinase-C-Inhibitoren – 105
8.1.5 Proteinkinase C und diabetische Retinopathie – 107

8.2 Proliferative diabetische Retinopathie – 110


W. Soliman, M. Larsen, H. Helbig
8.2.1 Photokoagulation bei proliferativer diabetischer Retinopathie (PDR) – 110
8.2.2 Chirurgische Behandlung der proliferativen diabetischen Retinopathie – 123

8.3 Diabetisches Makulaödem – 135


A. M. Joussen, S. Winterhalter, V. Kakkassery
8.3.1 Einleitung – 135
8.3.2 Pathophysiologie des Diabetischen Makulaödems – 135
8.3.3 Klinische Stadien des Makulaödems – 141
8.3.4 Lasertherapie – 143
8.3.5 VEGF-Inhibitoren in der Behandlung der diabetischen Retinopathie – 146
8.3.6 Anti-inflammatorische Therapie – 154
8.3.7 Chirurgische Therapie des diabetischen Makulaödems – 157

Literatur – 158

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_8,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
100 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Die mikrovaskulären Veränderungen im Rahmen des Dia- 8.1.2 Pathogenese der diabetischen
betes mellitus führen zur diabetischen Retinopathie und Retinopathie
-makulopathie.
Während die Einführung der Lasertherapie vor 35 Jah- Die Pathogenese der diabetischen Retinopathie ist kom-
ren einen ersten Meilenstein in der Therapie der Gefäß- plex, da in unterschiedlichen Stadien verschiedene Fak-
veränderungen darstellte, konnte in den vergangenen toren eine Rolle spielen. Es gibt zahlreiche biochemische,
Jahrzehnten das Wissen um die pathophysiologischen funktionelle, strukturelle und endokrine Faktoren, die die
Vorgänge wesentlich erweitert werden. Aufbauend auf Manifestation und Progredienz der diabetischen Retino-
diesen Erkenntnissen wurden neue anti-angiogene The- pathie beeinflussen. Die Hyperglykämie führt im Frühsta-
rapieverfahren entwickelt. Die  Kap. 8.1-8.3 erläutern dium unter anderem zur Produktion von »advanced gly-
diese Verfahren auf dem Hintergrund der Pathogenese cation endproducts« (AGEs), zur Aktivierung des Polyol-
der proliferativen Veränderungen und des diabetischen Wegs und Aktivierung der PKC, sowie zu verschiedenen
Makulaödems und diskutieren neue Therapieverfahren vor Veränderungen in der zellulären Signaltransduktion. Funk-
dem Hintergrund der Standardtherapie, der Laserphotoko- tionelle Änderungen sind Veränderungen des Blutflusses,
agulation. eine Hyperviskosität, Störungen von interzellulären Ver-
bindungen und erhöhte Gefäßpermeabilität. An struktu-
rellen Veränderungen findet man vor allem einen Verlust
8.1 Nicht-proliferative diabetische von Perizyten und Endothelzellen sowie Verschlüsse von
8 Retinopathie Kapillaren und Gefäßen. Weitere Faktoren, die eine Rolle
in der Manifestation und Progredienz der diabetischen Re-
G. E. Lang, S. J. Lang tinopathie spielen, sind ein proinflammatorisches Milieu,
die Leukozytenadhäsion und oxidativer Stress.
Klinisch wird die diabetische Retinopathie eingeteilt
8.1.1 Einleitung in nicht proliferative und proliferative Stadien. Die nicht
proliferativen Stadien sind charakterisiert durch das Auf-
Der Diabetes mellitus führt zu zahlreichen Stoffwech- treten von Mikroaneurysmen, Blutungen, harten Exsu-
selstörungen. Die Pathogenese der diabetischen Reti- daten, Cotton-wool-Herden, intraretinalen mikrovasku-
nopathie ist daher komplex. Einer der Hauptgründe für lären Anomalien und venösen Kaliberschwankungen.
die Entwicklung einer diabetischen Retinopathie ist ein Im Stadium der proliferativen diabetischen Retinopathie
Ungleichgewicht von pro- und antiangiogenen Fakto- entstehen präretinale Neovakularisationen, Glaskörper-
ren. »Vascular endothelial growth factor« (VEGF), aber blutungen, Rubeosis irdis und ein Winkelblockglaukom.
auch IGF-1 und GH spielen in der Pathogenese der Makulaödeme können in jedem Stadium der diabeti-
diabetischen Retinopathie eine Rolle. Eine Mikroangi- schen Retinopathie auftreten.
opathie der Netzhaut entwickelt sich, weil neben der Histologisch findet man früh eine Verdickung der Ba-
Überexpression von proangiogenen Wachstumsfaktoren salmembran. Durch den Verlust von intramuralen Perizy-
wie VEGF, IGF-1 und »basic fibroblast growth factor« ten und retinalen Endothelzellen ist die vaskuläre Reaktivi-
(bFGF) gleichzeitig eine Reduktion an natürlichen, an- tät verändert. Veränderungen der Tight-junctions führen
tiangiogenen Faktoren, wie z.B. »transforming growth zu einem Zusammenbruch der inneren Blut-Netzhaut-
factor β« (TGF-β) und »pigment epithelial derived fac- Schranke mit Akkumulation von Flüssigkeit und eventu-
tor« (PEDF), auftritt. Es zeichnet sich aufgrund von ell Lipoproteinen in der Netzhaut. Als Folge von zuneh-
experimentellen und klinischen Studien zunehmend ab, menden Verschlüssen von Netzhautkapillaren resultiert in
dass einer der bedeutendsten Wachstumsfaktoren VEGF fortgeschrittenen Stadien eine retinale Hypoxie. Dies führt
zu sein scheint. zu einer Überexpression von proangiogenen Wachstums-
Ziel der pharmakologischen Therapie ist derzeit im faktoren wie VEGF und IGF-1, die an der Entwicklung von
Wesentlichen eine Hemmung von angiogenen Stimu- retinalen Neovaskularsationen beteiligt sind.
latoren. Systemische Therapieansätze sollen in den pri-
mären Pathomechanismus der diabetischen Retinopathie
eingreifen. Sie verändern den Stoffwechsel aber nicht 8.1.3 Somatostatin und
nur lokal im Auge, sondern haben auch systemische Somatostatin-Analoga
Effekte, was sowohl für die Wirkungen, als auch die Ne-
benwirkungen von Bedeutung ist. Im Folgenden werden Somatostatin (»Somtotropin-release inhibitory factor«)
Somatostatin-Analoga und Proteinkinase-C-Inhibitoren ist ein zyklisches Tetrapeptid, das aus Hypothalamusex-
behandelt. trakt isoliert wurde und das die GH-Sekretion reguliert.
8.1 · Nicht-proliferative diabetische Retinopathie
101 8

500bp

⊡ Abb. 8.1 In retinalen vaskulären Endo-


thelzellen konnten die Somatostatinrezep-
toren (SSTR1-5) mittels RT-PCR nachgewie-
MWM SSTR1 SSTR2 SSTR3 SSTR4 SSTR5 GADPH sen werden. (Aus Lang 2007)

Dieses Neuropeptid wird auch in verschiedenen anderen Somatstatinanaloga zeigen ähnliche pharmakologi-
menschlichen Organen wie Hypophyse, Darm, exokri- sche Eigenschaften wie das natürliche Hormon Somato-
nen und endokrinen Drüsen und in der Retina gebil- statin.
det. Somatostatin wird über verschiedene Zellen verteilt Sandostatin (Octreotidacetat) ist ein synthetisches
und seine Wirkung betrifft unterschiedliche biologische Oktapeptidanalogon von Somatostatin. Es ist ein spezi-
Prozesse wie die Erregungsübertragung zwischen den fischer und potenter Agonist der SSTR2 und 45-mal so
Nervenzellen, Hormonsekretion, Zellproliferation, Mem- wirksam in Bezug auf die Hemmung der Wachstumsfak-
branstabilisierung und Entzündung. torsekretion verglichen mit dem nativen Somatostatin.
Somatostatin wirkt über die Bindung an fünf Soma- Natives Somatostatin hat eine kurze Halbwertszeit von
tostatin-Rezeptor-Subtypen (SSTR1-5), die an G-Proteine etwa 3 min. Das länger wirkende, synthetische Somato-
gekoppelt sind. In der menschlichen Retina wurden nicht statin-Analogon Sandostatin LAR wurde für Patienten
nur Somatostatin, sondern auch die Somatostatinrezepto- entwickelt, die eine Langzeittherapie benötigen. Es be-
ren identifiziert (⊡ Abb. 8.1). steht aus Octreotidacetat, das in einem biodegradierbaren
Somatostatin hat einen antiangiogenen Effekt. Es Polymer mikroverkapselt ist. Das ursprüngliche, injizier-
wurde im Glaskörper gefunden und bei Diabetikern bare Octreotid musste 3-mal täglich subkutan injiziert
wurde über reduzierte Somatostatinspiegel im Glaskör- werden. Sandostatin LAR ist ein langwirksames Depot,
per berichtet. Somatostatin scheint auch einen Effekt auf das einmal monatlich intramuskulär appliziert wird.
den Flüssigkeitstransport vom retinalen Pigmentepithel Nach der Verabreichung erreicht die Serum-Octreotid-
zur Chorioidea zu haben, einem Prozess, der bei der Ent- Konzentration einen initialen Gipfel innerhalb einer
wicklung des Makulaödems eine Rolle spielt. Stunde und dann ein Plateau innerhalb von 2 Wochen.
Somatostatin inhibiert die Freisetzung von verschie- Konstante Serumspiegel von Octreotid werden nach der
denen Hormonen und Enzymen. Die klassische Wir- dritten Injektion erreicht.
kung von Somatostatin ist die Hemmung der Frei-
setzung von GH über die Rezeptoren 2 und 5. Nach Somatostatin, Wachstumshormon und IGF-1
der Bindung von Somatostatin generiert der Rezeptor bei diabetischer Retinopathie
ein Transmembransignal. Dies führt zu einer Reduk- Es gibt Hinweise darauf, dass ein GH/IGF-1-Exzess und
tion der Kalziumkonzentration und Aktivierung der Interaktionen zwischen IGF-1 und VEGF eine Rolle in
Tyrosinphosphatase. Somatostatin ist also ein Postre- der Entwicklung und Progredienz der diabetischen Reti-
zeptorantagonist von Wachstumsfaktoren, der über die nopathie spielen. Der Hypophysenvorderlappen sekretiert
Hemmung der Signaltransduktion wirkt. Octreotid hat GH, was zur Synthese von IGF-1 in zahlreichen Organen
eine hohe Aktivität am SSTR2, gute Aktivität am SSTR5 führt. GH mediiert sowohl systemische als auch die lo-
und mäßige Aktivität am SSTR3. Es ist inaktiv am kale IGF-1-Produktion. IGF-1 wirkt als Wachstums- und
SSTR1 und 4. Progressionsfaktor.
Das GH wird im Hypophysenvorderlappen gebildet Poulsen fand eine Korrelation zwischen Hypophy-
und führt zu einer Synthese von IGF-1. Dieses erhöht senhormon und diabetischer Retinopathie bei einer Pa-
die zelluläre Aufnahme von Glukose im Gewebe und tientin mit proliferativer diabetischer Retinopathie, die
agiert als Überlebens-, Wachstums- und Progressions- eine postpartale Hypophyseninsuffizienz im Rahmen ei-
faktor. Wahrscheinlich ist es eines der Schlüsselsignale nes Sheehan-Syndroms entwickelte. Fünf Jahre nach dem
für die Zelle, um in den Mitosezyklus zu gehen. IGF-1 Ereignis hatte sich die Retinopathie zurückgebildet. Dies
stimuliert die Somatostatin-Sekretion und hemmt die zeigt, dass GH und IGF-1 bei diabetischer Retinopathie
GH-Sekretion. eine Rolle spielen. Nach der Erstbeschreibung 1953 wur-
102 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

den 20 Jahre lang Patienten mit Diabetes mellitus zur abetischen Retinopathie spielen. Retinale Hypoxie führt
Behandlung der proliferativen diabetischen Retinopathie zu einer verstärkten intraokularen Synthese von IGF-1
einer Hypophysenablation unterzogen. Bei diesen Patien- und VEGF. Im Glaskörper von Patienten mit Diabe-
ten zeigten sich eine Regression von Neovaskularisatio- tes mellitus fanden sich erhöhte Spiegel von IGF-1. Die
nen und eine signifikante Reduktion der Erblindungsrate. höchsten Spiegel zeigten sich bei Patienten mit prolifera-
Man nimmt an, dass der Effekt durch den postoperati- tiver diabetischer Retinopathie. Bei Patienten, bei denen
ven GH-Mangel bewirkt wurde. Interessanterweise findet nach Laserbehandlung eine Vitrektomie durchgeführt
sich bei zwergwüchsigen Patienten mit Diabetes mellitus, wurde, fanden sich die intravitrealen Spiegel von VEGF
deren Ursache des Zwergwuchses ein Defizit an GH ist, reduziert, nicht jedoch die IGF-1-Spiegel, was auf die
keine diabetische Retinopathie, was ebenso diese Hypo- Bedeutung von IGF-1 bei den fortgeschrittenen Formen
these unterstützt. der diabetischen Retinopathie hinweist, insbesondere bei
Es gibt Hinweise darauf, dass bei Diabetes mellitus Patienten, bei denen die Laserbehandlung alleine nicht
eine Übersekretion von GH vorliegt, da deutlich erhöhte effektiv war.
GH-Werte bei Patienten mit Diabetes mellitus gefunden Der natürlich vorkommende Wachstumshormonin-
wurden. Eine weitere Evidenz für die Rolle des GH in der hibitor Somatostatin besitzt antiangiogene Eigenschaften
Pathogenese der diabetischen Retinopathie liefert ein Be- sowohl über die Wachstumshormonachse und IGF-1, als
richt über zwei Patienten, die nicht an Diabetes mellitus auch über direkte antiproliferative und antiapoptotische
litten. Bei ihnen traten nach Behandlung mit GH retinale Effekte auf Endothelzellen.
8 Veränderungen auf, die klinisch wie eine diabetische Re-
tinopathie aussahen. Experimentelle Studien
Der mitogene Effekt von GH wird über IGF-1 vermit- Zahlreiche Laborversuche unterstützen die Hypothese
telt. Bei Patienten mit diabetischer Retinopathie wurden der therapeutischen Wirkung von Octreotid bei diabeti-
erhöhte Serumspiegel von IGF-1 gefunden. Somatostatin scher Retinopathie. Somatostatin- und IGF-1-Rezeptoren
reduziert die systemische Freisetzung von IGF-1 über wurden an retinalen vaskulären Endothelzellen nachge-
die Suppression von GH (⊡ Abb. 8.2). Zusätzliche Hin- wiesen.
weise für die Rolle von IGF-1 liefern Studien über das In präklinischen Studien konnte gezeigt werden, dass
normoglykämische Reentry-Phänomen. Dieses Phäno- GH die Proliferation humaner, retinaler Endothelzellen
men beschreibt die Verschlechterung der diabetischen stimulieren kann. Sall et al (2004) fanden bei Kulturen
Retinopathie, die nach rascher Senkung des Blutzuckers von humanen retinalen Pigmentepithelzellen, dass IGF-1
bei Patienten auftritt, die über einen längeren Zeitraum eine dosisabhängige Zunahme der IGF-1-Rezeptorphos-
schwere Hyperglykämien hatten. Ein rascher Anstieg der phorylierung und der VEGF-mRNA-Spiegel bewirkt. So-
Serum-IGF-1-Spiegel wurde bei den Patienten gefunden, matostatin und Octreotid hemmten in physiologischen
bei denen eine intensivierte Insulintherapie durchgeführt Spiegeln (1 nM) die IGF-1-Rezeptorphosphorylierung
wurde, die zu einer raschen Verbesserung der metaboli- und reduzierten die VEGF-Produktion. Diese Ergebnisse
schen Kontrolle führte. legen nahe, dass diese Wirkung durch den Somatostatin-
Es ist bekannt, dass Somatostatin, GH und IGF-1 Rezeptor Typ 2 vermittelt wird.
eine Rolle in der Manifestation und Progredienz der di- Die Rolle von GH und IGF-1 wurde auch an trans-
genen und mit MK678 behandelten Mäusen untersucht.
MK678 ist ein lange wirksames Somatostatin-Analogon,
Diabetes mellitus
das dem Octreotid ähnlich ist. Im Mausmodell zeigte sich
eine signifikante Reduktion der Neovaskularisationen.
Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Interaktion
Kapillarverschluss von IGF-1 und dessen Rezeptoren notwendig ist für
VEGF Somatostatin
Analoga eine maximale Induktion der retinalen Neovaskularisa-
IGF-1 tion durch VEGF. Diese Daten legen ebenfalls nahe, dass
Neovaskularisation IGF-1 eine wichtige Rolle in den fortgeschrittenen Sta-
dien der diabetischen Retinopathie als permissiver und
⊡ Abb. 8.2 Im Rahmen des Diabetes mellitus kommt es zu progre- Progressionsfaktor im Hinblick auf die Neoangiogenese
dientem Kapillarverschluss mit retinaler Ischämie. »Vascular endothe- spielt.
lial growth factor« (VEGF) ist einer der wichtigsten proangiogenen
Es konnte auch gezeigt werden, dass Octreotid die
Wachstumsfaktoren und »insulin-like growth factor-1« (IGF-1) ein
permissiver Faktor in Bezug auf die Entwicklung der Neovaskularsa-
durch IGF-1 oder bFGF stimulierten Endothelzellpro-
tionen und damit der proliferativen diabetischen Retinopathie. IGF-1 liferation bei niedrigen Konzentrationen von 10 nM
kann mit Somatostatin-Analoga blockiert werden Octreotid hemmt. In präklinischen Studien fand sich
8.1 · Nicht-proliferative diabetische Retinopathie
103 8
auch eine direkte Inhibition der Endothelzellproliferation dienz zeigten. Die Patienten wurden mit SMS 201-995
durch Octreotid, was einen zusätzlichen antiangiogenen (Octreotid) mit subkutaner Infusion für bis zu 20 Monate
Mechanismus evtl. durch direkt über den SST Rezeptor behandelt.
mediierte Inhibition vermuten lässt. Böhm et al. (2001) behandelten 9 von 18 Patienten
Diese präklinischen Daten weisen auf die Bedeutung mit persistierender proliferativer diabetischer Retinopa-
von parakrinen und autokrinen Effekten von Octreotid thie mit Glaskörperblutung, die trotz einer panretinalen
hin. Es hemmt die Endothelzellproliferation, die durch Laserbehandlung auftrat, mit Octreotid. Die Therapie
VEGF und IGF-1 stimuliert wird. Daher könnte Oc- wurde für bis zu 3 Jahre in einer Dosis von 100 μg pro
treotid ein pharmakologischer Ansatz zur Therapie der Tag dreimal täglich subkutan injiziert. Neun Patienten
diabetischen Retinopathie sein. dienten als Kontrolle. In der mit Octreotid behandelten
Gruppe zeigten sich signifikant weniger Rezidive der
Klinische Anwendung von Octreotid Glaskörperblutung und eine geringere Anzahl von Vit-
Octreotid ist derzeit zugelassen für die Behandlung von rektomien (⊡ Abb. 8.3). In der behandelten Gruppe blieb
Tumoren wie der Visus stabil, während in der Kontrollgruppe der Visus
▬ das GH produzierende Hypophysenadenom, abnahm. Die Neovaskularisationen zeigten bei 85% der
▬ die Akromegalie, mit Octreotid behandelten Patienten eine Regression und
▬ das maligne Carcinom-Syndrom, blieben bei den restlichen 15% stabil. Bei der Kontroll-
▬ VIPome, gruppe nahmen bei 42% die Neovaskularisationen zu
▬ gastropankreatische Tumore und und waren bei 58% unverändert. Octreotid wurde über
▬ neuroendokrine Tumore. den Zeitraum von 3 Jahren gut vertragen. Die Insulin-
dosis musste unter der Octreotid-Therapie bei Insulin-
Es hemmt die Freisetzung von GH aus der Hypophyse abhängigen Patienten um bis zu 50% reduziert werden.
und erniedrigt die IGF-1-Plasmaspiegel. Eine Zulassung Kein Patient erlitt eine schwere Hypoglykämie.
für die diabetische Retinopathie gibt es nicht. Grant et al. (2000) untersuchten den Effekt von Oc-
treotid bei 23 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 und
Therapie der diabetischen Retinopathie mit Typ 2. Die Patienten wurden mit der maximal tolerier-
Octreotid ten Dosis von Octreotid (200-5.000 μg/Tag subkutan)
Die Idee, die diabetische Retinopathie mit Somatostatin- behandelt. Die Patienten wurden 15 Monate lang the-
Analoga zu behandeln, ist etwa 25 Jahre alt. Die Medi- rapiert oder bis zu dem Zeitpunkt, bis eine beidseitige
kamente Sandostatin und Sandostatin LAR (Novartis) Laserbehandlung erforderlich war. In der mit Octreotid
sind selektiver und zeigen eine stärkere Wirkung als behandelten Gruppe entwickelten signifikant weniger Pa-
Somatostatin. tienten eine Hochrisikoform einer proliferativen diabeti-
In-vitro- und In-vivo-Studien haben gezeigt, dass So-
matostatin-Analoga spezifische und potente Inhibitoren
von GH und IGF-1 sind. Es konnte nachgewiesen wer- 1.0
den, dass Octreotid erhöhte Serumspiegel von GH und
Proportion Glaskörperblutung

IGF-1 senken kann. 0.8


Es gibt kasuistische Berichte über die Wirksamkeit von p=0.002
Sandostatin-off-label-Anwendungen bei zystoider Maku- 0.6
lopathie und proliferativer diabetischer Retinopathie. Kli-
nisch kann Octreotid die Neoangiogenese hemmen und 0.4
es stabilisiert auch die Blut-Netzhaut-Schranke bei Maku-
laödem. Dies führt zu einer Besserung des Makulaödems 0.2
und einer Regression von präretinalen Neovaskularisatio-
nen. In kleinen Studien zeigte sich eine positive Wirkung 0
bei Patienten mit diabetischer Retinopathie. 0 6 12 18 24 30 36
Es wurde in einigen Studien die Wirkung von So- Zeit (Monate)
matostatin-Analoga bei diabetischer Retinopathie unter-
sucht. *1 Glaskörperblutung Octreotid (n=9)*
‡5 Glaskörperblutung, 3 Vitrektomie Kontrolle (n=9)‡
Mallet et al. (1992) berichteten über eine signifikante
Regression von retinalen Neovaskularisationen bei Pati- ⊡ Abb. 8.3 Das Risiko einer Glaskörperblutung und eines vitreoreti-
enten mit schwerer proliferativer diabetischer Retinopa- nalen Eingriffs ließ sich durch die Behandlung mit Octerotid signifi-
thie, die trotz panretinaler Laserbehandlung eine Progre- kant reduzieren.
104 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

100 nopathie, die während einer intensivierten metabolischen


Kontrolle eintrat, mit Octreotid behandelt wurde. Da-
Hochrisikoform der PDR

Octreotid durch kam es zu einer Senkung des gesamten IGF-1-Spie-


% Augen ohne

80 p=0.006 gels im Serum. Das Makulaödem besserte sich und der


Visus stieg an. Die Verbesserung der metabolischen Kon-
trolle kann bei schlecht eingestellten Typ-1-Diabetikern
Kontrolle
60 im Sinne eines Reentry-Phänomens zu einer floriden
diabetischen Retinopathie mit einer akuten Verschlechte-
rung und Entwicklung eines Makulaödems führen. Dies
40 kann mit Octreotid behandelt werden und ist verbunden
0 3 6 9 12 15 mit einer Senkung der IGF-1-Spiegel.
Zeit (Monate)
Octreotid wurde in zwei prospektiven, randomisierten,
⊡ Abb. 8.4 In der mit Ocretotid behandelten Gruppe zeigte sich
multizentrischen doppelt maskierten, placebokontrollier-
eine signifikant geringere Zahl von Patienten mit Hochrisikoform ten Phase-III-Studien (802 und 804, Novartis) untersucht.
der proliferativen diabetischen Retinopathie (PDR) im Vergleich zur Eingeschlossen wurden Typ-1- und Typ-2-Diabetiker mit
Kontrollgruppe mäßiger bis schwerer nicht proliferativer diabetischer Re-
tinopathie und früher proliferativer diabetischer Retino-
pathie (Stadium 47-61). Die Patienten wurden mit dem
8 schen Retinopathie (⊡ Abb. 8.4). In der Octreotid-Gruppe langwirksamen Octreotid (Sandostatin LAR, Novartis)
musste nur eines von 22 Augen mit Laser behandelt behandelt, das einmal monatlich intramuskulär injiziert
werden wegen Hochrisikoform der proliferativen diabe- wurde. Die Studie wurde 1999 begonnen und 2006 been-
tischen Retinopathie im Gegensatz zu 9 von 24 Augen in det mit einer mittleren Behandlungsphase von 4 Jahren
der Kontrollgruppe. Die Octreotid-Behandlung führte zu und einer maximalen Behandlungszeit von 6 Jahren. Die
einer signifikanten Reduktion der Progredienz der diabe- europäische Studie (802) untersuchte 585 Patienten, die
tischen Retinopathie. nordamerikanische/brasilianische Studie (804) 313 Patien-
Hernaez-Ortega et al. (2006) berichteten von einer ten. Die Probanden wurden mit 20 (nur 802) oder 30 mg
Besserung des diabetischen Makulaödems unter Therapie Octreotid (beide Studien) intramuskulär alle 4 Wochen mit
mit Sandostatin LAR. Es war vorher ohne Erfolg versucht Standostatin LAR behandelt. Der primäre Endpunkt war
worden, das beidseitige diabetische Makulaödem mit einer die Progredienz der diabetischen Retinopathie (≥3 ET-
Vitrektomie und mit periokulären Steroiden zu behandeln. DRS-Stufen), der sekundäre Endpunkt die Veränderung
Der Patient wurde mit Sandostatin LAR 20 mg einmal des Visus (Verschlechterung um ≥15 ETDRS-Buchstaben)
monatlich therapiert. Nach einem Jahr Behandlung war und die Progredienz des Makulaödems. Nur in einer Stu-
das Makulaödem am rechten Auge komplett resorbiert, die (804) wurde der primäre Endpunkt erreicht mit einer
am linken Auge hatte es sich deutlich gebessert. Der Visus signifikanten Reduktion (p<0,043) der Progredienz der
nach Behandlung betrug rechts 20/40 und links 20/100. diabetischen Retinopathie, jedoch nicht in der Studie 802.
Kuijepers et al. (1998) haben einen Patienten ohne Dies kann unter anderem an einer zu niedrigen Dosierung
Diabetes mellitus mit Makulaödem beschrieben, der mit von Octreotid liegen, da in der Studie 802 die systemischen
Octreotid 100 μg pro Tag subkutan behandelt wurde. IGF-1-Spiegel nicht gesenkt wurden. Dieser Therapiean-
Die zystoide Makulopathie verbesserte sich während der satz wird derzeit nicht weiter verfolgt.
Behandlung und rezidivierte nach Unterbrechung der
Therapie und besserte sich danach wieder durch erneute Nebenwirkungen von Octreotid
Behandlung. Sandostatin beeinflusst den Glukosestoffwechsel durch
Shaha et al. (2010) haben bei 14 von 21 Patienten Hemmung von Wachstumshormon, Glukagon und In-
mit chronischem, therapierefraktärem, zystoiden Maku- sulinfreisetzung. Octreotid führt zu einer Reduktion des
laödem nicht diabetischer Genese und Visus von 0,8-0,05 Blutzuckerspiegels bei Patienten, die mit Insulin behan-
eine Therapie mit monatlichen, intramuskulären Injek- delt werden. Dies führt zu einer Reduktion der erfor-
tionen von 30 mg Octreotid vs. Placebo durchgeführt. derlichen Insulindosis. Daher muss die Insulindosis bei
Nach 6 Monaten zeigte sich eine signifikante Visusver- den meisten Patienten um 25 bis 50% reduziert werden.
besserung um zwei oder mehr Zeilen bei 50% der mit Engmaschige tägliche Kontrolle des Blutzuckers ist unter
Octreotid behandelten Patienten. Die Netzhautdicke än- Octreotid-Therapie unbedingt erforderlich wegen des Ri-
derte sich nicht signifikant. sikos von Hypoglykämien.
Chantelau und Frystyk (2005) berichteten über Pati- Hypoglykämien treten unter der Therapie von San-
enten, bei denen die Progredienz der diabetischen Reti- dostatin LAR meistens 10 bis 14 Tage nach der ersten
8.1 · Nicht-proliferative diabetische Retinopathie
105 8
Injektion auf, wenn die Insulindosis nicht angepasst wird. 8.1.4 Proteinkinase-C-Inhibitoren
Bei Patienten mit Diabetes mellitus, die nicht mit Insu-
lin behandelt werden, kann Sandostatin LAR entweder Proteinkinase C (PKC) ist ein intrazelluläres, regulato-
eine Erhöhung oder eine Erniedrigung der Blutglukose risches Protein, das bei der Entwicklung von mikro-
verursachen, abhängig von dem Einfluss auf die Gluka- vaskulären Komplikationen des Diabetes mellitus eine
gonsekretion. Rolle spielt. Die PKC-β soll mittelbar und unmittelbar
Gastrointestinale Nebenwirkungen sind am häufigs- mit verantwortlich sein für die Entstehung des Maku-
ten. Diarrhoen und Tenesmen treten bei einem Drittel der laödems und der proliferativen diabetischen Retinopa-
Patienten am Beginn der Octreotid-Behandlung auf. Sie thie (⊡ Abb. 8.5). Es wird vermutet, dass Inhibitoren der
manifestieren sich nach der ersten Injektion und können PKC-β einen therapeutischen Effekt auf die diabetische
zu Beginn der Behandlung während der beiden folgen- Retinopathie haben könnten.
den Injektionen noch zunehmen. In der Regel verbessern
sich diese Probleme jedoch bei den meisten Patienten in- Wirkungsmechanismus der Proteinkinase C
nerhalb von drei Monaten. Übelkeit und Erbrechen sind und der PKC-Inhibitoren
seltenere Nebenwirkungen. Die gleichzeitige Anwendung PKC wird durch hohe Glukosespiegel aktiviert. Der Wir-
von Pankreasenzymen führt zu einer Verbesserung der kungsmechanismus von PKC-β-Inhibitoren beruht auf der
Nebenwirkungen. Hypothyreoidismus und Gallensteine Beeinflussung der zellulären Signaltransduktion mittels
treten selten nach längerer Therapie mit Octreotid auf. Inhibition von spezifischen Proteinkinasen. Das Gleich-
Lokale Reaktionen an der Injektionsstelle wie Schmerzen, gewicht von Kinasen und Phosphatasen ist von entschei-
Rötung und Schwellung sind ebenfalls selten. dender Bedeutung für zelluläre Prozesse wie Wachstum,
Differenzierung und Motilität.
Abschließende Beurteilung Intrazelluläre Kinasen sind Enzyme, die Phosphat-
Die Daten zur Anwendung für Octreotid bei der diabeti- gruppen zu zellulären Proteinen hinzufügen. Die Pro-
schen Retinopathie sind variabel. Die besten Ergebnisse teinkinasen lassen sich nach der Natur der Akzeptor-
wurden in fortgeschrittenen Stadien der diabetischen Aminosäuren ihrer jeweiligen Substrate in vier Klassen
Retinopathie und bei hohen Dosen von Sandostatin be- unterteilen:
schrieben. ▬ Serin-/Threonin-spezifische Proteinkinasen,
Eine Wirkung konnte insbesondere bei einzelnen ▬ Tyrosin-spezifische Proteinkinasen,
Patienten mit persistierenden Neovaskularisationen und ▬ Histidin-spezifische Proteinkinasen und
Glaskörperblutungen nach Laserbehandlung oder Vit- ▬ Aspartat-/Glutamat-spezifische Proteinkinasen.
rektomie gefunden werden. Auch bei Patienten mit Ru-
beosis iridis zeigte sich bei Octreotid-Behandlung eine Man unterscheidet außerdem drei große Gruppen von
Besserung. Die Tatsache, dass insbesondere Patienten Serin-/Threonin-spezifischen Kinasen, die in allen Gewe-
mit späten, neovaskulären Komplikationen profitieren, ben zu finden sind:
spricht dafür, dass IGF-1 vor allem in fortgeschrittenen ▬ cAMP-abhängige Proteinkinase (Proteinkinase A),
Stadien der diabetischen Retinopathie als Progressions- ▬ Proteinkinase B und
faktor beteiligt ist. Octreotid ist nicht für die Behandlung ▬ Kalzium-Phospholipid aktivierte Kinase (Proteinki-
der diabetischen Retinopathie zugelassen. nase C).

Hyperglykämie

DAG AGE Glykierung


⊡ Abb. 8.5 Die Hyperglykämie führt zu
+ + einer Produktion von »advanced glyca-
+ tion endproducts« (AGE) und erhöhten
PKC-β-Inhibitor - PKCβ Kapillarleckage Makulaödem Diacylglycerol (DAG)-Spiegeln. Dies
+ + + führt zu einer Aktivierung von Prote-
inkinase β (PKCβ) und Überexpression
VEGF Kapillarokklusion von »vascular endothelial growth fac-
tor« (VEGF). Die durch PKCβ-induzierten
+ Effekte können mit PKCβ-Inhibitoren
rückgängig gemacht werden. (Aus Lang
Neovaskularisation Prol. diab. Retinopathie
2004)
106 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Die PKC ist eine Serin/Threonin-Kinase, die sich im Phorbolester, an die C2-Region Kalzium und an die C3-
ganzen Körper findet und an zahlreichen Signalprozessen Region ATP binden (⊡ Abb. 8.6).
beteiligt ist. Im Wesentlichen ist die PKC beteiligt an Ver- Am NH2-Terminus der meisten PKCs befindet sich
änderungen der Ionenkanäle, Permeabilität, Rezeptor- eine regulatorische Domäne von etwa 20-70 kDa, die die
funktionen, Zytoskelettstruktur, Proliferation, Apoptose, autoinhibitorisch wirkende Pseudosubstratdomäne ent-
Zellteilung und Transkription. hält. Weiter zum COOH-Terminus hin befinden sich die
C1- und C2-Domäne. Durch Interaktion der katalytischen
Proteinkinase-C-Familie Untereinheit mit dem Pseudosubstrat wird die PKC in
Die Proteinkinase-C-Familie wurde erstmals 1977 als einem inaktiven Zustand gehalten. Durch Entfernung der
eine proteolytisch aktivierte Kinase in Rattengehirnen autoinhibitorischen Pseudosubstratdomäne aus dem akti-
isoliert. Die PKC sind eine Familie von strukturell ven Zentrum wird die Bindung von DAG und Phospha-
und funktionell verwandten Proteinen, die durch al- tidylserin an die C1- bzw. C2-Domäne möglich und die
ternatives Splicing von einzelnen mRNA Transkripten Kinase aktiviert. Bei Aktivierung kommt es zur Phospho-
entstehen. rylierung von PKC. Die in verschiedenen Geweben ex-
Diese Kinasen sind üblicherweise im Zytoplasma primierten PKCs unterscheiden sich deutlich hinsichtlich
lokalisiert. Die PKC-Familie ist gekennzeichnet durch Anzahl und Expressionsniveau. PKCs sind an Signalkas-
unterschiedliche Strukturen und die dazu jeweilig er- kaden beteiligt, die Wachstum und Differenzierung von
forderliche Kofaktoren und Substrate. Durch die Über- Zellen kontrollieren. Die PKC-vermittelten Signalwege,
8 tragung von Phosphat auf Serin- und Threoningruppen die für Zellwachstum und Zelltod verantwortlich sind,
steuert die PKC die Aktivität nachgeordneter Enzyme. werden isoenzym- und zelltypspezifisch reguliert.
Basierend auf dieser regulatorischen Funktion spielt die In den Gefäßen und der Retina werden die PKC-βI
PKC eine zentrale Rolle bei der zellulären Signaltrans- und -βII und-δ mehr als andere Isoenzyme exprimiert. Es
duktion. Diacylglycerin, Phospholipide und Kalziumio- konnte gezeigt werden, dass die PKC-Aktivität korreliert
nen sind für die Aktivität der PKC erforderlich. Die PKC mit steigender Plasma-Glukose-Konzentration.
lassen sich in drei Gruppen einteilen basierend auf dem
Grad ihrer Abhängigkeit von Kalzium und Phospholipid. Effekt der PKC-Aktivierung
Die klassischen oder konventionellen Isoformen wer- Die Hyperglykämie führt zu erhöhten Spiegeln von AGE
den durch Diazylglyzerol (DAG) oder Phorbolester in und DAG. Diese sind Aktivatoren der PKC (⊡ Abb. 8.5).
einem Kalzium-abhängigen Prozess aktiviert. Die neuen Dies führt über eine Dysregulation von verschiedenen
PKCs werden ebenfalls durch DAG aktiviert, wobei die zellulären Prozessen, in die PKC-Isoenzyme involviert
Aktivierung dieser Isoformen von Kalzium unabhängig sind wie die Überexpression von VEGF. Folge ist eine
erfolgt. Die Gruppe der sogenannten atypischen PKCs erhöhte Gefäßpermeabilität und die Entwicklung von
und der neuen atypischen PKCs sind durch DAG nicht Neovaskularisationen. In retinalen Perizyten kann die
aktivierbar. Derzeit umfasst das Spektrum der PKC- Expression von VEGF durch PKC aktiviert werden.
Familie 13 Isoenzyme. In-vitro-Studien belegen, dass die Aktivierung von
Die PKC-Isoenzyme bestehen aus einer regulatori- PKC durch Phorbol-12-Myristat-13-Acetat oder hohe
schen und katalytischen Region: C1 bis C4, wobei an Glukosespiegel die Permeabilität von retinalen Endothel-
die C1-Domäne Diacylglyzerol, Phosphatidylserin und zellen steigert.

regulatorisch katalytisch

PS C1 C1 C2 C3 C4
cPKC N COOH

nPKC N COOH

⊡ Abb. 8.6 Schematische Darstel-


lung der primären Struktur der PKC aPKC N COOH
Isoenzyme. Die PKC-Isoenzyme be-
sitzen eine regulatorische (PS, C1-C2)
und eine katalytische Region (C3-C4) naPKC N COOH
8.1 · Nicht-proliferative diabetische Retinopathie
107 8
8.1.5 Proteinkinase C und diabetische mie verursachten endothelialen Dysfunktion. Durch die
Retinopathie PKC wird die NO-vermittelte Vasodilatation gehemmt.
Dies ist von Bedeutung, da eine Hemmung der PKC die
Die Hyperglykämie ist assoziiert mit einem gesteigerten retinale, mikrovaskuläre Hämodynamik wieder normali-
Polyol-Stoffwechsel, der Bildung von AGE und von reak- sieren kann.
tiven Sauerstoffspezies. Die Adhäsion von Monozyten an endotheliale Zel-
Die Hyperglykämie stimuliert die Neusynthese von len der Gefäßwand ist bei Diabetes mellitus verstärkt.
DAG. DAG verursacht eine vermehrte Expression der Die Membran-assoziierte PKC-Aktivität von Monozyten,
gewebsspezifischen PKC-Isoformen. Dies wiederum die bei Diabetikern deutlich erhöht ist, spielt dabei eine
führt zu einer Translokation der Isoform vom Zytosol Rolle.
in die Membran. Die Überexpression von PKC bewirkt Die Aktivität der PKC ist auch für die Regulation
auch eine Stimulation der Expression von VEGF. Er- der Hormonrezeptorendichte an der Zelloberfläche von
höhte VEGF-Spiegel führen wiederum zu einer gestei- Bedeutung. Sie ist involviert in intrazelluläre Signalant-
gerten Aktivierung von PKC. worten, Ionenkanal-Aktivitäten, dem intrazellulärem pH
In vielen Studien fanden sich Hinweise dafür, dass die und der Phosphorylierung von Proteinen. Auch die bei
PKC-Aktivierung durch die Hyperglykämie beim Diabe- Diabetikern beobachtete erhöhte reaktive Kontraktilität
tiker im Zusammenhang mit den erhöhten DAG-Spie- der glatten Gefäßmuskulatur wird verursacht durch eine
geln in vaskulären Geweben steht. Dies gilt auch für die PKC-Aktivierung, an der die Hyperglykämie kausal be-
Retina. Neuere Studien haben ergeben, dass die PKC-β an teiligt ist. Veränderungen der intrazellulären Kalzium-
vaskulären Dysfunktionen beteiligt ist, die durch Hyper- konzentration sind mit der PKC-Aktivierung verknüpft
glykämie induziert werden. Die intrazelluläre Freisetzung und modulieren über Wachstumsfaktoren induzierte Mi-
von DAG scheint der primäre Schritt zur Aktivierung der togenese und Kontraktion. Auch die Apoptose der glatten
PKC zu sein. Gefäßmuskelzellen ist PKC abhängig.
Die durch Hyperglykämie induzierte PKC-Aktivie-
rung spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Wirkung der PKC-Aktivierung
Progression der diabetischen Retinopathie. Glukose ge- Der Verlust der endothelialen Barrierefunktion ist ein
langt in die Zellen und wird dann über die Glykolyse frühes pathophysiologisches Phänomen der diabetischen
weiter verstoffwechselt. Dies führt zu einer Neusynthese Retinopathie. Dabei spielt die durch PKC vermittelte Phos-
von DAG. Erhöhte DAG-Spiegel sind in der Retina von phorylierung und Relaxation von zytoskeletalen- und Ad-
Diabetikern gefunden worden. So führt eine Hypergly- häsionsproteinen wie Caldesmon, Vimentin, Talin und
kämie zu einer verstärkten DAG-PKC Signaltransduk- Vinulin eine Rolle. Diese Proteine sind mitverantwortlich
tion in der Retina. Weiterhin spielen unabhängig von für die pathologische Gefäßpermeabilität, die bei erhöhten
der DAG-Synthese auch Fettsäuren eine entscheidende Glukosespiegeln gefunden werden. Dabei scheint VEGF
Rolle in der Modulation der PKC-Aktivierung, jedoch der primäre Mediator der gestörten Gefäßpermeabilität zu
scheinen die PKC-Isoenzyme der jeweiligen Gewebe un- sein, ebenso wie auch der Neoangiogenese. In Augen von
terschiedlich stark aktiviert zu werden. Dabei ist PKC-β Diabetikern mit Retinopathie sind erhöhte VEGF-Spiegel
ein wichtiges Isoenzym in der Retina. Ein möglicher gefunden worden. Bei erhöhten Glukosespiegeln ist die
Grund für die bevorzugte Aktivierung von PKC-β bei VEGF-Genexpression auch von der PKC abhängig.
Diabetikern ist die hohe Sensitivität gegenüber DAG. Die Verdickung der kapillären Basalmembran und die
Die Aktivierung der DAG-PKC Stoffwechselwege führt Vermehrung der extrazellulären Matrix sind die im Vor-
zu langfristigen, strukturellen und funktionellen Ver- dergrund stehenden vaskulären Veränderungen in der
änderungen, die mit mikrovaskulären Komplikationen Frühphase der Entwicklung der diabetischen Retinopa-
assoziiert sind. thie. Die Basalmembran spielt eine Rolle bei der vasku-
Das Gefäßendothel spielt eine Schlüsselrolle in der lären Permeabilität, der zellulären Adhäsion, Zellprolife-
Regulation der Hämostase, dem Blutgefäßtonus, der vas- ration, Zelldifferenzierung und Genexpression. Kollagen
kulären Permeabilität und der Thrombozytenaktivierung. vom Typ IV und VI sowie auch Fibronektin werden beim
Endotheliale Dysfunktion und Zellaktivierung führen zur Diabetiker vermehrt produziert. PKC-Inhibitoren kön-
Entwicklung der Mikroangiopathie. Bei biochemischer nen diese Effekte verhindern.
oder mechanischer Stimulation setzen endotheliale Zel- Bei der Verdickung der Basalmembran und der Syn-
len umfangreiche Substanzen frei, darunter unter ande- these von extrazellulärer Matrix spielen insbesondere
rem Angiotensin II, Endothelin-1 (ET-1), TGFβ, VEGF auch TGF-β und der »connective tissue growth factor«
und Prostaglandine. Dabei ist die PKC-Aktivierung ein (CTGF) eine Rolle. Die Expression von TGF-β und CTGF
biochemisch wichtiger Schritt in der durch Hyperglykä- können durch einen PKC-Inhibitor blockiert werden.
108 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Experimentelle Studien zu Inhibitoren mit einem PKC-β-Inhibitor, rückgängig gemacht wer-


der Proteinkinase C den. In diesem präklinischen Modell zeigte sich, dass die
In tierexperimentellen Studien konnte gezeigt werden, verschiedenen PKC-Isoformen nicht wesentlich an der
dass die intravitreale Injektion von VEGF zu einer ra- durch VEGF165 initiierten Signaltransduktion beteiligt
schen Aktivierung der PKC in der Retina, einer Mem- sind, die zu einer Delokalisation von Claudin-1 führt und
brantranslokation der PKC-Isoformen α, βII und δ und eine gesteigerte Zellpermeabilität verursacht.
einer dreifach erhöhten retinalen Gefäßpermeabilität
führte. Welche Rolle dabei die PKC exakt spielt, ist jedoch Studien mit Proteinkinase-Inhibitoren
noch unklar. Eine intravitreale oder orale Applikation Die Behandlung von Patienten mit diabetischem Makula-
von PKC-Inhibitoren reduzierte in dieser Studie die ge- ödem (DMÖ) mit PKC412, einem Inhibitor verschiedener
steigerte Gefäßpermeabilität. Isoformen der PKC und VEGF-Rezeptoren, für 3 Monate
Saishin et al. (2003) konnten an einem Schweinemo- führte zu einer Reduktion der Netzhautdicke in der opti-
dell für chorioidale Neovaskularisation zeigen, dass durch schen Kohärenztomographie (OCT). Die Studien mit dem
periokulare Injektionen von mit dem Inhibitor PKC412 unspezifischen PKC-Hemmer PKC412 zeigten schwere
beladenen Mikrosphären signifikant kleinere CNV ge- Nebenwirkungen wie gastrointestinale Beschwerden und
funden wurden im Vergleich zur Kontrollgruppe. Lebertoxizität, sodass die Studien eingestellt wurden.
Seo et al. (1999) konnten in einem Mausmodell mit
ischämischer Retinopathie und mit durch Laser induzier- z Ruboxistaurin
8 ten chorioidalen Neovaskularsationen nachweisen, dass Das einzige Präparat, das sich bis vor Kurzem noch in
durch einen selektiven PKC-Inhibitor CGP 41251 reti- einer klinischen Studie befand, ist Ruboxystaurin. Ru-
nale Neovakularisationen bei Mäusen mit ischämischer boxistaurin Mesylat (LY333531, Eli Lilly) wurde 1994
Retinopathie und chorioidale Neovaskularisation nach entwickelt. Es handelt sich um ein Bisindolylmaleimid. Es
Laser-induzierter Ruptur der Bruchschen Membran ver- ist ein Isoenzym-selektiver PKC-Inhibitor, der oral verab-
hindert werden konnten. reicht wird. Ruboxistaurin Mesylat ist der am selektivsten
Danis et al. (1998) zeigten an einem Schweinemodell, wirkende PKC-Inhibitor.
dass mit dem spezifischen PKC-Inhibitor LY333531 die Ruboxistaurin Mesylat (Ly333531) ist ein spezifischer
Entwicklung von präretinalen Neovaskularisationen nach Inhibitor der beiden Isoformen PKC-βI und -βII. Durch
Venenastverschluss effektiv verhindert werden konnte. Inhibition von PKC-β wird versucht, die diabetische Re-
Dies legt nahe, dass die PKC an der Entwicklung von tinopathie zu behandeln. Ruboxistaurin wird einmal täg-
Neovaskularisationen, die durch Ischämie bedingt sind, lich oral verabreicht. Die Halbwertszeit des Metaboliten,
beteiligt ist. N-Desmethyl-Ruboxistaurin beträgt etwa 16 h.
In einem Mausmodell für Diabetes mellitus Typ 2 Die PKC-Diabetic Retinopathy Study (PKC-DRS) war
konnte nachgewiesen werden, dass der PKC-Inhibitor eine Phase III, multizentrische, randomisierte, maskierte,
Ly333531 (Lilly) eine durch Diabetes mellitus induzierte placebokontrollierte Studie an 252 Patienten, die entwe-
retinale erhöhte Gefäßdurchlässigkeit und retinale Neo- der Placebo, 8 mg, 16 mg oder 32 mg Ruboxistaurin pro
vaskularisationen verhindern konnte. Tag über 3 Jahre erhielten. Der primäre Endpunkt war
In diabetischen Ratten konnte mit einer Behandlung eine Progredienz der diabetischen Retinopathie um 3 ET-
mit Ruboxistaurin Mesylat eine dosisabhängige Verbesse- DRS-Stufen oder eine panretinale Laserbehandlung.
rung des retinalen Blutflusses und eine Reduzierung der Einschlusskriterien waren ein ETDRS-Level von
retinalen PKC-Aktivität erzielt werden. 47b-53e und ein bestkorrigierter Visus von mindestens
Nach neueren Untersuchungen von Deissler et al. 45 Buchstaben. Der Ausgangsvisus lag im Mittel bei
(2010) scheinen die PKC-Inhibitoren bei Diabetes mel- 80 Buchstaben. Der primäre Endpunkt wurde nicht er-
litus aber nicht vorwiegend über eine Hemmung der reicht. Bezüglich des sekundären Endpunktes zeigte sich
VEGF-Effekte zu wirken. Immortalisierte, bovine, retinale bei der 32-mg-Gruppe eine signifikante Reduktion des
Endothelzellen wurden mit PKC inkubiert. Dies führte Visusverlustes um 3 Zeilen.
zu einer Delokalisation von Claudin-1, einem wichtigen In der PKC-Diabetic Macular Edema Study (PKC-
Schrankenprotein der Tight-junctions (⊡ Abb. 8.7). Dies DMES, MBBK Trial) wurden 686 Patienten in einer mul-
konnte mit einem PKC- δ-Inhibitor rückgängig gemacht tizentrischen, prospektiven, randomisierten, placebo-
werden. Wurden die Zellen allerdings mit VEGF165 über kontrollieren Phase-III-Studie untersucht. Die Patienten
längere Zeit inkubiert, so konnten die Delokalisation wurden randomisiert zu 4 mg, 16 mg oder 32 mg Ru-
von Claudin-1 und die dadurch verursachte Schranken- boxistaurin pro Tag. Die Dauer der Studie betrug 3 Jahre.
störung – gemessen am transendothelialen Widerstand Der primäre Endpunkt war die Progredienz des Makula-
– mit keinem PKC-Inhibitor, insbesondere auch nicht ödems innerhalb von 100 μm zum Zentrum der Makula
8.1 · Nicht-proliferative diabetische Retinopathie
109 8

⊡ Abb. 8.7 Die durch VEGF induzierte Delokalisation von Claudin-1 kann durch die Inhibition von PKC nicht verhindert warden. Immortalisierte,
bovine retinale Endothelzellen (iBREC) wurden entweder mit PKC-Inhibitoren (GF 109203X, Gö 6983)) oder Ranibizumab für 2 h inkubiert, bevor
VEGF165 für 2 Tage zugefügt wurde. Nur der VEGF-Inhibitor Ranibizumab war in der Lage, die Delokalisation von Claudin-1 zu verhindern. Dage-
gen konnte die durch VEGF induzierte Delokalisation von Occludin von Ranibzumab und den PKC-Inhibitoren verhindert werden. Die Lokalisa-
tion von Claudin-5 wurde durch VEGF nicht verändert. (Mit freundl. Genehmigung aus Deissler et al. 2010)

oder eine erforderliche fokale oder Gridlaser-Behandlung. In einer Phase-III-Studie konnte bereits gezeigt wer-
Die Patienten hatten eine Makulaverdickung zwischen den, dass Ruboxistaurin bei bestimmten Patientengrup-
300 und 3.000 μm vom Zentrum der Makula und eine pen die Progredienz des diabetischen Makulaödems sig-
nicht proliferative diabetische Retinopathie. Der bestkor- nifikant reduziert.
rigierte Visus betrug mindestens 75 Buchstaben. Es zeigte In den multizentrischen Studien wird derzeit un-
sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Grup- tersucht, ob Ruboxistaurin Mesylat die Progredienz des
pen. Beim direkten Vergleich der 32-mg-Gruppe mit diabetischen Makulaödems und der diabetischen Retino-
Placebo zeigte sich ein signifikanter Unterschied. pathie aufhalten kann.
In der PKC-Diabetic Retinopathy Study 2 (PKC-
DRS2, MBCM Trial) wurde als primärer Endpunkt die Nebenwirkungen
Progredienz der diabetischern Retinopathie oder die pan- Es wurden über 2.000 Patienten mit Ruboxistaurin be-
retinale Laserkoagulation gewählt und dann aufgrund handelt und es erwies sich als gut verträglich. Selten
der Ergebnisse der anderen beiden Studien in mäßigen kommt es zu Dypepsie, Diarrhöen, Kopfschmerzen, Nas-
Visusverlust geändert. Es handelte sich ebenfalls um eine opharyngitis oder Husten.
prospektive, randomisierte, placebokontrollierte Phase-
III-Studie mit 685 Patienten, die Placebo oder 32 mg Ru- Zusammenfassende Beurteilung
boxistaurin über 3 Jahre erhielten. Der primäre Endpunkt Die Überexpression von Proteinkinase spielt pathoge-
war der anhaltende signifikante Visusverlust von min- netisch im Rahmen der diabetischen Retinopathie eine
destens 3 Zeilen. Der bestkorrigierte Visus bei Einschluss Rolle. Es zeigte sich eine Wirkung der spezifischen PKC-
betrug mindestens 45 Buchstaben. Der mittlere Visus bei Inhibition in tierexperimentellen und klinischen Studien.
Einschluss betrug 77 Buchstaben. Es zeigte sich ein um Ob die PKC-Inhibitoren zu Therapie geeignet sind und
40% reduziertes Risiko des Visusverlustes in der Verum- ggf. zugelassen werden, wird sich herausstellen, wenn die
gruppe im Vergleich zu Placebo (p=0,034). endgültigen Studienergebnisse vorliegen.
110 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Praxistipp I I Meyer-Schwickerath war in den späten 1950ern der Erste,


der bewusst einen photothermischen Netzhautschaden
Weder Somatostatin-Analoga noch PKC-Inhibitoren sind für
zur Behandlung der diabetischen Retinopathie setzte.
die Behandlung der diabetischen Retinopathie zugelassen.
Ob sie in der Ära der Anti-VEGF-Therapien in Zukunft noch
Seine ersten Experimente machte er mit dem »Heliostat«,
eine Rolle spielen werden, ist bisher nicht abschätzbar. Das
einem optischen System zur Bündelung von Sonnenlicht.
erste Medikament, das eine Zulassung für die Behandlung Diese ersten Geräte wurden bald durch ein kommerziel-
der Visusreduktion des diabetischen Makulaödems erhal- les Instrument der Firma Carl Zeiss mit einem Xenon-
ten hat, ist Ranibizucab (Lucenits, Novartis AG). Lichtbogen als Lichtquelle ersetzt. Das Applikationssys-
tem dieses Lichtkoagulators basierte auf dem Prinzip der
direkten Ophthalmoskopie und einem beweglichen Spie-
Fazit für die Praxis gel, der den Blick des behandelnden Arztes auf den Fun-
Somatostatin-Analoga dus blockierte, während der Lichtpuls appliziert wurde.
Da Wachstumshormon (GH) und »Insulin-like growth factor 1« Dieses klobige Gerät mit einer exzessiven Hitzeproduk-
(IGF-1) Mediatoren der Angiogenese in der Retina bei Patienten tion wurde bald durch Laser ersetzt. Der Laser fand eine
mit Diabetes mellitus sind, ist der natürlich vorkommende Hem- seiner ersten erfolgreichen kommerziellen Anwendung in
mer des Wachstumshormons, Somatostatin, einer der Kandidaten der Photokoagulation der Netzhaut. Heute ist der Laser
für die pharmakologische Therapie der diabetischen Retinopa- integriert in den Strahlengang des Spaltlampen-Biomi-
thie. Für den klinischen Einsatz stehen synthetische Somatosta- kroskops, sodass eine Beobachtung des Fundus wäh-
8 tin-Analoga des natürlich vorkommenden Wachstumshormon- rend der Applikation von Licht und thermischer Energie
Inhibitors, wie z.B. Sandostatin (Octreotid), zur Verfügung. Diese möglich ist. Der Laser produziert monochromatisches
könnten für die Therapie der diabetischen Retinopathie von Be- Licht mit gut charakterisierten Absorbtionseigenschaften,
deutung sein. Sie hemmen die Produktion von GH und IGF1 und sodass die Lichtquelle vernachlässigbare Hitze produ-
weisen antiangogene Eigenschaften auf. Somatostatin-Analoga ziert und keine laute Kühlung mehr braucht. Dennoch
wurden bisher zur Therapie von zystoider Makulopathie und pro- bleiben die fundamentalen Charakteristika der gesetzten
liferativer diabetischer Retinopathie off-label eingesetzt. Photokoagulationsläsionen an der Netzhaut grundsätz-
lich dieselben.
Proteinkinase-C-Inhibitoren Zunächst basierte das Konzept der Photokoagula-
Die Proteinkinase C (PKC) gehört zur Familie der Proteinkinasen tionsbehandlung darauf, Neovaskularisationen direkt
und ist in zelluläre Signalwege involviert. Sie steuert die Aktivität durch thermische Koagulationen der neuen Gefäße zu
von nachgeordneten Enzymen und Faktoren. Die PKC ist be- verschließen. Dieses Konzept wurde allerdings bald ver-
teiligt an Dysregulationen der Zellen, die durch Hyperglykämie lassen, als sich zeigte, dass eine teilweise Laserablation
verursacht sind. Im Rahmen der Hyperglykämie kommt es zu der äußeren Netzhaut ausreichend war, um den vollen
erhöhten Diacylglycerol (DAG)-Spiegeln, die zu einer Aktivierung therapeutischen Effekt zu erreichen. Auch zeigte sich,
der PKC führen. Daher könnten PKC-Inhibitoren zur Therapie der dass die Energie, die zur Koagulation neugebildeter reti-
diabetischen Retinopathie infrage kommen. Experimentelle und naler Gefäße notwendig war, auch Schäden an den dar-
klinische Studien weisen darauf hin, dass die Hemmung des PKC unterliegenden, normalen retinalen Blutgefäßen und den
Subtyps β (PKC-β) zur Behandlung der diabetischen Retinopa- Nervenfasern der inneren Netzhautschichten bedingte.
thie geeignet sein könnte. Der selektive PKC-β-Inhibitor Ruboxis- Um den gewünschten therapeutischen Erfolg bei der
taurin Mesylat wird derzeit in klinischen Studien untersucht. proliferativen diabetischen Retinopathie zu erzielen, war
lediglich ein verödender Effekt an der äußeren Netzhaut
zu setzen, also am retinalen Pigmentepithel und der
8.2 Proliferative diabetische Retinopathie Photorezeptorenschicht. Eine gute Verteilung der Pho-
tokoagulationsherde spart die zentrale Netzhaut aus und
8.2.1 Photokoagulation bei proliferativer lässt ein konfluentes Netzwerk von intaktem retinalen
diabetischer Retinopathie (PDR) Pigmentepithel und Photorezeptoren, das möglichst für
eine volle Gesichtfeldbreite sorgen soll, zurück.
W. Soliman, M. Larsen, H. Helbig Dennoch muss ein ausreichend großer Anteil der
äußeren Netzhaut eliminiert wird, um die Bildung der
Geschichte der Photokoagulation Hypoxie-induzierten Signalmoleküle zu verhindern, wel-
Wer als Erster die klinische Beobachtung machte, dass che die Neovaskularisationen induzieren. Es ist zwei-
eine Netzhautdegeneration oder eine posttraumatische felhaft, ob die Läsion auch das retinale Pigmentepithel
Netzhautatrophie vor der Entwicklung einer diabetischen (RPE) umfassen muss, um den therapeutischen Effekt
Retinopathie schützt, ist nicht überliefert. Aber Gerd zu erreichen. Allerdings kann nur dank des Pigmentes
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
111 8
im retinalen Pigmentepithel ausreichend sichtbares Licht
absorbiert werden und in thermische Energie konvertiert
werden, sodass sekundär auch die benachbarten Pho-
torezeptoren koaguliert werden können. Eine isolierte
Verödung der Photorezeptoren mit dem Laser unter Aus-
sparung des RPE ist nicht möglich.

Wirkungsmechanismus
Die Absorption von Licht im RPE führt zu einer Wär-
meentwicklung, und wenn der Energiefluss hoch genug
ist, zu einer Koagulation des Pigmentepithels und der
Photorezeptor-Außensegmente. Diese liegen in so engem
Kontakt mit den Melanin-enthaltenen Elementen des
Pigmentepithels, sodass ein Schaden in der anliegenden
Netzhaut unvermeidbar ist. Ein primärer Schaden wird
auch in der Choriocapillaris gesetzt.

a
Praxistipp I I
Um den gewünschten Effekt, also die letale Wirkung
auf die Zellen, zu erreichen, muss die Hitze groß genug
sein, um die Gewebeproteine zu denaturieren, d.h.
buchstäblich, sie zu »garen« ohne eine Verdampfung
zu induzieren.

Die Konsequenz der Verdampfung wäre ein explosiver


Effekt, der unerwünschte Wirkungen im Gewebe hervor-
ruft, wie eine Ruptur der Bruchschen Membran, welche
für eine sekundäre Entwicklung einer subretinalen neo-
vaskulären Membran prädisponiert.
Erhebliche Anstrengungen wurden gemacht, die op-
timale Wellenlänge des Lichtes für die Photokoagulation
zu bestimmen. Anfangs war die Wahl der Wellenlänge
limitiert durch die verfügbaren Laser. Der erste Laser,
ein Ruby-Laser emittierte im roten Bereich bei 694 nm.
b In diesem Teil des Spektrums ist die Transparenz des
retinalen Pigmentpithels hoch und die Energie, welche
für den gewünschten Effekt nötig ist – eine zarte Weiß-
färbung der äußeren Netzhaut – ist so hoch, dass die
unerwünschte Hitzeentwicklung in der Aderhaut und
der Sklera erhebliche Schmerzen hervorruft und eine
Retrobulbäranästhesie notwendig ist. Dies war einer der
Gründe, weshalb bald der Argon-Laser eine attraktive
Alternative darstellte. Seine Emissionslinien bei 488 nm
und 514,5nm werden zu einem hohen Grad im RPE
absorbiert. Zwei Argumente gegen blaues und grünes
Licht sind allerdings, dass die Streuung des Lichtes in der
alternden Linse bzw. in der Katarakt relativ hoch ist. Zum
c
Anderen macht das gelbe Xantophyll in der neurosenso-
rischen Netzhaut der Makula Licht dieser Wellenlängen,
⊡ Abb. 8.8 Präretinale Proliferationen von neuen Gefäßen bei pro- insbesondere das blaue Licht, unattraktiv für Photokoagu-
liferativer diabetischer Retinopathie. (a, b Aus Solimann W u. Larsen lationen nahe des Zentrums. Der rote Krypton 647-nm-
M 2007) Laser wurde als Alternative vorgeschlagen, mit Vorteilen
112 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Hochrisiko-Charakteristika:
▬ Neovaskularisationen auf der Papille (»Neovavascu-
larization on the disc«, NVD) >1/3 der Papillenfläche
mit oder ohne Glaskörperblutung
▬ Glaskörperblutung oder präretinale Blutung mit
NVD (jeder Größe)
▬ Glaskörperblutung und Neovaskularisation auf der
Netzhautoberfläche außerhalb des Papillenbereiches
(Neovascularization elsewhere, NVE) größer als eine
halbe Papillenfläche.

Schwerer Sehverlust wurde hier definiert als eine Seh-


schärfe < 5/200 (ca. <1/50) bei 2 aufeinander folgenden
Untersuchungen mit 4 Monaten Abstand. Die Photoko-
agulationstechnik bestand aus diffus verteilten Effekten
⊡ Abb. 8.9 Fundusphotokoagulation mit einem Kontaktglas. (Aus (»scatter photocoagulation«), d.h. Photokoagulationsläsi-
Soliman W u. Larsen M 2007) onen mit ungefähr einer Herdgröße Abstand von einan-
der, zwischen hinterem Pol unter Aussparung der Makula
8 bis nach anterior zum Äquator. Für die Argon-Laser-
sowohl in Bezug auf die Lichtstreuung in der Linse als koagulation wurden 800 bis 1.600 Herde mit 500 μm
auch wegen besserer Penetration bei Glaskörperblutun- Durchmesser und einer Expositionszeit von 0,1 Sekun-
gen. Allerdings blieben die Ergebnisse der Behandlung den gesetzt, mit Energiewerten ausreichend, um eine
subfovealer Neovaskularisationen unbefriedigend und mäßig intensive Weißfärbung der Herde zu erreichen.
der Krypton-Laser fand klinisch nur begrenzte Anwen- Die obengenannten Hochrisiko-Charakteristika de-
dung. Aktuell bieten Dioden-Laser am gelben Ende des finieren eine Situation, in der ein bisher unbehandeltes
Grünspektrums bei 532 nm eine attraktive Option, vor Auge von der Photokoagulation profitieren kann, d.h. mit
allem wegen ihres kompakten Designs, aber auch ihrer Behandlung eine verbesserte Aussicht auf Funktionser-
geringen Streuung in der Linse. halt hat. Es ist jedoch klinisch offensichtlich, dass Augen
Der Wirkungsmechanismus der Laserphotokoagula- weit oberhalb dieser Schwelle, zum Beispiel Augen mit
tion bei proliferativer diabetischer Retinopathie kann ver- weit fortgeschrittenen fibrotischen Veränderungen, oft
einfacht als eine Wiederherstellung der Balance zwischen nicht günstig auf die Photokoagulation reagieren.
Sauerstoffbedarf und Sauerstoffzufuhr in einer Situation Für Augen mit schwerer nichtproliferativer diabeti-
mit diffusem Verlust der Kapillardurchblutung angesehen scher Retinopathie (NPDR) oder PDR ohne Hochrisiko-
werden. In der Tat zeigten Messungen der Sauerstoffkon- Charakeristika empfahl die DRS regelmäßige Kontrollun-
zentration im Gewebe, dass die Photokoagulation eine tersuchungen und bei Auftreten von Hochrisiko-Charak-
Verbesserung der Oxigenierung der inneren Netzhaut- teristika eine sofortige Laserkoagulation.
schichten bewirkt, in dem sie die metabolisch hoch ak- Ein möglicher Nutzen einer früheren Behandlung
tive Photorezeptorenschicht zerstört und damit zu einer wurde in der Early Treatment Diabetic Retinopathy Study
erhöhten Sauerstoffdiffusion in den inneren Netzhaut- (ETDRS) untersucht. Die ETDRS definierte die schwere
schichten führt . NPDR über das Vorliegen von einer der 3 folgenden Cha-
rakteristika (auch bekannt als die 4-2-1-Regel):
Klinische Studien und daraus ▬ Größere Punkt- und Fleckblutungen in 4 Quadranten
folgende Indikationen für die retinale ▬ Kaliberschwankungen der Venen in 2 Quadranten
Photokoagulationsbehandlung ▬ Intraretinale mikrovaskuläre Anomalien (IRMA) in
Die Diabetic Retinopathy Study (DRS), deren erste Er- 1 Quadrant
gebnisse 1976 veröffentlicht wurden, hatte zum Ziel,
den Effekt der Argonlaserkoagulation und der Photoko- Die ETDRS verglich eine frühe disseminierte (»scatter«)
agulation mit dem Xenon-Lichtbogen auf die Neovasku- Photokoagulation mit Beobachtung bei Patienten mit
larisationen bei proliferativer diabetischer Retinopathie milder bis schwerer NPDR oder früher PDR mit oder
(PDR) zu untersuchen. Die DRS zeigte überzeugend, ohne Makulaödem. Die Ergebnisse der Studie führten zu
dass das Risiko eines schweren Sehverlusts bei Au- einer revidierten Empfehlung, nämlich dass die Schwelle
gen mit Hochrisiko-PDR um ca. 50% reduziert werden zur Behandlung mit einer disseminierten (»scatter«) Pho-
konnte. tokoagulation bei älteren Patienten mit Typ-II-Diabetes
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
113 8

⊡ Abb. 8.11 Sehr schwere nicht-proliferative diabetische Retinopa-


a
thie mit IRMAs und venösen Kaliberschwankungen

Praxistipp I I
Der Goldstandard der Fundusuntersuchung bleibt die
stereoskopische Fundusbiomikroskopie

Klinische Praxis
In der klinischen Praxis sollten eine Reihe von Faktoren
bedacht werden, bevor die Entscheidung, eine dissemi-
nierte (»scatter«) Photokoagulation zu empfehlen, gefällt
wird:
▬ Systemische Faktoren, wie z.B. eine schlechte meta-
bolische Einstellung oder eine kürzliche wesentliche
Verbesserung der Blutzuckereinstellung, ein arteriel-
ler Hypertonus, Schwangerschaft und Niereninsuf-
fizienz sind mit einer schlechteren Visusprognose
b assoziiert und können eine frühere disseminierte
(»scatter«) Photokoagulation rechtfertigen.
⊡ Abb. 8.10 Neovaskularisationen auf dem Sehnervenkopf (NVD) bei ▬ Ein aggressiver Verlauf der PDR am Partnerauge
PDR. Die Pfeile (a) markieren den Rand des neovaskulären Gefäßnetzes. ist ein starkes Argument, auch das zweite Auge
(Aus Soliman W u. Larsen M 2007) frühzeitig mit Photokoagulation zu behandeln. Eine
Behandlung, in früheren Stadien als es die Standard-
leitlinien empfehlen, ist sinnvoll bei Patienten, welche
schon bei sehr schwerer NPDR (mindestens 2 Kriterien eine schlechte Mitarbeit (»Compliance«) bei Thera-
der 4-2-1-Regel oder früher PDR ohne die DRS-Hoch- pie oder Retinopathie-Screening gezeigt haben. Vor-
risiko-Charakteristika) durchgeführt werden sollte. Bei behalte gegen eine Retrobulbäranästhesie, zusammen
jüngeren Patienten mit Typ-I-Diabetes sahen die ETDRS- mit der Angst vor Schmerz, können zu mehr Sitzun-
Empfehlungen unverändert vor, dass die Photokoagula- gen mit kleineren Herden, aber insgesamt größerer
tion bis zur Entwicklung von DRS-Hochrisiko-Charakte- Zahl von weniger schmerzhaften Herden führen.
ristika hinausgeschoben werden kann. ▬ Trübungen der optischen Medien wie Katarakt oder
Es ist erwähnenswert, dass ganz generell die prolife- Glaskörperblutung sollten die Entscheidung zur frü-
rative diabetische Retinopathie charakterisiert ist durch hen Photokoagulation beschleunigen.
präretinale Gefäßneubildungen, die mit einer partiellen ▬ Bei einer anstehenden Kataraktoperation bei Pa-
Abhebung der hinteren Glaskörpergrenzfläche verknüpft tienten mit aktiver PDR sollte die Photokoagulati-
sind. Neovaskularisationen auf der Netzhautoberfläche, onsbehandlung vor der Kataraktoperation erfolgen,
flach aufliegend, sind schwer zu unterscheiden von IR- weil dieser Eingriff die Progresssion der Retinopathie
MAs (⊡ Abb. 8.10, ⊡ Abb. 8.11). beschleunigen kann [9].
114 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

▬ Bei gleichzeitig bestehendem klinisch signifikantem tionen stellt sich ein Großteil der Patienten dem Augenarzt
Makulaödem sollte das Makulaödem vor der PDR erst dann vor, wenn schon eine fortgeschrittene diabetische
behandelt werden, weil die Photokoagulation zu Retinopathie mit Sehverlust vorliegt. Bei solchen Patienten
einer Verschlechterung des Makulaödems und zu ist die Prognose begrenzt. Die funktionellen Ergebnisse
einem transienten oder permanenten Sehverlust füh- schwanken zwischen sehr gut und schlecht. Die Informa-
ren kann. tion, die man diesen Patienten geben sollte, reicht von Be-
▬ In Gegenwart von Vorderabschnittsneovaskularisati- ruhigung eines nervösen Patienten, dass die Visusprognose
onen (Rubeosis iridis) sollte eine rasche und aggres- gut ist, bis zum Hinweis, dass zusätzliche Maßnahmen nö-
sive Laserkoagulation der Netzhaut erfolgen, weil die tig werden könnten, um die Retinopathie zu kontrollieren,
Progression zum neovaskulären Glaukom mit einer nicht weil die Photokoagulation nicht wirksam ist, und
besonders schlechten funktionellen Prognose asso- nicht, weil sie subjektiv bedeutende negative Effekte hat,
ziiert ist. Differentialdiagnostisch sollten ein Zen- sondern weil sie alleine möglicherweise nicht ausreicht.
tralvenenverschluss und ein okuläres ischämisches
Syndrom abgegrenzt werden. z Ist die Photokoagulation bei PDR eine sichere
Prozedur?
Vorbereitung zur Photokoagulation: Die Photokoagulation bei diabetischer Retinopathie ist ge-
Information und Einwilligung nerell eine sehr sichere Prozedur. Der wesentliche, aller-
Vor der Photokoagulation der Netzhaut sollte sicherge- dings dramatische, unerwünschte Effekt ist, dass während
8 stellt sein, dass der Patient über eine Reihe relevanter der Photokoagulation ein Herd unabsichtlich in die Fovea
Punkte voll informiert ist. Das folgende Kapitel enthält gesetzt werden könnte. Schlechte Patientenmitarbeit ist da-
Informationen, die es dem behandelten Arzt erlauben, für selten die Ursache, weil diese schon am Beginn der Be-
typische Patientenfragen zu beantworten. handlung bemerkt wird und zu geeigneten Maßnahmen,
wie z.B. einer Trainingssitzung mit nur sehr wenigen Läsi-
z Was ist das Ziel der Behandlung und welches sind onen, führen würde. Sedierende Medikamente können vor
die Kriterien für den Erfolg? der nächsten Sitzung verschrieben werden, oder es kann
Ziel der Behandlung ist, die zukünftige Entwicklung der eine Retrobulbaranästhesie gesetzt werden. Nur in sehr
Sehschärfe besser zu gestalten, als es im unbehandelten seltenen Fällen wird eine Vollnarkose erforderlich sein.
Fortschreiten des Krankheitsverlaufes geschehen würde. Es
soll versucht werden, die Situation zu stabilisieren und eine z Welche Sicherheitsmaßnahmen können getroffen
weitere Verschlechterung aufzuhalten, die im schlimmsten werden?
Fall zu Blindheit führen kann. Ein Verlust der Sehschärfe
! Cave!
kann nicht immer verhindert werden, aber mit einer mo-
Um eine versehentliche Läsion in der Fovea zu
dernen, guten Diabetesversorgung werden heutzutage nur
vermeiden, sollte man immer sorgsam beobach-
sehr wenige Patienten blind und nur ein kleiner Teil der
ten, wohin der Zielstrahl jederzeit gerichtet ist.
Patienten verliert die Lesefähigkeit. Ein Großteil der Pati-
enten mit PDR ohne Makulaödem wird nach der dissemi- Wenn man während der Behandlung seinen Blick auf das
nierten (»scatter«) Photokoagulation eine im Wesentlichen Laser-Kontrollpanel richtet, oder irgendein anderes Projekt
unveränderte, zentrale Sehschärfe behalten. Die Kriterien außerhalb des Fundus, muss jedes Mal erneut die Position
für einen kurzfristigen Erfolg der Behandlung sind eine des Zielstrahls in Beziehung zur Fovea überprüft werden.
Rückbildung oder zumindest eine Stabilisierung retina- Der Sehnervenkopf bietet gewöhnlich die sicherste Orien-
ler Gefäßneubildungen sowie die Vorbeugung einer Um- tierung, von welcher ausgehend man sich in die Peripherie
wandlung neuer Gefäße in fibrotisches Bindegewebe mit bewegt. Man beginne im Zwischenraum von 2 Gefäßästen
Entwicklung einer Traktionsablatio. und schreite in die Peripherie fort, soweit es eine Kon-
Langzeiterfolg ist definiert als die Verhinderung von taktlinse ohne interne Spiegel zulässt. Dann fahre man im
Glaskörperblutungen, Netzhautablösungen und schwe- nächsten Zwischenraum von 2 Gefäßästen fort und bleibe
rem Sehverlust. Klinische Daten zeigen, dass diese Ziele immer außerhalb der temporal vaskulären Arkaden und
bei den allermeisten Patienten erreichbar sind, wenn eine mindestens 3 Papillendurchmesser entfernt vom Zentrum
gute, qualitativ hochwertige Versorgung zur Verfügung der Fovea. Bei Benutzung eines Dreispiegel-Kontaktglases
steht und genutzt wird, einschließlich der augenärztlichen besteht das Risiko unbeabsichtigt durch die zentrale Öff-
Retinopathie-Sreeninguntersuchung und der rechtzeitigen nung auf den Fundus zu schauen, während man glaubt,
Photokoagulation. Nur die Kombination von systemischer durch einen peripheren Spiegel zu sehen. Das Risiko für
und okulärer Prävention kann den Sehverlust durch diabe- dieses Problem kann minimiert werden, indem man eine
tische Retinopathie erfolgreich verhindern. In vielen Situa- geringe Vergrößerung benutzt, um alle Spiegel gleichzeitig
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
115 8
im Blickfeld zu behalten. Die Laserherde sollten zwischen z Was ist der früheste Effekt des Lasers?
den Gefäßen appliziert werden. Unabsichtliche Herde auf Direkt nach der Behandlung wird das behandelte Auge nur
retinale Venen können Glaskörperblutungen hervorru- sehr wenig sehen können, weil es diffus geblendet ist. Da-
fen. Diese Blutungen sind gewöhnlich selbst limitierend von wird sich das Auge in ca. einer halben Stunde erholen.
und klein und bedürfen keiner Behandlung. Die Appli- Einige Patienten berichten, dass sie das Muster der Laser-
kation kurzer Herde mit hoher Energie auf einem kleinen Photokoagulationsherde wahrnehmen und gelegentlich
Fleck kann zu einer Aderhautblutung in den subretinalen auch Photopsien für einige Monate nach der Behandlung.
Raum führen. Dies kann sekundär zu einer subretinalen
Neovaskularisation führen, aber außerhalb der großen
Gefäßarkaden hat dies gewöhnlich keine Konsequenzen.
In der Makula ist das Risiko einer Progression zu einer
subfovealen Neovaskularisation umso größer, je näher die
Läsion an der Fovea liegt.

z Ist die Photokoagulation schmerzhaft?


Eine Photokoagulation am hinteren Pol des Auges ist
generell schmerzfrei, wo hingegen ein gewisser Schmerz
wahrgenommen wird, wenn man sich dem Äquator nä-
hert. Der Schmerz kann recht intensiv sein, je weiter
man vom Äquator nach anterior kommt. Der Schmerz
variiert oft zwischen einem Herd und dem nächsten, aber
ist generell am intensivsten in den horizontalen Meridia-
nen, wo die größeren Zilliarnerven liegen. Der Schmerz
strahlt oft in den Nacken aus.
! Cave! ⊡ Abb. 8.12 Photokoagulationsherde mit verschiedenem Durchmes-
Tropfanästhesie ermöglicht die Benutzung ser, Jahre nach der primären Behandlung mit 500 μm als größte Herd-
von Kontaktgläsern, aber es reduziert nicht die größe. Die Vergrößerung der Läsionen bis zu einem Durchmesser
von ungefähr 1.000 μm und die gelegentliche Konfluenz der Narben
Schmerzen, die mit der Fundusphotokoagulation
(Pfeile) ist bedingt durch eine schleichende Atrophie am Rand der
verbunden sein können. Läsion. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007)
Bei den meisten Patienten kann eine volle Behandlung in
Tropfanästhesie durchgeführt werden, abhängig von der
Spotgröße, den Energieeinstellungen und der Zahl der
Herde. Zur Schmerzreduktion kann eine retrobulbäre,
peribulbäre oder subtenonale Anästhesie gesetzt werden.
Einige Laserchirurgen benutzen ein mildes Sedativum,
z.B. 5 mg Diazepam, und ein Schmerzmittel, z.B. 1 g Pa-
racetamol, eine Stunde vor Beginn der Behandlung. An-
dere Ophthalmologen ziehen es vor, durch eine ausführ-
liche, beruhigende und geduldige Kommunikation mit
den Patienten dessen Ängste und Schmerzwahrnehmung
zu vermindern. Einige Patienten fürchten bald blind zu
werden, was meistens unbegründet ist.

z Wie lange dauert eine retinale Photokoagulation


und wie viele Sitzungen sind erforderlich?
Eine volle Behandlung für die PDR sollte in mindestens
2 Sitzungen pro Auge aufgeteilt werden. Wenn keine Ret-
robulbäranästhesie angewandt wird, kann die Behandlung
auf eine größere Zahl von Sitzungen verteilt werden, aber
⊡ Abb. 8.13 Photokoagulationsherde Jahre nach der primären Be-
ungern auf mehr als 6 Sitzungen pro Auge. Die Dauer der handlung. Die Konfluenz der Narben ist durch schleichende Vergrö-
Photokoagulation beträgt typischerweise zwischen 5 und ßerung der Atrophie entstanden, die primären Herde waren weniger
15 Minuten pro Sitzung. dicht gesetzt.
116 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

a b c

⊡ Abb. 8.14 Fluoreszeinangiographie-Bilder vor Laser (a), kurz nach Laser (b), und viele Jahre nach Laser (c) zeigen im Verlauf die erhebliche
Vergrößerung der atrophen Lasernarben

8 z Wird sich das Sehen nach der Photokoagulation zentrale Sehen auf Kosten eines Teils des peripheren Se-
bessern? hens zu erhalten. Durch Verteilung der peripheren Herde
Die Photokoagulation der Netzhaut bei PDR hat zum Ziel in nicht-konfluenter Art und Weise bleiben die absoluten
die Langzeitprognose für das zentrale Sehen zu verbes- Skotome im peripheren Gesichtsfeld klein genug, um
sern. Die Photokoagulation führt nicht zu einer Visus- im täglichen Leben kaum praktische Konsequenzen zu
besserung, aber es kann das Sehen stabilisieren, während haben. Allerdings kann gelegentlich die Fahrtüchtigkeit
es unbehandelt verloren gehen würde. Deshalb muss die beeinträchtigt sein. Weil die Photokoagulation die inne-
Photokoagulation im Allgemeinen angewandt werden, ren Netzhautschichten ausspart, sind die Läsionen nicht
bevor die Sehverschlechterung eingetreten ist. mit einem bogenförmigen, größeren Skotom assoziiert
Die Photokoagulation bei PDR induziert viele kleine und die Skotome sind begrenzt auf die koagulierte Fläche
Ausfälle im peripheren Gesichtsfeld, die mit der Zeit selbst. Über längere Zeit können sich die atrophen Herde
durch den Prozess der fortschreitenden Atrophie (s.u.) allerdings spontan langsam vergrößern (Engl. »creeping
konfluieren können. Die Patienten beklagen selten ei- atrophy«) , sodass Jahre später Areale mit konfluierenden
nen Verlust des peripheren Gesichtsfeldes. Dafür gibt atrophen Herden entstehen und den falschen Eindruck
es mehrere Erklärungen. Zum einen ist das periphere erwecken, die primäre Behandlung sei zu dicht gewesen.
Gesichtsfeld schon vor der Photokoagulation durch die
Retinopathie beeinträchtigt. Zum anderen werden peri- z Sollte eine Fluoreszeinangiographie
phere Gesichtsfeldausfälle oft nicht wahrgenommen, wie vor Laserbehandlung der PDR und zur
dies ja auch für den physiologischen blinden Fleck und Verlaufskontrolle durchgeführt werden?
für glaukomatöse Gesichtsfeldausfälle gilt. Verantwortlich Die Diagnose und Verlaufskontrolle der PDR sollte pri-
für die fehlende Wahrnehmung der Skotome ist das psy- mär auf der stereoskopischen Biomikroskopie basieren.
chophysische Phänomens des »filling-in«. Eine Angiographie ist selten notwendig. Persistierende,
präretinale Proliferationen, die biomikroskopisch schwer
z Was bedeutet der Begriff »panretinal«? zu identifizieren sind, brauchen nicht notwendigerweise
Der Begriff »panretinale« (= ganze Netzhaut) Photokoagu- ergänzende Laserbehandlungen, aber sollten sorgfältig auf
lation ist eigentlich ein fehlerhafter Begriff, weil er falsch Zeichen der Progression beobachtet werden (⊡ Abb. 8.15).
dahin gehend interpretiert werden kann, dass die gesamte
Netzhaut gelasert werden sollte, was natürlich ein De- z Welche Richtlinien bestehen für die Nachkontrolle?
saster wäre. Eine Photokoagulationsnarbe ist ein blinder Eine rechtzeitige und ausreichende Photokoagulation prä-
Fleck. Daher kann nur durch das Belassen von aus- retinaler Gefäße bei der PDR wird zur Elimination der
reichend unbehandelter Netzhaut ein symptomatischer Proliferation, zur Größenreduktion oder zur Transforma-
Sehverlust vermieden werden. Der Begriff »panretinale tion in fibrotische Membranen ohne Traktionseffekte auf
Photokoagulation« beschreibt eine Behandlung, bei der die Retina führen. Daher sollte die Photokoagulation bei
die Photokoagulation diffus über den Fundus mit Aus- PDR immer nachkontrolliert werden, um festzustellen,
sparung der Makula verteilt wird. Die Intention ist, das ob zusätzliche Behandlungen oder gar eine Vitrektomie
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
117 8

⊡ Abb. 8.15 Persistierende präretinale fibrovaskuläre Proliferationen nach voller Photokoagulationsbehandlung bei proliferativer diabetischer
Retinopathie. Photokoagulationsnarben mit einem dunklen oder aschgrauen Erscheinungsbild sind typisch für Personen mit einer pigmentier-
ten Sklera. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007)

⊡ Abb. 8.16 Angiographiebilder vor und nach Laserkoagulation zeigen eine wesentliche Rückbildung der leckenden Neovaskularisationen
118 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 8.17 Zusammengesetzte Angiographiebilder vor (oben) und nach (unten) Laserkoagulation zeigen eine wesentliche Rückbildung der
Neovaskularisationen (Mit freundl. Genehmigung aus Bornfeld N et al. 2010)
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
119 8
notwendig wird. Die Photokoagulation bei der PDR wird tokoagulation bei PDR auftreten. Die wahrscheinlichste
in gewissem Maße von der zu applizierenden Dosis her Ursache für diese Blutungen sind kleine residuale Neo-
an der klinischen Wirkung titriert. Die initialen Sitzungen vaskularisationen, die unter Traktion des schrumpfenden
sollten die Fläche innerhalb der temporalen Arkaden aus- Glaskörpers stehen. Die Blutung ist meistens nur gering
sparen. Wenn die initialen Sitzungen abgeschlossen sind, und kann sich spontan resorbieren. Nur wenige Fälle er-
sollte der Patient ungefähr 3 Monate später kontrolliert fordern eine Vitrektomie.
werden. Zu diesem Zeitpunkt kann eine Regression der
Gefäße bei günstigem Verlauf gesehen werden. Wenn Einwilligung zur Behandlung
anhaltende Aktivität vorliegt, ist eine zusätzliche Therapie Die formalen, forensischen Erfordernisse für die Pati-
sinnvoll. Oft ist es möglich, die Behandlung mehr nach enteneinwilligung zur Behandlung variieren zwischen
anterior Richtung Ora serrata auszudehnen. Diese Flächen verschiedenen Ländern, aber die gute klinische Praxis
sollten ausgeschöpft werden, bevor die Photokoagulation sollte immer eine sorgfältige Information des Patienten
innerhalb der temporalen Arkaden fortgesetzt wird. über verfügbare Optionen, Ziel der Behandlung, mögli-
che Komplikationen, postoperative Vorsichtsmaßnahmen
z Gibt es eine Rolle für intravitreale anti-angiogene und Richtlinien für die Nachbehandlung einschließen.
Medikamente bei PDR? Eine Einwilligung des Patienten zur Behandlung sollte
Anti-angiogene Medikamente werden inzwischen für eine dokumentiert werden.
Reihe retinaler Erkrankungen eingesetzt, z.B. die altersbe-
dingte Makuladegeneration, das Makulaödem bei retinalen Protokoll für die Photokoagulation
Venenverschlüssen oder auch das diabetische Makulaödem. Wellenlänge/Farbe
Möglicherweise werden sie auch eine Rolle in der Behand- Die beliebtesten retinalen Photokoagulatoren für die
lung der PDR spielen, aber zumindest zum gegenwärtigen PDR sind zur Zeit der Argon-Grün-Laser mit 514,5 nm
Zeitpunkt nicht als alleinige Therapie. Sie können evtl. eine und vor allem der grüne Dioden-Laser mit 532 nm.
adjuvante Therapie darstellen, wenn die Photokoagulation Krypton-Rot 647 nm war ebenfalls effektiv. Sein we-
nicht ausreicht, um einen Sehverlust zu vermeiden. sentlicher potentieller Vorteil bei der PDR ist die bes-
sere Penetration durch eine gelbe oder braune Katarakt
z Ist eine späte Glaskörperblutung ein Zeichen verglichen mit grünem Licht. Der Infrarot-Diodenlaser
für ein Versagen der Therapie? mit 810 nm verursacht stärkere Schmerzen als der Grün-
Eine Glaskörperblutung kann kurz nach aber auch lange Laser und hat den Nachteil, dass der Laserstrahl nicht
Zeit nach Beendigung einer ansonsten erfolgreichen Pho- sichtbar ist. Dafür ist der Patient aber weniger geblendet.
Einige neue Geräte können automatisch die Laserherde
in schneller Folge (0,02 s) in einem vorausbestimmten
Muster abgeben. Dies kann potentiell eine schnellere Be-
handlung ermöglichen. Zu beachten ist allerdings, dass
dabei alle Herde ausreichend intensiv gesetzt werden
müssen.
! Cave!
Das Verwenden einer vorherbestimmten automa-
tischen Musterphotokoagulation ist besonders
bei Makulaödem nicht empfehlenswert, weil die
notwendige Energie für die optimale Intensität
der Herde von Punkt zu Punkt variiert, abhängig
vor allem von der Pigmentierung und der Dichte
zur Makula.

Anästhesie
Retrobulbäre Anästhesie, peribulbäre Anästhesie und
subtenonale Anästhesie sind effektive schmerzlindernde
⊡ Abb. 8.18 Proliferative diabetische Retinopathie in einem späten,
Prozeduren, genauso wie die systemische Gabe von An-
unbehandelten fibrotischen Stadium. Weitere Kontraktion, der die
Makula zirkulär umspannenden präretinalen Fibrose kann zu einem
algetika und Sedativa. Die Verwendung kleinerer Herd-
plötzlichen Verlust des zentralen Sehens durch eine Abhebung der größen und mehrerer Behandlungssitzungen ist ebenfalls
Fovea führen. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007) eine Möglichkeit, Schmerz zu reduzieren.
120 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 8.19 Schwere, nichtproliferative diabetische Retinopathie vor (links) und nach Photokoagulationsbehandlung (rechts) außerhalb der
temporalen Gefäßarkaden. Die Retinopathieläsionen in den behandelten Arealen sind zurückgebildet, allerdings hat sich innerhalb der Arka-
den ein diabetisches Makulaödem entwickelt. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007)
8
Biomikroskopie mit Kontaktlinse oder Parameter und Endpunkte
präkornealen Linsen für die Photokoagulation Die DRS beschreibt eine Dosierung von 800 bis 1.600
Eine Anzahl exzellenter Linsen ist für die Fundusphoto- mäßig intensiven Argon-Laserherden platziert mit jeweils
koagulation verfügbar, ebenso Spaltlampenmikroskope 1 Herdgröße Abstand mit einem Herddurchmesser von
mit integriertem Laser. Die Linsen unterscheiden sich in 500 μm und einer Expositionszeit von 0,1 s. Die posteriore
Vergrößerung, Bildausschnitt, Bildqualität, Bequemlich- Grenze des behandelten Areals sollte ungefähr 1 Papillen-
keit in der Benutzung und darin, ob das Bild umgekehrt durchmesser nasal der Papille und nicht dichter als 2 Pa-
oder aufrecht ist. Weitwinkellinsen bieten die beste Ori- pillendurchmesser oberhalb, temporal und unterhalb der
entierung am Fundus, wo hingegen Goldmanns Drei- Makula liegen und peripher bis zum Äquator des Auges
spiegelkontaktglas oft den besten Zugang zur periphe- reichen. Die gleichen Parameter wurden in der ETDRS
ren Netzhaut erlaubt. Die Vergrößerung des Laserspots beschrieben, außer dass die Herdzahl hier zwischen 1.200
ist definiert als die lineare Vergrößerung in Relation zu und 1.600 lag. Viele Ophthalmologen benutzen kleinere
einem Laserherd, der durch das Goldmann-Dreispie- Herden, typischerweise mit 200 μm Durchmesser, um we-
gelkontaktglas projiziert wird. Die Laserherdvergröße- niger Schmerz zu erzeugen und mit Tropfanästhesie aus-
rung ist umgekehrt proportional zur Vergrößerung des kommen zu können. Allerdings muss bei halbiertem Herd-
Fundusbildes. Wenn der Laserspot um den Faktor 2 durchmesser ungefähr die vierfache Anzahl an Laserher-
vergrößert ist, muß die Energie im Prinzip im Quad- den gesetzt werden, um den gleichen Effekt zu erreichen.
rat erhöht werden, d.h. hier um einen Faktor 4. Diese Die Einstellung der Energieparameter erfolgt an ei-
Regel ist nur eine grobe Richtlinie und eine erneute nem peripheren Fundusort mit durchschnittlicher Pig-
Anpassung der Energieeinstellung nach Veränderung mentierung. Der Zielstrahl ist auf die gewünschte Herd-
von Herdgröße oder der verwendeten Linse ist immer größe einzustellen, z.B. 200 μm. Pulsdauer, normaler-
erforderlich. Die Behandlung an der Spaltlampe sollte, weise 0,1 s, und eine zunächst relativ geringe Intensität,
wenn möglich, mit einem Kontaktglas erfolgen, da dass z.B. 200 mW für den 532-nm-Laser, wird voreingestellt.
Kontaktglas die beste Kontrolle über Augenbewegun- Eine Testläsion wird gesetzt und die Gewebereaktion
gen bietet, verglichen mit »non-contact« präkornealen beobachtet. Der gewünschte Endpunkt ist eine blasse Lä-
Linsen. sion, die in der Größe dem Durchmesser des Zielstrahls
Die retinale Photokoagulation kann auch an einem entspricht. Weiße Herde, die größer als der Durchmesser
Patienten in Vollnarkose mit einem indirekten Ophthal- des Zielstrahls sind, sollten vermieden werden, weil eine
moskop appliziert werden. Während der Vitrektomie unnötig tiefe und schmerzhafte Läsion dabei entsteht.
stehen Endolasersonden zur Verfügung, um die Laser-
energie zu applizieren. Die gewünschte Verteilung und Platzierung und Ausmaß der Behandlung?
die Gewebeeffekte sind grundsätzlich die gleichen wie für Die Strategie der Behandlung ist, den neovaskulären
eine Laserung an der Splatlampe. Stimulus zu eliminieren, indem eine große Zahl von
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
121 8

⊡ Abb. 8.20 Fundusphotographie mehrere Jahre nach Scatter-Be-


handlung für proliferative diabetische Retinopathie. Die initiale Größe
der Photokoagulationsherde stellt sich im hellen Zentrum der Läsion
dar. Der angestrebte Abstand zwischen den Herden war eine Herd-
größe. Der dunklere Ring um das weiße Zentrum ist bedingt durch das
Phänomen der schleichenden Atrophie. Man beachte die Lokalisation
zwischen den großen Gefäßen. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007)
⊡ Abb. 8.22 Zusammengesetztes Fundusphoto, dass das Ausmaß
der retinalen Photokoagulationsbehandlung bei PDR 2 Jahre nach
Abschluß der Behandlung zeigt. Beachte die komplette fibrotische
Involution der präretinalen Neovaskularisationen oberhalb der Papille
und die partielle fibrotische Involution der großen Neovaskularisation
am Ende der temporal oberen Gefäßarkade. Beachte ebenso das
variable Aussehen der Photokoagulationsnarben von dunkelbraun
hyperpigmentiert zu weiß depigmentiert. Die Variationen der Herd-
größen sind teilweise bedingt durch die zunehmende Bildvergröße-
rung mit steigender Exzentrizität.

kann nach extensiver peripherer Koagulation sogar zu ei-


nem sekundären Winkelblockglaukom führen. Um solche
Komplikationen zu vermeiden, sollte die Photokoagula-
tionsbehandlung der PDR auf mindestens 2 Sitzungen
pro Auge verteilt werden, welche mindestens 2 Wochen
auseinanderliegen. Bei kleineren Herdzahlen pro Sitzung
können die Intervalle kürzer gewählt werden.
⊡ Abb. 8.21 Seröse Abhebung der gesamten Makula nach extensiver Bei Patienten mit schlechter Mitarbeit kann ggf. von
Photokoagulationsbehandlung bei proliferativer diabetischer Retino- diesen Empfehlungen abgewichen werden.
pathie. (Aus Soliman W u. Larsen M 2007) Bei Patienten mit signifikanter Glaskörperblutung ist
es das Ziel, in einer Sitzung so viele Laserherde anzu-
bringen, wie es die Glaskörperblutung zuläßt, um nach
kleinen Flächen der äußeren Netzhaut verödet wird. Resorption der Blutung nach und nach Laserherde zu
Daraus folgt, dass Neovaskularisationen, fibrotisches Ge- ergänzen.
webe und abgehobene Netzhaut nicht direkt behandelt
werden sollten. Postoperative Behandlung
Ein kurz wirksames Zycloplegicum sollte nach extensi-
Sitzungen ver Behandlung gegeben werden, um Synechien zu ver-
Eine extensive Photokoagulation ist assoziiert mit dem meiden und Zilliarkörperschwellung zu reduzieren. Bei
Risiko, eine Progression des diabetischen Makulaödems Patienten mit einer Iritis in der Vorgeschichte sollte eine
oder sogar einer schweren serösen Abhebung der Makula kurzzeitige Behandlung mit Kortikosteroiden erfolgen,
(⊡ Abb. 8.21). Eine seröse Abhebung des Zilliarkörpers um einem Rezidiv der Iritis vorzubeugen.
122 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Nachkontrolle und Wiederbehandlung Das neue Auftauchen von Neovaskularisationen, die


Ziel der Nachbehandlung ist, die Aktivität der Retino- bei der Voruntersuchung noch nicht vorhanden waren,
pathie zu beurteilen und die Behandlung, falls nötig, zu zeigt, dass die durchgeführte Behandlung noch nicht
ergänzen. Eine erfolgreiche Behandlung reduziert das ausgereicht hat, um den neovaskulären Stimulus zu eli-
Ausmaß und die Gefäßfülle der Neovaskularisationen minieren. Insbesondere Laserchirurgen mit geringer
oder verhindert zumindest das weitere Wachstum neuer Erfahrung benutzen gelegentlich zu niedrige Energie-
Gefäße. Wenn sie früh genug behandelt werden, können einstellungen, weil sie Standardwerte einstellen und die
die Neovaskularisationen sogar komplett verschwinden. Energie nicht anhand des Effektes am jeweiligen Auge
Eine späte Behandlung fortgeschrittener Retinopathien titrieren.
kann in einer extensiven präretinalen Fibrose resultieren. Zunehmende Glaskörperblutungen müssen nicht un-
Die nachfolgende Schrumpfung derselben, scheint durch bedingt ein Versagen der Behandlung bedeuten, weil
die Photokoagulation nicht positiv beeinflußt zu werden. sie als Konsequenz der Glaskörperkontraktion entstehen
Die Beurteilung der Progression basiert auf: können. In seltenen Fällen kann sogar durch die Laserko-
1. Dem Erscheinungsbild des Randes der Neovaskulari- agulation eine solche Kontraktion induziert werden und
sation; neu geformte Gefäße sind eher dilatiert ohne eine entsprechende Glaskörperblutung auftreten.
sichtbare Fibrose und formen ein dichtes Netzwerk, Die Behandlung ist nicht abgeschlossen, bis die Pho-
2. Vergleich mit einer vorbestehenden Beschreibung tokoagulationsherde gleichmäßig über die gesamte pe-
des Fundus oder riphere Netzhaut verteilt sind, mit einem Abstand zwi-
8 3. Vergleich mit Fundusphotos. schen den Läsionen von je 1 Herd Durchmesser. Trotz

⊡ Abb. 8.23 Persistierende PDR nach einer initialen Photokoagulationssitzung. In mehreren Regionen des Fundus ist der Abstand zwischen
den Herden größer als empfohlen und eine ergänzende Behandlung sollte durchgeführt werden. Das dunkle angiographische Erscheinungs-
bild der Photokoagulationsnarben ist bedingt durch den Verlust der Choriocapillarisperfusion. Der helle Ring der Narben ist bedingt durch den
Verlust des retinalen Pigmentepithels über der darunterliegenden intakten Choriocapillaris. (Mit freundl. Genehmigung von Dr. Khaled Abdela-
zeem, Assiut University)
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
123 8
Beendigung der Behandlung, bevor die Standards von kann geschehen, wenn der Laserchirurg die Orien-
1.200 bis 1.600 Herden von 500 μm Durchmesser erreicht tierung verliert. Plötzliche Augenbewegungen sind
sind, kann die Behandlung gelegentlich ausreichen, um hier selten das Problem bei der Behandlung der PDR.
die Retinopathie zu stabilisieren. Man muss aber be- Obwohl eine gewisse Erholung innerhalb der ersten
achten, dass solche partielle Behandlungen nicht durch Monate erfolgen kann, führt eine Läsion im Zentrum
größere Studien validiert sind, weshalb eine häufigere der Fovea in der Regel zu einem permanenten Ver-
postoperative Kontrolle zu empfehlen ist. lust von Sehschärfe.
Jede Untersuchung sollte eine Beurteilung der Iris auf ▬ Glaskörperblutungen können aus Rupturen von
Rubeosis einschließen und eine Gonioskopie sollte erfol- Neovaskularisationen während der Behandlung re-
gen, wenn eine Neovaskularisation im Vorderabschnitt sultieren. Sie sind meist von geringem Ausmaß und
vermutet werden. resorbieren sich spontan innerhalb weniger Monate.
Nach ETDRS-Protokoll sollte eine zusätzliche Behand- ▬ Die meisten dieser Komplikationen können redu-
lung, wenn nötig, zwischen den vorhandenen Narben nach ziert oder vermieden werden, indem die Behandlung
anterior erfolgen. Wenn zusätzlich eine Ergänzung nach auf mehrere Sitzungen verteilt wird und durch Ver-
posterior nötig ist, sollte die zentrale Makula mit mindes- meidung großer Spotgrößen und hoher Lichtintensi-
tens 500 μm ausgespart werden und die Herde nahe dem täten.
Zentrum nicht größer als 200 μm gesetzt werden.
Fazit für die Praxis
Komplikationen der Photokoagulation bei PDR ▬ Die Photokoagulation bleibt die wirkungsvollste Behand-
Intraoperative und postoperative Komplikationen der lung der proliferativen diabetischen Retinopathie (PDR).
Fundusphotokoagulation schließen ein: ▬ Das Ziel der Photokoagulationsbehandlung der PDR ist,
▬ Erosio des Hornhautepithels durch das Kontaktglas das Wachstum von Neovaskularisationen zu stoppen
▬ Iridozyklitis und ihre Rückbildung zu induzieren. Dadurch werden
▬ Kammerwinkelverengung durch Schwellung mit Glaskörperblutung, Traktionsablatio und Sehverlust ver-
Vorwärtsbewegung und Rotation des Zilliarkörpers hindert.
und in schweren Fällen Engwinkelglaukom mit ▬ Der fundamentale Wirkungsmechanismus der Pho-
Druckanstieg und starken tokoagulation auf die retinalen Neovaskularisationen
▬ Akkomodationsparalyse, meist transient, und Myd- besteht in einer gezielten Verödung von Gewebe der
riasis durch Schädigung der Nerven in der Aderhaut, äußeren Netzhaut durch die Applikation von Licht,
welche den Vorderabschnitt des Auges innervieren welches im Pigmentepithel absorbiert und in Wärme
▬ Symptomatische periphere Gesichtsfeldausfällen, die umgewandelt wird.
durch konfluente Laserherde verursacht sind ▬ Die Ausschaltung der Sauerstoff verbrauchenden Photo-
▬ Subjektiv reduzierte Dunkeladaptation rezeptoren kann die Oxygenierung der inneren Netzhaut
▬ Aderhautamotiones, exsudativen Netzhautablö- verbessern, die Bildung vasoproliferativer Faktoren (vor
sungen, Aderhautblutungen, Netzhautrissen und allem VEGF) reduzieren und eine Regression von Neovas-
Netzhautablösungen, besonders nach extensive kularisationen erreichen.
Laserbehandlungen. Auch eine Progression der
Traktionsablatio, möglicherweise auch durch eine
transiente Exsudation mitbedingt, ist beschrie- 8.2.2 Chirurgische Behandlung
ben. Choroidale neovaskuläre Membranen (CNV) der proliferativen diabetischen
können aus zentralen, aber auch aus peripheren Retinopathie
Herden entstehen, insbesondere wenn der Herd zu
einer Ruptur der Bruchschen Membran mit Ader- H. Helbig
hautblutung geführt hat
▬ Ein Makulaödem kann sich nach Photokoagulation Ziele der Chirurgie bei diabetischer
entwickeln oder verschlechtern, insbesondere bei Retinopathie
Patienten mit ischämischen Kapillarverschlüssen. Die diabetische Retinopathie ist eine mikrovaskuläre Er-
Meist erfolgt eine Erholung des Sehens innerhalb von krankung der Retina. Chirurgische Maßnahmen können
Wochen, manchmal kann es aber auch zu bleibenden nicht die primären Veränderungen behandeln und sind
Sehverlusten kommen. Ein Makulaödem sollte, falls somit auch keine kausale Therapie. Chirurgische Maß-
vorhanden, mindestens 1 Woche vor der Photoko- nahmen können nur versuchen, sekundäre Komplikatio-
agulation der PDR behandelt werden. nen eines primär mikrovaskulären Problems anzugehen.
▬ Eine unabsichtliche Photokoagulation der Fovea Chirurgisch behandelbare Komplikationen der diabeti-
124 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

schen Retinopathie und damit sinnvolle Ziele für die Viele andere nicht-randomisierte Studien beschreiben
Chirurgie sind: reprospektiv die Ergebnisse der Chirurgie bei diabeti-
▬ Entfernung von Medientrübungen, besonders scher Retinopathie. Die meisten Studien haben die chir-
Glaskörperblutung urgischen Indikationen in folgende Gruppen unterteilt:
▬ Entlastung von Traktionen auf die Retina durch ak- ▬ Glaskörperblutung
tive oder atrophe fibrovaskuläre Membranen ▬ Traktionsablatio der Makula
▬ Wiederanlage einer abgelösten Netzhaut, traktiv oder ▬ Traktiv rhegmatogene Netzhautablösung
rhegmatogen ▬ Schwere, progressive proliferative Retinopathie
▬ Ermöglichen einer notwendigen Koagulationsbe-
handlung ischämischer Netzhaut Der individuelle Patient lässt sich allerdings oft nicht
▬ Entfernung des Glaskörpers als Leitschiene für Neo- eindeutig einer dieser Kategorien zuordnen. Patienten
vaskularisationen mit Glaskörperblutung haben häufig auch umschriebene
▬ Verbesserung des retinalen Metabolismus durch Traktionen oder aktive Neovaskularisationen. Selbst die
Erleichterung der Diffusion von Sauerstoff und Definition der Abhebung der Makula ist nicht einheitlich.
Nährstoffen aus dem Glaskörper zur Netzhaut und Manche Autoren schließen auch Augen mit peripheren
erleichterte Abdiffusion von Wachstumsfaktoren aus Traktionsablationes im Bereich der Gefäßbögen und vol-
der inneren Netzhaut in den Glaskörper lem Visus in diese Gruppe ein, während andere Autoren
sich in dieser Gruppe auf Augen mit komplett abgelöster
8 Da die primäre mikrovaskuläre Erkrankung der diabeti- Fovea beschränken. Auch die chirurgischen Techniken
schen Retinopathie durch die Chirurgie nicht angegan- und Instrumente sowie das Verständnis für die Patho-
gen werden kann, sind die funktionellen Resultate der physiologie haben sich in den letzten Jahren erheblich
operativen Behandlung bei diabetischer Retinopathie oft verbessert. Diese technischen Neuerungen schließen ein:
limitiert durch einen ischämischen Schaden der Netz- ▬ Verfügbarkeit eines Endolasers
haut. ▬ Extrakapsuläre anstelle von intrakapsulärer Katarakt-
operation
Indikationen für eine chirurgische Behandlung ▬ Weitwinkelbeobachtungssysteme
der diabetischen Retinopathie ▬ Perfluor-Carbon, schwere Flüssigkeiten
Hilft die wissenschaftliche Literatur? ▬ Peeling der Membrana limitans interna
Viele Studien über Resultate der Glaskörperchirurgie bei ▬ Unterstützende, medikamentöse Behandlung (z.B.
Komplikationen der diabetischen Retinopathie sind pu- intravitreales Triamcinolon)
bliziert. Nach den Kriterien der »evidence based medi-
cine« werden verschiedene »level of evidence« für the- Die Ergebnisse der Chirurgie haben sich deshalb stän-
rapeutische Prozeduren unterschieden. Den höchsten dig verbessert, Komplikationen wurden seltener und die
Evidenzlevel haben randomisierte prospektive Studien. Indikationen für die Chirurgie wurden ausgeweitet. Äl-
Die »Vitrectomy for Diabetic Retinopathy Study (DRVS)« tere Studien sind daher von begrenzter Aussagekraft, um
war eine solche Studie, die eine frühe Vitrektomie mit quantitativ Chancen und Risiken der Chirurgie abzu-
Beobachtung verglichen hat. Die DRVS untersuchte zwei schätzen, aber sie waren sehr hilfreich darin, die Indikati-
Gruppen: Glaskörperblutung und schwere proliferative onen für die Chirurgie zu strukturieren, das Verständnis
diabetische Retinopathie mit gutem Visus. Für Augen der Pathophysiologie zu verbessern und intraoperative
mit Glaskörperblutung fand diese Studie lediglich einen Strategien zu entwickeln.
Vorteil für die Chirurgie bei jüngeren Diabetikern. Für
Augen mit progressiver proliferativer diabetischer Reti- Praxistipp I I
nopathie war ein positiver Effekt der Chirurgie nachweis- Eine individuelle Entscheidung für oder gegen eine
bar bei Augen mit großen aktiven Neovaskularisationen. Chirurgie erfordert die Berücksichtigung multipler
Diese Ergebnisse müssen allerdings mit einer gewissen Faktoren einschließlich des Status des Partnerauges,
Vorsicht interpretiert werden. Randomisierte Studien fol- die allgemeine Gesundheit, die Dauer der Visusmin-
gen einem strikten Protokoll und laufen lange Zeit, bevor derung, klinischer Verlauf, Linsenstatus, Ausmaß der
Ergebnisse vorliegen. Durch das strikte Protokoll können Makulaischämie und letztendlich auch die Wünsche
Veränderungen und Verbesserungen technischer Ent- des Patienten.
wicklungen und ein besseres Verständnis der Pathophy-
siologie im Allgemeinen nicht angepasst werden. Daher
geben randomisierte Studien gelegentlich Antworten auf All diese Faktoren sind in einer Studie für eine Erkran-
Fragen, die nicht mehr relevant sind. kung mit solch weiter Variation des klinischen Bildes
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
125 8
schwierig zu kontrollieren. Die Indikationsstellung für
die Chirurgie bei einem Patienten mit diabetischer Reti-
nopathie basiert daher auf einer individuellen Abwägung
von Risiken und Nutzen und weniger auf »high level evi-
dence« basierten Daten.

Glaskörperblutung
Die erste historische Pars-plana-Vitrektomie wurde an
einem Auge mit diabetischer Glaskörperblutung durch-
geführt. Die Glaskörperblutung ist eine klassische Indi-
kation für die Vitrektomie. Dennoch ist die individuelle
Entscheidung für eine Chirurgie im Allgemeinen nicht
so einfach. Auf der einen Seite ist das chirurgische Ri-
siko bei einer »einfachen« Glaskörperblutung niedrig,
auf der anderen Seite kann sich eine solche Blutung
auch spontan auflösen. Solange keine Netzhautablö- a
sung, Rubeosis iridis oder eine Makulaödem vorliegt,
entsteht kein irreversibler Schaden, wenn die Chirurgie
verschoben wird. Daher ist es nicht möglich, eine klare,
generelle Empfehlung zu geben, wie lange bei einer
Glaskörperblutung gewartet werden sollte, bis operativ
interveniert wird. Bei einer sehr dichten oder rezidivie-
renden Glaskörperblutung mag es empfehlenswert sein,
innerhalb kurzer Zeit zu operieren. Andere Patienten
profitieren davon, teilweise viele Monate zu warten, bis
sich die Blutung spontan aufklart. Es unterliegt daher
der gemeinsamen Abschätzung von Chirurg und Pati-
ent, welche Glaskörperblutung beobachtet und welche
operiert werden sollte.
Glaskörperblutungen treten auf, wenn Neovaskulari-
sationen einreißen. Dies geschieht oft bei Augen, bei de-
nen eine partielle Glaskörperabhebung abläuft oder sich b
fibrovaskuläre Membranen kontrahieren. Glaskörper-
veränderungen können spontan auftreten, können aber
auch durch eine panretinale Laserkoagulation induziert
werden. Die retinale Photokoagulation induziert eine fi-
brotische Transformation und damit eine Kontraktion
von neovaskulären Membranen, aber auch teilweise eine
partielle Glaskörperabhebung. Daher können durchaus
kurz nach einer panretinalen Laserkoagulation Glaskör-
perblutungen auftreten, bevor die Neovaskularisationen
komplett atroph werden.
! Cave!
Bei Augen mit bekannter Traktion auf die zentrale
Retina oder Hinweis auf Traktionen im Ultraschall, c
kann eine Verzögerung der chirurgischen Be-
⊡ Abb. 8.24 a Diffuse Glaskörperblutung, die Lage der Papille
handlung irreversible Schädigungen der Makula
kann gerade erahnt werden. Visus HBW. b Glaskörper- und sub-
begünstigen. In diesen Fällen sollte die Operation hyaloidale Blutung. Ausgeprägte fibrovaskuläre Membranen sind
nicht verzögert werden. erkennbar und eine Traktionsablatio der Netzhaut wird vermutet.
Visus HBW. c Traktionsablatio der Netzhaut nasal der Fovea. Die
⊡ Abb. 8.24a zeigt ein Beispiel für eine Glaskörperblutung, Membranen sind nach Laserkoagulation atroph und die Traktionen
die beobachtet werden kann. Die Glaskörperblutung ist bedrohen nicht die Fovea. Der Visus betrug 0,7 und keine weitere
nicht sehr dicht, es kann keine Traktion auf die Netz- Behandlung war nötig. (Aus Helbig 2007)
126 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

haut dargestellt werden. Im Gegensatz dazu zeigt die


Glaskörperblutung in ⊡ Abb. 8.24b Traktionsmembranen,
eine rasche Behandlung sollte hier empfohlen werden.
Iris-Neovaskularisationen sind ein indirektes Zeichen für
eine schwere retinale Ischämie, die dringend eine retinale
Photokoagulation erfordert. Augen mit Rubeosis der Iris
und Glaskörperblutung sollten daher zeitnah operiert
werden, um eine adäquate Photokoagulation zu ermög-
lichen, bevor eine irreversible Obstruktion der Kammer-
winkelstrukturen eingetreten ist.

Extrafoveale Traktionsablatio
Nicht alle Augen mit extrafovealer Traktionsablatio be-
dürfen chirurgischer Behandlung. In vielen Fällen kann a
die Situation teilweise über viele Jahre stabil bleiben.
Auch eine spontane Wiederanlage einer Traktionsablatio
wurde nicht selten beschrieben. Risikofaktoren für einen
Sehverlust bei extrafovealer Traktionsablatio waren
8 ▬ aktive Neovaskularisationen,
▬ Progression der Ablösung und
▬ das Auftreten von Glaskörperblutungen.

In den Zeiten, bevor Glaskörperchirurgie leicht verfügbar


war, wurde eine retinale Photokoagulation bei Trakti-
onsablatio und aktiven Neovaskularisationen für prob-
lematisch gehalten. Die Laserbehandlung induziert eine
fibrotische Transformation von Neovaskularisationen,
die möglicherweise die Traktion auf die Netzhaut ver-
stärken und zu einem Fortschreiten der Ablatio führen b
kann. Ohne Chirurgie war die Visusprognose dieser Au-
gen schlecht. Im Gegensatz dazu wird heute bei aktiven
Proliferationen, auch in Gegenwart von umschriebenen
Traktionsablationes, eine Laserkoagulation empfohlen.
In dieser Situation ist es allerdings immer noch wich-
tig, die Augen gut zu kontrollieren und bei Progression
der Ablatio und Bedrohung der Fovea sofort chirurgisch
zu intervenieren. Ist die Fovea erst einmal abgehoben,
verschlechtert sich die Visusprognose auch nach ana-
tomisch erfolgreicher Chirurgie. Allerdings lassen sich
die meisten Augen durch eine Laserkoagulation alleine
stabilisieren und benötigen keine Chirurgie. Selbst wenn
später eine Chirurgie notwendig würde, wird durch den
Laser eine partielle Transformation von aktiven Gefäßen
in atrophischen Membranen und eine teilweise Glas-
körperabhebung induziert. Dies erleichtert die Chirurgie
technisch und reduziert das Risiko einer postoperativen c
Nachblutung.
⊡ Abb. 8.24c zeigt ein Beispiel für eine Traktionsabla- ⊡ Abb. 8.25 a Schwere proliferative diabetische Retinopathie mit sub-
tio nasal der Fovea, welche die Fovea nicht bedroht. Eine hyaloidaler Blutung und fibrovaskulären Membranen. Visus 0,1. b Drei
Monate nach zusätzlicher panretinaler Laserkoagulation hat sich die
panretinale Laserkoagulation war durchgeführt worden,
Glaskörperblutung resorbiert, aktive Neovaskularisationen sind noch
die Membran ist atroph und die Situation ist auch ohne sichtbar. Visus 0,3. c Ein Jahr später, nach zusätzlicher panretinaler La-
weitere Therapie stabil. ⊡ Abb. 8.25 und ⊡ Abb. 8.26 zeigen serkoagulation, sind die fibrovaskulären Membranen atroph, der Visus
den Verlauf der Erkrankung in Augen mit aktiven fib- war stabil bei 0,3. (Aus Helbig 2007)
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
127 8

b
⊡ Abb. 8.26 a Fibrovaskuläre Membranen entlang der großen Gefäß-
bögen ohne Traktion auf die Fovea aber mit retrohyaloidaler Blutung.
Visus 0,3. b Ein Jahr später, nach panretinaler Laserkoagulation, sind
die Membranen atroph, das Blut hatte sich absorbiert und eine sig-
nifikante Traktion auf die Fovea ist nicht sichtbar. Der Visus verblieb
stabil bei 0,3. (Aus Helbig 2007)

rovaskulären Membranen ohne foveale Traktion, welche


sich nach Laserkoagulation stabilisiert hat. ⊡ Abb. 8.27,
⊡ Abb. 8.28 und ⊡ Abb. 8.29 zeigen dagegen Augen, bei
denen die Laserkoagulation die Retinopathie nicht aus-
reichend stabilisiert hat und sich eine Traktion auf die Fo-
vea entwickelte. In diesen Situationen war eine Glaskör-
perchirurgie erforderlich, um das Sehen zu stabilisieren. c
In einigen Fällen kann eine Traktion auf die Fovea ein
traktives Makulaödem hervorrufen, auch wenn die Fovea ⊡ Abb. 8.27 a Schwere proliferative diabetische Retinopathie mit
selbst nicht abgehoben ist. Eine fokale Laserbehandlung aktiven fibrovaskulären Membranen. Visus 0,3. b Drei Monate nach
ist in diesem Falle nicht sinnvoll. Die beste Behandlung zusätzlicher panretinaler Laserkoagulation sind die Membranen
atroph. Es hat sich eine Traktion auf die Fovea entwickelt und der
für ein traktives Makulaödem ist die chirurgische Ent-
Visus war auf 0,05 abgefallen. c Ein Jahr später, nach Vitrektomie und
fernung der Membranen. ⊡ Abb. 8.30 zeigt die langsame Entfernung der Membranen hat sich der Visus wieder auf 0,3 gebes-
Resorption eines traktiven Makulaödems nach chirurgi- sert. Auffällig sind die verdickten Arterienwände mit Verengung des
scher Entfernung der Membranen. Gefäßlumens. (Aus Helbig 2007)
128 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

a a

b b

⊡ Abb. 8.29 a Fibrovaskuläre Membranen entlang der großen Gefäß-


bögen mit Traktion auf die Fovea und mit Glaskörperblutungen trotz
dichter panretinaler Laserkoagulation. Visus 0,05. b Ein Jahr nach
Vitrektomie und Entfernung der Membranen hat sich die Situation
stabilisiert und der Visus auf 0,5 verbessert. (Aus Helbig 2007)

Traktionsablatio der Fovea


Wenn die Fovea selbst traktiv abgehoben ist, ist die Visus-
prognose meistens schlecht. Für diese Situationen ist die
Chirurgie die einzige therapeutische Option. Dennoch
sind auch nach einer anatomisch erfolgreichen Chirurgie
die funktionellen Resultate oft enttäuschend, viel schlech-
c ter als nach Chirurgie bei nicht diabetischer rhegmato-
gener Ablösung der Makula. Oft haben die Augen mit
⊡ Abb. 8.28 a Schwere nichtproliferative diabetische Retinopathie, Traktionsablatio der Makula fortgeschrittene Ischämien,
Visus 0,7. b Ein Jahr später hat sich eine schwere progrediente pro- die die Visuserholung limitieren. Risikofaktoren für eine
liferative diabetische Retinopathie mit Traktion auf die Makula und schlechte postoperative Visusentwicklung sind
Glaskörperblutung entwickelt, trotz Durchführung einer panretina-
▬ Ausdehnung der Netzhautablösung,
len Laserkoagulation. Der Visus war auf 0,05 abgefallen. c Drei Wo-
chen nach Vitrektomie, Endolaser und Entfernung der Membranen ▬ Dauer der Makulaabhebung und
liegt die Netzhaut an. Der Visus erholte sich später wieder auf 0,3. ▬ eine Rubeosis der Iris als indirektes Zeichen für eine
(Aus Helbig 2007) schwere retinale Ischämie.
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
129 8

a b

c d

⊡ Abb. 8.30 a Glaskörper- und subhyaloidale Blutung bei schwerer proliferativer diabetischer Retinopathie mit aktiven fibrovaskulären Memb-
ranen. Visus HBW. b Zwei Wochen nach Glaskörperchirurgie und Endolaserkoagulation sind ausgeprägte harte Exsudate in der Makula sichtbar.
Der Visus hatte sich auf 0,1 gebessert. c Ein Jahr später, langsame Resorption der Exsudate und des Ödems, der Visus verbesserte sich auf 0,25.
d Zwei Jahre später, die Exsudate haben sich komplett resorbiert und der Visus ist auf 0,5 angestiegen. (Aus Helbig 2007)

In Augen mit mehreren dieser Risikofaktoren müssen Wenn allerdings beide Augen einen schlechten Visus ha-
wir darüber nachdenken, ob nicht auf eine Chirurgie ben, müssen chirurgische Versuche im Allgemeinen trotz
verzichtet werden sollte, besonders wenn das Partnerauge schlechter Prognose unternommen werden.
noch gut sieht und der Allgemeinzustand des Patienten ⊡ Abb. 8.31 zeigt einen Patienten mit lang bestehender
reduziert ist. Patienten mit fortgeschrittener diabetischer Traktionsablatio der Makula in seinem einzigen Auge.
Retinopathie leiden häufig auch an anderen schweren Nachdem der Visus bis auf Lichtscheinwahrnehmung
Manifestationen der mikrovaskulären und makrovasku- abgefallen war, wurde eine Operation durchgeführt. Trotz
lären diabetischen Komplikationen. Ausgedehnte und anatomisch erfolgreicher Wiederanlage der Netzhaut bes-
wiederholte Operationen des Auges können für diese serte sich das Sehen allerdings nicht. ⊡ Abb. 8.32 zeigt den
Patienten eine ernsthafte Belastung darstellen. Auch die Fundus eines Auges mit einer frischen Traktionsablatio
Lebenserwartung ist erheblich limitiert und nicht wesent- der Fovea und einen Visus von Handbewegungen. Das
lich besser als bei Patienten mit Malignomen. Auch diese Partnerauge hatte einen guten Visus. Eine Fluoreszeinan-
nicht okulären Faktoren müssen berücksichtigt werden, giographie ergab eine schwere retinale Ischämie, insbe-
wenn eine Entscheidung für eine Chirurgie des Auges sondere im Bereich der Makula, sodass keine Chirurgie
mit schlechter Prognose quo ad visum getroffen wird. empfohlen wurde.
130 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

a a

b b

⊡ Abb. 8.31 a Lang bestehende diabetische Traktionsablatio der ⊡ Abb. 8.32 a Diabetische Traktionsablatio, Visus FZ. b Fluoresz-
Makula mit atrophen, fibrotischen Membranen, Visus LS. b Nach Vit- einangiographie zeigt schwere diffuse retinale Ischämie mit groß-
rektomie und Silikontamponade ist die Netzhaut anliegend, der Visus flächig verschlossenem Kapillarbett der Netzhaut. (Aus Helbig
beträgt aber immer noch LS. (Aus Helbig 2007) 2007)

Traktiv rhegmatogene Netzhautablösung und mobil, im Gegensatz zur konkaven immobilen, zelt-
Diabetische fibrovaskuläre Membranen können in selte- artigen Form der traktiven Netzhautablösung.
nen Fällen auch zu Rissen in der Netzhaut führen. Daraus Die diabetische traktive rhegmatogene Netzhautab-
entwickelt sich dann eine rhegmatogene Netzhautablö- lösung ist in den meisten Fällen rasch progredient und
sung. sollte daher sofort operiert werden, wie auch andere
rhegmatogene Netzhautablösungen. Technisch ist diese
! Cave!
Form der Netzhautablösung anspruchsvoll zu operieren,
Klinisch können diese Risse bei traktiv-rhegma-
da die fest adhärierenden traktiven Membranen von einer
togener Ablatio in der Netzhaut oft schwer zu
mobilen, abgelösten Netzhaut abpräpariert werden müs-
identifizieren sein, wenn sie klein sind oder hinter
sen. Die Rate der intraoperativ erzeugten Löcher ist daher
Membranen oder Blut verborgen sind.
relativ hoch. Reproliferationen nach der Chirurgie sind
Andererseits können umschriebene Verdünnungen der unglücklicherweise nicht selten und entstehen auf der
Netzhaut, z.B. in Regionen vorhergegangener Laserko- Basis einer Kombination von diabetischer fibrovaskulärer
agulation, wie Netzhautlöcher imponieren. Für die Di- Membran und der typischen proliferativen Vitreoreti-
agnose einer rhegmatogenen Netzhautablösung sollte nopathie (PVR), die wir nach rhegmatogener Netzhaut-
die Form der Netzhautablösung beobachtet werden. Bei ablösung kennen. ⊡ Abb. 8.33 zeigt ein solches Auge mit
rhegmatogenen Netzhautablösungen ist sie eher bullös traktiv rhegmatogener Netzhautablösung, welche schwere
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
131 8

a a

b b

⊡ Abb. 8.34 a Atrophische diabetische fibrovaskuläre Membranen


mit Traktion an der Fovea, welche ein Schichtloch hervorgerufen
haben, Visus 0,05. b Drei Monate nach Entfernung der epiretinalen
Membranen hat sich der Visus auf 0,3 verbessert. (Aus Helbig 2007)

Reproliferationen zwei Monaten nach primär erfolgrei-


cher Chirurgie entwickelte.

Makulaödem
Die Behandlung des diabetischen Makulaödems wird de-
tailliert im nächsten Kapitel beschrieben. Hier soll nur das
traktive diabetische Makulaödem erwähnt werden. Trak-
tionen durch atrophe fíbrovaskuläre Membranen können
sich als zentrale Verziehungen der Netzhaut präsentieren,
c ähnlich wie das Bild des typischen Makula Pucker. Ein
solches Beispiel ist in ⊡ Abb. 8.34 dargestellt. Traktionen
⊡ Abb. 8.33 a Traktiv rhegmatogene Netzhautablösung, Visus HBW. von fibrovaskulären Membranen können aber auch ein
b Nach Vitrektomie mit Gastamponade und Endolaser ist die Netz- typisches Makulaödem mit harten Exsudaten hervorru-
haut wieder anliegend, der Visus hat sich auf 0,2 verbessert. Acht
fen. Das traktive Ödem hat eine gute Chance sich nach
Wochen nach Therapie bemerkte der Patient Metamorphopsien. Eine
proliferative Vitreoretinopathie mit epiretinalen Membranen und Entlastung der Makula zu resorbieren (⊡ Abb. 8.30). Die
Fältelung der Netzhaut wurde sichtbar. c Zwei Wochen später war die Visusprognose ist dabei abhängig vom Grad der Makula-
Netzhaut wieder komplett abgelöst. (Aus Helbig 2007) Ischämie
132 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Chirurgie bei neovaskulärem Glaukom Kataraktchirurgie


Das neovaskuläre Glaukom ist eine besonders schwere Eine Kataraktchirurgie bei Augen mit proliferativer dia-
Komplikation der fortgeschrittenen proliferativen diabe- betischerRetinopathie hat zwei Ziele. Einerseits soll der
tischen Retinopathie. Pathophysiologisch gehen wir da- Visus durch Entfernung der trüben Linse für den Pa-
von aus, dass die ischämische Netzhaut die Quelle für die tienten verbessert werden, andererseits ermöglicht die
Produktion von vasoproliferativen Wachstumsfaktoren Entfernung von Medientrübungen uns Augenärzten auch
ist, welche dann an das vordere Segment des Auges per eine adäquate Beurteilung der Netzhaut, und erlaubt es,
Diffusion gelangen kann, besonders an aphaken und vit- eine Photokoagulation der Netzhaut durchzuführen.
rektomierten Augen. Das Wachstum von fibrovaskulären Leider hat die Kataraktchirurgie wahrscheinlich einen
Membranen im Kammerwinkel verschließt die Struk- negativen Effekt auf die Entwicklung der Retinopathie.
turen, die für den Kammerwasserabfluss verantwortlich Sowohl präretinale- als auch Iris-Neovaskularisationen
sind und der Augendruck steigt an, oft auf sehr hohe können sich nach Kataraktchirurgie verschlechtern. Das
Werte. wesentliche Problem allerdings ist eine Verschlechterung
Die Therapie sollte, wenn möglich, auf die Ursache des Makulaödems, welches bei Diabetikern auch ohne
des neovaskulären Stimulus gerichtet sein. Eine ausgiebige sichtbare Retinopathie wesentlich häufiger auftritt. Der
Photokoagulation der ischämischen Netzhaut oder eine Mechanismus ist noch nicht ganz klar, aber die chirur-
transsklerale Kryobehandlung der peripheren Netzhaut gisch induzierte Produktion von Entzündungsmediatoren
ist erforderlich. Diese Behandlung kann eine Regression und die erleichterte Diffusion von Zytokinen zwischen
8 von Neovaskularisationen erreichen, allerdings bleibt der vorderem und hinterem Segment nach Entfernung der
intraokulare Druck häufig eleviert, weil die vaskulären Linse, dürften eine Rolle spielen.
Membranen im Kammerwinkel sich nicht komplett auf-
lösen, sondern sich in fibrotische Membranen umwan- Chirurgische Prinzipien
deln, die immer noch den Ausfluss des Kammerwassers Komplette Entfernung des Glaskörpers
obstruieren. Deshalb ist oft auch eine Behandlung zur Eines der primären Ziele der Chirurgie ist es, Traktionen
Senkung des Intraokulardruckes erforderlich. auf die Netzhaut zu entlasten, abgelöste Netzhaut wieder
Die konventionelle Glaukomtherapie hat sehr anzulegen und die Netzhautfunktion zu verbessern. Eine
schlechte Erfolgraten in diesen Augen. Sie haben eine komplette Entfernung des Glaskörpers und des fibrovas-
zusammengebrochene Blutkammerwasserschranke und kulären Gewebes ist entscheidend für den postoperativen
die intraokularen Flüssigkeiten enthalten hohe Konzen- Verlauf der Erkrankung.
trationen von Zytokinen, welche eine Fibrosereaktion
stimulieren. Ein relativ rascher Verschluss der Trabekul- Praxistipp I I
ektomieöffnung ist daher häufig, auch wenn Antimetabo- Augen mit komplett abgehobenem Glaskörper entwi-
liten eingesetzt sind. Implantate, wie das Moltenon- oder ckeln seltener retinale Neovaskularisationen.
Barfield-Implantat, wurden in einigen Fällen erfolgreich
implantiert, aber die Komplikationsrate mit dieser Me-
thode ist erheblich. Neue Gefäße können nicht in den Glaskörperraum ein-
Viele Kliniker ziehen daher zyklodestruktive Maß- wachsen, wenn sie kein Substrat haben, auf dem sie ent-
nahmen zur Senkung des Intraokulardruckes vor. Ent- langwachsen können. Insbesondere ein teilweise anlie-
weder eine transsklerale Kryotherapie oder eine trans- gender Glaskörper stellt ein Gerüst für das Auswachsen
sklerale Diodenlaserbehandlung des Ziliarkörpers wird fibrovaskulärer Membranen dar. Die Vitrektomie entfernt
eingesetzt. Während einer vitreoretinalen oder einer dieses Substrat für fibrovaskuläres Gewebe. Reste an-
Kataraktchirurgie kann auch eine direkte Endolaserbe- liegenden Glaskörpers oder epiretinaler fibrovaskulärer
handlung der Ziliarfortsätze zur Reduktion der Kammer- Membranen nach Vitrektomie formen allerdings eine
wassersekretion durchgeführt werden. Intreavitreale oder exzellente Basis für Reproliferation. Es ist daher erforder-
intracamerale Gabe von VEGF-Antagonisten führt zu lich, alle epiretinalen Membranen so gut wie möglich zu
einer vorübergehenden Regression der Vorderabschnitts- entfernen.
neovaskularisationen, häufig verbunden mit einer Au- Diabetische fibrovaskuläre Membranen verhalten sich
gendrucksenkung und Reduktion der Entzündung. So anders als epiretinale Membranen bei Makula Pucker und
lässt sich durch die anti-VEGF-Behandlung die notwen- erfordern ein unterschiedliches chirurgisches Vorgehen.
dige Koagulationstherapie erleichtern. Injektionen allein »Pucker-Membranen« wachsen flach auf der Oberfläche
müssen auf lange Zeit oft wiederholt werden und schei- der Netzhaut, ohne invasiv oder infiltrativ in die Netz-
nen alleine kein optimales Mittel zur Behandlung des haut einzuwachsen. Diese »Pucker-Membranen« können
neovaskulären Sekundärglaukoms. in einem Stück von der Netzhaut abgezogen werden, so-
8.2 · Proliferative diabetische Retinopathie
133 8
bald es gelingt, ein freies Ende der Membran darzustellen eine schwere Komplikation der diabetischen Vitrektomie.
und mit der Pinzette zu fassen. Es ist nicht notwendig, Diese Komplikation kann allerdings durch eine adäquate
Adhäsionen mit der Netzhaut mit scharfen Instrumenten intraoperative Endolaserbehandlung signifikant reduziert
zu schneiden. Diabetische fibrovaskuläre Membranen al- werden.
lerdings wachsen aus retinalen Gefäßen aus und bilden
somit feste Verbindungen mit der Netzhaut. Versuche, Sorgfältige Untersuchung der Netzhautperipherie
diese Membranen stumpf abzuziehen, ohne die Adhäsi- mit Weitwinkelbeobachtungssystemen
onen scharf zu lösen, führen häufig zu retinalen Rissen. Die Präparation fest anliegender fibrovaskulärer Membra-
Verschiedene Techniken wurden für diesen Zweck be- nen von der Netzhaut ist oft zeitaufwendig und erfordert
schrieben. Entweder können die Membranen mit vertikal den wiederholten Austausch von Instrumenten im Auge.
schneidenden Scheren zwischen den Adhäsionsstellen Der Glaskörper ist häufig teilweise anliegend und beson-
mit der Netzhaut durchtrennt werden (Segmentations- ders fest adhärierend, möglicherweise, weil er mehr Blut
technik) und anschließend die verbleibenden Stümpfe und Fibrin durch eine Beeinträchtigung der Blut-Retina-
mit dem Cutter getrimmt werden. Andere Techniken Barriere enthält. Iatrogene Netzhautlöcher in der Glas-
sehen vor, die Membranen von der Netzhaut im Stück körperbasis nach komplexen Glaskörper-chirurgischen
anzuheben und die Adhäsionen mit der Netzhaut mit ho- Eingriffen sind deshalb bei Diabetikern nicht selten und
rizontal schneidenden Scheren zu durchtrennen (»Dela- können zur postoperativen rhegmatogenen Netzhautab-
mination« oder »En-bloc-Technik«). lösung führen, wenn sie nicht adäquat behandelt sind.
Diabetische neovaskuläre Membranen wachsen pri- Eine sorgfältige Inspektion der peripheren Netzhaut, vor-
mär aus retinalen Gefäßen aus. Um sie zu entfernen, muss zugsweise mit einem Weitwinkelbeobachtungssystem un-
das Gefäß entweder geschnitten oder abgerissen werden. ter Indentation, ist daher unbedingt erforderlich.
Dieses Manöver kreiert eine Öffnung des Gefäßlumens
und eine potenzielle Quelle für eine Glaskörperblutung. Kataraktoperationen
Sichtbare blutende Proliferationsstümpfe können intra- In Situationen, in denen die Linse entfernt werden muss,
operativ mit der Endodiathermie diathermiert werden, sollte eine intrakapsuläre Kataraktoperation vermieden
abhängig von der Lokalisation. Wenn die Quelle der Blu- werden, um die Barriere zwischen vorderem und hin-
tung ein großes Gefäß oder der Sehnerv ist, ist dies nicht terem Augenabschnitt intakt zu lassen. Die intrakapsu-
möglich. Die Blutung stoppt häufig spontan oder nach läre Kataraktoperation ist mit einem erhöhten Risiko
Anheben des Infusionsdruckes. Dennoch können diese für neovaskuläre Glaukome assoziiert. Wenn die Kapsel
winzigen Risse im Bereich von retinalen Gefäßwänden der Linse bei extrakapsulärer Kataraktoperation belassen
Ursache von postoperativen Blutungen sein. wird, haben diabetische Augen allerdings ein erhöhtes Ri-
siko für eine postoperative Fibrinexsudation für die Aus-
Einsatz des Endolasers, wann immer möglich bildung von Synechien zwischen Kapsel und Iris, vermut-
Einer der wichtigsten Schritte in der diabetischen Glas- lich ebenfalls durch die herabgesetzte Schrankenfunktion
körperchirurgie ist die Koagulationsbehandlung der der intraokularen Gefäße. Es gibt keine absolute Kontra-
Netzhaut. Komplikationen, welche eine Glaskörperchi- indikation für die Implantation von Kunstlinsen in diesen
rurgie fordern, sind praktisch immer ein Indikator für Augen. Selbst in Augen mit Rubeosis iridis kann eine
eine aktive und instabile Retinopathie. Daher muss prak- Kunstlinse implantiert werden, allerdings ist hier eine
tisch immer im Rahmen einer Vitrektomie bei prolifera- ausgiebige Koagulation der ischämischen Netzhaut erfor-
tiver diabetischer Retinopathie eine Endolaserkoagula- derlich. Die Kunstlinse in diabetischen Augen sollte sicher
tion der ischämischen Netzhaut erfolgen. Mehr noch, die im Kapselsack implantiert werden, mit einer großen vor-
Chirurgie selbst, kann einige Aspekte der Retinopathie deren Rhexis, um die postoperative Fundusuntersuchung
sogar noch verschlechtern. Präretinale Neovaskularisa- oder Laserkoagulation zu erreichen. Silikonlinsen sollten
tionen tragen möglicherweise auch zur Sauerstoff- und vermieden werden. Wenn später im Verlauf der Erkran-
Nährstoffversorgung der Netzhaut bei. Wenn diese ak- kung flüssiges Silikon in den Glaskörperraum eingegeben
tiven Neovaskularisationen von der Netzhautoberfläche werden muss, formt dieses Silikon feste Adhäsionen mit
entfernt werden, kann dies die Versorgung der inneren der Silikon-IOL, sodass die Silikontröpfchen nicht von
Netzhaut weiter verschlechtern. Die Vitrektomie kann der IOL entfernt werden können und optisch sehr stö-
also die retinale Ischämie noch verschlechtern und die rend sind. Dies erfordert gelegentlich den Austausch der
Produktion von vaso-proliferativen Faktoren stimulieren. IOL. Eine kombinierte vitreoretinale und Kataraktopera-
Mehr noch, nach Entfernung des Glaskörpers können tion kann problemlos durchgeführt werden. Entzündli-
diese Faktoren leichter an den vorderen Augenabschnit- che Reaktionen der Vorderkammer mit Fibrin- und Syne-
ten diffundieren. Eine Progression der Rubeosis iridis ist chienbildung ist allerdings wahrscheinlich seltener, wenn
134 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

die Operationen in zwei Schritten durchgeführt werden.


Hier kann es empfehlenswert sein, Kataraktoperationen
in derselben Prozedur wie den vitreoretinalen Eingriff
nur dann durchzuführen, wenn Linsentrübungen die
Visualisierung des hinteren Segmentes beeinträchtigen.
Da die Progression eines diabetischen Makulaödems ein
häufiges Problem nach Kataraktoperationen bei Diabeti-
kern ist, kann überlegt werden, am Ende der Operation
intravitreal Steroide oder anti-VEGF-Medikamente zu in-
jizieren. Diese zusätzliche Behandlung kann wahrschein-
lich die Verschlechterung des Makulaödems vermeiden
und sogar zu einer Visusbesserung führen.

Silikon
Die Einführung von flüssigem Silikon hat unser Arsenal
für die Glaskörperchirurgie bei diabetischer Retinopathie
a
erheblich erweitert. Während der Präparation diabeti-
scher fibrovaskulärer Membranen können Netzhautlö-
8 cher entstehen, insbesondere wenn die Traktionsablatio
länger besteht und die Netzhaut selbst dünn und atroph
geworden ist. In diesen Situationen macht eine Silikon-
tamponade Sinn, um die retinalen Defekte zu tamponie-
ren. Silikon darf allerdings nicht eingesetzt werden, ohne
die Traktionsmembranen komplett zu entfernen. Da die
wasserlöslichen Wachstumsfaktoren in hohen Konzent-
rationen im dünnen Flüssigkeitsspalt zwischen Netzhaut
und Silikon akkumulieren, entsteht dort ein starker pro-
liferativer Stimulus für fibrovaskuläre Membranen, wel-
cher zu massiven Reproliferationen und Ablationen unter
Silikon führen kann. Diese Komplikation kann in einigen
Fällen durch eine komplette Entfernung des gesamten
fibrovaskulären Gewebes vor Installation von Silikon ver-
mieden werden.
Eine andere Indikation für Silikon ist die rezidivie- b
rende Glaskörperblutung nach Vitrektomie. Da das Si-
likon den Glaskörperraum komplett ausfüllt, sorgt es ⊡ Abb. 8.35 a Aktive diabetische fibrovaskuläre Membranen mit
für eine klare optische Achse und verbessert die visuelle Traktion an der Fovea. b Drei Tage nach intravitrealer Avastin-Injek-
Rehabilitation in diesen Situationen. tion als Vorbereitung zur Vitrektomie sind die aktiven Neovaskulari-
Eine dritte Indikation für Silikon können schwere sationen nicht mehr sichtbar und die fibrotischen Traktionen wirken
verstärkt.
Vorderabschnittsneovaskularisationen darstellen. Wenn
der Glaskörperraum mit Silikon gefüllt ist, sorgt das
Silikon für eine Diffusionsbarriere zwischen hinterem
und vorderem Augenabschnitt. Dadurch kann in Augen mententherapie inzwischen etabliert. Die präoperative
mit schwerer Rubeosis iridis die Diffusion von vasopro- Gabe von anti-VEGF-Medikamenten (meist Bevaci-
liferativen Faktoren von der ischämischen Netzhaut zur zumab) konnte das Risiko für intraoperative Blutungen
Iris verhindert werden. Zusammen mit einer ausgiebi- und postoperative Nachblutungen merklich reduzieren.
gen retinalen Koagulationsbehandlung ist Silikon daher Die Wirkung setzt innerhalb weniger Tage ein. Allerdings
eine wirksame Behandlungsoption für schwere Vorderab- sollte nach der intravitrealen Injektion nicht all zu lange
schnittsneovaskularisationen. mit der Operation gewartet werden, da eine Induktion
von Traktionen und eine zunehmende Traktionsablatio
Adjuvante-intravitreale Pharmakotherapie beobachtet wurden (⊡ Abb. 8.35).
Als Hilfsmittel für die vitreoretinale Chirurgie bei Kom- Auch eine Gabe von intravitrealen Steroiden am
plikationen hat sich die adjuvante intravitreale Medika- Ende der Operation macht in gewissen Situationen Sinn.
8.3 · Diabetisches Makulaödem
135 8
Insbesondere bei kombinierten Kataraktoperationen ursache ist die Therapieoptimierung der diabetologischen
mit Vitrektomien und ausgiebiger Endolaserkoagulation Einstellung (z.B. anhand des HbA1c als Messparameter)
kommt es vermehrt zu exsudativen (Zunahme des Maku- von hoher klinischer Relevanz.
laödems) und entzündlichen Komplikationen am Vorder-
abschnitt, die durch Steroide abgefangen werden können.
Zudem lässt sich durch intraoperative Triamcinolon- Auswahl publizierter Inzidenz und Prävalenz-
Anwendung der Glaskörper gut darstellen und sicherer daten zum diabetischen Makulaödem
komplett entfernen. ▬ BKK-Studie: 0,85% DMÖ
▬ WESDER: Zwischen 0 und 29% je nach Alter,
Fazit für die Praxis Diabetesdauer und Insulintherapie
Glaskörperchirurgie bei proliferativer diabetischer Retinopa- ▬ Exeter Screening Programme:
thie kann Medientrübungen entfernen und die Netzhaut von – DMÖ Inzidenz: 4,79 bis 5,18%,
Traktionen entlasten. – DMÖ Prävalenz: 4,1 bis 11,5%
Die Retinopathie kann günstig beeinbflusst werden ▬ Liverpool: DMÖ Prävalenz: 6,4%
durch eine mögliche Verbesserung der Sauerstoffversorgung ▬ Denmark: DMÖ Prävalenz: 9,6 (7,9 für Typ 1 und
der inneren Netzhaut und eine Entfernung der Leitschienen 12,8 für Typ 2)
für Proliferationen.
Die Laserbehandlung der Netzhaut ist essentiell, um das
Risiko für Komplikationen wie Rubeosis iridis oder Nachblu- Noch in den 60er Jahren wurde von Duke-Elder ein
tungen zu reduzieren schicksalhafter Verlauf der diabetischen Retinopathie be-
Die funktionellen Ergebnisse nach Vitrektomie werden schrieben. Während die Laserkoagulation zwar die Folgen
durch die primäre mikrovaskuläre Grundkrankheit und das der peripheren Ischämie und der Gefäßleckage eindäm-
Ausmaß der Ischämie limitiert. men konnte, hat erst die Beschäftigung mit Wachstums-
faktoren seit den 80er Jahren die Moleküle identifizieren
können, die für eine erhöhte Gefäßpermeabilität ursäch-
8.3 Diabetisches Makulaödem lich sind.
Obwohl außer Zweifel steht, dass die Inzidenz einer Er-
A. M. Joussen, S. Winterhalter, V. Kakkassery blindung oder einer schweren Visusminderung durch
die diabetische Retinopathie mit der Einführung der re-
tinalen Photokoagulation und der Vitrektomie drastisch
8.3.1 Einleitung abgenommen hat, zeigt die tägliche klinische Praxis, dass
die diabetische Retinopathie nach wie vor zu den Visus
Weltweit sind ca. 194 Millionen Menschen am Diabetes bedrohenden Erkrankungen gehört. Insbesondere beim
mellitus erkrankt. Die Tendenz ist allein durch die demo- diabetischen Makulaödem führt die Lasertherapie nicht
graphische Entwicklung weiterhin steigend. Aufgrund der zu der erwünschten Visusbesserung oder kann, wie im
Weiterentwicklung des Insulins und der immer besseren Falle der ischämischen Form, gar nicht angewandt wer-
internistischen Betreuung und Schulung dieser Patien- den. Umso dringender ist der Bedarf nach einer präventi-
ten stehen heute die Langzeitkomplikationen im Vorder- ven oder zumindest unterstützenden pharmakologischen
grund. Das diabetische Makulaödem (DMÖ) ist dabei die Therapie.
häufigste Ursache für eine Sehverschlechterung. Grobe
Schätzungen gehen, abhängig vom Diabetes-Typ und von
einer Insulinbehandlung, von eine Sehverschlechterung 8.3.2 Pathophysiologie des Diabetischen
von 9% bis 37% aller Patienten nach 10 Jahren aus. Ein Makulaödems
wichtiger Risikofaktor für die Ausbildung des Makulaö-
dems ist der Schweregrad der peripheren Retinopathie. Praxistipp I I
Während ein Makulaödem nur in 3% der Augen mit Hyperglykämie führt zu Veränderungen im Polyol- und
leichten, nicht proliferativen Stadien auftritt, sind 71% des Hexosamin-Stoffwechsel, einer nicht-enzymatische
der Augen mit proliferativen Stadien davon betroffen (s. Glykosilierung und der Aktivierung der Proteinkinase C
folgende Übersicht). Weitere Risikofaktoren sind Alter, (PKC).
männliches Geschlecht, schlechte Blutglukosekontrolle Makulaödeme entstehen durch den Zusammen-
(HbA1c) und Bluthochdruck. Aufgrund der weltweit wei- bruch der inneren Blut-Retina-Schranke. Tight-junc-
terhin steigenden Inzidenz des Diabetes mellitus und der tion-Proteine spielen in diesem Prozess eine Rolle.
damit verbundenen Zunahme des DMÖ als Erblindungs-
136 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Die Hyperglykämie und ihre Folgen Anatomische Ursachen für die Entstehung
Die Hyperglykämie ist mit einer Reihe von biologischen eines Makulaödems
Effekten wie beispielsweise einer Änderung des Glukose- Die Blutversorgung der Retina erfolgt über die Gefäßsys-
transportes, einer Verdickung der kapillären Basalmemb- teme der retinalen Kapillaren und der Aderhautgefäße. Im
ran und dem Verlust von Perizyten assoziiert. Es werden gesunden Auge wird der Übertritt von Flüssigkeit aus die-
hauptsächlich vier Mechanismen diskutiert, über die die sen Gefäßen in die Netzhaut im Falle der Aderhautgefäße
Hyperglykämie zu vaskulären Veränderungen und damit durch das retinale Pigmentepithel (RPE) und im Falle der
zur diabetischen Retinopathie führt (⊡ Abb. 8.36): retinalen Kapillaren durch das Gefäßendothel verhindert.
▬ der Polyol-Stoffwechsel, Diese Zellschichten werden deshalb auch als äußere bezie-
▬ die nicht-enzymatische Glykosilierung, hungsweise innere Blut-Retina-Schranke bezeichnet.
▬ der Hexosamin-Stoffwechsel und Bei Hyperglykämie kommt es zu einem Zusammen-
▬ die Aktivierung der Proteinkinase C (PKC). bruch der Blut-Retina-Schranke mit nachfolgender Flüs-
sigkeitsansammlung im Bereich der Netzhaut. Betroffen ist
Als grundlegender Mechanismus wird angenommen, dass hiervon vor allem die innere Blut-Retina-Schranke, obwohl
durch die Hyperglykämie vermehrt Superoxide in der auch Störungen des RPE nachweisbar sind. Sowohl die
mitochondrialen Elektronentransportkette entstehen. Su- fokale, als auch die diffuse Form des Makulaödems ist
peroxide inhibieren das Enzym GAPDH der Glykolyse, charakterisiert durch eine Ansammlung von extrazellulärer
wodurch vermehrt Metaboliten in den Polyol- und Hexo- Flüssigkeit in der Henle-Schicht und der inneren Körner-
8 samin-Stoffwechsel gelangen. Dadurch wird wiederum die schicht der Retina. Die Kompartimentierung des Ödems ist
PKC aktiviert und es entstehen Vorstufen von Glykosilie- wahrscheinlich bedingt durch die relativen Barriereeigen-
rungsendprodukten (AGEs). Diese Mechanismen haben schaften der inneren und äußeren plexiformen Schicht.
nun vielfältige, zum Teil noch nicht ganz aufgeklärte Konse- Diese anatomischen Besonderheiten erklären, warum
quenzen. Es kommt zum oxidativen Stress, zu Veränderun- besonders die zentrale Netzhaut so anfällig für die Entste-
gen des Blutflusses (u.a. über NO), zu einer proinflamma- hung eines Ödems ist. Da die Makula im Bereich der zent-
torische Genexpression, zu Störungen der Zellinteraktion ralen avaskulären Zone gefäßfrei ist, erfolgt ihre Versorgung
und zu einem Anstieg von VEGF, mit den Konsequenzen hier durch Diffusion. Flüssigkeit, die sich in diesem Bereich
einer erhöhten Gefäßleckage und einer Ödembildung. einlagert, kann nur sehr langsam wieder resorbiert werden.
Es ist sehr schwierig, in grundlegende Prozesse wie Der Ursprung der extrazellulären Flüssigkeit beim
den Polyol-Stoffwechsel einzugreifen, da auf dieser Stufe Makulaödem ist das intravasale Kompartiment. Obwohl
mehr als ein paralleler Stoffwechselweg existiert, sodass auch Veränderungen im retinalen Blutstrom zum Austritt
die Inhibition nur eines Weges therapeutisch nicht hin- von Flüssigkeit beitragen, ist der wichtigste Mechanismus
reichend effizient ist. der Zusammenbruch der inneren Blut-Retina-Schranke.

⊡ Abb. 8.36 Die Perizyten-Endothel-


Interaktion ist geprägt durch die Stoff-
wechselveränderungen und folgende
Wachstumsfaktorfreisetzungen
8.3 · Diabetisches Makulaödem
137 8
Die Bewegung von Flüssigkeit über die Blut-Retina- die aus transmembranen Verbindungsmolekülen gebildet
Schranke hat zwei verschiedene Komponenten: die über- werden, die intrazellulär mit dem Zytoskelett verbunden
wiegend passive Leckage von Flüssigkeit aus den Gefäßen sind. Für die Regulation der parazellulären Permeabilität
in das Retinagewebe und den aktiven Rücktransport in sind vor allem die Zonula occludens (»tight junctions«)
die entgegengesetzte Richtung. In-vitro-Studien an iso- und die Zonula adhaerens (»adherens junctions«) ver-
lierten RPE-Choroidea-Präparaten belegen, dass unter antwortlich.
normalen Bedingungen die Kapazität des Rücktransports Tight junctions sind die am weitesten apikal gelegene
die Gefäßleckage deutlich übersteigt. Im Unterschied zum »Komponenten« der interzellulären Verbindung. Viele
aktiven Rücktransport ist die Gefäßleckage aber von der ihrer molekulare Bestandteile sind bereits identifiziert
Ausprägung der diabetischen Retinopathie abhängig. Pa- worden. Occludin, Claudine und JAM (»junctional ad-
tienten mit nicht-proliferativer Retinopathie weisen mit hesion molecule«) sind integrale Membranproteine, die
zunehmendem Schweregrad der Erkrankung eine signi- extrazellulär die Verbindung zur Nachbarzelle bilden. In-
fikante Erhöhung der Leckage aus den retinalen Gefäßen trazellulär sind sie über ZO-1 (zonula occludens 1), ZO-2
auf. Obwohl auch der Rücktransport kompensatorisch oder ZO-3 am Zytoskelett der Zelle verankert.
erhöht wird, ist dieser Anstieg zu gering, um bei zuneh- Ähnlich aufgebaut ist die Zonula adherens, die sich
mender Gefäßleckage ein Ödem zu verhindern. im interzellulären Spalt basal an die Tight junctions an-
Das histologische Korrelat der inneren Blut-Retina- schließen. Ihre transmembrane Komponente bilden die
Schranke ist die Endothelzellschicht, die die retinalen Cadherine, im Gefäßendothel vor allem das VE-cadherin
Gefäße nach innen auskleiden. Gefäßleckage durch das (»vascular endothelium cadherin«, cadherin-5). Diese
Endothel kann generell auf drei unterschiedliche Weisen sind über β-Catenin und α-Catenin ebenfalls mit dem
erfolgen: Zytoskelett verbunden.
1. durch parazellulären, passiven Flüssigkeitsausstrom Obwohl die molekulare Struktur der Tight junctions
aufgrund defekter interzellulärer Verbindungen der generell in allen Geweben ähnlich ist, gibt es Unter-
Endothelzellen, schiede zwischen epithelialen und endothelialen Tight
2. durch den Verlust der Endothelkontinuität bei direk- junctions, sowie zwischen Tight junctions des periphe-
ter Schädigung und Untergang von Endothelzellen ren Gefäßendothels und der Blut-Hirn-und Blut-Retina-
und Schranke. Im Unterschied zu epithelialen Tight junctions
3. durch transzellulären, aktiven Transport durch die sind die strukturellen und funktionellen Eigenschaften
Endothelschicht (⊡ Abb. 8.37). von Tight junctions der Endothelzellen hochgradig be-
einflussbar durch äußere Faktoren.
Gefäßleckage durch parazellulären Die Mechanismen, die das Öffnen und Schließen
Flüssigkeitsausstrom von endothelialen Zellverbindungen steuern, sind bis-
Endotheliale Permeabilität wird in gesunden Geweben her unbekannt. Es ist vorstellbar, dass Substanzen wie
hauptsächlich über die interzellulären Verbindungen re- Entzündungsmediatoren die Permeabilität dadurch er-
guliert. Dabei handelt es sich um komplexe Strukturen, höhen, dass sie an spezifische Rezeptoren binden, die
intrazelluläre Signalkaskaden auslösen und so zu eine
zytoskelettalen Umstrukturierung und einer Öffnung der
Zellverbindungen führen. Die Wechselwirkungen zwi-
schen den Komponenten der Tight junctions und der
Adherens junctions legen zudem eine enge funktionelle
Abhängigkeit dieser beiden Zell-Zell-Kontaktsysteme
nahe (⊡ Abb. 8.38).
In humanen retinalen Endothelzellen wurden die Ex-
pression von Occludin und VE-cadherin nachgewiesen.
Die Expression ihrer jeweiligen zytoplasmatischen Prote-
ine ZO-1 und β-Catenin an Stellen des Endothelzellkon-
taktes lässt eine Beteiligung dieser Proteine an der Auf-
rechterhaltung der retinalen Endothelbarriere vermuten.
Der Anstieg der Gefäßleckage, der in der diabetischen
⊡ Abb. 8.37 Mechanismen der Gefäßleckage: Die Gefäßwand verein-
Retina beobachtet wird, könnte mit einer Reduktion der
facht vorgestellt als einlagige Endothelzellschicht kommen drei grund-
sätzliche Mechanismen der Gefäßleckage in Betracht: durch defekte En-
Expression des wichtigen Adherens-junction-Proteins
dothelzellen (z.B. durch Apoptose), parazellulär durch veränderte Tight VE-cadherin verbunden sein. Immunfluoreszenzuntersu-
junctions, transzellulär durch einen erhöhten transzellulären Transport. chungen haben in diabetischen Augen eine unveränderte
138 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

keitstransport mittels Pinozytose an der diabetischen Ge-


fäßleckage beteiligt. Obwohl pinozytotischer Transport
maßgeblich am transendothelialen Flüssigkeitsaustausch
beteiligt ist, wurde seine Regulation bei der diabetischen
Retinopathie bisher noch nicht untersucht. Studien an
VEGF-behandelten Augen haben jedoch ergeben, dass
erhöhte Konzentrationen von VEGF, wie sie auch in der
diabetischen Netzhaut vorkommen, zu einer Steigerung
des transendothelialen Transports mittels pinozytotischer
Vesikel führen und dadurch eine erhöhte Permeabilität
der Blut-Retina-Schrank verursachen. In den betroffenen
Blutgefäßen war die Anzahl der pinozytotischen Vesikel
an der luminalen Membran der Endothelzellen deutlich
⊡ Abb. 8.38 Tight junction: eine Gruppe von Tight-junction-Molekü- erhöht und diese Vesikel transportierten Plasmaproteine
len ist für die strukturelle Verbindung zwischen Endothelzellen ver- wie IgG.
antwortlich. Hierbei sind insbesondere Occludin und ZO-1 zu nennen Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass pinozytoti-
sowie die Gruppe der Claudins.
scher Transport bei vielen der Vorgänge beteiligt ist, die
bei der Störung der diabetischen Blut-Retina-Schranke
8 eine Rolle spielen. Die pathophysiologischen Ursachen
Anfärbung für Occludin und ZO-1, aber eine vermin- und Konsequenzen dieses Phänomens sind bisher aber
derte Anfärbung für VE-cadherin nachgewiesen. noch nicht geklärt.
Beim Diabetes ist die Regulation der Tight-junctions Der Wachstumsfaktor VEGF ist ein extrem wirksa-
verändert. Durch VEGF, das bei diabetischer Retino- mer Auslöser von Gefäßleckage. Seine permeabilitäts-
pathie vermehrt exprimiert wird, wird die Occludin- steigernde Potenz liegt noch 50.000fach höher als die des
Expression in retinalen Endothelzellen gesenkt. Im Tier- Entzündungsmediators Histamin.
modell wurde bei diabetischer Stoffwechsellage eine ver- Während histologische Veränderungen im diabeti-
minderte Occludin-Expression in den retinalen Gefäßen schen Tiermodell erst nach Monaten einer Hyperglyk-
nachgewiesen, die sich durch die Gabe von Insulin wie- ämie nachweisbar sind, kann man schon nach wenigen
der normalisierte. Die molekularen Mechanismen, über Tagen und Wochen die Hochregulation von Wachstums-
die Hyperglykämie die Zellverbindungen beeinflusst, faktoren wie z.B. VEGF zeigen.
sind bisher noch unbekannt, kürzlich konnte jedoch Die VEGF-Expression ist zum einen direkt von der
gezeigt werden, dass eine Inhibition der PKC den Effekt Glukosekonzentration abhängig, wird zum anderen aber
von VEGF165 auf die Expression von Tight-junction- auch durch die oben beschriebenen Stimuli beeinflusst.
Molekülen wie Claudin-1 und die Permeabilität nicht Das historische Synonym »vascular permeability fac-
zurückbilden konnte. tor (VPF)« des heute als »vascular endothelial growth
factor« (VEGF) bezeichneten Wachstumsfaktors deutet
Gefäßleckage durch transendothelialen bereits eine Induktion der Durchlässigkeit von Blutge-
Flüssigkeitstransport – die Rolle von fäße an. In Versuchen mit kultivierten bovinen retinalen
»vascular endothelial growth factor« (VEGF) Endothelzellen konnte eine VEGF bedingte Permeabili-
tätserhöhung nachgewiesen werden. Dieser Effekt konnte
Praxistipp I I in den gleichen Zellen mit dem VEGF-Antikörper-Frag-
»Vascular endothelial growth factor« (VEGF) wurde ment Ranibizumab (Lucentis) neutralisiert werden.
ursprünglich als »vascular permeability factor« (VPF) VEGF ist als pathogenetischer Faktor bei der nicht-
beschrieben. proliferativen und der proliferativen Form der diabe-
VEGF ist nachweislich der hauptursächliche Wachs- tischen Retinopathie nachgewiesen. Die intraokuläre
tumsfaktor bei der proliferativen diabetischen Retino- VEGF-Konzentration ist bei Patienten mit einer Dia-
pathie aber auch Hauptursache der Gefäßleckage im betes-bedingten Störung der Blut-Retina-Schranke und
Rahmen des Makulaödems Neovaskularisationen erhöht.
In-vivo-Untersuchungen am Primatenauge zeigten
Veränderungen nach einer Injektion von VEGF165, die
Neben der Zunahme der Gefäßpermeabilität durch Ver- denjenigen des Diabetes mellitus am Auge entsprechen.
änderungen der Zellverbindungen und durch endotheli- Endothelzellhyperplasien, Mikroaneurysmen, ischämi-
alen Zelltod ist möglicherweise auch ein aktiver Flüssig- schen Arealen der Netzhaut, Proliferationen in den Glas-
8.3 · Diabetisches Makulaödem
139 8

⊡ Abb. 8.39 VEGF interagiert eng mit Substanzen wie Angiopoietin und PDGF, die eine Gefäßreifung bzw. Destabilisierung bedingen

körper sowie eine Rubeosis iridis manifestierten sich im ▬ freie Radikale und
Verlauf des Versuches. VEGF erhöht dabei die Gefäßper- ▬ Glukose.
meabilität im diabetischen Auge und steigert durch die
Induktion von ICAM (»intercellular adhesion molecule«) Am wirksamsten ist allerdings die Hypoxie.
die Adhäsion von Leukozyten an die Endothelzellen. Die Frage nach der Ursache der Hypoxie in den re-
Schließlich induziert VEGF die Expression von eNOS tinalen Gefäßen lässt sich zumindest teilweise aus der
(endotheliale Stickoxidsynthetase/«nitric oxide synt- anatomischen Situation erklären. Das retinale Gefäß-
hase«) in der diabetischen Retina, was zu Veränderungen system ist gemessen an seinen Anforderungen spärlich
des Blutflusses führt. Über die Interaktion mit Faktoren ausgelegt, möglicherweise um eine optische Interferenz
die die Gefäßreifung beeinflussen, wie die Angiopoietine, mit dem durchfallenden Licht zu verhindern. Die Folge
hat VEGF Einfluss auf die Gefäßstabilität (⊡ Abb. 8.39). ist eine hohe Sauerstoffspannung zwischen den retina-
Eine spezifische Inhibition von VEGF im Tiermodell len Arterien und Venen. Gefäßschädigungen bewirken
vermag die pathologische Durchlässigkeit der Blut-Retina- frühzeitig Gewebehypoxie. Hypoxie setzt einen Kreislauf
Schranke zu verhindern. Die Gabe von VEGF TrapA40, von kapillärer Minderperfusion, Verlust von retinalen
einem löslichen VEGF-Rezeptor, der die biologische Ak- Kapillaren, weiterer Hypoxie und Wachstumsfaktor- und
tivität von VEGF inhibiert, reduziert nicht nur die pa- Zytokinausschüttung in Gang. Makulaödeme bilden sich
thologische Gefäßleckage im diabetischen Auge, sondern in Reaktion von peripherer Ischämie. Vollständig ist das
unterdrückt darüber hinaus die Leukostase in retinalen Gefüge von Wachstumsfaktoren und ihrer Reaktion auf
Arteriolen, Venolen und Kapillaren (s.u.). Die Expression Hypoxie noch nicht bekannt. Der Hypoxie-induzierte
von Entzündungsmediatoren wie ICAM-1 nimmt im Ver- Faktor HIF-1a (»hypoxia-inducible factor-1a«) scheint
gleich zu nicht behandelten Kontrolltieren deutlich ab. einer der Haupttranskriptionsfaktoren zu sein. HIF-1a
Zu den bisher bekannten Modulatoren der VEGF- ist ein Transkriptionsfaktor, der die Expression verschie-
Expression gehören dener Gene fördert, die, wie beispielsweise VEGF, be-
▬ cAMP, stimmte Promotor-bindende Elemente, die sogenannten
▬ Steroide, »hypoxia-responsive elements« (HREs) tragen. Bei der
▬ PKC-Inhibitoren, diabetischen Retinopathie induziert HIF-1a die Freiset-
▬ Wachstumsfaktoren, zung weiterer Faktoren, insbesonders VEGF, und kann
▬ Sauerstoff, somit ein Makulaödem bewirken.
140 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Gefäßleckage durch Endothelzellschädigung:


Das diabetische Makulaödem –
eine inflammatorische Erkrankung?
Ebenso wie die Entstehung der peripheren retinalen Ge-
fäßveränderungen bei diabetischer Stoffwechsellage ist
die Entstehung der diabetischen Makulopathie von einer
Vielzahl biochemischer Stoffwechselprodukte abhängig,
die in komplexer Weise mit Zytokinen und zellulären
Komponenten interagieren.
Veränderte Leukozyten spielen eine entscheidende
Rolle in der frühen Pathogenese der diabetischen Retino-
pathie, indem sie sich bei Diabetes vermehrt an das reti-
nale Gefäßendothel anlagern und in der Folge direkt den
Untergang von Endothelzellen induzieren können. Durch
Störung der Endothelkontinuität tragen Leukozyten so
zur Entstehung des diabetischen Makulaödems bei.
Ausgehend von der gängigen Technik der retinalen
Gefäßdarstellung mittels Trypsin-Verdauungs-Präparaten
8 (⊡ Abb. 8.40) ging man bisher davon aus, dass der Ver-
lust der Perizyten auch tatsächlich die erste Schädigung
der retinalen Gefäße darstellt. In jüngster Zeit konnte
gezeigt werden, dass intravaskuläre Veränderungen eine
bedeutende Rolle in der Pathogenese des Makulaödems
spielen und dass das retinale Gefäßsystem von Menschen
und Nagern mit Diabetes mellitus eine erhöhte Anzahl
von Leukozyten enthält. Die vermehrte Adhäsion von
Leukozyten am retinalen Gefäßendothel lässt sich be-
reits früh im Verlauf der experimentellen diabetischen
Retinopathie nachweisen. Wir konnten zeigen, dass Leu-
⊡ Abb. 8.40 Trypsin Digest Präparate. Oben: retinales Kapillarbett ei-
kozytenadhäsion und endothelialer Zelluntergang bereits ner nicht-diabetischen Maus. Unten: retinales Kapillarbett einer Maus
vor dem Auftreten erster klinischer Krankheitszeichen nach 24 Monaten Diabetes: es zeigen sich azelluläre Kapillaren, Mik-
nachweisbar sind und zeitlich parallel mit der Störung der roaneurysmen, Perizytenverlust sowie Endothelzellrarifizierungen
Blut-Retina-Schranke und dem Verschluss von Kapillaren
auftreten. Das Leukozyten-Adhäsionsmolekül ICAM-1
(»intracellular adhesion molecule 1«) auf der Oberfläche Gewebe Zytokine und angiogene Stimuli freisetzen. Ähn-
der Endothelzellen und sein Ligand CD18 auf der Leuko- liche Mechanismen sind auch bei der diabetischen Reti-
zytenoberfläche spielen nachweislich eine entscheidende nopathie zu erwarten.
Rolle bei diesen Ereignissen. Die Expression beider Mo- Zusätzlich zu den positiven Modulatoren und Sti-
leküle ist bei Diabetes erhöht, und die spezifische Hem- mulatoren der Leukozyten-Extravasation exprimiert das
mung von ICAM-1 oder CD18 verhindert sowohl die Gefäßendothel auch Faktoren, die diesen Prozess negativ
Leukozytenadhäsion in den retinalen Kapillaren als auch regulieren und damit zusätzliche Kontrollmechanismen
die erhöhte Gefäßleckage. Die Induktion von ICAM-1 zum Erhalt einer Homeostase bieten: CD95 (Fas)-Ligand
wird zumindest teilweise durch VEGFvermittelt, das in (CD95-L) induziert einen apoptotischen Zelltod in den
der diabetischen Netzhaut vermehrt exprimiert wird. Zellen, die den entsprechenden Rezeptor Fas (CD95) tra-
Die spezifische Wirkung von Leukozyten auf be- gen. Experimentelle Untersuchungen zur Frage des Me-
stimmte Zielorgane wird zusätzlich durch eine Reihe wei- chanismus der Leukozyten-Endothel-Interaktion zeigten
tere Adhäsionsmoleküle und Chemotaxine reguliert. En- in vitro, dass Leukozyten diabetischer Tiere vermehrt En-
dothelzellen synthetisieren Chemokine wie Interleukin-8 dothelzellapoptose induzieren, während normale, unbe-
(IL-8), Monozyten-Chemokine-Protein 1 (MCP-1) und handelte humane Endothelzellen in vitro keine Fas-ver-
»macrophage inflammatory protein« (MIP-1), die Ad- mittelte Apoptose zeigten. Die Hemmung von Fas/FasL
häsionsrezeptoren auf Leukozyten aktivieren und deren mit spezifischen Antikörpern verhindert den Endothel-
Migration vermitteln. Leukozyten können nachfolgend zelltod. Neutrophile Granulozyten vermitteln somit bei
zwischen den Endothelzellen hindurchwandern und im der diabetischen Stoffwechsellage eine Apoptose in Endo-
8.3 · Diabetisches Makulaödem
141 8

Das fokale Makulaödem ist gekennzeichnet


durch einen fluoreszenzangiographisch lokalisierba-
ren Flüssigkeitsaustritt aus undichten Mikroaneurys-
men. Im Fundus sind umschriebene retinale Ödeme
abgrenzbar, die Gruppen von Mikroaneurysmen oder
dilatierten Kapillaren zugeordnet werden können.
Dem diffusen Makulaödem liegt ein generali-
sierter Zusammenbruch der Blut-Retina-Schranke zu
⊡ Abb. 8.41 Die Leukozyten-Endothel-Adhäsion wird durch Adhä- Grunde. Es steht deswegen oft im Zusammenhang
sionsmoleküle wie ICAM-1 (»intercellular adhesion molecule-1«) auf mit systemischen Krankheitsfaktoren, wie beispiels-
den Endothelzellen und Oberflächenintegrinen auf den Leukozyten
weise einer Hypertonie. Es findet sich eine diffuse
als Gegenspieler reguliert. An ICAM-1 koppelt dabei beispielsweise
das Oberflächenintegrin CD18. Darüberhaus wird die Adhäsion von Verdickung im Bereich der Makula mit einer angio-
Leukozyten und deren Druchwanderung durch das Endothel über graphischen Fluoreszeinleckage aus den makulana-
eine Reihe von anderen Faktoren und Zytokinen wie TNFα (»tumor hen Kapillaren, oftmals ohne harte Exsudate oder
necrose factor α«), MCP-1 (»monozyten-chemoattractant-protein«) retinale Mikroaneurysmen. Nach der Definition von
und MIP-1 (»macrophage inflammatory protein«).
Olk liegt ein diffuses diabetisches Makulaödem dann
vor, wenn eine Zone retinaler Verdickung eine Fläche
von mindestens zwei Sehnervenköpfen umfasst und
thelzellen und damit eine erhöhte retinale Gefäßleckage. diese Fläche die avaskuläre Zone der Fovea betrifft.
Der Untergang von retinalen Endothelzellen, im Sinne ei- Eine ischämische Makulopathie ist durch den
nes kummulativen Schadens bei zunehmender Dauer der Verlust/Untergang der perifovealen Kapillararkade und
Erkrankung, spielt somit vermutlich eine wichtige Rolle darüber hinaus charakterisiert. Funduskopisch sind
bei der Entstehung des diabetischen Makulaödems. Die diese schwer oder gar nicht zu erkennen, die Diagnose
systemische Hemmung der Fas-FasL-Interaktion mit ei- muss deswegen fluoreszenzangiographisch gestellt
nem FasL-spezifischen Antikörper führt in vivo zu einer werden. Die ischämische Makulopathie signalisiert eine
signifikanten Verminderung nicht nur des endothelialen schlechte Visusprognose. Klinisch finden sich auch häu-
Zelltods sondern auch der Gefäßleckage. fig kombinierte Formen mit ischämischen und diffusen
Eine Inhibition der Leukozyten-Endothel-Interaktion Anteilen. In diesem Fall oder bei unklarem Befund wird
könnte ein effizientes Ziel zur Prophylaxe der diabeti- bei einem Visus ≤0,6 eine Fluoreszenzangiographie zur
schen Retinopathie sein (⊡ Abb. 8.41). Differenzierung des Makulaödems empfohlen.
Auch eine lokale Regulation von TNF-α konnte bei Pa-
tienten mit proliferativer diabetischer Retinopathie nachge-
wiesen werden. Proinflammatorische Zytokine wie TNF-α Ein klinisch signifikantes, also visusbedrohendes Maku-
und Interleukin-1 sind in der Lage, Endothelzellen zur laödem betrifft etwa 1-29% der Patienten mit Diabetes
Expression von Leukozyten-Adhäsionsmolekülen zu stimu- mellitus (s.o. Übersicht).
lieren. Außerdem können sie neutrophile Leukozyten akti- Die Veränderungen liegen hierbei ganz oder teilweise
vieren, was die zytotoxische Aktivität der Leukozyten und innerhalb eines Papillendurchmessers von der Foveola
damit die Endothelzellschädigung verstärken kann. Lokal entfernt. Das klinisch signifikante Makulaödem ist die
applizierbare TNF-α-Inhibitoren müssen in ihrer Wirksam- häufigste Ursache einer Visusreduktion bei Patienten mit
keit gegen das diabetische Makulaödem untersucht werden. diabetischen Augenerkrankungen (⊡ Abb. 8.42).
Evidenzbasierte Daten aus randomisierten Studien
zur Therapie der diabetischen Retinopathie beruhten bis-
8.3.3 Klinische Stadien des Makulaödems her in erster Linie auf einer multizentrischen Studie, der
»Early Treatment Diabetic Retinopathy Study« (ETDRS)
Praxistipp I I aus den 70iger und 80iger Jahren, die in der Folgezeit
Ophthalmoskopisch erscheint die diabetische Makulo- in den klinischen Alltag umgesetzt wurde. Insbeson-
pathie als eine fokale oder diffuse retinale Verdickung, dere die wohl definierte Stadieneinteilung und die Ent-
teilweise sind harte Exsudate vorhanden als Zeichen scheidungskriterien für eine zentrale oder panretinale
eines aktuellen oder abgelaufenen Ödems. Es werden Laserbehandlung trugen zum Erfolg dieser Studie bei.
drei verschiedene Erscheinungsbilder unterschieden: Die Diagnose »klinisch signifikantes« Makulaödem wird
▼ mittels binokular-steroskopischer Funduskopie gestellt.
Unterschieden wurde in der ETDRS in eine diffuse oder
142 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Eine vereinfachte Definition wurde von der Initiativ-


gruppe »Früherkennung diabetischer Augenerkrankun-
gen« (IFDA), des Berufsverbands der Augenärzte (BVA)
und der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG) formu-
liert: umschriebene Netzhautverdickung(en), evtl. kom-
biniert mit Mikroaneurysmen, intraretinalen Blutungen
und/oder harten Exsudaten, die ganz oder teilweise in-
nerhalb eines Papillendurchmessers von der Foveola ent-
fernt liegen.
Weltweit bestanden trotz der ETDRS große Unter-
schiede in der Stadieneinteilung des diabetischen Ma-
kulaödems. Die »Proposed international clinical dia-
a betic retinopathy and diabetic macular edema disease
severity scales«, erstellt von 31 Arbeitsgruppen aus
16 verschiedenen Ländern (global diabetic retinopa-
thy project group), überprüfte und modifizierte diese
funduskopische Stadieneinteilung 2003. Hierbei werden
zwei Hauptgruppen unterschieden, je nach dem Vorhan-
8 densein oder dem Fehlen eines Makulaödems. Besteht
ein Makulaödem, so wird in drei Schweregrade unter-
teilt: mild, moderat und schwer. Die Einteilung erfolgt
hierbei je nach Lage der retinalen Verdickung, also fern
des Zentrums der Makula, nahe dem Zentrum und im
Zentrum. In diesem Konsensfindungsprozess konnte die
Stadieneinteilung durch die alleinige Funduskopie in die
Stadien fokal und diffus nicht mehr aufrecht erhalten
werden.
b
Dennoch trägt auch eine graduelle Einteilung nicht
der Problematik der ischämischen Makulopathie Rech-
⊡ Abb. 8.42 a Fundusbild eines Patienten mit einem klinisch signi-
fikanten DMÖ mit harten Exsudaten, Blutungen und Mikroaneurys-
nung. Entscheidend ist eine Einteilung, die sowohl die
mata. b Fundusbild des gleichen Patienten nach parazentraler Laser- Lokalisation als auch die Form (fokale, diffuse und is-
koagulation ein Jahr später. Es zeigt sich eine Zunahme des klinisch chämische Makulopathie) berücksichtigt, da sich nach
signifikanten DMÖ und der harten Exsudate diesen zwei Kriterien die Wahl der Therapie richtet. Die
Diagnose der ischämischen Makulopathie erfordert dafür
den Einsatz angiographischer Verfahren.
eine fokale Form des DMÖ und durch den Abstand des In der neusten Studie des »Diabetic Retinopathy Cli-
DMÖ zur Fovea. nical Research Network« (www.DRCR.net) wurde unter
anderem auf die Schwierigkeit hinsichtlich objektiver
Praxistipp I I Kriterien zur Unterscheidung zwischen dem diffusen
Nach ETDRS (Early Treatment Diabetic Retinopathy und fokalen DMÖ mittels Fundoskopie, Optical Cohe-
Study) liegt ein klinisch signifikantes (visusbedrohen- rence Tomographie und Fluoreszenzangiographie hin-
des und damit auch therapiebedürftiges) Makulaödem gewiesen. Es wurden schließlich drei Typen des DMÖ
vor, wenn eines der folgenden Kriterien zutrifft: (»predominant diffus«, »predominant fokal« und »weder
▬ Verdickung der Retina im Zentrum oder einem predominant diffus, noch fokal«) unterschieden. Es be-
Umkreis von 500 μm um die Makula steht eine moderate Korrelation zwischen zentraler Netz-
▬ Harte Exsudate im Zentrum oder einem Umkreis hautdicke und Visus, jedoch ist die Variationsbreite der
von 500 μm um die Makula mit einer Verdichtung Sehschärfe bei einem gegebenen Grad des Makulaödems
der umgebenden Netzhaut groß. In wieweit die Einteilung unter Zuhilfenahme der
▬ Zone retinaler Verdickung von einer Größe von Netzhautdickenmessung Unterschiede in der Visusent-
mehr als einem Sehnervenkopfdurchmesser. Diese wicklung und im Therapieerfolg erklären kann, bleibt
retinale Verdickung liegt im Zentrum oder im Um- abzuwarten.
feld von einer Sehnervenkopfgröße um die Makula.
8.3 · Diabetisches Makulaödem
143 8
8.3.4 Lasertherapie

Praxistipp I I
Die Lasertherapie ist momentan ein Goldstandard
der Therapie.
▬ 500-3.000 μm von Zentrum der Makula entfernt
▬ Wellenlänge: gelb oder grün
▬ Fleckgröße 50 μm, Dauer 0,05 bis 0,1 s

Modifizierte Grid-Technik nach ETDRS:


▬ nach Fluoreszeinangiographie soll die Koagulation
auf alle Bereiche einer diffusen Leckage oder nicht-
Perfusion sowie auf alle Bereiche einer retinalen
Verdickung appliziert werden. Falls keine Fluoresz-
einangiographie durchgeführt wird, auf alle Berei-
che einer Netzhautverdickung a
▬ Abstand der Herde: 2 gerade sichtbare Herde Ent-
fernung

Fokale Koagulation
▬ auf leckende Mikroaneurysmata ausschließlich in
Bereichen einer retinalen Verdickung

Die Laserbehandlung ist weiterhin ein Standard in der


Therapie des diabetischen Makulaödems. Sie ist allerdings
eine symptomatische Therapie und kann schon entstan-
dene Funktionsverluste nur bedingt rückgängig machen.
Als destruktives Verfahren hat die Lasertherapie auch
Nachteile: zentrale Lasernarben haben die Tendenz sich
zu vergrößern und können bei zu enger Koagulation
insbesondere in hoch myopen Augen fast konfluierende
atrophe Areale hinterlassen (⊡ Abb. 8.43). Neben der
möglichen Entstehung von Neovaskularisationsmembra-
b
nen bei gelaserten Patienten (⊡ Abb. 8.44) gibt es thera-
pierefraktäre Verläufe (⊡ Abb. 8.42) mit persistierendem
⊡ Abb. 8.43 a Fundusbild eines Patienten nach einer aktuellen pa-
Makulaödem trotz Therapie. razentralen Laserkoagulation. b Fundusbild des gleichen Patienten
Eine Behandlung ist mit dem Auftreten eines »kli- mit einer deutlichen Ausdehnung der parazentralen Lasernarben drei
nisch signifikanten« Makulaödems angezeigt, wobei Jahre später
»klinisch signifikant« am ehesten mit »visusbedrohend«
gleichgesetzt werden sollte. Eine prophylaktische Laser-
behandlung eines nicht klinisch signifikanten Ödems
bringt dagegen keine Vorteile. die Freisetzung von Faktoren stimuliert werden, die die
Die fokale Laserkoagulation überführt Mikroaneu- Blut-Retina-Schranke stabilisieren. Die Resorbtion eines
rysmen und hypoxisches Gewebe in chorioretinale Nar- Makulaödems nach Laserkoagulation kann bis zu 4 bis
ben. Die Grid-Laserkoagulation soll die Proliferation von 6 Monate in Anspruch nehmen.
Pigmentepithelzellen und Endothelzellen steigern und Beim fokalen Makulaödem hat die ETDRS-Studie
dadurch schadhafte Zellen ersetzen, was die Integrität nachgewiesen, dass bei Patienten mit klinisch signifikan-
der Blut-Retina-Schranke verbessert. Eine andere Theo- tem Makulaödem drei Jahre nach Behandlung nur 12%
rie hebt die Senkung des Sauerstoffbedarfs der Netzhaut einen signifikanten Visusverlust aufwiesen im Vergleich
durch die Zerstörung der Photorezeptoren hervor, dies zu einer unbehandelten Kontrollgruppe mit 24%. Aller-
gilt allerdings eher für die disseminierte Koagulation der dings sprachen 50% der Patienten weder funktionell noch
Peripherie. Zudem soll durch die laserinduzierte Nekrose anatomisch auf eine Behandlung an.
144 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Makulaödem nach der Definition von Olk mit Grid-La-


ser. Im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgruppe
fand sich zwar nach zwei Jahren noch ein Unterschied,
der jedoch nach drei Jahren nicht mehr statistisch signifi-
kant war. McNaught et al. untersuchten 29 Patienten mit
diffusem Makulaödem zwei Jahre nach einer Grid-Laser-
behandlung. Während sich keine statistisch signifikante
Verbesserung des Fernvisus zeigte, profitierten die Pati-
enten beim Nahvisus bis ein Jahr Nachbeobachtungszeit.
Dieser Effekt war nach zwei Jahren nicht mehr erkennbar.
Ebenfalls konnte Blankenship in einer prospektiven ran-
domisierten Studie bei 23 Patienten und 20 Kontrollen
nach zwei Jahren keinen statistisch signifikanten Unter-
schied zwischen den beiden Gruppen feststellen.
In einer prospektiven Studie mit 28 Patienten von
Whitelocke et al. profitierten nach einer durchschnittli-
⊡ Abb. 8.44 Fluoreszenzangiographie eines Patienten mit einer sub-
chen Nachbeobachtung von zwei Jahren 25% von einer
retinalen Neovaskularisation nach einer parazentralen Laserkoagula- Grid-Behandlung. Bei 71% zeigte sich keine Veränderung
8 tion. Temporal der Fovea eine Leckage mit einer diffusen Ausbreitung und bei 4% verschlechterte sich der Visus. Insgesamt
des Farbstoffes als Zeichen der Neovaskularisation. Füllung des arte- berichten immer mehr Studien, dass die Grid-Laserbe-
riellen und venösen Systems mit Farbstoff als Zeichen der Spätphase handlung die makuläre Funktion auch beeinträchtigen
der Angiographie
kann. So wurde z.B. in 11 von 203 Augen eine progressive
Vergrößerung von Grid-Lasernarben berichtet. Diese di-
rekten negativen Folgen sollten zusammen mit den nicht
Beim diffusen diabetischen Makulaödem gibt es keine eindeutigen Studienergebnissen vor einer Therapieent-
eindeutigen Studienergebnisse zum Wirkungsnachweis scheidung bei Patienten mit diffusem Makulaödem in
einer Laserbehandlung. Die ETDRS-Studie behandelte Erwägung gezogen werden.
zwar Patienten bei diffusem Makulaödem mit Grid-Laser, Ein direkter Vergleich der Studien gestaltet sich
doch lag der Schwerpunkt auf der fokalen Laserbehand- schwierig aufgrund der vielen unterschiedlich definierten
lung und es wurde in der Auswertung nicht zwischen Pa- Parameter für Ein- und Ausschlusskriterien, Behandlung
tienten mit fokalem und diffusem Ödem unterschieden. und Auswertung (⊡ Tab. 8.1). Im Gegensatz zum funktio-
Lediglich die schlechtere Prognose im Vergleich zum nellen Verlauf (Visus) lässt sich das anatomische Makula-
fokalen Ödem wurde festgestellt. ödem – jedenfalls kurzfristig – erfolgreich mit Grid-Laser
Bei der ischämischen Makulopathie ist eine Laserbe- behandeln. Je nach Studie zeigte sich hier eine Besserung
handlung prinzipiell nicht angezeigt. in 88-100% der Fälle.
Olk konnte in einer prospektiven randomisierten Studie Eine Studie des DRCR.net untersuchte die Faktoren,
bei 92 Patienten mit diffusem diabetischen Makulaödem die zu einer Verbesserung oder Verschlechterung des
mit einem modifizierten Grid nach 12 und 24 Monaten Visus 2 Jahre nach einer fokalen oder Grid-Laserkoagu-
einen signifikant geringeren Visusverlust im Vergleich zu lation geführt haben. Ein schlechter Ausgangsvisus war
einer unbehandelten Kontrollgruppe zeigen. Ein diffuses der einzige Faktor, der mit einer häufigeren Verbesserung
Makulaödem wurde definiert als eine Zone retinaler Verdi- der Sehschärfe assoziiert war. Eine größere zentrale Netz-
ckung, die eine Fläche von mindestens zwei Sehnervenköp- hautdicke und eine bessere Ausgangssehschärfe waren
fen umfasst und die avaskuläre Zone der Fovea einschließt. häufiger mit einer Verschlechterung der Sehschärfe as-
In einer späteren Nachuntersuchung von behandelten soziiert. Die initiale Sehschärfe nach 4 Monaten war in
302 Augen (185 Patienten) zeigte sich, dass der Visus nach der Regel nicht ausschlaggebend für den folgenden Ver-
drei Jahren im Vergleich zum Vorbefund bei 14,5% besser, lauf. Viele Augen, die initial eine Verschlechterung von
60,9% jedoch gleich und bei 24,6% schlechter geworden über 10 Buchstaben hatten, verbesserten sich in der Folge
war. Diese Daten wurden nicht mit einer unbehandelten wieder, andere Augen, die zunächst eine Verbesserung
oder alternativ behandelten Kontrollgruppe verglichen. hatten, verschlechterten sich in der Folgezeit.
Problematisch ist der Langzeiteffekt der Laserthe- Nicht eindeutig zu beantworten ist die Frage, wie die
rapie: zeitliche Reihenfolge aussehen soll, wenn ein klinisch
Ladas und Theodossiadis untersuchten in einer pro- signifikantes Makulaödem und eine behandlungsbedürf-
spektiven randomisierten Studie 50 Augen mit diffusem tige periphere Retinopathie vorliegen. Die Auffassung,
⊡ Tab. 8.1 Studien zur Photokoagulation des diabetischen Makulaödems.

Augen Nachbeobach- Visus nach Grid-Laser Unbehandelt Signifikanz- Bemerkungen


tungszeit niveau

Studie Behandelt Kontrollen Besser Gleich Schlechter Besser Gleich Schlechter

ETDRS 1985 Prosp. randomisiert keine Auswertung nach fokalem und diffusem Makulaödem

Olk 1986 Prosp. randomisiert 42 37 24Monate 45,2 45,2 9,5 8,1 48,5 43,2 sign.
8.3 · Diabetisches Makulaödem

Lee 1991 Retrospektiv 302 0 36 Monate 14,5 60,9 24,6

Ladas 1993 Prosp. randomisiert 26 23 24 Monate 15,4 65,4 19,2 0 56,5 43,5 p=0,049

24 22 36 Monate 8,3 54,2 37,5 0 40,9 59,1 ns

McNaught Prosp. randomisiert 37 35 6 Monate 72 14 14 17 66 17 p<0.001 Nahvisus, bei Fernvi-


1988 sus kein Unterschied

18 17 24 Monate 61 11 28 18 47 35 ns Nahvisus

Tachi 1996 Retrospektiv 41 0 12 Monate 12 39 49

McDonald Retrospektiv 89 0 3-33 Monate 17 77 6


1985

Bailey 1999 Prospektiv 33 0 9 Monate 65,7 20 8,6 28,9% nur fokal be-
handelt

Blankenship Prosp. randomisiert 23 20 24 Monate 17 52 30 5 50 45 ns


1979

Aiello Prospektiv 330 330 (Tri- 24 Monate guter Initialvisus, geht oft mit Laser bleibt Stan-
amcinolo- Visusminderung einher. Anfäng- dardtherapie
ne) lich schlechteres Sehen geht
eher mit einer Visusverbesse-
rung einher
8 145
146 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

dass eine panretinale Laserbehandlung ein vorbestehen- Erste Daten aus randomisierten klinischen Multi-
des Makulaödems vorübergehend verstärken kann, ist zenterstudien wurden vom »Diabetic Retinopathy Cli-
allgemein akzeptiert. Dies wird mit einer Entzündungs- nical Research Network« (www.DRCR.net) durch das
reaktion oder einem veränderten Blutfluss aufgrund der NIH gefördert und sind publiziert worden. Darüber
Laserkoagulation erklärt. Interessanterweise konnte die hinaus liegen jetzt Daten der Zulassungsstudien von den
DRCR.net-Analyse aber zeigen, dass die Visusergebnisse Anti-VEGF-Medikamente Ranibizumab und Macugen
2 Jahre nach einer zentralen Koagulation in Augen unab- und erste publizierte Daten von VEGF Trap Eye für die
hängig von einer vorherigen zentralen oder panretinalen Behandlung des diabetischen Makulaödems vor. Auch
Photokoagulation sind. In der ETDRS-Studie wirkte sich für das für okuläre Anwendung nicht zugelassene Avas-
eine panretinale Laserbehandlung in den ersten Wochen tin mehren sich die Untersuchungen mit geringeren
negativ auf die Sehschärfe aus, doch überwog der positive Evidenzleveln über eine erfolgreiche Behandlung. Bei
Effekt der Behandlung mit der Zeit. Außerdem zeigte vergleichenden Messungen der okulären VEGF-Spiegel
sich, dass ein Makulaödem ein entscheidender prognosti- in Patienten mit verschiedenen zu einem Makulaödem
scher Faktor für die Verschlechterung des Sehvermögens führenden Pathologien (Astvenenverschluss, Zent-
ist. Die initiale Visusminderung nach panretinaler Laser- ralvenenverschluss, feuchte AMD, DMÖ), zeigte sich,
behandlung war dabei unabhängig von der Visusminde- dass die VEGF-Werte der DMÖ-Patienten am höchsten
rung durch das Makulaödem. waren.
Aufgrund dieser Beobachtungen wird empfohlen, Ermutigt durch experimentelle Daten wurden ver-
8 wenn möglich, zunächst das Makulaödem zu behandeln schiedene VEGF-Blocker in der Therapie des DMÖ un-
und die panretinale Koagulation mit einem Abstand von tersucht und zeigten Erfolge in der Reduktion des Ödems,
4 bis 6 Wochen anzuschließen. wie in ⊡ Abb. 8.45a vor einer Anti-VEGF Behandlung und
Nur wenn eine panretinale Laserbehandlung nicht in ⊡ Abb. 8.45b 6 Wochen nach Behandlung mittels Opti-
aufgeschoben werden kann, sollte eine Kombinations- scher Kohärenztomographie (OCT) dargestellt.
behandlung durchgeführt werden. In diesem Fall wurde
eine Kombinationsbehandlung aus milder panretinaler Therapie des DMÖ mit Ranibizumab (Lucentis)
(400-650 Herde) und fokaler Laserkoagulation vorge- Inhalte dieses Kapitels der Behandlung DMÖ sind dem
schlagen. Initial werden hierbei die nasalen Quadranten Review von der Autoren (Kakkassery, Winterhalter und
koaguliert. Joussen/Klinischen Monatsblättern der Augenheilkunde
Eine andere Studie verfolgt ebenfalls ein kombiniertes 2010) entnommen worden.
Vorgehen: In einer ersten Sitzung werden eine gitterför-
mige und eine panretinale Laserkoagulation in den un-
teren 180 Grad der Retina durchgeführt, in einer zweiten
Sitzung werden die oberen 180 Grad behandelt.
Die diabetische Retinopathie verschlechtert sich oft
nach einer Kataraktoperation, meist durch das Auftreten
eines Makulaödems. Deswegen ist anzuraten, eine Laser-
behandlung vor der Operation durchzuführen, sofern die
Trübung der Linse dies gestattet. Im Zeitalter der VEGF
Inhibition kann eine perioperative Anti-VEGF-Behand-
lung in Erwägung gezogen werden. a

8.3.5 VEGF-Inhibitoren in der Behandlung


der diabetischen Retinopathie

Vor dem Hintergrund der VEGF basierten Gefäßleckage


entstanden klinisch anwendbare okuläre Anti-VEGF-
Therapien, welche zunächst zur Behandlung der feuchten
altersbedingten Makuladegeneration (AMD) eingesetzt b
wurden. Während für die feuchte AMD mittlerweile meh-
rere Präparate für die Therapie zugelassen sind, besteht ⊡ Abb. 8.45 a OCT eines Patienten mit der Darstellung eines DMÖ.
seit Anfang 2011 auch eine Zulassung für die Therapie b OCT desselben Patienten nach einer Behandlung mit Ranibizumab.
des DMÖ. Es zeigt sich eine Minderung des DMÖ 6 Wochen später.
8.3 · Diabetisches Makulaödem
147 8

⊡ Tab. 8.2 Studien zur Behandlung des DMÖ mit Ranibizumab: ausgiebige Studien mit verschiedenen Behandlungsarmen und mehrmali-
gen Injektionen

Studie Follow up Studien- Ein- Behandlungs- Wiederbehand- Schlussfolgerung Zielgrößen-


design schluss- gruppen lung messung
kriterien

Nguyen et al. 3 Monate Prospektive, Chro- IVR 0,5 mg Erneute Injek- Signifikante Visus- ETDRS Let-
2006 READ I nicht nicht nische tion nach 1,2, 4 minderung um ters, OCT
vergleichen- DMÖ und 6 Monaten 12,3 Buchstaben
de Phase-I- und RSD-Redukti-
Studie on im Vergleich zu
Ausgangswert

Nguyen et al. 6 Monate prospektive Diffuses a) IVR 0,5 mg Erneute gleiche Signifikante Ver- BCVA, OCT
2009 READ II randomisier- DMÖ b) LK Therapie nach besserung des
te Phase-II- c) IVR 0,5 mg 1,3,5 Monaten Visus in a) um 7,24
Studie +LK im Vergleich zu b),
sonst keine Signi-
fikanzen, jedoch a)
um 3,44 Buchsta-
ben besser als c)

Elmann et al. 1 Jahr prospektive DMÖ a) SI + soforti- Keine Signifikante Ver- BCVA, OCT
2010 DRCR.net randomisier- ge LK besserung des Vi-
te Studie b) IVR 0,5 mg sus in b) und c) im
+ sofortige LK Vergleich zu a) um
c) IVR 0,5 mg 5 Buchstaben und
+ LK nach 24 in RSD-Reduktion
Wochen im Vergleich zu a)
d) IVt 0,5 mg +
sofortige LK

RESOLVE Cli- 1 Jahr Prospektive, DMÖ a) SI Monatliche In- Signifikante Ver- BCVA, OCT
nicalTrials.gov randomisier- b) IVR 0,3 mg jektionen nach besserung des Vi-
NCT00284050 te Phase-II- c) IVR 0,5 mg Maßgabe des sus um ca.10 Buch-
Studie Studienarztes, staben und RSD-
Verdopplung Reduktion in b)
der Dosis nach und c) im Vergleich
erstem Monat zu a), kein signifi-
mgl., LK nach kanter Unterschied
3 Monaten zwischen b) und c)
möglich im Vergleich zu a)

RESTORE Cli- 1 Jahr Prospektive, DMÖ a) LK + SI Monatliche In- Signifikante Ver- BCVA, OCT
nicalTrials.gov randomisier- b) LK + IVR jektionen nach besserung des Vi-
NCT00687804 te Phase-III- 0,5mg Maßgabe des sus in b) und c) im
Studie c) IVR 0,5mg Studienarztes Vergleich zu a) um
5 Buchstaben, kein
signifikanter Unter-
schied zwischen b)
und c)

RISE Clini- 3 Jahre Prospektive, DMÖ a) SI Monatliche In- Noch keine Ergeb- BVCA, OCT
calTrials.gov, randomizier- b) IVR 0,3 mg jektionen nach nisse
NCT00473330 te Studie c) IVR 0,5 mg Maßgabe des
Studienarztes

RIDE 3 Jahre Prospektive DMÖ IVB 1,25 mg Monatliche In- Noch keine Ergeb- BVCA, OCT
ClinicalT- nicht ver- jektionen nach nisse
rials.gov, gleichende Maßgabe des
NCT00473382 Fallserie Studienarztes

DMÖ diabetische Makulaödem; LK zentrale Laserkoagulation; SI Scheininjektion; RSD Retinale Schichtdicke; IVR Intravitreale Injektionen von
Ranibizumab
148 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Ranibizumab ist derzeit das einzige Präparat mit einer allen Behandlungsarmen möglich. Als primäres Studi-
Zulassung für das diabetische Makulaödem. Für Ranibi- enziel wurde in einer Gruppe die Überlegenheit von
zumab stehen bereits große Mengen an Sicherheitsdaten Ranibizumab gegenüber der Kontrollgruppe (Scheinbe-
aus den Zulassungs- und anderen Studien für die feuchte handlung) im Hinblick auf die Reduktion der retina-
AMD und der Erfassung von Sicherheitsdaten in den len Schichtdicke nach 6 Monaten und in einer zweiten
letzten Jahren zur Verfügung (in ⊡ Tab. 8.2 zusammen- Gruppe die Wirksamkeit von Ranibizumab bezüglich
gefasst). Initial wurden erste vergleichende Falluntersu- Sehschärfe nach 12 Monaten festgelegt.
chungen zur Wirkung von Ranibizumab beim DMÖ mit Behandlungen mit Ranibizumab erfolgten monatlich,
geringen Fallzahlen zum Teil durchgeführt, Die Phase-I- bis ein Visus von ≥79 Buchstaben (≥20/25) und eine reti-
Studie »READ« (Ranibizumab for edema of the macula nalen Schichtdicke von ≤225 m erreicht waren. Innerhalb
in diabetes) untersuchte den Effekt einer intravitrealen der Resolve-Studie bestand die Möglichkeit der Dosis-
Ranibizumab-Injektion von 0.5 mg zu Studienbeginn, verdopplung von Ranibizumab bei fehlender Minderung
sowie weiteren nach 1, 2, 4 und 6 Monaten im Beobach- der Netzhautschichtdicke. Ein Therapieabbruch konnte
tungszeitraum von 7 Monaten. Die Untersuchung konnte erfolgten, wenn keine Verbesserung nach 3 aufeinan-
eine Reduktion der retinalen Schichtdicke im Mittel um derfolgenden Injektionen hinsichtlich der Visusentwick-
150 bis 200 Mikrometer und eine Sehverbesserung um lung oder der retinalen Schichtdicke registriert werden
7-8 Buchstaben nach 7 Monaten belegen. konnte.
Aufbauend auf die positiven Ergebnisse der Phase- Ein Behandlungserfolg mit Ranibizumab konnte nach
8 I-Studie erfolgte die Phase-II-Studie durch die gleiche 6 und nach 12 Monaten gezeigt werden. Nach 6 Mona-
Studiengruppe (READ-II-Studie). In dieser Studie, ange- ten zeigte sich eine Abnahme der retinalen Schichtdicke
legt als multizentrische, open-label randomisierte Studie von mehr als 100 μm, nach 12 Monaten um fast 150 μm
wurde die Gabe von 0,5 mg Ranibizumab alleine, oder in in der Behandlungsgruppe im Gegensatz zur Placebo-
Kombination mit Lasertherapie im Vergleich zur Laser- gruppe. Entsprechend zeigte sich nach 12 Monaten Un-
monotherapie alleine an 126 Patienten mit einem DMÖ tersuchungszeit in der behandelten Gruppe eine Visus-
analysiert. Das primäre Ergebnis nach 6 Monaten war besserung von mehr als 10 Buchstaben (entsprechend
eine Visusverbesserung von 7,2 Buchstaben mit der Rani- 2 Zeilen) im Vergleich zur nicht behandelten Gruppe.
bizumab als Monotherapie, 3,8 Buchstaben mit der Kom- Die RESTORE-Studie (Efficacy and Safety of Ranibi-
binationstherapie und 0,4 Buchstaben Verlust mit der zumab in Patients With Visual Impairment Due to Dia-
Lasermonotherapie. In der Folge wurden alle Patienten betic Macular Edema ClinicalTrials.gov NCT00687804)
mit Ranibizumab weiter behandelbar. Injektionen konn- diente als Phase-III-Studie zur weiteren Untersuchung
ten alle 2 Monate gegeben werden, soweit die retinale der Wirksamkeit und Sicherheit von Ranibizumab bei
Schichtdicke größer als 250 μm war. Nach 24 Monaten der Behandlung eines Visusverlust aufgrund eines DMÖ.
zeigten die Ranibizumabgruppe einen mittleren Visusge- Bei dieser Zulassungsstudie handelt es sich um eine ran-
winn von 7,7 Buchstaben, die Kombinationsgruppe einen domisierte, doppelblinde, multizentrische Studie, die
von 6,8 Buchstaben, Lasergruppe einen von 5,1 Buchsta- die intravitreale Ranibizumab-Therapie alleine oder in
ben. Die initialen Gewinne in der Ranibizumab-Mono- Kombination mit einer Laserbehandlung mit der La-
therapie-Gruppe konnten erhalten werden, die ehemalige sertherapie verglich. Im Gegensatz zur Resolve-Studie
Kombinationsgruppe zeigte einen Zugewinn von 3 Buch- (Phase II) wurde hier ein »Stabilitätskriterium« zur Wie-
staben nach der Umstellung auf Monotherapie und auch derbehandlung herangezogen, d.h. zeigte der Visus eines
die ehemalige Lasermonotherapiegruppe gewinnt durch Patienten bei 3 aufeinanderfolgenden Visiten unter Rani-
die Umstellung auf Ranibizumab mehr als eine Zeile. bizumabtherapie keinen Zugewinn oder war er bei den
Diese Studien legten die Basis für weitere Zulassungsstu- letzten beiden Visiten ≥84 Buchstaben (20/20), wurde er
dien zur Behandlung des diabetischen Makulaödems mit als stabil eingestuft und es erfolgten keine weiteren Be-
dem VEGF-Antagonisten Ranibizumab (⊡ Abb. 8.45). handlungen. Eine Wiederbehandlung erfolgte bei erneu-
Die RESOLVE-Studie (Safety and Efficacy of Ranibi- tem Visusverlust infolge eines DMÖ nach Entscheidung
zumab in Diabetic Macular Edema With Center Invol- des Untersuchers bei einem Visusverlust an 3 aufeinan-
vement, ClinicalTrials.gov NCT00284050) ist als Phase- derfolgenden Visiten. Auch die RESTORE-Studie zeigte
II-Studie zum Nachweis der Wirksamkeit und zur Unter- über einen Zeitraum von 12 Monaten einen signifikanten
suchung der Sicherheit konzipiert worden. Ranibizumab Visusgewinn von 6,1 Buchstaben für Ranibizumab-Mo-
wurde dem zufolge in Dosierungen von 0,3 mg oder notherapie und von 5,9 Buchstaben für die Kombination
0,5 mg intravitreal verabreicht und mit einer Scheinin- von Ranibizumab und Laser im Vergleich zu 0,8 Buch-
jektion bei 151 Patienten verglichen. Eine Rescue-La- staben für alleinige Laserung. Interessanterweise brachte
serkoagulation war drei Monate nach Studienbeginn in die Kombination von Ranibizumab mit der Lasertherapie
8.3 · Diabetisches Makulaödem
149 8

⊡ Tab. 8.3 Vergleich der Studienmerkmale von RESOLVE und RESTORE

Studienmerkmale RESOLVE RESTORE

Einschlusskriterien Alter ≥18 Jahre Alter ≥18 Jahre


Typ I / II Diabetes mit HbA1c ≤12% Typ I / II Diabetes mit HbA1c ≤10%
DMÖ an einem Auge Visusminderung durch DMÖ, das mit Laser
RSD über 300 μm behandelt werden kann,
BCVA zwischen 73 und 39 ETDRS Buchstaben BCVA 20/32 – 20/160 (39-78)

Vergleichsgruppen a) SI a) LK
b) IVR 0,3 mg b) LK+IVR 0,5 mg
c) IVR 0,6 mg c) IVR 0,5 mg

Dauer 12 Monate 12 Monate (2 Jahre Verlängerung)

Injektionsschema Monatliche Injektionen PRN gleiche Behandlung bei monatlicher


Verdoppelung der Dosis in jeder Gruppe nach Kontrolle
1 Monat, soweit a) RSD über 300 μm oder b)
RSD>225μm und Ödemreduktion weniger
als <50μm

Primäre Ziele Reduktion des RSD nach 6 Monaten Visusbesserung nach 12 Monaten
Visusbesserung nach 12 Monaten

Visusgewinn zur Vergleichsgruppe b) und c) signifikante Visusverbesserung um b) und c) signifikante Visusverbesserung um


bis zu 10 Buchstaben im Vergleich zu a) bis zu ca. 6 Buchstaben im Vergleich zu a)

Abnahme der RSD b) und c) signifikante RSD im Vergleich zu a) b) und c) signifikante RSD im Vergleich zu a)

keine weitere Besserung im Vergleich zur ausschließ- Durch die Ranibizumabtherapie konnte ein anhaltender
lichen Ranibizumab-Injektion und hatte auch keinen Visusgewinn über 2 Jahre erreicht waren.
Einfluss auf die Injektionsfrequenz. Im Vergleich zur Ungefähr 50% der Augen hatten eine substantielle
RESOLVE-Studie mit einem Visusgewinn von 10,3 Buch- Verbesserung (≥10 Buchstaben), verglichen mit 28% der
staben nach 12 Monaten (Baseline-Endpunkt-Differenz) Augen bei der Lasermonotherapie. Interessanterweise er-
war der Buchstabengewinn der mit Ranibizumab be- hielten nur 28% der Patienten des späteren Laser-Arms
handelten Patienten nach 12 Monaten in der RESTORE- überhaupt einen Laserbehandlung, entsprechend den
Studie mit 6,8 Buchstaben (Integral aus den monatli- Studienkriterien. Hinsichtlich Visusgewinn und Anzahl
chen Veränderungen) niedriger. Dieses hängt mit dem benötigter Ranibizumab-Injektionen zeigten sich nach
höheren Eingangsvisus in der RESTORE-Studie (max. 12 Monaten keine Unterschiede in beiden Ranibizumab-
78 Buchstaben in RESTORE vs. max. 73 Buchstaben in Gruppen. Im Median wurden 8 bis 9 Injektionen im ers-
RESOLVE) zusammen, der zu entsprechend geringeren ten Jahr benötigt und nur noch 2 bis 3 im 2. Jahr entspre-
Besserungspotential geführt haben könnte (⊡ Abb. 8.46, chend der abnehmenden Injektionshäufigkeit, die auch
⊡ Tab. 8.2, ⊡ Tab. 8.3). in der RESTORE beobachtet wurde. Die Triamcinolon-
Weitere wichtige Ergebnisse wurden durch eine Stu- Laser-Kombination zeigte nach 12 Monaten im Gegen-
die des Diabetic Retinopathy Clinical Research Network« satz zur Ranibizumab-Laser-Kombination verminderte
(www.DRCR.net), die nach einer Ranibizumab-Behand- Visuswerte, was im Wesentlichen durch die hohe Katarkt-
lung eine Laserung entweder eine Woche nach der Injek- rate zu erklären ist. Allerdings folgerichtig konnte in der
tion (n=187) oder frühesten 24 Wochen nach der Injek- Subgruppe der pseudophaken Patienten eine Gleichwer-
tion (n=188) durchführte, geliefert. Verglichen wurden tigkeit der Triamcinolon-Therapie und der Ranibizumab-
diese Studienpatienten mit einer Triamcinolon-Laser- Therapie gezeigt werden.
Kombinationsbehandlunggruppe (n=186) und einer La- Zurzeit werden die RISE-Studie (Study of Ranibizumab
ser-Monotherapie-Gruppe (n= 293). Nach 12 Monaten Injection in Subjects With Clinically Significant Macular
zeigte Ranibizumab in Kombination mit einer Laserthe- Edema With Center Involvement Secondary to Diabetes
rapie ein besseres Ergebnis bei der durchschnittlichen Mellitus, ClinicalTrials.gov, NCT00473330) und die RIDE-
Zunahme der Sehschärfe als die Laser-Monotherapie mit Studie (Study of Ranibizumab Injection in Subjects With
9 Buchstaben Visugewinn nach 1 Jahr versus Baseline. Clinically Significant Macular Edema With Center Invol-
150 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 8.46 Ergebnisse der Resolve-Studie: die


best-korrigierte Sehschärfe nimmt unter der Injek-
tionstherapie im Vergleich zur Kontrollgruppe zu,
was mit einer Reduktion der zentralen Netzhautdi-
cke einhergeht. Ausgewertet wurde ein »full ana-
lysis set« unter »last observation carried foreward«.

vement Secondary to Diabetes Mellitus, ClinicalTrials. geführt (ClinicalTrials.gov, NCT00789477). Bei fünf Pa-
gov, NCT00473382) in den USA durchgeführt. tienten mit einem DMÖ wurden bei einer intravitrealen
Beide Studien laufen 3 Jahre und untersuchen erst- Gabe von 4 mg keine okulären oder systemischen un-
mals den Effekt auf Progredienz. Mit Ergebnissen ist erwarteten Ereignisse oder Nebenwirkungen festgestellt.
jedoch nicht vor Ende 2012 zu rechnen. Die durchschnittliche retinale Schichtdickenverminde-
rung 6 Wochen nach der Injektion betrug 74 μm mit
Therapie des diabetischen Makulaödems mit einer Visusbesserung bei vier von fünf Patienten.
VEGF Trap Eye Die größte publizierte Untersuchung umfasste 200 Pa-
Als weiterer Ansatz VEGF-basierten Therapie am Auge tienten und konnte nach 24 Wochen in vier verschiedenen
wurde das Medikament VEGF Trap Eye entwickelt. Dosisgruppen eine signifikante Visusverbesserung zwi-
VEGF Trap Eye stellt im Gegensatz zu allen anderen An- schen 8,5 und 11,4 Buchstaben nach VEGF Trap Eye im
ti-VEGF-basierenden Therapien keinen Antikörper oder Vergleich zu 2,5 Buchstaben nach Laserbehandlung zeigen.
Antikörperfragment dar, sondern ist ein humanisiertes,
lösliches Rezeptor-Fusions-Protein, welches ebenfalls Therapie des diabetischen Makulaödems mit
freies VEGF bindet. Neben seinen primären Bemühun- Pegaptanib (Macugen)
gen der Zulassung zur Behandlung der AMD wurden Pegaptanib-Natrium (Macugen) ist ein VEGF-Aptamer,
erste Untersuchungen hinsichtlich der Sicherheit und der das bioaktives VEGF vor seiner Wirksamkeit an der Zelle
Bioverfügbarkeit bei Patienten mit einem DMÖ durch- abfängt und zur Behandlung der feuchten AMD zugelas-
8.3 · Diabetisches Makulaödem
151 8
sen ist. Hinsichtlich der Behandlung des DMÖ wurde bis- Primärdaten dar. Dennoch waren weitere vergleichende
her eine Phase-II-Studie durchgeführt. Diese Studie der Untersuchungen notwendig, um eine neue Therapiever-
Macugen Diabetic Retinopathy Study Group, multizen- besserung durch die Anti-VEGF-Therapie überzeugend
trisch, explorativ, prospektiv, randomisiert, kontrolliert, darstellen zu können (⊡ Tab. 8.4).
und doppelblind, untersucht an 172 Patienten die intra- Zeitgleich zu den ersten Untersuchungen wurden
vitreale DMÖ-Behandlung mit einer Dosis von 0,3 mg, verschiedene retrospektive Auswertungen von Bevaci-
1,0 mg oder 3,0 mg Pegaptanib-Natrium im Vergleich zumab-Behandlungen des DMÖ durchgeführt. Als eine
zu einer Placebogruppe. Vorgeschriebene Injektionen der wichtigsten ist hierbei die Auswertung der Pan-Ame-
erfolgten bei Studienbeginn, nach 6 Wochen und nach rican Collaborative Retina Study Group zu nennen. In
12 Wochen. Nach der 3. Injektion konnte entsprechend 101 Augen wurden durchschnittlich 5,8 Injektionen pro
dem Studienprotokoll adjuvant eine zentrale Laserko- Auge zur Behandlung des DMÖ appliziert. Nach einem
agulation durchgeführt werden. Im Anschluss folgten in Jahr zeigte sich eine signifikante Visusbesserung ver-
den nächsten 18-30 Wochen weitere Injektionen nach bunden mit einer Minderung der retinalen Schichtdicke
Maßgabe des behandelnden Augenarztes. im Vergleich zum Ausgangsbefund. Der retrospektive
Interessanterweise zeigte die Gruppe mit der niedrigs- Vergleich der Dosen 1,25 mg und 2,5 mg Bevacizumab
ten Dosis Pegaptanib die besten Ergebnisse nach 36 Wo- konnte keinen signifikanten Unterschied zwischen den
chen. Hierbei wurde eine signifikante Visusverbesserung Dosierungen zeigen. Diese Daten wurden in der retros-
von 5,1 Buchstaben ETDRS-Tafel (entsprechend einer pektiven 24-Monaten-Auswertung der gleichen Gruppe
Zeile) und eine Reduktion der retinalen Schichtdicke um bestätigt. Weitere retrospektive Untersuchungen konn-
71,7 μm im Vergleich zur Placebogruppe nachgewiesen. ten ebenfalls signifikante Visusbesserungen nach der
Insbesondere war dieses Ergebnis beeindruckend, da im Bevacizumab-Behandlung belegen. Jedoch ließen sich im
Design dieser Dosisfindungsstudie keine Power hinsicht- Vergleich zu einer Triamcinolonbehandlung, mit oder
lich des Nachweises der Visusbesserung, unter anderem ohne Laserkoagulation, keine Unterschiede herausarbei-
aufgrund der verschiedenen gemessenen Parameter, an- ten. Aufbauend auf diese retrospektiven Auswertungen
gestrebt wurde. wurde die Planung weiterer, prospektiver, vergleichender
In den gleichen Studien konnte in einer gesonderten Untersuchungen vorangetrieben.
Auswertung gezeigt werden, dass eine Behandlung mit In einer der ersten vergleichenden, prospektiven Stu-
Pegaptanib zu einer signifikanten Minderung der diabe- dien wurde die einmalige intravitreale Bevacizumab-Gabe
tischen bedingten Neovaskularisation führte. Eine ret- mit der von Triamcinolon bei DMÖ durch die Arbeits-
rospektive Auswertung von 48 Patienten zeigte ebenfalls gruppe von Shimura et al. und Paccola et al. untersucht.
eine signifikante Visusverbesserung und eine signifikante Es zeigten sich bei beiden Untersuchungen jedoch keine
Verringerung der retinalen Schichtdicke nach Pegapta- signifikanten Unterschiede in der Visuszunahme nach
nib-Injektionen. Insgesamt konnte ein positiver Effekt 24 Wochen zwischen beiden Behandlungsgruppen. Eine
von Pegaptanib in der Behandlung des diabetischen Ma- Schlussfolgerung aus diesen Ergebnissen war, dass, im
kulaödems gezeigt wurden. Vergleich zur signifikanten Visusbesserung in der retro-
spektiven Untersuchung der Pan-American Collaborative
Therapie des diabetischen Makulaödems mit Retina Study Group nach einer durchschnittlichen In-
Bevacicumab (Avastin) jektionsrate von 5,8 pro Patient, eine einmalige Injektion
Bevacizumab (Avastin) ist für die intraokulare Therapie eines VEGF-Inhibitors als Therapie für das DMÖ nicht
nicht zugelassen und muss als Off-label-use betrach- alleine ausreichend sein kann.
tet werden. Vergleicht man die publizierten Daten mit Infolgedessen untersuchten 2 Studien daraufhin pros-
den verschiedenen anti-VEGF Therapeutika zur Behand- pektiv die mehrfache Bevacizumab-Injektion zur Behand-
lung des diabetischen Makulaödems, so sind weltweit die lung des DMÖ. Eine prospektive, randomisierte Phase-
meisten Untersuchungen, wenn auch mit niedrigem Evi- II-Studie mit einem fünfarmigen Versuchsansatz wurde
denzlevel, zu Bevacizumab (Avastin) durchgeführt wor- durch das »Diabetic Retinopathy Clinical Research Net-
den. Viele kleine Studien wurden in den letzten Jahren work« (www.DRCR.net) durchgeführt, die unterschiedli-
mit unterschiedlichem Aufbau, zum Teil als Fallserien, che Dosen Bevacizumab gegen eine Laserbehandlung in
vergleichend oder mit verschieden Behandlungsschemata einem Cross-over-Ansatz, also einem Wechsel der The-
publiziert, und sind in ⊡ Tab. 8.4 zusammengefasst. rapie nach 6 Wochen, untersucht hat. Endpunkte waren
Diese ersten nicht vergleichenden Versuche mit zum der Visus und die retinale Schichtdicke nach 12 Wochen.
Teil deutlicher anatomischer Besserung waren sicher weg- Hierbei ließ sich weder im Hinblick auf den Visus noch
weisend für die weitere Untersuchung der Bevacizumab- die retinale Schichtdicke ein signifikanter Unterschied
Therapie bei DMÖ und stellten mit weiteren Studien erste zwischen den Gruppen nachweisen. Die »Bevacizumab
8
152

⊡ Tab. 8.4 Tabelle 5: Studien zur Behandlung des DMÖ mit Bevacizumab: X frühe vergleichende Serien mit einzelner Injektion X retrospektive Studien X ausgiebige Studien mit verschiedenen
Behandlungsarmen und mehrmaligen Injektionen

Studie Follow up Studiendesign Einschluss- Behandlungs- Wiederbehandlungskriterum Schlussfolgerung Zielgrößen-


kriterien gruppen messung
Shimura et al. 2008 24 Wochen Prospektive, ver- DMÖ a) IVB 1,25 mg Keine Keine signifikanten Veränderungen BCVA, OCT
gleichende Studie b) IVT 4 mg nach 24 Monaten

Paccola et al. 2008 24 Wochen Prospektive, ran- Diffuse DMÖ a) IVB 1,5 mg Keine Keine signifikanten Unterschiede BVCA, OCT
domizierte Studie b) IVT 4 mg
Arevalo JF et al. 2009 24 Monate Retrospektive, Diffuses a) IVB 1,25 mg Im Mittel 5,8 Injektionen Signifikanter Unterschied zum Aus- BCVA, OCT
Pan-American Collabora- vergleichende DMÖ b) IVB 2,5 mg gangswert. Keine signifikanten Unter-
tive Retina Study Group Fallserie schiede bgzl der beiden Dosisgruppen
Forte et al. 2010 unter- Retrospektive ver- DMÖ a) IVB Unterschiedlich signifikante Unterschiede in Visus und BCVA, OCT
schiedlich gleichende Studie b) LK + IVT RSD nur in der IVB Grupppe
Kreutzner et al. 2010 unter- Retrospektive ver- DMÖ a) IVB 1,25 mg a) 2 weitere Injektionen alle a) signifikante Unterschiede in Visus BCVA, OCT
schiedlich gleichende Studie b) IVT 4 mg 4 Wochen und RSD nach 3 Monaten im Vergleich
»matched pairs« b) keine zum Ausgangswert
b) keine signifikante Unterschiede in-
nerhalb der Gruppen
Scott et al. 2007 DRCR. 24 Wochen prospektive ran- Diffuses a) LK a) IVB 1,25mg Teilweise Verbesserung des Visus um ETDRS Let-
net domisierte, zu DMÖ, Visus b) IVB 1,25 mg b) IVB 1,25mg eine Linie und einer Reduktion der RSD ters, OCT
Teil maskiert, fünf 20/32 bis c) IVB 2,5 mg c) IVB 2,5mg nach zweifacher Injektion, jedoch nicht
Behandlungsarme, 20/320 d) IVB 1,25 mg d) SI signifikant
Phase II e) IVB 1,25 mg e) LK
nach 6 Wochen
Lam et al. 2009 6 Monate Prospektiv, rando- Diffuse DMÖ a) IVB 1,25 mg Alle drei Monate a) signifikante Unterschiede in Visus BCVA, OCT
misiert, verglei- b) IVB 2,5 mg und RSD nach 6 Monaten im Vergleich
chende Studie zum Ausgangswert
b) keine Unterschiede innerhalb der
Gruppe
Soheilian et al. 2009 36 Wochen Prospektiv, rando- DMÖ, keine a) IVB 1,25 mg Alle 12 Wochen erneute gleiche a) keine signifikante Unterschiede in BCVA, OCT
misiert, verglei- Behandlung b) IVB 1,25 mg Behandlung bei weiterhin be- Visus und RSD nach 36 Wochen im Ver-
Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

chende Studie vorher + IVT 2 mg stehendem DMÖ nach ETDRS gleich zum Ausgangswert
c) LK Kriterien b) keine signifikanten Unterschiede
innerhalb der Gruppen
Michaelides et al. 2010 2 Jahre Prospektiv, rando- DMÖ nach a) IVB 1,25 mg a) 2 weitere Injektion nach alle a) signifikante Unterschiede in Visus BCVA, OCT
BOLT study misiert, maskierte, ETDRS Krite- b) LK 4 Wochen, bei RSD mehr als und RSD nach 12 Monaten im Ver-
vergleichende rien 270 μm, weiterere Injektionen alle gleich zum Ausgangswert
Studie 4 Wochen (maximal 9 Injektionen) b) signifakten besser Visus und RSD in
b) nach 16, 32 und 48 Wochen der IVB Gruppe nach 12 Monaten
weitere LK nach ETDRS Kriterien

DMÖ diabetische Makulaödem, LK zentrale Laserkoagulation, SI Scheininjektion, RSD Retinale Schichtdicke, IVB Intravitreale Injektionen von Bevacizumab
8.3 · Diabetisches Makulaödem
153 8
or laser therapy in the management of diabetic macular schwere nicht-okuläre Nebenwirkungen. Ähnliche Häu-
edema«-Studie (BOLT-Studie) verglich die intravitreale In- figkeiten, jedoch keine neuen Sicherheitsaspekte konnten
jektion mit 1,25 mg Bevacizumab mit einer parazentralen in der RESTORE Studie registriert werden. Diese Daten
Laserbehandlung beim DMÖ. In diesem prospektiven, gleichen dem Sicherheitsprofil von vorherigen für die
randomisierten Ansatz wurden in der Bevacizumabgruppe AMD durchgeführten Studien für Ranibizumab und be-
initial 3 Injektionen und im Verlauf alle 4 Wochen, je nach legen die Sicherheit der Behandlung mit Ranibizumab
Entwicklung der retinalen Schichtdicke, weitere Injektio- beim diabetischen Makulaödem.
nen verabreicht. In der Lasergruppe wurde nach der initi- Die Unterschiede in der Molekülstuktur und der Phar-
alen Laserbehandlung entsprechend der ETDRS-Kriterien makokinetik und -dynamik der Substanzen werden inten-
nach 16, 32 und 48 Wochen über eine Wiederbehandlung siv diskutiert und lassen durchaus Unterschiede vermuten,
entschieden. Nach 12 Monaten konnten eine signifikante die sich im Sicherheitsprofil niederschlagen könnten. Eine
Verbesserung des Visus von 8 Buchstaben und eine Ab- retrospektive Kohortenstudie von 147.000 Patienten mit
nahme der retinalen Schichtdicke um 50 μm im Vergleich altersbedingter Makuladegeneration wurden nach einer
zum Lasern gezeigt werden. In der BOLT-Studie wird anti-VEGF-Therapie im Hinblick auf Mortalitätsrisiken,
eine Anzahl von 9 Injektionen im Median angegeben, im Myokardinfarkte, Blutungen und Schlaganfälle unter-
Vergleich dazu wurden in der RESTORE-Studie mit Rani- sucht. Hierbei war die Mortalität unter Verwendung von
bizumab im Mittel 7 Injektionen appliziert. Ranibizumab kleiner als diejenige nach Verwendung von
Weitere Untersuchungen und eine Metaanalyse konn- Bevacizumab. Eine signifikante Korrelation zwischen den
ten diese Ergebnisse, abhängig von den Injektionsinter- anti-VEGF-Behandlungsgruppen und Blutungen oder
vallen in kleineren Fallzahlen teilweise bestätigen. Schlaganfällen bestand insgesamt nicht.

Praxistipp I I Diskussion
Anti-VEGF-Injektionen sind eine wirksame Therapie bei Die Anti-VEGF-Therapie führt beim DMÖ zu einem
diabetischem Makulaödem. Während Ranibizumab signifikanten und anhaltenden Visusgewinn im Vergleich
seit Anfang 2011 für die Therapie des diabetischen Ma- zu alternativen Methoden wie der Laserkoagulation oder
kulaöems zugelassen ist, ist die Behandlung mit Beva- der Triamcinolon-Injektion. Wie bei den Studien zur
cicumab weiterhin Off-label-use. Wie für die AMD sind AMD zeigt sich, dass eine Wiederbehandlung erforder-
hier »Head-to-head-Studien« zu fordern. Nach derzei- lich ist und die einmalige Injektion nicht ausreicht. Of-
tiger Studienlage verbessert eine zusätzliche Laserthe- fenbar hängt zumindest im ersten Jahr der Behandlungs-
rapie das Visusergebnis nicht. Weitere Studien werden erfolg von der Anzahl Injektionen ab. Die RESTORE
hinsichtlich eines sequentiellen Vorgehens bzw. einer und DRCR.net-Studie haben gezeigt, dass die Therapie
Verkürzung der Therapiedauer durch Optimierung der mit einem individuellen z.B. auf Stabilitätskriterien aus-
Stoffwechselsituation benötigt. gelegten Behandlungsplan den Visus auch mit einem
Während Pegaptanib keine weitere Verbreitung nicht-festen Injektionsschema schnell und signifikant
gefunden hat, ist die Wirkdauer von VEGF-Trap abzu- verbessern und langfristig mit abnehmender Injektions-
warten und muss mit der Wirkung von Ranibizumab zahl sichern kann.
verglichen werden. Interessanterweise kann die Kombination der Laser-
koagulation mit der Injektion den Visusgewinn im ers-
ten Behandlungsjahr nicht weiter verbessern und auch
Sicherheit der Anti-VEGF-Therapie beim DMÖ keine Einsparungen bei Injektionen oder notwendigen
Langzeitdaten hinsichtlich der Sicherheit von Bevaci- Visiten erreichen. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese
zumab bei der Behandlung des diabetischen Makulaö- Effekte der Kombinationstherapie innerhalb der zweiten
dems wurden bislang nicht veröffentlicht, zumal Pharma- und dritten Studienjahre (RESTORE) auftreten, da die
kovigilanzdaten bei der fehlenden Zulassung nicht erho- Wirkung des Lasers eher langfristig zu sehen ist.
ben werden. Für VEGF Trap-Eye sind bislang ebenfalls Die BOLT-Studie untersuchte neben dem Effekt der
noch keine Sicherheitsdaten publiziert. Anti-VEGF-Therapie einen möglichen negativen Einfluss
Validierte Daten hinsichtlich der Sicherheit der Anti- auf die ischämischen Makulopathie bei der diabetischen
VEGF-Therapie zur Behandlung des diabetischen Ma- Retinopathie. Mittels einer Fluoreszenzangiographie
kulaödems wurden bisher aus Studien mit Ranibizumab wurde die avaskulären Zonen vor und nach Therapie
gewonnen. In der RESOLVE-Studie zeigten insgesamt bestimmt und die Differenz ermittelt. Der Vergleich der
4 von 102 Patienten mit Ranibizumab-Behandlung eine Gruppen zeigte keinen positiven, jedoch auch trotz des
schwere okuläre Nebenwirkung mit einer Endophthal- VEGF-Entzuges keinen negativen Effekt auf die ischämi-
mitis oder Netzhautablösung. Vierzehn Patienten hatten sche diabetische Makulopathie.
154 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Unterschiede zwischen einem fokalen und diffusen weiter unten) und eine Reduktion der Thromboxan-A2-
Makulaödem gibt es nach den Auswertungen der Resto- Produktion. In intermediären Dosierungen (25-50 mg/
re-Studie und der DRCR.net-Studie nicht. Patienten mit kg/Tag) hemmt Aspirin sowohl COX-1 als auch COX-2
PDR und Makulaödem werden in der RELATION-Studie und blockiert damit die Prostaglandinproduktion. Erst
untersucht. Preleminäre Daten aus DRCR.net zeigen eine in hohen Dosen von 80-100 mg/kg/Tag ist Aspirin eine
Regression des Stadiums der diabetischen Retinopathie wirkungsvolle antiinflammatorische Substanz, z.B. bei
bei schweren nicht-proliferativen Retinopathien durch der Behandlung von rheumatoiden Erkrankungen. Der
Ranibizumab und Triamcinolonacetonid. Zu klären Mechanismus der antiinflammatorischen Wirkung in
bleibt, ob anatomische oder funktionelle Kriterien für die dieser hohen Dosierung scheint Zyklooxigenase- und
erneute Injektion am sinnvollsten und klinisch praktika- Prostaglandin-unabhängig zu sein.
belsten sind. Im gleichen Zusammenhang wird auch zur Der antiinflammatorische Effekt von hohen Dosen
Beendigung von therapierefraktären Verläufen die Fin- von Aspirin konnte kürzlich im diabetischen Rattenmo-
dung von klaren Abbruchkriterien notwendig sein. dell belegen werden. Aspirin führt über eine Hemmung
Für alle Studien ist gleichermaßen zu fordern, dass eines spezifischen Kinase-Transduktionsweges (Erk-Ki-
Langzeitergebnisse vorgelegt werden, die der Tatsache nase) zu einer Hemmung von Leukozytenadhäsionsmo-
Rechnung tragen, dass sich die meisten therapiebedürf- lekülen wie CD18. Daraus resultieren eine Reduktion der
tigen Diabetiker im mittleren Lebensalter befinden und diabetischen Leukozytenadhäsion in den retinalen Gefä-
hinsichtlich der potentiellen Risiken der systemischen ßen und eine Minderung der diabetischen Gefäßleckage.
8 VEGF-Inhibition besonders gefährdet sind Die VEGF-Expression wird dabei nicht, oder nur indirekt
beeinflusst. Inwieweit solch hohe Dosierungen sinnvoll,
z.B. lokal, appliziert werden können, bleibt abzuwarten.
8.3.6 Anti-inflammatorische Therapie In letzter Zeit richtet sich das Interesse vermehrt auf
die Verwendung von selektiven COX-2-Inhibitoren, die
Nicht-Steroidale Antiphlogistika einige der unerwünschten gastrointestinalen Neben-
Vor dem Hintergrund der pathophysiologischen Unter- wirkungen von antiinflammatorischen Substanzen wie
suchungen zur Rolle der Entzündungsmediatoren wer- Aspirin nicht aufweisen. Die Zyklooxigenasen COX-1
den viele der zunächst als scheinbar unwirksam nach- und COX-2 sind Schlüsselenzyme, die Arachidonsäure
gewiesene Substanzen heute wieder neu diskutiert. Die in Prostaglandin H2, einem Vorläufer für alle anderen
ETDRS-Studie hatte gezeigt, dass die Gabe von Aspirin Eikosamoide, umwandeln. Während COX-1 unbiquitär
in einer Dosierung von 650 mg/Tag im Vergleich zur Pla- vorkommt, wird COX-2 früh bei akuten Entzündungen
cebotherapie den Verlust der Sehschäfe bei Patienten mit exprimiert und kann pro-inflammatorische Eikosanoide
diabetischem Makulaödem oder schwerer nicht-prolife- generieren, die wiederum über eine Rückkopplungskette
rativer Retinopathie in einem Beobachtungszeitraum von durch den Transkriptionsfaktor Nf-kB vermittelt weitere
9 Jahren nicht verhindern konnte. Ziel der Studie und inflammatorische Zytokine freisetzen. Die erhöhte Pros-
auch der Dosierung von Aspirin war eine antikoagulative tanoidproduktion im diabetischen Milieu ist gut bekannt.
Wirkung, von der man sich eine Hemmung des diabeti- Eine Aktivierung der Proteinkinase C (PKC) durch die
schen Kapillarverschlusses erhoffte, wie in experimentel- Hyperglykämie führt zu einer Aktivierung der Phospholi-
len Untersuchungen gezeigt worden war. pase A2 und stimuliert die Freisetzung von Arachidon-
Vor dem Hintergrund der inflammatorischen Kom- säure und die Produktion von PGE2. Bei der diabetischen
ponente der diabetischen Retinopathie scheint die An- Stoffwechsellage kann COX-2 darüber hinaus auch durch
wendung von anti-inflammatorischen Substanzen wie Glykosilierungsendprodukte (AGEs) aktiviert werden und
beispielsweise von nicht-steroidalen Antiphlogistika und interagiert mit anderen relevanten Stoffwechselwegen. Im
damit auch von Aspirin wieder sinnvoll und untersu- diabetischen Rattenmodell kann Meloxicam, ein COX-2
chenswert. Das ursprüngliche Interesse an Aspirin war -Inhibitor, die diabetische Leukostase und deren Folgen
durch die Beobachtung entstanden, dass Patienten, die reduzieren. Interessanterweise greift der COX-2-Inhibitor
bei einer rheumatoiden Arthritis hohe Dosen Aspirin be- über eine Hemmung der Expression des inflammatori-
kamen, eine nur geringe Ausprägung der diabetischen Re- schen Zytokins TNF-α in die entzündliche Kaskade ein.
tinopathie aufwiesen, die antiinflammatorische Wirkung Klinische Untersuchungen liegen derzeit noch nicht vor.
von Aspirin also auch bei der diabetischen Retinopathie
therapeutisch genutzt werden konnte. Aspirin hemmt Steroide
in der Tat in niedriger Dosierung (<0,2 mg/kg/Tag) die Die intravitreale Gabe von Steroiden ist eine Erfolgsge-
Plättchenaggregation. Dies erfolgt in der Hauptsache schichte beim diabetischen Makulaödem (⊡ Abb. 8.47).
über die Azetylierung der Zyklooxigenase-1 (COX-1; s. Steroide inhibieren über den Arachidonsäurestoffwechsel
8.3 · Diabetisches Makulaödem
155 8

⊡ Abb. 8.47 Vor und 3 Monate nach Triamcinolon-Injektion zeigt sich ein deutlich geringeres Makulaödem in der Fluoreszeinangiographie, die
Laserherde werden erstmalig sichtbar
156 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

die Synthese von Protaglandinen und vermindern darü- tiven Studie erhielten 15 Patienten (16 Augen) mit diffu-
ber die Migration von Leukozyten und die Ausschüttung sem Makulaödem 4 mg Triamcinolon Acetonid, einem
entzündungsfördernder Mediatoren (u.a. VEGF). Korti- kristallinen Kortikosteroid, intravitreal, die zuvor nicht
kosteroide stabilisieren darüber hinaus endotheliale Tight auf eine Laserkoagulation reagiert hatten. Nach 3 Mona-
junctions, u.a. indem sie deren Anzahl erhöhen. Die An- ten war im OCT die retinale Dicke durchschnittlich um
zahl der Tight junctions ist bei der diabetischen Retino- 55% und nach 6 Monaten noch um 38% zurückgegangen.
pathie reduziert. Die Wirksamkeit von nicht-steroidalen Ein Vergleich mit einer Kontrollgruppe wurde nicht vor-
Antiphlogistika, die ebenfalls Entzündungsmediatoren genommen.
wie z.B. Prostaglandine hemmen, konnte nur beim zys- In einer prospektiven, nicht randomisierten Stu-
toiden Makulaödem als Komplikation der IOL-Implanta- die wurden Patienten mit diffusem Makulaödem unter-
tion (Irvine-Gass-Syndrom) gezeigt werden. sucht. 20 Patienten (26 Augen) bekamen 25 mg Triamci-
Die Wirksamkeit einer intravitrealen Gabe von Tri- nolon intravitreal injiziert und wurden mit 16 Patienten
amcinolon wurde in einer Reihe kleinerer Studien über- verglichen, die eine Grid-Laserbehandlung erhielten.
prüft, die in ⊡ Tab. 8.5 aufgeführt sind. In einer prospek- In der Triamcinolon-Gruppe stieg der Visus statistisch

⊡ Tab. 8.5 Augewählte Studien zur intravitrealen Therapie mit Triamcinolon zur Behandlung des diabetischen Makulaödems

8 Studie Follow Studiendesign Einschluss- Behandlungs- Wiederbe- Schlussfolgerung Ziel-


up kriterien gruppen handlung- größen-
skriterum messung

Jonas et Bis zu 12 Prospektive, ver- Diffuse a) keine Keine Keine signifikante Un- BCVA,
al 2004 Monate gleichende Studie DMÖ b) IVT 4 mg terschiede in Visus und OCT
RSD in den Gruppen

Ockrim 12 Mo- Prospektive, ran- Laserthera- a) LK Keine Keine signifikante Un- BCVA,
et al. nate domisierte verglei- pie-refrak- b) IVT 4 mg terschiede in Visus und OCT
2008 chende Studie täres DMÖ RSD in den Gruppen

Spandau Bis zu 12 Prospektive, ran- Diffuse a) IVT 4 mg Keine Signikante Unter- BCVA,
et al. Monate domisierte verglei- DMÖ b) IVT 5 mg schiede in allen Grup- OCT
2005 chende Studie c) IVT 13 mg pen mit der besten
Visusbesserung in der
Gruppe mit der höch-
sten Dosierung

Beck et 3 Jahre Prospektive, ran- DMÖ a) LK Keine Keine signifikante Un- BCVA,
al. 2009 domisierte verglei- b) IVT 1 mg terschiede in Visus und OCT
chende Studie c) IVT 4 mg RSD in den Gruppen

Soheilian 36 Wo- Prospektive, ran- DMÖ, keine a) IVB 1,25 mg Alle 12 Wo- a) keine signifikante BCVA,
et al. chen domisierte verglei- Behand- b) IVB 1,25 mg chen erneute Unterschiede in Visus OCT
2009 chende Studie lung vorher + IVT 2 mg gleiche Be- und RSD nach 36 Wo-
c) LK handlung chen im Vergleich zum
bei weiterhin Ausgangswert
bestehendem b)keine signifikanten
DMÖ nach ET- Unterschiede inner-
DRS Kriterien halb der Gruppen

Elmann 12 Mo- Prospektive, ran- DMÖ a) SI + sofor- Keine Signifikante Verbes- BCVA,
et al. nate domisierte verglei- tige LK serung des Visus in b) OCT
2010 chende Studie b) IVR 0,5 mg + und c) im Vergleich zu
DRCR. sofortige LK a) um 5 Buchstaben
net c) IVR 0,5 mg + und in RSD-Reduktion
LK nach 24 Wo- im Vergleich zu a)
chen
d) IVT 0,5 mg +
sofortige LK

DMÖ diabetische Makulaödem, LK zentrale Laserkoagulation, SI Scheininjektion, RSD Retinale Schichtdicke, IVT Intravitreale Injektionen von
Triamzinolon, STT subtenonale Injektion von Triamzinolon
8.3 · Diabetisches Makulaödem
157 8
signifikant durchschnittlich von 0,12 auf 0,19. 17 von 8.3.7 Chirurgische Therapie des
19 Augen zeigten einen Monat nach Injektion einen diabetischen Makulaödems
Visusanstieg. Nach 5 Monaten Beobachtungszeit zeigte
sich allerdings eine Tendenz wieder zum Visusabfall. Die chirurgische Therapie des Makulaödems geht auf
Die laserbehandelte Gruppe zeigte keine Visusände- die Beobachtung zurück, dass sich ein zystoides Maku-
rung. laödem nach Peeling der Membrana limitans interna zu-
Die 6 Monatsergebnisse einer intravitrealen Triamci- rückbilden kann. Die Membrana limitans interna (»inner
nolongabe vor der Laserkoagulation (ClinicalTrials.gov limiting membrane«, ILM) besteht aus den Endplatten
number, NCT00148265) zeigte keinen Vorteil für die der Müllerzellen und soll eine Diffusionsbarriere zwi-
vorherige Ödemreduktion vor der Lasertherapie. Weder schen Retina und Glaskörper bilden. Die Entfernung der
das visuelle Ergebnis war in der IVTA-Gruppe besser ILM könnte also theoretisch die Diffusion von Flüssigkeit
noch die Anzahl der erforderlichen Laserbehandlungen, in den Glaskörperraum erleichtern. Deshalb wird zur
obwohl ein besseres anatomisches Ergebnis mit einer ge- Therapie eines diffusen, laserchirurgisch nicht behan-
ringeren mittleren zentralen Netzhautdicke nachgewiesen delbaren Makulaödems versucht, durch eine Pars-Plana-
werden konnte. Vitrektomie mit einem Peeling der Membrana limitans
Das DRCR.net hat in einer randomisierten Studie interna etwaige vitreoretinale Traktion zu mindern und
an 854 Studienaugen Ranibizumab in Kombination mit die postulierte Diffusionsbarriere zu entfernen. Eine Ver-
einer prompten oder verzögerten Laserkoagulation im besserung auch der perifovealen Zirkulation konnte in
Vergleich zu einer Triamcinolongabe kombiniert mit ei- Pilotstudien gezeigt werden.
ner Laserkoagulation verglichen. Als Wirkungsmechanismus wäre denkbar, dass nach
Der best-korrigierte Visus ist nach einem Jahr in der Entfernung der ILM vermehrt Flüssigkeit und even-
beiden Ranibizumab Gruppen der Kontrollgruppe und tuell auch VEGF aus dem Makulabereich in den Glas-
der Triamcinolon-Gruppe überlegen. In der Untergruppe körperraum abdiffundieren können. Auch mechanische
der pseudophaken Patienten ist dieser Unterschied nicht Gründe kommen infrage. Eine vitreoretinale Traktion auf
nachweisbar. Nebenwirkungen in der Triamcinolon- die Makula könnte lokal zur Freisetzung von Mediato-
Gruppe waren Augeninnendruckanstiege und die Ausbil- ren führen, die das Zusammenbrechen der Blut-Retina-
dung einer Katarakt. Schranke begünstigen.
Ein Cochrane Database Systemic Review aus dem Der potentiell günstige Effekt der chirurgischen The-
Jahre 2008 untersuchte 7 randomisierte klinische Un- rapie muss jedoch gegen das Risiko chirurgischer Kom-
tersuchungen, davon 4 zur intravitrealen Injektion von plikationen abgewogen werden. In einer retrospektiven
Triamcinolon Acetat (IVTA), 3 zur Implantation von Studie von 24 Augen mit einer mittleren Nachbeobach-
Fluozinolone Acetonid Implantaten (FAI) oder Dexa- tungszeit von 8 Monaten, zeigten 23% eine Verbesserung
methason Slow-release Systemen (DDS). Der Vergleich um 2 Zeilen, 54% keine Verbesserung der Sehschärfe
der IVTA mit der Kontrolle zeigt eine Überlegenheit be- und 21% eine Verschlechterung um mehr als 2 Zeilen.
züglich des Visus über einen Zeitraum von 24 Monaten, Während eine Reduktion des Makulaödems im OCT in
wobei 3 oder mehr Zeilen Visusgewinn nicht erreicht den meisten Fällen nachweisbar war, zeigten die Visuser-
wurden (Im Vergleich hat Ranibizumab in 36% einen gebnisse nur eine minimale Verbesserung verglichen zum
Visusanstieg ≥3 Zeilen. Ebenso konnten die Studien zum Ausgangswert. Randomisierte multizentrische Studien
FAI oder DDS einen Vorteil der Steroide bei chronischen zum ILM Peeling wurden begonnen, jedoch teilweise
diabetischen Makulaödemen zeigen. (TIME-Studie) wegen mangelnder Rekrutierung abge-
Erste Untersuchungen zur Applikation von Dexame- brochen.
thason-Freisetzungssystemen (Ozurdex), die zur Therapie Es zeichnet sich jedoch ab, dass klinisch insbeson-
des Makulaödems bei Venenthrombosen zugelassen sind, dere Patienten mit einer nachweislichen vitreomakulä-
haben für die mit 700 μg behandelte Gruppe nach 90 Ta- ren Traktion von einer Vitrektomie profitieren können
gen eine Verbesserung um 10 Buchstaben ETDRS-Tafel (⊡ Abb. 8.48). In einer Kohortenstudie an 89 Augen mit
oder mehr in 33,3% der Fälle im Vergleich mit 21,1% nachweislichem diabetischem Makulaödem und vitreo-
in der 350-μg-Gruppe und 12,3% in der Kontrollgruppe makulärer Traktion, wurde in 61% der Augen ein zusätz-
gezeigt. Interessanterweise haben erste Untersuchungen liches epiretinales Peeling durchgeführt, in 64% zusätzli-
zur Applikation der Dexamethason Implantate in vitrek- che Steroide injiziert. In den meisten Augen konnte eine
tomierten Augen zeigen können, dass ähnliche Effekte Minderung der Netzhautdicke nachgewiesen werden, bei
wie in glaskörperhaltigen Augen erzielt werden können. 28-49% der Augen eine Visusverbesserung. Die Kompli-
Das Wirksamkeitsmaximum lag in den vitrektomierten kationsrate ist niedrig und entspricht den in der Litera-
Augen bei etwa 13 Wochen. tur dargestellten Daten. Insgesamt bleibt die Vitrektomie
158 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

Böhm BO, Lang GE, Volpert O, Jehle PM, Kurkhaus A, Rosinger S,


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raocular neovascularization caused by retinal ischemia in pigs
by PKCß inhibition with LY333531. Invest Ophthalmol Vis Sci
⊡ Abb. 8.48 Diabetisches Makulaödem mit deutlich traktiver Kompo-
39:171-179
nente. Hier kann eine ppV mit ILM Peeling zu einer Ödemreduktion
Deissler H, Deissler H, Lang GE (2010) Inhibition of Protein Kinase C
führen
Is not Sufficient to Prevent or Revert Effects of VEGF165 on Tight
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des DMÖ zugelassen. Verschiedenste Studien konnten die R, Caballero S, Estes KS (2000) The efficacy of octreotide in the
Effektivität der intravitrealen Injektion mit einer alleinigen therapy of severe nonproliferative and early proliferative diabetic
Anti-VEGF-Therapie oder in Kombination mit dem Laser zei- retinopathy. Diabetes Care 23: 504-509
gen, wobei sich eine Überlegenheit der Anti-VEGF-Therapie Hernaez-Ortega MC, Soto-Pedre E, Martin JJ (2004) Sandostatin LAR
gegenüber der Lasertherapie darstellt. Auch Steroide können for cystoid diabetic macular edema: a 1-year experience. Diabe-
tes Res Clin Pract 64:71-72
das Makulaödem signifikant verringern. Vergleichsstudien
Kuijpers RWAM (1998) Treatment of cystoid macular edema with oc-
zeigen eine ähnliche Wirksamkeit in den ersten 6 Therapie- treotide. New England Journal of Medicine 338:624-62
monaten, jedoch führt die Steroidgabe zu einer progredien- Lang GE, Kampmeier J (2002). Die Bedeutung der Proteinkinase C in
ten Kataraktbildung und zum Steroidglaukom. Weitere Stu- der Pathophysiologie der diabetischen Retinopathie. Klin Mo-
dien müssen folgen, um diese Ergebnisse zu bestätigen und natsbl Augenheilkd; 219: 769-776
Lang GE (2004) Therapie der diabetischen Retinopathie mit Somato-
die Langzeitprognose abzuschätzen. Ziel künftiger Studien
statinanaloga. Ophthalmologe 101:290-293
muss darüber hinaus auch die Untersuchung der Wirksamkeit Lang GE (2004) Medikamentöse Therapie der diabetischen Retinopa-
in Untergruppen, wie bei Patienten mit ischämischen DMÖ, thie. Ophthalmologe 101: 1165-1170
sein. Ebenso müssen Therapiekonzepte im Zusammenhang Lang GE (2007) Somatostatin analogues. In: Joussen AM, Gardner TW,
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162 Kapitel 8 · Pathologie, Klinik und Behandlung von diabetischen retinalen Gefäßerkrankungen

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9

Frühgeborenenretinopathie
C. Jandeck, H. Agostini

9.1 Definition – 164


9.2 Einleitung – 164
9.3 Pathogenese der Frühgeborenenretinopathie – 164
9.3.1 Risikofaktoren – 164
9.3.2 Physiologische Gefäßentwicklung der Netzhaut – 165
9.4 Pathologische Gefäßentwicklung der Netzhaut – 165
9.5 Von der Krankheit zum Modell – 166
9.6 Kommunikation im Rahmen retinaler Angiogenese – 167
9.6.1 VEGF – 168
9.6.2 Integrine – 168
9.6.3 Ephrine – 169
9.6.4 IGF-1 – 169
9.7 Serologische Marker der Frühgeborenenretinopathie – 169
9.7.1 IGF-1 – 169
9.7.2 Lösliches E-Selectin – 169
9.8 Epidemiologie – 170
9.9 Symptomatik und klinisches Bild – 170
9.10 Diagnostik – 171
9.10.1 Frühgeborenenretinopathie-Screening nach den deutschen Screening-Kriterien
von 2008 – 173
9.11 Untersuchungstechnik – 174
9.12 Indikationen zur Therapie – 174
9.12.1 Indikationen zur Behandlung mittels Laserkoagulation nach der deutschen Leitlinie
(2008) – 174
9.12.2 Indikationen zur Behandlung nach den Kriterien der ETROP-Studie – 174
9.12.3 Sonderform: Zone-I-Erkrankung – 175
9.13 Therapie – 175
9.13.1 Kryokoagulation – 175
9.13.2 Laserkoagulation – 175
9.13.3 Behandlung bei Stadium 4 und 5 – 176
9.13.4 Anti-VEGF-Therapie – 176
9.13.5 Konservative Therapieverfahren – 177
9.14 Spätveränderungen – 177
9.15 Differentialdiagnosen – 177
9.16 Ausblick – 177
Literatur – 178

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_9,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
164 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

Die Frühgeborenenretinopathie ist eine Erkrankung die nur Die Ursache der Frühgeborenenretinopathie ist ein
bei Frühgeborenen (meist <32 Gestationswochen) auftritt. komplexes Zusammenspiel zwischen
Je unreifer der Säugling ist, desto höher ist die Wahrschein- ▬ Sauerstoffangebot,
lichkeit eine Retinopathia präematurorum (RPM) zu entwi- ▬ Steuerung der retinalen Gefäßentwicklung und
ckeln. Sie ist eine proliferative retinale Gefäßerkrankung. ▬ den daran beteiligten molekularen Regulatoren der
Die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen ähneln Angiogenese.
den angioproliferativen Netzhautveränderungen bei Diabe-
tes oder nach Gefäßverschlüssen. Die wesentliche Ursache Als Frühgeborene werden Kinder bezeichnet, die vor
der RPM liegt in der postpartalen Störung der retinalen 37 vollendeten Schwangerschaftswochen (≤ 259 Tage)
Gefäßentwicklung durch Sauerstoffgabe, was in der Folge geboren werden (ca. 7% aller Lebendgeborenen). Die
zu einer Unterversorgung der reifenden Netzhaut führt. Die Frühgeborenenretinopathie tritt jedoch überwiegend bei
Erkrankung kann je nach Ausprägung zur Erblindung führen. Kindern auf, die vor 33 Gestationswochen (ca. 2% aller
Rechtzeitige Entdeckung und Behandlung von therapiebe- Lebendgeborenen) geboren sind oder bei älteren Frühge-
dürftigen RPM Veränderungen reduziert die Wahrschein- borenen mit schweren Allgemeinerkrankungen und ver-
lichkeit der Erblindung, ist aber nicht immer erfolgreich. längertem Sauerstoffbedarf. Mit Hilfe von Tiermodellen
Mögliche Spätveränderungen erfordern eine lebenslange ist es inzwischen möglich, die molekularen Grundla-
Betreuung der Patienten. Das zunehmende Wissen um gen der Frühgeborenenretinopathie besser zu verstehen.
Angiogenese und die pathogenetischen Zusammenhänge Ähnlich wie bei anderen angioproliferativen Netzhau-
bei der Frühgeborenenretinopathie auf molekularer Ebene terkrankungen scheint das Ziel, die Erkrankungen mit
eröffnet neue Wege bei der Risikoabschätzung, Prophylaxe möglichst wenig Gewebsdestruktion zu behandeln, in
9 und Therapie. greifbare Nähe zu rücken. Außerdem wurden in den
letzten Jahren neben den individuellen Risikofaktoren
der Frühgeborenen serologische Marker beschrieben, die
9.1 Definition es erleichtern könnten, Risikokinder zu identifizieren. Je-
doch haben sich weder die medikamentöse Therapie der
Die Frühgeborenenretinopathie (Retinopathia praema- Frühgeborenenretinopathie noch die serologische Früh-
turorum = RPM, englisch: »retinopathy of prematurity« erkennung bisher als Routineverfahren etabliert.
= ROP) ist eine Erkrankung, die nur bei Frühgeborenen
auftritt. Die zugrunde liegenden molekularen Mechanis-
men ähneln den angioproliferativen Netzhautverände- 9.3 Pathogenese der
rungen bei Diabetes oder nach Gefäßverschlüssen. Die Frühgeborenenretinopathie
avaskulären Areale insbesondere der peripheren Netz-
haut sind ischämisch. Dies kann zu überschießenden 9.3.1 Risikofaktoren
Gefäßneubildungen führen.
Geringes Geburtsgewicht, geringes Gestationsalter und
unkontrollierte Sauerstoffgabe sind die wichtigsten Risi-
9.2 Einleitung kofaktoren für die Entwicklung einer Frühgeborenenre-
tinopathie. Dabei ist der Dauer der Beatmung mit einem
Die RPM wurde erstmals 1942 von Terry beschrieben. erreichten Sauerstoffpartialdruck von über 80 mmHg
Aufgrund der weißlichen Membranen im vorderen Glas- und möglicherweise auch die Schwankungen in der Sau-
körperraum bezeichnete er die Erkrankung als »Retrolen- erstoffsättigung von pathogenetischer Bedeutung. Tritt
tale Fibroplasie«. Dabei handelt es sich um die komplett bei einem extrem unreifen Frühgeborenen zusätzlich eine
abgelöste Netzhaut, die hinter der Linse einen geschlos- Sepsis oder eine respiratorische Insuffizienz auf, erhöht
senen Trichter bildet. In den letzten beiden Dekaden dies die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Früh-
wurde für die Frühgeborenenretinopathie Diagnose und geborenenretinopathie.
Behandlungsstandards etabliert und erfolgreich umge- Nicht bei jedem Kind, das eine Frühgeborenenretino-
setzt, sodass die Erfolgsaussichten für Frühgeborene mit pathie entwickelt, geht eine Sauerstoffbeatmung voraus.
Retinopathia praematurorum deutlich verbessert wurden. In Ausnahmefällen reicht auch die physiologische Erhö-
Durch eine Therapie zum optimalen Zeitpunkt kann das hung des Sauerstoffpartialdrucks nach Umstellung des
Erblindungsrisiko signifikant reduziert werden. Heute fetalen auf den postnatalen Kreislauf aus, um eine relative
sind die Folgen der Frühgeborenenretinopathie immer Hyperoxie der Netzhaut zu erzeugen. Bluttransfusionen
noch weltweit die häufigste Ursache für eine Visusminde- mit adultem Blut, welches eine höhere Sauerstoffbindung
rung im Kindesalter. aufweist, können diesen Effekt verstärken.
9.4 · Pathologische Gefäßentwicklung der Netzhaut
165 9
Ein unphysiologisches Überangebot an Sauerstoff in
einem frühen Stadium der Netzhautentwicklung hemmt
die retinale Gefäßentwicklung. Die undifferenzierte Netz-
haut kann dies teilweise noch über die Aderhautver-
sorgung kompensieren; mit zunehmender Reifung tritt
jedoch eine Unterversorgung vor allem der inneren Netz-
hautschichten auf.

9.3.2 Physiologische Gefäßentwicklung


der Netzhaut

Die menschliche Netzhaut ist zu Beginn des zweiten


Trimenons noch weitgehend gefäßfrei und wird über
die bereits angelegte Aderhaut versorgt. Dann wachsen
⊡ Abb. 9.1 »Tip cells« sind Endothelzellen, die beim Aussprossen
pluripotente, spindelförmige, mesenchymale Vorläufer- der Gefäße bei der Angiogenese auftreten. Sie orientieren sich im
zellen aus der Umgebung der Papille aus. Diese Zellen Gewebe an Gradienten von Wachstumsfaktoren und richten ihre
differenzieren sich zu Endothelzellen, assoziieren mit Ge- Pseudopodien (Wachstumsverlängerungen rechts im Bild) entspre-
fäßmuskelzellen und Perizyten und bilden bereits nach chend aus
einer Woche erste primitive Gefäßnetzwerke um die Pa-
pille herum. Diese Bildung von einfachen Blutgefäßen
aus Vorläuferzellen wird als Vaskulogenese bezeichnet. tionellen Untereinheiten α und β besteht. Während die
Zwischen der 15.–20. Embryonalwoche verlaufen Vas- β-Einheit im Überfluss vorliegt, wird die Herstellung
kulogenese und Angiogenese parallel. Dann ist die Vas- und Aktivierung der α-Einheit streng durch das Sauer-
kulogenesephase abgeschlossen. Für die Entwicklung der stoffangebot einer Zelle reguliert. HIF-1 bindet dann an
Vaskulogenesephase ist kein Gewebshypoxie gesteuertes bestimmte Nukleinsäuresequenzen (»hypoxia response
VEGF erforderlich. element«) im Bereich der Promotor/Enhancer-Region
In der Phase der Angiogenese wachsen die Gefäße vor einem Gen für Wachstumsfaktoren wie VEGF, des-
durch Sprossung oder Intussuszeption (Doppelung) und sen Rezeptoren, Erythropoetin oder andere Proteine, die
werden durch Perizyten stabilisiert. Darüber hinaus meh- Zellproliferation und Apoptose oder den Transport von
ren sich die Hinweise, dass auch im Rahmen der Angio- Glukose beeinflussen.
genese undifferenzierte Vorläuferzellen (»endothelial pre- Lösliche Wachstumsfaktoren können Gewebsgradi-
cursor cells«) in die Proliferationsgebiete einwandern und enten bilden, welche die Wachstumsrichtung von Zellen
zur Gefäßneubildung beitragen. Die Grenzen zwischen beeinflussen. Besonders eindrucksvoll ist diese Ausrich-
Vaskulogenese und Angiogenese sind dadurch weniger tung bei sprossenden Endothelzellen zu beobachten. »Tip
klar zu ziehen. cells« sind an der Wachstumsfront eines Gefäßnetzes
Das embryonale Wachstum der retinalen Gefäße wird zu finden. Ihre Pseudopodien zeigen die Richtung des
durch die umgebenden Strukturen bestimmt. Parallel zu weiteren Gefäßwachstums an (⊡ Abb. 9.1). So entsteht
den peripapillären Gefäßnetzen nimmt die Zahl der Ast- radiär zur Papille erst ein inneres und ab der 25. Gestati-
royzten in der Netzhaut zu. Astroglia und Mikroglia sind onswoche auch ein tiefer liegendes äußeres Kapillarnetz,
auch unter physiologischen Bedingungen eng mit der welches bis zur 32. Woche aufgrund der kürzeren Entfer-
morphologischen Ausprägung des retinalen Gefäßnetzes nung den nasalen Netzhautrand erreicht. Im Bereich der
verknüpft und sind an der Ausbildung der Blut-Retina- temporalen Retina ist das vollständige Kapillarnetz erst
Schranke des ungefensterten retinalen Gefäßendothels zum Geburtstermin vollständig ausgebildet.
beteiligt. Die reifende neurosensorische Netzhaut hat ei-
nen zunehmenden Bedarf an Energie und steuert das Ge-
fäßwachstum durch lokale Gradienten von Wachstums- 9.4 Pathologische Gefäßentwicklung
faktoren. Dabei spielt die Gewebshypoxie eine treibende der Netzhaut
Rolle. Gewebe können innerhalb von Sekunden auf einen
Mangel an Sauerstoff reagieren. Bei der Ausbildung der Frühgeborenenretinopathie spielt
Besonders gut erforscht ist die Regulierung der Tran- die Abhängigkeit der retinalen Gefäßentwicklung von der
skription von Wachstumsfaktorgenen mit Hilfe des Hy- Gewebsoxygenierung die entscheidende Rolle. Angebot
poxie-induzierbaren Faktors HIF-1, der aus zwei funk- und Nachfrage von Sauerstoff und anderen Metaboliten
166 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

ändern sich mit der Umstellung des intrauterinen auf den zellen beginnen nach Strömungsänderungen damit, Che-
postpartalen Stoffwechsel, mit der Reifung der neurosen- mokine wie MCP-1 (»monocyte chemotactic protein«) zu
sorischen Retina, der therapeutischen Sauerstoffgabe und produzieren, was unter anderem eine Anpassung der Ge-
jeder Bluttransfusionen mit adultem Blut. fäßwand an die neuen Verhältnisse bewirkt. Die Summe
Mit Blick auf die Pathogenese der Frühgeborenenreti- dieser Vorgänge wird unter dem Begriff Arteriogenese
nopathie unterscheidet Lois Smith zwei Phasen, die beson- zusammengefasst.
ders klar am Mausmodell der Sauerstoff-induzierten Reti- Darüber hinaus tragen systemisch wirksame Faktoren
nopathie zu verfolgen sind (s.u.): In Phase I besteht eine zur Pathogenese der Frühgeborenenretinopathie bei. Ein
relative Hyperoxie der Netzhaut. Hauptursache ist die le- wichtiges Beispiel ist der »Insulin like growth factor«,
benserhaltende künstliche Beatmung der Frühgeborenen. IGF-1. IGF-1 wird unabhängig von der retinalen Hypoxie
Da das embryonale retinale Gefäßwachstum wesentlich reguliert und vermittelt die Wirkung des Wachstums-
von der Hypoxie als Wachtumsanreiz abhängt, verlang- hormons in der Peripherie. Er ist plazentagängig und
samt sich in dieser Zeit der Sauerstoff-Überversorgung die kann vom unreifen Neugeborenen nicht in ausreichender
Wachstumsrate der Netzhautgefäße deutlich; es kommt Menge gebildet werden. IGF-1 beeinflusst die intrazel-
zur Vasokonstriktion, einzelne Gefäße können sogar un- luläre Signalübertragung von VEGF. Ein niedriger IGF-
tergehen. Während der weiteren Reifung des Frühgebore- I-Spiegel in der Phase I der Frühgeborenenretinopathie
nen wird die Netzhaut metabolisch zunehmend aktiv und verhindert (trotz Vorhandensein von VEGF) die normale
durch die in Phase I nicht weiterentwickelten retinalen Entwicklung der vaskulären Endothelzellen (s. u.)
Blutgefäße zunehmend hypoxisch. Dies leitet Phase II der
Frühgeborenenretinopathie ein. Die vermehrte Ausschüt-
9 tung von hypoxieinduzierten Wachstumsfaktoren bewirkt 9.5 Von der Krankheit zum Modell
ab der 32. postmenstruellen Woche funduskopisch sicht-
bare, überschießende Gefäßneubildung oder auch Gefäß- Nach der Erstbeschreibung der Frühgeborenenretinopa-
schlängelung. Die klinischen Phasen der Frühgeborenen- thie dauerte es knapp zehn weitere Jahre, bis der Zusam-
retinopathie sind unten beschrieben. menhang zwischen Sauerstoffbeatmung und Ausprägung
Die Veränderungen des retinalen Gefäßbettes werden der Netzhauterkrankung erkannt und in ein Frühgebo-
jedoch nicht nur durch Änderungen der Gewebsoxyge- renenmodell der Maus und der Ratte übertragen werden
nierung gesteuert. Entzündung beeinflusst die Gefäßbio- konnte. Mithilfe des Sauerstoff-induzierten Retinopathie-
logie ebenso wie Änderungen im Strömungsverhalten Modells (»oxygen induced retinopathy« = OIR-Modell)
z.B. in Nachbargefäßen verschlossener Kapillaren. Diese konnten erste systematische Untersuchungen zum Pa-
erzeugen neue Scherkräfte auf die Gefäßwand. Endothel- thomechanismus dieser angioproliferativen Netzhauter-

⊡ Abb. 9.2 Flachpräparate von normalen Mausnetzhäuten nach Perfusion mit Fluoreszein. Zwei Tage nach Geburt ist das zentrale Netzhaut-
drittel oberflächlich vaskularisiert (links). Vollständig ausgebildete retinale Gefäße (rechts)
9.6 · Kommunikation im Rahmen retinaler Angiogenese
167 9
krankung durchgeführt werden. Knapp vier Jahrzehnte Neben den morphologischen Beobachtungen des re-
später gelang es den Arbeitsgruppen Smith und Penn das tinalen Gefäßnetzes ist es im Tiermodell möglich die
Tiermodell der sauerstoffinduzierten Frühgeborenenre- Wachstumsfaktoren nachzuweisen, die bestimmte Sta-
tinopathie so zu verfeinern, dass es bis heute weltweit dien der proliferativen Retinopathie charakterisieren.
als wissenschaftliches Grundlagenmodell für Studien zur Der am besten beschriebene Wachstumsfaktor ist der
Pathogenese und medikamentösen Therapie der isch- Gefäßwachstumsfaktor VEGF (»vascular endothelial
ämieinduzierten angioproliferativen Retinopathie zum growth factor«, s. u.). Im Mausmodell steigt die retinale
Einsatz kommt. Produktion dieses Wachstumsfaktors nur wenige Stun-
Ein für das Modell wichtiger Unterschied zwischen den nach der Rückkehr aus der sauerstoffreichen Umge-
Mensch und Maus, Ratte oder Katze besteht in der Tatsa- bung in normale Raumluft deutlich an, Tage bevor das
che, dass die retinale Gefäßentwicklung bei diesen Tieren durch ihn geförderte retinale Gefäßwachstum sichtbar
erst mit der Geburt beginnt (⊡ Abb. 9.2) wird (⊡ Abb. 9.3). Auch wenn die vermehrte Expression
Dadurch ist der Einfluss von Sauerstoff auf die re- von VEGF eine wichtige Rolle spielt und beispielhaft
tinale Gefäßentwicklung besonders gut zu beobachten für den oben beschriebenen Übergang von Phase I in
und molekularbiologisch zu untersuchen. Werden sieben die proliferative Phase II steht, wird der retinale Gewe-
Tage alte Jungtiere mit den Muttertieren für fünf Tage beumbau durch andere lokale Wachstumsfaktoren und
bei 75% Sauerstoff gehalten, entsteht eine zentrale, avas- Zellarten wie Neurone, Astrozyten und Mikrogliazellen
kuläre Zone bei der Maus bzw. unter ähnlichen Bedin- mitbestimmt. Dies wird unter anderem daran deutlich,
gungen bei der Ratte ein Wachstumsstopp der retinalen dass auch unter hyperoxischen Bedingungen das peri-
Gefäßentwicklung. Beides führt nach Rückkehr in nor- phere, physiologische Gefäßwachstum im Mausmodell
male Raumluft zu einer relativen Hypoxie mit anschlie- nicht vollständig zum Stillstand kommt. Ein weiteres
ßender »überschießender« Gefäßneubildung, die ähn- Argument für das Zusammenwirken unterschiedlicher
lich wie beim Menschen den Glaskörper erreichen kann. Faktoren ist die Beobachtung, dass die medikamentöse
Im Mausmodell normalisiert sich das retinale Gefäßbild Hemmung von VEGF im Tiermodell nicht zu einer
ohne experimentelle Manipulation 10 bis 13 Tage nach vollständigen Inhibition der proliferativen Retinopathie
der Sauerstoffexposition, sodass fortgeschrittene Stadien führt.
der Frühgeborenenretinopathie im OIR-Modell in der
Regel nicht zu sehen sind.
9.6 Kommunikation im Rahmen
retinaler Angiogenese

Die Regulierung von retinalem Gefäßwachstum oder re-


tinaler Gefäßstabilität sind aktive biologische Prozesse, an
denen verschiedene Wachstumsfaktoren und auch ver-
schiedene Zellentypen der Netzhaut beteiligt sind. Damit
ein Gewebskomplex stabil und funktionsfähig bleibt, ist
es notwendig, dass die einzelnen Zelltypen Informatio-
nen austauschen können. Störfaktoren, wie z.B. Hypero-
xie oder Hypoxie, Infektion und Trauma, steigern die
Notwendigkeit innerhalb dieses Komplexes zu kommu-
nizieren. Dafür stehen unterschiedliche Kommunikati-
onswege zur Verfügung, die über lösliche Botenstoffe und
deren Rezeptoren auf der Zielzelle, über Zell-Zell- oder
Zell-Matrix-Kontakt genutzt werden. Dies geschieht mit
dem Ziel, das gestörte Gleichgewicht eines Gewebskom-
plexes in ein neues, stabiles zu überführen, das Funktion
und Überleben sichert.
Im Folgenden sollen einige dieser Kommunikati-
⊡ Abb. 9.3 Angioproliferative Retinopathie im Sauerstoff-induzierten onssysteme und -wege (⊡ Abb. 9.4) im Hinblick auf die
Mausmodell (Flachpräparat nach Fluoreszein-Perfusion an P17).
Frühgeborenenretinopathie des Menschen oder das OIR-
Zentral ist fünf Tage nach der Exposition mit 75%igen Sauerstoff und
anschließender Haltung in normaler Raumluft noch die zentrale avas-
Maus-Modell exemplarisch dargestellt werden:
kuläre Zone zu erkennen. In der mittleren Peripherie der Netzhaut ▬ VEGF als Beispiel für lösliche Wachstumsfaktoren
zeigen sich die retinalen Gefäßproliferationsbeete ▬ Ephrine als Mediatoren bei Zell-Zell-Kontakt
168 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

1-Dimer wurde oben beschrieben. Durch posttranskrip-


tionale Modifikation wie »splicing« entstehen aus einem
Gentranskript verschiedene Boten-RNA-Moleküle, die
zu den verschiedenen Isoformen von VEGF-A führen.
Hier ist es insbesondere das Protein mit 165 Aminosäu-
ren, VEGF-A165, hervorzuheben, das die Permeabilität
eines Gefäßes erhöht, die Apoptoserate der Rezeptor-
tragenden Zelle reduziert, die Rekrutierung von Entzün-
dungszellen fördert und vor allem das Wachstum von
Endothelzellen anregt. Etwas komplexer wurde das Bild
von VEGF-A als von der Arbeitsgruppe um Bates und
Churchill in Bristol, England entdeckt wurde, dass wei-
tere Splice-Varianten von VEGF-A existieren, die zwar
die gleiche Länge aufwiesen jedoch zum Teil gegen-
sätzlich wirkten. VEGF-A165b wird in vielen gesunden
Geweben des Körpers nachgewiesen, auch im Auge. Es
wirkt hemmend auf die Gefäßbildung. Mit Entstehen
einer proliferativen diabetischen Retinopathie verschiebt
sich jedoch das Gleichgewicht von VEGF-A165 und
⊡ Abb. 9.4 Die Orientierung einer Zelle im Gewebsverband, in der
interzellulären Matrix und die Kommunikation mit anderen Zielzellen
VEGF-A165b zu Gunsten der angiogenen Isoform. Ähn-
9 über lösliche Botenstoffe sind elementare Voraussetzungen, um auf liches konnte in der Glaskörperflüssigkeit von Patienten
Störungen einer biologischen Funktionseinheit zu reagieren. ICM mit Zentralvenenthombose nachgewiesen werden. Für
interzelluläre Matrix, BM Basalmembran, Int Integrin, WF löslicher die Frühgeborenenretinopathie gibt es hierzu noch keine
Wachstumsfaktor, R transmembranöser Rezeptor, ML membranstän-
Untersuchungen.
diger Ligand

9.6.2 Integrine
▬ Integrine als Orientierungshilfe einer Zelle in der
umgebenden interzellulären Matrix Integrine sind transmembranöse Glukoproteine, die
▬ IGF-1 in seiner Funktion als modulierendes Somato- aus einem nichtkovalenten Dimer einer α- und einer
medin β-Untereinheit bestehen. Erstere ist vor allem für die
Spezifität dieser Oberflächenrezeptoren zuständig. Die
β-Einheit ist für die intrazelluläre Signalweiterleitung un-
9.6.1 VEGF verzichtbar. Integrine stellen den funktionellen Kontakt
zwischen einer Zelle, insbesondere ihrem Zytoskelett,
Der Ophthalmologe Michaelson hat vor über 60 Jahren und ihrer biologischen Umgebung her. Neben den Zyto-
bereits einen löslichen Faktor X postuliert, der die Isch- adhäsionsmolekulen werden die Leukozytenadhäsions-
ämie der Netzhaut mit der der Gefäßneubildung im Be- moleküle den Integrinen zugeordnet.
reich der Iris in Verbindung bringt. Mit der Entdeckung Im Zusammenhang mit Augenerkrankungen wurden
des VPF (»vascular permeability factor«), der später in in Tiermodellen die Rolle des Integrins αV-β1, dem Re-
»vascular endothelial growth factor« (VEGF) umbenannt zeptor für Fibronektin, Laminin und anderen Matrixpro-
wurde, wurde die Hypothese des Faktors X wissenschaft- teinen, untersucht. αV-β1 ist an der Migration und Proli-
lich überprüfbar und therapeutisch manipulierbar. Von feration von Endothelzellen beteiligt. Die medikamentöse
den inzwischen fünf bekannten Genen, die für VEGF-A Hemmung dieses Dimers führt in dem OIR-Mausmodell
bis E kodieren, werden VEGF-C und D vor allem mit der zu einer Abnahme der Gefäßproliferationen.
Lymphangiogenese in Verbindung gebracht, können je- αV-β3 wird neben Osteoklasten häufig auf Endothel-
doch auch die Angiogenese beeinflussen. Dem gegenüber zellen sowie glatten Muskelzellen gefunden. Auch wenn
stehen drei bekannte membrangebundene Rezeptoren auf dieses Protein häufig als Vitronektin-Rezeptor bezeichnet
den Zielzellen, VEGFR1 bis R3, wobei letzterer bei der wird, bindet es an eine Vielzahl von Matrixproteinen.
Lymphangiogenese eine bedeutende Rolle spielt. Ähnlich wie αV-β1 ist es auf Endothelzellen und glatten
Eine zentrale Rolle für die Blutgefäßentwicklung un- Muskelzellen nachweisbar. Da auch verschiedene Tumor-
ter hypoxischen Bedingungen nimmt das VEGF-A ein. zellen positiv für αV-β3 sind, ist auch dieses Integrin als
Die Steuerung der VEGF-Transkription durch das HIF- Ziel einer antiangiogenen Therapie interessant.
9.7 · Serologische Marker der Frühgeborenenretinopathie
169 9
9.6.3 Ephrine 9.7 Serologische Marker der
Frühgeborenenretinopathie
Ephrine und ihre Eph-Rezeptoren sind beide membran-
gebundenen Moleküle und gehören wie die VEGF-Re- Ein besonderes Augenmerk verdienen Faktoren, die im
zeptoren zu den Rezeptor-Tyrosin-Kinasen. Am besten Plasma oder Serum von Frühgeborenen nachweisbar sind
untersucht ist ihr lenkender Einfluss bei Wachstum der und mit der Ausprägung der Erkrankung assoziiert sind.
Ganglienzell-Axone in Richtung Tektum. Es findet sich Nachteil dieser Methode ist die Tatsache, dass häufige
jedoch auch eine spezifische Expression von EphrinB2 zusätzliche Blutabnahmen bei den extrem unreifen Früh-
auf Arterien und EphB4 auf Venen. Mindestens sieben geborenen die Wahrscheinlichkeit für zusätzliche Blut-
der Ephrin-Isoformen und drei der Eph-Rezeptoren transfusionen erhöhen. Serologische Risikomarker bei
sind an der Angiogenese beteiligt, Knockoutmutanten Frühgeborenen muss ihre Relevanz im klinischen Alltag
im Tiermodell sind nicht überlebensfähig und weisen noch beweisen. Mögliche Kandidaten sind IGF-1 und
erhebliche Störungen ihres Gefäßsystems auf. In Gewe- lösliches E-Selectin.
bepräparaten von Augen mit Frühgeborenenretinopa-
thie konnte EphrinB2, EphB2 und EphB3 nachgewiesen
werden. Die Ausprägung der proliferativen Retinopa- 9.7.1 IGF-1
thie im OIR-Mausmodell lässt sich durch Ephrine und
ihre Rezeptoren in löslicher Form beeinflussen. Di- Während der Schwangerschaft besteht eine direkte Korre-
meres EphB4 (EphB4-Fc) und EphrinB2 (EfnB2-Fc) lation zwischen IGF-1-Serumspiegel und Größenwachs-
vermehrte die Hypoxie-induzierte Retinopathie, hatten tum eines Säuglings vor allem im dritten Trimenon.
jedoch keinen Einfluss auf die physiologische Vaskula- Dabei stammt der Wachstumsfaktor zu einem nicht un-
risierung. Monomeres EphB4 (sEphB4) hingegen zeigte erheblichen Teil von der Mutter und passiert die Pla-
einen entgegengesetzten Effekt im OIR-Modell. Inter- zenta. Bei einer Frühgeburt ist das Neugeborene nicht in
essanterweise nimmt die Expression von EphrinB2 auf der Lage den Verlust des mütterlichen IGF-1 vollständig
Ebene der Boten-RNA während der Hyperoxiephase zu kompensieren. IGF-1 wird in der Leber produziert
in diesem Modell zu, während die von EphB4, VEGF, und wird reduziert durch geringe Ernährung, bei einer
VEGFR1 and VEGFR2 erst nach Rückkehr in normale reduzierten Gewichtszunahme, bei Sepsis und bei nek-
Raumluft, also nach Einsetzen der retinalen Ischämie rotisierender Enterokolitis. Wie oben beschrieben, ver-
deutlich anstiegen. hindern jedoch zu niedrige IGF-1-Spiegel die maximale
Wirkung von VEGF. Besteht dieser Mangel über längere
Zeit, könnte auch das retinale Gefäßwachstum davon
9.6.4 IGF-1 betroffen werden, was nach einiger Zeit wiederum das
Risiko für eine Frühgeborenenretinopathie erhöht, da
Die insulinähnlichen Wachstumsfaktoren (»insulin like die daraus resultierende Hypoxie mit der Zeit zunähme.
growth factor« IGF-1 und IGF-2) sind Somatomedine. In einer Studie der Arbeitsgruppe um Lois Smith konnte
Sie vermitteln die Wirkung des Wachstumshormons gezeigt werden, dass die mittleren Serumwerte für IGF-I
(»growth hormone«, GH), das in der Hypophyse ge- zwischen der 30. bis 33. postmenstruellen Woche bei
bildet wird, aber keine direkte Wirkung auf die wach- Kindern mit schwerer Frühgeborenenretinopathie mit
senden Gewebe hat. IGF-2 spielt vor allem in frühen etwa 25 μg/L am niedrigsten, bei Kindern mit mäßiger
Entwicklungsphasen eine Rolle, IGF-1 beim Größen- Frühgeborenenretinopathie mit etwa 29 μg/L höher und
wachstum. IGF-1 bindet an einen spezifischen Rezeptor, bei Kindern ohne Frühgeborenenretinopathie mit durch-
der dem Insulin-Rezeptor sehr ähnlich ist und eben- schnittlich 33 μg/L am höchsten lagen. Auch die Dauer
falls zu den Tyrosin-Kinase Rezeptoren gehört. Interes- des IGF-1-Mangels korrelierte mit der Ausprägung der
santerweise verstärkt die Aktivierung dieses Rezeptors Erkrankung. Inwiefern die Substitution von IGF-1 prä-
auch die Wirkung von VEGF auf Endothelzellen. Dies natal eine therapeutische Option darstellt, um bei Risiko-
geschieht nicht über eine Regulierung der Expression schwangerschaften das Risiko für eine Frühgeborenenre-
von VEGF sondern über eine Verstärkung der intrazel- tinopathie zu reduzieren, wird de rzeit diskutiert.
lulären, angiogenen Signalwege. Ist die Konzentration
von IGF-1 zu niedrig, kann auch VEGF nicht seine volle
gefäßbildende Wirkung ausbilden. Wird in einer Maus 9.7.2 Lösliches E-Selectin
die physiologische Expression von IGF-1 unterdrückt,
ist auch die physiologische retinale Vaskularisierung E-Selectin ist ein induzierbares Adhäsionsmolekül für Leu-
reduziert. kozyten, das auf der Oberfläche von Endothelzellen zu fin-
170 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

den ist. Die Konzentration der im Plasma nachweisbaren, dium. Heutzutage überleben immer unreifere Kinder, so-
löslichen Form von E-Selectin (»soluble« = sE-Selectin) dass das mittlere Gestationsalter und Geburtsgewicht der
korreliert mit der zellulären Expression. Erhöhte Plasma- betroffenen Kinder in den letzten Jahren abgenommen
spiegel von sE-Selectin wurden bisher bei Patienten mit hat. Etwa 71% der Kinder <27 Gestationswochen entwi-
aktiver rheumatischer Arthritis, bei Tumorpatienten aber ckeln eine Frühgeborenenretinopathie. Fast 20% dieser
auch im Zusammenhang mit proliferativer diabetischer Re- Kinder müssen behandelt werden.
tinopathie gefunden. In einer Untersuchung konnten Pieh Trotz Behandlung werden in den USA 3-4% (ca. 500
und Kollegen zeigen, dass erhöhte Plasmakonzentrationen Kinder) der Frühgeborenen jedes Jahr »legally blind« (Vi-
von sE-Selectin signifikant häufiger bei Frühgeborenen sus ≤0,1). Die Inzidenz der Frühgeborenenretinopathie
mit Frühgeborenenretinopathie gefunden werden als bei verhält sich invers zum Geburtsgewicht und Gestations-
Gleichaltrigen ohne Frühgeborenenretinopathie. Hingegen alter. Eine spezielle Geschlechterpräferenz besteht nicht.
zeigten andere im Serum nachgewiesene Faktoren wie
VEGF, lösliche VEGF-Rezeptoren R1 und R2 sowie der
lösliche Angiopoietin-Rezeptor Tie-2 keine eindeutige As- 9.9 Symptomatik und klinisches Bild
soziation. Bei den Untersuchungen an insgesamt 85 Plas-
maproben von 42 Frühgeborenen war die Erhöhung des Internationale Klassifikation der Frühgeborenen-
Plasmaspiegels von sE-Selectin um 10 ng/ml bei einem retinopathie (RPM) (1984/1987/2005)
medianen Plasmawert von 74,7 ng/ml mit einer Erhöhung In dieser Klassifikation erfolgt eine Unterteilung der Netz-
des Frühgeborenenretinopathierisikos um den Faktor 1,6 haut in die konzentrischen Zonen I-III (⊡ Abb. 9.5). Diese
signifikant erhöht. Im Vergleich dazu stieg das Risiko in orientieren sich an der physiologischen Vaskularisierung
9 dieser Studie etwa um den Faktor 5 je Woche vorzeitiger der Netzhaut mit der Papille als Ausgangs- und entspre-
Geburt. Werden beide Parameter kombiniert, kann ein chendem Mittelpunkt der Zonen. Dabei ist zu beachten,
Grenzwert berechnet werden, der es erlaubt das Auftreten dass der Netzhautrand temporal weiter von der Papille ent-
einer Frühgeborenenretinopathie mit einer Spezifität von fernt ist als nasal, die Wachstumsfront temporal also später
83% und einer Sensitivität von 92% vorauszusagen. ankommt als nasal. Die Ausdehnung wird in Stunden 1 bis
12 beschrieben (= 30 Grad Sektoren). Die Stadien 1-5 be-
schreiben die Ausprägung der Veränderungen. Zusätzlich
9.8 Epidemiologie wurde die vermehrte posteriore venöse Gefäßschlängelung
und arterielle Dilatation als »plus-disease« beschrieben.
In der EU kommen jedes Jahr ca. 7% der Kinder zu früh 2005 wurde eine Sonderform der Erkrankung mit einem
(<37 Gestationswochen) zur Welt und 1% aller Kinder
sind Frühgeborene zwischen 24-31 Gestationswochen. In
Deutschland werden ca. 700.000 Kinder pro Jahr gebo-
ren, ca. 50.000 sind davon Frühgeborene (<37 Gestati-
onswochen) und ca. 7.000 Kinder sind Frühgeborene
unter 32 Gestationswochen.
Die Überlebensrate der Frühgeborenen hat sich im
Laufe der Jahrzehnte durch optimiertere neonatologi-
schen Therapien und Überwachungsmöglichkeiten für
Kinder unter 1.000 g Geburtsgewicht deutlich verbessert
und stieg seit 1950 von 8% auf heute über 80% an. Heut-
zutage überleben ca. 90% der Kinder, die mit weniger
als 30 Gestationswochen geboren werden. Etwa 25% der
Frühgeborenen mit 24 Gestationswochen überleben, je-
doch mit einem sehr hohen Risiko an schweren körperli-
chen und geistigen Behinderungen. Die unteren Überle-
bensgrenzen liegen derzeit bei ca. 400 g Geburtsgewicht
und 23 Gestationswochen.
Die Inzidenz der Frühgeborenenretinopathie ist in
den letzten 20 Jahren konstant und beträgt für Frühge-
borene unter 1.500 g Geburtsgewicht zwischen 27-40%.
3-9% aller Frühgeborenen mit einem Gestationsalter ⊡ Abb. 9.5 Internationale Klassifikation: Unterteilung der Netzhaut in
<32 Wochen entwickeln ein behandlungsbedürftiges Sta- die Zonen I-III. (Aus Jandeck C u. Foerster MH 2007)
9.10 · Diagnostik
171 9
sehr hohen Risiko für ein schlechtes Endergebnis als »ag- 9.10 Diagnostik
gressive posteriore ROP« abgegrenzt (⊡ Tab. 9.1).
Nach Abschluss des maximalen akuten Stadiums Das Ziel aller Empfehlungen ist es, Screening-Kriterien zu
kommt es überwiegend zu einer Regression der Netzhaut- definieren, um alle Frühgeborenen zu erfassen, deren Re-
veränderungen. Die Rückbildung beginnt typischerweise tinopathie eine therapiebedürftige Ausprägung erreicht.
mit 38 postmenstruellen Wochen. Die Gefäße wachsen Verschiedene Länder haben verschiedene Screening-
über die Veränderungen hinweg und diese bilden sich Empfehlungen für die Untersuchung der Frühgebore-
meistens zurück (⊡ Abb. 9.7). Geschieht dieses nicht nen, aber die Einschlusskriterien und der Zeitpunkt der
komplett, entstehen typische Fundusveränderungen (Re- Erstuntersuchung sind für die Industrienationen nahezu
gression der Frühgeborenenretinopathie) mit möglichen gleich. Das benutzte Screening-Protokoll sollte auf den
nachfolgenden Veränderungen und Komplikationen (z.B. offiziellen Screening-Empfehlungen des jeweiligen Lan-
Netzhautablösung). des basieren.

⊡ Tab. 9.1 Zonen und Stadieneinteilung

Zonen

Zone I Die zentrale Netzhaut innerhalb eines Kreises um die Papille mit dem Radius des doppelten Papillen-Fovea Abstandes

Zone II Die mittelperiphere Netzhaut peripher der Zone I mit einem Radius des Abstandes von Papille zu nasaler Ora serrata.

Zone III Die periphere Netzhaut außerhalb von Zone II

Stadien

Stadium 1 Eine dünne, weiße, im Netzhautniveau liegende Linie zwischen vaskulärer und avaskulärer Netzhaut. Abnorme Gefäß-
verzweigungen oder besenreiserartige Gefäße können dorthin ziehen. (⊡ Abb. 9.6a)

Stadium 2 Prominente leistenförmige Netzhautverdickung, die sich im Bereich der Demarkationslinie gebildet hat und leicht
über das Netzhautniveau erhaben ist. Die Leiste ist weißlich, durch entstehende arteriovenöse Shunts kann es zu einer
relativen Hyperämie und damit Rotfärbung kommen. (⊡ Abb. 9.6b)

Stadium 3 Prominente Leiste und extraretinale fibrovaskuläre Proliferationen. Das neu gebildete Gewebe durchbricht an der
Leiste die Lamina limitans interna. In diesem Stadium entscheidet sich je nach Ausdehnung des Befundes, ob eine
Therapieindikation besteht (⊡ Abb. 9.6c)

Stadium 4 a: Partielle Netzhautablösung, welche die Makula nicht mit einbezieht. (⊡ Abb. 9.6d)
b: Partielle Netzhautablösung unter Einbeziehung der Makula

Stadium 5 Komplette Netzhautablösung mit offenem oder geschlossenem Trichter. Durch anteriore Verlagerung des retinalen
und extraretinalen Gewebes kann es zu einer retrolentalen Membranbildung kommen. (⊡ Abb. 9.6e)

»Plus disease« Vermehrte posteriore venöse Gefäßfüllung und arterielle Gefäßschlängelung in mindestens 2 Quadranten
(⊡ Abb. 9.6f )

»Pre-plus Abnormale Dilatation und Gefäßschlängelung im Bereich des hinteren Pols – jedoch nicht ausreichend für eine »plus
disease« disease«

Sonderform

Aggressive Veränderungen im Bereich des hinteren Pols, die unbehandelt zu einem Stadium 5 führen.
posteriore Charakteristische Veränderungen: posteriore Lokalisation, prominente »plus disease« (frühere »rush type disease«)
ROP Unproportionale vermehrte Gefäßfüllung und Schlängelung in allen 4 Quadranten im Verhältnis zu den peripheren
Veränderungen.
Shuntgefäße zwischen den retinalen Gefäßen nicht nur im Bereich der Vaskularisationsgrenze, dort evtl. Blutungen.
Die Veränderungen durchlaufen nicht die normale Stadieneinteilung.
Flaches Neovaskularisationsnetz an der verwaschenen Grenze zwischen durchbluteter und undurchbluteter Netzhaut
(leicht übersehbar)
Die aggressive posteriore ROP dehnt sich typischerweise zirkulär aus.
172 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

a b

c d

e f

⊡ Abb. 9.6 Frühgeborenenretinopathie-Stadien. a Stadium 1: dünne weißliche Linie an der Grenze der vaskularisierten zur avaskulären (grauen)
Netzhaut. b Stadium 2: Leiste: verdickte weißliche Linie an der Grenze der vaskularisierten zur avaskulären Netzhaut, das gräuliche dunkle Areal
ist durch die Indentation bedingt. c Stadium 3: Leiste mit extraretinalen Proliferationen über mehrere Stunden an der Grenze der vaskularisierten
zur avaskulären Netzhaut. d Stadium 4: inkomplette Netzhautablösung. e Stadium 5: komplette Netzhautablösung; die Netzhaut ist direkt hinter
der Linse sichtbar. f »Plus disease«: dilatierte und vermehrt geschlängelte Gefäße am hinteren Pol. (Aus Jandeck C u. Foerster MH 2007)
9.10 · Diagnostik
173 9
Kürzere Kontrollabstände als eine Woche können bei
rasch progredienter Retinopathie und/oder sehr unreifer
Netzhaut nötig sein.

Zweiwöchentlich
▬ Vaskularisationsgrenze in der peripheren Zone II
ohne Frühgeborenenretinopathie oder mit FRÜH-
GEBORENENRETINOPATHIE-Stadium 1
▬ Vaskularisationsgrenze in der Zone III ohne oder mit
Frühgeborenenretinopathie

Längere Untersuchungsabstände
▬ Falls über mehrere Untersuchungstermine ein rück-
läufiger Befund festgestellt wurde
▬ Nach dem errechneten Geburtstermin

z Abschluss der Screening-Untersuchungen auf akute


Frühgeborenenretinopathie
▬ Wenn die Netzhaut peripher zirkulär vollständig
⊡ Abb. 9.7 Netzhautgefäße wachsen über die ehemalige Leiste
nach peripher in die avaskuläre Netzhaut. (Aus Jandeck C u. Foerster
vaskularisiert ist
MH 2007) ▬ Wenn eine deutliche Regression der peripheren
Netzhautveränderungen der akuten Frühgebore-
nenretinopathie zu erkennen ist, aber erst nach dem
errechneten Geburtstermin (⊡ Abb. 9.7)
9.10.1 Frühgeborenenretinopathie-
Screening nach den deutschen z Untersuchungen nach Abschluss der Screening-
Screening-Kriterien von 2008 Untersuchungen auf akute Frühgeborenenretino-
pathie
Folgende Frühgeborene sollten entsprechend dem nach- ▬ Mindestens halbjährlich im ersten und zweiten
folgenden Screening-Schema auf Veränderungen im Sinne Lebensjahr und jährlich im dritten Lebensjahr
einer Frühgeborenenretinopathie untersucht werden:
Im Gegensatz zu den amerikanischen Screening-Krite-
z Einschlusskriterien rien (2006) wird in Deutschland die erste Untersuchung
▬ Frühgeborene mit einem Gestationsalter unter bei allen Kindern unabhängig von dem Gestationsalter in
32 Wochen (bei nicht sicher bekanntem Gestationsal- der 6. Lebenswoche, jedoch nicht vor 31 postmenstruel-
ter bei einem Geburtsgewicht ≤1.500 g) unabhängig len Wochen durchgeführt.
von einer zusätzlichen Sauerstoffgabe Die Zeitspanne des Auftretens für ein behandlungs-
▬ Frühgeborene zwischen 32 und 36 Wochen Gestati- bedürftiges Stadium liegt in der Literatur meistens zwi-
onsalter, wenn postnatal mehr als 3 Tage Sauerstoff schen 32-42 postmenstruellen Wochen, wobei das Ma-
gegeben wurde ximum bei 37 postmenstruellen Wochen (unabhängig
vom Gestationsalter) liegt. Vor 31 und nach 48 post-
z Erstuntersuchung menstruellen Wochen war in keiner Studie die Behand-
▬ In der 6. postnatalen Woche (Lebenstag 36-42), lung einer Retinopathie notwendig. Eine Untersuchung
aber nicht vor einem postmenstruellen Alter von vor 31 postmenstruellen Wochen ist somit nicht erfor-
31 Wochen derlich und erspart dem Säugling die deutliche kör-
perliche Stressbelastung. Bei unreifen Frühgeborenen
z Folgeuntersuchungen kann es unter Umständen durch eine Untersuchung
Wöchentlich zu Bradykardie und Apnoen oder im schlimmsten Fall
▬ Vaskularisationsgrenze in Zone I oder in der zentralen zu akutem Herz-Lungen-Versagen kommen. Behand-
Zone II ohne oder mit Frühgeborenenretinopathie lungsbedürftige Retinopathien vor der 6. Lebenswo-
▬ Vaskularisationsgrenze in Zone II mit Frühgebore- che, sogenannte »rush types«, sind in der Literatur
nenretinopathie-Stadium 2 oder 3 Raritäten.
▬ Jede Frühgeborenenretinopathie mit »plus disease«
174 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

9.11 Untersuchungstechnik 9.12 Indikationen zur Therapie

Die Untersuchung der Frühgeborenen sollte in einem Die Indikationen für die Behandlung variieren gering-
abgedunkelten Raum in medikamentöser Mydriasis (z.B. fügig zwischen den unterschiedlichen Staaten, basieren
2,5% Phenylephrin + 0,5% Tropicamid 2- bis 3-mal ge- jedoch alle auf den Ergebnissen der multizentrischen
tropft im Abstand von 5-10 min) durchgeführt werden. amerikanischen CRYO-ROP-Studie (1990) und der ET-
Eine zweite Person fixiert das Kind. Vor der Untersu- ROP-Studie (2003).
chung sollte eine Händedesinfektion erfolgen und für
jedes Kind neue sterile Instrumente verwendet werden.
Nach Gabe eines Lokalanästhetikums und Einsetzen eines 9.12.1 Indikationen zur Behandlung
Lidsperrers kann mit einem Lokalisator oder Schielhaken mittels Laserkoagulation nach der
bei binokularer Ophthalmoskopie durch Bulbusrotation deutschen Leitlinie (2008)
und -indentation auch die äußerste Netzhautperipherie
eingesehen werden (⊡ Abb. 9.8). In Abhängigkeit von der Vaskularisationsgrenze:
Bei der Untersuchung sollte zuerst der vordere Au- ▬ In der Zone III
genabschnitt beurteilt werden. Insbesondere ist auf die – In der Zone III ist eine Therapie in der Regel nicht
Pupillenweite, eine Tunica vasculosa lentis, sowie eine erforderlich
Rubeosis iridis zu achten. Bei der Beurteilung der Netz- ▬ In der Zone II
haut ist die Vaskularisationsgrenze festzulegen und die – Stadium 3 mit extraretinalen Proliferationen
Beurteilung der Gefäße bezüglich einer »plus disease« über mindestens 5 zusammenhängende oder
9 erforderlich. 8 nicht-zusammenhängende Stunden, in Ver-
Eine eindeutige Dokumentation des erhobenen Be- bindung mit einer »plus disease« in mindestens
fundes mit Festlegung des Zeitpunktes der Kontrollunter- 2 Quadranten
suchung oder ggf. des Datums der Behandlung oder des – Im Einzelfall kann eine frühere Therapie angezeigt
Screening-Abschlusses sollte vermerkt werden. sein (z. B. bei rascher Progression, beginnender
Verziehung der Netzhaut)
▬ In der Zone I
– »Plus disease« in mindestens 2 Quadranten unab-
hängig vom Stadium
– Stadium 3 ohne »plus disease«

Wird die Indikation zur Therapie gestellt, sollte die Be-


handlung innerhalb weniger Tage erfolgen.

9.12.2 Indikationen zur Behandlung nach


den Kriterien der ETROP-Studie

Behandlung bei Typ 1 (ETROP)


In Abhängigkeit von der Vaskularisationsgrenze:
▬ In der Zone II
– Stadium 2 oder 3 mit »plus disease«
▬ In der Zone I
– »Plus disease« in mindestens 2 Quadranten unab-
hängig vom Stadium
– Stadium 3 mit oder ohne »plus disease«

Kontrolle bei Typ 2 (ETROP):


In Abhängigkeit von der Vaskularisationsgrenze:
▬ In der Zone II
– Stadium 3 ohne »plus disease«
⊡ Abb. 9.8 Netzhautuntersuchung eines Frühgeborenen im Inkuba- ▬ In der Zone I
tor. (Aus Jandeck C u. Foerster MH 2007) – Stadium 1 oder 2 ohne »plus disease«
9.13 · Therapie
175 9
In der ETROP-Studie (Early Treatment of Retinopathy 9.13 Therapie
of Prematurity) erfolgte eine Behandlung bereits zu ei-
nem »früheren« Zeitpunkt verglichen mit der CRYO- 9.13.1 Kryokoagulation
ROP-Studie. Hier wurde anhand einer Risikoanalyse für
eine behandlungsbedürftige Frühgeborenenretinopathie Nagata behandelte 1968 erstmals die Netzhautverände-
die Augen in »high risk« und »low risk« eingeteilt. Eine rungen bei einer Frühgeborenenretinopathie mit dem
Behandlung erfolgte nun schon, wenn in der Zone I eine Xenonkoagulator. Weitere japanische Arbeitsgruppen
»plus disease« oder ein Stadium 3 mit oder ohne »plus haben über eine erfolgreiche Koagulationstherapie der
disease« bestand. In der Zone II wurde eine Behand- aktiven Stadien berichtet, wobei Yamashita erstmals die
lung bei Vorliegen einer »plus disease« in den Stadien 2 Kryokoagulation einsetzte.
oder 3 durchgeführt. Durch diese »frühere« Behandlung Die amerikanische multizentrische CRYO-ROP-
konnten signifikant bessere funktionelle und strukturelle Studie (1988) ergab einen so eindeutigen Nachweis des
Ergebnisse erreicht werden. Therapieerfolges, dass bereits vor dem geplanten Studie-
In dem Zweijahresbericht sind die Ergebnisse weiter nende die ersten Ergebnisse veröffentlicht wurden. Durch
nach den einzelnen Zonen aufgeschlüsselt. Für die Zone II Kryokoagulation der avaskulären peripheren Netzhaut
lässt sich kein signifikanter Unterschied zwischen den konnte eine Reduktion der Inzidenz eines »unfavorable
beiden Behandlungszeitpunkten feststellen. In der Studie outcome« von 43% auf 21,8% erreicht werden. Auch
wurde zusätzlich beobachtet, dass Säuglinge, die früher 15 Jahre nach der Rekrutierung der Studienkinder zeigen
behandelt wurden häufiger systemische Nebenwirkungen die Ergebnisse unverändert den positiven Effekt der Ko-
hatten. In den 3 Jahresergebnissen fanden sich für beide agulationsbehandlung. Die Anzahl der Augen mit einem
Gruppen eine Myopieinzidenz in ca. 70% und ein Astig- »unfavorable outcome« nimmt jedoch auch nach 15 Jah-
matismus ≥1 dpt in ca. 43%. 2010 erschien der Abschluss- ren noch weiter langsam zu: »unfavorable outcome« für
bericht dieser Studie: Für alle behandelten Augen ließ sich behandelte Augen 30% und für Kontrollaugen 51,9%.
im Alter von 6 Jahren bezüglich des Visus kein signifi- In der CRYO-ROP-Studie wurde ein monokularer
kanter Unterschied zwischen früher und konventioneller Visus (geprüft mit ETDRS-Tafeln) von ≤0,1 als »unfa-
Behandlung feststellen. Es fand sich jedoch ein deutlicher vorable outcome« definiert. In den 10-Jahresergebnissen
signifikanter Unterschied zugunsten der früheren Behand- der CRYO-ROP-Studie hatten behandelten Augen nur in
lung, für Kinder, die in die Risikogruppe Typ 1 eingestuft 44,4% einen Visus ≤0,1, unbehandelte Auge dagegen in
wurden. Ebenso wurde ein deutlicher Unterschied für 62,1%. Unter Voraussetzung einer Netzhautanlage, war
Augen mit einem Stadium 3 in der Zone I gefunden. Hier der Anteil der Augen, die einen Visus von 0,5 oder bes-
hatten in der früh behandelten Gruppe nur 30% einen ser erreichten in beiden Gruppen gleich groß (25,2%
Visus ≤0,1 (»unfavorable outcome«) verglichen mit 65% behandelte Augen, 23,7% unbehandelte Augen). Für das
in der konventionell behandelten Gruppe. Kontrastsehen ließ sich ebenfalls ein signifikanter Un-
terschied zugunsten der behandelten Augen nachweisen.
Das Gesichtsfeld war nach Kryokoagulation nur um 7%
9.12.3 Sonderform: Zone-I-Erkrankung gegenüber unbehandelten Augen mit einem Stadium 3+
reduziert. Das Gesichtsfeld war jedoch bei allen Augen
Ein retinales Gefäßnetz, das sich bei Erstuntersuchung nur mit einer schweren Retinopathie (Stadium 3+) unabhän-
auf die Zone I beschränkt, ist sehr selten. In der CRYO- gig von einer Behandlung signifikant kleiner als bei Au-
ROP-Studie (1990) lag nur in 5% eine Zone-I-Erkrankung gen ohne eine Frühgeborenenretinopathie.
vor. 33% dieser Augen wurden nach Erreichen der Schwel- Bei der Kryokoagulation wird die gesamte avaskuläre
lenkriterien behandelt. Es wird jedoch eine sehr hohe Netzhaut konfluierend zerstört. Sie ist nur indiziert, wenn
Misserfolgsrate von 78% beschrieben. Andere Studien eine Behandlung mit Laserverfahren nicht möglich ist.
zeigten, dass allein durch die Änderung der Koagulations-
form: Laser- statt Kryokoagulation in der Zone I der »un-
favorable outcome« auf 15-36% gesenkt werden konnte. In 9.13.2 Laserkoagulation
der ETROP-Studie lag in 40% die Grenze der Vaskulari-
sierung in der Zone I. Aufgrund der früheren Behandlung Die Therapie der Wahl ist die indirekte Laserkoagulation
gegenüber der konventionellen Behandlung, konnte der (Diodenlaser, Argonlaser). Diese hat im Vergleich zur
»unfavorable outcome« signifikant von 53,8% auf 29,6% Kryokoagulation bessere anatomische, funktionelle und
reduziert werden. Diese Ergebnisse führten weltweit zu refraktive Ergebnisse. Der Diodenlasser hat aufgrund sei-
einer Änderung der Behandlungskriterien und damit zu ner Wellenlänge gegenüber dem Argonlaser Vorteile. Bei
einer früheren Behandlung in der Zone I. ausgeprägter Tunica vasculosa lentis besteht aufgrund der
176 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

geringeren Absorption in den Gefäßen und damit gerin- 9.13.3 Behandlung bei Stadium 4 und 5
geren Wärmebildung im anterioren Bereich ein geringe-
res Risiko einer Kataraktentstehung. Zur netzhautchirurgischen Behandlungen der fortge-
In Augen mit einer ausgeprägten Tunica vasculosa lentis schrittenen Frühgeborenenretinopathie-Stadien liegen
und damit reduziertem Angehen der Laserherde sollte eine u.a. aufgrund der geringen Fallzahl, keine kontrollierten
transsklerale Diodenlaserkoagulation erwogen werden. Studien vor. Eine Netzhautablösung, die durch ein noch
aktives Stadium 3 entsteht, kann sich teilweise spontan
Behandlungsprinzip zurückbilden, wenn die Gefäße weiter in das avaskuläre
Bei allen Behandlungsmethoden wird das avaskuläre Areal vorwachsen. In Augen mit einem Stadium 4a kann
Areal peripher der Leiste koaguliert. Die Leiste sollte in seltenen Fällen allein durch eine Kryokoagulation mit
zur Vermeidung einer Blutung nicht mitbehandelt wer- peripherer Narbenbildung die Netzhaut wieder ange-
den. Bei der indirekten Laserkoagulation werden die La- legt werden. Durch eine »lens sparing vitrectomy« im
serherde angrenzend an die Leiste in dichtem (ca. 1/4 Stadium 4a konnte eine Wiederanlegungsrate von 80%
Herdbreite) Abstand gesetzt. Zur Peripherie hin kann der bis 90% erreicht werden. Die funktionellen Ergebnisse
Abstand bis auf eine Herdgröße erweitert werden. Zur waren mit einem Visus von ca. 0,3 oder besser sehr gut.
Koagulation ist eine 20-dpt- oder 2,2-dpt-Lupe in Ver- Im Stadium 4b und 5 konnte in einer älteren Studie
bindung mit einem Kopfophthalmoskop empfehlenswert. durch eine Cerclage eine Netzhautanlage in 59% bis 75%
Die erforderliche Herdzahl ist abhängig von der Größe erreicht werden. In dem fortgeschrittenen Stadium 5 war
des avaskulären Areals und der verwendeten Lupe und in einigen wenigen Studien ein anatomischer Erfolg in
kann zwischen 600-2.000 Spots schwanken (⊡ Abb. 9.9). 31% bis 76% mit einer »lens sparing vitrectomy« mög-
9 Dementsprechend dauert die Behandlung eines Auges lich. Ein orientierender Visus wurde jedoch aufgrund
zwischen 20 und 40 Minuten. der Mitbeteiligung der Makula nur in 11% bis 30% er-
reicht.
Praxistipp I I Aufgrund der deutlichen Diskrepanz zwischen ana-
Die Laserkoagulation bei Frühgeborenen sollte im tomischen und funktionellen Erfolg sollte bei Stadium 4
Rahmen einer Kurznarkose durchgeführt werden. oder 5 eine Therapieentscheidung individuell getroffen
Zur Laserkoagulation der peripheren Netzhaut ist ein werden.
Skleraindentator erforderlich. Immer nur peripher der
Leiste koagulieren, nie die Leiste selbst mit behandeln!
9.13.4 Anti-VEGF-Therapie

Zur Verbesserung der Frühgeborenenretinopathie-The-


rapie mit weniger akuten und späten Komplikationen
und Langzeitveränderungen wird nach einer alternati-
ven erfolgreicheren Therapie gesucht. Als neue Behand-
lungsmethode steht die intravitreale Medikamentenein-
gabe von Anti-VEGF zur Verfügung. Anfangs wurden
hierzu nur kleine Fallberichten im Stadium 3 oder 4
alternativ mit und ohne zusätzliche Laserkoagulation
publiziert. Anfang 2011 erschien die erste größere ran-
domisierte Studie mit 150 Kindern (BEAT-ROP-Studie).
Nach Erreichen der Behandlungskriterien »Stadium 3+«
wurde entweder einer Behandlung mit Bevacizumab
(0,625 mg in 0,025 ml) oder eine Laserkoagulation
durchgeführt. Die Behandlungsergebnisse nach 54 Wo-
chen waren in der Anti-VEGF-Gruppe signifikant bes-
ser. Jedoch zeigte sich dieser Unterschied nur bei einer
Zone-I-Erkrankung. Für die Zone II sind die bisher
berichteten Ergebnisse, besonders für eine Behandlung
im Stadium 3 viel versprechend. In einzelnen Fällen
⊡ Abb. 9.9 Stadium 3 mit extraretinalen Proliferationen, vermehrte
wurde jedoch nach einer lokalen Anti-VEGF-Therapie
Gefäßfüllung, frische Laserherde in dem avaskulären Areal. (Aus Jan- das Auftreten zystischer Lungenveränderungen beob-
deck C u. Foerster MH 2007) achtet.
9.16 · Ausblick
177 9
! Cave! toren für ein schlechtes Sehvermögen sind neurologische
Nach der derzeitigen Studienlage scheint in der Veränderungen, behandelte Frühgeborenenretinopathie,
Zone I eine Therapie mit Bevacizumab der Laser- Anisometropie und Astigmatismus. Weitere okuläre Ver-
koagulation überlegen zu sein. In der Zone II änderungen sind eine erhöhte Strabismus- und Nystag-
erlauben die bisherigen Studien noch keine end- musinzidenz, Sekundärglaukom und eine erhöhte Kata-
gültige Aussage. Beachten sollte man mögliche raktrate.
systemische Nebenwirkungen der intravitrealen Durch sekundäre Veränderungen des Glaskörpers
Anti-VEGF-Therapie bei Frühgeborenen mit können vitreoretinale Traktionen mit nachfolgenden
schlechter Lungenreife. Netzhautforamina und Netzhautablösungen entstehen.
Diese Art der Netzhautablösung entsteht typischerweise
in der Pubertät. Zur Behandlung dieser Netzhautablösung
9.13.5 Konservative Therapieverfahren ist die Pars-plana Vitrektomie eine erfolgreiche Behand-
lungsmethode. In der »Classification late stages (1988)«
Verschiedene konservative Therapieverfahren (vorüberge- wurden die retinale Pigmentveränderungen, Netzhaut-
hend erhöhte Sauerstoffzufuhr, Lichtschutz, Vitamin-E- verziehung, vitreoretinale Degenerationen, Netzhautfal-
Gabe) zur Behandlung bzw. Prophylaxe höherer Frühge- ten, Netzhautforamina beschrieben.
borenenretinopathie-Stadien wurden untersucht. Bislang
hat jedoch kein Verfahren eine eindeutige Wirkung ge-
zeigt. Eine Verhinderung der Frühgeborenenretinopathie- 9.15 Differentialdiagnosen
Entwicklung durch eine Surfactant-Gabe oder Erhöhung
der CO2-Konzentration im Blut konnte nicht nachgewie- Die Differentialdiagnosen zu einer Frühgeborenenretino-
sen werden. Evtl. führt eine erhöhte CO2-Konzentration pathie sind abhängig vom jeweiligen Frühgeborenenreti-
sogar zu einer Zunahme abnormaler Gefäße. Die präna- nopathie-Stadium. In den früheren Stadien sind es Ver-
tale Glukokortikoidgabe hat evtl. einen protektiven Ef- änderungen mit peripher avaskulärer Netzhaut, wie die
fekt. Eine verlängerte (>3 Wochen) postnatale Glukokor- familiäre exsudative Vitreoretinopathie, die Incontinentia
tikoidgabe scheint das Risiko für eine Frühgeborenenreti- pigmenti (Bloch-Sulzberger Erkrankung) oder das Nor-
nopathie eher zu erhöhen. Eine tägliche Vitamin-A-Gabe rie-Syndrom. In den Spätstadien sind es Erkrankungen,
wird bei sehr unreifen Frühgeborenen empfohlen, da ein die mit einer Leukokorie einhergehen, wie kongenitale
niedriger Vitamin-A-Spiegel die Frühgeborenenretinopa- Katarakt, persistierender hyperplastischer primärer Vitre-
thie-Entstehung begünstigt. ous (PHPV), Retinoblastom, okuläre Toxocarainfektion,
Morbus Coats, Uveitiden und Glaskörperblutungen.

9.14 Spätveränderungen
9.16 Ausblick
Verschiedene Studien fanden, auch nach Abschluss der
akuten Phase der Frühgeborenenretinopathie und bei Durch die verbesserte Neonatalmedizin überleben immer
Frühgeborenen ohne primäre Netzhautveränderungen, mehr unreifere Kinder. Diese unreiferen Kinder haben
in 25-59% okuläre Veränderungen. Dazu gehören z. B. ein erhöhtes Risiko für retinale Veränderungen.
Refraktionsfehler (Myopie), die nicht nur nach einer Ko- Die CRYO-ROP-Studie / ETROP-Studie haben ein-
agulationsbehandlung, sondern auch bei Frühgeborenen deutig gezeigt, dass durch ein optimales Screening der
mit schweren Netzhautveränderungen entstehen können. Frühgeborenen mit Koagulationsbehandlung in bestimm-
Frühgeborene, die keine schwere Netzhautveränderung ten Stadien eine Verbesserung des Sehvermögens erreicht
aufwiesen und deren Veränderungen spontan rückläufig und die Erblindungsrate gesenkt wird.
waren, haben im Vergleich zur Normalbevölkerung kein Die Behandlung der Frühgeborenenretinopathie hat
erhöhtes Risiko für einen Refraktionsfehler oder eine Ani- sich im Laufe der Jahre von einer sehr destruktiven Kryo-
sometropie. Die Astigmatismusrate, gemessen im Alter koagulationstherapie zu einer weniger destruktiven Laser-
von 3 Jahren, ist bei Augen mit schweren Frühgeborenen- koagulationstherapie weiterentwickelt. Die Behandlungs-
retinopathie-Veränderungen auf ca. 40% erhöht. Mehrere ergebnisse einer Therapie mit Bevacizumab sind in der
Studien bzgl. des funktionellen Ergebnisses zeigten, dass Zone I der Laserkoagulation überlegen (BEAT-ROP-Stu-
durch die Koagulationsbehandlung die Myopieinzidenz die) und bisher ohne lokale oder systemische Nebenwir-
im Vergleich zu unbehandelten Augen steigt. kungen. Wenn in der Zone II auch Evidenz-basierte Da-
Im Alter von 10 Jahren hatten 25% der ehemaligen ten, die beschriebenen Ergebnisse bestätigen, kann Beva-
Frühgeborenen eine schwere Sehstörung. Hauptrisikofak- cizumab zur Behandlung der Frühgeborenenretinopathie
178 Kapitel 9 · Frühgeborenenretinopathie

als Alternative zur Lasertherapie, bevor eine Netzhautab- Darlow BA, Gilbert C, Quinn GE, Azad R, Ells AL, Fielder A, Zin A (2009)
lösung entsteht, empfohlen werden. Besonders in Augen Promise and potential pitfalls of anti-VEGF drugs in retinopathy
of prematurity. Br J Ophthalmol. 93:986
mit reduziertem Einblick aufgrund einer Glaskörperblu-
Ehlken C, Martin G, Lange C, Gogaki EG, Fiedler U, Schaffner F, Hansen
tung, enger rigider Pupille oder bei der aggressiven pos- LL, Augustin HG, Agostini HT (2011) Therapeutic interference
terioren Frühgeborenenretinopathie wird Bevacizumab with EphrinB2 signalling inhibits oxygen-induced angioprolifera-
sehr wahrscheinlich erfolgreich sein, da diese Augen sehr tive retinopathy. Acta Ophthalmol. Sep 17. 89:82-90
schlecht auf eine Laserbehandlung ansprechen. Dorrell MI, Aguilar E, Jacobson R, Trauger SA, Friedlander J, Siuzdak G,
Friedlander M (2010) Maintaining retinal astrocytes normalizes
Derzeit ist es möglich, im Gegensatz zu anderen revascularization and prevents vascular pathology associated
Erkrankungen, durch ein effektives Screening Protokoll with oxygen-induced retinopathy. Glia 58(1):43-54
alle Kinder zum optimalen Zeitpunkt zu erfassen und Good WV, Hardy RJ, Dobson V, Palmer EA, Phelps DL, Tung B, Red-
damit die schweren Stadien der Netzhautveränderung ford M (2010) Final visual acuity results in the early treatment
for retinopathy of prematurity study. Early Treatment for Reti-
früh genug für eine angemessene Therapie zu entdecken.
nopathy of Prematurity Cooperative Group, Arch Ophthalmol.
Dieser Zeitpunkt ist jedoch für die Gesundheitssysteme Jun;128:663-71.
verschiedener Länder unterschiedlich und abhängig von Jandeck C (2009) Neue therapeutische Ansätze in der Behand-
dem jeweiligem Entwicklungsstand der Neonatologie und lung der Frühgeborenenretinopathie. Klin Mbl Augenheilkd
den sozioökonomischen Bedingungen des Landes. Durch 226;914-20 Review
Jandeck C u. Foerster MH (2007) Clinical course and treatment. In:
die optimale Betreuung der Frühgeborenen kann eine
Joussen AM, Gardner TW, Kirchhof B, Ryan SJ (Hrsg) Retinal Vas-
Erblindung weitestgehend verhindert werden. Die Spät- cular Disease. Springer Berlin Heidelberg, p 403-417
folgen der regressiven Netzhautveränderungen erfordern Jandeck C, Kellner U, Lorenz B, Seiberth V. Arbeitsgruppe der Reti-
jedoch eine intensive weitere lebenslange Betreuung. nologischen Gesellschaft zur Erstellung der Leitlinie zur augen-
9 ärztlichen Screening-Untersuchung von Frühgeborenen (2008)
Augenärztliche Screening-Untersuchung von Frühgeborenen
Fazit für die Praxis
Klin Mbl Augenheilkd 225:123-130
▬ Die Frühgeborenenretinopathie ist eine Erkrankung, die Lange C, Ehlken C, Stahl A, Martin G, Hansen L, Agostini HAT (2009)
nur bei Frühgeborenen auftritt. Kinetics of retinal vaso-obliteration and neovascularisation in the
▬ Die Unreife der Kinder in Kombination mit einer vermehr- oxygen-induced retinopathy (OIR) mouse model. Graefes Arch
ten Sauerstoffzufuhr kann zu einer Ischämie der Netzhaut Clin Exp Ophthalmol. 247(9):1205-11.
Löfqvist C, Hansen-Pupp I, Andersson E, Holm K, Smith LE, Ley D,
mit nachfolgendem vermehrtem Gefäßwachstum führen.
Hellström A. (2009) Validation of a new retinopathy of prema-
▬ Durch ein zeitgerechtes Screening haben wir die Mög- turity screening method monitoring longitudinal postnatal
lichkeit, alle behandlungsbedürftigen Kinder rechtzeitig weight and insulinlike growth factor I. Arch Ophthalmol.
zu erfassen und somit eine Therapie zum optimalen Zeit- 127(5):622-7.
punkt durchzuführen. Damit kann das Erblindungsrisiko Magnussen AL, Rennel ES, Hua J, Bevan HS, Beazley Long N, Lehrling
C, Gammons M, Floege J, Harper SJ, Agostini HT, Bates DO, Chur-
deutlich reduziert werden.
chill AJ (2010) VEGF-A165b is cytoprotective and antiangiogenic
▬ Die Einschlusskriterien, Untersuchungsfrequenz und The- in the retina. Invest Ophthalmol Vis Sci. 51(8):4273-81.
rapieindikation sollten entsprechend der Leitlinie (2008) Mintz-Hittner HA, Kennedy KA, Chuang AZ; BEAT-ROP Cooperative
durchgeführt werden. Group (2011) Efficacy of intravitreal bevacizumab for stage 3+
▬ Die indirekte Laserkoagulation bei behandlungsbedüfti- retinopathy of prematurity. N Engl J Med. 17;364(7):603-15.
ger Frühgeborenenretinopathie ist aufgrund der im Ver- Ng E Y, Connolly B P, McNamara J A, Regillo C D, Vander J F, Tasman W
(2002) A comparison of laser photocoagulation with cryotherapy
gleich zur Kryokoagulation besseren anatomischen und
for threshold retinopathy of prematurity at 10 years: part 1. Visual
funktionellen Ergebnisse die Therapie der Wahl. function and structural outcome. Ophthalmology 109: 928-934;
▬ Neuere Studiendaten zur Behandlung mit Bevacizumab discussion 935
sind vielversprechend. Die intravitreale Medikamenten- Palmer EA, Flynn JT, Hardy RJ, et al. (1991) Incidence and early
gabe ist wenig destruktiv. course of retinopathy of prematurity. The Cryotherapy for Re-
tinopathy of Prematurity Cooperative Group. Ophthalmology
▬ Die Frühgeborenenretinopathie ist eine lebenslange
98(11):1628-40
Erkrankung. Auch nach Abschluss der akuten Phase kön- Palmer EA, Hardy RJ, Dobson V, Phelps DL, Quinn GE, Summers CG,
nen Veränderungen, wie z.B. Myopie, Strabismus und sel- Krom CP, Tung B (2005) Cryotherapy for Retinopathy of Prema-
ten eine Katarakt oder eine Netzhautablösung, auftreten. turity Cooperative Group. 15-year outcomes following threshold
retinopathy of prematurity: final results from the multicenter trial
of cryotherapy for retinopathy of prematurity. Arch Ophthalmol.
123:311-8.
Literatur Pieh C, Krüger M, Lagrèze WA, Gimpel C, Buschbeck C, Zirrgiebel U,
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Connolly BP, Ng EY, McNamara JA, Regillo CD, Vander JF, Tasman W possible surrogate marker of retinopathy of prematurity. Invest
(2002) A comparison of laser photocoagulation with cryotherapy Ophthalmol Vis Sci. 51(7):3709-13.
for threshold retinopathy of prematurity at 10 years: part 2. Re- Pieh C, Agostini H, Buschbeck C, Krüger M, Schulte-Mönting J, Zirrgie-
fractive outcome. Ophthalmology 109:936-941 bel U, Drevs J, Lagrèze WA (2008) VEGF-A, VEGFR-1, VEGFR-2 and
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179 9
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maturity randomized trial. Arch Ophthalmol 121:1684–1696
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Group (2006) The Early Treatment for Retinopathy of Prematurity
Study: structural findings at age 2 years. British Journal of Oph-
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of Retinopathy of Prematurity (1987) An international classifica-
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retinopathy of prematurity. Arch Ophthalmol. 128(4):443-7
Yang CS, Wang AG, Sung CS, Hsu WM, Lee FL, Lee SM (2010) Long-
term visual outcomes of laser-treated threshold retinopathy of
prematurity: a study of refractive status at 7 years. Eye 24:14-20
10

Verschlusserkrankungen

10.1 Plasmaproteine und 10.3.7 Differentialdiagnose – 220


Gerinnung – 182 10.3.8 Behandlungsprinzipien – 220
L.-O. Hattenbach, C. Hattenbach 10.3.9 Systemische Begleit-
10.1.1 Störungen der Gerinnung und intra- erkrankungen – 223
okuläre Blutungen – 183 10.3.10 Wirksamkeitsvergleich – 223
10.1.2 Disseminierte intravasale Koagulopathie 10.3.11 Wie sollte behandelt werden? – 223
(DIC) – 184
10.4 Retinale arterielle Verschlüsse – 224
10.1.3 Gerinnungsstörungen als
N. Feltgen
Ursache arterieller retinaler Gefäß-
10.4.1 Definition – 224
verschlüsse – 184
10.4.2 Einleitung – 224
10.1.4 Gerinnungsstörungen als
10.4.3 Pathogenese – 224
Ursache venöser retinaler Gefäß-
10.4.4 Epidemiologie – 225
verschlüsse – 186
10.4.5 Symptomatik und klinisches Bild – 226
10.1.5 Hyperviskositätssyndrom und retinale
10.4.6 Diagnostik – 228
Gefäßverschlüsse – 188
10.4.7 Therapie – 229
10.2 Zentralvenenverschluss (ZVV) – 189
10.5 Okuläres Ischämiesyndrom
L.L. Hansen
(OIS) – 231
10.2.1 Grundlagen – 189
J. M. Rohrbach, H. Heimann
10.2.2 Ätiologie und Pathogenese – 189
10.5.1 Definition – 231
10.2.3 Klinisches Bild – 194
10.5.2 Einleitung – 231
10.2.4 Diagnose und Differential-
10.5.3 Pathogenese – 232
diagnose – 201
10.5.4 Epidemiologie – 233
10.2.5 Medizinische Behandlung – 205
10.5.5 Symptomatik und klinisches Bild/
10.2.6 Chirurgische und Laser-
Diagnose – 234
behandlung – 211
10.5.6 Differentialdiagnose – 237
10.2.7 Leitlinien zur Therapie – 213
10.5.7 Therapie – 237
10.3 Retinaler Venenastverschluss – 215 10.5.8 Prognose/Schlussbemerkungen – 238
N. Feltgen, H. Hoerauf
Literatur – 238
10.3.1 Einleitung – 215
10.3.2 Epidemiologie – 215
10.3.3 Pathophysiologie und Risiko-
faktoren – 215
10.3.4 Einteilung – 216
10.3.5 Klinisches Blid – 217
10.3.6 Spontanverlauf – 220

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_10,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
182 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Okuläre Gefäßverschlüsse sind eine der häufigsten Ursachen nente ist mit der Gefahr von Blutungen (»Hämophilie«)
für eine bleibende Sehminderung. Deren Folgekomplikatio- verbunden, eine Verschiebung zugunsten der koagulato-
nen können nicht nur zu einer Funktionseinschränkung füh- rischen Komponente mit einer vermehrten Neigung zur
ren, sondern auch das Auge selber in seiner Existenz gefähr- Blutgerinnung (»Thrombophilie«).
den. Die Prognose hängt im Wesentlichen von der Lokalisa- Die Blutgerinnung stellt ein komplexes Geschehen
tion, dem Ausmaß und der Dauer der retinalen Ischämie ab. dar. Zu den daran beteiligten Komponenten zählen
Grundsätzlich unterscheidet man arterielle und venöse Ver- ▬ Plasmaproteine,
schlüsse, jedoch gibt es auch Mischbilder, wie beispielsweise ▬ Thrombozyten,
beim retinalen Ischämiesyndrom. Retinale Gefäßverschlüsse ▬ Strukturen der Gefäßwand und
haben meist systemische Ursachen, deren Abklärung und ad- ▬ Leukozyten.
äquate Therapie nicht nur den ophthalmologischen Verlauf,
sondern auch die Prognose des zukünftigen Morbiditäts- Obwohl man zwischen Thrombozyten-vermittelter (pri-
und Mortalitätsgrades der Betroffenen beeinflussen wird. In märer) und plasmatischer (sekundärer) Blutgerinnung
diesem Zusammenhang kommt der interdisziplinären Zu- unterscheidet, sind doch beide Vorgänge eng miteinander
sammenarbeit eine zentrale Bedeutung zu. So erfordert die verknüpft. So wird die plasmatische Gerinnung durch die
allgemeine Abklärung zugrunde liegender kardiovaskulärer Thrombozyten gesteuert, während Thrombin im Gegen-
Erkrankungen spezielle weiterführende Untersuchungen wie zug eine Aktivierung der Thrombozyten bewirkt.
die Thrombophiliediagnostik, sodass eine enge Kooperation Initiiert wird die plättchenvermittelte Blutgerinnung
mit anderen Fachdisziplinen benötigt wird. mit Bildung von Plättchenaggregaten durch den Kontakt
mit subendothelialen Gefäßwandstrukturen oder anderen
extravasalen Oberflächen, z.B. im Falle einer Gefäßverlet-
10.1 Plasmaproteine und Gerinnung zung. Gleichzeitig kommt es zu Auslösung der Kaskade
der plasmatischen Gerinnung, deren zentraler Mechanis-
10 L.-O. Hattenbach, C. Hattenbach mus in der Umwandlung von Prothrombin zu Thrombin,
dem »Schlüsselenzym« der Gerinnung besteht. Thrombin
Die häufigsten im Blutplasma vorkommenden Blutpro- wandelt schließlich lösliches Fibrinogen in unlösliches Fib-
teine bezeichnet man als Plasmaproteine. Im Blutplasma rin um, das die lockeren Plättchenaggregate stabilisiert und
kommen ca. 100 verschiedene Proteine und Glykopro- so erst ein festes Blutgerinnsel herstellt. Unter physiologi-
teine vor, die sich nach elektrophoretischer Trennung schen Bedingungen dient die Bildung eines Blutgerinnsels
in Albumine und Globuline unterteilen lassen. Ihr Ge- zur Gewährleistung eines stabilen Wundverschlusses. Un-
wichtsanteil liegt bei 6-8 g/100 ml. Der häufig als Sy- ter pathologischen Bedingungen hingegen führt diese zur
nonym verwendete Begriff Serumprotein umfasst alle Entstehung eines Thrombus bzw. eines Gefäßverschlusses.
Plasmaproteine ohne Fibrinogen. Die plasmatische Gerinnung wird durch eine Reihe
Die Synthese der Plasmaproteine erfolgt überwiegend endogener Inhibitoren reguliert, von denen als wichtigste
in der Leber und in den lymphatischen Organen. Neben ▬ aktiviertes Protein C und Protein S,
zahlreichen anderen Aufgaben wie Immunabwehr und ▬ Antithrombin III (AT III),
Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Drucks spie- ▬ Heparin-Cofaktor II,
len Plasmaproteine eine wichtige Rolle für die Homöos- ▬ »tissue factor pathway inhibitor« (TFPI),
tase und Blutgerinnung. ▬ α2-Makroglobulin und
Die Blutgerinnung stellt einen der wesentlichen ▬ α 1-Antitrypsin
Schutzmechanismen unseres Körpers dar. Um eine effek- zu nennen sind.
tive und kontrollierte Blutstillung (»Hämostase«) zu ge- Ein Mangel oder eine Störung der Regulation dieser
währleisten, muss zum einen die Abdichtung der Gefäße endogenen Inhibitoren ist mit einem erhöhten Throm-
und auch die Drosselung oder im besten Fall die Been- boserisiko assoziiert, das sich offenbar auch im retinalen
digung von Blutaustritten erreicht werden, zum anderen Gefäßsystem manifestieren kann. Das Gefäßsystem des
aber auch die Zusammensetzung und Fließfähigkeit des Auges ist ein hochsensibler Bereich, der einerseits prinzi-
Blutes weiterhin bestehen bleiben. piell denselben Einflüssen und Veränderungen ausgesetzt
Unter physiologischen Bedingungen befinden sich ist, wie das allgemeine Kreislaufsystem des menschlichen
die prokoagulatorische und die antikoagulatorische Seite Körpers. Andererseits stellt das Auge als mikrovaskuläres
des Systems der Hämostase im Gleichgewicht. Gerinnung Stromgebiet eine besondere Situation dar, wahrscheinlich
und Fibrinolyse werden dabei durch eine Reihe endo- auch aufgrund der herausragenden Bedeutung einer ef-
gener Inhibitoren kontrolliert. Eine Verschiebung dieses fektiven intraokulären Blutstillung zur Aufrechterhaltung
Gleichgewichts hin zur antikoagulatorischen Kompo- der Transparenz der brechenden Medien.
10.1 · Plasmaproteine und Gerinnung
183 10
10.1.1 Störungen der Gerinnung (von Willebrand-Jürgens-Syndrom) beeinträchtigt vor al-
und intraokuläre Blutungen lem die zelluläre Blutstillung und hat auch Auswirkungen
auf die plasmatische Gerinnung (⊡ Abb. 10.1). Beschrieben
Intraokuläre Hämorrhagien aufgrund einer mit einer sind auch intraokuläre Blutungen bei einem Mangel des
Blutungsneigung (Hämophilie) einhergehenden Gerin- Plasminogenaktivator-Inhibitors 1 (⊡ Abb. 10.2), bei erwor-
nungsstörung stellen insgesamt ein eher seltenes Ereig- benem Faktor-VIII-Mangel oder Hypofibrinogenämie. Dies
nis dar. Meist treten Blutungen im Zusammenhang mit sollte bei der Wahl der Parameter zur Durchführung eines
zugrunde liegenden okulären Erkrankungen auf. Hierzu Hämophiliescreenings bei Patienten mit okulären Blutun-
zählen Vorderkammer- und Glaskörperblutungen bei gen entsprechend berücksichtigt werden (s. Übersicht).
neovaskulären Erkrankungen des hinteren Augenab-
schnitts, Blutungen nach Trauma oder Hypotonie oder Praxistipp I I
postoperative Hämorrhagien. Eine diagnostische Abklä- Insbesondere bei jüngeren Patienten ohne erkennbare
rung bei Patienten mit intraokulären Blutungen sollte Ursache stellt der Ausschluss einer hämophilen Gerin-
daher immer zuerst solche mit typischen Augenerkran- nungsstörung durchaus eine sinnvolle Erweiterung der
kungen einhergehenden Ursachen ausschließen. diagnostischen Maßnahmen dar. Eine auffällige Eigen-
Der Zusammenhang zwischen okulären Blutungen oder Familienanamnese ist dabei richtungweisend,
und Gerinnungsstörungen wurde bisher nicht systema- jedoch nicht unbedingte Voraussetzung.
tisch untersucht. Allerdings konnte gezeigt werden, dass
die Einnahme gerinnungswirksamer Medikamente mit
der Entstehung von Blutungen auf der Grundlage neovas-
kulärer Veränderungen assoziiert ist. So entwickeln Pati- Parameter für ein Hämophiliescreening
enten mit exsudativer AMD unter Therapie mit Throm- bei okulären Blutungen
bozytenaggregationshemmern oder Antikoagulanzien ▬ Blutbild (Thrombozytenzahl)
signifikant häufiger submakuläre Blutungen größeren ▬ Thromboplastinzeit (TPZ), Thrombinzeit (TZ),
Ausmaßes, als dies bei Vergleichspatienten ohne eine aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT)
solche Begleitmedikation der Fall ist. ▬ Fibrinogen
Darüber hinaus weist eine Reihe von Untersuchungen ▬ Faktor VIII
darauf hin, dass es auch einen Zusammenhang zwischen ▬ von Willebrand-Faktor Ag
spontan und ohne Vor- oder Begleiterkrankungen auf- ▬ Ristocetin-Cofaktor
tretenden okulären Blutungen und Störungen des Gerin- ▬ Faktor IX
nungssystems gibt. Dies betrifft anscheinend vor allem ▬ Plasminogenaktivität
solche Komponenten der Gerinnung, die an der Regula- ▬ Gewebsplasminogenaktivator (»tissue plasmino-
tion der Fibrinolyse oder der Thrombozytenaggregation gen activator« = t-PA) Antigen
beteiligt sind. Hierzu zählt u.a. der von-Willebrand-Faktor, ▬ Plasminogenaktivator-Inhibitor (PAI) Aktivität und
der von den Gefäßendothelzellen gebildet wird. Ein Man- Antigen
gel dieses Faktors oder ein Defekt seiner Proteinstruktur

a b

⊡ Abb. 10.1 a Fundusphoto eines männlichen Patienten mit spontaner präretinaler Blutung im Bereich der Makula. Die gerinnungsdiagnosti-
sche Untersuchung deckte ein von Willebrand-Syndrom auf, das mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergeht. b Im weiteren Verlauf kam es
zu einer spontanen Resorption der Blutung.
184 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Im Endstadium der DIC kommt es zum Vollbild des


Schocks mit Multiorganversagen durch Embolien bzw.
Thrombosen sowie dem Auftreten von Spontanblutun-
gen. Die okuläre Symptomatik entspricht der Entwick-
lung der u.a. aus der Blutungsneigung resultierenden
systemischen Komplikationen mit retinalen oder subre-
tinalen Blutungen, die in der Regel beidseitig auftreten.
Dabei kann es auch zu massiven, ausgeprägt promi-
nenten subretinalen Hämorrhagien kommen. Weitere
Symptome können in einem Papillenödem, einem zysto-
iden Makulaödem oder einer serösen Netzhautablösung
bestehen.
In der Regel handelt es sich bei DIC-Patienten
um Schwerstkrankte. Die Diagnosesicherung erfolgt
anhand des klinischen Befundes sowie labordiagnos-
⊡ Abb. 10.2 Funduskopischer Befund einer 29jährigen Patientin tisch durch Bestimmung von Fibrinogen, D-Dimeren,
mit massiver spontaner subhyaloidaler Blutung bei unauffälliger Thrombozytenzahl und INR (International Normaliza-
Eigen- und Familienanamnese hinsichtlich einer Blutungsneigung. tion Ratio).
Die durchgeführte gerinnungsdiagnostische Untersuchung ergab das Differentialdiagnostisch ist die DIC insbesondere ge-
Vorliegen eines Plasminogenaktivator-Inhibitor-1 (PAI-1)-Mangels.
Aufgrund der ausbleibenden spontanen Resorption erfolgte im wei-
gen thrombotische Mikroangiopathien wie die throm-
teren Verlauf eine Pars-plana-Vitrektomie, durch die eine vollständige botische thrombozytopenische Purpura (TTP, Mosch-
Wiederherstellung der zentralen Sehschärfe erreicht werden konnte. cowitz-Syndrom) abzugrenzen, was vor allem für die
therapeutische Vorgehensweise von entscheidender Be-
10 deutung ist. Obwohl die TTP meist als idiopathische Au-
toimmunkrankheit, selten auch familiär gehäuft auftritt,
10.1.2 Disseminierte intravasale kommt diese auch in einer sekundären Form vor, die
Koagulopathie (DIC) ähnlich wie bei der DIC durch bestimmte Ereignisse wie
Schwangerschaft oder die Einnahme von Medikamenten
Bei der disseminierten intravasalen Koagulopathie oder ausgelöst werden kann.
»Verbrauchskoagulopathie« kommt es durch eine patho- Die Behandlung der DIC stützt sich vor allem auf die
logisch gesteigerte Blutgerinnung zu einem abnormen Therapie der Grunderkrankungen wie Schock oder Sep-
Verbrauch von Gerinnungsfaktoren, aus dem schließlich sis. Eine therapeutische Beeinflussung der Gerinnungs-
eine Blutungsneigung resultiert. Die DIC ist ein erworbe- problematik durch Gabe von Thrombozytenkonzentraten
ner, lebensbedrohlicher Zustand, der unter verschiedenen bei Thrombozytopenie oder »fresh frozen plasma« (FFP)
Bedingungen auftreten kann. Zu den möglichen Auslö- bzw. Substitution von Einzelfaktoren bei Blutungen ist
sern der akuten Form zählen Schock, operative Eingriffe, schwierig und richtet sich nach dem Stadium der DIC.
Komplikationen unter der Geburt, schweres Trauma und Aufgrund der mit einer DIC verbundenen hohen Leta-
Sepsis (s.u.). Als Ursache der chronischen Form der DIC lität ist eine sichere Aussage hinsichtlich der Visusprog-
kommen u.a. verschiedene Karzinomformen und die Le- nose nur begrenzt möglich. Diese hängt im Wesentlichen
berzirrhose in Betracht. vom Ausmaß des Befundes und der Stabilisierung des
Allgemeinzustands ab. Befundbesserungen mit Resorp-
tion der Blutungen und Rückgang der serösen Amotio
Mögliche Ursachen einer disseminierten sind in Einzelfällen beschrieben.
intravasalen Koagulopathie (DIC)
▬ Schock
▬ Sepsis 10.1.3 Gerinnungsstörungen als
▬ Bakterielle und virale Infektionen Ursache arterieller retinaler
▬ Malignome (Lunge, gastrointestinal, Prostata, Akute Gefäßverschlüsse
myeloische Leukämie)
▬ Präeklampsie, Abruptio placentae, Fruchtwasser- Im Gegensatz zu den arteriitischen retinalen Gefäßver-
embolie schlüssen, bei denen es in der Regel um die Erkennung
▬ Extensive operative Eingriffe und rechtzeitige Behandlung einer kausal zugrunde lie-
genden entzündlichen Systemerkrankung geht, steht bei
10.1 · Plasmaproteine und Gerinnung
185 10
den weitaus häufigeren nichtarteriitischen Verschlüssen
⊡ Tab. 10.1 Kriterien für die Durchführung eines Thrombophi-
die Abklärung kardiovaskulärer Grunderkrankungen und liescreenings bei Patienten mit retinalen Gefäßverschlüssen
Risikofaktoren im Vordergrund (s. Übersicht).
Kriterien Definition

Alter ≤45 Jahre Zeitpunkt des 1. thromboembo-


Mögliche Ursachen für einen nichtarteriitischen lischen Ereignisses
retinalen Arterienverschluss
Fehlen kardiovasku- Ausschluss RR, D.m., Hyperchole-
▬ Embolien lärer Risikofaktoren sterinämie, Rauchen
▬ intraluminale Thrombose
▬ Gefäßeineingung, Positive Familien- Thromboembolische Ereignisse bei
anamnese Verwandten 1. Grades ≤45. Lj.
▬ Blutung unter einen atherosklerotischen Plaque
▬ Gefäßspasmus
▬ ein zirkulatorischer Kollaps
▬ ein Aneurysma dissecans
Praxistipp I I
Da ein umfassendes Thrombophiliescreening sehr
Hierbei sind retinale arterielle Verschlüsse in der Regel kostenintensiv ist, sollte es nur nach Ausschluss der
auf arterioarterielle Embolien im Rahmen einer Arterio- »klassischen« kardiovaskulären Risikofaktoren, bei
sklerose und konsekutiven Stenosierung der A. carotis, sehr jungen Patienten oder bei Patienten mit einer
einer Herzwand- oder Herzklappenerkrankung zurück- auffälligen Eigen- oder Familienanamnese hinsichtlich
zuführen. Das Vorhandensein retinaler Emboli, insbe- thromboembolischer Ereignisse angeordnet werden
sondere cholesterinhaltiger Emboli, ist dabei als schlech- (⊡ Tab. 10.1).
tes prognostisches Zeichen quo ad vitam zu werten.
Retinale Zentralarterienverschlüsse (ZAV) oder
Arterienastverschlüsse (AAV) sind mit einem Durch- Insgesamt liegen sehr wenige prospektive Daten hinsicht-
schnittsalter von 62 (ZAV) bzw. 58 Jahren (AAV) in lich der Prävalenz thrombophiler Gerinnungsstörungen
erster Linie eine Erkrankung des höheren Lebensalters, bei bestimmten Subgruppen von arteriellen retinalen
wobei das männliche Geschlecht häufiger betroffen ist. Gefäßverschlusspatienten vor, sodass sich die bisherigen
In über 90% der Fälle ist der arterielle Verschluss Folge Erkenntnisse zumeist noch auf einige wenige Fallberichte
einer Systemerkrankung und häufig mit kardiovasku- sowie kleinere Fallserien stützen. Die Kenntnis über das
lären Risikofaktoren wie der arteriellen Hypertonie as- Vorliegen eines zugrunde liegenden Gerinnungsdefekts
soziiert. Die Bedeutung arteriosklerotischer Gefäßver- ist jedoch von erheblicher Bedeutung, da sich hieraus
änderungen für die Entstehung arterieller retinaler Ge- direkte Konsequenzen hinsichtlich der Frage einer dau-
fäßverschlüsse gilt allgemein als belegt: So haben 20% erhaften oder vorübergehenden Antikoagulation zur
der Patienten mit ZAV eine hämodynamisch relevante Prophylaxe bei rezidivierenden thromboembolischen Er-
Karotisstenose. eignissen sowohl für den Patienten selbst als auch für
Insbesondere jüngere Patienten entsprechen jedoch Familienangehörige ergeben.
häufig nicht diesem Risikofaktorprofil. Im Gegensatz zu Einige Studien konnten bei jüngeren Patienten mit
älteren Patienten finden sich bei jüngeren Individuen nichtariitischer anteriorer ischämischer Optikusneuro-
(<30 Jahre) mit arteriellen retinalen Verschlüssen häufi- pathie bestimmte thrombophile Gerinnungsstörungen
ger folgende Ätiologien: Migräne, Gerinnungsstörungen, wie eine APC-Resistenz, eine Faktor-VIII- oder Lipo-
intraokulare Veränderungen (erhöhter Augeninnendruck, protein (a)-Erhöhung signifikant häufiger nachweisen als
Papillendrusen, präpapilläre arterielle Gefäßschlingen), bei gesunden Probanden. Interessanterweise war auch
Trauma, Hämoglobinopathien, Einnahme oraler Kontra- bei jüngeren Patienten mit nicht-arteriitischer anteriorer
zeptiva und Schwangerschaften. Optikusneuropathie NAION das Fehlen kardiovaskulärer
Bei diesen Patienten kann eine spezielle weiterfüh- Risikofaktoren signifikant häufig mit thrombophilen Ge-
rende Diagnostik sinnvoll sein. Dabei empfiehlt sich rinnungsstörungen assoziiert.
eine systematische Vorgehensweise mit Basisdiagnostik Neben angeborenen oder erworbenen Gerinnungs-
und erweiterter Diagnostik unter Berücksichtigung von störungen muss bei der Gruppe der jüngeren Patienten
Lebensalter sowie Eigen- und Familienanamnese (s.u.). mit ZAV oder AAV auch an seltene Hämoglobinopathien
Dies gilt insbesondere für die labordiagnostische Un- wie Sichelzellanämie oder Thalassämie sowie an andere
tersuchung zur Frage des Vorliegens einer Gerinnungs- seltene Ursachen wie Endokarditis oder kardiale Tumo-
störung. ren gedacht werden.
186 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

faktoren wie arterielle Hypertonie und Arteriosklerose,


Thrombophilieprogramm bei arteriellen Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörung und Rauchen
retinalen Gefäßverschlüssen erfolgen. Im Gegensatz zu arteriellen retinalen Verschlüs-
▬ Thromboplastinzeit (TPZ) sen ist jedoch keine Diagnostik zum Ausschluss einer
▬ Aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT), Emboliequelle erforderlich (⊡ Tab. 10.2). Eine Ausnahme
Thrombinzeit (TZ) hiervon stellen Patienten dar, bei denen differentialdiag-
▬ APC-Resistenz nostisch das Vorliegen eines okulären Ischämiesyndroms
▬ Fibrinogen in Betracht gezogen werden muss. In diesen Fällen sollte
▬ Plasminogen eine Farbduplexsonographie der hirnversorgenden Ge-
▬ Gewebsplasminogenaktivator (t-PA) und -Inhibitor fäße erfolgen.
(PAI-1) Bei jüngeren Individuen mit retinalem Gefäßver-
▬ Antiphospholipid-Antikörper schluss lassen sich kardiovaskuläre Grunderkrankungen
▬ Homozystein häufig nicht nachweisen. Dabei ist etwa jeder zehnte Pa-
tient mit venösem retinalem Gefäßverschluss zum Zeit-
punkt des Erkrankungsbeginns 50 Jahre oder jünger. In
dieser Altersgruppe findet sich aber nicht selten eine fa-
10.1.4 Gerinnungsstörungen als Ursache miliäre Häufung oder eine entsprechende Eigenanamnese
venöser retinaler Gefäßverschlüsse mit vorangegangenem thromboembolischem Ereignis als
Hinweis auf genetisch determinierte Risikofaktoren. Im
Zu den systemischen und okulären Risikofaktoren, die Gegensatz zu früheren Untersuchungen konnten jüngere
mit der Entstehung venöser retinaler Gefäßverschlüsse in prospektive Studien mit adäquaten Kontrollgruppen und
Verbindung gebracht werden, zählen geeigneten Kriterien für die Patientenselektion einen ein-
▬ die arterielle Hypertonie, deutigen Zusammenhang zwischen thrombophilen Ge-
10 ▬ der Diabetes mellitus, rinnungsstörungen und der Entstehung venöser retinaler
▬ das Offenwinkelglaukom, Gefäßverschlüsse belegen. In bestimmten Subgruppen
▬ eine erhöhte Blutkörperchensenkungsgeschwindig- von Patienten wurden die APC-Resistenz, Antiphos-
keit (BSG) oder erhöhte Erythrozytenaggregation, pholipid-Antikörper, der Faktor-XII-Mangel sowie De-
▬ eine erhöhte Plasmaviskosität sowie fekte des antikoagulatorischen Systems (Antithrombin-
▬ Gerinnungsstörungen. III-, Protein-C-, Protein-S-sowie Heparin-Co-Faktor-II-
Mangel) signifikant häufiger nachgewiesen (⊡ Abb. 10.3,
Die pathogenetische Bedeutung thrombophiler Gerin- ⊡ Abb. 10.4). Zudem gibt es Hinweise, dass auch eine
nungsstörungen für die Entstehung venöser retinaler Ge- Erhöhung von Lipoprotein (a) und Faktor VIII sowie die
fäßverschlüsse wird bis heute noch immer kontrovers Prothrombinmutante und eine Hyperhomozysteinämie
diskutiert, was aufgrund der methodischen Einschrän- mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung venöser
kungen und der damit verbundenen mangelnden Aussa- retinaler Gefäßverschlüsse einhergehen.
gefähigkeit und Vergleichbarkeit vieler in den letzten Jah- Die Thrombophiliediagnostik bei Patienten mit venö-
ren und Jahrzehnten veröffentlichter ophthalmologischer sen retinalen Gefäßverschlüssen entspricht also exakt der
Studien nicht verwunderlich ist. So wurden häufig nur diagnostischen Vorgehensweise bei Patienten mit Throm-
sehr kleine Patientengruppen und kein Vergleichskollek- boembolien großer Gefäße. Auch hier gehen thrombo-
tiv untersucht, lediglich ein oder wenige Gerinnungspa- phile Gerinnungsdefekte häufig mit einem jungen Alter,
rameter erhoben oder eine retrospektive Studienkonzep- Rezidivereignissen, auffälliger Familienanamnese, atypi-
tion gewählt. Darüber hinaus definierten einige Autoren scher Lokalisation und besonders schweren Verläufen
eine positive Eigen- oder Familienanamnese hinsichtlich einher. Ein Thrombophiliescreening ophthalmologischer
thromboembolischer Komplikationen als Ausschlusskri- Patienten sollte daher selektiv junge Patienten mit retina-
terium für die Untersuchung von Patienten im Rahmen len Gefäßverschlüssen erfassen bzw. eine auffällige Eigen-
einer ophthalmologischen Studie. oder Familienanamnese hinsichtlich thromboembolischer
Venöse retinale Gefäßverschlüsse gelten als Erkran- Ereignisse berücksichtigen. Dabei sollte auch nicht nur
kung des höheren Lebensalters und können meist auf das Alter zum Zeitpunkt des retinalen Gefäßverschlusses,
kardiovaskuläre Grunderkrankungen und Risikofaktoren sondern ggf. das Lebensalter zum Zeitpunkt eines (anam-
zurückgeführt werden, die typischerweise bei älteren Pa- nestisch) ersten thromboembolischen Ereignisses als Kri-
tienten vorkommen. Dementsprechend sollte bei allen terium für eine weiterführende Thrombophiliediagnostik
Patienten mit venösen retinalen Gefäßverschlüssen in- herangezogen werden. Als Leitkriterien für eine erhöhte
terdisziplinär eine Abklärung kardiovaskulärer Risiko- Prävalenz thrombophiler Gerinnungsstörungen bei Pa-
10.1 · Plasmaproteine und Gerinnung
187 10

⊡ Tab. 10.2 Vergleich der Vorgehensweise zur Abklärung systemischer Grunderkrankungen bei arteriellen und venösen retinalen Gefäß-
verschlüssen. Aufgrund des fehlenden pathophysiologischen Zusammenhangs ist bei venösen Gefäßverschlüssen der Ausschluss einer
Emboliequelle nicht erforderlich.

Arterieller Verschluss Venöser Verschluss

Blutdruckkontrolle Ja Ja

Echokardiographie Ja Nein

EKG Ja Ja

Farbduplexsonographie A. carotis Ja Nein

Doppler A. temporalis Bei V.a. Arteriitis temporalis Horton Nein

Allgemeine Blutuntersuchung Ja Ja

Thrombophiliediagnostik ⊡ Tab. 10.1 ⊡ Tab. 10.1

Bildgebung (MRT, MR-Angio etc.) Nur bei begründetem Verdacht i.d.R nicht

tienten mit venösem retinalem Gefäßverschluss wurden


ein Alter ≤45 Jahre zum Zeitpunkt des ersten thrombo- ▬ Plasminogenaktivität
embolischen Ereignisses, das Fehlen kardiovaskulärer Ri- ▬ Gewebsplasminogenaktivator (»tissue plasmino-
sikofaktoren unabhängig vom Alter, sowie bei Patienten gen activator« = t-PA)-Antigen
≤60 Jahren eine auffällige Familienanamnese hinsichtlich ▬ Plasminogenaktivator-Inhibitor (PAI)-Aktivität und
thromboembolischer Ereignisse identifiziert (s.o.). Von -Antigen
zentraler Bedeutung ist auch ein geeignetes Thrombophi- ▬ Lipoprotein (a)
liescreening, das das entsprechende Spektrum an Labor-
parametern abdeckt (s.u.). Beachtet werden sollte auch,
dass das Fehlen eines vorangegangenen thromboemboli- Idiopathische systemische Thrombosen aufgrund einer
schen Ereignisses das Vorliegen eines Gerinnungsdefekts Gerinnungsstörung gehen mit einem höheren Risiko für
nicht ausschließt, da es sich bei einer Thrombophilie le- ein Rezidiv einher. Prospektive, randomisierte Studien
diglich um die Prädisposition und ein erhöhtes Risiko für konnten zeigen, dass die Rezidivrate systemischer Throm-
thromboembolische Ereignisse handelt, die keinesfalls bosen durch eine verlängerte Antikoagulation gesenkt
zwangsläufig zur klinischen Manifestation führen muss. werden kann. Geht man auch bei ophthalmologischen
Patienten mit einer Thrombophilie von einem erhöhten
Rezidivrisiko aus, ergibt sich zwangsläufig auch die Frage
Thrombophiliescreeningprogramm nach Beginn und Dauer einer Antikoagulationstherapie.
▬ Blutbild (Thrombozytenzahl) Demgegenüber steht jedoch das kumulative Blutungsri-
▬ Thromboplastinzeit (TPZ), Thrombinzeit (TZ), siko einer Langzeitantikoagulation.
aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) Obwohl die Assoziation thrombophiler Gerinnungs-
▬ Fibrinogen störungen mit einer positiven Eigenanamnese throm-
▬ Antithrombin-III-Aktivität (AT III) boembolischer Ereignisse großer Gefäße bei einzelnen
▬ Faktor-VII-Aktivität und Antigen, Faktor-VIII- Patienten mit venösem Netzhautgefäßverschluss auf ein
Aktivität und Antigen, Faktor-XII-Aktivität erhöhtes Rezidivrisiko hindeutet, ist aufgrund mangeln-
▬ Aktiviertes Protein C (APC)-Resistenz (und Gen- der Daten eine abschließende Beurteilung dieser Frage
analyse Faktor-V-Leiden-Mutation) derzeit nicht möglich.
▬ Protein-C- und –S-Aktivität, Protein-S-Antigen Die Notwendigkeit einer Antikoagulation bei Pa-
▬ Homozysteinspiegel tienten mit venösen retinalen Gefäßverschlüssen mit
▬ Histidinreiches Glykoprotein (HRG) einer zugrunde liegenden Thrombophilie sollte daher
▬ Heparin-Cofaktor II individuell in Rücksprache mit dem behandelnden Hä-
▬ Lupus-Antikoagulantien (Exner, DRVVT), Anti- mostaseologen erfolgen, u.a. um eine gezielte Prophy-
▼ cardiolipin-Antikörper (IgG, IgM) laxe in Risikosituationen zu ermöglichen (z.B. Hepa-
rinisierung, Thrombosestrümpfe bei Immobilisation,
188 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Langstreckenflügen etc., strenge Einstellung zusätzli-


cher kardiovaskulärer Risikofaktoren, zurückhaltende
Verordnung von Hormonpräparaten wie orale Kontra-
zeptiva).

10.1.5 Hyperviskositätssyndrom
und retinale Gefäßverschlüsse

Als Hyperviskositätssyndrom wird eine abnorme Plas-


maviskosität durch Erhöhung der Konzentration der Pa-
raproteine (IgG, IgA, IgM) bezeichnet. Die erhöhte Vis-
kosität bedingt eine Herabsetzung des Fließeigenschaften
des Blutes. Zu den Ursachen eines durch Paraproteine
bedingten Hyperviskositätssyndroms zählen der M. Wal-
⊡ Abb. 10.3 Fundusphoto einer 18-jährigen Patientin mit frischem
Zentralvenenverschluss, 2 Wochen nach Beginn einer oralen Kont- denström sowie das Multiple Myelom.
razeption. Die weiterführende Diagnostik ergab das Vorliegen eines Bei Patienten mit Hyperviskositätssyndrom besteht
Faktor-XII-Mangels ein erhöhtes Risiko für Thrombosen oder Thrombo-
embolien. Gleichzeitig kann es jedoch auch zu einer
blutungsbedingten Anämie kommen, da die Paraproteine
zu einer Behinderung der Rezeptoren an der Thrombozy-
tenoberfläche führen. Am Auge lässt sich bei einem Hy-
perviskositätssyndrom häufig eine bilaterale Stauung der
10 retinalen Venen beobachten, wobei es je nach Schwere-
grad und Dauer der hämatologischen Grunderkrankung,
Art der Blutbildveränderungen (Thrombozytose, Leuko-
zytose) oder zusätzlich vorhandenen Risikofaktoren zur
Ausprägung des Vollbilds eines Zentralvenenverschlusses
kommen kann (⊡ Abb. 10.5).
Ein spezifischer symptomatischer Therapieansatz zur
Behandlung eines Hyperviskositätssyndroms besteht in
der Durchführung einer Plasmapherese.
a

⊡ Abb. 10.4 Fundusphoto eines 47-jährigen Mannes mit ischämi- ⊡ Abb. 10.5 Fundusphoto einer 72-jährigen Patientin mit Vollbild
schem ZVV am LA (a) und RA (b) innerhalb von 2 Jahren. Anamnes- eines Zentralvenenverschlusses bei Thrombozytose (>800.000, Norm-
tisch war es bereits im Alter von 33 Jahren zu einer tiefen Beinven- wert: <400.000) und Leukozytose
enthrombose gekommen. Die Thrombophiliediagnostik ergab das
Vorliegen einer homozygoten APC-Resistenz
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
189 10
Der Verlauf der okulären Symptomatik ist extrem Zu den Venenverschlüssen der Retina zählen auch der
variabel und u.a. abhängig vom Erfolg der Therapie der Verschluss der Stammvene (Hemizentralvenenverschluss)
systemischen Grunderkrankung. Im Falle der Erstmani- und der Verschluss eines Venenastes ( Abschn. 10.3).
festation einer zugrunde liegenden hämatologischen Er- Die Einteilung des Zentralvenenverschlusses (ZVV)
krankung am Auge ist die rechtzeitige Diagnosestellung ist nicht ganz einfach und auch nicht einheitlich. Es
und Einleitung einer interdisziplinären Behandlung für wurden Begriffe wie drohender, partieller, inkompletter
den Patienten von vitaler Bedeutung. ZVV, aber auch venöse Stase-Retinopathie, hämorrhagi-
sche Retinopathie verwendet, um den weit gefächerten
Fazit für die Praxis Verlauf von gutartig bis desaströs zu beschreiben. Die
Venöse retinale Gefäßverschlüsse gelten als Erkrankung des korrekte Einteilung bezieht sich heute auf den Grad
höheren Lebensalters und können meist auf kardiovaskuläre der Ischämie und unterscheidet nicht ischämische oder
Grunderkrankungen und Risikofaktoren zurückgeführt wer- perfundierte ZVV als mildere Form von einem ischämi-
den. Thrombophile Gerinnungsdefekte finden sich meist bei schen oder nicht perfundierten Verschluss als schwere
Patienten mit jungem Alter, Rezidivereignissen, auffälliger Form. Beide Formen stellen jedoch nur die jeweiligen
Familienanamnese, atypischer Lokalisation und besonders Enden eines kontinuierlichen Spektrums dar. Eine si-
schweren Verläufen. chere Zuordnung zu einer dieser beiden Formen ist zu
Arterielle retinale Verschlüsse sind in der Regel auf arte- Beginn häufig noch nicht möglich, sondern ergibt sich
rioarterielle Embolien im Rahmen einer Arteriosklerose und erst aus dem Verlauf. Der nicht oder schwer bestimm-
konsekutiven Stenosierung der A. carotis, einer Herzwand- bare Typ des ZVV wird dann als intermediär (»indeter-
oder Herzklappenerkrankung zurückzuführen. Insbesondere minate«) bezeichnet.
bei jungen Patienten kann eine spezielle weiterführende Die Prävalenz retinaler Venenverschlüsse in populati-
Diagnostik sinnvoll sein. onsbasierten Studien beträgt zwischen 0,3 und 3,7% und
Ein Thrombophiliescreening bei retinalen Gefäßver- nimmt mit dem Alter zu. In der Blue Mountain Eye Studie
schlüssen sollte selektiv junge Patienten erfassen bzw. eine betrug die Prävalenz vor dem 60. Lebensjahr 0,7% und
auffällige Eigen- oder Familienanamnese hinsichtlich throm- jenseits des 80. Lebensjahres 4,6%. Die 5-Jahresinzidenz
boembolischer Ereignisse berücksichtigen. liegt bei 0,8%, innerhalb von 10 Jahren bei 1,7-2,1%.
Spontane intraokuläre Hämorrhagien aufgrund einer mit Ein ZVV kann aber in jedem Alter auftreten und
einer Blutungsneigung einhergehenden Gerinnungsstörung ist von 9 Monaten bis weit über 90 Jahre beschrieben
sind selten. Insbesondere bei jüngeren Patienten ohne er- worden. Das mittlere Alter der Patienten liegt zwischen
kennbare Ursache ist daher der Ausschluss einer hämophilen 60 und 70 Jahren. Etwa 10% sind jünger als 50 Jahre,
Gerinnungsstörung sinnvoll. Blutungen auf der Grundlage wenn der Verschluss auftritt. Frauen und Männer sind
neovaskulärer Veränderungen sind häufig mit der Einnahme insgesamt gleich häufig betroffen, unter 50 Jahren aller-
gerinnungswirksamer Medikamente assoziiert. dings überwiegt das Auftreten eines Verschlusses bei den
Männern. Beide Augen sind gleich häufig betroffen. 5 bis
11% aller Patienten erleiden innerhalb von 5 Jahren auch
10.2 Zentralvenenverschluss (ZVV) am zweiten Auge einen ZVV.

L.L. Hansen
10.2.2 Ätiologie und Pathogenese

10.2.1 Grundlagen Beim ZVV liegt sicher eine multifaktorielle Genese zu-
grunde. Kline führte bereits in den fünfziger Jahren drei
Retinale Venenverschlüsse stellen die häufigste primäre Faktoren an, die zu einem ZVV führen können:
vaskuläre Erkrankung der Retina dar. Unter allen vasku- 1. Kompression der Vene durch eine sklerotische Zent-
lären Erkrankungen werden sie an Häufigkeit nur durch ralarterie und die Lamina cribrosa.
die diabetische Retinopathie übertroffen. Die erste Be- 2. Hämodynamische Veränderungen mit Stagnation
schreibung eines Falles mit Zentralvenenverschluss geht und primärer Thrombusformation.
auf Liebreich 1855 zurück, aber erst von Michel deutete 3. Degenerative und/oder entzündliche Erkrankungen
1878 den Befund als zentrale Venenthrombose der Netz- der Venenwand.
haut. Der Begriff Zentralvenenverschluss (»central vein
occlusion«) stellt heute die bevorzugte Benennung dar, Alle diese Faktoren sind auch heute noch in Betracht zu
denn wir haben die Pathogenese der teilweisen Blockade ziehen und werden ergänzt durch systemische Faktoren
im Sehnervenkopf bis heute nicht komplett verstanden. wie Thrombophilie und Erhöhung der Blutviskosität.
190 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Bei der eigentlichen Pathogenese sollte man die Fak- Risikofaktoren


toren sorgfältig danach trennen, ob sie den ZVV auslösen Kardiovaskuläre Risikofaktoren
oder seine Entwicklung und seinen Verlauf beeinflussen. Kardiovaskuläre Risikofaktoren (Bluthochdruck, kardio-
Hierbei müssen wirkliche Auslöser von fördernden Risi- vaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus, Adipositas,
kofaktoren und assoziierten Erkrankungen (⊡ Tab. 10.3) Hyperlipidämie, Hyperhomozysteinämie, Rauchen) sind
unterschieden werden, da sie für die Entwicklung und häufig anzutreffen. Bei 2/3 der Patienten über 50 Jahren
Prognose der Krankheit entscheidend sind. Dabei ist wird mindestens einer dieser systemischen Risikofakto-
die Bewertung schwierig, besonders bei kardiovaskulären ren gefunden, beim ischämischen Typ häufiger als bei der
Risikofaktoren, Thrombophilie oder rheologischen Fak- nicht-ischämischen Variante. Das Risiko (Odds Ratio) ei-
toren, da diese eine hohe Inzidenz in der Allgemeinbe- nen ZVV zu erleiden, wird durch kardiovaskuläre Risiko-
völkerung aufweisen. faktoren um das 3- bis 5-fache erhöht. Die Angaben über
die Häufigkeit der assoziierten Risikofaktoren variieren
Praxistipp I I und liegen zwischen 32 und 70% bei Bluthochdruck,
Dem ZVV liegt eine multifaktorielle Genese mit Kom- 22-50% bei arteriosklerotischen Herzerkrankungen, bei
pression der Vene, hämodynamischen Veränderungen 30-60% bei Hyperlipidämie und bei 14-34% bei Diabetes
mit Stagnation und primärer Thrombusformation mellitus. Bemerkenswert ist, dass flussrelevante Karotiss-
sowie degenerative und/oder entzündliche Erkrankun- tenosen bei Patienten mit Venenverschlüssen nicht häu-
gen der Venenwand zugrunde. figer vorkommen als bei Kontrollpatienten. Allerdings
ist der ischämische Typ des ZVV häufiger mit Karotiser-
krankungen verbunden als der nicht-ischämische Typ.
Bei Patienten unter 50 Jahren spielen kardiovaskuläre
Risikofaktoren eine geringere Rolle. Ein Drittel dieser
⊡ Tab. 10.3 Risikofaktoren und assoziierte Erkrankungen beim Patienten leidet an erhöhtem Blutdruck und 3-9% weisen
10 Zentralvenenverschluss einen Diabetes mellitus auf. Trotzdem wurde in einer
Risikofaktoren und assoziierte Erkrankungen
Langzeitstudie junger Patienten mit ZVV eine Mortalität
von 12% aufgrund vaskulärer Erkrankungen gesehen.
Kardiovaskulär Arteriosklerotische Herzerkrankung Auch ein Zusammenhang mit Migräne und mit Mitral-
Arterielle Hypertension klappenprolaps wurde berichtet, obwohl der pathophy-
Diabetes mellitus
siologische Zusammenhang mit ZVV unklar bleibt.
Hyperlipidämie
Adipositas
Rauchen
Hyperviskosität des Blutes
Karotisverschluss (Ischämischer Eine Veränderung der Blutviskosität durch erhöhte Zell-
ZVV) zahlen und oder eine erhöhte Plasmaproteinkonzentration
Rheologische Erhöhter Hämatokrit
(z.B. Polyzythämie, Leukämie, Makroglobulinämie, Mye-
Veränderungen Erhöhte Plasmaviskosität lom) kann zu einer beidseitigen Venostase mit allen Zei-
Erhöhte Erythrozytenaggregation chen eines ZVV führen (Hyperviskositätssyndrom). Diese
Erhöhte Erythrozytenrigidität Veränderungen sind immer beidseitig. Es ist belegt, dass ein
erhöhter Hämatokrit, eine erhöhte Plasmaviskosität, eine
Thrombophilie Hyperhomocysteinämie
Antiphospholipid Syndrome verstärkte Aggregationsneigung der Erythrozyten sowie eine
Erhöhte APC-Resistenz/FV-Leiden verminderte Verformbarkeit der Erythrozyten beim ZVV
Mutation (junge Patienten) gefunden werden. Ein erhöhtes Plasmafibrinogen vermehrt
Verminderte Hemmung des Plasmi- das Risiko sogar auf das Dreifache. Diese Veränderungen
nogenaktivators
führen nicht zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung
Lokale Risiko- Glaukom des Blutflusses wie beim Hyperviskositätssyndrom, können
faktoren Trauma? aber sehr wohl als Risikofaktoren für die Auslösung und
Retinale Vaskulitis Entwicklung eines ZVV betrachtet werden.
Zentralarterienverschluss
Drusen, Papillenschwellung Thrombophilie
Arteriovenöse Malformation
Die logische Annahme, dass eine erhöhte Neigung zur
Hyperviskositäts- Polyzythämie, Thrombenbildung einen ZVV in seiner Entstehung und
syndrome Makroglobulinämie, Entwicklung fördert, hat zu zahllosen Untersuchungen
Myelom
der Rolle der Thrombophilie in den letzten 20 Jahren ge-
Leukämie
führt. Ein disponierender Faktor für Thrombophilie wird
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
191 10
in 70-80% der Patienten mit rezidivierender Thrombo- eine erhöhte Thrombozytenaggregation mit nachfolgen-
embolie außerhalb des Auges gefunden. Auf der anderen der Lipidansammlung und arterieller Thrombose aus-
Seite verursachen diese Faktoren eher eine venöse statt gelöst werden kann. Es wird aber kontrovers diskutiert,
einer arteriellen Thrombose, während die retinale Ve- ob die Hyperhomocysteinämie, die meistens auf einer
nenokklusion typischerweise mit den Risikofaktoren für einzigen Mutation des MTHFR-Gens beruht, auch mit ei-
arterielle Thrombenbildung verbunden ist. nem höheren Risiko für ZVV verbunden ist. Janssen und
Die Existenz von Thromben beim ZVV war lange Mitarbeiter kamen in einer Metaanalyse allerdings zum
Zeit umstritten bis Green und Mitarbeiter eine Unter- Schluss, dass die Odds Ratio von 8,9 für Hyperhomocy-
suchung veröffentlichten, bei der 29 Augen mit rubeoti- steinämie über der 95zigsten Perzentile liegt.
schem Sekundärglaukom untersucht wurden. Hier fand
die Arbeitsgruppe in fast allen Zentralvenen Thromben. Praxistipp I I
Wir kennen aber weiterhin nicht die Situation bei fri- Bei der Diagnose beachten:
schen Verschlüssen. ▬ Hyperhomocysteinämie und Antiphospholipid-
In den letzten Jahren wurde eine Großzahl von Fak- syndrom stellen Risikofaktoren für den ZVV dar.
toren der Koagulationskaskade beim Venenverschluss ▬ Erbliche Thrombophilien sind als Risikofaktoren
untersucht. Die Thrombophilie kann durch Mangel an zu vernachlässigen, können aber bei Patienten
Plasmaproteinen, die die Koagulationskaskade bremsen unter 50 Jahren eine gewisse Rolle spielen.
(z.B. Faktor XII, Antithrombin III, Antiphospholipid-
Antikörper, Faktor V Leiden/APC-Resistenz) wie auch
durch eine Hypofibrinolyse verursacht werden. Jeweils Trauma
zwei Arbeiten fanden einen verminderten Faktor XII und McGrath berichtete 1978, dass in 14% der Fälle mit ZVV
ein reduziertes Antithrombin III. eine Anamnese für ein vorausgegangenes Trauma besteht.
Antiphospholipidfaktoren (Antikardiolipin-Antikör- Als Mechanismen werden bei einem Kopftrauma die Kom-
per, Lupus Antikoagulans) aktivieren die Koagulations- pression oder Schwerkräfte der zentralen Vene gegen die
kaskaden und können so zu arteriellen wie auch venösen Lamina cribrosa angenommen oder auch eine Verengung
Thrombosen führen. 6-8% der Prozent der Patienten mit durch ein Hämatom in der Sehnervenscheide. Diese Me-
einem Antiphospholipidsyndrom weisen okuläre Verän- chanismen könnten Turbulenzen im Blutfluss und Endo-
derungen auf. Entsprechend wurden Antiphospholipid- thelschäden hervorrufen, die dann eine Thrombenbildung
Antikörper von einigen Autoren mit dem ZVV assoziiert, auslösen (s.u.). Bei einem solchen Mechanismus müsste
von anderen aber als nicht relevant angesehen. In ihrer man annehmen, dass auch die Retrobulbäranästhesie häu-
Metaanalyse berechneten Janssen und Mitarbeiter eine figer Anlass zur Bildung eines ZVV geben könnte, dies
Odds Ratio von 3,9 für das Antikardiolipin. ist aber nur einmal beschrieben worden. Meine eigenen
Noch kontroverser wird die Rolle einer erhöhten Re- Erfahrungen sprechen eher gegen eine Rolle von direkten
sistenz des aktivierten Protein C sowie Protein-C- und oder indirekten Traumata bei der Auslösung des ZVV.
-S-Mangel diskutiert. Vossen und Mitarbeiter berichteten
über eine große Protein-C-defiziente Familie mit einer Glaukom
Anamnese von nicht-okulären venösen Thrombosen, aber Ein Glaukom erhöht das Risiko, an einem ZVV zu er-
nie Zeichen eines retinalen Venenverschlusses. Es scheint kranken um das 5- bis 7-fache. Die Inzidenz von Glauko-
jetzt weitgehend Einverständnis darüber zu bestehen, dass men bei ZVV wird mit 23-69% angegeben, wenn die oku-
in jungen Patienten häufiger eine APC-Resistenz zu finden läre Hypertension mit eingeschlossen wird. Umgekehrt
ist, obwohl dies nicht in allen Arbeiten bestätigt wird. Mög- entwickeln 2-8% aller Glaukompatienten einen ZVV.
licherweise hat die erhöhte APC-Resistenz eine gewisse Hayreh wies darauf hin, dass der ZVV anschließend zu
Bedeutung bei der Auslösung von ZVV in jungen Pati- einem Druckabfall im betroffenen Auge führt. Daher ist
enten. Die meisten Autoren stimmen darin überein, dass es wichtig bei allen Patienten mit ZVV oder Hemi-ZVV,
in älteren Patienten mit ZVV die erhöhte APC-Resistenz ein Glaukom oder eine okuläre Hypertension im Part-
keine Rolle spielt. Eine Hypofibrinolyse, verursacht durch nerauge auszuschließen. Interessant ist, dass sowohl beim
niedrige Spiegel des Hemmers des Plasminogenaktivators, Glaukom als auch beim ZVV eine hohe Prävalenz von
kann bei ZVV in Einzelfällen auch eine Rolle spielen. arterieller Hypertension und Hyperlipidämie vorliegt.

Hyperhomocysteinämie Okuläre Erkrankungen


Sie ist ein bekannter Risikofaktor für systemische vas- Eine Reihe von okulären Erkrankungen und Faktoren
kuläre Erkrankungen. Ihre Wirkung kommt über eine erhöht das Risiko für einen ZVV. Arteriovenöse Mal-
Schädigung des vaskulären Endothels zustande, wodurch formationen, Sehnerverkrankungen mit Verengung der
192 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Zentralgefäße (Drusen, Papillenschwellung) können ei- Hierbei sollte man auslösende Faktoren und Ri-
nen mangelhaften Abfluss bewirken und damit einen sikofaktoren nicht verwechseln. Es ist hilfreich, diese
ZVV auslösen. Green nahm an, dass nicht nur die Kom- Faktoren richtig zuzuordnen, die darüber entscheiden,
pression, sondern auch Endothelzellschäden durch Dru- ob ein Verlauf relativ gutartig oder schwerwiegend sein
sen den Verschluss auslösen können. Nicht selten führen wird.
arteriovenöse Fisteln im Sinus cavernosus zu einem ZVV. Die Pathogenese lässt sich in drei Kreisen (⊡ Abb. 10.6)
Auch Zentralarterienverschlüsse können den Fluss bis darstellen:
zur Stase erniedrigen, was dann im Falle der Reperfusion ▬ (A) Auslösung der venösen Abflussstörung,
nach mehreren Stunden zu einer partiellen Thrombose ▬ (B) die Entwicklung der Retinopathie und
der Zentralvene führen kann. Dieses ist wahrschein- ▬ (C) Übergang in die neovaskuläre Erkrankung.
lich der häufigste Grund für kombinierte retinale Ver-
schlüsse. Auslösende Faktoren des Zentralvenen-
verschlusses
Pathogenese Risikofaktoren für den Venenverschluss sind zwar gut
Die genaue Pathogenese des ZVV bleibt weiterhin speku- bekannt, ihre eigentliche Rolle in der Auslösung des
lativ. Leider stehen uns nur eine Handvoll Fälle mit histo- Circulus viciosus ist aber nicht gut gesichert. Drei Mecha-
logischen Untersuchungen zur Verfügung. Trotzdem geht nismen scheinen an der Auslösung und dem Erhalt der
man heute im Allgemeinen von einer Thrombose aus, Strömungsturbulenz, der Abflussverminderung und der
aber es ist unmöglich festzustellen, ob die Thrombose am partiellen Thrombose beteiligt zu sein:
Beginn oder erst am Ende der Pathogenese steht. Man 1. Verengung der Zentralvene.
muss daher davon ausgehen, dass der eigentliche Grund 2. Hämodynamische Störungen.
für den ZVV nicht geklärt ist und kontrovers bleibt, weil 3. Thrombophilie oder rheologische Veränderungen
er zahlreiche verschiedene Faktoren einbezieht. des Blutes.
10

Atherosklerose
Enge Vene Hypertension
A
Verengung partielle
Flussturbulenz Thrombose
Venöser
Abfluss
Zentralvenendruck
Blutdruck Thrombophilie
Augendruck Venendruck Hyperviskosität

B
Schranken-
Ödem störung Blutung
(Ret.,GK)

VEGF
Ischämie

C Neovasku-
Rubeosis, RNV larisation Kapillarverschluss

Neovaskul. Glaukom

⊡ Abb. 10.6 Pathogenese retinaler Venenverschlüsse. VEGF vascular endothelial growth factor, Ret. Retina, GK Glaskörper, RNV retinale Neovas-
kularisation. (Modifiziert aus Hansen 2007)
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
193 10
Verengung der Zentralvene. Diese könnte durch eine seitigen ZVV« (Hyperviskositätssyndrom) und belegen
verdickte arteriosklerotische Zentralarterie verursacht damit in diesem Fällen die kausale Beziehung.
werden, die als Folge einer lang dauernden arteriellen Hy-
pertension und einer Arteriosklerose anzusehen ist. Dies Hämodynamische Faktoren. Sie sind bei der Auslösung
unterstützt die hohe Inzidenz kardiovaskulärer Risikofak- eines ZVV entweder durch einen nächtlichen Anstieg des
toren bei Patienten mit ZVV. In diesem Zusammenhang zentralvenösen Druckes und/oder einen Abfall des arteri-
erscheint der Durchtritt der Gefäße durch ein dünnes, ellen Blutdruckes wirksam. Die Sehverschlechterung wird
nicht dehnbares Foramen in der Lamina cribrosa relevant vom Patienten daher auch in der Regel morgens bemerkt
zu sein. Es ist allerdings nie gezeigt worden, dass kleine (anders als bei arteriellen Verschlüssen, wo zu jeder Ta-
Papillen mit einem erhöhten Risiko für ZVV einhergehen, geszeit eine Sehverschlechterung eintreten kann). Ent-
so wie es für die anteriore ischämische Optikoneuropa- sprechend kommt es mit dem Anstieg des Blutdruckes
thie typisch ist. Als Folge eines verminderten venösen und dem Abfall des zentralvenösen Druckes in aufrechter
Abflusses können die daraus entstehenden Strömungstur- Position während des Tages immer zu einer besseren
bulenzen durchaus einen Endothelschaden auslösen, der Drainage der Zentralvene, was sich in einer leichten
dann eine partielle Thrombose begünstigt. In diesem Falle Besserung der Sehschärfe äußert. Francis berichtete, dass
dürfte es von zusätzlichen Faktoren (s.u.) abhängen, ob auch eine Dehydratation bei jungen Patienten den Venen-
sich der Circulus viciosus entwickelt oder nicht. verschluss auslösen kann.
Eine Verengung der Vene ist natürlich auch durch
eine Schwellung des Sehnerven denkbar (Papillenschwel- Entwicklung der Retinopathie
lung, anteriore ischämische Optikusneuropathie, Dru- Der verminderte venöse Abfluss spiegelt sich recht gut
sen), allerdings ist dies nur in wenigen Fällen beschrieben durch eine Verlängerung aller Transitzeiten sowohl im
worden. Eine dauerhafte Kompression der Zentralvene arteriellen wie auch im venösen Schenkel der Fluores-
gegen die Lamina cribrosa durch einen erhöhten Augen- zenzangiographie wider. Dies wurde schon von Sinclair
druck muss sehr wohl als Risikofaktor betrachtet wer- und Gragoudas 1979 beschrieben. Als Maßstab für die
den (s.o.), dagegen ist ein ZVV nach akutem Glaukom Schwere des ZVV fanden sie die Zeit von der ersten ar-
mit hohem Augendruck nicht beschrieben worden. Bei teriellen Füllung bis zur maximalen venösen Füllung als
jungen Patienten mit ZVV ohne kardiovaskuläre Risiko- günstigsten Indikator (⊡ Tab. 10.4). Auch mittels Laser-
faktoren könnte eine Schädigung der Gefäßwand durch Doppler-Velozimetrie konnte ein verminderter Blutfluss
Trauma oder Entzündung mit nachfolgender Verände- im nicht-ischämischen ZVV nachgewiesen werden. Jede
rung des Volumens ein auslösender Faktor sein. Hayreh Absenkung der Fließgeschwindigkeit erhöht die Viskosi-
ging davon aus, dass besonders bei jüngeren Patienten tät des Blutes logarithmisch und verschlechtert damit die
eine entzündliche Ätiologie eine Rolle spielt. Neuere Stu- Mikrozirkulation bedeutend.
dien haben dagegen eine Prädilektion für Entzündungen Der erhöhte Druck innerhalb des venösen retinalen
bei jungen Patienten nicht bestätigt. Gefäßsystems ruft nicht sofort eine Schädigung der Ge-
fäße hervor. Allerdings führt eine lang dauernde Über-
Thrombogenese. Eine erhöhte Thrombogenese verstärkt füllung der Venen zur Extravasation von Blutzellen und
sicher den Circulus viciosus des gestörten Blutflusses zur Störung der endothelialen Blut-Retina-Schranke und
und der partiellen Thrombose. Die Hauptrisikofaktoren damit zur Exsudation von Plasma. Der Abfall der Seh-
der Thrombophilie sind oben dargestellt worden ( Ab- schärfe wird meist erst dann merkbar, wenn ein Makula-
schn. 10.2.1, Risikofaktoren). Man kann nicht annehmen, ödem entsteht. Möglicherweise spielt bei der Entstehung
dass diese Faktoren alleine einen ZVV auslösen, denn ein und dem Erhalt eines chronischen Ödems bei ZVV auch
zu erwartender bilateraler ZVV ist unter diesen Bedin- noch eine erhöhte vitreomakuläre Adhäsion eine Rolle.
gungen niemals berichtet worden. Der ZVV führt nicht nur zu einer Abnahme der Ge-
schwindigkeiten in den Kapillaren, sondern auch zu einer
Blutviskosität. Auch eine erhöhte Blutviskosität als Folge Vergrößerung der perifovealen interkapillären Flächen.
leichter rheologischer Veränderungen ist bei Patienten mit Kommt es zu einer Blutung in die zentralen Zysten der
ZVV gefunden worden und unterstützt die Entwicklung Fovea, wird die Sehschärfe natürlich deutlich stärker be-
von Venenverschlüssen ( Abschn. 10.2.1, Risikofaktoren). einträchtigt. Die Schwellung der Retina, die relative Stasis
Allerdings muss auch hier, wie bei der Thrombophilie, des Blutes und der Verschluss von Venulen führen zu
betont werden, dass es sich mehr um einen Risikofaktor Cotton-wool-Flecken und tragen sicherlich zur Entwick-
handelt. Sehr starke Veränderungen der Hyperviskosität lung und Verstärkung einer Ischämie der inneren Retina
mit hohen Zellzahlen oder stark erhöhten Plasmaprote- bei. Die Progression zu einer ischämischen Erkrankung
inen verursachen praktisch immer das Bild eines »beid- oder die Begrenzung auf den nicht-ischämischen Typ
194 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

anderer Genese (diabetische Retinopathie, Venenastver-


⊡ Tab. 10.4 Wertigkeit (+ bis +++) von Ischämiezeichen beim
Zentralvenenverschluss schluss) treten retinale Neovaskularisationen auf (s.u.).

Untersuchung/ Befund Bedeutung


Parameter 10.2.3 Klinisches Bild
Spaltlampe Rubeosis iridis +++
Eine adäquate Behandlung des ZVV erfordert eine sorg-
Kammerwinkelneovaskula- +++
risation fältige Klassifikation. Zeichen arterieller Erkrankungen
sollten von solchen getrennt werden, die allein auf den
Sehschärfe ≤0,1 (20/200) ++ venösen Verschluss zurückzuführen sind, um so das Aus-
Relativer affe- Differenz zum gesunden ++ maß der retinalen Ischämie richtig einschätzen zu kön-
renter Pupillen- Auge (≥1,2 log Stufen) nen. Da sich der ZVV mehr subakut als akut entwickelt,
defekt sollte das Alter des Verschlusses vom klinischen Bild her
Fluoreszenz- Kapillarverschluss ≥10 PF ++ immer mit der Dauer der Symptome abgestimmt werden.
angiographie Diese und weitere Faktoren (Patientenalter, Gesundheits-
Zeit bis zur maximalen +
zustand, kardiovaskuläres Risiko) bestimmen Verlauf und
venösen Füllung ≥20 s
Prognose des ZVV entscheidend mit.
Perimetrie Periphere Konstriktion ++

Elektroretino- Reduzierte b-Welle ++


Symptome und Fundusbefund
gramm Symptome. Der typische Patient mit ZVV beklagt ein
Verminderte b/a-Amplitude ++
Verschwommensehen des betroffenen Auges unmittel-
Funduskopie Flächige, ausgedehnte + bar nach dem Aufstehen. Dieses Verschwommensehen
retinale Blutungen kann im Anfangsstadium während des Tages fast voll-
10 ständig verschwinden oder sich zumindest bessern, um
PF Papillenfläche
am nächsten Morgen noch deutlicher zurückzukehren.
Es kann dann zu einer Verschlechterung über mehrere
Tage kommen, bis die Verbesserung im Laufe des Tages
des ZVV hängt wahrscheinlich davon ab, ob ein neues für den Patienten nur noch wenig merkbar wird. Häu-
Gleichgewicht zwischen dem Zufluss und dem Abfluss fig führt erst diese länger dauernde Verschlechterung
entsteht. Dies könnte durchaus durch eine rasche Bildung dazu, dass der Patient den Augenarzt aufsucht, häufig
von Kollateralen im Sehnervenkopfbereich und der Er- nach 1-3 Wochen. Damit unterscheidet sich die Sym-
weiterung neuer Drainagewege verbessert werden. ptomatik deutlich von der bei Patienten mit arteriellen
Verschlüssen, die einen plötzlichen starken Visusverlust
Progression zum ischämischen ZVV (C) des betroffenen Auges beklagen, der zu jeder Tageszeit
Bis heute ist nicht bekannt, warum einige Fälle von eintreten kann. Weitere Symptome, die vom Patienten be-
ZVV sich zu einer ischämischen Retinopathie mit ausge- klagt werden, sind Flusen, schwarze Flecken, selten auch
dehnten Kapillarverschlussgebieten entwickeln und an- ein »Verzerrtsehen«. Die Sehschärfe eines reinen venösen
dere nicht. Die bereits genannten Risikofaktoren mögen Verschlusses ist bei der Erstvorstellung selten geringer als
hierbei eine entscheidende Rolle spielen, wie die meist 0,05. Meistens stellt sich der Patient mit einer Sehschärfe
ungünstige Prognose bei älteren Patienten oder solchen zwischen 0,1 und 0,5 vor, bei jüngeren Patienten auch
mit Diabetes mellitus zeigt. Die schlechte Perfusion der noch mit scheinbar voller Sehschärfe. Das Lesen geht im
inneren Retina führt zu einer Ischämie mit der Freiset- betroffenen Auge rasch verloren. Bei jungen Patienten ist
zung von Wachstumsfaktoren. Die Hypoxie induziert die die Sehschärfe während der ersten 14 Tage häufig kaum
Bildung des VEGF (»vascular endothelial growth factor«) eingeschränkt und es kommt erst zu einem Abfall, wenn
und stellt damit die Brücke zwischen retinaler Ischämie sich das zystoide Makulaödem (s.u.) entwickelt hat.
und Gefäßneubildung auf der Iris und Retina her. Unter
Umständen führt auch die VEGF-induzierte Endothel- Praxistipp I I
zellhypertrophie möglicherweise zu Kapillarverschlüssen Für den ZVV spricht immer eine Visusbesserung im
und damit zur Verstärkung der ischämischen Retinopa- Laufe des Tages!
thie. Erstes Zeichen dieser ischämischen Retinopathie
ist fast immer die Rubeosis iridis, die ohne Behandlung
zum neovaskulären Glaukom mit Vorderkammerblu- Frühe Veränderungen am Augenhintergrund sind cha-
tung führt. Seltener als bei ischämischen Retinopathien rakteristisch und erlauben meist eine Blickdiagnose, ob-
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
195 10

b d

⊡ Abb. 10.7 ZVV (a) vom milden, nicht-ischämischen Typ, (b) mit starken Blutungen, (c) mit wenigen Blutungen, Cotton-wool-Herden und star-
kem Venenstau und (d) mit präpapillärer Glaskörperblutung und starker Papillenschwellung. Alle haben ein Makulaödem. (Aus Hansen 2007)

wohl eine große Variationsbreite möglich ist. Das Spekt- der Makula (⊡ Abb. 10.8). Die Blutungen nehmen fast im-
rum eines frischen ZVV reicht von geringen Veränderun- mer zur Peripherie hin ab. Glaskörperblutungen sind sel-
gen mit wenigen oberflächlichen, im Nervenfaserbereich ten und eher in der Papillenregion jüngerer Patienten zu
flammenförmigen Blutungen, leichter Überfüllung der finden (Typ Papillophlebitis, ⊡ Abb. 10.7d, ⊡ Abb. 10.9).
Venen, Hyperämie und Schwellung des Sehnervenkopfes Cotton-wool-Flecken sind Zeichen kleinerer Kapil-
(⊡ Abb. 10.7a) bis zu dichten ausgedehnten Blutungen larverschlussgebiete und bedeuten daher eine lokale Is-
(⊡ Abb. 10.7b) mit stark erweiterten, geschlängelten, oft chämie (⊡ Abb. 10.10). Sie lassen sich in allen Typen des
dunkelroten Venen (⊡ Abb. 10.7c). Bei starkem Papillen- ZVV finden. Auch ein Makulaödem besteht bei allen
ödem finden sich gelegentlich präpapilläre vitreale Blu- Patienten mit Visusverlust. Dieses Makulaödem ist vom
tungen (⊡ Abb. 10.7d). zystoiden extrazellulären Typ und findet sich nach Tagen
Intraretinale Blutungen bestehen am gesamten Fun- bis Wochen. Eine blutgefüllte zentrale Zyste ist ein un-
dus und sind in Gebieten mit dicker Nervenfaserschicht günstiges Zeichen für die Visusprognose.
flammenförmig, d.h. vor allen Dingen um den Sehner- Die Schwellung des Sehnervenkopfes ist immer deut-
venkopf herum. Tiefere Blutungen imponieren als runde lich, seine Ränder sind meistens verdeckt durch Cotton-
Flecken, vor allen Dingen im Bereich der Raphe temporal wool-Flecken und Blutungen. Wo das nicht der Fall ist,
196 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

⊡ Abb. 10.8 ZVV mit tiefen Fleckblutungen »dot and blot«. (Aus
Hansen 2007)

10

⊡ Abb. 10.9 ZVV mit dominierender Papillenschwellung: Typ »Papil-


lophlebitis«. (Aus Hansen 2007)

⊡ Abb. 10.11 Alter ZVV nach Monaten bis Jahren mit (a) Kollateralen
und (b) der typischen atrophischen Makulanarbe. (Aus Hansen 2007)

hilft die Hyperämie der Papille den ZVV von anderen Er-
krankungen des Sehnervenkopfes zu unterscheiden. Bei
jüngeren Patienten findet man oft den Typ der Papilloph-
lebitis (⊡ Abb. 10.7d, ⊡ Abb. 10.9) bei dem die Beteiligung
des Sehnervenkopfes dominiert und der Fundus nur we-
nige Blutungen in der mittleren und äußeren Peripherie
zeigt. Einige Autoren vermuten in diesen Fällen eine
entzündliche Genese oder zumindest eine entzündliche
Beteiligung, die den Einsatz von Steroiden rechtfertigt
( Abschn. 10.2.5, Steroide).
⊡ Abb. 10.10 ZVV mit vielen »Cotton-wool-Flecken« (dennoch nicht Späte Zeichen eines langdauernden ZVV können,
ischämisch!). (Aus Hansen 2007) abhängig von der Entwicklung zwischen Zufluss und
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
197 10
steht ganz die anteriore Neovaskularisation im Vorder-
grund. Nicht selten wird ein lange übersehener ZVV
durch ein hämorrhagisches Sekundärglaukom entdeckt.

Klassifikation
Das breite Spektrum des klinischen Bildes beim ZVV erfor-
dert eine sorgfältige Klassifikation, da diese entscheidend
für den Verlauf ( Abschn. 10.2.4) und die Behandlung sein
kann. Die große Herausforderung besteht darin, Patien-
ten mit einer ischämischen Form des ZVV (Synonyme:
nicht perfundierter ZVV, hämorrhagische Retinopathie)
zu erkennen. Dies ist nur selten bei der ersten Vorstellung
des Patienten möglich und eine alleinige fundusskopische
Untersuchung reicht dafür nicht. Die ischämische und die
nicht-ischämische Variante (Synonyme: venöse Stase-Re-
tinopathie, partieller ZVV, perfundierter ZVV, Präthrom-
bose) bilden die zwei Enden eines kontinuierlichen Spekt-
⊡ Abb. 10.12 Alter ZVV vom nicht-ischämischen, exsudativen Typ. rums und nicht so sehr eigene Krankheitsbilder. Besonders
(Aus Hansen 2007) innerhalb des ersten Halbjahres sollte man immer wieder
das Ausmaß der Ischämie abschätzen, um nicht den Über-
gang eines nicht-ischämischen Verschlusses oder einer un-
Abfluss, sehr unterschiedlich sein. Die strichförmigen bestimmbaren (»indeterminate, intermediate«) Form in
Blutungen werden innerhalb der ersten Monate verwa- die laserpflichtige neovaskuläre Form zu verpassen. Dieser
schen und fangen langsam an zu verschwinden. Auch Grundsatz gilt auch für den Hemi-ZVV.
die Überfüllung der Venen nimmt ab, die Gefäßwände Ischämische Zeichen sind nicht allein über die
verlieren ihre Transparenz und erscheinen weißer. Zi- Ophthalmoskopie des Fundus zu erkennen. Ein schwa-
lioretinale Kollateralen sind ein sehr charakteristisches cher Indikator können ausgedehnte dichte Blutungen
Zeichen eines mindestens einige Wochen bis Monate (⊡ Abb. 10.13a) sein, obwohl der ischämische ZVV auch
alten ZVV (⊡ Abb. 10.11a). Sie sollten nicht mit Neo- mit nur wenigen retinalen Blutungen vorkommen kann
vaskularisationen verwechselt werden ( Abschn. 10.2.3, (⊡ Abb. 10.13b,c). Andere Zeichen, die den Verschluss als
Spontanverlauf). schwerer erscheinen lassen, z.B. starkes Papillenödem,
Das Makulaödem nimmt zunächst noch zu, Einblu- zahlreiche Cotton-wool-Spots, ausgeprägte Dilatation
tungen in Zysten verschwinden nur langsam. Die meist und Tortuositas der Venen sowie ein hohes Makulaödem
zögernd eintretende Verminderung des Ödems nach Mo- können nicht eindeutig dem Ausmaß der Ischämie zuge-
naten und Jahren kann eine trockene pigmentierte Narbe ordnet werden, wie in ⊡ Abb. 10.13b,c gezeigt.
als einziges Zeichen für einen alten ZVV zurücklassen Ein verlässliches Zeichen der Ischämie ist die Rubeo-
(⊡ Abb. 10.11b). Allerdings wird es nicht immer zu einer sis iridis. Auch die Fluoreszenzangiographie (Kapillar-
deutlichen Abnahme des arteriellen Zuflusses kommen verschlussgebiete, verlängerte Transitzeiten) hilft bei der
und damit zu keiner Adaptation an den verminderten Feststellung eines ischämischen Verschlusses, aber auch
venösen Abfluss. In diesen Fällen bleibt die Wiederher- hier gibt es keine eindeutigen Grenzen.
stellung einer Blut-Retina-Schranke aus und es kann sich Margagal klassifizierte ZVV über einen sogenannten
über weite Bereiche eine seröse retinale Abhebung mit ischämischen Index. Ein ischämischer Index von etwa
harten Exsudaten entwickeln (⊡ Abb. 10.12). 50% (entspricht etwa 10 Papillenflächen mit Kapillarver-
Das erste beweisende Zeichen eines ischämischen schluss) wurde von ihm als eindeutiges Risiko für neovas-
ZVV ist eine Gefäßneubildung auf der Iris. Eine unbehan- kuläre Komplikationen angesehen. Dieser Wert wurde in
delte Rubeosis iridis führt leicht zu einem Verschluss des der Central Vein Occlusion Study als Ischämie-definie-
Kammerwinkels mit einem nachfolgenden Sekundärg- render Parameter aufgenommen, obwohl dieser später
laukom und einem Hyphaema. Eine solche Entwicklung durch die Daten selbst (s.u.) und von Hayreh in Frage
kann in schweren Fällen innerhalb von wenigen Wochen gestellt wurde. Über diese Parameter hinaus können die
eintreten (sog. »100-Tage-Glaukom«). Interessanterweise funktionellen Untersuchungen (Sehschärfe, Gesichtsfel-
sieht man retinale Neovaskularisationen beim ZVV nicht der, relativer afferenter Pupillendefekt, Elektroretinogra-
so häufig, wie bei anderen ischämischen Retinopathien phie) dem Ophthalmologen dienen, das ischämische Ri-
(diabetische Retinopathie, Venenastverschluss), beim ZVV siko besser einzuschätzen (⊡ Tab. 10.4).
198 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Praxistipp I I
Beweisendes Zeichen eines ischämischen Zentral-
venenverschlusses ist die Gefäßneubildung auf der Iris.
Besonders innerhalb des ersten Halbjahres sollte
immer wieder das Ausmaß der Ischämie abgeschätzt
werden, um nicht den Übergang in eine laserpflichtige
neovaskuläre Erkrankung zu verpassen!

Spontanverlauf
Wie bereits erwähnt, handelt es sich beim retinalen Ve-
nenverschluss eher um eine subakut chronische Erkran-
kung, wenn man sie mit dem dramatischen Visusabfall,
a der beim retinalen Arterienverschluss vorkommt, ver-
gleicht. Entsprechend ist die Prognose sehr viel komple-
xer und der Verlauf schwer vorherzusagen. Der Spontan-
verlauf reicht von vollständiger Heilung bis zu schmerz-
hafter Erblindung mit Neovaskularisationsglaukom.
30-50% aller Augen zeigen eine leichte Progression über
die ersten Wochen und Monate. Ungünstige Faktoren
sind in ⊡ Tab. 10.5 aufgeführt. Ein Endpunkt in der Ent-
wicklung ist frühestens nach 6 Monaten erreicht, kann
10 sich aber über Jahre hinziehen. Gründe für eine schlechte
Prognose sind zweifach:
1. Der fortgesetzte Zusammenbruch der Blut-Retina-
Schranke führt zu einem chronischen Makulaödem
oder sogar zu einer exsudativen Netzhautablösung
(⊡ Abb. 10.12).
2. Die ischämische innere Retina bei noch funktionie-
renden Photorezeptoren führt zur VEGF-Ausschüt-
tung mit neovaskulären Komplikationen.
b

Diese entwickeln sich in der Regel zwischen dem dritten


und sechsten Monat (s.u.), sehr selten später als ein Jahr
nach Symptombeginn. Dies verlangt eine sorgfältige Be-
obachtung aller nicht-ischämischen ZVV während des
ersten Jahres. Darüber hinaus haben Augen mit einem
zunächst günstigen Verlauf ein Risiko von 2-5% inner-
halb von 2 Jahren eine zweite, dann meist schwerere Epi-
sode des ZVV zu erleiden.

⊡ Tab. 10.5 Faktoren, die auf eine schlechte Prognose deuten

Befunde

Ophthalmo- Frühe Rubeosis iridis innerhalb von 5-10 Wochen


logisch Zentrale Zysten mit Einblutung
Dunkle flächige Blutungen
Ausgangsvisus ≤0,05 (20/400)
c
Allgemein Schlecht eingestellte arterielle Hypertension
Diabetische Retinopathie
⊡ Abb. 10.13 ZVV vom (a) intermediären Typ, und (b) ischämischen Typ
Patienten ≥80 Jahre
mit (c) mit ausgedehnten Kapillarverschlussgebieten. (Aus Hansen 2007)
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
199 10
Ausgangssehschärfe. Diese ist anfangs häufig normal Diese lagen bei 12%, während 30% einen Sehschärfen-
und fällt erst innerhalb der ersten 14 Tage ab. 25-30% der verlust von mehr als 2 Linien zeigten. Die stabile Gruppe
Augen können bei Erstvorstellung noch lesen (Sehschärfe (±2 Zeilen) umfasste etwa 58%. Diese Ergebnisse stim-
≥ 0,4) etwa 50% sehen bei Entdeckung des Venenver- men sehr gut überein mit denen der Kontrollen aus den
schlusses 0,1 oder weniger. Zieht man das Ausmaß der randomisierten Studien (⊡ Tab. 10.6).
Ischämie in Betracht, so zeigen 70-80% der Patienten Interessanterweise gab es keinen großen Unterschied
mit einem nicht-ischämischen Verschluss eine Sehschärfe zwischen den beiden Typen des ZVV, obwohl die Verbes-
von ≥0,1, während dies nur bei 7-14% ischämischer Au- serungsrate mit 20% in der ischämischen Gruppe höher
gen der Fall ist. Daher ist auch ein Sehschärfenabfall auf als in der nicht-ischämischen Variante mit nur 13% war
<0,1 ein wichtiger Hinweis auf einen ischämischen ZVV (⊡ Tab. 10.7). Dies spiegelt aber eher die bessere IVA wie-
(⊡ Tab. 10.4). Dieser Marker gilt weniger für Patienten der, von der aus nur selten eine Verbesserung um mehr
unter 50 Jahren, die zu Beginn eine bessere Sehschärfe als zwei Zeilen möglich ist. Bezieht man die Lesefähig-
aufweisen. keit in die Visusprogose mit ein (Sehschärfe ≥0,4), wird
dieser Unterschied in der Prognose des ischämischen
Entwicklung der Sehschärfe. Diese lässt sich im Einzel- und nicht-ischämischen ZVV evident. Quinlan und Mit-
fall schwer vorhersagen, ist aber in zwei großen Studien arbeiter fanden, dass nach einem Jahr 54% der nicht-
über den Spontanverlauf gut untersucht. Die CVOS (Cen- ischämischen Augen, aber kein Patient mit ischämischem
tral Vein Occlusion Study) fand eine deutliche Abhän- ZVV lesefähig war. In der CVOS-Gruppe fiel die Rate
gigkeit der Visusprognose von der initialen Sehschärfe der Patienten mit einer Sehschärfe von ≥0,5 von 29% auf
(IVA). 65% der Augen mit einer Sehschärfe ≥0,5 konnten 26% und korrespondiert damit einigermaßen mit den
die Sehschärfe in diesem Bereich bis zum Ende der ein- 19% von Quinlan. Aus diesem Grunde sollte man immer
jährigen Studie halten. Dagegen zeigten Patienten aus der betonen, dass auch der nicht-ischämische ZVV keine
Gruppe zwischen 0,1 bis 0,4 eine stärke Variation: 44% gutartige Erkrankung darstellt.
blieben in diesem Visusbereich, aber 37% endeten <0,1.
Insgesamt erreichten nur 19% am Ende dieser Studie eine ! Cave!
Sehschärfe ≥0,5. Nur ein Viertel bis ein Fünftel der Patienten er-
Diese Daten passen gut zu den Untersuchungen von reichen unbehandelt einen Visus von ≥0,5. Eine
Quinlan über den Spontanverlauf, obwohl die Ausgangs- Besserung von mehr als zwei Zeilen tritt nur bei
sehschärfe (IVA) in dieser Patientengruppe etwas anders jedem achten Patienten ein.
war. In der Patientengruppe der CVOS hatten 29% eine
IVA ≥0,5, während in der Studie von Quinlan nur 18% Neovaskuläre Erkrankung. Die CVOS benutzte als Pa-
mit diesem relativ guten Visus begannen. Aus den Daten rameter für das Risiko, eine neovaskuläre Komplikation
der letzteren Arbeit (⊡ Tab. 10.6) lassen sich auch die zu entwickeln, die nicht-perfundierte Fläche im Fluores-
Raten für eine Besserung von über 2 Zeilen errechnen. zenzangiogramm. Dabei wurde als Schwelle zur Ischämie

⊡ Tab. 10.6 Spontanverlauf der Sehschärfe bei ZVV mit Bezug auf den Ausgangsvisus ohne Berücksichtigung der Ischämie

Studientyp Visus > IVA Endvisus Visusanstieg


≥2 Zeilen

Autor N ≥0,5 ≥0,5 ≥0,4 <0,1

Spontanverlauf CVOS 714 29% 28% n.u. 41% n.u.

Quinlan 155 18% 19% 37% 48% 12%

Kontrollen* Hansen 30 40% 20% 40% 27% 10%

Wolf 21 38% 19% 38% 43% 14%

IHD Hansen 33 30% 39% 55% 18% 46%

HHD/IHD Wolf 19 42% 63% 63% 16% 37%

IHD Hansen 82 17% 35% 48% 32% 37%

N Patientenzahl (Daten aus den Arbeiten der CVOS, von Qinlan, Hansen und Wolf); n.u. nicht untersucht; IVA Ausgangssehschärfe; IHD isovolämische
Hämodilution; HHD hypervolämische Hämodilution. * Unbehandelte Patienten aus den kontrollierten randomisierten Studien
200 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

⊡ Tab. 10.7 Spontanverlauf der Sehschärfe bei ZVV mit Bezug auf den Ausgangsvisus und Berücksichtigung der Ischämie

Studie Visus > IVA Endvisus Visusanstieg


≥2 Zeilen

Autor Perf N ≥0,5 ≥0,5 ≥0,4 <0,1

Spontanverlauf Quinlan et al. 1990 ni 107 26% 27% 54% 32% 13%

IHD Hansen et al. 1989a ni 47 30% 46% 63% 26% 28%

Spontanverlauf Quinlan et al. 1990 i 48 0% 0% 0% 85% 20%

IHD Hansen i 35 0% 20% 26% 40% 49%

N Patientenzahl (Daten aus den Arbeiten von Qinlan, Hansen); IVA Ausgangssehschärfe; IHD isovolämische Hämodilution; Perf Perfusionsstatus;
ni nicht ischämisch; i ischämisch

⊡ Tab. 10.8 Häufigkeit einer Iris-/Kammerwinkelneovaskularisation (INV) in Bezug zur Ausgangsvisus zum ZVV-Typ (Daten der Central
Vein Occlusion Study)

Ausgangsvisus ≥0,5 0,4-0,1 <0,1 All

Perfusion n INV %INV n INV %INV N INV %INV N INV %INV

Perfundiert 200 9 5% 259 32 12% 79 15 19% 538 56 10%


10 Nicht perfundiert 8 0 0 32 7 22% 86 34 40% 126 41 33%

Intermediär 1 1 100% 13 6 48% 36 13 36% 50 20 40%

Alle Augen 209 10 5% 304 45 15% 201 62 31% 714 117 16%

eine Fläche von ≥10 Papillenflächen angenommen. Dies der Ausgangsvisus ist. 20% der Irisneovaskularisationen
wurde berechtigterweise von Hayreh kritisiert und ist im entstehen innerhalb der ersten vier Monate, davon 7%
Nachhinein durch die Daten der CVOS bestätigt worden. in der Gruppe IVA >0,4 und 44% in Augen mit IVA
Alle Typen des ZVV können neovaskuläre Komplikati- <0,1. Obwohl diese Korrelation zwischen der Anfangs-
onen entwickeln (⊡ Abb. 10.14a-d). Das o.g. Kriterium sehschärfe und der neovaskulären Erkrankung besteht,
für Nicht-Perfusion traf für 18% der 700 eingeschlos- kann die Entwicklung einer INV in Patienten mit gutem
senen Patienten zu, während 7% weder der einen noch Ausgangsvisus nicht ausgeschlossen werden. Patienten
anderen Gruppe zuzuordnen waren (»indeterminate«). mit niedrigem Ausgangsvisus müssen in jedem Fall wäh-
Von den 714 eingeschlossenen Augen entwickelten 16% rend der ersten Wochen und Monate engmaschig kont-
eine Iris- oder Kammerwinkelneovaskularisation (INV). rolliert werden.
Diese Augen korrelierten aber nur teilweise mit dem Zusätzliche Risikofaktoren für eine neovaskuläre Er-
Nicht-Perfusionskriterium (⊡ Tab. 10.8). Während 33% krankung neben der niedrigen Sehschärfe und einem
der nicht-perfundierten ZVV eine INV entwickelten, lag ausgedehnten Kapillarausfall sind starke Venenschlänge-
die Rate bei den unbestimmbaren ZVV bei 40% und lung und ausgedehnte retinale Blutungen. Die Letzteren
beim perfundierten Typ immerhin noch bei 9,5%. Dies erklären gut die hohe Rate der INV bei unbestimmba-
verdeutlicht die Schwierigkeiten, eine verlässliche Prog- rem ZVV (»indeterminate«), weil die Nicht-Perfusion
nose hinsichtlich des Ischämiegrades allein auf die An- in diesen eingebluteten Bereichen schwer bestimmbar
giographie zu gründen. ist. Retinochorioidale Kollateralen sind negativ mit INV
Die Häufigkeit einer INV war deutlich zur niedrigen assoziiert und scheinen vor den neovaskulären Kompli-
Ausgangssehschärfe korreliert (⊡ Tab. 10.8). Die Häufig- kationen zu schützen.
keiten lagen bei 5% (IVA >0,4), 15% (IVA 0,1-0,4) und Jüngere Patienten (≤50 Jahre) mit ZVV haben meist
31% (IVA <0,1), sodass man sagen kann, eine Irisneovas- eine geringfügig bessere Prognose hinsichtlich des Visus.
kularisation entwickelt sich umso häufiger, je niedriger Etwa 42% enden mit einer Sehschärfe ≥0,4. Trotzdem kön-
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
201 10

a c

b d

⊡ Abb. 10.14 Progression eines (a, b) nicht-ischämischen ZVV nach zwei Monaten zum (c, d) ischämischen Typ. (Aus Hansen 2007)

nen auch bei diesen Patienten sehr komplikative Verläufe 10.2.4 Diagnose und Differentialdiagnose
auftreten. Die Ausgangssehschärfe scheint bei jüngeren
Patienten nicht so aussagekräftig, wie bei älteren. 42% der Diagnostik
jüngeren Patienten zeigen aber einen ungünstigen Verlauf Fluoreszenzangiographie. Eine Fluoreszenzangiogra-
mit einer finalen Sehschärfe von ≤0,1 und 18% entwickeln phie ist immer hilfreich und meistens im Verlauf einer
eine neovaskuläre Erkrankung. Diese Daten unterschei- ZVV auch notwendig. Die verzögerte Venenfüllung ruft
den sich nur wenig vom Ausgang bei älteren Patienten das typische Bild der schwarzen Venen auf einem hel-
und unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen len chorioidalen Hintergrund in der Frühphase her-
Nachkontrolle auch dieser Patienten im ersten Jahr. vor. Sinclair und Gragoudas fanden heraus, dass eine
Zeit von mehr als 20 s von der ersten Anfärbung der
! Cave! Arterien auf der Papille bis zur maximalen Füllung
Auch Patienten mit primär nichtischämischem der Temporalvenen ein deutlicher Hinweis auf einen
ZVV können innerhalb der ersten zwei Jahre Neo- ischämischen ZVV ist. Während der Spätphase kommt
vaskularisationen entwickeln. es zu einer intensiven Anfärbung der Gefäßwände der
202 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

10

⊡ Abb. 10.15 Fluoreszenzangiographie des ZVV. a Milder ZVV mit


Wandanfärbung und persistierender Papillenschwellung. b Nicht-
ischämischer ZVV mit zystoidem Makulaödem nach 6 Monaten. (Aus
Hansen 2007)

b
großen Venen, auch wenn kein generalisierter Farb-
stoffaustritt aus den kleinen Gefäßen zu beobachten ist
⊡ Abb. 10.16 Differentialdiagnose des ZVV. a Okuläre Ischämie bei
(⊡ Abb. 10.15a). Ein starker Farbstoffaustritt überdeckt kompletter gleichseitiger Karotisstenose. b Hyperviskositätssyndrom
häufig die Rosettenform des zystoiden Makulaödems, bei Plasmozytom. (Aus Hansen 2007)
das immer bei Augen mit einem Visusverlust auftritt,
aber erst häufig im Laufe des Verlaufs deutlicher sicht-
bar wird (⊡ Abb. 10.15b). Die für die Prognose wichtigen
Areale mit Kapillarverschluss oder Minderperfusion Beim älteren ZVV sind die sehr seltenen Papillenneo-
sind in den ersten Wochen häufig nur schwer zu erken- vaskularisationen durch ihre starke Leckage im Zweifels-
nen, da sie von retinalen Blutungen überdeckt werden. fall leicht von den häufigen Kollateralen (⊡ Abb. 10.11a,b)
Dies begrenzt auch den Wert der frühen Angiographie ohne Farbstoffaustritt zu unterscheiden.
in der Beurteilung von Kapillarverschlussgebieten und
mindert damit den prognostischen Wert eines frühen Optisches Kohärenztomogramm (OCT). Das OCT als
Angiogramms ( Abschn. 10.2.4, Differentialdiagnose). nicht invasives Verfahren erlaubt auch beim ZVV neue
Eine abnehmende retinale Fluoreszenz bei gering struk- und das Fluoreszenzangiogramm ergänzende Einblicke
turiertem chorioidalen Hintergrund verbunden mit in die Netzhautmorphologie. Dies trifft besonders für die
knospenartigen Gefäßstummeln weist auf eine massive hochauflösenden mit der spektralen Analyse arbeitenden
Ischämie (⊡ Abb. 10.13c) und erlaubt daher die Klassifi- Verfahren (»spectral domain OCT«) mit Eye-tracking
kation ischämischer ZVV (⊡ Abb. 10.16). zu. Rezeptoren, Körnerschichten, Pigmentepithel, Cho-
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
203 10

⊡ Abb. 10.17 Optische Kohärenztomo-


graphie bei Zentralvenenverschluss. Effekt
von 0,5 mg Ranibizumab über 28 Tage
(0 Tagd-28 Tag): Höhepunkt des Ödem-
rückganges am 14. Tag, am 28.Tag bereits
wieder deutliche Zunahme des Ödems. (Mit
freundl. Genehmigung aus Hansen LL und
Feltgen N 2010)

riocapillaris im Zentrum sind besser zuzuordnen und arbeiter fanden, dass bei 71% der Augen mit nicht-isch-
machen es auch möglich, auf funktionelle Veränderungen ämischem ZVV, aber nur bei 8% mit ischämischem ZVV
zu schließen. Besonders hilfreich ist das OCT bei der unauffällige periphere Gesichtsfelder vorhanden waren.
Entscheidungsfindung in der Therapie (z.B. Beurteilung
der äußeren Netzhaut, vitreomakuläre Traktion). Es ist Relativer afferenter Pupillendefekt (RAPD). Der RAPD
bei der Objektivierung von Therapieerfolgen (z.B. Netz- ist ein einfacher Test und ist recht verlässlich in der
hautdickenverlauf, Ödemcharakter) heute unentbehrlich Unterscheidung des ischämischen ZVV von dem nicht-
(⊡ Abb. 10.17). In der Beurteilung des Ischämiegrades ischämischen Typ. Bei einem Unterschied von ≥0,9 loga-
hilft das OCT nicht. rithmischen Einheiten fand Hayreh mit dem RAPD eine
Sensitivität von 80% und eine Spezifität von 97%. Vorbe-
Perimetrie. Sie meist entbehrlich und wenig zielführend, dingung dieses objektiven Testes ist eine normale Pupille
kann aber hilfreich bei Patienten mit dem intermediären und ein gesundes Partnerauge.
Typ des ZVV sein. Fast alle Augen weisen ein relatives
Zentralskotom auf, aber das periphere Gesichtsfeld ist nur Elektroretinogramm (ERG). Für die Differenzierung des
bei ischämischen ZVV eingeschränkt. Hayreh und Mit- ZVV-Typs kann auch das ERG hilfreich sein. Hierbei
204 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

spielt die b-Wellen-Amplitude unter photopischen und


skotopischen Bedingungen eine wichtige Rolle. Mit die-
Praxistipp I I
Der Hämatokritwert muss immer bestimmt werden.
sen Routine-ERG-Parametern kann eine Sensitivität von
Das Fluoreszenzangiogramm und das optische Kohe-
80-90% und eine Spezifität von 70–80% erreicht wer-
renztomogramm bleiben die Basis bei der Beurteilung
den. Eine Reduktion des Amplitudenverhältnisses der
des ZVV und bei der Therapiekontrolle. Weitere Unter-
b- zur a-Welle korreliert signifikant mit dem Vorhan-
suchungen sind selten notwendig.
densein von Kapillarverschlussgebieten im Angiogramm.
Die Implikationszeit für die photopische b-Welle im 30-
Herz-Flicker-ERG scheint ein guter Prädiktor für die
Iris-Neovaskularisation zu sein. Larsson hat empfohlen, Differentialdiagnose
diese Untersuchung drei Wochen nach Symptombeginn Die Differentialdiagnose eines ZVV ist gewöhnlich nicht
durchzuführen und fand sie der durch das Fluoreszen- schwierig (⊡ Tab. 10.9). Die diabetische und hypertensive
zangiogramm zu erhaltenden Prognose überlegen. Retinopathie wie auch Hyperviskositätssyndrome führen
immer zu einem beidseitigen Bild. Wenn beide Augen
Weitere Untersuchungen. Mit der Ophthalmodynamo- befallen sind, ist immer eine sorgfältige internistische
metrie in Verbindung mit einer Goldmann-Kontaktlinse Untersuchung notwendig. Die häufigsten Schwierigkeiten
lässt sich der venöse Kollapsdruck messen. Dieser Kol- in der Differentialdiagnose finden sich bei frühen, leich-
lapsdruck ist in Augen mit ischämischem ZVV deutlich ten nicht-ischämischen ZVV und bei den späten Formen
erhöht. und ihren Komplikationen.
Der Blutdruck sollte immer in mehrfachen Einzel-
messungen geprüft werden, unter Umständen ist auch Früher ZVV
eine Nachtmessung zum Erkennen des Ausmaßes eines Die Anteriore ischämische Optikusneuropathie (AION)
nächtlichen Blutdruckabfalls sinnvoll. mit ihrer deutlichen Schwellung der Papille täuscht gele-
10 Blutentnahmen richten sich nach den Risikofakto- gentlich einen milden ZVV vor, kann aber leicht davon
ren. Der Hämatokrit muss immer bestimmt werden. Bei durch den typischen altitudinalen Gesichtsfelddefekt un-
jüngeren Patienten muss auch daran gedacht werden, terschieden werden. Wenn retinale Blutungen sich bis in
die APC-Resistenz zu prüfen, um eine Thrombophilie die mittlere Peripherie ausdehnen, spricht das eher für
auszuschließen. Die Anamnese einer nicht-okulären Ve- Diagnose ZVV, obwohl eine starke Papillenschwellung
nenthrombose sollte zu ausführlicheren Untersuchungen allein auch zu einer Überfüllung der Vene führen kann.
beim Internisten führen. Ansonsten sind vor allen Dingen Eine kleine Papille auf dem Partnerauge unterstützt die
bei Verdacht auf assoziierte Erkrankungen entsprechende Diagnose AION.
Untersuchungen einzuleiten (⊡ Tab. 10.3). Eine Doppler- Die okuläre Ischämie (venöse Stase-Retinopathie
sonographie ist im Allgemeinen nicht notwendig, kann nach Kearns), die durch eine schwere Karotisstenose aus-
aber beim ischämischen Verschluss einen zusätzlichen gelöst werden kann, sollte nicht als nicht-ischämischer
Risikofaktor aufdecken. ZVV (⊡ Abb. 10.17a) aufgefasst werden. Hilfreiche Zei-

⊡ Tab. 10.9 Differentialdiagnose des ZVV

Differentialdiagnose Charakteristika

Früher ZVV Anteriore ischämische Neuropathie Keine peripheren Blutungen

Papillenschwellung Kein Visusabfall

Hypertensive Retinopathie Beide Augen betroffen


Diabetische Retinopathie
Hyperviskositätssyndrome

Okuläre Ischämie Fleckblutungen


Geringe oder keine Papillenschwellung

Später ZVV Geographische Atrophie bei später AMD Keine Kollateralen, keine leckenden Gefäße im FA
Neovaskuläre Erkrankungen Anamnese
M. Eales Vaskulitis, präretinale Blutung

AMD Altersabhängige Makuladegeneration. FA Fluoreszenzangiogramm.


10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
205 10
chen bei der Differentialdiagnose sind die geringe oder lanom durch die Echographie ausgeschlossen werden,
manchmal fehlende Papillenschwellung, eher tiefer gele- vor allen Dingen, wenn keine Anamnese eines Venenver-
gene Fleckblutungen und ein verminderter retinaler arte- schlusses bekannt ist.
rieller Perfusionsdruck in der Ophthalmodynamometrie.
Außerdem sind Blutungen bei der okulären Ischämie
weniger häufig und mehr über die mittlere Peripherie 10.2.5 Medizinische Behandlung
verteilt. Ein Makulaödem ist sehr viel seltener. Ein Tyn-
dalleffekt in der Vorderkammer und eine Rubeosis iridis Grundlagen der Behandlung
bei noch relativ guter Sehschärfe sprechen immer eher Wie bereits ausgeführt, ist der ZVV durch ein sehr breites
für eine okuläre Ischämie. Spektrum hinsichtlich des Ausgangs gekennzeichnet und
Nicht selten ist ein Venenverschluss auf eine diabe- wir besitzen nur sehr wenige verlässliche Parameter für
tische Retinopathie aufgepfropft. In diesem Fall findet eine sichere Differentierung zwischen gutartigem und
man ein recht unterschiedliches Bild zwischen beiden ungünstigem Verlauf am Beginn der Erkrankung. Das
Augen. Eine normale diabetische Retinopathie zeigt erschwert auch, den Nutzen einer bestimmten Therapie
aber in der Regel keine Papillenschwellung, außerdem vorherzusagen und besonders sich für eine Behandlung
sind harte Exsudate im ZVV seltener anzutreffen. Wenn mit höherem Risiko zu entscheiden. Deshalb hat Hayreh
eine diabetische Retinopathie in einem Auge deutlich immer dazu geraten, den Verlauf abzuwarten, bevor man
stärker ist, sollte der ZVV mit einem Angiogramm, eilig eine ungewisse Therapie beginnt.
das die spätere Venenfüllung anzeigt, ausgeschlossen Der schwer einschätzbare Verlauf erklärt auch, wa-
werden, rum eine so große Anzahl verschiedener Behandlungen
Hypertensive Retinopathie und Hyperviskositäts- versucht wurde (⊡ Tab. 10.10). Allerdings waren hierunter
syndrom (⊡ Abb. 10.17b) können leicht durch die Blut- sehr viele Pilotstudien ohne eindeutigen Erfolg. Die meis-
druckmessung und Laboruntersuchungen wie Blutbild, ten der ZVV-Therapie-Studien sind nicht nur nicht ran-
Blutsenkung, Zellzählung und Bestimmung der Plasma- domisiert, sondern weisen eine Vielzahl von Schwächen
proteine ausgeschlossen werden. Darüber hinaus wird auf, die dann den eigentlichen Nutzen nicht erkennen
eine gründliche Anamnese die Allgemeinsymptome auf- lassen. Diese Schwächen bestehen, abgesehen von pro-
decken, die nicht dem ZVV zuzuordnen sind. Eine Tages- blematischem Studienaufbau, im Zusammenwerfen von
schwankung im Visus mit morgendlichem schlechteren Zentral- und Venenastverschluss, einer fehlende Diffe-
Sehen unterstützt immer die Diagnose eines ZVV. renzierung zwischen ischämischen und nicht-ischämi-
schen ZVV und vorgefassten Meinungen.
Älterer ZVV Die Therapie des ZVV sollte
Ein Makulaödem mit wenigen oder keinen Blutungen 1. das chronische Makulaödem und damit auch die
deutet nicht selten auf einen alten, nicht ischämischen Vernarbung der Makula und
ZVV hin. Dies kann besonders nach einer Katarakt- 2. neovaskuläre Komplikationen verhindern.
extraktion zum falschen Schluss eines rein postopera-
tiven Ödems führen. Pigmentationen im fovealen Be- Bezüglich des Makulaödems gibt es zwar noch keine
reich und Kollateralen auf der Papille (⊡ Abb. 10.11a,b) generell akzeptierte Behandlung, doch scheint sich hier
deuten auf einen ZVV hin. Kollateralen auf der Papille eine wesentliche Änderung mit Anwendung der VEGF-
(⊡ Abb. 10.11a) können sehr leicht von Neovaskularisati- Inhibitoren anzubahnen. Die Verhinderung der Neovas-
onen auf der Papille durch ein Fluoreszenzangiogramm kularisation ist in den meisten Fällen durch eine Laser-
unterschieden werden, da sie kein Leck zeigen. Kollate- behandlung möglich, Uneinigkeit besteht aber über den
ralen als Folge eines Optikusmeningeoms weisen nie eine Zeitpunkt des Eingriffs.
Makulanarbe auf. Beim ZVV handelt es sich wie oben gezeigt um eine
Makulanarben nach ZVV bilden sich manchmal eher subakute bis chronische Erkrankung, die nie eine
erst Jahre später und können als altersbedingte geogra- sofortige Intervention innerhalb von Stunden verlangt
phische Atrophie fehlgedeutet werden. Auch hier spre- und in ihrem Verlauf häufig schwer einzuschätzen ist.
chen Kollateralen auf der Papille sowie eine Hyperämie Trotzdem ist die frühe Behandlung innerhalb der ersten
der Papille für einen Venenverschluss und gegen eine Wochen wichtig, um die Chancen für eine vernünftige
Spätform der altersabhängigen Makuladegeneration Endsehschärfe zu erhöhen. Faktoren, die den Verschluss
(⊡ Abb. 10.11b). ausgelöst haben und ihn exazerbieren könnten, sollten
Ein älterer ZVV ist der häufigste Grund eines Neo- bereits innerhalb von Tagen oder Wochen angegangen
vaskularisationsglaukoms. Allerdings sollte, wenn kein werden. Es gibt allerdings auch keine sichere zeitliche
sicherer Einblick besteht, immer ein intraokulares Me- Grenze nach hinten mit der Therapie zu beginnen, so-
206 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

⊡ Tab. 10.10 Übersicht über neuere versuchte Therapien bei ZVV (Kontrollierte [KS] und prospektive [PS] Studien)

Therapieansatz Behandlung Design Erfolg

Kardiovaskuläre Risikofaktoren Senkung des Blutdrucks PS (+)


Senkung der Hyperlipidämie PS (+)

Vasodilatation Carbogeninhalation PS ±
Medikamentöse Vasodilatation PS ±

Antikoagulation Coumarin, Heparin PS ±


Thrombozytenaggregationshemmung PS ±

Thrombolyse System. Fibrinolyse, hoch KS +*


System. Fibrinolyse, niedrig PS +
Selektive Fibrinolyse PS (+)
Retinale endovasculäre Lyse PS +
Intravitreale Lyse PS ±

Blutviskosität Isovolämische Hämodilution KS +


Hypervolämische Hämodilution KS +
Hypovolämische Hämodilution KS –
Troxerutin KS +

Steroide Systemische Steroide PS (+)


Intravitreale Steroide KS +

* nicht empfohlen vom Autor wegen der Nebenwirkungen. (Literatur: Elman 1996, Kohner et al. 1976, Sedney 1976)

10
lange noch keine endgültige Vernarbung mit Untergang Eingriffe in das Gerinnungssystem
der Rezeptoren eingetreten ist. (Literatur s. b. Hansen Antikoagulation
2007) Eine antikoagulative Therapie kann die Thrombose nicht
rückgängig machen, daher kann die Rationale im besten
Behandlung von Risikofaktoren Falle nur darauf zielen, ein weiteres Thrombuswachstum
Risikofaktoren und damit auch die Progression des ZVV zu verhin-
Die Behandlung der kardivaskulären Risikofaktoren oder dern. Versucht worden sind antikoagulative Therapien
assoziierter Erkrankungen wird keine Verbesserung brin- mit Natriumheparin, Bishydroxicoumarin und Acetyl-
gen, so lange nicht eine eindeutige Ursache wie z.B. beim salicylsäure. Obwohl die Daten von den Autoren positiv
Hyperviskositätssyndrom für den Verschluss verantwort- beurteilt wurden, waren Nachfolgestudien nicht bestä-
lich ist. Allerdings kann durch eine Reduktion der Risiko- tigend und erfüllten in keinem Falle die Bedingungen
faktoren die Progression eines nicht-ischämischen in den evidenzbasierter Studien.
ischämischen ZVV gemindert und die Häufigkeit eines
zweiten Schubes oder einer Beteiligung des Partnerau- Thrombolyse
ges gesenkt werden. Entsprechend sollten die arterielle Der Ansatz, einen Thrombus aufzulösen erscheint sinn-
Hypertension und kardiovaskuläre Risikofaktoren (z.B. voller als der einer antikoagulativen Therapie. Aus die-
Adipositas, Rauchen, geringe physische Aktivität, Dehy- sem Grunde sind in den letzten 40 Jahren sehr viele Stu-
dratation) behandelt werden. Der Patient sollte während dien mit einer Reihe von Lysesubstanzen (Streptokinase,
des Schlafes den Oberkörper eher leicht erhöht halten, Urokinase, rtPA und über verschiedene Zugangsformen
um einen zu starken Anstieg des zentralvenösen Druckes (systemisch, intravitreal, retinal endovasal) durchgeführt
zu vermeiden. worden, um den Blutfluss wieder herzustellen und die
Sehschärfe zu verbessern. Idealerweise sollten diese Ly-
Glaukom tika so schnell wie möglich gegeben werden, um die
Ob eine Verminderung des intraokularen Druckes die drohenden Komplikationen, wie eine retinale Ischämie
Prognose der Erkrankung verbessert, wie es von Font und deren Folgen, zu verhindern. Zusätzlich muss man
und Mitarbeitern angenommen wurde, wissen wir bis bedenken, dass die Lyse den Patienten einem erheblichen
heute nicht. Die Evidenz für einen verbesserten Blutfluss Risiko für systemische Blutungen bis hin zur Lebensbe-
durch ein Senken des intraokularen Druckes ist gering. drohung aussetzt.
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
207 10
Eine der ersten randomisierten und kontrollierten verbunden. Eine französische Arbeitsgruppe benutzte die
Studien für die Behandlung des ZVV wurde von Kohner Femoralarterie mit einem Mikrokatheter als Eingangs-
und Mitarbeitern in den frühen 70ziger Jahren durchge- pforte (wie von Schmidt und Mitarbeitern für Zentralar-
führt. Sie wendeten systemische Streptokinase in vor- terienverschlüsse vorgeschlagen), um Urokinase in die
wiegend ischämischen ZVV an. Die Autoren erreichten Arteria ophthalmica zu geben. Eine kleine Pilotstudie
zwar eine signifikante Verbesserung der Sehschärfe in der zeigte, dass bei Anwendung innerhalb von 24 bis 48 Stun-
Behandlungsgruppe, allerdings wurde das neovaskuläre den bei 4 von 43 Patienten eine deutliche Sehverbesse-
Glaukom nicht abgewendet und mehrere Durchbruchs- rung eintrat. Einschränkend muss gesagt werden, dass die
blutungen in den Glaskörper traten als schwere Kompli- Intervention bei 3 dieser 4 Patienten mit gutem Ausgang
kation auf, sodass die Autoren diese Behandlung trotz des bereits ein Tag nach Symptomenbeginn durchgeführt
relativen Erfolges nicht empfahlen. werden konnte, sodass die Fibrinolyse möglicherweise
Nachdem die Wirksamkeit von rekombiniertem Ge- für frühe ZVV günstig ist. Natürlich müssen hier die
websplasminaktivator (rtPA) in einem Kaninchenmodell Komplikationsmöglichkeiten und der Aufwand mit be-
mit frischen Thromben belegt war, griffen Elman und dacht werden.
Mitarbeiter diese Methode in einer prospektiven Inter- Weiss wählte einen direkteren Zugang, indem er einen
ventionstudie auf und verwendeten systemische rtPA in großen temporalen Venenast mit einer speziellen Kanüle
96 Patienten mit ZVV. Auch hier wurde ein Visusanstieg punktierte und einen Bolus von etwa 200 μg pro ml rtPA
von 3 oder mehr Zeilen in 42% der Patienten innerhalb in Richtung des Sehnervs injizierte. Die ersten Studiener-
von 6 Monaten erreicht, deutlich besser als die 15-20% gebnisse wurden in einer Interventionserie mit 28 Augen
Verbesserung, die wir im Spontanverlauf sehen. Obwohl durchgeführt. Hierbei erreichten 54% einen Visusanstieg
diese Ergebnisse vielversprechend waren, starb ein Pati- von ≥2 Zeilen innerhalb von 3 Monaten. Unterschiede
ent an einer intrakraniellen Blutung, was zum Abbruch zwischen ischämischen und nicht-ischämischen Typen
der Studie führte. wurden nicht beobachtet, eine Glaskörperblutung trat
Hattenbach verminderte dieses Risiko durch eine bei 25% der Patienten auf und eine neue Rubeosis iridis
niedrig dosierte Lyse (50 mg rtPA). In einer Interventi- entwickelte sich bei 13% der Patienten. Diese günstigen
onsstudie bei 23 sorgfältig ausgesuchten Patienten kam es Ergebnisse konnten durch andere Gruppen bestätigt wer-
bei keinem zu einer schweren Blutung. Diese verhältnis- den, dagegen konnten wir in einer eigenen Studie trotz
mäßig jungen Patienten (mittleres Alter 53 Jahre) zeigten eindeutig gelungener Kannulierung die positiven Ergeb-
eine Verbesserungsrate von mehr als 2 Zeilen bei 44% nisse nicht bestätigen. Wir fanden sogar eine deutlich
und letztlich erreichten 52% eine Sehschärfe von ≥0,4. höhere Komplikationsrate als im Spontanverlauf.
Diese Ergebnisse sind etwas besser als die von Recchia Zusammengefasst muss die Thrombolyse weiterhin
und Mitarbeitern bei vergleichbar jungen Patienten ohne als eine potenziell effektive Therapie angesehen werden.
Behandlung. Obwohl die systemische Therapie risikoreich ist und ihr
Lahey und Mitarbeiter haben als erste die Anwen- Gebrauch nur für selektierte Patienten möglich ist, sollten
dung von intravitrealem rtPA bei ZVV versucht. Ihre intravitreale und endovaskuläre Anwendungen in einer
Kohorte bestand aus 23 Augen und sie erreichten nach randomisierten Studie ihre Wirksamkeit zu belegen. Al-
transskleraler Injektion von etwa 100 μg rtPA eine finale lerdings ist die Rolle einer so risikoreichen Therapie
Sehschärfe von ≥0,5 in 34% der Augen. Glacet-Bernard in der heutigen Zeit der intravitrealen Injektionen von
und Mitarbeiter fanden bei intravitrealem rtPA in 15 VEGF-Inhibitoren eher mit großer Vorsicht anzusehen.
Augen keine Verbesserung der Visusprognose. Dieses Er-
gebnis wurde von Elman und Mitarbeitern bestätigt. Praxistipp I I
Ein weiterer Versuch, die lebensbedrohlichen Kom- Die Thrombolyse ist eine potenziell effektive Therapie.
plikationen einer systemischen Lyse zu vermeiden, ist die Ihre Anwendung ist jedoch wegen des Risikos für
lokale endovasale Lyse. Die potentiellen Vorteile dieses zerebrale Blutungen nur bei selektierten Patienten
Verfahrens sind, dass möglich.
1. das Medikament direkt an den Ort des Thrombus
geleitet wird,
2. man die Infusion in die Vene beobachten kann und Senkung der Blutviskosität
3. die Gesamtdosis auf etwa 1% einer normalen syste- Die rheologische Behandlung verändert den Thrombus
mischen Dosis gesenkt werden kann. nicht, kann aber die Fließfähigkeit des Blutes verbessern
und damit die Sauerstoffversorgung in der schlecht per-
Darüber hinaus ist diese Anwendung vermutlich mit fundierten Retina erhöhen. Obwohl die erhöhte Blutvis-
einer höheren lokalen Konzentration des lytischen Agens kosität allein keine größere Rolle in der Pathogenese des
208 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

ZVV zu spielen scheint ( Abschn. 10.2.1 Risikofaktoren), handelten Patientengruppen zwischen 18 und 40% variie-
erscheint die Reduktion der Viskosität dennoch sinnvoll, ren, ist die FVA bei allen Gruppen sehr ähnlich und liegt
da die Blutviskosität den Kapillaren mit verminderter nach 3-12 Monaten bei einer Verbesserungsrate zwischen
Perfusion logarithmisch ansteigt und damit einen Circu- 10-14%. Dieser Anteil wird durch die Hämodilution auf
lus viciosus auslösen könnte. Die Viskosität kann durch 27-45% gehoben und belegt damit den günstigeren Ver-
verschiedene Methoden (Hämodilution, Plasmapharese) lauf nach der rheologischen Behandlung. Der Vergleich
und Medikamente (z.B. Pentoxifyllin, Troxerutin) ver- zwischen ischämischen und nicht-ischämischen Varian-
mindert werden, die isovolämische Hämodilution ist hier ten zeigt, dass der Effekt bei der ischämischen ZVV noch
aber sicher die effektivste Methode hinsichtlich der Sen- deutlicher ist (⊡ Tab. 10.7). Dies entspricht dem Befund,
kung der Blutviskosität. dass die Hämodilution bei sehr schlechter Mikrozirkula-
Der Nutzen einer rheologischen Behandlung von tion stärker wirksam wird.
ZVV ist in zahlreichen kleinen randomisierten Studien Zusammengefasst verbessert die Hämodilution die
gezeigt worden, je eine mit Troxerutin und Pentoxifyllin Visusprognose von Augen mit ZVV leicht, aber signifi-
und mit 6 Studien für die Hämodilution. kant. Es darf nicht vergessen werden, dass eine Neovas-
kularisation durch diese Behandlung nicht verhindert
Senkung der Erythrozytenverformbarkeit wird. Wir empfehlen daher weiterhin die isovolämische
Troxerutin verbesserte die Tansitzeiten bei ZVV im Ver- Hämodilution als Basisbehandlung innerhalb der ers-
gleich zu Placebo und führte auch zu einem Visusanstieg ten 4-6 Wochen nach Symtombeginn. Die Hämodilution
in dieser kleinen Serie von 27 Patienten. Auch für Pento- kann dabei sehr wohl andere therapeutische Ansätze wie
xifyllin ließ sich eine Verbesserung des venösen Blutflus- z.B. die intravitreale Medikamenteninjektion unterstüt-
ses mithilfe der Dopplersonographie zeigen. Beide Medi- zen.
kamente können als zusätzliche Gabe bei ZVV verwendet
10 werden, allerdings können mit Pentoxifyllin Blutdruck- Praxistipp I I
probleme auftreten. Die Hämodilution verbessert die Visusprognose von
Augen mit ZVV leicht, verhindert aber keine Neovas-
Hämodilution kularisation. Sie kann sehr wohl andere therapeutische
Randomisierte und kontrollierte Studien der Hämodi- Ansätze wie z.B. intravitreale Medikamenteninjektio-
lution bei ZVV haben weit überwiegend die Anwen- nen unterstützen
dung dieser rheologischen Behandlung befürwortet. Nur
Luckie und Mitarbeiter fanden keinen signifikanten Ef-
fekt auf die Sehschärfe zwischen der Kontroll- und der Steroide
Venenverschlussgruppe. Allerdings sind die Daten von Grundlage
Luckie schwer mit den anderen Studien zu vergleichen, Kortikosteroide vermindern die Permeabilität der Gefäße
da ihr Behandlungsschema mit kürzeren Hämodilutions- unabhängig davon, ob die Ursache in einer Entzündung
perioden arbeitete und statt Hydroxyäthylstärke physio- oder einer Stauung liegt. Auf diese Weise kann ein Maku-
logische Kochsalzlösung als Blutersatz benutzte. Letzteres laödem unabhängig von der primären Ursache des ZVV
führt sicherlich vorübergehend zu einer leichten Hypo- vermindert werden und das vorübergehende Ungleich-
volämie und wirkt damit dem eigentlichen Effekt der Hä- gewicht zwischen Zu- und Abfluss, das mehrere Monate
modilution entgegen. Darüber hinaus lässt diese Studie oder sogar Jahre dauern kann, überbrücken. Steroide
keinen Vergleich zu großen Studien mit Spontanverlauf können systemisch, subtenonal oder intravitreal gege-
zu, da die Originaldaten nicht publiziert wurden. Zum ben werden. Letzteres kann durch Triamcinolonacetonid,
anderen waren die positiven randomisierten Studien sehr durch ein Implantat mit Fluorcinolonacetonid oder als
klein und nicht verblindet. Ihre Eingangsdaten waren verkapseltes Dexamethason gegeben werden.
aber sehr gut vergleichbar mit denen der Studien über
den Spontanverlauf. Darüber hinaus wurden die Ergeb- Systemische Kortikosteroide
nisse auch durch größere prospektive nicht randomisierte Brückner schlug bereits 1955 die Gabe von systemischen
Studien unterstützt. Kortikosteroiden für die Behandlung von ZVV vor. Hay-
Eine Übersicht über die Ergebnisse dieser wichtigsten reh berichtete, dass innerhalb der Patienten mit ZVV eine
Studien im Vergleich zum Spontanverlauf ist in ⊡ Tab. 10.6 kleine Gruppe sehr günstig auf eine verlängerte systemi-
wiedergegeben. Die CVOS zeigte, dass die Ausgangsseh- sche Gabe von Steroiden (bis zu drei Jahren) reagierte.
schärfe (IVA) sehr wichtig für die endgültige Sehschärfe Diese Patienten sind häufig unter 50 Jahre alt. Der Nut-
(FVA) ist. Obwohl die Anzahl der Patienten mit einer zen der systemischen Steroide ist allerdings nie in einer
Ausgangssehschärfe ≥0,5 bei den verschiedenen unbe- größeren prospektiven und/oder kontrollierten Studie er-
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
209 10
hoben worden. Die häufigen Nebenwirkungen (Katarakt, in dem das Triamcinolon wieder entfernt werden musste.
Glaukom) haben denn auch die breite Anwendung von Weitere Komplikationen sind die beschleunigte Entwick-
systemischen Steroiden bei dieser Datenlage verhindert. lung einer Katarakt, die akute Pseudoendophthalmitits,
Wir erwägen den Einsatz von systemischen Steroiden nur die bakterielle Endophthalmitits (selten) sowie der zent-
bei Patienten unter 50 Jahren. rale Arterienverschluss.
Dexamethason hat eine fünffach höhere kortikoide
Triamcinolonacetonid Potenz als Triamcinolon. Aufgrund seiner Halbwertszeit
Intravitreales kristallines Triamcinolonacetonid mit sei- von 5,5 Stunden im Glaskörper nach intraokularer Appli-
ner verlängerten Wirksamkeit und dem Fehlen syste- kation wurde es bisher kaum für die intraokulare Injek-
mischer Nebenwirkungen wurde erstmals angewendet, tion verwendet. Es steht aber inzwischen in injizierbaren
um die proliferative Vitreoretinopathie zu behandeln. Mikrosphären aus einem biologisch abbaubaren Laktat-
Erst neuerdings wurde es von den Ophthalmologen we- polymer zur Verfügung (Osurdex). Dieses Polymer wird
gen seines stabilisierenden Effektes auf die Blut-Retina- langsam abgebaut und gibt das enthaltene Dexamethason
Schranke wiederentdeckt, um alle Arten des Makulaö- innerhalb von 180 Tagen ab. Diese verzögerte Abgabe aus
dems zu behandeln. Mikrosphären wurde in der randomisierten Phase-III-
Inzwischen ist intravitreales Triamcinolonacetonid in Studie GENEVA getestet. Der stärkste Effekt bezüglich
meist interventionellen Fallstudien bei mehr als 500 Pa- der Visusverbesserung war 60 Tage nach intravitrealer In-
tienten mit retinalen Venenverschlüssen geprüft worden. jektion zu beobachten. Hier wurde eine Sehverbesserung
Wir haben für eine Metaanalyse Studien mit mehr als von durchschnittlich 1,5 Zeilen gefunden (⊡ Abb. 10.18).
15 Patienten herausgesucht und hier wurde in fast allen Der Unterschied zur Kontrollgruppe betrug wie bei der
Fallserien ein Visusanstieg berichtet, sodass im Durch- Score-Studie etwa 3 Zeilen. Mit einer Zulassung dieses
schnitt bei ZVV ein Anstieg von 2 Zeilen zu verzeichnen Medikaments ist 2010/11 zu rechnen.
war. Der Anteil der Patienten mit einem Visusanstieg von
mehr als 2 Zeilen lag beim ZVV bei etwa 30% allerdings Praxistipp I I
erstaunlich niedrig. In allen Fällen mit einer Visusver- Intravitreale Steroide verbessern die Visusprognose
besserung trat auch eine Reduktion des Makulaödems des ZVV. Ihr hohes Nebenwirkungspotential muss
ein. Die Effekte bei einer Konzentration von 4-8 mg gegen die vergleichsweise geringe Injektionsfrequenz
dauerten über 2-4 Monate an, sodass verhältnismäßig abgewogen werden.
wenige Reinjektionen innerhalb des ersten Jahres erfor-
derlich waren. Die von Jonas publizierte Nachweisspanne
von Triamcinolon im Glaskörper konnte hinsichtlich der VEGF-Inhibitoren
Wirkung nicht bestätigt werden. Zu bemerken ist auch, Prinzip. Die intravitreale Medikamentengabe ist, obwohl
dass die Patienten überwiegend nicht akut, sondern mit bisher sehr wenige evidenzbasierte Daten vorliegen, eine
einer Symptomdauer von 3-12 Monaten behandelt wur- sehr hoffnungsvolle Therapie bei vielen sich der Be-
den, sodass möglicherweise bei früherer Behandlung eine handlung entziehenden retinalen Venenverschlüssen. Es
bessere Sehschärfe erreicht werden kann. Die subteno- handelt sich um Substanzen, die bei einer systemischen
nale Gabe von Triamcinolon scheint dagegen etwas weni- Gabe zu viele Nebenwirkungen haben und auch nicht
ger wirksam zu sein. für eine Tropfen- oder subtenonale Anwendung eignen.
Die Daten der randomisierten kontrollierten Stu- Neben den bereits erwähnten Steroiden (s.o.) kommen
die Score, bei der intravitreale Dosen von 1 mg und vor allen Dingen VEGF-Inhibitoren (Pegaptanib, Beva-
4 mg über 12 Monate mit einer durchschnittlichen In- cizumab, Ranibizumab, VEGF-Trap) infrage. Weitere viel
jektionszahl von 2,2 Injektionen gegen Beobachtung ge- versprechende Substanzen greifen auf der RNA-Ebene
prüft wurden, unterstützen die o.g. Ergebnisse der In- oder in den intrazellulären Signalweg ein. Der therapeuti-
terventionsstudien für ZVV. Der Anstieg von einer Zeile sche Ansatzpunkt liegt allerdings, wie bereits erwähnt, in
(⊡ Abb. 10.18) ist signifikant gegenüber dem Verlust von der pathogenetischen Endstrecke und ist damit vorwie-
2 Zeilen in der unbehandelten Gruppe. Auch die Zahl gend symptomatisch. Im Wesentlichen werden die Folgen
der Patienten mit einem Visusanstieg von 2 oder mehr der Ischämie und der Schrankenstörung gemildert, aber
Zeilen hat sich fast verdreifacht und die Chance eines die eigentliche Ursache nicht angegangen. Der große
Visusanstieges von 3 Zeilen oder mehr war fünffach so Vorteil dieser Substanzen scheint wie bei den Steroiden
hoch wie in der Kontrollgruppe. Das Hauptproblem war im schnellen Eintritt ihrer Wirkung innerhalb von Ta-
der Anstieg des intraokularen Druckes bei einem Anteil gen zu liegen, was alle anderen Methoden nicht bieten.
von bis zu 40% der Augen. Es wurden sogar Fälle eines Die Hauptnachteile der intravitrealen Injektion liegen im
nicht medikamentös behandelbaren Glaukoms berichtet, hohen Aufwand und, wegen der kurzfristigen Wirkung,
210 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Spontanverlauf 155 -1 12

-2 12
Hämodilution 51
2 42

35
RON 173 2
46

-2 15
Triamcinolon1 271
1 41

9
Dexamethason 2 1267
2 30

28
Pegabtanib 66
1,7 38

Bevacizumab 255 3,3 60?

10 Ranibizumab 3 392
17
3,0 48

unbehandelt 5 4 32 1 -2 -1 0 1 2 3 4 20 40 60 80 %
Therapie Evidenz Mittl. Zeilengewinn Visusanstieg
⊡ Abb. 10.18 Visusentwicklung beim Zentralvenenverschluss. Evidenzstufen 1-5 nach internationalem System (1 sehr hoch, 5 Fallberichte).
Zahlen in den Balken:
Evidenz: Zahlen der berücksichtigten Patienten.
Mittlerer Zeilengewinn: durchschnittlicher Zeilenanstieg (1 Zeile entspricht 5 Buchstaben nach ETDRS-Visus).
Visusanstieg: Prozent der Patienten mit einem Anstieg von 2 Zeilen oder mehr.
Die Zahlen beziehen sich auf einen Beobachtungszeitraum von einem Jahr, bei den intrvitrealen Injektionen nur auf 3- 6 Monate.
Literatur: 1 Ip et al. 2009, 2 Haller et al. 2010, 3 Brown et al. 2010 (s. auch bei Hansen 2010 oder Stellungnahme der DOG/RG 2010)

in der notwendigen wiederholten sterilen intravitrealen der Injektion sollte der Augendruck kontrolliert und eine
Gabe mit entsprechenden Risiken für eine Endophthal- grobe Visusprüfung mit der Hand vorgenommen werden
mitis. (Fingerzählen)

Technik der intravitrealen Gabe. Die Injektion erfolgt Substanzen. Infrage kommt das Abfangen des VEGF-A
unter sterilen Operationsbedingungen wie jeder intra- mit Hilfe eines Aptamers (Pegaptanib: Macugen, nur
okuläre Eingriff. Nach lokaler Tropfanästhesie mit Pro- VEGF-A165), von vollständigen (Bevacizumab: Avastin)
pocain erfolgt die Desinfektion von Lidern und auch der oder fraktionierten Antikörpern (Ranibizumab: Lucentis)
Bindehaut mit PVP-Jodid. Eventuell senkt die Applikation oder auch durch künstliche Rezeptoren (VEGF-Trap).
von Lidocain-Gel über 5 min die Empfindlichkeit des Pa- Darüber hinaus wird an weiteren Substanzen wie siRNA
tienten noch weiter. Danach erfolgt die sterile Abdeckung (»small interference-RNA«, eventuell auch als Tropfthe-
und Spülung mit Ringerlösung. Die Injektion erfolgt am rapie), Proteinkinase-C-Inhibitoren und der Einschleu-
besten 3,5-4 mm vom Limbus entfernt nach vorherigem sung von PEDF (»pigment epithelium derived factor«)
Verschieben der Bindehaut, wobei der Zirkel hilft, plötz- gearbeitet. Diese Substanzen greifen z.T. vor der Produk-
liche Bewegungen des Patientenauges zu mindern. Nach tion des VEGF an, z.T. aber auch in der Signalindukti-
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
211 10
onskette in der Endothelzelle. Für die zuletzt genannten rend sich in der Kontrollgruppe nur 17% verbesserten.
Substanzklassen liegen noch keine Daten für retinale Dieser Gruppenunterschied war signifikant. Im Mittel
Venenverschlüsse vor. Vor 2011 ist kaum mit der Zu- hatten die Patienten nach 6 Monaten in der Behand-
lassung einer der genannten VEGF-Antikörper zur An- lungsgruppe mit 0,5 mg Ranibizumab 3,0 Zeilen bzw. mit
wendung bei retinalen Venenverschlüssen zu rechnen. 0,3 mg + 2,5 Zeilen gewonnen. In der Kontrollgruppe
Für VEGF-Trap hat in Europa (GALILEO) und den USA kam es mit nur +0,2 Zeilen nicht zu einer Verbesserung.
(COPERNICUS) jeweils eine Phase-III-Studie begonnen Der Anteil der Patienten mit signifikanter Sehverschlech-
(Ergebnisse voraussichtlich 2011). siRNA ist in der kli- terung lag nach 6 Monaten bei 15% (Sham), 4% (0,3 mg)
nischen Anwendung bisher noch nicht über die Phase II und 2% (0,5 mg). Langzeitergebnisse zum Visus und zur
hinweggekommen. Injektionshäufigkeit liegen noch nicht vor.

Pegaptanib. Für dieses, für die Behandlung der feuchten Praxistipp I I


Makuladegeneration zugelassene Medikament (Macu- Die intravitreale Gabe von Bevacizumab und Ranibi-
gen), das nur gegen das VEGF-A165 gerichtet ist, gibt es zumab reduziert das Makulaödem schneller und stär-
evidenzbasierte Daten für ZVV, nicht aber für VAV. Die ker als alle bisherigen Therapien.
Ergebnisse haben zwar einen Zeilengewinn von 1,7 Zei- Die Injektionshäufigkeit und die Dauer der Therapie
len über das erste Jahr mit praktisch monatlicher Be- sind noch nicht absehbar.
handlung ergeben und liegen damit deutlich über der
unbehandelten Gruppe, trotzdem erreichen kaum mehr
Patienten einen Visusanstieg von mehr als 2 Zeilen als in
der Kontrollgruppe. Allerdings liegt die Kontrollgruppe 10.2.6 Chirurgische und Laserbehandlung
mit einer Verbesserungsrate von 28% der Augen deutlich
höher als in den Kontrollgruppen beim Spontanverlauf Chirurgische Eingriffe
und bei der Hämodilution. Die in den letzten 10-15 Jahren entwickelte frühe chir-
urgische Behandlung des ZVV ist nach Einführung der
Bevacizumab. Der humanisierte Mausantikörper Beva- intravitrealen Medikamentengabe (Steroide, VEGF-Inhi-
cizumab (Avastin) ist gegen alle Splice-Varianten von bitoren) etwas in den Hintergrund getreten. Die Gründe
VEGF-A gerichtet und der am häufigsten injizierte für diese Therapie, die deutlich früher in der Pathogenese
VEGF-Inhibitor bei retinalen Venenverschlüssen. Im Ge- einsetzt als die VEGF-Inhibitoren war
gensatz zu Pegaptanib liegen hier keine randomisierten 1. die Auflösung des Thrombus,
Studien vor. Eine Metaanalyse der 11 größten Studien 2. die Schaffung einer chorioretinalen Anastomose und
bis 2009 ergibt im Mittel den beachtlichen Zeilengewinn 3. die Aufhebung der Kompression der Zentralvene ge-
von 3,3 Zeilen (⊡ Abb. 10.18) und, soweit sich das aus gen die Lamina cribrosa durch die arteriosklerotische
den Arbeiten herausfiltern lässt, einen Visusanstieg bei Zentralarterie.
50-70% der Patienten. Die Daten beziehen sich über-
wiegend auf die ersten 3-6 Monate. Langzeitdaten liegen Die Auflösung des Thrombus wäre eine kausale Thera-
bisher nur vereinzelt vor und weisen darauf hin, dass bei pie (REVL, intravitreale Lyse,  Abschn. 10.2.5, Eingriffe in
nur wenigen Patienten im ersten Jahr mit einem Ende der das Gerinnungssystem), durch die die späten Reaktionen
Therapie zu rechnen ist. Höh konnte zeigen, dass 33% der (chronisches Makulaödem, Neovaskularisation) verhin-
Patienten mit ZVV innerhalb des ersten Jahres für 6 Mo- dert werden sollten. Die Ergebnisse dieser Behandlung
nate injektionsfrei blieben. sind oben bereits kritisch beleuchtet worden. Die frühe
Schaffung einer chorioretinalen Anastomose könnte den
Ranibizumab. Der fragmentierte Antikörper gegen alle Abfluss verbessern und damit den Stau im Einflussgebiet
Splice-Varianten von VEGF Ranibizumab (Lucentis) zeigt vermindern und hiermit den positiven Einfluss der Kol-
einen raschen und deutlichen Effekt. Eine Metaanalyse lateralen auf der Papille unterstützen. Vergleichbar ist die
für 50 Patienten (vgl. Hansen 2010) ließ einen mittleren Vorstellung, dass eine Vergrößerung des skleralen Aus-
Zeilengewinn von 3,2 Zeilen erkennen. Bei 50% der Pa- gangs im Sehnervenkopf zu einem verbesserten Abfluss
tienten kam es zu einem Visusanstieg von 2 oder mehr führen könnte.
Zeilen. Mittlerweile sind die Ergebnisse der prospektiven,
randomisierten und kontrollierten Phase-IIIa-Studie ver- Chorioretinale venöse Anastomose
fügbar. In der ZVV-Studie (CRUISE; n= 392) hatten nach McAllister hat die Schaffung einer laserinduzierten iat-
6 Monaten 48% (46%) der mit 0,5 mg (0,3 mg) behan- rogenen chorioretinalen Anastomose (CRA) als Behand-
delten Patienten einen signifikanten Visusanstieg, wäh- lungsmöglichkeit bei ZVV eingeführt. Zunächst wurde
212 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

bei nicht-ischämischem ZVV mithilfe des Argon-Lasers, die üblicherweise auftretenden Komplikationen durch die
später auch mit dem YAG-Laser transretinal eine Ver- Vitrektomie.
bindung als Leitschiene für eine Kollateralenbildung Zusammenfassend lässt sich mit der radiären Optiko-
zur Choriokapillaris geschaffen. Die Bildung einer CRA neurotomie bei schweren ischämischen Verschlüssen eine
wurde später auch bei ischämischem ZVV versucht. Es leichte Verbesserung der Prognose erreichen. Der sichere
gelang in 20-37,5% Kollateralen zu schaffen und da- Nachweise durch eine randomisierte Studie steht aller-
mit konnten Verbesserungen von mehr als 2 Zeilen in dings weiterhin aus und es bleibt zu bedenken, dass allein
20-38% aller behandelten Augen erreicht werden. Diese die Vitrektomie zu einer Verbesserung der Sauerstoff-
Verbesserungen waren nicht immer mit einer CRA-Bil- konzentration im präretinalen Raum führt und damit zu
dung korreliert. Mit verbesserten Techniken gelang es, diesem leichten Effekt beitragen könnte, ohne dass viel-
die Häufigkeit einer Kollateralenbildung auf 54-100% zu leicht die gefährlichere Optikoneurotomie durchgeführt
erhöhen und damit eine Sehschärfenverbesserung in bis werden muss.
zu 49% aller behandelten Patienten zu erreichen. Diese
Studien waren nicht randomisiert und erreichten bei Laserbehandlung
Betrachtung des Gesamtergebnisses keine besseren Seh- GRID-Laserbehandlung
schärfen, als dies durch die Hämodilution möglich ist. Anfängliche Berichte deuteten darauf hin, dass eine
Hinzu kommt, dass die Methode keineswegs ohne GRID-Laserung das Makulaödem als Folge des ZVV
Komplikationen ist. Es kann zu sofortigen leichten und verbessert. Diese Frage wurde durch die CVOS geklärt.
schweren Blutungen kommen (intraretinal, subretinal, Behandelt wurden Patienten, bei denen das Makulaö-
vitreal) und auch späte Komplikationen mit sekundärer dem mindestens 3 Monate gedauert hatte und bei denen
Neovaskularisation der Retina, der Choroidea und des eine Sehschärfe ≤0,4 bestand. Die Langzeituntersuchung
vorderen Augensegmentes sowie das Auftreten einer su- zeigte, dass durch die GRID-Laserung das Leck in der
bretinalen Fibrose, einer nicht aufklarenden Glaskörper- Angiographie zwar vermindert wurde, aber zu einer Vi-
10 blutung und traktive Netzhautablösung sind beschrieben. susverbesserung kam es zu keinem Zeitpunkt dieser Stu-
Da eine Anastomosenbildung nicht immer erreicht wer- die. Daher ist eine GRID-Laserkoagulation bei Makulaö-
den kann und die Prozedur bei nur mäßigen Verbes- dem infolge eines ZVV nicht zu empfehlen.
serungen mit erheblichen Komplikationen einhergeht,
empfehlen wir die laserinduzierte Anastomosenbildung Panretinale Photokoagulation (PRP)
nicht. Neovaskuläre Komplikationen beginnen üblicherweise
mit einer Iris/Kammerwinkel-Neovaskularisation (INV/
Radiäre Optiko-Neurotomie (RON) ANV) und enden mit einem sekundären neovaskulären
Opremcak griff die Idee von Vascoposada auf, die ein- Glaukom (NVG). Einige Studien haben untersucht, ob
geengte Zentralvene beim Venenverschluss durch eine eine PRP bei Augen mit ischämischem ZVV das Lang-
Durchtrennung des Skleraringes zu dekomprimieren. Die zeitrisiko für Neovaskularisationen vermindern. Einige
Inzision wird in der unteren nasalen Papille vorgenom- Studien empfahlen die prophylaktische PRP in Augen mit
men, die Stichtiefe beträgt etwa 2 mm. Zu dieser Behand- ischämischem ZVV, Hayreh fand aber, dass eine frühe
lung gibt es keine randomisierten kontrollierten Studien, PRP zu einem schlechteren Gesamtergebnis führt, ohne
jedoch kann von einem durchschnittlichen Anstieg von dabei die neovaskuläre Erkrankung zu verhindern. Dies
2 Zeilen ausgegangen werden (⊡ Abb. 10.18). Besonders kann durch die Blutungen in der inneren Retinaschicht
zu bedenken ist, dass in fast allen Pilotstudien nur Pa- erklärt werden, die bewirken, dass der Hauptteil der ther-
tienten mit schlechtem Ausgangsvisus, damit eher zur mischen Energie die innere und nicht die äußere Retina-
prognostisch ungünstigeren Variante der ischämischen schicht betrifft. Die CVOS beantwortete zwei Fragen:
Kategorie gehörend, behandelt wurden. Hasselbach und 1. Verhindert die frühe PRP eine Neovaskularisation
Mitarbeiter veröffentlichten die Daten aus 5 Retinazent- des vorderen Segments bei Augen mit nicht perfun-
ren und fanden einen mittleren Anstieg von 2 Zeilen bei diertem ZVV?
107 Patienten mit einer mittleren Beobachtungszeit von 2. Ist eine frühe PRP effektiver als eine Behandlung erst
6 Monaten. bei Auftreten von INV/ANV?
Die Methode ist keineswegs so komplikationsfrei, wie
sie von den Erstbeschreibern angegeben wurde. Mit ei- Die Ergebnisse zeigen, dass eine frühe PRP die anteriore
nem Gesichtsfelddefekt ist in 87% der Fälle zu rechnen. Neovaskularisation in 20% der Augen nicht verhinderte.
Aber auch Fälle mit Zentralarterienverschluss, peripa- Im Vergleich zu einer Rate von 30% bei spät behandel-
pilläre Netzhautablösungen und chorioidale Neovaskula- ten Augen ist das nur etwas günstiger. Es zeigte sich in
risationen wurden beschrieben. Hinzu kommen natürlich den spät behandelten Augen im Vergleich zur frühen
10.2 · Zentralvenenverschluss (ZVV)
213 10
Behandlung sogar eine schnellere Rückbildung der INV/ Visus ≤0,1 und Patienten, auf die weitere Faktoren ei-
ANV innerhalb eines Monats. In der Studie wurde daher nes ischämischen Verschlusses zutreffen (⊡ Tab. 10.4). Ein
empfohlen, eine PRP nur nach Auftreten der anterio- Fluoreszenzangiogramm ist zu Beginn der Therapie nicht
ren Neovaskularisation durchzuführen. Sollte allerdings unbedingt erforderlich, da die Kapillarverschlussgebiete
eine engmaschige Kontrolle in den ersten Monaten nicht zu diesem Zeitpunkt meist nicht gesehen werden. Ledig-
möglich sein, kann eine PRP erwogen werden, wenn der lich die Kombination schlechter Visus und verhältnismä-
Rückgang der retinalen Blutungen dies zulässt. ßig wenig Blutungen am Fundus sollte Anlass zu einer
Fluoreszenzangiographie geben, um hier die verzögerte
Drucksenkende Massnahmen. Sollte durch die PRP Füllungszeit der Venen zu erkennen. Ein OCT ist in
das neovaskuläre Glaukom nicht verhindert werden, jedem Fall sinnvoll zur Bestimmung der Höhe des Ma-
sind zusätzliche destruktive Maßnahmen am Ziliarkör- kulaödems.
per erforderlich (Zyklokryokoagulation, Zyklophotoko- Die Hämodilution sollte, wenn immer ihre Indika-
agulation) und können helfen, das Auge zu erhalten. tion gegeben ist, durchgeführt werden. Hierbei ist wich-
In sehr schwer verlaufenden Fällen kann auch eine tig, dass der Hämatokrit auf Werte <0,35 oder auf gerade
periphere Retinektomie mit einer gewissen Erfolgsrate noch verträgliche Werte abgesenkt wird. Eine hypervolä-
erwogen werden. mische Hämodilution allein mit täglichen Infusionen ist
nicht ausreichend und hat auch keine mittelfristige Wir-
kung (s.o.), sie ist allenfalls angebracht bei Hämatokrit-
10.2.7 Leitlinien zur Therapie werten <0,39. Besonders wichtig ist, dass der Hämatokrit
in der ersten Woche auf den Zielwert abgesenkt wird,
Ziele der Therapie hierzu sind häufig 3-4 Hämodilutionen notwendig, die
Die retinalen Venenverschlüsse gehören zu den Er- mit einem Abstand von 1-3 Tagen durchgeführt werden
krankungen, für die, wegen des häufig unbefriedigen- können. Danach reichen in der Regel die wöchentliche
den Therapieerfolgs, viele Therapieformen probiert und oder manchmal sogar die zweiwöchentliche Hämodilu-
vorgeschlagen worden sind. Um zu einem vernünftigen tion, bis ein Gesamtzeitraum von 5-6 Wochen erreicht
Therapiekonzept zu kommen, ist es daher unbedingt ist. Dann besteht bei dem Patienten meist eine leichte
notwendig, die Evidenzstärke eines Therapieverfahrens Eisenmangelanämie, die nicht korrigiert werden sollte,
anhand der zugrunde liegenden Literatur zu prüfen und um die Blutneubildung zu verzögern. Insgesamt wird
festzulegen (⊡ Abb. 10.18). so ein Therapiezeitraum von 12-24 Wochen erreicht.
Das Therapieziel bei retinalen Venenverschlüssen Im Allgemeinen wird die Sehschärfe sich innerhalb der
sollte ersten vier Wochen bessern oder, wenn der Anfangsvi-
1. in der frühen Phase sein, die Sehschärfe zu verbes- sus über 0,5 liegt, auch halten. Auch eine Stabilität ist
sern bzw. zu erhalten und damit im Wesentlichen das durchaus als Erfolg zu werten. Besonders bei Patienten,
Makulaödem zu bekämpfen und die unmittelbar nach Symptomenbeginn kommen, kann
2. die schweren neovaskulären Komplikationen der es trotz der Hämodilution zu einer weiteren Verschlech-
Spätphase (Glaskörperblutung, Neovaskularisations- terung mit Ausbildung eines Makulaödems kommen.
glaukom, chronisches Makulaödem) zu verhindern. Dies sollte nicht davon abhalten, die Hämodilution wei-
ter durchzuführen; es hat lediglich damit zu tun, dass
Dabei ist zu bedenken, dass zurzeit alle Therapieverfah- die Permeabilitätszunahme der Gefäße sich meist über
ren auf Dauer oft nur eine unbefriedigende Verbesserung 10-14 Tage entwickelt.
von Makulaödem und Visus bei teilweise beträchtlichem Bei Patienten mit ZVV unter 50 Jahren geben wir
Komplikationsspektrum erreichen. Dagegen ist die Be- routinemäßig über 6-8 Wochen Steroide systemisch,
handlung der neovaskulären Komplikationen durch Stan- wenn keine Kontraindikation besteht. Diese setzen wir
dardlaserverfahren bei rechtzeitiger Behandlung weitge- dann allerdings von Beginn der Behandlung an ein.
hend gelöst. Wir beginnen mit 1 mg/kg und halten diese Dosis über
2-4 Wochen, um sie dann in den nächsten 6-8 Wochen
Stadiengerechte Behandlung auszuschleichen. Möglicherweise kann diese Behandlung
Frühe Behandlung auch durch eine intravitreale Injektion von Triamcinolon
Dieser Zeitraum umfasst etwa 6-8 Wochen nach Sym- ersetzt werden, wenn eine Kontraindikation für die syste-
ptomenbeginn. In dieser Zeit sollte der Patient relativ mische Steroidtherapie besteht.
eng kontrolliert werden, d.h. unabhängig von der The- Eine zusätzliche intravitreale Therapie mit Triamci-
rapie etwa dreiwöchentlich gesehen werden. Dieses ist nolon oder VEGF-Antikörpern (Bevacizumab, Ranibi-
besonders wichtig für Patienten mit ZVV und einem zumab) sollte erwogen werden, wenn das Ödem inner-
214 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

halb der ersten vier Wochen nicht deutlich abnimmt und Im Vordergrund der Behandlung steht der Beginn
die Sehschärfe sich verschlechtert. Hierbei handelt es sich oder die Fortsetzung einer intravitrealen Medikamenten-
immer noch um eine Off-Label Therapie, die unter streng gabe. Bei Ansprechen einer Therapie mit VEGF-Inhibito-
sterilen Operationsbedingungen durchgeführt werden ren sollte diese Behandlung auch in der Folgezeit fortge-
muss. Bezüglich der Wirksamkeit und der Nebenwir- setzt werden. Es kann dann individuell eine Verlängerung
kungen sind VEGF-Inhibitoren den Kortisonpräparaten der Injektionsintervalle probiert werden. Diese »Titration«
wohl leicht überlegen. Ranibizumab ist inzwischen zur setzt natürlich eine gute Compliance des Patienten und
Behandlung zugelassen. die Möglichkeit einer raschen Wiederholung der Injektion
Osurdex (Dexamethason) wurde ebenfalls vor kur- voraus. Der Vorteil des intravitrealen Steroids (Triamcino-
zem zugelassen und ist der Anwendung von gereinigtem lonacetonid, Osurdex) in dieser Situation wäre das längere
Triamcinoloneacetonid (SCORE A) vorzuziehen. Bei al- Injektionsintervall, allerdings nur unter strenger Augen-
len intravitreal gegebenen Steroiden ist es sinnvoll, eine druckkontrolle. Die Fortsetzung der intravitrealen Medi-
zwei- bis dreiwöchentliche Kontrolle des Augendruckes kamentengabe kann dann auf der Messung der Ödem-
durchzuführen. Eine Wiederholung der Injektion bei Tri- höhe durch das OCT beruhen. Sollte der Rezeptorschaden
amcinolon ist nach 2-4 Monaten, bei Dexamethason nach jedoch bereits eingetreten sein und die Minderung des
4-6 Monaten angezeigt, wenn das Ödem wieder zunimmt Ödems nicht mehr mit einer Visusverbesserung einherge-
und kein Glaukom aufgetreten ist. hen, kann auf die weitere Injektion verzichtet werden.
Die intravitreale Gabe von Bevacizumab und Rani- Bei Auftreten einer Rubeosis iridis ist eine prophy-
bizumab wirkt schneller und wohl stärker als alle bishe- laktische Flächenkoagulation (PRP) mit dem Laser ein
rigen Therapien. Eine jüngere Arbeit hat für ZVV aller- notwendiger Standard. Die PRP ist möglichst nicht in der
dings keinen Unterschied zwischen Bevacizumab und frühen Phase durchzuführen, weil meistens die retinalen
Triamcinolon finden können. Pegaptanib scheint weniger Blutungen ein Angehen der Herde in der inneren Retina
wirksam zu sein als die beiden Antikörper und wohl auch bedeuten und damit die eigentliche Wirkung verhindern,
10 als Triamcinolon. Randomisierte Studien haben einen da die Hauptenergie in der Regel in der inneren retinalen
signifikanten, nie mit einer anderen Therapie erreichten Schicht verbleibt und eher eine weitere Gesichtsfeldein-
Effekt hinsichtlich der Visusverbesserung ergeben. Die schränkung bewirken.
Gabe von VEGF-Inhibitoren sollte zweckmäßigerweise Sollte mit den Maßnahmen Hämodilution und der
nach 4-6 Wochen wiederholt werden, kann aber auch als zusätzlichen Gabe von intravitrealen Medikamenten
Serie von zwei Injektionen in vierwöchentlichem Abstand keine Visusverbesserung ≥0,1 erreicht werden, kann bei
durchgeführt werden. Solange noch keine Langzeitdaten ischämischen Verschlüssen eine radiäre Optikoneuro-
vorliegen, ist ein titrierendes Verlängern der Injektionsin- neurotomie erwogen werden. Diese kann natürlich bei
tervalle akzeptabel. deutlichen Anzeichen für einen ischämischen Verschluss
Dennoch werden sich viele bis jetzt unbeantwortete auch mit einer prophylaktischen Laserkoagulation ver-
Fragen stellen. Der schnelle und anfängliche Erfolg lässt bunden werden, soweit die Blutungen dieses zulassen.
sich auch durch weitere Injektionen nicht immer halten. Nach Williamson dürfte allein die Entfernung des Glas-
Wir wissen also nicht, ob wir lebenslang injizieren müs- körpers hier zu einer präretinalen Verbesserung der Sau-
sen. Die Untersuchungen, ob eine frühe Therapie günsti- erstoffkonzentration führen.
ger ist und damit vielleicht auch das Ende der Injektionen Das Auftreten eines neovaskulären Sekundärglau-
ermöglicht, bleiben offen. Die Wirkung bei ischämischen koms erfordert in jedem Falle eine koagulative Thera-
Verschlüssen scheint geringer und wird z.T. sogar bezwei- pie. Diese kann mit einer intrakameralen Injektion von
felt. Es ist nicht klar, ob eine Verhinderung von neovasku- VEGF-Inhibitoren vorbereitet werden und sollte dann,
lären Komplikationen dauerhaft gelingt. Diese Probleme sofern noch keine Photokoagulation erfolgt ist, mit einer
sind in Erwägung zu ziehen genauso wie der Sicherheits- Flächenkoagulation fortgesetzt werden. Ist der Einblick
aspekt, dass jede Injektion das Risiko einer schweren zu schlecht oder liegt bereits eine Photokoagulation vor,
Komplikation (Endophthalmitis) natürlich erhöht. so kann eine periphere Netzhautkryokoagulation ergän-
zend durchgeführt werden. Ist der Augendruck durch
Späte Behandlung diese Maßnahmen nicht beherrschbar, empfehlen wir
Sie kann sich von 8 Wochen über Jahre hinziehen. Sel- eine Zyklophotokoagulation oder, wenn diese erfolglos
ten kommt ein retinaler Venenverschluss innerhalb ei- ist, kann der Einsatz eines Glaukomdrainageimplantates
nes Jahres in einen stabilen Status. Auch wenn die erwogen werden. Die Evidenzbasis für Implantate ist
Blutungen und der sichtbare Stau der Venen vollständig noch gering und bezieht sich nur auf interventionelle
verschwinden, kann ein behandelbares Makulaödem be- Fallserien und sollte daher nur an Kliniken mit ausrei-
stehen bleiben. chender Erfahrung erfolgen.
10.3 · Retinaler Venenastverschluss
215 10

Praxistipp I I vor allem die intravitreale Medikamenteneingabe. Hier-


für stehen verschiedene Substanzen zur Verfügung, die
Bei erhöhtem Hämatokrit ist eine Hämodilution als die Prognose deutlich verbessert haben. Eine internisti-
Basistherapie weiterhin empfehlenswert. sche Risikoanalyse sollte immer empfohlen werden.
▬ Die zusätzliche frühe intravitreale Injektion von
VEGF-Inhibitoren oder Steroiden ist empfehlens-
wert und sollte die strukturellen Schäden durch 10.3.1 Einleitung
ein langandauerndes Makulaödem vermindern.
▬ Die Dauer der intravitrealen Therapie ist im Einzel- Der Verschluss einer Netzhautvene wurde erstmals 1855
fall zu titrieren. von Liebreich beschrieben und zunächst etwas ungenau
▬ Eine panretinale Photokoagulation bei ischämi- als »Apoplexia retinae« bezeichnet. Wenige Jahre später
schem ZVV kann in vielen Fällen das Auftreten gelang Michel dann die pathophysiologisch richtige In-
eines Neovaskularisationsglaukoms verhindern. terpretation der typischen Fundusveränderungen. Seither
wurden zahlreiche Versuche unternommen, um die Vi-
susprognose zu verbessern. Aber erst in den letzten Jah-
Fazit für die Praxis ren ist es gelungen, bei der Behandlung des verschluss-
▬ Retinale Venenverschlüsse sind die häufigsten primären bedingten Makulaödems entscheidende Fortschritte zu
vaskulären Erkrankungen des Auges. erzielen, auch wenn es bisher nicht möglich ist, den
▬ Beim Zentralvenenverschluss (ZVV) handelt es sich eher Thrombus selbst aufzulösen und damit die Ursache der
um eine subakut-chronische als um eine akute Erkran- Erkrankung zu beseitigen.
kung.
▬ Nächtlicher Abfall des Blutdruckes oder Anstieg des
zentralvenösen Druckes können den ZVV auslösen, kar- 10.3.2 Epidemiologie
diovaskuläre Risikofaktoren, Thrombophilie und Hyper-
viskosität des Blutes fördern seine Entwicklung. Die Zahl der Venenastverschlüsse (VAV) ist im Vergleich
▬ Die Visusprognose des ZVV ist mäßig bis schlecht, kann zu den Zentralvenenverschlüssen (ZVV) nicht so genau
aber von sehr gut (selten) bis zur schmerzvollen Erblin- bekannt, da ein VAV meist nur bei Makulabeteiligung
dung variieren. wahrgenommen wird. Der Verschluss eines Venenastes
▬ Ischämische ZVV sind von nichtischämischen zu differen- ist aber ca. 3- bis 5-mal häufiger als der Verschluss ei-
zieren, auch wenn es sich um die Enden eines kontinuier- ner Zentralvene. Periphere Verschlüsse werden entweder
lichen Spektrums handelt. als Zufallsbefund oder im Rahmen einer neovaskulären
▬ Wichtig sind die Behandlung des chronischen Makulaö- Komplikation (z.B. Glaskörperblutung) bemerkt.
dems und die Verhinderung eines neovaskulären Sekun- Der Verschluss einer Netzhautvene ist meist ein ein-
därglaukoms. seitiges Ereignis, in 5-12% aller Betroffenen kann aber
▬ Die bislang erfolgreichste, wenn auch nicht heilende auch das 2. Auge betroffen sein. Ein erneuter Verschluss
Behandlung dürfte die intravitreale Injektion von Ste- am gleichen Auge ist in 2% aller Patienten beschrieben.
roiden oder VEGF-Inhibitoren sein. Die Hämodilution Ein VAV findet sich häufiger in der temporalen als in der
und Fibrinolyse bringen nur mäßige Erfolge. Chirurgi- nasalen Seite, ebenso häufiger in der oberen als in der
sche Verfahren haben sich noch nicht generell durch- unteren Hälfte.
gesetzt.
▬ Die neovaskuläre Erkrankung lässt sich nicht in allen Fäl-
len durch eine panretinale Koagulation verhindern. 10.3.3 Pathophysiologie und
Risikofaktoren ( Abschn. 10.2.2)

10.3 Retinaler Venenastverschluss Die Entstehung eines retinalen Venenastverschlusses ent-


spricht weitestgehend den pathophysiologischen Vorstel-
N. Feltgen, H. Hoerauf lungen, die bei der Entstehung eines ZVV zugrunde
gelegt werden. Das Risikoprofil von Patienten mit RVV
Der retinale Venenastverschluss ist zwar nicht so ausge- unterscheidet sich dabei deutlich vom Risikoprofil der
dehnt, dafür häufiger als der ZVV. Die Sehschärfe ist bei peripheren venösen Verschlusserkrankungen, z.B. der
Beteiligung der Makula ebenfalls reduziert. Die Thera- tiefen Beinvenenthrombose. Es entspricht vielmehr den
pie ist multimodal und umfasst neben dem Einsatz der Risiken, die mit einer arteriosklerotischen Erkrankung
Laserkoagulation und der isovolämischen Hämodilution einhergehen (s. ZVV,  Abschn. 10.2.2).
216 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Sowohl eine verkürzte Augenachse (Hyperopie), als


auch ein Glaukom gehen häufiger mit einem Venenastver-
schluss einher. Diese lokalen Risikofaktoren scheinen aber
beim ZVV eine größere Rolle zu spielen als beim VAV. Wie
1962 am Beispiel eines frischen VAV beschrieben, können
die atherosklerotischen Veränderungen der arteriellen
Gefäßwand den Blutfluss in der sehr eng benachbarten
Vene verändern. Der Abstand der Gefäßlumina beträgt im
Bereich der retinalen Venenäste nur wenige Mikrometer.
Dadurch kommt es weniger zu einer direkten Kompres-
sion, als vielmehr zu einer reduzierten Elastizität der be-
troffenen Venenwand und schließlich zu Unregelmäßig-
keiten im venösen Blutfluss. Diese Turbulenzen werden
für die Entstehung des Verschlussbildes verantwortlich
gemacht. Die Bedeutung der arteriovenösen Kreuzungs- ⊡ Abb. 10.19 Frischer sektorförmiger Venenastverschluss mit Betei-
ligung der Makula und typischem flammenartigem Blutungsmuster
stelle als Prädilektionsort für die Entstehung von VAVs
im Bereich der unteren Temporalvene. Zusätzlich sind Cotton-wool-
ergibt sich auch aus dem klinischen Alltag. Nahezu alle Herde sichtbar
VAVs erfolgen an einer arteriovenösen Kreuzungsstelle,
hierbei liegt die Arterie in den meisten Fällen über der
Vene (98%). Andererseits scheint jede Kreuzungsstelle ein
eigenes spezifisches Risiko zu besitzen, sonst wäre bei ent-
sprechendem internistischem Risikoprofil ein mehrfacher
Verschluss an einem Auge an verschiedenen Kreuzungs-
10 stellen zu erwarten. Ein erneuter Verschluss an einem
bereits betroffenen Auge ist aber selten.

10.3.4 Einteilung

Die retinalen Venenastverschlüsse werden nach Ausdeh-


nung und Ischämiegrad unterschieden. Die Ausdehnung
ist einfach durch Funduskopie zu beurteilen. Es wird
der ausgedehnte Verschluss einer Stammvene von dem
⊡ Abb. 10.20 Frischer Makulaastverschluss unterhalb der Makula
klar umschriebenen Makulaastverschluss unterschieden
(⊡ Abb. 10.19, ⊡ Abb. 10.20). Der Hemi-Zenralvenenver-
schluss hingegen ist pathophysiologisch und therapeu-
tisch dem Zentralvenenverschluss zuzuordnen.
Der Ischämiegad ist schwerer zu ermitteln. Er kann
anhand von Funduskopie und Visus abgeschätzt wer-
den, letztendlich schafft aber nur eine Fluoreszenzan-
giographie Klarheit über das genaue Ausmaß der reti-
nalen Ischämie (⊡ Abb. 10.3). Für diese Untersuchung
muss die periphere Netzhaut ausreichend einsehbar sein,
denn Blutungen können ischämische Areale bei einem
frischen VAV zunächst noch verdecken. Die einmalige
Einschätzung der Ischämie ist gerade bei einem frischen
Verschluss nicht ausreichend.

Praxistipp I I
Ein Venenastverschluss gilt als ischämisch, wenn das ⊡ Abb. 10.21 Älterer ischämischer Venenastverschluss unten. Fluo-
retinale Gefäßbett über eine Fläche von mindestens reszenzangiographie, frühe Aufnahme. Anhand der gelben Pfeile ist
5 Papillendurchmessern rarefiziert ist. deutlich die Demarkierungsgrenze zwischen der perfundierten und
der ischämischen Netzhaut sichtbar
10.3 · Retinaler Venenastverschluss
217 10
Seit der Branch Vein Occlusion Study (BVOS) ist be- Im Verschlussgebiet kann sich ein Makroaneurysma
kannt, dass ein ischämischer VAV unbehandelt in 36% der beteiligten Arterie entwickeln (⊡ Abb. 10.23). Nicht
aller Betroffenen Proliferationen entwickelt. Neuere Un- selten wird ein älterer peripherer VAV ohne Makulabetei-
tersuchungen geben eine niedrigere Quote von knapp ligung erst im Rahmen von Komplikationen durch ein se-
8% neovaskulärer Komplikationen innerhalb von 3 Jah- kundär aufgetretenes Makroaneurysma diagnostiziert. Die
ren an. In 7-41% sind Glaskörperblutungen unterschied- Ausbildung von Kollateralen ist ebenfalls ein sicheres Zei-
lichen Ausmaßes beschrieben. Der typische Zeitraum chen für einen abgelaufenen VAV (⊡ Abb. 10.24). Bei be-
liegt zwischen 6 und 12 Monaten nach Erstdiagnose,
Komplikationen können aber auch noch später auftre-
ten. Zumindest innerhalb der ersten 3 Jahre nach dem
Verschlussereignis sollten die Patienten regelmäßig un-
tersucht werden.

10.3.5 Klinisches Blid

Ein frischer VAV ist durch umschriebene, sektorförmig


angeordnete retinale Blutungen mit Stauung und Tortu-
ositas der beteiligten Vene gekennzeichnet. Das typische
flammenartige Verteilungsmuster entsteht durch die An-
sammlung von ausgetretenem Blut in der oberflächlich
gelegenen Nervenfaserschicht und ist deshalb auch ho-
rizontal begrenzt. Je nach Ausmaß der Ischämie können
auch Cotton-wool-Herde das klinische Bild ergänzen.
Später verlieren sich die flammenartigen Blutungen und
es können nur noch in tieferen Netzhautschichten gele-
gene Fleckblutungen sichtbar sein (⊡ Abb. 10.22). Dieser
Prozess kann mehrere Wochen bis Monate betragen. In
der Regel sind nach 6 Monaten keine flammenartigen ⊡ Abb. 10.23 Makroaneurysma im Bereich eines älteren Venenast-
Blutungen mehr sichtbar, was bei der Einschätzung des verschlusses in der Fluoreszenzangiographie, Frühphase
Verschlussalters hilfreich sein kann. Bei persistierender
Schrankenstörung mit Austritt von Lipiden können sich
nach wenigen Wochen manchmal auch harte Exsudate
im Verschlussgebiet ablagern.

⊡ Abb. 10.22 Älterer Venenastverschluss mit fleckigen Blutungen, ⊡ Abb. 10.24 Älterer Venenastverschluss mit Ausbildung von Kolla-
verdämmernden Cotton wool Herden im Bereich der Makula und Kol- teralen. Z.n. peripherer Laserkoagulation. Der gelbe Stern markiert die
lateralen (Stern) am Papillenrand Verschlussstelle, der gelbe Pfeil das Kollateralgefäß
218 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

⊡ Abb. 10.25 Alter Venenastverschluss im Bereich der oberen Tem-


poralvene mit Ghost vessel als Zeichen der massiven Durchblutungs-
störung mit fibrotischem Gefäßumbau ⊡ Abb. 10.27 Alter Venenastverschluss im Bereich des oberen tem-
poralen Gefäßbogens mit Exsudaten im Bereich der Makula. Peripher
sind Laserkoagulationsnarben sichtbar. Pfeil Verschlussstelle mit
Kollateralen

10
sonders schweren Verschlüssen können sich auch Ghost-
vessels im Verschlussbereich entwickeln (⊡ Abb. 10.25).
Periphere Proliferationen fallen meist erst im Rahmen
einer Glaskörperblutung oder zufällig bei der peripheren
Funduskopie auf (⊡ Abb. 10.26). Diese liegen in den meis-
ten Fällen im Verschlussgebiet, können aber auch an der
Papille vorkommen.
Weitere Zeichen eines älteren Verschlusses sind eine
epiretinale Gliose, ein Pseudoforamen und Veränderun-
a gen des retinalen Pigmentepithels (⊡ Abb. 10.27). Bei
einem lang andauernden Makulaödem nach retinalem
Venenverschluss können Zysten chronifizieren und die
umgebenden retinalen Schichten atroph werden. In die-
sem Stadium kann das zystoide Makulaödem unter Um-
ständen mit einem Makulaforamen verwechselt werden.
Eine Untersuchung mittels der optischen Kohärenztomo-
graphie (OCT) bringt hier Klarheit (⊡ Abb. 10.28). Ebenso
kann es bei chronischem Makulaödem zu Alterationen
des retinalen Pigmentepithels kommen. In solchen Fällen
ist die Visusprognose begrenzt. Auch diese Erkenntnisse
motivieren dazu, das Makulaödem möglichst frühzeitig
zu therapieren.
b Die Angiographie weist eine im Vergleich zur gegen-
überliegenden Vene des gleichen Auges eine verzögerte
⊡ Abb. 10.26 Venenastverschluss im oberen temporalen Quadran- Farbstofffüllung auf, die sich aber im Lauf der Zeit wieder
ten. a Rotfreie Aufnahme mit dem korallenartigen Proliferationsnetz
normalisieren kann. Im Verschlussbereich ist das retinale
am oberen Bildrand. Die Pfeile markieren die Grenze zwischen isch-
ämischer und perfundierter Netzhaut. b Darstellung des gleichen
Gefäßbett leicht bis massiv rarefiziert, in der Spätphase
Befundes in der Fluoreszenzangiographie. In der Frühphase sind die nach ca. 10 Minuten ist meist eine deutliche Leckage zu
Proliferationsnetze gut sichtbar sehen (⊡ Abb. 10.29).
10.3 · Retinaler Venenastverschluss
219 10

⊡ Abb. 10.28 Alter Venenast-


verschluss temporal unten.
a Klinisch makuläres Pseu-
doforamen. b In der OCT ist
eindeutig das Makulaödem
b
sichtbar, kein Foramen

a b

⊡ Abb. 10.29 Fluoreszenzangiographie bei makulärem Venenastverschluss unten. a Frühphase der Angiographie mit Abschattung durch Blu-
tung und Ischämie. b Spätphase der Angiographgie mit Exsudation und zartem Makulaödem
220 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Als sehr hilfreiches diagnostisches Instrument hat


sich in den vergangenen Jahren die optische Kohärenz- Empfohlene Untersuchungen bei Patienten
tomographie (OCT) bewährt. Auch sehr zarte Ausprä- mit retinalem VAV
gungen eines Makulaödems können damit festgestellt ▬ Visus
werden, deshalb ist die OCT zur Verlaufskontrolle nach ▬ Vorderer Augenabschnitt
intravitrealer Injektion aus dem klinischen Alltag heute ▬ Tonometrie
kaum noch wegzudenken. Bei der Beurteilung der Ischä- ▬ Funduskopie
mie kann die OCT die Fluoreszenzangiograhie aber nicht ▬ Fluoreszenzangiographie
ersetzen. ▬ OCT
▬ Internistische Untersuchung (Blutdruck, EKG,
Blutbild)
10.3.6 Spontanverlauf

Für den Spontanverlauf liegen mittlerweile genauere Da- Praxistipp I I


ten aus großen Metaanalysen und den unbehandelten Eine internistische Untersuchung ist bei allen Patienten
Kontrollgruppen größerer prospektiver Arzneimittelzu- mit retinalem Venenverschluss unbedingt erforderlich.
lassungsstudien vor. Hierbei muss zu dem arteriosklerotischen Risikoprofil
In der Branch Vein Occlusion Studie (BVOS; n=139) der Patienten Stellung genommen werden. Vor allem
wurde eine spontane Verbesserung ≥2 Zeilen nach älte- auf ein Blutbild, ein Elektrokardiogramm und eine 24-
rem VAV (Verschlussdauer 3-18 Monate) mit Makula- h-Blutdruckmessung sollte Wert gelegt werden.
beteiligung in 37% angegeben, nur 17% verschlechter-
ten sich um 2 oder mehr Zeilen, im Schnitt betrug der
spontane Visusanstieg nach 3 Jahren 2,3 Zeilen. Neuere Bildgebende Untersuchungen (insbesondere Karotis-
10 Arbeiten geben eine spontane Verbesserung um min- Doppler und Herzechokardiogaphie) sind nicht ohne
destens 3 Zeilen zwischen 20% und 29% innerhalb den Grund erforderlich. Bei Patienten unter 45 Jahren, vor
ersten 6 Monate nach VAV an, im Mittel verbessert sich allem bei fehlenden Risikofaktoren ist auch eine Throm-
die Sehschärfe ohne Behandlung nach 12 Monaten um bophiliediagnostik zu überlegen. Es empfiehlt sich, hier-
1,7 Zeilen. In der BVOS hatten 34% der Betroffenen bei die Kooperation mit einem spezialisierten Internisten
eine abschließende Sehschärfe ≥0,5, dagegen endeten zu suchen.
23% der Patienten unbehandelt mit einem Visus unter
0,1, die mittlere Sehschärfe betrug 0,28. Ältere Arbeiten
sprechen von einem abschließenden Visus von ≥0,5 in 10.3.7 Differentialdiagnose
60% aller VAV-Patienten. In diesem Punkt sind die neu-
eren Arbeiten deutlich zurückhaltender und beschrei- Der frische VAV ist eine Blickdiagnose. Ältere VAVs
ben nur noch 20% der Betroffenen mit einem finalen fallen nicht selten erst durch sekundäre vaskuläre Verän-
Visus über 0,5. derungen auf (z.B. Glaskörperblutung, Ausbildung von
Rein makuläre Verschlüsse sind seltener und machen Kollateralen, Makroaneurysmabildung). Ein chronisches
etwa 17% aller Venenastverschlüsse aus. Eine abschlie- Makulaödem kann im Spätstadium auch mit einem Ma-
ßende Sehschärfe ≥0,5 erreichen ca. 30% aller Patienten, kulaforamen verwechselt werden, allerdings ist die Ver-
bei 60% bleibt die Sehschärfe stabil, 15% der Patien- wechslungsgefahr beim Zentralvenenverschluss größer.
ten enden im Spontanverlauf bei einer Sehschärfe ≤0,1.
Das bedeutet, dass sich der makuläre Astverschluss vom
ausgedehnten VAV hinsichtlich der Visusprognose nicht 10.3.8 Behandlungsprinzipien
unterscheidet.
Bei der Visusprüfung muss man beachten, dass die Behandlung der retinalen Ischämie
Sehschärfe gerade bei frischem Verschluss stark schwan- In der BVOS wurde empfohlen, dass im Falle eines VAV
ken kann und morgens aufgrund der variablen Gewebs- mit ausgedehnter Ischämie >5 PD im Verschlussareal
wasserverteilung im Liegen schlechter ist als abends. Falls eine Laserflächenkoagulation zur Prophylaxe oder The-
der Patient Visusschwankungen angibt, sollte die Seh- rapie der Neovaskularisationen und Glaskörperblutung
schärfe in den ersten Wochen nach Verschluss im güns- im Verschlussareal durchgeführt werden sollte. In der
tigsten Fall immer zur gleichen Tageszeit nachmittags gemeinsamen Stellungnahme der Retinologischen Ge-
gemessen werden. sellschaft (RG), der Deutschen Ophthalmologischen
Gesellschaft (DOG) und des Berufsverbands der Au-
10.3 · Retinaler Venenastverschluss
221 10
genärzte Deutschlands (BVA) wurde diese Empfehlung GRID-Laserkoagulation
etwas gelockert, sodass auch bei geringerer Ausdehnung Der visussteigernde Effekt der zentralen, gitterförmi-
der Ischämie eine Laserkoagulation möglich ist. Es ist gen Laserbehandlung (GRID) ist nur beim VAV, nicht
noch nicht geklärt, ob eine konsequente Injektion mit aber beim ZVV oder Hemi-ZVV nachgewiesen. In der
VEGF-Inhibitoren die Rate der Proliferationen senkt. Im prospektiven und randomisierten Branch Retinal Vein
Rahmen der SCORE-Studie konnte belegt werden, dass Occlusion Studie (BVOS) wurden Patienten mit einem
Triamcinolon die Rate der neovaskulären Komplikatio- Verschlussalter zwischen 3 und 18 Monaten und ei-
nen nicht verändert. nem Ausgangsvisus bis 0,5 eingeschlossen. Ausgewertet
wurden die Daten von 79 Patienten. Bei diesen Pati-
Behandlung des Makulaödems nach retinalem enten wurde in der Gruppe der Laserbehandlung nach
Venenastverschluss 3 Jahren eine Sehverbesserung von ≥2 Zeilen in 65%
Antikoagulation erreicht, während sich in der Kontrollgruppe 37% der
Der Einsatz von gerinnungshemmenden Substanzen beim Patienten verbesserten. Der mittlere Visusgewinn betrug
retinalen Venenverschluss ist relativ weit verbreitet, die nach GRID-Lasertherapie 1,3 Zeilen. Die Einzeldaten der
Effektivität aber bislang nicht nachgewiesen, sodass nach BVOS sind nicht publiziert, sodass hier nur die Häufig-
der gegenwärtigen Studienlage aufgrund der niedrigen keit der Visusverbesserung ≥2 Zeilen und nicht ≥3 Zei-
Evidenz keine Empfehlung für eine systemische Antiko- len angegeben werden kann, was die Vergleichbarkeit
agulation bei RVVs ausgesprochen werden kann. Im Ge- mit neueren Studienergebnissen einschränkt. Verglichen
genteil kann eine Antikoagulation die retinalen Blutungen mit den Erfolgen nach intravitrealer Injektion spielt die
verstärken und damit sowohl die Sehschärfe vermindern, GRID-Laserkoagulation aber mittlerweile nicht mehr die
als auch eine periphere Ischämie durch zunehmende Blu- Rolle, die sie in den letzten Jahren inne hatte.
tungen überdecken und damit eine Laserkoagulation er- Bei der GRID-Technik werden schwach sichtbare
schweren. Auch Acetylsalicylsäure sollte nur zur Behand- Herde z.B. mit dem grünen Argonlaser (100 μm Fleck-
lung der nachgewiesenen kardiovaskulären Risikofaktoren größe in der Netzhaut), 100-200 Milliwatt Energie,
vom behandelnden Internisten indiziert werden. 0,1-0,2 s Dauer in blutungsfreie Areale des betroffenen
Makulaareals gesetzt. Der Abstand zur Foveamitte sollte
Isovolämische Hämodilution mindestens 500-700 μm betragen. Je nach Blutungen
Die Hämodlutionstherapie scheint im Fall einer gestörten muss in mehreren Sitzungen gelasert werden. Beim ma-
Mikrozirkulation sinnvoll, da sich bei verminderter Fließ- kulären Venenastverschluss führt eine GRID-Laserko-
geschwindigkeit die Viskosität des Blutes logarithmisch agulation nicht zu verbesserten Visusergebnissen.
erhöht. Die isovolämische Hämodilution ist dabei am ef-
fektivsten. Sie erfolgt mit einem Aderlass und die gleich- Arteriovenöse Dissektion (AVD oder Sheathoto-
zeitige Gabe von Plasmaexpandern (Hydroxyäthylstärke/ mie), Vitrektomie
HAES 10%). Dadurch kann der Hämatokrit in der Regel Bei der arteriovenösen Dissektion werden überkreuzende
um 0,05-0,1 auf einen Zielhämatokrit von ca. 0,35 gesenkt Arterie und Vene voneinander getrennt. Obwohl es zu
werden. Dieser Zielwert wird über einen Zeitraum von dieser Therapie viele Daten aus kleineren Studien gibt,
6 Wochen stabilisiert, bis ein neues Gleichgewicht durch konnte die Wirksamkeit der Methode bisher nicht auf
vermehrte Belastung von Kollateralen eingetreten ist. In höherem Evidenzniveau nachgewiesen werden. Der be-
der Regel sind dafür 3-5 Behandlungen erforderlich. Die schriebene Effekt ist nicht mit der Wirksamkeit von
Therapie wird nach Hämatokrit und Befindlichkeit des intravitreal applizierten Medikamenten vergleichbar. Die
Patienten gesteuert. Beim VAV konnte in kleinen rando- AVD spielt im klinischen Alltag keine Rolle mehr. Der
misierten Studien ein Visusanstieg von durchschnittlich Effekt der Vitrektomie ist bei der gegenwärtigen Stu-
2,5-3,3 Zeilen im Vergleich zur Kontrollgruppe nach ei- dienlage schwer gegen den Effekt der Gefäßtrennung
nem Jahr nachgewiesen werden. 46-76% statt 8-43% der abgrenzbar. In manchen Fällen kann eine Vitrektomie
Augen verbesserten sich um ≥3 Zeilen. Daten für eine ohne Gefäßtrennung aber noch immer sinnvoll erschei-
prophylaktische Behandlung oder eine weiterführende nen (z.B. Versagen der intravitrealen Medikamente, vitre-
Therapie über die 6 Wochen hinaus liegen nicht vor. oretinale Traktion).

Praxistipp I I Intravitreal applizierbare Medikamente


Die Hämodilutionsbehandlung sollte in Rücksprache Mit der intravitrealen Medikamenteneingabe hat eine
und Kooperation mit einem Internisten oder Hausarzt neue therapeutische Ära begonnen. Die initial erreich-
durchgeführt werden. baren Visusverbesserungen übersteigen alle bisher be-
schriebenen Ergebnisse, allerdings ist die Wirkung von
222 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

unterschiedlich kurzer Dauer. Es werden 2 Substanz- nicht erlaubt. Nach 6 Monaten hatten 23% der mit 700 μg
gruppen eingesetzt: Kortikosteroide und Hemmstoffe behandelten Patienten einen signifikanten Visusanstieg
des »vascular endothelial growth factors« (sog. VEGF- in der reinen Kontrollgruppe konnte dieser bei 20% der
Inhibitoren). Patienten nachgewiesen werden. Im Mittel hatten die
Patienten nach 6 Monaten in der Behandlungsgruppe
z Kortikosteroide 7,5 Buchstaben (+1,5 Zeilen) gewonnen. In der Kontroll-
Nach einem RVV kommt es zu einer erhöhten intravit- gruppe gewannen die Patienten im Mittel 5 Buchstaben
realen Kumulation von Entzündungsmediatoren. Hierbei (+1,0 Zeilen). Ein Wirkmaximum wurde nach 60 Tagen
sind vor allem der Gefäßwachstumsfaktor VEGF, die beobachtet. Zu diesem Zeitpunkt hatten 30% in der Be-
Interleukine 1, 6 und 8, sowie das Monozyten-chemotak- handlungsgruppe und 13% in der Kontrollgruppe eine
tische-Protein 1 (MCP-1) zu nennen. Da Kortikosteroide Visusverbesserung von mindestens 3 Zeilen. An relevan-
die Blut-Retina-Schranke stabilisieren und die Bildung ten Nebenwirkungen wurde nach 6 Monaten eine oku-
von VEGF und anderen Entzündungsmediatoren hem- läre Hypertension in 4,0% der behandelten Patienten
men, scheint ihr Einsatz bei retinalen Venenverschlüssen beschrieben. Eine Glaukomoperation wurde in 0,5% nach
sinnvoll. Die Gabe von Kortikosteroiden wurde bereits 6 Monaten erforderlich. Eine Kataraktprogression war in
vor über 50 Jahren von Brückner beschrieben. Belastbare 4% (Kontrolle) und 7% (700 μg Dexamethason) zu be-
Daten für die systemische Applikation gibt es nicht, dafür obachten. Nach einer zweiten Injektion nach 6 Monaten
haben sich viele Arbeitsgruppen mit der intravitrealen konnten die Ergebnisse der ersten 6 Monate wiederholt
Gabe beschäftigt. werden.
Das Kortisonpräparat Triamcinolon (Volon A oder
Kenalog) ist nicht für die Anwendung am Auge vorge- z VEGF-Inhibitoren
sehen und wird daher im Moment nur im Off-label- Der Einsatz von VEGF-Inhibitoren beim Makulaödem
Verfahren injiziert. Die am häufigste beschrieben Dosis nach RVV wurde erstmals 2005 beschrieben. Beim VAV
10 beträgt 4 mg. Die exakte Dosierung stellt dabei ein Pro- liegen verwertbare Daten für Bevacizumab und Ranibi-
blem dar, da durch den Waschvorgang und durch die zumab vor.
Absorption an den Wänden der Kunststoffspritze ein Teil Obwohl für Bevacizumab die meisten Daten vor-
des Medikamentes verloren geht und es zu erheblichen liegen, gibt es bisher keine prospektiven und randomi-
Variationen bei der Menge des appilizierten Triamcino- sierten Studien. Die intravitreale Injektion von 1,25 mg
lons kommt. Triamcinolon-Acetonid (TA) hat aufgrund Bevacizumab führt im Mittel zu einem raschen Visus-
seines geringen Löslichkeitsgleichgewichts von 25-30 μg/ anstieg innerhalb der ersten drei bis sechs Wochen bei
ml eine Depotwirkung über mehrere Monate. Entspre- gleichzeitigem Rückgang des Ödems. Die Häufigkeit der
chend den Ergebnissen der prospektiven und randomi- Re-Injektionen im weiteren Verlauf war in den Studien
sierten SCORE-Studie ist Triamcinolon beim VAV einer unterschiedlich. In der Regel waren 2-9, im Mittel ca.
fokalen Laserkoagulation nicht überlegen. Aufgrund der 5 Injektionen pro Jahr erforderlich, wobei in den ersten
vielfachen Nebenwirkungen sollte Triamcinolon beim re- 6 Monaten häufiger injiziert werden musste. Beim VAV
tinalen VAV deshalb nicht mehr angewendet werden. verbesserte sich in den publizierten Studien die mittlere
Das Präparat Dexamethason ist mittlerweile als Slow- Sehschärfe um 2,9 Zeilen, der Anteil der Patienten mit
release-Applikation für die intravitreale Anwendung signifikanter Visusverbesserung betrug ca. 50%. Eine zu-
beim retinalen Venenverschluss in einer internationalen sätzliche Kombination mit einer fokalen Laserkoagula-
prospektiven und randomisierten Studie (GENEVA-Stu- tion scheint keine weitere Verbesserung nach 6 Monaten
die) getestet und seit 2010 in Deutschland zugelassen. zu erbringen. Auf der Suche nach prädiktiven Faktoren
Dexamethason hat im Vergleich zu Triamcinolon eine ergab eine Metaanalyse von 204 Patienten 3 wesentliche
5-fach höhere kortikoide Potenz mit einer deutlichen Faktoren, die mit einem verbesserten abschließender
entzündungshemmenden Wirkung. Dexamethason wird Visus korrelierten: besserer Ausgangsvisus, junges Pati-
in der wirkstofftragenden Matrix über die Pars plana mit entenalter und kurze Verschlussdauer. In OCT-Studien
Hilfe eines speziellen 22-gauge-Injektors in den Glas- wurde zudem ein Defekt im Bereich der äußeren Rezep-
körper eingebracht. Im Lauf von bis zu 6 Monaten löst toranteile (inner/outer Segment Grenze) als prognos-
sich die Matrix auf und gibt während dieses Zeitraums tisch ungünstiges Zeichen in Bezug auf die Sehschärfe
den Wirkstoff in den Glaskörper ab. In der bisher größ- gewertet.
ten randomisierten Studie zum retinalen Venenverschluss Für den humanisierten fragmentierten Mausanti-
(GENEVA) wurden 830 Patienten mit Makulaödem nach körper Ranibizumab liegen die Ergebnisse einer Pha-
VAV bis zu einem Verschlussalter von 12 Monaten unter- se-III-Studie (BRAVO) vor. Dabei wurde die Wirkung
sucht. Eine fokale Laserkoagulation war in dieser Studie einer monatlichen Injektion von Ranibizumab über ei-
10.3 · Retinaler Venenastverschluss
223 10
nen Zeitraum von 6 Monaten mit dem Verlauf einer wertung der Wirksamkeit der unterschiedlichen Substan-
Kontrollgruppe verglichen. Nach 3 Monaten konnte eine zen grundlegend ändern.
fokale Laserkoagulation vorgenommen werden. In die-
ser Studie (n= 397) hatten nach 6 Monaten 61% der
mit 0,5 mg behandelten Patienten einen signifikanten 10.3.11 Wie sollte behandelt werden?
Visusanstieg, während sich in der Kontrollgruppe 29%
verbesserten. Dieser Gruppenunterschied war ebenfalls Für die Behandlung des Makulaödems nach retinalem
signifikant. Im Mittel hatten die Patienten nach 6 Mona- Venenastverschluss scheint die Therapie mit VEGF-Inhi-
ten in der Behandlungsgruppe mit 0,5 mg Ranibizumab bitoren nach den bisher verfügbaren Daten am effektivs-
18,3 Buchstaben (+3,7 Zeilen) gewonnen. In der Kon- ten zu sein. Berechnet man die Kosten einer Therapie pro
trollgruppe gewannen die Patienten im Mittel 7 Buch- gewonnene Visuszeile, ist die Therapie mit Bevacizumab
staben (+1,4 Zeilen). Ranibizumab ist seit Mitte 2011 mit Abstand am günstigsten. In den USA ist eine GRID
für die Behandlung des Makulaödems nach retinalem Laserung ca. 3-fach, eine Behandlung mit Ozurdex ca 6
Venenverschluss zugelassen. fach und eine Therapie mit Lucentis ca. 26-fach teurer.
Diesen Berechnungen liegen die offiziellen Apotheken-
preise zugrunde und können bei Rabattverträgen, wie
10.3.9 Systemische Begleiterkrankungen sie mittlerweile üblich geworden sind, abweichen. Über
die Injektionshäufigkeit gibt es keine klaren Untersu-
Es wird noch immer kontrovers diskutiert, ob eine intra- chungen. Obwohl in der gemeinsamen Stellungnahme
vitreale Injektion von VEGF-Inhibitoren für kardiovasku- der RG, DOG und des BVA zunächst eine einmalige
läre Begleiterkrankungen verantwortlich gemacht werden Injektion empfohlen wird, sehen neuere Protokolle von
kann. In den Zulassungsstudien konnten keine erhöhten Medikamentenstudien bereits fixe monatliche Injektio-
systemischen Komplikationsraten verzeichnet werden. In nen über einen Zeitraum von 6 Monaten vor. Eine ein-
einer zuletzt veröffentlichten retrospektiven Analyse von malige Injektion ist wahrscheinlich nicht ausreichend.
knapp 150.000 Injektionen bei Patienten mit altersab- Es könnte deshalb sinnvoll sein, das etablierte Schema
hängiger Makuladegeneration, bei denen die Präparate der Therapie einer CNV bei AMD zu übernehmen und
Pegaptanib, Ranibizumab, Bevacizumab injiziert oder mit 3 Injektionen im Abstand von 4 Wochen zu begin-
eine photodynamischen Therapie durchgeführt wurde, nen. Beträgt die Verschlussdauer weniger als 6 Wochen,
konnte kein gehäuftes Auftreten systemischer Begleiter- ist eine zusätzliche isovolämische Hämodilution ratsam,
krankungen nachgewiesen werden. Patienten mit VAV soweit keine Kontraindikationen bestehen. Bei einem
besitzen zwar ein erhöhtes kardiovaskuläres Risikoprofil, rein makulären VAV ist keine Hämodilution erforderlich.
sind aber im Schnitt 10 Jahre jünger als Patienten mit Die intravitreale Eingabe des Dexamethasonimplantats
einer chorioidalen Neovaskularisation im Rahmen einer ist eine Alternative zu den VEGF-Inhibitoren, besonders
altersabhägigen Makuladegeneration. Insgesamt gibt es bei fehlendem Ansprechen auf VEGF-Inhibitoren. Eine
bisher keinen gesicherten Hinweis auf ein gehäuftes Auf- gleichzeitige intravitreale Injektion verschiedenere Wirk-
treten von kardiovaskulären Begleiterkrankungen oder stoffe (z.B. VEGF-Inhibitoren und Dexamethason) ist
gar einen gesicherten klinischen Zusammenhang nach bisher nicht getestet und kann aufgrund fehlender Daten
intravitrealer Injektion von VEGF-Inhibitoren. nicht empfohlen werden.
Eine zusätzliche GRID Laserkoagulation kann nach
Beginn der Therapie mit VEGF-Inhibitoren durchgeführt
10.3.10 Wirksamkeitsvergleich werden. Dies wirkt wahrscheinlich am besten ein bis
zwei Wochen nach der Injektion, da nach Rückgang des
Es ist meist schwierig, verschiedene Zulassungsstudien Ödems weniger Laserenergie erforderlich ist.
oder Fallserien miteinander zu vergleichen. Das trifft Die Patienten mit retinalem Venenverschluss sollten
auch für die Interpretation der Datenlage zu den Ver- regelmäßig über einen längeren Zeitraum kontrolliert
schlüssen eines retinalen Venenastes zu. Vor allem die werden, da ein Makulaödem auch nach zunächst erfolg-
Krankheitsdauer, der Einschlussvisus und das Nachbe- reicher Behandlung wieder rezidivieren kann und auch
obachtungsintervall spielen hierbei eine besondere Rolle. die Gefahr besteht, dass sich aus einem zunächst nicht-
Die Spekulationen über die unterschiedliche Wirksamkeit ischämischen VAV eine ischämische Form entwickelt.
können nur mit direkt vergleichenden Studien (Head- Unerlässlich ist die internistische Untersuchung mit
to-head-Studien) beantwortet werden. Erfreulicherweise Abklärung der kardiovaskulären Risikofaktoren. Es liegt
sind solche Studien in Planung. Erste Ergebnisse könnten auch in der Verantwortung des Augenarztes, die Patien-
bereits Ende 2012 vorliegen. Dann könnte sich die Be- ten darüber zu beraten.
224 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Fazit für die Praxis Arterie entspringen kann. Bei dem retinalen Kreislauf
Der retinale Venenastverschluss ist eine einseitige Erkran- handelt es sich um ein Endarteriensystem. Die einzige
kung, die meist mit einem visusreduzierenden Makulaödem Verbindung zwischen retinalem Zu- und Abfluss ist das
einhergeht. Bei jedem Patienten, der sich mit einem neuen retinale Kapillarnetz, Kollateralen oder Shuntgefäße kom-
Verschluss vorstellt, müssen folgende Punkte beantwortet men nicht vor. Zusätzlich ist die Sauerstoffabgabe aus dem
werden: Blut der retinalen Gefäße sehr hoch, die arteriovenöse
▬ Alter des Verschlusses (Anamnese, klinischer Aspekt) Sauerstoffdifferenz beträgt 38%. Im Fall einer Minderper-
▬ Fläche der retinalen Ischämie (Fluoreszenzangiographie) fusion sind in den inneren Retinaschichten deshalb wenig
▬ Makulaödem (Fluoreszenzangiographie, Optische Kohä- Sauerstoffreserven vorhanden. Diese fehlende Kompensa-
renztomographie) tionsmöglichkeit ist der Grund für den schnell eintreten-
▬ Ursache/ Internistisches Risikoprofli (Hausarzt, Internist) den Schaden bei arteriellen Verschlüssen.

Die Therapie des Makulaödems ist multimodal und umfasst


neben der Behandlung der internistischen Risikofaktoren die 10.4.3 Pathogenese
isovolämische Hämodilution, die Laserkoagulation und die
intravitreale Medikamenteneingabe. Hierfür stehen verschie- Der arterielle Verschluss ist typischerweise eine embo-
dene Substanzen zur Verfügung, die die Prognose der Erkran- lische Erkrankung, auch wenn Emboli nur in zwischen
kung deutlich verbessert haben. 20-40% aller Patienten am Fundus gesehen werden kön-
nen. Retinale Emboli sind häufiger beim AAV (68%)
als beim ZAV (25%) sichtbar. An zweiter Stelle sind die
10.4 Retinale arterielle Verschlüsse deutlich selteneren wandständigen Thrombosen zu nen-
nen. Die Möglichkeit einer wandständigen Thrombose
N. Feltgen als Ursache des arteriellen Verschlusses erklärt auch, dass
10 trotz manifestem Verschluss manchmal keine Embolie-
quelle gefunden werden kann. Die Thrombophilie ist sel-
10.4.1 Definition ten, weshalb bei der Ursachenabklärung nach retinalem
Gefäßverschluss die Thrombophiliediagnostik auch nicht
Zu den retinalen arteriellen Verschlüssen gehört der Zen- zum Standard gehört. Eine Vaskulitis wird in bis zu 5%
tralarterienverschluss (ZAV), der Astarterienverschluss aller Fälle als Ursache beschrieben. Anatomische Fehlbil-
(AAV), der isolierte Verschluss einer zilioretinalen Arterie dungen, Z.n. Trauma, eine Infektion, ein Gefäßspasmus
und umschriebene Verschluss retinaler Kapillaren (z.B. im und ein erhöhter Augeninnendruck gehören zu den selte-
Rahmen einer Purtscher-Retinopathie). Der akute Ver- nen Ursachen einen Gefäßverschlusses.
schluss einer retinalen Arterie ist insgesamt ein seltenes
Ereignis. Meist führen Emboli zu dem typischen einsei- Emboli
tigen, akuten und schmerzlosen Visusverlust am betrof- Emboli stammen typischerweise von arteriosklerotischen
fenen Auge. Der typische funduskopische Befund ist der Ablagerungen der A. carotis, an zweiter Stelle stehen
kirschrote Fleck, eine etablierte Therapie gibt es bisher Herzwand- oder Herzklappenerkrankung. Bisher ging
nicht, die Prognose ist besonders beim ZAV schlecht. man davon aus, dass bei ca. 20% aller Patienten mit
retinalem arteriellem Verschluss hämodynamisch wirk-
same Stenosen der A. carotis gefunden werden können.
10.4.2 Einleitung Neuere prospektive Arbeiten mit standardisierten Un-
tersuchungsabläufen finden sogar in knapp 40% aller
Ein Sehverlust durch eine verschlossene Zentralarterie Patienten relevante Stenosen. Diese Befunde stehen im
ist seit mehr als 150 Jahren bekannt. Albrecht von Graefe Einklang mit der Tatsache, dass der retinale arterielle
berichtete erstmals 1859 über einen Patienten mit emboli- Verschluss bei über 90% der Patienten Folge einer Sys-
schem Verschluss der A. centralis retinae bei Endokarditis temerkrankung ist. Zu den typischen Risikofaktoren ge-
mit multiplen Emboli in verschiedenen Organen. Seither hört die arterielle Hypertonie, ein Diabetes mellitus, eine
sind viele verschiedene Behandlungsschemata versucht Hypercholesterinämie und Nikotinabusus. Findet man
worden, von denen sich aber bisher keines etablieren zusätzlich zu einem arteriellen Verschluss noch einen
konnten. Die inneren 2/3 der Netzhaut werden durch die Embolus, spricht man von einem symptomatischen Em-
Zentralarterie versorgt, das äußere Drittel durch die Cho- bolus (⊡ Abb. 10.30). Dieser ist insofern bedeutsam, als
rioidea. Diese wird gespeist durch die 10 bis 15 hinteren die 5-Jahresmortalität im Vergleich zu gesunden Gleich-
kurzen Ziliararterien, aus denen auch eine zilioretinale altrigen verdoppelt ist. Außerdem haben Patienten mit
10.4 · Retinale arterielle Verschlüsse
225 10
nungssystems beim retinalen arteriellen Verschluss nicht
den Stellenwert wie beim retinalen Venenverschluss. Eine
Thrombophiliediagnostik kann bei Patienten ≤45 Jahre
ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren sinnvoll sein. Die
Diagnostik sollte in Kooperation mit einem spezialisierten
Hämostaseologen erfolgen, da die Interpretation patholo-
gisch veränderter Parameter viel Erfahrung erfordert.

Vaskulitis
Die Riesenzellarteriitis Horton ist innerhalb der Gruppe
der entzündlichen Erkrankungen die häufigste Ursache
eines retinalen arteriellen Verschlusses. Sie liegt in 1-4%
aller Fälle einem ZAV zugrunde. Weitere entzündliche
Erkrankungen sind in der folgenden Übersicht aufge-
führt. Sie führen deutlich seltener zum Verschluss von
Netzhautgefäßen.

Entzündliche Erkrankungen als Ursache eines


⊡ Abb. 10.30 Zentralarterienverschluss mit Cholesterinembolus auf retinalen Arterienverschluses
der Papille ▬ Riesenzellarteriitis
▬ Panarteriitis nodosa
▬ Morbus Wegener
symptomatischem Embolus ein 4- bis 10-fach erhöhtes ▬ Lupus erythematodes
Risiko einen Schlaganfall zu erleiden, während Patienten ▬ Behcet-Erkrankung
mit arteriellem Verschluss ohne Embolus kein erhöhtes ▬ Susac-Syndrom
Risiko aufweisen. ▬ Dermatomyositis

Praxistipp I I Weitere Gründe für retinalen arteriellen


Ein arterieller retinaler Verschluss ist fast immer mit
einer systemischen kardiovaskulären Erkrankung as-
Verschluss
soziiert. Seltene Ursachen retinaler Arterienverschlüsse sind ia-
trogen (Operationen im Kopf-Hals-Bereich oder durch
Kontrastmittel), nach Vasospasmus und nach Trauma
Einen asymptomatischen Embolus (ohne retinalen Ver- beschrieben.
schluss) findet man in 1,4 bis 3,1% aller Erwachsenen.
Männer haben ein höheres Risiko, es steigt außerdem
mit zunehmendem Alter, Bluthochdruck, Nikotinabusus 10.4.4 Epidemiologie
und Hypercholesterinämie. Menschen mit asymptoma-
tischem Embolus haben ein 2,6-fach erhöhtes Risiko für Patienten mit retinalem Arterienverschluss sind meist
einen Schlaganfall. zwischen 65 und 70 Jahre alt. Männer sind häufiger be-
Bei einer kardiologischen Untersuchung ist bei 25-30% troffen als Frauen (2/3 zu 1/3), etwa 1-2% der Verschlüsse
aller ZAV eine Herzklappenerkrankung zu finden. Insge- sind beidseitig. Die Inzidenz eines ZAV wird in der
samt haben 50% der Patienten echokardiographische Ver- Literatur mit 1 bis 15 pro 10.000 ophthalmologische Pa-
änderungen. Allerdings müssen nur 10% davon aufgrund tienten angegeben. Werden nur die frischen Verschlüsse
dieses Herzleidens behandelt werden. Bei Patienten unter gezählt (Ereignis kürzer als 2 Tage), liegt diese Zahl deut-
45 Jahren ist eine kardiale Ursache allerdings 3-mal häufi- lich niedriger und beträgt für den frischen ZAV 0,85 pro
ger, als eine Erkrankung der A. carotis. 100.000 Einwohner.
Bei 55% aller Patienten ist die Zentralarterie ver-
Thrombophilie schlossen, bei 40% ein Arterienast und bei 5% ist isoliert
Obgleich eine Vielzahl von Einzelfallberichten eine Ge- die zilioretinale Arterie betroffen. Bei jüngeren Patienten
rinnungsstörung als Ursache des ZAV bei meist jungen ist die Verteilung umgekehrt und es kommt deutlich
Patienten anschuldigt, hat die Untersuchung des Gerin- häufiger zum Arterienastverschluss als zum ZAV. 7% der
226 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Patienten mit ZAV sind jünger als 50 Jahre, dabei sind


vor allem Frauen betroffen.

10.4.5 Symptomatik und klinisches Bild

Zum Vollbild des retinalen Arterienverschlusses gehört


die akute, schmerzlose und drastische Sehverschlechte-
rung bei zentralem Netzhautödem mit kirschrotem Fleck
(ZAV) oder Gesichtsfelddefekt (AAV und Verschluss ei-
ner zilioretinalen Arterie). Es besteht ein relativer affe-
renter Pupillendefekt, der bereits kurz nach dem Ver-
schlussereignis und noch vor dem retinalen Ödem zu
beobachten ist.
Zwei Drittel aller arteriellen Verschlüsse treten im
Tagesverlauf auf, aufgrund der nächtlichen Kumulation
wird eine Sehverschlechterung aber nicht selten erst mor-
gens nach dem Aufwachen bemerkt. Manchmal gehen
dem Verschluss Episoden einer kurzzeitigen massiven
Sehverschlechterung (Amaurosis fugax) voraus. Wenn ⊡ Abb. 10.31 Fluoreszenzangiographie, frühe Phase (1 min), 12 Stun-
den nach Zentralarterienverschluss. Der Farbstoff ist nur in den Gefäß-
die Makula betroffen ist, liegt die Sehschärfe bei über
hauptstämmen sichtbar. Gleicher Patient wie in Abb. 10.33
90% der Patienten im Bereich zwischen Lichtscheinwahr-
nehmung und Fingerzählen. Kurze Zeit nach dem Ver-
10 schluss sind am Fundus nur Gefäßveränderungen sicht-
bar. Das typische ischämische Netzhautödem bildet sich
erst nach einigen Stunden aus. Sobald es zum Ödem
kommt, verfärbt sich die Netzhaut weiß bis gelblich (im
Gegensatz zum glasigen, transparenten extrazellulären
Ödem z.B. bei retinalem Venenverschluss). Das Ödem ist
besonders am hinteren Pol zu sehen, da dort die Nerven-
fasern und Ganglienzellen eine hohe Dichte haben. Die
Makula erscheint hingegen als kirschroter Fleck. Dieser
kommt dadurch zustande, dass die Netzhaut im Bereich
der Fovea besonders dünn ist und den Blick auf die
gut durchblutete Chorioidea freigibt. Das retinale Ödem
verschwindet innerhalb der ersten 4-6 Wochen nach Ver-
schluss. Die Papille erscheint dann blass, die Arterien
sind eng, die Venen können aber normal gefüllt sein.
Die Nervenfasern sind besonders um die Papille deutlich
rarifiziert. Eine verschlussbedingte Pigmentblattverände-
rung ist besonders nach einem Chorioidalinfarkt sicht-
bar. Eine Fluoreszenzangiographie ist in der Regel nicht
erforderlich, kann aber darüber Aufschluss geben, ob ein
Verschluss noch persitiert oder bereits wieder rekanali- ⊡ Abb. 10.32 Fluoreszenzangiographie, frühe Phase (1 min), 3 Tage
nach Verschluss mit Rekanalisation. Gleicher Patient wie in Abb. 10.33
siert ist (⊡ Abb. 10.31, ⊡ Abb. 10.32).

Zentralarterienverschluss (ZAV) (⊡ Abb. 10.33)


Der Spontanverlauf des ZAV ist schlecht: 92% der Pati- Regel irreversibel, sodass nur 1-8% der Patienten eine
enten weisen eine endgültige Sehschärfe von Fingerzäh- spontane Sehverbesserung erfahren. Eine abschließende
len oder weniger auf. Obwohl sich die angiographisch Sehschärfe über 0,1 ist nur bei ca. 8% aller Betroffenen zu
nachweisbare Durchblutung nach einem ZAV in den beobachten Falls kein Lichtschein wahrnehmbar ist, be-
meisten Fällen innerhalb weniger Tage wieder deutlich steht immer der Verdacht auf einen zusätzlichen Chorioi-
verbessert, ist der ischämische Netzhautschaden in der dalinfarkt. Der Verschluss liegt dabei jenseits der Lamina
10.4 · Retinale arterielle Verschlüsse
227 10

⊡ Abb. 10.34 Astarterienverschluss

das Neovaskularisationsglaukom. Zwischen 3 und 18%


aller Patienten entwickeln eine Rubeosis iridis. Im Ver-
gleich zum Zentralvenenverschluss tritt die Neovasku-
larisation der Iris beim ZAV seltener, dafür aber früher
auf. Im Mittel kommt es innerhalb von 4-5 Wochen zur
Rubeosis iridis.

Astarterienverschluss (AAV) (⊡ Abb. 10.34)


Die Visusprognose nach AAV ist besser als nach ZAV und
hängt vor allem von den betroffenen Arealen ab. 80% der
Patienten haben eine abschließende Sehschärfe ≥0,5. Pa-
tienten beklagen vor allem einen meist horizontalen Ge-
sichtsfelddefekt. Ein relativer affereneter Pupillendefekt ist
in vielen Fällen nachweisbar. Beim AAV werden Emboli
b häufiger als beim ZAV gefunden. Entsprechend der em-
bolischen Ursache ist das rechte Auge häufiger betroffen,
⊡ Abb. 10.33 a Frischer Zentralarterienverschluss ohne erhaltene zi- da die Emboli vom Herzen direkt durch die rechte A. ca-
lioretinale Arterie (12 Stunden nach Verschluss) b Zentralarterienver- rotis interna in die A. ophthalmica gelangen können.
schluss ohne erhaltene zilioretinale Arterie (30 Tage nach Verschluss).
Atrophe Papille, enge Gefäße, noch Restödem mit angedeutetem Verschluss einer zilioretinalen Arterie
kirschroten Fleck
Die zilioretinale Arterie entspringt aus den kurzen Zili-
ararterien und ist in der Normalbevölkerung in 15-32%
nachweisbar. Sie versorgt immer das papillomakuläre
cribrosa und die Prognose ist besonders schlecht. Der Bündel, allerdings nur in bis zu 19% auch die Makula.
Zeitraum, in dem noch eine Visusverbesserung zu erwar- Fluoreszenzangiographisch kann sie am gesunden Auge
ten ist, wird sehr unterschiedlich angegeben und beträgt von den anderen retinalen Gefäßen durch eine sehr frühe
zwischen 6 Stunden und 3 Tagen. Nach den Ergebnissen Füllung unterschieden werden, die gemeinsam mit der
der prospektiven und randomisierten EAGLE-Studie liegt chorioidalen Füllung verläuft.
die Grenze bei ca. 24 Stunden. Beim ZAV kann eine durchblutete zilioretinale Arterie
Der vordere Augenabschnitt ist bei Patienten mit eine Sehschärfe von bis zu 0,1 gewährleisten (⊡ Abb. 10.35).
ZAV in der Regel normal. Die häufigste Komplikation ist Allerdings gibt es keine Doppelversorgung der Makula. Es
228 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Als apparative Basisdiagnostik sollte bei jedem Pati-


enten ein 12-Kanal-Elektrokardiogramm (EKG) durch-
geführt werden, um evtl. bestehende Rhythmusstörungen
nachzuweisen. 95% aller Rhythmusstörungen sind alleine
aus dem Oberflächen-EKG diagnostizierbar, wobei sich
schon durch einfache Palpation des Radialispulses Hin-
weise auf eine Arrhythmie ergeben können.
Da Rhythmusstörungen auch intermittierend auftre-
ten können, sollte bei unauffälligem 12-Kanal-EKG ein
Langzeit-EKG durchgeführt werden. Als bildgebende Ba-
sisuntersuchung ist ein transthorakalen Herzechos (TTE)
als ausreichend anzusehen, da hierdurch bis zu 50% Ab-
normalitäten nachgewiesen werden können. Einschrän-
kend muss erwähnt werden, dass davon nur ein geringer
Anteil therapierelevant ist. Die Durchführung TEE sollte
⊡ Abb. 10.35 Zentralarterienverschluss mit erhaltener zilioretinaler
Arterie
dann durchgeführt werden, wenn durch ein TTE keine
Emboliequelle nachgewiesen wurde und der ZAV durch
ein embolisches Ereignis bedingt war. Zwar erhöht sich
durch ein TEE der Nachweis kardialer morphologischer
kann also umgekehrt auch passieren, dass bei alleinigem Veränderungen bis zu 72%, allerdings ist es bei einigen
Verschluss der zilioretinalen Arterie und sonst normaler zusätzlich nachweisbaren Veränderungen unklar, ob sich
Netzhautdurchblutung die Sehschärfe sehr schlecht ist. dadurch eine therapeutische Änderung ergibt.
10 Blutuntersuchung
10.4.6 Diagnostik Das Differentialblutbild hilft hämatologische Erkrankungen
oder myeloproliferative Erkrankungen aufzudecken. Der
Die Diagnose des ZAV ist zusammen mit der Anamnese Hämatokrit-Wert dient der Entscheidung über eine Hämo-
eines plötzlich eintretenden schweren Sehverlustes eine dilutionstherapie. Wichtige Entzündungsmarker sind CRP,
Blickdiagnose, auch wenn gelegentlich eine rasche Re- die Blutsenkungsgeschwindigkeit und das Fibrinogen. Sie
perfusion das Bild verschleiert. Die Suche nach der Ver- sollten vor allem bei Patienten mit ZAV bestimmt werden.
schlussursache bzw. den Risikofaktoren gehört mit zu den Weitere hilfreiche Laborparameter sind Elektrolyte, Kreati-
Hauptaufgaben bei der Behandlung des retinalen arteriel- nin und Harnstoff. Sie liefern wichtige Informationen auf
len Verschlusses und erfordert die enge Zusammenarbeit der Suche nach einer Niereninsuffizienz, Hypertonie und
von Augenarzt, Internist und Neurologen. Diabetes. Eine Fettstoffwechselstörung wurden bei über
einem Drittel der ZAV-Patienten neu aufgedeckt. Die Ba-
Bildgebende Verfahren sisdiagnostik umfasst die Bestimmung von Gesamtcholes-
Farb-Duplexsonographie der Hals- und Kopfgefäße. terin, LDL- und HDL-Cholesterin und Gesamttriglyceride
Bei 20-40% der Patienten mit ZAV liegt eine hämody- nach einer mindestens 12-stündigen Nahrungskarenz.
namisch wirksame Karotisstenose vor, die mit dopp-
lersonographischer Untersuchung nachgewiesen werden
kann. Diese Untersuchung ist auch unverzichtbar, um das Internistische Basisuntersuchungen beim
arteriosklerotische Risiko einzuschätzen. Es gilt die Emp- retinalen arteriellen Verschluss
fehlung, bei allen Patienten mit einem frischen retinalen ▬ Anamnese
arteriellen Verschluss baldmöglichst eine dopplersono- ▬ Körperliche Untersuchung
graphische Untersuchung durchführen zu lassen. ▬ Blutdruckmessung an beiden Oberarmen
▬ Blutbild
Herzechokardiographie und Elektrokardiogramm. ▬ Blutzucker Bestimmung
Zum Ausschluss von Emboliequellen sollte auch immer ▬ Retentionswerte (Harnstoff, Kreatinin)
eine kardiale Abklärung erfolgen. Diese sollten auch ▬ CRP (alternativ: Fibrinogen), BSG
dann durchgeführt werden, wenn schon eine Ursache im ▬ Gesamtcholesterin, LDL- und HDL-Cholesterin,
Bereich der A. carotis gefunden wurde, da gleichzeitig Gesamttriglyceride
Veränderungen im Bereich der A. carotis als auch des ▼
Herzens vorhanden sein können.
10.4 · Retinale arterielle Verschlüsse
229 10

▬ EKG
▬ Transthorakales Herzecho (TTE)

Erweiterte Diagnostik (Die Diagnostik richtet sich


nach Ergebnissen der Basisuntersuchungen und kann
in Abhängigkeit des klinischen Verdachts entspre-
chend erweitert werden)
▬ Glukosetoleranztest
▬ 24-h-RR-Messung
▬ 24-h-EKG
▬ Transösophageales Herzecho (TEE)

Bei Patienten <45 ohne Nachweis von Risiko-


faktoren (fakultativ)
▬ APC-Resistenz, Faktor-II-Mutation und Anti-
phospholipid-Antikörper

⊡ Abb. 10.36 Gesichtsfeld nach Goldmann mit temporal unten er-


Abkürzungen: CRP C reaktives Protein; LDL »low-
haltener Restinsel
density lipoprotein«; HDL »high-density lipoprotein«;
EKG Elektrokardiogramm; APC aktiviertes Protein C

die sublinguale Applikation von Isosorbiddinitrat, das


Gesichtsfeldmessung Einatmen von Kohlendioxid aus der Atemluft und die
Bei arteriellen Verschlusserkrankungen der Netzhaut Beatmung mit Carbogen. Es muss berücksichtigt wer-
empfiehlt sich eine Perimetrie nach Goldmann. Dabei den, dass eine systemische Vasodilatation zu einem Blut-
findet man meist nur eine temporale Restgesichtsfeldinsel druckabfall führen kann, der unter Umständen eine ver-
für die größten Marken (⊡ Abb. 10.36). Bei einem AAV schlechterte Durchblutung der retinalen Arterien nach
oder einem Verschluss einer zilioretinalen Arterie kann sich zieht.
auch ein 30-Grad-Gesichtsfeld zusätzliche Informationen
für den Verlauf erbringen. Hyperbare Sauerstofftherapie. Es gibt zwar retrospek-
tive Daten, die einen Effekt der hyperbaren Sauerstoff-
therapie vermuten lassen, die Therapie in einer Über-
10.4.7 Therapie druckkammer (zweimal tgl. 90 min für 3 Tage) muss
aber innerhalb von 8 Stunden nach Verschluss begonnen
In der Literatur ist eine Vielzahl von Therapien beschrie- werden, erfordert ein erreichbares spezialisiertes Zent-
ben worden. Keiner dieser Behandlungsversuche hat aber rum und ist für viele der meist kranken Patienten nicht
bislang zu einer einheitlichen Therapieempfehlung für geeignet.
Patienten mit frischem, nicht-arteriitischem Arterienver-
schluss geführt. Die unterschiedlichen Behandlungsstra- Senkung des Augeninnendrucks. Der Augeninnendruck
tegien wurden in mehreren Metaanalysen verglichen und kann medikamentös (systemisch oder lokal) oder chirur-
kamen zu der abschließenden Empfehlung, bis zum Vor- gisch (z.B. Parazentese) gesenkt werden. Durch den Druck-
liegen von Daten aus randomisierten Studien Arterien- abfall soll der Widerstand der retinalen Gefäße reduziert
verschlüsse mit einer Kombination aus möglichst wenig und die Durchblutung verbessert werden. Die medikamen-
invasiven Therapien zu behandeln. Mittlerweile gibt es töse Drucksenkung ist Bestandteil der meisten Therapien,
neben einem Cochrane Review zur Behandlung des ZAV obwohl der Effekt nicht erwiesen ist. Die Parazentese führt
Ergebnisse aus einer solchen randomisierten Multizenter- im Akutstadium zu einer schnellen Augendrucksenkung.
studie (EAGLE Studie). Im Vergleich zur medikamentösen Drucksenkung birgt
Die bisher beschriebenen Behandlungsstrategien sie jedoch für das Auge Risiken durch den intraokularen
waren: Eingriff. Endophtalmitis, Blutungen, Iris- oder Linsenver-
letzungen wurden beschrieben. In einer vergleichenden
Vasodilatation. Die lokale Vasodilatation soll den Blut- Studie hatte die Parazentese mit Sauerstoffgabe keinen
fluss am betroffenen Auge verbessern. Dazu gehören Effekt im Vergleich zum Spontanverlauf.
230 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

Mechanische Entfernung oder Dislokation des Em- »Enhanced external counterpulsation« (EECP). Bei
bolus. Hier ist vor allem die Bulbusmassage zu erwäh- dieser nicht invasiven Methode aus dem Bereich der
nen. Die Zuhilfenahme des Kontaktglases ermöglicht Kardiologie werden Manschetten an den Extremitäten
die Fundusbeobachtung während der Behandlung. Die aufgepumpt und unter Beobachtung der Herzfunktion
Massage über 3-5 min ist häufiger Bestandteil von Kom- zu Beginn der Systole der Druck abgelassen. Der systo-
binationstherapien. Ein Embolus kann auch chirurgisch lische Druck sinkt, es treten hämodynamische Änderun-
entfernt werden. Beschrieben wurde die Argon- oder gen auf, die zu einer Reduktion einer kardialen Ischämie
Nd:YAG-Laser-Embolektomie und die chirurgische Em- führen. Die Ergebnisse einer randomisierten Studie ha-
bolektomie. Bei der Behandlung wird das Gefäß an der ben eine erhöhte retinale Perfusion ohne Visusanstieg
thrombosierten Stelle eröffnet und der Embolus in den nachgewiesen.
Glaskörperraum disloziert. Es sind nur wenige Fallbe-
richte publiziert, die Ergebnisse sind uneinheitlich, so- Fibrinolyse. Die Fibrinolyse ist eine etablierte Thera-
dass keine klare Empfehlung abgegeben werden kann. pie bei akutem Myokardinfarkt und beim ischämischen
Die Wirksamkeit der Embolektomie nach Vitrektomie Schlaganfall. Aus den guten Erfahrungen bei diesen
wird derzeit in einer Multizenterstudie geprüft, dessen Krankheitsbildern übertrug man das Prinzip auf die
Ergebnisse abgewartet werden müssen. Therapie des ZAV. Das thrombolytische Medikament
wird intravasal appliziert, entweder systemisch intra-
Hemmung der Thrombozytenaggregration. In Analo- venös oder lokal über einen intraarteriellen Katheter
gie zur Behandlung des Schlaganfalls kann die Thrombo- verabreicht. Es werden unterschiedliche Fibrinolytika
zytenaggregation auch beim retinalen Arterienverschluss verwendet, heute in erster Linie das »recombinant tis-
gehemmt werden. Obwohl keine vergleichbaren Untersu- sue-like plasminogen activator« (rtPA). Eine ebenfalls
chungen für retinale Verschlüsse vorliegen, liegt die Ver- häufig beschriebene Behandlungsform ist sie intrave-
mutung nahe, dass auch bei diesen Patienten das Risiko nöse Fibrinolyse. In einer größeren Fallserie konnte
10 für einen Arterienverschluss am anderen Auge gesenkt gerade bei frischen Verschlüssen bis 6 h einen rele-
werden kann. vanten Visusgewinn beobachtet werden. In einer 2011
publizierten randomisierten Studie (8 Patienten), kam
Blutverdünnung durch Hämodilution und Heparin. es nach intravenöser Fibrinolyse ebenfalls zu besseren
Sowohl die isovolämische Hämodilution als auch die Ergebnissen als in der Kontrollgruppe, allerdings erlitt
Gabe von Heparin sind Bestandteil vieler Kombinati- hierbei einer von 4 behandelten Patienten eine intraze-
onstherapien, so auch des konservativen Behandlungs- rebrale Blutung. Gefürchtete Komplikationen sind der
ansatzes im Rahmen der EAGLE-Studie. Der direkte hämorrhagische Hirninfarkt und die gastrointestinale
Vergleich zwischen Heparin und Hämodilution zeigte Blutung, es wurden in der älteren Literatur auch Todes-
keinen Unterschied bei konsekutiv behandelten Patien- fälle beschrieben. In einer aktuellen Fallserie wurde die
ten mit ZAV. Behandlung mit low-dose rtPA (50 mg) gut vertragen
und zeigte einen möglichen positiven Effekt auf die
Veränderung der Thrombozytenrigidität. Pentoxifyllin Visusentwicklung. Die lokale intraarterielle Lyse zeigte
erhöht die Verformbarkeit der Blutplättchen und soll so in nahezu allen retrospektiven Fallserien vielverspre-
eine bessere Passage durch die Kapillaren ermöglichen chende Ergebnisse. Dabei variierten die Erfolgsquoten
und damit den ischämischen Netzhautschaden redu- von 16% bis 100% in Bezug auf klinische Verbesserung
zieren. In kleinen Fallserien wurde Pentoxifyllin ZAV- bei inhomogener Patientenauswahl und unterschiedli-
Patienten oral verabreicht (zweimal 600 mg), zusätzlich chen Modalitäten der konkreten Durchführung. In der
verglich eine kleine randomisierte kontrollierte Studie EAGLE-Studie (European Assessment Group for Lysis
(n=10) den Effekt von oralem Pentoxyfillin versus Pla- in the Eye) wurde die superselektive intraarterielle Lyse
cebo über einen Zeitraum von 4 Wochen. Der dabei gegen eine konservative Kombinationstherapie bei Pati-
gefundene Unterschied muss bei geringer Patientenzahl enten mit einem weniger als 20 Stunden alten Verschluss
hinterfragt werden. prospektiv, randomisiert untersucht. Bei dieser ersten
randomisierten Studie war die intraarterielle Fibrino-
Systemische Steroide. Mit Hilfe von Kortikosteroiden lyse einer standardisierten konservativen Therapie nicht
soll das gefäßendotheliale Begleitödem im Rahmen des überlegen. In beiden Behandlungsgruppen kam es zu
Verschlusses reduziert werden. Die Therapieschwelle liegt einer fast identischen Visusverbesserung. Allerdings gab
im klinischen Alltag vor allem dann niedrig, wenn keine es in der Gruppe der intraarteriellen Fibrinolyse mehr
klare Abgrenzung zum arteriitischen Arterienverschluss Komplikationen. Die lokale intraarterielle Fibrinolyse
gelingt. kann daher nicht als Standardtherapie empfohlen wer-
10.5 · Okuläres Ischämiesyndrom (OIS)
231 10
den. Einschränkend muss gesagt werden, dass keiner der Fazit für die Praxis
Lysepatienten innerhalb der ersten 4 Stunden und nur Der retinale Arterienverschluss, besonders der Verschluss ei-
wenige innerhalb der ersten 6,5 Stunden behandelt wur- ner Zentralarterie, ist weiterhin eine Erkrankung mit schlech-
den. Es kann demnach keine Aussage über eine Therapie ter Prognose. Eine etablierte Therapie gibt es bisher nicht.
mit intraarterieller Lyse gemacht werden, die innerhalb Das konservative Schema der EAGLE-Studie bietet sich zwar
der ersten Stunden nach Verschluss beginnen würde. zur Behandlung von Patienten mit einer Verschlussdauer
Gegen die Lysetherapie spricht aber auch die längere unter 24 Stunden an, doch reicht die Datenlage nicht aus, um
Vorbereitungszeit. Im Mittel wurden die Lysepatienten zu beurteilen, ob es wirkungsvoller ist als andere Therapien.
2 Stunden später behandelt. Aber selbst wenn sich ein Umso bedeutender sind die adäquate Behandlung und Pro-
Patient sofort nach Verschluss an einer Klinik vorstellt, phylaxe kardiovaskulärer Erkrankungen und die konsequente
sprechen die Nebenwirkungen noch immer gegen die Einstellung der arteriosklerotischen Risikofaktoren. Der be-
inraarterielle Fibrinolyse. handelnde Augenarzt hat hierbei eine wichtige beratende
und begleitende Funktion.
Kombinationstherapien. Die meisten publizierten Be-
handlungsschemata verwenden 3-4 unterschiedliche
Therapien. Der Effekt einer Kombinationstherapie ist 10.5 Okuläres Ischämiesyndrom (OIS)
sehr wahrscheinlich besser, als der Spontanverlauf, es gibt
aber keine vergleichenden Studien. Die Anforderungen J. M. Rohrbach, H. Heimann
an eine Kombinationstherapie wurden bereist formuliert:
sie soll ungefährlich und allgemein verfügbar sein. Bei- Das okuläre Ischämiesyndrom (OIS) ist eine Variante der
spielhaft soll die Kombinationstherapie der konservati- arteriellen Verschlusskrankheiten des Auges. Charakte-
ven Behandlungsgruppe im Rahmen der EAGLE-Studie ristisch ist ein meist einseitiger Befund mit Tortuositas
vorgestellt werden. Hierbei handelt es um das einzige der Venen, Katarakt und ggf. Schmerzen. Die Prognose
konservative Therapieschema, dass unter den Bedingun- ist abhängig vom Ausmaß der Ischämie, aber sehr oft
gen einer prospektiven, randomisierten, multizentrischen schlecht. Bei der Therapie müssen arteriosklerotische Ri-
Studie geprüft wurde, auch wenn der direkte Vergleich sikofaktoren abgeklärt werden und ggf. eine Karotisre-
zum Spontanverlauf bei ZAV fehlt (s. unten folgende konstruktion durchgeführt werden.
Übersicht). Es kam unter dieser Therapie zu einem signi-
fikanten Visusanstieg, der vermutlich dem aus bisherigen
Publikationen abgeleiteten Spontanverlauf überlegen ist. 10.5.1 Definition

Praxistipp I I Der Begriff okuläres Ischämiesyndrom (»ocular ische-


Bisher konnte keine Therapie auf hohem Evidenzni- mic syndrome«, OIS) oder »ischämische Ophthalmopa-
veau nachweisen, dass sie effektiver ist als der Spon- thie« bezeichnet eine Minderperfusion des Auges durch
tanverlauf. Die wichtigste Maßnahme nach arteriellem Stenose oder Verschluss einer das Gehirn versorgenden
retinalen Verschluss ist die internistische und neurolo- Arterie. In den meisten Fällen ist die Arteria carotis in-
gische Risikoabklärung. terna (ACI) betroffen, aber Obstruktionen von Aorta,
Truncus brachiocephalicus, A. carotis communis oder A.
ophthalmica rufen gelegentlich auch ein OIS hervor. Eine
vertebrobasiläre Insuffizienz bei durchgängigen Karotiden
Konservatives Schema der EAGLE-Studie kann zu Veränderungen im Bereich der hinteren Sehbahn
▬ Einmalige Isovolämische Hämodilution, wenn führen, provoziert aber in aller Regel kein OIS. Das OIS
Hämatokrit >40% ist letztendlich die chronische Variante der arteriellen Ver-
▬ Einmalige Bulbusmassage mit dem Kontaktglas schlusskrankheit des Auges. Da eine Pseudo-Uveitis recht
▬ Einmalige Augeninnendrucksenkung intravenös typisch für das OIS ist, wurde früher auch die Bezeich-
mit Acetazomlamid 500 mg und topisch (z.B. Beta- nung »ischämische okuläre Entzündung« vorgeschlagen.
blocker)
▬ Einmalig unfraktioniertes Heparin 5.000 IE intra-
venöse 10.5.2 Einleitung
▬ Niedermolekulares Heparin, gewichtsadaptiert
2-mal tgl. für 5 Tage Die ACI und ihr nachgeschalteter Ast, die A. ophthal-
▬ Acetylsalicylsäure 100 mg für mindestens 6 Monate mica, sind für die arterielle Versorgung des Auges ent-
scheidend. Dementsprechend verursachen Veränderun-
232 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

gen der ACI u. U. Komplikationen am Auge. So können


Partikel (»Hollenhorst-Plaques«) von atheromatösen Lä-
sionen der Karotiswand spontan oder auch im Rahmen
einer Stent-Implantation fortgeschwemmt werden und zu
einer akuten Embolie der A. centralis retinae oder einem
ihrer Äste führen. Die Folgen können Amaurosis fugax
oder ein Zentralarterienverschluss (ZAV) sein.
Mit Doppler-Ultraschallsonographie können athero-
matöse Plaques in der ACI und eine hämodynamisch re-
levante (>50%) Stenose der ACI in 25–33% der Patienten
mit ZAV oder Arterienastverschluss (AAV) nachgewie-
sen werden. »Ausnahmeweise« kann ein ZAV auch durch
eine spontane Dissektion der ACI verursacht werden.
Die seltene Entität der familiären retinalen arteriellen
Tortuosität (fRAT) war zumindest bei einem Patienten mit
einem Karotisaneurysma assoziiert. In einer Studie fand
sich eine Verdickung der ACI-Wand ipsilateral zum Auge
mit einer nicht-arteriitischen anterioren ischämischen Op-
tikusneuropathie (NAION) im Vergleich zur anderen Seite.
Einige Publikationen haben eine Assoziation zwi-
schen Zentralvenenverschluss (ZVV) oder Venenastver-
schluss (VAV) und Veränderungen der ACI gefunden.
Eine unilaterale Stenose der ACI kann eine im Seiten-
10 vergleich größere, glaukomatöse Papillenexkavation trotz
seitengleicher Druckwerte hervorrufen. Wahrscheinlich
ist die ipsilaterale Papille im Falle einer ACI-Obstruktion
wegen der verminderten Perfusion also vulnerabler ge-
genüber einem Glaukomschaden.
Schließlich ist ein verminderter arterieller Blutfluss
in der ACI auch geeignet, eine chronische Ischämie des
gesamten Auges auszulösen mit u. U. sehr ernsthaften,
neovaskulären Komplikationen. Auf die Assoziation zwi-
schen einer Erkrankung der ACI und okulären Sympto- ⊡ Abb. 10.37 MR-Angiographie bei einem symptomatischen Patienten
men inklusive einer Retinopathie wurde erstmals wahr- (mit Amaurosis fugax aber ohne OIS). Der Pfeil zeigt auf die >80%ige
scheinlich von Hollenhorst (1959) hingewiesen. Stenose der linken A. carotis interna. (Mit freundlicher Genehmigung
von Prof. U. Ernemann, Tübingen)

10.5.3 Pathogenese
Ob eine Stenose der ACI zu einem OIS führt, hängt sehr
Die ACI kann eingeengt oder ganz verschlossen sein auf- wahrscheinlich von der Geschwindigkeit ab, mit welcher
grund einer Arteriitis, einer Thrombose, eines Embolus sich die Stenose entwickelt, und von der variablen Anato-
oder, mit Abstand am häufigsten, aufgrund einer Athe- mie der das Gehirn versorgenden Arterien. Da es (außer
rosklerose. Seltene Ursachen für eine Karotisobstruktion bei der A. ophthalmica) normalerweise alternative arte-
sind eine vorausgegangene Strahlentherapie oder ein Tu- rielle Versorgungswege (Anastomosen) gibt, kommt es
mor im Halsbereich, ein Trauma, eine Arteriendissektion selbst beim kompletten Verschluss von einer oder sogar
und ein Skleroderma. zwei großen Hirn versorgenden Arterien nicht zwangs-
läufig zu einem OIS. Bei vielen Patienten sind beide ACI,
Praxistipp I I wenngleich zumeist asymmetrisch, betroffen. Wenn nur
Die Stenose der ACI liegt am häufigsten im Bereich eine ACI obstruiert ist, findet sich das OIS praktisch im-
der Bifurkation, also unmittelbar nach der Teilung der mer ipsilateral.
A. carotis communis in ihren internen und externen Bei einer Stenose der ACI <50% ist eine okuläre Isch-
Ast (⊡ Abb. 10.37). ämie unwahrscheinlich, aber möglich. Das Risiko für ein
OIS liegt umso höher, je weiter die Stenose über 50% des
10.5 · Okuläres Ischämiesyndrom (OIS)
233 10

a
⊡ Abb. 10.38 Unter normalen Umständen
erreicht das Blut das Auge über die A. carotis
interna, die A. ophthalmica und die A. cen-
tralis retinae (orthograder Fluss) (a). Im Falle
einer Carotis-interna-Stenose erfolgt eine
Umschichtung von Blut in den Carotis-exter-
na-Kreislauf. Über präformierte Anastomosen
kann dieses Blut in die A. ophthalmica fließen
und so zu einer Strömungsumkehr in diesem
und vorgeschalteten Gefäßen wie der A. su-
b
pratrochlearis führen (retrograder Fluss). Eine
Perfusion der A. ophthalmica in umgekehrter
Richtung kann einen »steal effect« bewirken
und der A. centralis retinae Blut entziehen
(b). Wenn der Zufluss zur A. ophthalmica so-
wohl vom Carotis-interna- wie auch vom Ca-
rotis-externa-Gebiet gering und annähernd
gleich ist, kommt es u. U. zu einem Sistieren
des Blutflusses in der A. ophthalmica und der
A. centralis retinae (»Null-Fluss«) (c) (Graphik:
c R. Hofer, Universitäts-Augenklinik Tübingen)

Lumens liegt. Bei den meisten Patienten mit OIS beträgt dass es im Falle eines retrograden Flusses in der A. oph-
die Stenose 80% und mehr. Je stärker die ACI stenosiert thalmica analog einem Wasserstrahl-(Vakuum-)Pumpen-
ist, umso mehr Blut fließt in die A. carotis externa (ACE) Effekt zu einem »steal-effect« im Bereich der A. centralis
und ihre Äste. Das Blut nimmt unter normalen Umstän- retinae kommen kann (»Minus-Fluss«), was die retinale
den den Weg (orthograder Fluss, ⊡ Abb. 10.38a): Ischämie verstärkt (⊡ Abb. 10.38b). Wenn sowohl im in-
1. A. carotis communis neren (aus der ACI) als auch im äußeren Bereich der
2. A. carotis interna A. ophthalmica (aus der ACE) nur ein geringer und
3. A. ophthalmica (Auge) annähernd gleicher Blutfluss besteht, kann die Blutsäule
4. A. supratrochlearis in der A. ophthalmica weitgehend stehen (»Null-Fluss«),
was ebenfalls eine erhebliche retinale Minderperfusion
Bei einer stärkeren Stenose der ACI nimmt das Blut den bedeutet (⊡ Abb. 10.38c).
Weg (retrograder Fluss): Die chronische Ischämie führt zur Freisetzung ver-
1. A. carotis communis schiedener Wachstumsfaktoren wie »vascular endothelial
2. A. carotis externa growth factor« (VEGF) oder »insulin-like growth factor«
3. A. facialis (IGF) 1 und 2, wodurch dann die neovaskuläre Kaskade
4. A. supratrochlearis (und andere extra-intrakranielle in Gang gesetzt wird.
Anastomosen)
5. A. ophthalmica
6. A. carotis interna 10.5.4 Epidemiologie

Die Strömungsumkehr im Bereich von A. supratrochlea- Stenosen der Karotiden treten gewöhnlich im höheren
ris und A. ophthalmica ist ganz typisch für das OIS und Lebensalter auf und betreffen Männer deutlich häufiger
dopplersonographisch gut verifizierbar. Es wird vermutet, als Frauen (m:w=2–7:1). Die meisten Patienten mit OIS
234 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

sind zwischen 60 und 70 Jahre alt. Männer haben etwa


2- bis 3-mal häufiger ein OIS als Frauen.
Etwa 5–10% aller Patienten mit einer signifikanten
Stenose der ACI (>90%) entwickeln ein OIS, in einer
Studie sogar 20% der Patienten mit ausgeprägter Stenose
der ACI.
Auf das OIS entfallen etwa 5% aller okulären arteri-
ellen Durchblutungsstörungen, einschließlich Amaurosis
fugax.
! Cave!
Das primär nicht betroffene Auge unterliegt
einem signifikant erhöhten Risiko, auch einen
Funktionsverlust durch Ischämie zu erleiden.

10.5.5 Symptomatik und klinisches Bild/


Diagnose
⊡ Abb. 10.39 Fundusveränderungen bei einem Patienten mit OIS. Er-
weiterte, nur leicht geschlängelte Venen und intraretinale Blutungen
Das OIS manifestiert sich gewöhnlich unilateral und ip- insbesondere in der mittleren Peripherie (venöse Stase-Retinopathie).
silateral zur verengten ACI, kann aber auch bilateral vor- Bei diesem Patienten keine Cotton-wool-Herde und keine Neovasku-
kommen, insbesondere wenn beide ACI stenosiert sind. larisationen
Das klinische Bild ist insgesamt recht typisch, wenngleich
10 variabel. Es hängt letztendlich von Ausmaß und Dauer
der arteriellen Unterperfusion ab. Die Symptome entwi- men eines OIS vor. Die Ischämie des vorderen Segments
ckeln sich meist langsam. Allerdings gehen nicht selten geht typischerweise einher mit
akute Attacken von Amaurosis fugax dem chronischen ▬ einer Pseudo-Uveitis als Folge einer Störung der
Syndrom voraus. Die Amaurosis fugax sistiert, wenn die Blut-Kammerwasser-Schranke,
ACI komplett verschlossen ist, da bei fehlendem Blutfluss ▬ einer sich schnell entwickelnden Katarakt auf Grund
keine Abschwemmung von Emboli erfolgen kann. der Entzündung und der Malnutrition der Linse,
▬ Defekten des Iris-Pigmentepithels,
! Cave!
▬ eingeschränkter Pupillenfunktion,
Nach spontaner oder therapeutischer Wiederer-
▬ kornealem Ödem trotz normalen Augendrucks als
öffnung der ACI kann es zu einer Embolisation der
Folge einer endothelialen Dysfunktion,
A. ophthalmica oder der A. centralis retinae kommen.
▬ Dilatation konjunktivaler und vor allem episkleraler
Gefäße, d.h. einem »roten Auge« (⊡ Abb. 10.41).
Venöse Stase-Retinopathie
Das OIS beginnt mit der »venösen Stase-Retinopathie« Wegen der Minderperfusion des Ziliarkörpers ist der Au-
(»venous stasis retinopathy«) als Fundusveränderung mit gendruck, vor allem anfangs, nicht selten herabgesetzt.
erweiterten retinalen Venen, Mikroaneurysmen, intrare- Später kommt es in der Regel zu einer massiven Rubeosis
tinalen Blutungen, fokalen Neovaskularisationen und re- iridis, die ihrerseits einen sekundären Winkelblock und
duziertem Druck in den Netzhautarterien (⊡ Abb. 10.39). so ein neovaskuläres Glaukom auslöst, welches dann das
Cotton-wool-Herde, ein retinales (makuläres) Ödem und korneale Ödem verstärken kann. Interessanterweise ist die
enge arterielle Gefäße komplettieren das Vollbild. Rubeosis nicht selten sehr stark ausgeprägt, obwohl die
Im Gegensatz zur diabetischen Retinopathie und zum Fundusveränderungen eher milde sind (lokalisierte Isch-
ZVV finden sich die Veränderungen beim OIS bevorzugt ämie des vorderen Segments). Das Auge mit OIS ist in bis
in der mittleren Fundusperipherie. zu 40% der Fälle – selbst bei normalem Augeninnendruck
– schmerzhaft (»okuläre Angina«). Die visuelle Funktion
Typische Symptome beim OIS geht allmählich, mitunter aber auch akut verloren.
Eine Neovaskularisation an der Papille oder in der Netz- Die Fluoreszeinangiographie des Fundus kann bei der
haut ist bei 13–33% der Patienten mit OIS zu sehen. Ein Diagnose hilfreich sein. Sie zeigt beim OIS in der Regel
ZAV, eine NAION und andere neuro-ophthalmologische Areale choroidaler oder retinaler Ischämie. Der Austritt
Zeichen wie z. B. ein Horner-Syndrom kommen im Rah- von Farbstoff weist auf eine Undichtigkeit ehemals nor-
10.5 · Okuläres Ischämiesyndrom (OIS)
235 10

a b

c d

e f

⊡ Abb. 10.40 58-jähriger Patient, Rubeosis iridis ohne Tensioerhöhung führte zur Vorstellung, Visus 0,5, geringer Vorderkammer-Reiz. Fundusko-
pisch Mikroaneurysmen (a), in der Fluoreszeinangiographie inhomogene Aderhautfüllung (b), deutlich verzögerte Aderhautfüllung (c), deutlich
verzögerte Füllung der Netzhautgefäße (>100 s) (d), deutlich verzögerte arteriovenöse Übergangszeit (e), diffuses Makulaödem (f). In der veran-
lassten Carotis-Doppler hochgradige ipsilaterale Karotisstenose
236 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

⊡ Abb. 10.41 Vorderes Segment eines Auges mit fortgeschrittenem


OIS. »Rotes Auge«, entrundete Pupille und massive Rubeosis iridis,
welche ein Neovaskularisationsglaukom hervorgerufen hatte

maler oder neugebildeter, defekter Gefäße hin. Die arte-


riovenöse Passagezeit ist verlängert. Der ophthalmodyna-
mometrisch gemessene diastolische Kollapsdruck in der
A. centralis retinae ist in betroffenen Augen vermindert.
Beim OIS ist oft auch die okuläre Adnexe, dabei vor
allem die Orbita, mit beteiligt.
10
! Cave!
Ungefähr 10–20% der Patienten mit OIS äußern keine
subjektiven Symptome zum Zeitpunkt der Diagnose.

Licht-induzierte Amaurose
⊡ Abb. 10.42 Mittelperiphere Netzhaut eines Auges, das wegen
Eine seltene und ungewöhnliche Manifestationsform des
einer OIS enukleiert wurde. Ausgeprägte Blutungen vor allem in der
OIS ist die Licht-induzierte Amaurose (LIA). Hierbei sind inneren Retina. H&E-Färbung
durch retinale und choroidale Ischämie unterversorgte
Photorezeptoren nicht mehr in der Lage bei Helligkeit
(»Photostress«) genügend Photopigment zu regenerieren.
Patienten mit LIA berichten über einen schmerzlosen
Visusverlust ohne Photophobie bei Blick in eine helle
Lampe oder die Sonne. Das Auftreten der LIA ist in der
Regel weniger akut als bei der Amaurosis fugax. Zur
LIA passend, haben einige Autoren bei Patienten mit
OIS über eine verzögerte Rückkehr des Visus auf den
Ausgangswert nach starker Licht-Exposition (»makulärer
Photostress-Test«) berichtet.

Histologische Befunde
Es gibt nur wenige histologische Untersuchungen über
Augen mit OIS. Diese Studien bestätigten die spaltlam-
penmikroskopisch und fundusskopisch sichtbaren Be- ⊡ Abb. 10.43 Kammerwinkel eines Auges, das wegen eines the-
funde (⊡ Abb. 10.42, ⊡ Abb. 10.43). rapieresistenten Neovaskularisationsglaukoms bei OIS enukleiert
Darüber hinaus wurden eine Rarefizierung der Gan- werden musste. Massive Neovaskularisation (Pfeile), welche für eine
Verklebung der Iris mit der Descemetschen Membran (Asterisk) und
glien- und Bipolarzellen, eine Degeneration der Pars pli-
damit für einen sekundären Winkelblock gesorgt hat. Das Trabekel-
cata des Ziliarkörpers und lymphozytäre Infiltrate um maschenwerk ist oberhalb des rechten, oberen Bildrandes zu denken.
die Zentralgefäße im Sehnervenkopf herum in einigen Die Rubeosis bei OIS unterscheidet sich histologisch nicht von der
Augen beobachtet (⊡ Abb. 10.44). Rubeosis iridis anderer Genese. PAS-Färbung
10.5 · Okuläres Ischämiesyndrom (OIS)
237 10
10.5.6 Differentialdiagnose

Die Differentialdiagnose umfasst beinahe alle ischämi-


schen Retinopathien des älteren Menschen. Die diabe-
tische Retinopathie, die Retinopathie im Rahmen der
arteriellen Hypertonie und die HIV-Retinopathie sind
in aller Regel bilateral und nicht, wie die Retinopathie
bei OIS, einseitig. Die Fundusveränderungen beim OIS
ähneln mitunter jenen beim ZVV, obwohl die Venen nur
wenig oder gar nicht geschlängelt sind und die Blutungen
bevorzugt in der mittleren Peripherie (und nicht wie
beim ZVV am hinteren Pol) lokalisiert sind.
⊡ Abb. 10.44 A. und V. centralis retinae im Bereich des Sehnerven-
! Cave!
kopfes bei einem enukleierten Auge mit OIS. Lymphozytäre Infiltrate
um die Gefäße herum im Sinne einer Perivaskulitis
Die Pseudo-Uveitis beim OIS kann u. U. als nicht-gra-
nulomatöse anteriore Uveitis fehlgedeutet werden.

Gefäßuntersuchungen
Ist ein OIS zu vermuten, müssen die Karotiden sowie 10.5.7 Therapie
die Aa. vertebrales und die A. basilaris untersucht wer-
den. Dieses geschieht bevorzugt mit einer farbkodierten Die kausale Therapie des OIS besteht prinzipiell in der
Dopplersonographie. Wiederherstellung eines normalen Blutflusses in der ACI
(oder der betroffenen sonstigen Arterie). Dennoch ist die
! Cave!
Sinnhaftigkeit der Stenosebeseitigung beim OIS nicht ganz
Etwa 70% aller Patienten haben noch keine Gefäß-
unumstritten. Generell ergibt sich die Indikation für die Ka-
ultraschalluntersuchung zum Zeitpunkt der Diagnose
rotisbehandlung weniger aus der okulären Ischämie als viel-
des OIS erhalten. Zeigt sich eine Stenose oder gar ein
mehr zur Prävention eines (u. U. tödlichen) Schlaganfalls.
Verschluss einer oder mehrerer Hirn versorgender
Symptomatische Stenosen mit >50% und asymptoma-
Arterien, sollte mittels MRT ein älterer oder frischere
tische Stenosen mit >70% Lumeneinengung werden be-
Hirninfarkt ausgeschlossen werden. Die Morphologie
vorzugt interdisziplinär (Neuro-Radiologie/Neurologie/
der Arterie kann mit einer MR-Angiographie (MRA)
Gefäßchirurgie) mittels endovaskulärer, Stent-gestützter
weiter abgeklärt werden (⊡ Abb. 10.37).
Angioplastie behandelt, da dieses Verfahren für die Patien-
ten im allgemeinen weniger invasiv ist als die Chirurgie ab
Risikofaktoren und internistische externo. Die Carotis-Endarterektomie (CEA) hat ganz ähn-
Untersuchung liche Erfolgsraten (bezüglich der Verhinderung von Schlag-
Da die Atherosklerose mit Abstand der führende Grund anfall bzw. Tod) und eine vergleichbare Morbidität wie das
für die Gefäßobstruktion ist, finden sich die Risikofak- Stenting. Einige Studien berichteten sogar über eine ge-
toren für die Atherosklerose auch bei der Mehrzahl der ringere Häufigkeit von Schlaganfall und Tod bei Patienten
Patienten mit ischämischer Ophthalmopathie. Bei diesen nach CEA im Vergleich mit dem Stenting und empfehlen
Faktoren handelt es sich vor allem um das Rauchen, die die CEA als Therapie der Wahl bei der Mehrzahl der Pati-
arterielle Hypertonie, den Diabetes mellitus sowie die enten mit symptomatischer ACI-Stenose von >70%.
Hyperlipidämie.
! Cave!
Eine schnelle Wiederherstellung des Blutflusses
Praxistipp I I in den Karotiden führt nicht selten zu einer aku-
Die internistische Untersuchung der Patienten mit OIS ten Dekompensation des Augendruckes, da die
sollte zumindest ein komplettes Blutbild, eine Bestim- Kammerwassersekretion durch den Ziliarkörper
mung des C-reaktiven Proteins, der Blutsenkungsge- erheblich gesteigert wird, während der Abfluss
schwindigkeit, des Blutzuckers und der Blutfette sowie kompromittiert bleibt.
eine Blutdruckmessung umfassen.
Üblicherweise wird eine Therapie mit 100 mg ASS pro
Tag empfohlen. Die Atherosklerose-Risikofaktoren soll-
Andere Serumassays (wie z.B. Autoimmunparameter) ten so weit wie möglich vermindert bzw. eliminiert wer-
können unter bestimmten Bedingungen indiziert sein. den. Wurde die ACI durch eine andere Erkrankung (z.B.
238 Kapitel 10 · Verschlusserkrankungen

eine Arteriitis) hervorgerufen, so ist diese spezifisch zu Patienten mit OIS leiden unter einer koronaren Herz-
therapieren. krankheit, 25% haben einen Schlaganfall erlitten und
20% haben eine klinisch signifikante periphere arterielle
Ophthalmologische Therapie Verschlusskrankheit. Das Risiko, innerhalb von 5 Jahren
Die ophthalmologische Therapie des OIS ist schwierig und zu versterben, liegt mit OIS bei 40%, in einer alterskor-
oft enttäuschend. Es gibt Hinweise, dass eine Beseitigung relierten Kontrollgruppe ohne OIS dagegen nur bei 11%,
der ACI-Stenose durch CEA die arterielle Versorgung des wobei der Herzinfarkt als Todesursache deutlich vor dem
Auges verbessert und wieder einen orthograden Fluss in Schlaganfall führt. Dieses bedeutet, dass das OIS eine
der A. ophthalmica herstellen kann. Bei einigen Patienten prinzipiell lebensbedrohende Erkrankung ist, sodass der
besserten sich die OIS-bedingten Veränderungen oder sie Augenarzt nicht nur für das betroffene und das noch
verschwanden sogar komplett nach erfolgreicher CEA. gesunde Auge zu sorgen hat. Er kann bei rechtzeitiger
Dennoch ist die Heilung der OIS-Manifestationen allein Erkennung und Behandlung das Leben des Patienten
durch Karotischirurgie die Ausnahme, zumindest in fort- verlängern helfen!
geschritteneren Stadien. Liegen ausgedehnte avaskuläre
Areale vor, sind eine panretinale Photokoagulation (PRP) Fazit für die Praxis
oder eine Kryokoagulation indiziert. Die Wirksamkeit ▬ Das okuläre Ischämiesyndrom (OIS) stellt die chronische
der PRP beim OIS ist allerdings nicht allgemein akzep- Variante der arteriellen Verschlusskrankheit des Auges
tiert. Zumindest in einzelnen Fällen ist eine Regression dar. Es wird üblicherweise hervorgerufen durch eine hä-
der Rubeosis iridis nach PRP feststellbar. Liegen eine modynamisch wirksame (>70%), ipsilaterale Stenose der
Glaskörperblutung oder eine traktive Netzhautablösung A. carotis interna (ACI) auf atherosklerotischer Grundlage.
vor, kann eine Pars-plana-Vitrektomie (mit schlechter Die Ischämie des Auges führt zur lokalen Überproduktion
Prognose) indiziert sein. Intravitreale Injektionen eines von Wachstumsfaktoren (vor allem VEGF) und so zu neo-
Kortikosteroids kommen bei ausgewählten Patienten vaskulären Komplikationen.
10 insbesondere bei erniedrigtem Augendruck in Betracht. ▬ Das meist einseitige klinische Bild ist charakteristisch. Es
VEGF-Blocker wie Avastin sind beim OIS wahrscheinlich umfasst erweiterte und dabei nur wenig geschlängelte
wirksam, auch wenn Untersuchungen mit größerer Pati- retinale Venen, mittelperiphere Netzhautblutungen,
entenzahl noch ausstehen. Bei 3 Patienten mit OIS führte verengte Netzhautarterien, fokale Neovaskularisationen
die intravitreale Injektion von 1,25 mg Bevacizumab zu und manchmal Cotton-wool-Herde (»venöse Stase-
einer geradezu dramatischen Rückbildung der Rubeosis, Retinopathie«), darüber hinaus eine Pseudo-Uveitis, eine
und bei einem Patienten besserte sich das Makulaödem. sich schnell entwickelnde Katarakt, ein »rotes Auge« und
Allerdings zeigte sich kein positiver Effekt auf die Druck- nicht selten Schmerzen. Das Neovaskularisationsglaukom
lage oder die Sehschärfe. Der erhöhte Augendruck wird stellt eine typische und gravierende Komplikation dar.
zunächst konservativ behandelt. ▬ Die Prognose des OIS ist sehr oft schlecht. Die Therapie
zielt auf die Veränderungen des Auges, vor allem aber
! Cave!
auf die atherosklerotischen Risikofaktoren und die Obst-
Pilokarpin und Prostaglandinanaloga sollten nicht
ruktion der ACI ab, um eine Affektion des zweiten Auges
verwendet werden, da sie die Entzündung ver-
zu verhindern und das Risiko für einen nicht selten tödli-
stärken können.
chen Schlaganfall oder Herzinfarkt zu vermindern.
Gelingt eine ausreichende Drucksenkung medikamentös
nicht, bleiben die zyklodestruktiven Verfahren, die Tra-
bekulektomie mit Mitomycin C oder auch ein Glaukom- Literatur
Implantat ( Kap. 6, Rubeotisches Sekundärglaukom). Die
Pseudo-Uveitis spricht in der Regel nur schlecht auf Kor- z Literatur zu Abschnitt 10.1
tikosteroide an. Bei Patienten mit auf andere Weise nicht Arséne S, Delahousse B, Regina S, Le Lez M-L, Pisella P-J, Gruel
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10
11

Gefäßabnomalien

11.1 Makuläre Teleangiektasien 11.4 Wyburn-Mason-Syndrom – 275


und Lebersche Miliaraneurysmen- A. Wessing, A. Lommatzsch
retinitis – 244 11.4.1 Historie – 275
M. Zeimer, B. Padge, D. Pauleikhoff 11.4.2 Klinisches Bild – 276
11.1.1 Geschichte – 244 11.4.3 Fluoreszenzangiographie (FAG) – 277
11.1.2 Klassifizierung, klinisches Bild 11.4.4 Differentialdiagnose – 278
und klinischer Verlauf – 244 11.4.5 Natürlicher Verlauf – 278
11.1.3 Elektronmikroskopische und 11.4.6 Histopathologie – 278
lichtmikroskopische Verände- 11.4.7 Begleitsymptome – 278
rungen – 248 11.4.8 Genetik – 279
11.1.4 Natürlicher Verlauf – 249 11.4.9 Therapie – 279
11.1.5 Assoziation mit systemischen
11.5 Retinale arterielle Makroaneurysmen
Erkrankungen und Differential-
(RAM) – 280
diagnose – 249
S. Bopp
11.1.6 Therapie – 250
11.5.1 Definition – 280
11.2 Morbus Coats – 251 11.5.2 Einleitung – 280
A. Schüler, N. Bornfeld 11.5.3 Pathomorphologie und
11.2.1 Einleitung – 251 Pathogenese – 280
11.2.2 Pathogenese – 251 11.5.4 Epidemiologie/Risikofaktoren – 281
11.2.3 Klassifikation – 251 11.5.5 Symptomatik und klinisches Bild/
11.2.4 Differentialdiagnose – 253 Diagnose – 281
11.2.5 Diagnostik – 255 11.5.6 Differentialdiagnose – 288
11.2.6 Therapie – 255 11.5.7 Therapie – 289
11.5.8 Prognose/Schlussbemerkungen – 297
11.3 Familiär exsudative
Vitreoretinopathie – 257 Literatur – 298
A. M. Joussen, W. Berger
11.3.1 Definition – 257
11.3.2 Einleitung – 258
11.3.3 Epidemiologie und Genetik – 258
11.3.4 Pathogenese – 260
11.3.5 Symptomatik und klinisches Bild/
Diagnose – 264
11.3.6 Klinische Differentialdiagnose – 267
11.3.7 Therapie – 270
11.3.8 Prognose/Schlussbemerkungen – 273

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_11,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
244 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

Okuläre Gefäßanomalien sind nicht-proliferative vaskuläre ▬ Typ I: Oft auch als Lebersche Miliaraneurysmenreti-
Veränderungen retinaler Gefäße. Auf Grund der pathologi- nitis oder als »zentraler Morbus Coats« bezeichnet.
schen Gefäßwandausbildung kann es zu Aussackungen im Hauptsächlich sind männliche Patienten betroffen.
Sinne von Aneurysmata kommen, die im Kapillarbereich bei Hier imponieren einseitig meist temporal der Fovea
den parafovealen Teleangiektasien oder beim Morbus Coats mehr oder weniger große Areale mit umschriebenen
zu finden sind oder im Bereich großer Gefäße als retinale Ma- teleangiektatisch erweiterten Gefäßen mit abnorma-
kroaneurysmen auftreten. Abnorme Shuntgefäße finden sich ler Leckage der Kapillaren.
beim Wyburn-Mason-Syndrom und können in unterschiedli- – Typ I A: sichtbare exsudative idiopathische juxtafo-
chen Ausprägungsgraden auftreten. Eine häufig zu findende veoläre retinale Teleangiektasien mit Lipidexsudaten
Gefäßpathologie ist eine abnorme Durchlässigkeit der Gefäß- >1 Papillendurchmesser. Häufig geringe bis keine
wand für Proteine und Lipide, die sich im Netzhautgewebe subjektive Visusbeeinträchtigung (⊡ Abb. 11.1).
ablagern. Diese Exsudationen sind insbesondere beim Mor- – Typ I B: sichtbare exsudative idiopathische juxtafo-
bus Coats, der familär exsudativen Vitreoretinopathie, aber veoläre retinale Teleangiektasien <1 Papillendurch-
auch bei Unterformen der makulären Teleangiektasien zu messer. Kleinere Ausdehnung, keine Lipidexsudate.
finden. Durch die Analyse der Gefäßanomalien hat die gene- Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um eine
tischen Determinanten von Gefäßpathologien identifizieren milde Form des Typ I A. (⊡ Abb. 11.2)
können. Inwieweit dieses Wissen in zukünftigen Therapiever- ▬ Typ II: Dieses Bild wurde von D. Gass als idiopathische
fahren Einfluß haben wird, muss abgewartet werden. parafoveoläre bilaterale Teleangiektasien beschrieben.
Hier findet sich eine bilaterale Ausprägung von Gefäß-
veränderungen meist temporal der Fovea. Es kommt zu
11.1 Makuläre Teleangiektasien und einem Staining des Farbstoffs mit nur minimaler Exsu-
Lebersche Miliaraneurysmenretinitis dation in der Spätphase der Fluoreszenzangiographie.
Im Krankheitsverlauf kann es zu retinalen Pigmentepi-
M. Zeimer, B. Padge, D. Pauleikhoff thelproliferationen und/oder der Entwicklung sekun-
därer subretinaler Neovaskularisationen kommen.
11 11.1.1 Geschichte – Typ II A: nichtexsudative bilaterale idiopathische
juxtafoveoläre retinale Teleangiektasien (⊡ Abb. 11.3)
Idiopathische juxtafoveoläre retinale Teleangiektasien – Typ II B: juvenile okkulte familiäre idiopathische
(IJRT) wurden von Gass und Oyakawa 1982 unter Ver- juxtafoveoläre retinale Teleangiektasien
wendung biomikroskopischer und fluoreszenzangiogra- ▬ Typ III: Okklusive idiopathische juxtafoveoläre reti-
phischer Untersuchungsergebnisse beschrieben. Diese nale Teleangiektasien führen zu sichtbaren Telean-
Klassifikation wurde von Gass und Blodi 1993 aktualisiert. giektasien, parafoveolären Kapillarokklusionen und
Sie unterteilten die IJRT in 3 Typen. Als charakteristisch minimaler Exsudation. Visusabfall hauptsächlich
wurden für Typ I einseitig dilatierte retinale Kapillaren durch Okklusion und nicht durch Exsudation be-
mit abnormer Exsudation in der Fluoreszenzangiographie, dingt. Es kommt zur Vergrößerung der zentralen Ka-
für Typ II kapilläre Diffusionsanomalien und für Typ III pillarfreien Zone auf mehr als 1 Papillendurchmesser.
Kapillarokklusionen beschrieben (⊡ Tab. 11.1). Yannuzzi et Ob die Teleangiektasien Ursache oder Folge der Ok-
al. vereinfachten die Klassifikation von Gass und Blodi klusionen sind, ist unbekannt.
weiterhin und unterteilten des Krankheitsbild in 2 Haupt- – Typ III A: okklusive idiopathische juxtafoveoläre
typen (Typ I, aneurysmatische Teleangiektasie, und Typ II, retinale Teleangiektasie ohne Vaskulopathie des
perifoveoläre Teleangiektasie). Typ III, die okklusive Te- Zentralnervensystems
leangiektasie, wurde in diese Klassifikation nicht mit auf- – Typ III B: okklusive idiopathische juxtafoveoläre re-
genommen wegen der Seltenheit ihres Auftretens und der tinale Teleangiektasie mit Vaskulopathie des Zent-
Tatsache, dass Kapillarokklusionen mehr als das Auftreten ralnervensystems
von Teleangiektasien dieses Krankheitsbild kennzeichnen.
Da die makulären Teleangiektasien vom Typ I und IIA
am häufigsten und klinisch relevantesten sind, seien sie
11.1.2 Klassifizierung, klinisches Bild und im Folgenden näher dargestellt.
klinischer Verlauf
Makuläre Teleangiektasie Typ I:
Klassifizierung Klinisches Bild und Verlauf
Die folgende Klassifikation wurde von Gass und Blodi Die makulären Teleangiektasien vom Typ I (Typ IA:
1993 vorgenommen: ⊡ Abb. 11.1a,b, Typ 1B: ⊡ Abb. 11.2a,b) imponieren kli-
11.1 · Makuläre Teleangiektasien und Lebersche Miliaraneurysmenretinitis
245 11

⊡ Tab. 11.1 Zusammenfassung der Befunde bei idiopathischen juxtafoveolären retinalen Teleangiektasien

Typ Anzahl Lokalisation Visus Mittleres Alter [Jahre] Geschlecht Charakteristikum


IA 31 Unilateral (97%) 20/40 37 Männl. Leckage
IB 8 Unilateral (88%) 20/20 42 Männl. Leckage
II A 92 Bilateral (98%) 20/40 55 Keine Geschlechtswendigkeit Diffusion↓
II B 2 Bilateral (100%) 20/70 11 Diffusion↓
III A 3 Bilateral (100%) 20/25 53 Okklusion
III B 4 Bilateral (100%) 20/50 42 Okklusion

a b

⊡ Abb. 11.1 Typ I A IJRT. Biomikroskopische (a) und fluoreszenzangiographische Befunde (b). Erhöhte Permeabilität der Gefäße mit seröser
Exsudation (b) und umgebend intraretinale Lipidablagerungen (a). (Aus Pauleikhoff D, Padge B 2007)

a b

⊡ Abb. 11.2 Typ I B IJRT. Biomikroskopische (a) und fluoreszenzangiographische Befunde (b): Typ I B unterscheidet sich vom Typ I A primär in
der Läsionsgröße. (Aus Pauleikhoff D, Padge B 2007)
246 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

11

⊡ Abb. 11.3 Typ II A IJRT. Biomikroskopische (a) und fluoreszenzangio-


graphische Befunde: Im Stadium 1-3 zeigen sich klinisch eine Abnahme
der Netzhauttransparenz temporal der Fovea (a) sowie kristalline Abla-
gerungen, angiographisch finden sich temporal der Fovea teleangiek-
tatische Gefäße (b), in der Spätphase hieraus eine diffuse Hyperfluores-
zenz (c). Im Stadium 4 ist eine plaquoide Pigmentepithelproliferation
sichtbar (d), im Stadium 5 eine subretinale Neovaskularisation neben
f
Teleangiektasien (e,f). (Aus Pauleikhoff D, Padge B 2007)
11.1 · Makuläre Teleangiektasien und Lebersche Miliaraneurysmenretinitis
247 11
nisch durch Mikroaneurysmen meist temporal der Fovea, Typische Befunde im OCT sind eine relativ zum Nor-
aber auch diese mit einbeziehend, die sich im Fluoreszen- malbefund reduzierte Netzhautdicke besonders temporal
zangiogramm früh anfärben und eine deutliche Leckage der Fovea, wobei die äußeren Netzhautanteile degenerativ
auf den Spätaufnahmen zeigen. In diesem Areal findet verdünnt zu sein scheinen. Ferner sind bei fortgeschrit-
sich klinisch und im OCT eine ödematös verdickte Netz- teneren Krankheitsverläufen häufig höhlenartige zysten-
haut (intraretinales Netzhautödem) und im Randbereich artige Hohlräume zu erkennen, die sich aber angiogra-
der ödematösen Netzhaut zusätzlich Lipidablagerungen. phisch nicht anfärben lassen und die inneren wie auch die
Bei Einbeziehung der Fovea ist der Visus unterschiedlich äußeren Netzhautschichten betreffen können. Es scheint
stark vermindert. zudem trotz der genannten generellen Verdünnung der
Netzhaut ein geringes intraretinales Ödem zu bestehen,
Makuläre Teleangiektasie Typ IIA: Klinisches das durch Anti-VEGF-Therapien beeinflussbar ist.
Bild und Verlauf In der konfokalen Bluelight-Reflectance-Untersu-
Der TypII A stellt den klinisch relevantesten und häu- chung (HRA2; Heidelberg Engineering) zeigt sich eine
figsten Typ der idiopathischen juxtafoveolären retina- parafoveoläre Region mit erhöhter Reflektivität, die et-
len Teleangiektasien dar. Anders als bei Typ I gibt es was größer ist als das Areal der Hyperfluoreszenz in der
hier keine Geschlechtswendigkeit. Zudem wird die Dia- Spätphase der Fluoreszenzangiographie. Diese Region
gnose meist im fünften Lebensjahrzehnt und damit etwa umfasst ein querovales Parafoveolarareal, teilweise unter
20 Jahre nach der des Typ I gestellt. Typischerweise findet Aussparung einzelner Sektoren. Inwieweit diese rotfreien
sich eine bilaterale Symmetrie mit in biomikroskopi- Reflexbilder bereits frühzeitige und vor den sekundären
schen Untersuchungen schwer erkennbaren teleangiek- Gefäßveränderungen eintretende, krankhaft bedingte
tatischen Gefäßen in der temporalen Hälfte der Fovea. makuläre Gewebsveränderungen darstellen können, muss
Das Erscheinungsbild der Netzhaut zeigt bei diesem in weiteren Studien noch geklärt werden.
Krankheitsbild häufig eine verminderte Netzhauttranspa- Bei Patienten mit idiopathischen makulären Telean-
renz(⊡ Abb. 11.3a). Auch kommt es gelegentlich zum Auf- giektasien Typ II A weicht die Verteilung des Makula-
treten von Kristallen in den inneren Netzhautschichten. pigments (MP) stark ab von der gesunder Personen. Die
MP-Analysen (modifizierter HRA1; Heidelberg Enginee-
Praxistipp I I ring) zeigen verschiedene Stadien der Veränderungen des
Häufig sind jedoch die für diese Erkrankungen typi- MP-Verteilungsmusters: In einem frühen Stadium scheint
schen Veränderungen in den frühen Stadien biomi- zunächst die zentrale Ansammlung von MP ähnlich wie
kroskopisch schwer erkennbar. Aus diesem Grunde beim Gesunden noch vorhanden zu sein, es imponiert
kommt der Bildgebung, insbesondere der Fluores- jedoch im Bereich der in der Früh- und Spätphase der
zenzangiographie (⊡ Abb. 11.3b,c), der konfokalen Fluoreszenzangiographie auffälligen temporalen juxtafo-
Bluelight-Reflectance-Untersuchung, der Autofluores- veolären Region eine segmentale relative MP-Reduktion.
zenzuntersuchung sowie der Untersuchung der Vertei- Dieses Areal der relativen juxtafoveolären MP-Reduktion
lung des makulären Pigments bei der Diagnose dieses scheint sich mit Fortbestehen der Erkrankung zu ver-
Krankheitsbilds eine wichtige Bedeutung zu. größern, sodass es allmählich zum Verschwinden der
zentralen MP-Ansammlung und letztendlich zu einer
scheibenförmigen relativen Reduktion des MP mit um-
Diagnostik: Bildgebung gebendem Halo aus MP kommt. Diese Umverteilung des
In der Fluoreszenzangiographie findet sich beim Typ II A MP scheint nicht reversibel zu sein: Nach oraler Gabe der
bilateral zunächst temporal der Fovea im weiteren Krank- Karotinoide Lutein und Zeaxanthin im Rahmen einer
heitsverlauf oft zusätzlich auch nasal der Fovea eine Supplementationsstudie nahm die Konzentration an MP
Erweiterung des perifoveolären Kapillarnetzes auf den jeweils ausschließlich in der Lokalisation zu, in der vor
Frühaufnahmen (⊡ Abb. 11.3b). Im weiteren Verlauf des Beginn der Supplementation noch MP vorhanden war.
Fluoreszenzangiogramms kommt es dann zu einer zu-
nehmenden Anfärbung der paravasalen Gewebsanteile Stadieneinteilung
(⊡ Abb. 11.3c). Dies scheint aber weniger eine Leckage als Die Erkrankung vom Typ II A wurde klinisch in 5 Sta-
vielmehr eine Anfärbung von extravasal gelegenen polar dien unterteilt:
gebauten Gewebsstrukturen zu sein. Charakteristisch ist Stadium 1 bis 3 sind charakterisiert durch intrareti-
ein diffuses spätes Staining in der mittleren und äußeren nale Veränderungen (⊡ Abb. 11.3).
Retina unter Aussparung der Foveola (⊡ Abb. 11.3c). Vor Beim Stadium 1 und 2 ist lediglich eine Abnahme
allem das tiefe/äußere juxtafoveoläre Kapillarnetzwerk im der Transparenz der Netzhaut temporal der Fovea
Zentrum der Fovea ist von den Veränderungen betroffen. (⊡ Abb. 11.3a) sichtbar. Es findet sich eine diskrete Um-
248 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

verteilung des makulären Pigmentes und im OCT ist eine Als letztendliche Komplikation kann es zu einer subreti-
Verdünnung der äußeren Netzhautschichten zu sehen. nalen fibrovaskulären Proliferation mit Destruktion der
Diese Veränderungen nehmen beim Stadium 3 weiter darüberliegenden Netzhaut kommen (Stadium 5).
zu. Letzteres ist darüber hinaus gekennzeichnet durch
eine oder mehrere leicht dilatierte retinale Venolen, die Praxistipp I I
im rechten Winkel in die Tiefe der parafoveolären Re- Als primäre Veränderung liegt scheinbar eine retinale
tina ziehen. In der temporalen Foveolarregion finden Degeneration insbesondere der äußeren Netzhaut-
sich häufig kristalline Ablagerungen. Im weiteren Verlauf schichten zugrunde. Die klinisch häufig am meisten
aber scheinbar unabhängig vom Ausmaß der vaskulären imponierenden Gefäßveränderungen scheinen dem-
Veränderungen kann es in diesen Arealen zur Einwan- nach eher sekundärer Natur zu sein.
derung von Pigmentepithelzellen kommen, wodurch ca.
0,5 Papillendurchmesser große Hyperpigmentierungen
(⊡ Abb. 11.3d) in den äußeren Netzhautschichten tem- Neuen Untersuchungen zufolge könnte eine Schädigung
poral der Fovea resultieren (Stadium 4). Die zuvor be- von Müllerzellen einen wesentlichen diesem Krankheits-
schriebenen rechtwinklig in die Tiefe ziehenden Veno- bild zugrunde liegenden Pathomechanismus darstel-
len können in engem räumlichem Verhältnis zu den len. Eine derartige Schädigung der Müllerzellen könnte
plaqueartigen Pigmentepithelproliferationen stehen. Im zum einen Auswirkungen auf die Einflüsse dieser Zellen
OCT können flüssigkeitsgefüllte Hohlräume bei gleich- auf die zentralen Gefäßkapillaren haben, zum anderen
zeitiger Verdünnung der äußeren Netzhaut sichtbar wer- könnte die Beeinträchtigung der Lichtleitfunktion dieser
den. Während in den Stadien 1 bis 3 das Sehvermögen Zellen die Transparenz der Netzhaut negativ beeinflussen
meist nur geringgradig reduziert ist, kommt es häufig im und eine veränderte postulierte Transportfunktion der
Stadium 4 zu einer weiteren Visusminderung. Für das Müllerzellen für Lutein und Zeaxanthin die Veränderun-
Stadium 5 (⊡ Abb. 11.3e,f) typisch sind sekundäre subre- gen in der Autofluoreszenz und im Verteilungsmuster des
tinale Neovaskularisationen als Komplikation durch nach makulären Pigments.
unten subretinal einwachsende Netzhautgefäße. Sie sind
11 angiographisch durch eine lokalisierte frühe Hyperflu- Makuläre Teleangiektasie Typ II B: Klinisches
oreszenz mit deutlicher später Leckage gekennzeichnet Bild und Verlauf
(⊡ Abb. 11.3f) und treten meist in der temporalen Hälfte Beim Typ II B der IJRBT kommt es früh zum Auftreten
der Fovea, häufig in der Nähe von Pigmentepithelprolife- der Teleangiektasien und der subfoveolären Neovaskula-
rationen auf. Das Fehlen einer Pigmentepithelabhebung risationen. Dieser Typ wurde bisher lediglich von Gass et
und die geringe Größe der Neovaskularisation legen die al. bei zwei 9- und 12-jährigen Brüdern beschrieben.
Vermutung nahe, dass der neovaskuläre Komplex eher
retinalen als choroidalen Ursprungs ist. Ein schwerer
Visusverlust wird meist erst in diesem Stadium mit der 11.1.3 Elektronmikroskopische und
sekundären Ausbildung von subretinalen Neovaskularisa- lichtmikroskopische Veränderungen
tionen und chorioretinalen Anastomosen beobachtet mit
zusätzlicher Zerstörung der Fovea durch Exsudationen. Es liegen nur sehr wenige mikroskopische Untersuchun-
Neueste Untersuchungen des natürlichen Verlaufs in gen zu diesem Themengebiet vor.
einer großen prospektiven Studie (MacTel-Study) haben In mikroskopischen Untersuchungen von Augen mit
gezeigt, dass als primäre Veränderung scheinbar eine re- Typ I A werden Veränderungen im oberflächlichen und
tinale Degeneration insbesondere der äußeren Netzhaut- tiefen juxtafoveolären retinalen Kapillarplexus beobach-
schichten zugrunde liegt. Hierdurch kommt es frühzei- tet. Deformierte Kapillaren mit endothelialer Dekompen-
tig zur Veränderung der Transparenz der Netzhaut, was sation, seröse Exsudation und retinale Schwellung haupt-
biomikroskopisch und in speziellen Fundusaufnahmen sächlich der äußeren plexiformen Schicht zeigen sich als
nachweisbar ist (Konfokale Bluelight-Reflectance-Unter- typische Befunde. Die klinisch auffälligen gelben Exsu-
suchung, Autofluoreszenz, Untersuchung der Verteilung date entsprechen mikroskopisch großen akkumulierten
des makulären Pigments) (Stadium 1 und 2). Die klinisch Lipoproteinen, ausgetreten aus insuffizienten Gefäßen.
häufig am meisten imponierenden Gefäßveränderungen In elektronenmikroskopischen und lichtmikroskopi-
scheinen demnach eher sekundärer Natur zu sein. Sie sind schen Untersuchungen an Typ-II-A-Augen zeigen sich ver-
durch ein Einwachsen oberflächlicher retinaler Gefäße in engte Kapillarlumina, teleangiektatische Gefäße werden
tiefere Netzhautschichten gekennzeichnet (Stadium 3). nicht beobachtet. Zusätzlich treten fokale Endotheldefekte
Dies führt beim Kontakt zum retinalen Pigmentepithel zu auf sowie eine Verdickung der Kapillarwand durch eine
entsprechender Proliferation dieser Zellen (Stadium 4). mehrschichtige Basalmembran, die zellulären Debris von
11.1 · Makuläre Teleangiektasien und Lebersche Miliaraneurysmenretinitis
249 11
degenerierten Endothelzellen und Perizyten und lamellä- vität der Müllerzellmarker (Vimentin, Glutaminsynthe-
res Lipidmaterial zwischen ihren Schichten ummantelt. tase und »retinaldehyde binding protein 1« RLBP1) in
Ausgedehnte Degenerationen von Perizyten und Endo- der Makula. Die Netzhautareale mit einem Mangel an
thelzellen werden beschrieben. Diese Veränderungen wer- Müllerzellen entsprachen denjenigen, in denen auch das
den nicht nur in klinisch auffälligen Arealen beobachtet, makuläre Pigment fehlte.
sondern in geringem Maße auch in klinisch unauffälliger Der Verlust oder die Dysfunktion von Müllerzellen
Retina. Sie werden als Folge endothelialer Zellde- und -re- scheinen demnach einen wesentlichen diesem Krank-
generation mit massiver Produktion von Basalmembran heitsbild zugrunde liegenden Pathomechanismus dar-
und sekundärer Degeneration von Perizyten interpretiert. zustellen. Eine derartige Schädigung der Müllerzellen
Eine leichte Verdickung der Retina durch intra- und ext- könnte zum einen Auswirkungen auf die Einflüsse dieser
razelluläres Ödem begrenzt auf die innere Netzhauthälfte Zellen auf die zentralen Gefäßkapillaren haben (vasku-
wird beschrieben. Hieraus wird die Hypothese abgeleitet, lärer Teil der Müllerzellfunktion). Zum anderen könnte
dass die juxtafoveolären retinalen Kapillaren das primär die Beeinträchtigung der Lichtleitfunktion dieser Zellen
betroffene Gewebe darstellen und dass späte Fluoresz- die Transparenz der Netzhaut negativ beeinflussen und
einstaining in der sensorischen Retina auftritt. Frühes eine veränderte postulierte Transportfunktion der Müll-
Fluoreszeinstaining im Bereich der verdickten Kapillar- erzellen für Lutein und Zeaxanthin die Veränderungen
wände ist verantwortlich für das frühe Sichtbarwerden in der Autofluoreszenz und im Verteilungsmuster des
der teleangiektatischen Gefäße in der entsprechenden An- makulären Pigments bewirken (neuronaler Teil der Müll-
giographie. Die veränderte Struktur der Kapillarwände ist erzellfunktion).
mit gestörter endothelialer Permeabilität assoziiert, die zur
chronischen Schädigung der retinalen Zellen, insbeson-
dere derjenigen auf Höhe der inneren nukleären Schicht 11.1.4 Natürlicher Verlauf
führt. Das späte Fluoreszeinstaining in der Angiographie
ist wahrscheinlich von intrazellulärer Diffusion in diese Die IJRT zeigen in den meisten Untergruppen eine sehr
schadhaften Zellen verursacht. Weitere Veränderungen langsame Progression, in einigen Fällen kommt es auch
und die Ernährungsstörung der retinalen Zellen in den spontan zur Stabilisierung. Gass beschreibt beim Typ II
mittleren retinalen Schichten verursachen Degeneration A eine Progression von Stadium 4 zu 5 in 24% der Fälle
und Atrophie dieser Zellen und der hiermit verbundenen nach einem 6 Jahres-Follow-up. Es existieren keine An-
Photorezeptorzellen. Hierdurch kommt es klinisch zum gaben, wie groß das Risiko für eine Progression der
Visusabfall. Die in biomikroskopischen Untersuchungen Krankheit sowie einen zukünftigen Visusabfall in frühen
sichtbaren gelblichen kristallinen Ablagerungen finden Stadien ist. Eine internationale prospektive Multizenter-
sich histologisch in der inneren Oberfläche der Retina, studie untersucht den spontanen Verlauf der Krankheit
häufig vor den retinalen Blutgefäßen. Hierbei könnte es und wird in der Lage sein, Erkenntnisse über eine Pro-
sich um Karotinoidablagerungen handeln. Ihre Lokalisa- gressionsrate des Krankheitsbildes zu gewinnen.
tion im Bereich der Membrana limitans interna legt die
Hypothese nahe, dass es sich um ein Produkt von dege-
nerierten Müllerzellen handeln könnte, deren Zellkerne in 11.1.5 Assoziation mit systemischen
der inneren nukleären Schicht im Bereich des veränderten Erkrankungen und
tiefen kapillären Plexus liegen. Differentialdiagnose
Von Untersuchungen an Spenderaugen, die im Rah-
men des »eye donor«-Programms der bereits erwähnten Idiopathische juxtafoveoläre retinale Teleangiektasien
MacTel-Studie zur Verfügung gestellt werden, sind in müssen von anderen systemischen und okulären Krank-
der Zukunft weitere Einblicke in die dem Krankheitsbild heitsbildern differenziert werden, bei denen es zum Auf-
der Typ II A IJRT zugrunde liegenden ultrastrukturellen treten von Teleangiektasien kommt (diabetischen Retino-
Veränderungen zu erhoffen. Erste Untersuchungen in- pathie, retinale Gefäßverschlüsse, M. Eales, Retinopathia
nerhalb dieses Studienzweigs konnten ein Fehlen des ma- praematurorum, Sichelzellretinopathie)
kulären Pigments im Makulabereich nachweisen. Zudem Typ-I-A-Teleangiektasien können wohl dem breiten
wurden abnorm dilatierte Kapillaren in einem Makulaa- Spektrum an kongenitalen Teleangiektasien zugeordnet
real beschrieben, das in einer Jahre zuvor durchgeführten und auch als Lebersche Miliareneurysmenretinitis oder
Fluoreszenzangiographie deutliche Leckage gezeigt hatte. zentraler Coats beschrieben werden.
In diesen teleangiektatischen Gefäßen erwies sich die Eine Assoziation mit systemischen Erkrankungen
Kollagenkomponente IV der Basalmembran als deutlich scheint in Typ III IJRT typisch zu sein. Gass beschreibt
reduziert. Es zeigte sich eine reduzierte Immunoreakti- 7 Fälle, die alle weitere medizinische Auffälligkeiten zeig-
250 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

ten: Polyzytämie, Arthritis, Hypoglykämie und kardiovas- Stadium 4 liefert die Literatur keine Therapieempfeh-
kuläre Krankheitsbilder. Der Nachweis der Atrophie der lung. Im Stadium 5 könnten Photokoagulation, photo-
juxtafoveolären Retina und der minimalen Exsudation dynamische Therapie sowie anti-VEGF-Wirkstoffe eine
ähnelt Befunden, wie sie auch bei Sichelzellretinopathie therapeutische Option darstellen, durch nur in kleinen
erhoben werden können. Fallserien konnte nach Laserkoagulation eine Visussta-
Gruppe III B IJRT scheinen ein Symptom einer auto- bilisierung demonstriert werden. Die Kombination aus
somal dominant vererbten zerebrovaskulären Vaskulopa- photodynamischer Therapie mit intravitrealem Triamci-
thie darzustellen. Diese Erkrankung ist mit einem Pseu- nolon konnte die Regression einer subretinalen Neovas-
dotumor des Zentralnervensystems mit Vaskulopathie kularisation sowie einen Visusanstieg bewirken.
und fibrinoider Nekrose assoziiert. Omega-3-Fettsäuren hemmen experimentell das Ge-
fäßwachstum und könnten sich ebenfalls positiv auf den
Krankheitsverlauf auswirken. Multizentrische placebo-
11.1.6 Therapie kontrollierte gezielte Supplementationsstudien könnten
diese Zusammenhänge klären.
Führen exsudative Veränderungen bei Typ I A zu Beein-
trächtigungen der makulären Funktion, so ist eine ko- Fazit für die Praxis
agulative Reduktion der Leckageareale empfehlenswert. ▬ Makuläre Teleangiektasien stellen eine Gruppe seltener
Diese erfolgt bei zentralen Leckagen primär mittels La- retinaler vaskulärer Anomalien dar, die in verschiedene
serkoagulation im extra- oder juxtafoveolären Bereich. Untergruppen unterteilt werden können.
Da der spontane Visusverlauf häufig sehr günstig ist, ist ▬ Finden sich solche makuläre Teleangiektasien mit Mikro-
eine fokale Photokoagulation der teleangiektatischen Ka- aneurysmata und assoziierten exsudativen Veränderungen
pillaren nur in wenigen Fällen von Typ-I-B-Teleangiekta- (Netzhautödem und Lipidablagerungen) perifoveolär, so
sien zu empfehlen. werden sie auch als peripher Lebersche Miliaraneurysmen-
Aufgrund der Analogie zu den Mikroaneurysmen der Retinitis beschrieben (Makuläre Teleangiektasien Typ I)
diabetischen Makulopathie wurden primär koagulative ▬ Bei makulären Teleangiektasien Typ II hingegen imponie-
11 Therapiestrategien zur Behandlung der makulären Te- ren meist temporal der Fovea klinisch Areale mit vermin-
leangiektasien vom Typ II angewandt. Allerdings konnte derter Netzhauttransparenz.
in keiner Fallserie eine positive Beeinflussung gegenüber ▬ Fluoreszenzangiographisch zeigen diese Areale meist
dem natürlichen Verlauf nachgewiesen werden. Lediglich umschriebene irregulär teleangiektatisch erweiterte Ge-
bei der koagulativen Zerstörung der chorioidalen Neo- fäße, deren Umgebung sich im Rahmen der Fluoreszen-
vaskularisation im Stadium 5 der Erkrankung war ein zangiographie langsam anfärbt.
visusstabilisierender Effekt der Therapie nachweisbar. ▬ Im OCT findet sich häufig zunächst temporal eine
Aufgrund der neuen Erkenntnisse zur Pathogenese ist Verdünnung der Netzhaut, die besonders die äußeren
es allerdings auch verständlich, warum eine koagulative Netzhautschichten betrifft und im weiteren Verlauf mit
Therapie in den Stadien 1 bis 3 der Erkrankung kaum zystenähnlichen Veränderungen einhergehen kann.
effektiv zu sein scheint. Da die zugrunde liegenden Ver- ▬ Das Ausmaß der visuellen Beeinträchtigung kann sehr
änderungen primär auf einer Degeneration der Netzhaut unterschiedlich sein, wobei zunächst Metamorphopsien
basieren mit erst sekundär auftretenden Gefäßverände- im Vordergrund stehen und die Erkrankung im weiteren
rungen, erscheint ein koagulativer Ansatz wenig hilfreich. Verlauf in unterschiedlichem Ausmaß zur Visusminde-
Dass aber trotz der verdünnten Netzhaut eine gewisse rung führt.
ödematöse Komponente zur Visusminderung beiträgt, ▬ Pigmentepithelproliferationen mit fokalen Hyperpig-
konnte durch Fallserien mit der Behandlung durch int- mentierungen und retinale Neovaskularisationen im
ravitreale Anti-VEGF-Medikamente dargestellt werden. subretinalen Raum mit exsudativen Veränderungen und
Hierbei kam es zu einer weiteren Verdünnung der bereits rascher Visusminderung können zu jedem Zeitpunkt der
verdünnten Netzhaut nach der Applikation dieser Me- Erkrankung auftreten.
dikamente. Dies ging aber nur sehr begrenzt mit einer ▬ Die Pathogenese der Veränderungen ist unbekannt, aber
Visusbesserung einher, zudem war dieser Effekt nur für eine Pathologie der Müllerzellen kann als Ursache postu-
einige Wochen wirksam, sodass diese Therapie zurzeit liert werden.
nicht generell empfohlen werden kann, sondern zunächst ▬ Eine Therapie der Erkrankung gibt es bisher nicht. Anti-
in weiteren klinischen Studien untersucht werden muss. VEGF-Medikamente können nur für kurze Zeit und mit
Photodynamische Therapie in Typ-II-A-Augen ohne se- häufig geringen positiven Visusauswirkungen eine Re-
kundäre subretinale Neovaskularisation besserte weder duktion des intraretinalen Ödems, das trotz der verdünn-
den Visus noch die Flüssigkeitsansammlung. Für das ten Netzhaut in geringem Masse existiert, bewirken.
11.2 · Morbus Coats
251 11
11.2 Morbus Coats ▬ bei schon fortgeschrittenen Fällen eine Heterochro-
mie sowie ein Sekundärglaukom.
A. Schüler, N. Bornfeld
Frühe Stadien der Erkrankung verursachen meist keine
Symptome und werden nur im Rahmen eine Routineun-
11.2.1 Einleitung tersuchung zufällig erkannt. Es zeigen sich dabei in der
peripheren Netzhaut lokalisierte Bereiche mit retinalen Te-
Der Morbus Coats ist eine seltene Erkrankung der Netz- leangiektasien (⊡ Abb. 11.4). Ohne Therapie entwickelt sich
hautgefäße. Andere Bezeichnungen sind dann eine Progression, die durch eine zunehmende Exsu-
▬ Coats-Syndrom, dation aus den Gefäßanomalien mit einem retinalen Ödem
▬ exsudative Retinitis, sowie subretinal gelegenen Lipidexsudaten gekennzeichnet
▬ Leber‘sche Miliaraneurysmen oder ist. Die retinalen Gefäße entwickeln dabei im Verlauf zuneh-
▬ retinale Teleangiektasien. mende aneurysmatische Aussackungen und angiographisch
können lokale Kapillarokklusionszonen nachgewiesen wer-
Es handelt sich um eine retinale Gefäßerkrankung mit den. Die zunehmende Exsudation verursacht eine zunächst
Teleangiektasien und aneurysmatischen Gefäßveränderun- lokalisierte, in der Folge auch totale Ablatio retinae. Die
gen der Netzhautgefäße, die klinisch und angiographisch fortschreitende retinale Ischämie führt bei ausbleibender
exsudative Begleitveränderungen hervorrufen. In fortge- Therapie zu einer Rubeosis iridis und einem neovaskulären
schrittenen Stadien kommt es dabei zu subretinalen Li- Sekundärglaukom, das im Endzustand zu einer schmerz-
pidansammlungen im Bereich der Gefäßanomalien, die haften Phtisis bulbi führt. Neben diesen Leitsymptomen
erhebliche Ausmaße annehmen können. Die Erstbeschrei- sind Glaskörperblutungen, Kataraktentwicklung und eine
bung erfolgte durch Coats, der ein ausgeprägtes peripheres Uveitis beschrieben. Die retinale Ischämie kann Papillen-
Krankheitsbild beschrieb, sowie durch Leber, der eine etwas proliferationen und retinale Neovaskularisationen auslösen.
mildere Form als eigenständiges Krankheitsbild erkannte. Selten kommt es zu einer proliferativen Vitreoretinopathie
Man geht inzwischen davon aus, dass es sich da- oder durch die subretinalen Flüssigkeits- und Lipidexsu-
bei um unterschiedliche Ausprägungsformen derselben date zu einem Einriss des retinalen Pigmentepithels. Der
Grunderkrankung handelt, die jetzt unter dem Oberbe- Visusverlust entsteht durch ein Makulaödem sowie durch
griff Morbus Coats subsummiert werden. submakuläre Lipidexsudate oder durch eine Ablatio retinae.
Eine länger bestehende subretinale Fibrosierung kann zum
Auftreten von chorioidalen Neovaskularisationen führen.
11.2.2 Pathogenese Als Pathomechanismus des Morbus Coats wird ver-
mutet, dass eine Schädigung des Gefäßendothels im Be-
Die Ursache der Erkrankung ist jedoch weiterhin unklar. reich der klinisch sichtbaren Gefäßanomalien zu einer
Männer sind häufiger betroffen, jedoch konnten bislang erhöhten vaskulären Permeabilität führt. Die frühen kli-
keine genetischen, rassischen oder ethnischen Risiko- nischen Befunde können durch eine Dysfunktion der En-
faktoren identifiziert werden. Interessanterweise gibt es dothelzellen erklärt werden. Sterben die Endothelzellen
einzelne Fallberichte, bei denen gleichzeitig chromoso- letztendlich ab, entwickeln sich die typischen Teleangiek-
male Deletionen oder eine Kombination mit anderen tasien, Aneurysmata sowie Kapillarokklusionen. Dabei
klinischen Syndromen nachgewiesen wurden. Bei 3,5% kommt es zu einem Zusammenbruch der Blut-Retina-
der Patienten mit einer Retinopathia pigmentosa wurden Schranke und damit zu den Coats-typischen subretinalen
Coats-ähnliche Gefäßanomalien gefunden. Lipid- und Proteinablagerungen und letztendlich zu einer
Typischerweise ist der Morbus Coats in 90% der Fälle exsudativen Ablatio retinae. Histopathologische Studien
eine unilaterale Erkrankung die bei ansonsten gesunden an enukleirten Augen fanden eine Verdickung und Hy-
männlichen Kindern auftritt. Das mittlere Erkrankungs- alinisierung der retinalen Gefäßwände. Die subretinalen
alter liegt dabei bei ca. 8 Jahren, ist jedoch vom 4 Monate Exsudate bestanden hauptsächlich aus Cholesterol und
alten Säuglingen an bis hin zur siebten Lebensdekade be- Cholesterol-beladenen Makrophagen.
schrieben. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle wird
die Erkrankung vor dem 20. Lebensjahr diagnostiziert,
wobei die Patienten zu zwei Dritteln männlich sind. 11.2.3 Klassifikation
Typische Leitsymptome sind eine
▬ Leukokorie, Da das klinische Bild sehr variabel sein kann, wurden
▬ Strabismus und verschiedene Klassifikationsvorschläge unterbreitet. Coats
▬ Visusminderungen und selbst unterschied zwischen drei Typen.
252 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

a b

11

c d

⊡ Abb. 11.4 Stadieneinteilung des Morbus Coats. a Stadium 1 mit typischen retinalen Teleangiektasien ohne Exsudate. b Frühes Stadium 2 mit
Teleangektasien und aneurysmatischen retinalen Gefäßanomalien und beginnender Exsudation. c Stadium 3 mit retinalen Gefäßanomalien in
der Peripherie sowie massiven subretinalen Lipidexsudaten und einer exsudativen Ablatio retinae. d Fortgeschrittenes Stadium 3 mit totaler
Ablatio retinae und tumorähnlichen subretinalen Lipidmassen. (Aus Schueler A, Bornfeld N 2007)

▬ Typ I mit subretinalen Exsudaten ohne ophthalmos- Aufbauend auf einem Klassifikationsentwurf von Go-
kopisch erkennbare Gefäßanomalien mez Morales publizierte Shields eine differenziertere kli-
▬ Typ II mit Exsudaten um klinisch sichtbare Telean- nische Stadieneinteilung. Diese inzwischen weitgehend
giektasien akzeptierte Einteilung basiert auf dem klinischen Verlauf
▬ Typ III mit lokalisierten Exsudaten um ein solitäres von 124 therapierten Augen mit Morbus Coats und be-
retinales Angiom rücksichtigt dabei Therapiemöglichkeiten und die Visus-
prognose für das betroffene Auge:
Die letztere Beschreibung passt eher zu einem retinalen ▬ In Stadium 1 finden sich ausschließlich retinale Te-
Angiom im Rahmen eines Morbus von Hippel-Lindau leangiektasien (⊡ Abb. 11.4a).
(Coats 1908) und mit der inzwischen verfügbaren Flu- ▬ Im Stadium 2A kommen subretinale Exsudate im Be-
oreszeinangiographie sind jedoch auch bei Typ I schon reich der peripheren Gefäßanomalien hinzu, die sich
typische Gefäßanomalien nachweisbar. nach submakulär (Stadium 2B) ausbreiten können.
11.2 · Morbus Coats
253 11
▬ Das Stadium 3 ist gekennzeichnet durch das Auf-
⊡ Tab. 11.2 Differentialdiagnosen des Morbus Coats
treten einer exsudativen Ablatio retinae, die anfangs
lokalisiert um die Gefäßanomalien (Stadium 3A) Tumoren Retinoblastom
besteht, später dann die gesamte Netzhaut (Sta- Leukämische Infiltrate
dium 3B) erfasst.
▬ Im Stadium 4 finden sich eine totale Ablatio retinae Medulloepitheliom
sowie ein Sekundärglaukom. Astrozytom
▬ Eine Phtisis bulbi sowie eine Erblindung sind im Sta-
Choroidales Hämangiom
dium 5 anzutreffen.
Pigmentepithel-Retina Hamartom
Diese Stadieneinteilung kann Hinweise auf die Visuspro-
Hereditäre Morbus Norrie
gnose geben. Bei keinem der Augen im Stadium 1 lag der Erkrankungen
Endvisus unter 0,1. Im Stadium 2 und 3 lag der Visus am Incontinentia pigmenti
Ende der Therapie bei 53% bzw. 74% unter diesem Wert. Familiäre exsudative Vitreoretinopathie
Im Stadium 4 und 5 war eine funktionelle Erblindung
X-chromosomale juvenile Retinoschisis
nicht vermeidbar.
Diese Stadieneinteilung wurde anhand der in der Angiomatosis retinae (von Hippel-
Kindheit auftretenden Form des Morbus Coats entwickelt. Lindau-Syndrom)
Tritt die Erkrankung bei Erwachsenen auf, dürfte die Di- Entwicklungs- Persistierender hyperplastischer
agnose etwas früher gestellt werden und die Erkrankung störungen primärer Glaskörper
verläuft zudem weniger schnell und schwer. Somit wäre
Kongenitale Katarakt
eine weitere Differenzierung der Klassifikation in eine
jugendliche und eine adulte Form sicher sinnvoll. Kolobome

Myelinisierte Nervenfasern

11.2.4 Differentialdiagnose Kongenitale Netzhautfalten

Morning-glory-Syndrom
Die Differentialdiagnosen des Morbus Coats sind in
Cavernöses retinales Hämangiom
⊡ Tab. 11.2 aufgelistet.
Eine der wichtigsten und am schwierigsten zu stel- Entzündliche Toxocariasis
lende Differentialdiagnose ist im Kindesalter das Re- Erkrankungen
Toxoplasmose
tinoblastom. Die subretinalen Massen sind beim Mor-
bus Coats etwas gelblicher, bei Retinoblastom weißlicher, Endophthalmitis
jedoch ist dieses Kriterium unzuverlässig (⊡ Abb. 11.5). Virale Retinitis
Kalzifizierungen in den Tumormassen sind typischer für
Uveitis
das Retinoblastom, aber nicht beweisend. Retinale Ge-
fäßanomalien über dem Tumor sprechen eher für einen Diverses Frühgeborenenretinopathie
Morbus Coats, aber auch beim Retinoblastom können die
Rhegmatogene Ablatio retinae
retinalen Feeder-vessels ein ähnliches Bild abliefern.
Glaskörperblutung
! Cave!
Im Kindesalter ist eine klare Differenzierung zwi- Morbus Eales
schen den beiden Krankheitsbildern Morbus Coats Diabetische Retinopathie
und Retinoblastom vor Therapiebeginn essentiell.
Strahlenretinopathie
Beim Morbus Coats kann es notwendig werden, vitreo-
Retinale Vaskulitis
retinale Eingriffe durchzuführen. Erfolgt dies beim Re-
tinoblastom, besteht die Gefahr einer Tumorzellaussaat
im Operationsfeld, die die Überlebensprognose negativ
beeinflussen kann. Bei unklaren Fällen sollten die di- bend sein. Eine Computertomographie kann eindeutige
agnostischen Möglichkeiten ausgenutzt werden. Ultra- Verkalkungen nachweisen. Mittels MRT kann dagegen
schalluntersuchungen und eine Fluoreszeinangiographie die Tumorausdehnung detaillierter dargestellt werden.
(⊡ Abb. 11.6) können durch den Nachweis von Verkal- Ein intraokulares Medulloepitheliom ist eine sel-
kungen bzw. von typischen Gefäßanomalien hinweisge- tene Differentialdiagnose. Der Tumor geht vom nicht
254 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

a c

11

b d

⊡ Abb. 11.5 Das Retinoblastom als Differentialdiagnose des fortgeschrittenen Morbus Coats im Kindesalter: Die ausgeprägten subretinalen
Lipidmassen des Morbus Coats (a) können mit einem diffus infiltrierenden Retinoblastom verwechselt werden (b). Die typischen retinalen Ge-
fäßanomalien über subretinalen Lipidmassen sind typisch für den Morbus Coats (c). Solide Tumormassen mit dilatierten retinalen Versorgungs-
gefäßen sind differentialdiagnostisch abzugrenzen (d). (Aus Schueler A, Bornfeld N 2007)

pigmentierten Ziliarkörperepithel aus und tritt immer Der Morbus Norrie und die Incontinentia pigmenti
in der ersten Lebensdekade auf. Leitsymptome, die zur können ebenfalls klinisch einem Morbus Coats ähneln.
Diagnose führen, sind oft eine Visusminderung, eine Die strikte Geschlechtspräferenz dieser genetisch deter-
Leukokorie, ein Glaukom sowie eine Rubeosis iridis und minierten Erkrankungen, der Morbus Norrie tritt nur
ein Hyphäma. Der Nachweis eines zystischen Ziliarkör- bei männlichen, die Incontinentia pigmenti nur bei weib-
pertumors kann als pathognomonisch gelten. lichen Patienten auf, und die weiteren Symptome der
Subretinale Gewebsmassen können im Kindesalter Erkrankung erlauben die Differentialdiagnose.
durch ein chorioidales Hämangiom, das solitär oder im Eine Frühgeborenenretinopathie ist aufgrund der
Rahmen eines Sturge-Weber-Syndroms auftreten kann, Bilateralität und der eindeutigen Anamnese zum Mor-
entstehen. Entzündliche Erkrankungen und auch leukä- bus Coats abgrenzbar. Dies gilt auch für die familiäre
mische Infiltrate können das klinische Bild eines Morbus exsudative Vitreoretinopathie. Ein persistierender hy-
Coats mit subretinalen Massen simulieren. perplastischer, primärer Glaskörper ist oft mit einem
Retinale Astrozytome, die typischerweise bei einer Mikrophthalmus vergesellschaftet. Eine Uveitis ist oft
tuberösen Sklerose, seltener auch bei einer Neurofibro- auch bilateral und kann manchmal durch den Nachweis
matose auftreten, können gelegentlich mit einem Morbus von spezifischen Antikörpern ätiologisch zugeordnet und
Coats verwechselt werden. Der Nachweis weiterer Stig- dann therapiert werden. Im Erwachsenenalter sollte ein
mata der beiden genannten Grunderkrankungen dürfte retinaler Venenverschluss in die Differentialdiagnose ein-
hier zur Diagnose führen. bezogen werden.
11.2 · Morbus Coats
255 11

⊡ Abb. 11.6 Weitwinkel-Fluoreszenzangiographie (120°) beim Morbus Coats: Ausgeprägte submakuläre Lipidmassen, ausgehend von retina-
len Gefäßanomalien in der Peripherie, sind eine typische Befundkonstellation. Das Netzhautödem und die Lipidmassen am hinteren Pol kön-
nen von den peripheren Gefäßanomalien ablenken. Die Weitwinkelangiographie stellt die peripheren Gefäßanomalien und die Ischämieareale
deutlich dar. (Aus Schueler A, Bornfeld N 2007)

11.2.5 Diagnostik arteriovenösen Phase dar. In der Spätphase finden sich


zunehmend fokale oder diffuse Exsudate. Die Identifi-
Im Kindesalter ist eine Standardfluoreszeinangiographie kation der Lage der Gefäßanomalien, insbesondere von
praktisch nicht durchführbar, da sowohl die Mitarbeit Ischämiearealen, ist für die folgende Therapieplanung
bei Kindern nicht erwartet werden kann als auch die wichtig.
periphere Lage der Gefäßanomalien beim Morbus Coats
nicht mit einer Standardfunduskamera dargestellt werden
kann. Die Entwicklung von Weitwinkel-Angiographiesys- 11.2.6 Therapie
temen, die im Operationssaal unter Narkose verwendet
werden können, haben die diagnostischen Möglichkeiten Das Ziel der Therapie ist die Exsudation aus den er-
deutlich erweitert (⊡ Abb. 11.6). krankten Gefäßen zu stoppen und ein Voranschreiten
Beim Morbus Coats findet sich angiographisch in der ischämischen Folgeveränderungen zu vermeiden.
der Frühphase eine relativ langsame Anflutung des Dazu muss zum einen eine direkte Koagulation der er-
Farbstoffs in die peripheren retinalen Gefäßanomalien, krankten Gefäße selbst erfolgen, zum anderen müssen
wobei die Aderhautfluoreszenz durch die subretinalen die ischämischen Netzhautareale konfluierend koagu-
Exsudate zunächst blockiert sein kann (⊡ Abb. 11.6). liert werden. Eine effektive Therapie kann im Stadium 1
Retinale Kapillarverschlussareale und typische Aneu- oder 2 durch eine gezielte Laser- oder Kryokoagulation
rysmen und Kapillarektasien stellen sich dann in der erfolgen. Nach der erfolgreichen Koagulation kann die
256 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

11
b d

⊡ Abb. 11.7 a Morbus Coats im Stadium 3 vor und direkt nach der Laserkoagulation, die sowohl die Gefäßanomalien selbst als auch die Ischä-
mieareale erfasst. b Befund vor einer schrittweisen Koagulationstherapie mit den unbehandelten peripheren Coats-Gefäßen. c Nach der ersten
Lasertherapie wieder angelegte Netzhaut mit partiell resorbierten subretinalen Lipiden. d Weitere Resorption der subretinalen Lipide und An-
stieg des Visus, 15 Monate nach einer weiteren Laserkoagulation. (Aus Schueler A, Bornfeld N 2007)

Resorption der subretinalen Lipidablagerungen Wochen bretinalen Flüssigkeit mit sofort folgender Koagulation
bis Monate dauern. beschrieben. Damit können ansonsten nicht erreichbare
Auch bei fortgeschrittenen Befunden im Stadium 3 Gefäßanomalien der Koagulationstherapie zugänglich
kann durch eine schrittweise Koagulationstherapie in werden.
mehreren Sitzungen noch ein Therapieerfolg erreicht
werden (⊡ Abb. 11.7). Nach einer initialen Behandlung Praxistipp I I
der ersten Gefäßanomalien kann durch die damit ein- Bei fortgeschrittenen Befunden kann die vollständige
geleitete Resorption der Lipidmassen der Befund so Koagulation der retinalen Gefäßanomalien oft nur
zurückgehen, dass in einer weiteren Behandlung einige durch mehrere, zeitlich getrennte Behandlung erreicht
Wochen später die initial nicht erreichbaren Gefäßano- werden.
malien doch behandelt werden können. Am Ende müs-
sen alle erkennbaren Gefäßanomalien und die retinalen
Ischämieareale flächig koaguliert sein. Zur direkten Be- Bei fortgeschrittenen Befunden kann auch über eine Vi-
handlung der retinalen Gefäßanomalien kann sowohl trektomie mit Retinotomie eine interne Drainage der
eine Laserbehandlung mit dem Kopfophthalmoskop als subretinalen Flüssigkeits- und Lipidmassen durchgeführt
auch eine Kryokoagulation in »Tripple-freeze-thaw- werden. Nach Wiederanlage der Netzhaut mit Perfluor-
Technik« verwendet werden. Bei einer bullösen exsuda- karbonen kann dann intraoperativ eine Endokoagulation
tiven Ablatio ist eine operative externe Drainage der su- der Gefäßanomalien durchgeführt werden, gefolgt von
11.3 · Familiär exsudative Vitreoretinopathie
257 11
einer Gas- oder Silikonöltamponade. Bei Augen mit einer 11.3 Familiär exsudative
nur paramakulären Beteiligung zeigte sich ein postopera- Vitreoretinopathie
tiver Visusanstieg und eine Enukleation konnte in 8 von 9
Fällen vermieden werden. A. M. Joussen, W. Berger
Die Bedeutung der Vitrektomie in der Therapie des
Morbus Coats ist weiter umstritten. Ein Retinoblastom Bei der familiären exsudativen Vitreoretinopathie
muss vor der Operation sicher ausgeschlossen werden. (FEVR) handelt es sich um eine 56% dominant (FZD4
Chirurgisch stellt der bei Kindern noch fest anliegende und TSPAN12) und 44% rezessiv (LRP5 und NDP) ver-
Glaskörper eine Herausforderung dar und das hohe Ri- erbte Erkrankung, die sich durch eine temporal avas-
siko einer proliferativen Vitreoretinopathie sowie von kuläre Netzhaut mit pathologisch veränderten Gefäßen
Folgeoperationen muss mit ins Kalkül gezogen werden. auszeichnet. Der nach temporal verzogene Gefäßbaum
Neuere Therapiekonzepte könnten hier vielverspre- führt zu einer Heterotopie der Makula. Insbesondere For-
chender sein. Mittlerweile ist nachgewiesen, dass auch men mit einer starken subretinalen Exsudation können
beim Morbus Coats erhöhte VEGF-Spiegel eine pathoge- eine Progredienz mit einem Visusverlust durch exsuda-
netische Bedeutung haben. Eine intravitreale Behandlung tive oder traktive Amotio aufweisen. Exsudative Formen
mit VEGF-Inhibitoren kann die Exsudation behandeln, sind behandlungsbedürftig im Sinne einer Reduktion der
damit operative Interventionen vermeiden und eine Ko- peripheren Ischämie und Verschluss der pathologischen
agulationsbehandlung erleichtern. Als adjuvante Thera- Vaskularisation durch Kryopexie oder Laserkoagulation
pie vor oder nach einer geplanten Koagulationsbehand- und bei Traktion durch glaskörperchirurgische Eingriffe.
lung kann so ebenfalls auch in Stadium 3 oder 4 noch ein
Therapieerfolg erzielt werden. Da bislang nur Einzelfälle
publiziert wurden, bleibt der endgültige Stellenwert die- 11.3.1 Definition
ser Therapie noch abzuwarten.
Bei der familiären exsudativen Vitreoretinopathie (FEVR)
! Cave!
handelt es sich um eine 56% dominant (FZD4 und
Es sollte insbesondere bei der Behandlung von
TSPAN12) und 44% rezessiv (LRP5 und NDP) vererbte
Kleinkindern bedacht werden, dass VEGF-Inhibi-
Erkrankung mit fast 100%iger Penetranz. Pathognomo-
toren in der Wachstumsphase ein generelles Prob-
nisches Zeichen ist die temporal avaskuläre Netzhaut mit
lem darstellen könnten.
pathologisch veränderten Gefäßen und der nach tempo-
Prospektive Studien zur Wirkung von VEGF-Inhibito- ral verzogene Gefäßbaum mit Heterotopie der Makula.
ren bei einer Erkrankung im Kindesalter werden mit In Abgrenzung zur Frühgeborenenretinopathie handelt
großer Sicherheit aus ethischen Gründen nicht durch- es sich stets um reife Geborene ohne erfolgte Sauerstoff-
geführt werden. Somit erscheint dieses Behandlungs- therapie.
konzept nach momentanem Kenntnisstand zwar patho- Das Manifestationsalter ist in der frühen Kindheit.
physiologisch sinnvoll, jedoch sollte dies immer eine Die temporale periphere Netzhaut ist primär avaskulär,
Einzelfallentscheidung sein, die kritisch überdacht und der Prozess der Vasoproliferation und Narbenkontrak-
diskutiert wird. tion verläuft sehr langsam über Jahre.
Nach der Therapiephase müssen regelmäßige Kont- Das klinische Bild ist sehr variabel und erstreckt
rolluntersuchungen durchgeführt werden, da sich neue sich vom Stadium des asymptomatischen Genträgers mit
Gefäßanomalien in initial nicht-erkrankten Bereichen nur angiographisch nachweisbarer Ischämie bis hin zum
entwickeln können. Werden diese neuen Gefäßanomalien massiven Visusverlust durch kombinierte traktiv-rheg-
früh erkannt und behandelt, können weitere Visusminde- matogene Netzhautablösungen. Narbige Kontraktionen
rungen und eventuelle Folgekomplikationen vermieden können zur Ablatio falciformis und zur Ektopie der Ma-
werden. kula führen (Pseudostrabismus divergens).
Ebenso heterogen wie das klinische Erscheinungsbild
Fazit für die Praxis ist die Genetik der familiär exsudativen Vitreoretinopa-
Typische retinale Gefäßanomalien mit subretinalen Lipidex- thie. Die »familial exudative vitreoretinopathy-1« (EVR1)
sudaten sind das Leitsymptom dieser seltenen Erkrankung. wird ebenso wie eine Form der Frühgeborenenretino-
Nach Ausschluß der Differentialdiagnosen sollte therapeu- pathie durch Mutationen im frizzled-4-Gen (FZD-4)
tisch eine möglichst vollständige Behandlung der exsudati- auf Chromosom 11q14 verursacht. Die Entdeckung des
ven retinalen Gefäßveränderungen angestrebt werden. Der NDP-Gens hat gezeigt, dass NDP-abhängige Retinopa-
Stellenwert der VEGF-Inhibition in der Therapie des Morbus thien die Krankheitsbilder der X-chromosomalen famili-
Coats muss noch geklärt werden. ären exsudativen Retinopathie (XL-FEVR), des persistie-
258 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

renden hyperplastischen primären Glaskörpers (PHPV) mehr als 340 Fälle der FEVR in mehr als 60 verschiede-
und der Norrie-Erkrankung zusammenfassen. Die X- nen Familien in der Literatur beschrieben.
chromosomale Form der familiär exsudativen Vitreore-
tinopathie (EVR2) wird also durch Mutationen im NDP-
Gen verursacht, EVR3 lässt sich auf dem Chromosom 11.3.3 Epidemiologie und Genetik
11p13-p12 lokalisieren; EVR4 kann durch heterozygote
oder homozygote Mutationen im LRP5-Gen auf 11q13.4 Praxistipp I I
verursacht sein; die EVR5 ist verursacht durch heterozy- Die Inzidenz der FEVR ist im asiatischen Raum höher.
gote Mutationen im TSPAN12-Gen auf 7q31. Es bestehen unterschiedliche Erbgänge: eine autoso-
mal dominate Form (EVR1) (Criswick-Schepens-Syn-
drom) durch Mutation im FZD4-Gen. Darüber hinaus
11.3.2 Einleitung werden EVR3, EVR4 und EVR5 unterschieden, die durch
Mutationen im LPR5-Gen oder TSPAN12-Gen verur-
Bei der familiär exsudativen Vitreoretinopathie (FEVR) sacht werden. Eine X-choromosomale Form der fami-
handelt es sich um eine familiär gehäuft auftretende, liär exsudativen Virtreoretinopathie (EVR2) ist durch
beidseitige primär vaskuläre vitreoretinale Erkrankung. eine Mutation im NDP-Gen verursacht. Ein Schluss aus
Sie kann ein vielfältiges klinisches Bild zeigen, das je nach dem klinischen Bild auf die zugrunde liegende geneti-
Stadium der Erkrankung und Alter des Patienten von sche Veränderung ist bislang nicht möglich.
einer asymptomatischen avaskulären Zone in der tempo-
ralen Netzhautperipherie bis hin zu komplexen Netzhaut-
ablösungen mit deutlicher Visuseinschränkung reichen Die Inzidenz der Erkrankung liegt im asiatischen Raum
kann. Verschiedene Mitglieder einer Familie können sehr wesentlich höher als in Europa und in Nordamerika.
unterschiedliche klinische Ausprägungen zeigen. Auf- So treten in Taiwan und Japan 13 bis 20% der Netz-
grund des vielfältigen klinischen Erscheinungsbildes und hautablösungen im Alter bis zu 15 Jahren im Rahmen
der häufig asymptomatischen Verläufe wird die Erkran- einer FEVR auf. Männer und Frauen sind in etwa gleich
11 kung oft unterdiagnostiziert bzw. nicht korrekt erkannt, häufig betroffen. Die Erkrankung weist eine fast 100%ige
obwohl sie eine fast 100%ige Penetranz aufweist. Penetranz auf, aber die klinische Ausprägung ist sehr va-
Die Erstbeschreibung der familiär exsudativen Vi- riabel. Die Vererbung erfolgt meist autosomal dominant.
treoretinopathie (FEVR) erfolgte im Jahr 1969 durch Zusätzlich sind auch X-chromosomal vererbte sowie au-
Criswick und Schepens. Sie berichteten über sechs Fälle tosomal rezessive Formen beschrieben. Außerdem kom-
einer peripheren Vitreoretinopathie ähnlich der Frühge- men Spontanmutationen ohne familiäre Häufung vor
borenenretinopathie (ROP) aber bei reifen Neugebore- (⊡ Tab. 11.3).
nen ohne vorangegangene Sauerstofftherapie mit familiä- Letztlich lassen sich die Veränderungen auf Störun-
rer Häufung. 1976 wurde durch Canny und Oliver mittels gen im Bereich der Wnt-Signalkaskade (D.-melanogaster-
Fluoreszenzangiographie eine periphere avaskuläre Zone wingless-Homolog) zurückführen. Das Resultat eines feh-
als pathognomonisches Zeichen der frühen Krankheits- lerhaften Wnt-Signalweges ist letztlich eine pathologische
stadien beschrieben. In gleicher Weise gelang Ober und Gefäßentwicklung, die für die Organogenese des Auges
Bird die Identifikation subklinischer Fälle mittels Fluo- und die Differenzierung retinaler Strukturen verantwort-
reszenzangiographie. Die Erstbeschreibung des verant- lich ist. Zur Veranschaulichung ist der vereinfachte Wnt-
wortlichen Genes erfolgte 1992 durch Li. Bis heute sind Signalweg in ⊡ Abb. 11.8 dargestellt.

⊡ Tab. 11.3 FEVR-Genetik. Gene und Mutationen

Genname Gen- Chromo- Exons Amino- Mutationen FEVR-assoziierte Erst-


symbol som säuren insgesamt Mutationen beschreibung

Frizzled-4 FZD4 11q14.2 2 537 38 35 2002

Low-density lipoprotein recep- LRP5 11q13.2 23 1615 98 24 2004


tor-related protein 5

Norrie disease pseudoglioma NDP Xp11.3 3 133 126 10 1992

Tetraspanin 12 TSPAN12 7q31.31 8 305 9 9 2010


11.3 · Familiär exsudative Vitreoretinopathie
259 11
Für frizzled-4 (FZD4; Wnt-Rezeptor) und für »low- und FZD4 als Liganden- und Rezeptorpaar fungieren.
denisity-lipoprotein receptor-related protein« (LRP5; Wnt- Dies wurde belegt
Corezeptor) konnte nachgewiesen werden, dass Mutationen 1. durch die Ähnlichkeit des vaskulären Phänotyps
in den zugehörigen Genen eine FEVR auslösen können. In von Norrin- und FZD4-Mutationen bei Maus und
diesem Zusammenhang scheint ebenfalls das Norrin-Gen Mensch,
(NDP) als Ligand des Wnt-Rezeptors von Bedeutung zu 2. durch die Spezifität und hohe Bindungsaffinität von
sein. In die Gruppe der Erkrankungen mit NDP-Gendefek- Norrin-FZD4,
ten gehören verschiedenste andere vaskuläre Erkrankungen 3. durch die hohe Effizienz mit der Norrin eine FZD4-
wie die Norrie-Erkrankung (ND), »X-linked familial exu- und Lrp-abhängige Aktivierung des klassischen Wnt-
dative vitreoretinopathy« (XL-FEVR) und der persistie- Signaltransduktionswegs induziert und
rende hyperplastische primäre Glaskörper (PHPV), die in 4. durch die Signaltransduktionsdefekte, die durch
 Abschn. 11.3.6 Differentialdiagnose diskutiert werden. krankheitsassoziierte Varianten von Norrin und
Frizzled-4 (FZD4) ist ein Wnt-Rezeptor. Norrin, das FZD4 verursacht werden.
Proteinprodukt des Norrie-Gens und ein sezerniertes
Protein mit unbekannter biochemischer Funktion. In ei- Die zelluläre Expression von Norrin und FZD4 in der
nem Mausmodell konnte gezeigt warden, dass Norrin Netzhaut ist bislang nur unzureichend untersucht. Das

Familiäre exsudative Vitreoretinopathien


(FEVR)

Nichtsyndromale FEVR Syndromale FEVR


(ohne exraokuläre Symptomatik) (mit extraokulärer Symptomatik)

Autosomal dominante FEVR Autosomal rezessive, syndromale FEVR


(Gene: FZD4 (EVR1), TSPAN12 (EVR5)) Osteoporose Pseudogliom Syndrom, OPPG
(Gen: LRP5)

Autosomal rezessive FEVR Geschlechtsgebundene syndromale FEVR


(Gen: LRP5 (EVR4)) Morbus Norrie, Norrie Krankheit
(Gen: NDP)
Geschlechtsgebundene FEVR
a (Gen: NDP (EVR2))

EVR

NDP (13%)
geschlechtsgebunden
(kann mit Taubheit und
geistiger Behinderung
assoziiert sein) FZD4 (44%)
dominant

TSPAN12
b (12%)
dominant

LRP5 (31%)
rezessiv
⊡ Abb. 11.8 Genetik und molekulare Grundlagen der FEVR. a Über- (kann mit Osteoporose
c
sicht. b Schematische Darstellung des Wnt-Signalweges. c Prozentu- assoziiert sein)
aler Anteil von Mutationen in den vier Genen FZD4, LRP5, NDP und
TSPAN12, die bei Patientinnen und Patienten mit exsudativer Vitreo-
retinopathie gefunden wurden
260 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

weiblich Geschwister
männlich Cousinen
Überträger

Patient 2 ( w, 12 J):
subretinale Exsudate mit
abnormen Gefäßen in der
inferioren Hemisphäre
Best korrigierter Visus rechts: 0,02

Patient 6 (m, 3,5 Jahre ):


Temporal verzogene Papille, vitreoretinale
Adhäsion und retinale Falte
Visus links: Fingerzählen

Patient 3 ( w, 11J):
temporale retinale Falte,
fibrovaskuläre Masse und Patient 5 (m,7J):
subretinale Exsudate nach temporal verzogene Gefäße
Visus rechts: 0,05 Visus links: 0,3

11 ⊡ Abb. 11.9 Unterschiedliche klinische Ausprägung der Erkrankung bei verschiedenen Mitgliedern einer Familie

Gen für die autosomal dominant vererbte FEVR (Cris- suchung als diagnostisches Mittel zur Verfügung, um
wick-Schepens-Syndrom) konnte 1992 auf dem langen Merkmalsträger frühzeitig zu erkennen. Somit könnte bei
Arm von Chromosom 11 (11q14-q21) lokalisiert warden. Nachweis einer Mutation die klinische Symptomatik die-
Der Hauptlokus (EVR1) wurde in 4 nordeuropäischen ser extrem variabel ausgeprägten Erkrankung regelmäßig
Familien und einer asiatischen Familie nachgewiesen. kontrolliert und rechtzeitig behandelt werden. Mitglie-
Die autosomal dominante FEVR wird, wie auch eine Un- dern der Familie, die die Mutation nicht geerbt hätten,
terform der ROP, durch Mutationen im FZD4-Gen verur- blieben hingegen jahrelange Kontrollen erspart.
sacht. Mutationen des NDP-Genes sind für ca. 6% der FE-
! Cave!
VR-Fälle der Bevölkerung verantwortlich (⊡ Abb. 11.8b).
Rechtlich und moralisch ergibt sich hier jedoch
Der okuläre Phänotyp kann sogar innerhalb einer Familie
ein Problem, da die Offenlegung des genetischen
variieren. In einer Familie kann dabei das klinische Bild
»Geheimnisses« bei nicht einwilligungsfähigen,
von unilateralen subtotalen Netzhautabläsungen zu ei-
minderjährigen Kindern bei einer präsymptomati-
ner langsam voranschreitenden Traktionsamotio bis zu
schen genetischen Untersuchung eine potenzielle
mildern peripheren Veränderungen reichen (⊡ Abb. 11.9,
Verletzung der Persönlichkeitsrechte darstellt.
⊡ Abb. 11.10). Missense-Mutationen im C-Terminus sind
möglicherweise mit einem milderen Phänotyp assoziiert,
jedoch in Ausnahmen auch bei schweren okulären Phä-
notypen zu finden. Die meisten Mutationen sind Einzel- 11.3.4 Pathogenese
basendefekte in der Kodierungsregion des NDP.
Auch wenn die genaue Aufarbeitung der betroffenen Praxistipp I I
Gene für den Kliniker zunächst nicht relevant erscheint, Die Avaskularität ist die primäre Ursache für die Verän-
so wird ihr in Zukunft vielleicht umso mehr Bedeutung derungen der Gefäße und sekundäre Veränderungen
zukommen. Wäre beispielsweise in betroffenen Familien des Glaskörpers.
das mutierte Gen bekannt, so stünde die DNA-Unter-
11.3 · Familiär exsudative Vitreoretinopathie
261 11

Patient 1 ( m, 16 J):
Temprale Verziehung der Gefäßstraße
und Glaskörperversichtungen

Patient 3 ( m, 18 J): Visus 0,2


Partnerauge rechts mit temporaler
Verziehung und Glaskörperverdich-
tungen. Peripher avaskuläre Zone
Visus rechts: 0,8
Patient 2 ( m, 18 J): Mutter (Konduktorin) und
Stadium V mit vollständiger Amotio. Peripher gesunde Schwestern:
deutliche Gefäßanomalien mit Glaskörpersegeln alle Visus 1,0
Visus links: Lichtschein, Partnerauge 0,3

⊡ Abb. 11.10 X-chromosomal rezessive Vererbung einer Familie. Die männlichen Nachkommen zeigen eine einseitig stärker ausgeprägte
Erkrankung mit ausgeprägten subretinalen Exsudationen (Abb. 11.15)

Es ist anzunehmen, dass die peripher avaskuläre Zone die chirurgischer Entfernung trotz Beseitigung der periphe-
primäre Anomalie der FEVR ist und durch eine krank- ren Proliferationen nach Laserkoagulation widerlegt. Ein
hafte retinale Angiogenese bedingt wird. Verlust retinaler Ganglionzellen ist auch beschrieben.
Die Unfähigkeit zur Vaskularisation der peripheren Die makuläre Traktion ist Folge einer Kontraktion
Netzhaut ist die gemeinsame Pathologie aller betroffenen mesenchymaler Elemente an der avaskulären Grenze
Individuen. Eine schmale avaskuläre Zone bleibt in der Re- oder der fibrovaskulären Masse, die sich anterior dersel-
gel asymptomatisch. Die sekundären Veränderungen wie ben ausbildet. Meist ist die vitreomakuläre Traktion in
die vaskuläre Hyperpermeabilität, Neovaskularisation und der temporalen Peripherie lokalisiert, dem Bereich der
Glaskörperblutungen, vitreoretinale Traktion, retinale Fal- größten Ischämie.
ten und retinale Ablösungen durch Traktionsforamina sind Die Gefäßproliferationen an der Grenze zu den isch-
letztlich visuslimitierend und entwickeln sich als Folge der ämischen Bereichen entstehen aus präexistierenden Ge-
retinalen Ischämie als Resultat der Avaskularität. fäßen und bilden kölbchenförmige Verdickungen oder
Die retinale Vaskulopathie als primäre Schädigung ausgezogen erscheinende Aussackungen, die angiogra-
resultiert also in sekundären fibrotischen Veränderungen phisch eine Gefäßleckage aufweisen. Ist die avaskuläre
und Proliferationen. Frühere Theorien, die die vitrealen Zone in der Peripherie groß genug, so entstehen Neovas-
Veränderungen als primäre Pathologie hervorgehoben kularisationen an der Grenze und peripher fibrovaskuläre
hatten, konnten widerlegt werden. Die fibrösen Proli- Veränderungen.
ferationen sind eine Folge der chronischen peripheren Subretinale Exsudate sind mit einer Progression ver-
Gefäßleckage. Diese Theorie wird jedoch durch die Beob- gesellschaftet. Die abnormen peripheren Gefäße sind un-
achtung eines sekundären Wiedereinwachsens von zwie- dicht und ermöglichen die Extravasation größerer Men-
belschalenartigen Glaskörpermembranen nach deren gen von Flüssigkeit und Lipiden. Es ist wahrscheinlich,
262 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

Stadium 1:
Vorhandensein einer avaskulären Zone,
typischerweise in der temporalen Peripherie

Stadium 2:
peripher extraretinale Neovaskularisationen
(A) ohne subretinale Exsudate; (B) mit Exsudaten

Stadium 3:
subtotale Netzhautablösung mit Makula-Anlage
(A) ohne subretinale Exsudate, (B) mit Exsudaten

11

Stadium 4:
subtotale Netzhautablösung mit Makulaeinschluss
(A) ohne subretinale Exsudate, (B) mit Exsudaten

a
Stadium 5:
totale Netzhautablösung mit offenem oder
geschlossenem Tunnel

⊡ Abb. 11.11 Klinisches Erscheinungsbild


entsprechend der Pendergast-Stadien.
a Schematische Darstellung. b Klinische
Bilder
11.3 · Familiär exsudative Vitreoretinopathie
263 11
Stadium 1: Präsenz
einer avasulären
Zone, typischerweise
in der temporalen Peripherie

Stadium 2 B: peripher
avaskuläre Zone
mit extraretinalen
Neovaskularisationen

Stadium 4 B: subtotale
Netzhautablösung mit Foveabeteiligung

Stadium 5:
vollständige Netzhautablösung mit einem
offenen oder geschlossenen Tunnel

b
264 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

dass die Masse der Exsudate aus den abnorm dilatierten Abnormitäten der retinalen Gefäße sind im Norrie-
und gestreckten Gefäßen in der Peripherie und nicht aus Mausmodell beschrieben. Studien im Knock-out-Maus-
den Neovaskularisationen selbst stammen. ⊡ Abb. 11.11 modell (Ndp y/-) zeigte eine frustrane retinale Vaskulari-
zeigt, dass subretinale Exsudate in Anwesenheit abnor- sation und ein vollständiger Verlust der tiefen Kapillaren
mer Gefäße, aber ohne Neovaskularisation bestehen kön- der Netzhaut (übrigens auch der Gefäße der Stria vasku-
nen. Die Pathologie der FEVR besteht also aus peripherer laris der Cochlea). NDP scheint zudem eine Rolle in der
Ischämie, Neovaskularisation und einem abnormen Ge- retinalen Gefäßentwicklung zu haben. Untersuchungen
fäßbett. in knock-out Mäusen (Ndp y/) zeigen eine vollständige
Histopathologisch zeigen sich Ähnlichkeiten zu ande- Reversibilität der Pathophysiologie durch eine ektope
ren peripheren Vaskulopathien wie dem Morbus Coats. Norrinsekretion über einen Linsen-spezifischen Promo-
Eine typische Besonderheit sind die zwiebelschalenarti- ter. Ein direkt stimulierender Effekt von Norrin auf die
gen Glaskörpermembranen bei der FEVR. retinalen Ganglienzellen konnte auch gezeigt werden.
Die Hypothese, dass das Norrin-Fdz4-Signaltrans-
Praxistipp I I duktionssystem eine zentrale Rolle in der Signaltrans-
Histopathologische Charakteristika der FEVR duktion des Auges (und Ohres) spielt, stammt ebenfalls
(⊡ Abb. 11.12): aus Untersuchungen im Mausmodell. Mutante Mäuse mit
▬ Verdickte Netzhaut mit dilatierten, teleangiektati- einem Defekt in einem Wnt-Rezeptor, frizzled-4 (Fzd4),
schen Blutgefäßen haben Defizite in der retinalen Vaskularisation ähnlich zu
▬ Gefäßwände sind verdickt und können perivasku- denen bei den Norrie-knockout Tieren (Ndp y/-). Nor-
läre Infiltrate zeigen rin und Fzd4 fungieren als ein hoch affines Liganden-
▬ Intraretinale und subretinale Entzündung im Sinne Rezeptor-Paar. Norrin induziert eine Fzd4- und LRP5-
einer Kumulation von Makrophagen und neutro- abhängige Aktivierung des klassischen Wnt-Weges, der
philen Granulozyten. eine Rolle bei der endothelialen Proliferation und dem
▬ Zellhaltige und azelluläre Glaskörpermembranen Überleben von Endothelzellen spielt. Defekte der Wnt-
ausgehend aus der retinalen Glia. Diese müssen Signalkaskade beeinflussen die okuläre Entwicklung und
11 chirurgisch scharf von der Netzhaut abgetrennt das Wachstum und sind vermutlich wichtig in den patho-
werden und können nicht gepeelt werden. biologischen Prozessen, die sowohl dem Norrie-Disease
▬ Keine retinale Dysplasie (DD: Norrie Disease) als auch der FEVR zu Grunde liegen. Genexpressionsstu-
dien in Ndph-knockout Mäusen haben eine veränderte
Expression von Plvap und Slc38a5 sowie des ektopen
Es bestehen verschiedenste Untersuchungen in Mausmo- Plvap in der Netzhaut gezeigt, jedoch fehlen noch weitere
dellen des NDP- und Wnt-Signaltransduktionsweges, die Studien, die die biologischen Effekte dieser Veränderun-
Aufschlüsse auf die retinale Pathologie erlauben. gen zeigen. Das Genprodukt des Ndp-Gens, Norrin, setzt
sich aus 133 Aminosäuren zusammen und ist ein Mitglied
einer Familie von Wachstumsfaktoren, die auch »trans-
forming-growth factor beta« (TGF-β) beinhalten. mRNA
Lokalisation mittels In-Situ-Hybridisierung konnte eine
Expression in der äußeren Körnerschicht, der inneren
Körnerschicht und der Ganglienzellschicht zeigen.

11.3.5 Symptomatik und klinisches Bild/


Diagnose

Praxistipp I I
▬ Visus
– >0,5 = 71%
– 0,1-0,5 = 13%
– <1/50 = 16%
⊡ Abb. 11.12 Histologisches Erscheinungsbild der peripheren Netz-
haut. Die retinale Struktur ist verloren. Es zeigen sich verschiedene ▬ Häufig asymptomatische Genträger
Kapillaren mit verdickten Gefäßwänden, die mit Lymphozyten infilt- ▬ Avaskuläre Sichel in der temporalen Peripherie
riert sind und von inflammatorischen Zellen umgeben werden. (Aus ▼
Joussen AM, Kirchof B 2007)
11.3 · Familiär exsudative Vitreoretinopathie
265 11
bei der Mehrheit der Genträger keine Einschränkung des
▬ Abbruch der retinalen Blutgefäße am temporalen visuellen Visus feststellbar. Die Sehschärfe beträgt in 71%
Äquator der Patienten mehr als 0,5, in 13% zwischen 0,1 und 0,5
▬ Gefäßkaliber in der Peripherie dicker als normal und in 16% der Patienten Metervisus (weniger als 1/50).
▬ Gefäßektasie, Aneurismen Die Erkrankung ist bilateral, aber häufig asymetrisch.
▬ Deformierung der Gefäßstämme zentral (enger Welche Rolle hierbei der Vererbungsmodus spielt, ist bis-
Winkel κ) lang nicht untersucht. Eine frühe Manifestation ist häu-
▬ Ektopie der Makula mit nach temporal verzogenem fig mit einer Progression verbunden; eine Exotropie in
Gefäßbaum den frühen Lebensjahren kann ein erstes Symptom sein.
▬ Subretinale Exsudate Alsheikheh und Mitarbeiter haben zwei konsanguine Fa-
▬ Lokale Pigmentierungen, Hämorrhagien, retinale milien untersucht, die verschiedene Krankheitsstadien
Atrophien aufwiesen (⊡ Abb. 11.9). Während Patient 5 und 6 nur
▬ Zwiebelschalenartige Glaskörpermembranen subklinische Veränderungen zeigten, sind bei Patient 2
▬ Retinoschisis, falziforme Netzhautfalten, Ablatio und 3 subretinale Exsudate und eine Krankheitsprogres-
retinae (traktiv, teils rhegmatogen) sion zu sehen.
Bei einem Vater zeigt sich eine temporale Gefäßver-
ziehung, die beim Sohn sogar mit einer traktiven Abhe-
Häufig verursacht die Erkrankung gar keine Beschwerden bung und pathologischen Gefäßen mit Netzhautdistanz
und wird deshalb oft nicht richtig diagnostiziert. So ist verbunden waren (⊡ Abb. 11.13).

Vater:
Voller Visus,
lediglich peripher
Degenerationsbeete,
Gefäßabbrüche

Sohn (13 Jahre): subretinale Exsudate mit abnormen Gefäßen in der temporalen Peripherie Visus rechts 0,8, links: 0,4

Sohn 8 Jahre später


jetzt 21Jahre alt: Konstanter Visus und
gleichbleibender Befund

⊡ Abb. 11.13 Autosomal dominante Form: Erkrankung


bei Vater (a) und Sohn (12 Jahre) (b) in unterschiedlicher
Ausprägung. In beiden Fällen fehlt die Krankheitspro-
gression, obwohl die peripheren Gefäße traktiv abge-
hoben sind, hat sich über einen Zeitraum von 8 Jahren
keine Veränderung ergeben (c). Eine Therapieindikation
c
besteht nicht.
266 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

Eine Familie mit X-chromosomal rezessivem Erbgang Peripherie bis über die Makula zieht und zu einer trakti-
zeigte bei allen Söhnen eine nahezu einseitige Erkran- ven Netzhautablösung führen (sog. falziforme Amotio).
kung, die bereits im Jugendalter sehr weit fortgeschrittene Ein weiteres typisches Merkmal der FEVR sind die
Stadien mit subretinalen Exsudaten, die zu behandlungs- schwiebelschalenartig strukturierten Glaskörperschlie-
bedürftigen traktiv-rhegmatogenen Amotiones in 2 Fäl- ren, die gliös in die Netzhaut inserieren und die traktiven
len geführt hat (⊡ Abb. 11.10). Kräfte auf die Netzhaut verstärken können.
Pathognomonisch ist ein abruptes Ende der termina- Rhegmatogene Netzhautablösungen entstehen durch
len Vaskularisation der Netzhaut in der temporalen Peri- Foramina bei starkem Zug in der Regel in der mittleren
pherie. Die avaskulären Areale mit variabler Distanz zur Peripherie, wo stets eine pathologische Glaskörperadhä-
Ora serrata sind häufig funduskopisch schon sichtbar, eine renz besteht. Die retinalen Foramina können dabei durch
Fluoreszenzangiographie zeigt den Gefäßabbruch. Die Ge- epiretinale Membranen verschleiert werden. Die Unter-
fäße in den angrenzenden Bereichen zu dieser avaskulären scheidung zwischen einer rhegmatogenen und einer trak-
Zone sind häufig teleangiektatisch und mikroaneurysma- tiven Amotio ist jedoch von großer Bedeutung. Während
tisch verändert und enden in multiplen arteriovenösen traktive Amotiones meist nur langsam voranschreiten
Anastomosen. Zudem bilden sich an der Grenze zwischen und eine chirurgische Versorgung nur bei Bedrohung der
vaskularisierter und nicht vaskularisierter Netzhaut oft Makula zwingend erforderlich ist, schreiten rhegmato-
Neovaskularisationen aus. (⊡ Abb. 11.11). Häufig ist in der gene Netzhautablösungen schnell voran und benötigen
Fluoreszeinangiographie eine Leckage aus diesen patholo- daher eine zügige operative Versorgung. Auch bei fehlen-
gisch veränderten Gefäßen nachweisbar. dem sichbaren Foramina kann die klinische Unterschei-
Die mittelperipheren Gefäße verlaufen häufig aty- dung dadurch erfolgen, dass nur die rhegmatogene Form
pisch gestreckt und sind verdickt. bullös erscheint, nicht dagegen eine traktive Amotio.
Diese Gefäßmalformation ist allein keine Ursache Van Nouhuys berichtet über die FEVR als einen häu-
für eine Progression. Der in ⊡ Abb. 11.13 gezeigte Patient figen Grund für juvenile Netzhautablösungen. Während
zeigte keine Progression der Netzhautdistanz noch der falziforme Falten und totale Netzhautablösungen mit
retinalen Gefäßpathologie über einen Beobachtungszeit- retrolentaler Organisation hauptsächlich in den ersten
11 raum von 8 Jahren. zehn Lebensjahren auftreten, sind rhegmatogene Netz-
Bei ausgeprägter Gefäßleckage entstehen fibrovasku- hautablösungen meist in der 2. und 3. Lebensdekade zu
läre Massen. finden. Glaskörperblutungen treten nur selten bei der
Funduskopisch erkennbare, gelbliche Exsudate kön- Erkrankung auf und deuten wenn auf ein spätes Stadium
nen sich insbesondere um die pathologischen Gefäße bil- des natürlichen Krankheitsverlaufes mit Netzhautablö-
den. Exsudate bestehen bei 9-22% der Patienten. Sie kön- sung und Phthisis bulbi hin.
nen in jedem Stadium der Erkrankung intra- oder subre- Andere klinische Zeichen sind eine Myopie, peri-
tinal auftreten. Aus der Präsenz von Exsudaten leiten sich phere Weiß-ohne-Druck- und Weiß-mit-Druck-Areale,
therapeutische Konsequenzen ab: Während betroffene periphere zystoide Degenerationen, periphere Schnee-
Augen ohne Exsudate nur selten von einem Fortschreiten flocken und Glaskörperverdichtungen (⊡ Abb. 11.11) und
der Erkrankung betroffen sind, sollten alle Augen mit Ex- selten auch die Retinoschisis.
sudaten behandelt werden, um eine Progredienz zu ver- Der vordere Augenabschnitt ist bei der Erkrankung
hindern ( Abschn. 11.3.7 Therapie). In fortgeschrittenen nur selten beteiligt. Dennoch treten in fortgeschrittenen
Stadien vergrößern sich die subretinaen Exsudate. Stadien von schwer betroffenen Augen mit chronischer
Sie können den Ziliarkörper und die periphere Lin- Netzhautablösung Katarakte, bandförmige Keratopathien
senkapsel mit umschließen. Je nach Schweregrad der und Sekundärglaukome auf. All diese Komplikationen
Exsudationen können sich seröse Netzhautablösungen können dabei auch durch vorangegangene chirurgische
entwickeln. Therapien verursacht oder verschlechtert worden seien.
Ebenfalls typisch für die Erkrankung ist die Hete- Eine mögliche Klassifikation des Krankheitsbil-
rotopie der Makula mit nach temporal verzogenem Ge- des ist die Einteilung nach Miyakabi und Hashimoto
fäßbaum bei verkleinertem Winkel Kappa ähnlich einer (⊡ Tab. 11.4). Während diese Klassifikation vor allem auf
Frühgeborenenretinopathie (⊡ Abb. 11.11). Dies kann bei die frühen vaskulären Veränderungen der Erkrankung
50% der Genträger beobachtet werden. In Abhängigkeit fokussiert, eignet sich für die fortgeschrittenen Stadien
von der Neovaskularisationsaktivität können sich fibro- mit fibrovaskulären Komplikationen besser die Einteilung
vaskuläre Membranen entwickeln, die die großkalibrigen nach Pendergast (⊡ Tab. 11.5). Die Stadieneinteilung nach
arteriellen und venösen Gefäßen einschließen. Die trakti- Pendergast ist dabei hilfreich zur Therapieentscheidung,
ven Kräfte können zur Bildung einer prominenten retina- da Stadien mit Exsudaten einer Therapie bedürfen. Sche-
len Falte (⊡ Abb. 11.11), die keilförmig aus der temporalen pens selbst bemerkte, dass sich die Erkrankung aufgrund
11.3 · Familiär exsudative Vitreoretinopathie
267 11
der klinischen Vielfalt und der variablen Symptome und Visusverlust nach der zweiten oder dritten Lebensdekade
Verläufe nicht für eine Klassifikation eignet. ist selten und beruht meist auf einer rhegmatogenen
Retinale Falten, die sich im Säuglingsalter oder der Netzhautablösung oder später peripherer Exsudation.
Kindheit manifestieren, können sowohl schnell als auch Traktive Amotiones schreiten meist eher langsam voran.
langsam fortschreiten oder stabil bleiben, abhängig da- Gelegentlich entwickelt sich ein fibröser Macular Pucker
von, ob eine vaskuläre Leckage vorliegt oder nicht. Ein der Traktion und Visusminderung verursachen kann.
In einer Serie von 170 untersuchten Augen in
16 Stammbäumen beobachtete Nouhuys
⊡ Tab. 11.4 Stadieneinteilung nach Miyakabo (1984) ▬ retinale Exsudate in 9%,
▬ Neovaskularisationen in 11%,
Stadium I Avaskuläre Zone weniger als 2 Papillendurch- ▬ periphere fibrovaskuläre Membranen in 6%,
messer von der Ora serrata entfernt, fokale arte-
riovenöse Shunts, keine Neovaskularisationen
▬ eine Heterotopie der Makula in 49%,
▬ retinale Falten in 8%,
Stadium II Avaskuläre Zone größer als 2 Papillendurch-
▬ Netzhautablösungen in 21% und
messer und mehr arteriovenöse Shunts
▬ Glaskörperblutungen in 2% der Fälle.
Stadium III V-förmiger Keil in der avaskulären Zone zwi-
schen den oberen und den unteren temporalen
Gefäßarkaden
11.3.6 Klinische Differentialdiagnose
Stadium IV Zusätzlich Neovaskularisationen einschließlich
»sea fans«

Stadium V Narbenstadium
Praxistipp I I
Die klinische Differentialdiagnose umfasst die Frühge-
borenenretinopathie (ROP), M. Norrie, Incontinentia
pigmenti, M. Coats, M. Eales sowie den persistierenden
⊡ Tab. 11.5 Stadieneinteilung nach Pendergast (1998) hyperplastischen primären Glaskörper (PHPV).
Stadium 1 Vorhandensein einer avaskulären Zone, typi-
scherweise in der temporalen Peripherie
Die Differentialdiagnosen der FEVR umfasst eine Vielzahl
Stadium 2 Periphere avaskuläre Zone und extraretinale
Neovaskularisationen
von Erkrankungen der peripheren retinalen Gefäße in der
Kindheit und unterscheidet sich je nach Erkankungssta-
Stadium 3 Subtotale Netzhautablösung, Makula anliegend
dium. Wichtige Differentialdiagnosen bei FEVR sind die
Stadium 4 Subtotale Netzhautablösung, Makula nicht Frühgeborenenretinopathie (ROP,  Kap. 9), der M. Coats
anliegend ( Abschn. 11.2), M. Eales ( Abschn. 14.1), die Incontinen-
Stadium 5 Totale Netzhautablösung mit offenem oder ge- tia pigmenti (IP) und der M. Norrie sowie ein persistie-
schlossenem Trichter render hyperplastischer primärer Glaskörper (PHPV). Zur
Stadium 2-4 sind werden zusätzlich unterschieden in A: ohne Exsudate einfacheren Übersicht wurden die Differentialdiagnosen
B: mit Exsudaten und Symptome in ⊡ Tab. 11.6 und ⊡ Tab. 11.7 dargestellt.

⊡ Tab. 11.6 Differentialdiagnose bei peripheren retinalen Gefäßerkrankungen im Kindesalter

FEVR ROP IP M. Norrie PHPV M. Coats M. Eales


Geschlecht f=m f=m f m f=m m m
Vererbung AD,AR,XR - XD XR - - -
Frühgeburtlichkeit - + - - - - -
Uni-/bilateral Bilateral Bilateral Bilateral Bilateral Unilateral Unilateral Unilateral
Mikrophthalmus - - - +/- + - -
Periphere avaskuläre Zonen + + + + - + +
Netzhautablösung + + + + +/- + -/+
Periphere retinale Exsudation + - / (+) - - - + -
Systemische Assoziation - +/- + + - - +

f weiblich; m männlich; AD autosomal dominant; AR autosomal rezessiv; XD x-chromosomal dominant; XR x-chromosomal rezessiv
268 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

kung, die X-chromosomal dominant vererbt wird (homo-


⊡ Tab. 11.7 Differentialdiagnosen
zygot/hemizygot letal). Männliche Patienten wurden aus
Symptome / okuläre Erkrankungen diesem Grunde nur wenige beschrieben (Karyotyp XXY).
Manifestation Die Hautveränderungen sind von großer diagnostischer
Avaskuläre retinale ROP Relevanz, orientieren sich entlang der Blaschko-Linien
Peripherie (Kindheit) Incontinentia pigmenti und zeigen gemäß der klassischen Einteilung einen cha-
FEVR rakteristischen Verlauf durch progressive Krankheitssta-
Vollständige Amotio ROP dien. Die meisten betroffenen Kinder weisen einen Ent-
(Kindheit) PHPV wicklungsrückstand auf, neurologische Symptome zeigen
Norrie Erkrankung sich in ca. 30% der Fälle mit Epilepsien und Spastik. Die
Incontinentia pigmenti
okulären Symptome äußern sich früh in einem Strabis-
X-chrom. juvenile Retinoschisis
mus. Die retinale Dysplasie führt häufig zu Netzhautab-
Retinale Falte ROP lösungen, Uveitis, Keratitis, Katarakt, Pigmetretinopathie,
PHPV und schließlich dem Bild einer retrolentikuären Fibropla-
M. Norrie
Incontinentia pigmenti
sie. Histologisch ähnelt das Bild dem der FEVR mit einer
X-chrom. juvenile Retinoschisis perivaskulären Entzündung. Ursache der Inkontinentia
Toxocariasis Pigmenti sind Mutationen im NEMO/IKK-gamma-Gen,
FEVR das für eine wichtige Komponente im Signalweg des »nu-
Periphere Neovaskularisa- Sichelzellretinopathie clear factor-kappa B« (NF-kB) kodiert.
tionen (Erwachsene) M. Eales Die Norrie-Krankheit (M. Norrie) ist eine X-chromoso-
Pars planitis mal rezessiv vererbte Form angeborener Blindheit. Es sind
Angiomatosis retinae
also in der Regel männliche Betroffene. Die Erkrankung
Intra- und subretinale M Coats geht mit progressiver Schwerhörigkeit und in manchen
Lipidexsudation Angiomatosis retinae Fällen mit geistiger Behinderung einher. Etwa 30-50% der
Pars planitis männlichen Erkrankten zeigen Verhaltensauffälligkeiten
11 FEVR
und kognitive Defizite. Die Norrie-Erkrankung wird durch
Mutationen im NDP-Gen (Norrie disease pseudoglioma)
verursacht. Die große klinische Variabilität selbst zwischen
Die ROP kann zum einen leicht durch die Frühge- verwandten Patienten, die dieselbe Mutation tragen, deutet
burtlichkeit bzw. eine vorangegangene Sauerstofftherapie auf eine mögliche Beteiligung weiterer modifizierender
abgegrenzt werden, zum anderen folgt sie einem gänzlich Krankheitsfaktoren oder Gene hin. Die okuläre Erkran-
anderen zeitlichen Verlauf. Während die ROP entweder kung ist in der Regel bilateral. Charakteristisch ist eine
weiter bis zur Netzhautablösung und Vernarbung fort- bereits zum Zeitpunkt der Geburt bestehende oder sich in
schreitet oder aber die Periphere vaskularisiert, bleibt die den ersten Lebensmonaten ausbildende Netzhautablösung.
avaskuläre Zone der FEVR in der Regel über das ganze Der vordere Augenabschnitt kann bei Geburt zunächst un-
Leben konstant. Mutationen im NDP-Gen konnten in 4 auffällig sein, die Netzhaut stellt sich als gelblich glänzende
von 16 Kindern mit fortgeschrittener ROP gezeigt wer- Masse dar, die als »Pseudogliom« aufgrund ihrer Ähn-
den. Das wirft die Frage auf, ob NDP-Mutationen einen lichkeit mit Tumoren bezeichnet werden. Der M. Norrie
Norrie-Disease ähnlichen Phänotyp in Frühgeborenen betrifft primär die retinalen Neurone, was mithilfe elekt-
begünstigen kann. Eine Studie von 102 Frühgeborenen rophysiologischer Untersuchungen nachgewiesen werden
zeigte nur Polymorphismen und keine Phänotyp-asso- kann. Veränderungen im Bereich des vorderen Augenab-
ziierten NDP Mutationen. Hutcheson und Mitarbeiter schnittes mit Kataraktbildung, Hornhauttrübungen und
untersuchten 54 Kinder mit schwerer ROP (Stadium III Bandkeratopathie sind sekundär.
oder schlechter) aus verschiedenen ethnischen Hinter- Beim Morbus Eales (Angiopathia retinae juvenilis,
gründen und zeigten 5-Sequenz-Variationen in untrans-  Abschn. 14.1) handelt es sich um eine obliterative reti-
lated regions (UTR) von NDP. Eine klare Kausalität für nale Vaskulitis unklarer Genese. Die Erkrankung ist eine
diese NDP Polymorphismen in der Pathogenese der ROP beidseitige Gefäßerkrankung der Netzhaut, die gehäuft in
konnte bislang nicht nachgewiesen werden. der asiatischen Bevölkerung (vor allem in Indien und im
Bei fehlender systemischer Erkrankung kann mit ho- Nahen Osten) anzutreffen ist. Periphere ischämische Are-
her Wahrscheinlichkeit ein M. Norrie oder eine Inconti- ale und vaskuläre Anomalien sind auch beim M. Eales zu
nentia pigmenti ausgeschlossen werden. finden. Eine Verziehung des Gefäßbaumes nach temporal
Die Incontinentia pigmenti (Bloch-Sulzberger-Syn- jedoch nie. Zudem betrifft ein M. Eales typischerweise
drom) ist eine ausgesprochen seltene Multisystemerkran- junge Männer (Häufigkeitsgipfel 20-35 Jahre) und eine
11.3 · Familiär exsudative Vitreoretinopathie
269 11
familiäre Häufung ist nicht beschrieben. Die Pathoge- zipiell durch rezessive oder X-chromosomale Mutationen
nese ist weitgehend unklar. Im Gegensatz zur FEVR ist hervorgerufen werden können, oder sogar durch do-
die Störung der Wand peripherer Retinagefäße und der minante Neumutationen. Für die genetische Diagnostik
vielen Shuntgefäße nicht entzündlich. Es finden sich Ka- stehen gegenwärtig mehrere Gentests zur Verfügung, die
pillarverschlüsse, peripherere Neovaskularisationen und auf den Nachweis von Mutationen in vier verschiedenen
Einblutungen in den Glaskörper. Die mikrovaskulären Genen abzielen: FZD4, LRP5, NDP, TSPAN12. Die ge-
Störungen dominieren v.a. den Übergang zwischen per- netische Heterogenität erschwert dabei die verlässliche
fundierter und nichtperfundierter Retina. Klassisches Diagnostik. Es muss davon ausgegangen werden, dass
Zeichen ist eine Periphlebitis sowie Neovaskularisationen es zusätzlich Mutationen in anderen als diesen 4 Genen
mit teilweise rezidivierenden Glaskörperblutungen. Tu- gibt, die zu einer ähnlichen Symptomatik führen. Die kli-
berkulose oder entzündliche neuronale Erkrankungen als nische Symptomatik kann einen wichtigen Anhaltspunkt
Risikofaktoren Überempfindlichkeit gegen Tuberkulin) für eine gezielte genetische Diagnostik liefern, wie etwa
konnten nicht bewiesen werden ( Abschn. 14.1). beim Auftreten extraokulärer Symptome bei Patienten
Ein Morbus Coats kann durch die ebenfalls vorkom- mit einem Morbus Norrie oder dem OPPG-Syndrom
menden subretinalen Exsudate einer FEVR ähneln. Typi- (Osteoporosis-pseudoglioma syndrome). Auch der Ver-
scherweise zeigt sich aber auch hier keine Verziehung des erbungsmodus bzw. eine positive Familienanamnese
Gefäßbaumes. Proliferationen sind beim M. Coats nie an- kann wichtige Anhaltspunkte liefern. So sind beispiels-
zutreffen. Die betroffenen Gefäße sind teleangiektatisch, weise Mutationen in FZD4 und TSPAN12 dominant,
es finden sich fusiforme Dilatationen der venösen und während LRP5-Mutationen rezessiv vererbt werden. Sind
kapillären Gefäße. Die Lipidexsudate finden sich in der in einer Familie ausschließlich Männer betroffen, kann
Regel im Bereich der Makula oder im superotemporalen dies ein Hinweis auf eine geschlechtsgebundene, X-chro-
Quadranten. Eine starke Exsudation kann bis zu einer mosomal-rezessive Verebung sein. Mutationen im NDP
vollständigen Netzhautablösung führen. Komplikationen Gen werden X-chromosomal rezessiv vererbt. Die Mütter
sind eine Iridozyklitis, eine Katarakt oder ein Neovas- betroffener Knaben sind Überträgerinnen der Mutation,
kularisationsglaukom. Der M. Coats betrifft in 95% der selbst aber nicht von der Krankheit betroffen. Letzteres
Fälle nur ein Auge und in der Regel männliche Kinder gilt für die allermeisten Fälle, allerdings gibt es einige
(Jungen:Mädchen = 10:1). Eine systemische Beteiligung wenige Ausnahmen, die durch eine präferenzielle Inak-
findet sich in der Regel nicht ( Abschn. 11.2). tivierung des gesunden X-Chromosoms hervorgerufen
Bei starker Traktion in anterioposteriorer Richtung werden können.
kann eine FEVR auch das Krankheitsbild eines persistie- Die vier involvierten Gene stehen auch in einem funk-
renden hyperplastischen primären Glaskörpers (PHPV) tionellen Zusammenhang. Das NDP-Genprodukt, das als
imitieren. Beim PHPV findet sich eine dichte retrolentale Norrin bezeichnet wird, ist der Ligand der Rezeptoren
fibröse Platte mit Gefäßen, ausgehend von der persistie- Frizzled-4, LRP5 und Tetraspanin 12. Der Ligand Norrin
renden A. hyaloidea. Diese fibröse Platte steht im Kontakt und seine 3 Rezeptoren spielen eine wichtige Rolle in der
mit den ausgezogenen Ziliarzotten. In Mydriasis wer- molekularen Steuerung der Blutgefäßentwicklung in der
den diese pathognomonischen ausgezogenen Ziliarzotten Netzhaut und bei der Regression der hyaloiden Gefäße
sichtbar und erleichtern die klinische Differentialdiag- im Glaskörper.
nose gegenüber dem Retinoblastom. Die Linse zeigt oft Die Gene haben eine sehr unterschiedliche Größe
eine hintere Schalentrübung. In der Differentialdiagnose und kodieren auch für unterschiedlich große Proteine.
zur FEVR ist diese beidseitig, während der PHPV in der Das NDP-Gen besteht nur aus drei Exons, von denen der
Regel eine einseitige Erkrankung darstellt. Beim PHPV offene Leserahmen in den Exons 2 und 3 für 133 Amino-
liegt gewöhnlich mit ein Mikrophthalmus vor. säuren kodiert. Das Norrin-Protein enthält eine Signalse-
Eine retinale Dysplasie mit PHPV-ähnlichen Verän- quenz am N-Terminus, die 24 Aminosäurereste umfasst
derungen ist beim Walter-Warburg-Syndrom mit einer und für den exztrazellulären Transport verantwortlich
Lisenzephalie verbunden. Diese Erkrankung ist autoso- ist. Bisher sind mehr als 120 verschiedene Mutationen in
mal rezessiv und mit einer Trisomie 13 assoziiert. diesem Gen beschrieben, von denen die allermeisten (ca.
105) zum klassischen Morbus Norrie führen. Sehr auffal-
Genetische Diagnostik und Beratung lend ist die große klinische Variabilität ihrer Ausprägung.
Um eine gezielte und qualifizierte genetische Beratung Die Norrin-Mutationen wurden nicht nur in Patienten
durchführen und das Wiederholungsrisiko in einer Fami- mit dem klassischen Morbus Norrie gefunden, sondern
lie bestimmen zu können, ist die molekulare genetische auch mit anderen Krankheitsbildern assoziiert (Frühge-
Diagnose meist unverzichtbar (⊡ Tab. 11.3, ⊡ Abb. 11.8a,b). borenenretinopathie, exsudative Vitreoretinopathie, per-
Dies gilt insbesondere bei sporadischen Fällen, die prin- sistierender hyperplastischer primärer Glaskörper).
270 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

Das FZD4 Gen besteht aus 2 Exons und kodiert für gen im Gehirn der Norrin-Knockout-Mäuse sind eine
ein Protein aus 537 Aminosäuren. Als zellulärer Ober- mögliche Erklärung für die geistige Behinderung von
flächenrezeptor ist es ein Transmembranprotein. FZD4- Patienten. Auch im Ohr der Knockout-Mäuse wurden
Mutationen werden dominant vererbt und wurden mit charakteristische vaskuläre Veränderungen gefunden. Al-
exsudativer Vitreoretinopathie und der Frühgeborenen- lerdings scheint Norrin im auditorischen System eher für
retinopathie assoziiert. Momentan sind ca. 40 FZD4-Mu- die Erhaltung und Homoestase der Blutgefäße eine Rolle
tationen bekannt, von denen die allermeisten (ca. 35) bei zu spielen, während es in der Netzhaut und für die hyalo-
Patientinnen und Patienten mit FEVR beobachtet und iden Gefäße eine wichtige Funktion in der Entwicklungs-
beschrieben wurden. und Differenzierungsphase hat.
Das LRP5 (low-density lipoprotein receptor-related Diese Mausmodelle dürften auch für die zukünftige
protein 5)-Gen ist das größte in dieser Gruppe. Es besteht Etablierung von therapeutischen Maßnahmen sehr hilf-
aus 23 Exons und kodiert für ein Transmembranprotein reich sein.
aus 1.615 Aminosäuren. Bisher wurden knapp 100 ver-
schiedene Mutationen in diesem Gen beschrieben. Die
meisten (>50) führen zum OPPG Syndrom, etwa ein 11.3.7 Therapie
Viertel zur autosomal rezessiven FEVR. Einige wenige
DNA-Sequenzveränderungen im LRP5 Gen wurden auch Praxistipp I I
mit einer erhöhten Knochendichte bzw. isolierter Osteo- ▬ Genträger bis zum 30. Lebensjahr beobachten.
porose in Zusammenhang gebracht. ▬ Bei frühzeitiger Erkennung peripherer Gefäßano-
Knapp 10 verschiedene Mutationen wurden bislang malien sind durch die Laser- oder Kryokoagulation
im Tetraspanin 12 (TSPAN12-Gen) beschrieben, die aus- eine Stabilisierung und die Verhinderung der Pro-
schließlich zur autosomal dominanten EVR führen. Das gression zur Netzhautablösung möglich.
Gen besteht aus 8 Exons und kodiert für ein Protein mit ▬ Direkte Laserkoagulation der pathologischen
305 Aminosäuren. Gefäße zur Reduktion der Exsudate
Insgesamt ist damit für eine genetische Diagnostik ▬ Kein Nutzen einer prophylaktischen Laserkoagula-
11 der FEVR eine überschaubare Anzahl von Genen und tion.
proteinkodierenden DNA-Sequenzen im menschlichen ▬ Vitreoretinale Chirurgie kann unter Umständen
Genom für Laboranalysen zugänglich (alle 4 Gene ko- in fortgeschrittenen Fällen indiziert sein. Retino-
dieren für insgesamt 2.590 Aminosäuren, das entspricht tomien sollten dringend vermieden werden.
7.770 Basenpaaren in der DNA, die in 36 Exons aufgeteilt
sind). Momentan basiert die genetische Diagnosestel-
lung bzw. differentialdiagnostische Abklärung auf der Die Mehrheit der Genträger weist keine Symptome auf
SANGER-DNA-Sequenzierung aller Exons der 4 Gene und die Diagnose wird eher per Zufall gestellt. Diese
inklusive der flankierenden Spleißdonor- und Spleißak- Patienten benötigen in der Regel keine Behandlung.
zeptor-Stellen. Hier reicht eine Beobachtung bis zu einem Alter von ca.
Aufgrund der unterschiedlichen Mutationshäufigkei- 30 Jahren aus, um ein evtl. Fortschreiten der Erkrankung
ten ließe sich, aus Kostengründen, bei sporadischen Fäl- rechtzeitig zu erkennen. Insbesondere bei Patienten ohne
len auch eine Stufendiagnostik anbieten und durchführen retinale Exsudate ist eine Beobachtung ohne Behandlung
(FZD4 > LRP5 > NDP > TSPAN12). dann gerechtfertigt, wenn keine subretinalen Exsudate
Eine exakte differentialdiagnostische Abklärung auf vorliegen. Es gibt bislang keinen Beleg für den Nutzen
der molekularen Ebene dürfte in Zukunft auch für neue einer prophylaktischen Laserkoagulation der peripheren
therapeutische Maßnahmen unumgänglich sein, wie etwa avaskulären Areale.
die Gentherapie. Generell ist eine Therapie erforderlich, sobald su-
Sehr interessante und neue Erkenntnisse bezüglich bretinale Exsudate vorliegen. Neben den subretinalen
der molekularen Pathophysiologie der exsudativen Vit- Exsudaten stellt auch das Vorliegen von Neovaskulari-
reoretinopathie und verwandter vitreoretinaler Gefäß- sationen eine absolute Indikation zur Lasertherapie dar.
krankheiten konnten in verschiedenen Mausmutanten Relative Indikation für eine Lasertherapie ist vor allem
gewonnen werden, die für alle 4 Gene verfügbar sind. das Vorliegen eines fortgeschrittenen FEVR-Stadiums am
In allen Mutanten wurden die für die FEVR typischen Partnerauge.
retinalen Blutgefäßveränderungen beobachtet. Zusätzlich Die Lasertherapie sollte sich vor allem auf die Gefäße
dazu fanden sich aber auch vaskuläre Auffälligkeiten im mit Leckage konzentrieren. Diese werden durch direkte
Gehirn von Norrin- und Frizzled-4-Knockout-Mäusen, Koagulation behandelt. Größere Exsudate können dabei
sowie weibliche Infertilität. Die Blutgefäßveränderun- mehrere Monate bis zur vollständigen Rückbildung be-
11.3 · Familiär exsudative Vitreoretinopathie
271 11
nötigen. Zudem sollte eine Koagulation der avaskulären
Areale an dem betroffenen Auge erfolgen. Es empfeh-
Praxistipp I I
Indikationen zur Vitrektomie bei FEVR
len sich Kontrollen 6-8 Wochen nach Laserbehandlung
▬ Progressive falziforme Amotio
zur Beobachtung der Rückbildung der Exsudate und der
▬ Progressive periphere Traktionsamotio mit Makula-
Neovaskularisationen. Prinzipiell besteht keine Indika-
bedrohnung
tion für eine panretinale Laserkoagulation.
▬ Visusverlust durch Amotio mit Makulabeteiligung
▬ Persistierende Glaskörperblutung (>8 Wochen) oder
Praxistipp I I frische Blutung bei unklarer Netzhautsituation
Absolute Indikationen zur Lasertherapie umfassen ▬ Glaskörpertrübungen und -segel, die mit der
subretinale Exsudate und abnorme periphere Gefäße zentralen Sicht interferieren
mit subretinalen Exudaten. Relative Indikationen sind ▬ Rhegmatogene Amotiones, wenn die Foramina
Partneraugen mit weniger ausgeprägten peripheren durch periphere Fibrose verdeckt werden
Veränderungen sowie stabile falziforme Amotiones. ▬ PVR Re-Amotiones

Generelle Empfehlungen für die Photokoagulation


bei FEVR Indikationen für eine Vitrektomie sind neben einer trak-
▬ Argon-Grün oder Krypton-Rot tiven Netzhautablösung mit Abhebung der Makula oder
▬ Fleckgröße und Expositionszeit entsprechend der drohender Makulaabhebung eine Glaskörpereinblutung,
klinischen Ausprägung, in der Regel 200-350 mW, die den Einblick auf die Peripherie und somit auch eine
200 Mikrometer, 200-1.000 ms Laserkoagulation verhindert, zwiebelschalenartige Glas-
▬ Subretinale Exudate können nur durch eine direkte körpersegel, die die zentrale Sehschärfe beeinträchtigen,
Behandlung der leckenden Neovaskularisationen eine falziforme Netzhautablösung, eine rhegmatogene
behandelt werden. Amotio mit epiretinalen Membranen, die periphere Lö-
▬ Große subretinale Exsudate können viele Monate cher verschleiern oder eine PVR-Re-Amotio.
zur Regression benötigen. 6-8 Wochen nach der Glaskörperblutungen sind insgesamt selten, müssen
Laserbehandlung sollten die Behandlungsbereiche jedoch als Indikator für ein erhöhtes Risiko einer Netz-
auf eine ausreichende Regression der Gefäßpatho- hautablösung und einer Phthisis als Endstadium der Er-
logie und Exsudate kontrolliert werden. krankung gesehen werden. Eine frühe Vitrektomie sollte
▬ Wiederbehandlung bei insuffizienter Regression erwägt werden, da diese eine Minderung der Glaskörper-
der pathologischen peripheren Gefäße und bei traktion erlaubt ebenso wie die Behandlung der Neovas-
persistierenden subretinalen Exsudaten. kularisationen, die die Erkrankung triggern.
▬ Wenn die Peripherie nicht ausreichend behandelt
werden kann, kann eine Vitrektomie erforderlich
Praxistipp I I
sein. Indikationen zu einer panretinalen Koagulati- Generelle Empfehlungen zur Vitrektomie bei FEVR
on gibt es nicht. ▬ 3-Port-Vitrektomie
▬ Wenn kein peripherer Einblick möglich, muss die
Linse ggf geopfert werden
Alternativ zur Lasertherapie ist auch eine Kryokoagula- ▬ Glaskörpermembranen bei FEVR haben einen
tion möglich. Die Kryoherde müssen dabei mehrfach im zwiebelschalenartigen Aufbau, eine pergamen-
Bereich der abnormen Gefäße appliziert werden, um eine tartige Struktur und meinst nur geringe Traktion.
verlässliche Destruktion des Gewebes zu erreichen. Ins- Diese Glaskörpersegel können nicht von der Netz-
besondere dickere subretinale Exsudate können bei einer hautoberfläche gepeelt werden und müssen scharf
transskleralen Kryokoagulation Probleme bereiten. Die abpräpariert werden.
Endokryokoagulation bietet hier eine Alternative, hier- ▬ Zusätzliche Buckel (Cerclage) helfen die periphere
bei ist jedoch darauf zu achten, keine Netzhautforamina Traktion zu entlasten (⊡ Abb. 11.14)
durch unvollständiges Entfrieren zu induzieren. ▬ Durch die starke Schrankenstörung ist das Risiko
In einer Serie von 15 Augen mit einer aktiven extra- einer PVR sehr hoch – Retinotomien müssen unbe-
retinalen Neovaskularisation und anliegender Netzhaut dingt vermieden werden
benötigten 53% der mittels Laserkoagulation behandel- ▬ In der Regel ist keine Glaskörpertamponade erfor-
ten Augen keine weitere Therapie. Bei 47% der Augen derlich, in schweren Fällen (PVR, große Foramina,
schritt die Erkrankung weiter fort bis hin zu einer Ziliarkörperinsuffizienz bei zyklitischen Membra-
Netzhautablösung, die eine Vitrektomie erforderlich nen) kann Silikonöl erforderlich sein.
machte.
272 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

Falziforme Abhebung, die Vermeiden(!): Retinotomie PVR und voranschreitende


die Makula mit einschließt und retinale „Wiederanlage“ Traktionsamotio

Falziforme Abhebung, die RICHTIG: keine Retinotomie, Koagu- Stabile Situation mit einer
die Makula mit einschließt lation der Exsudate entlang der Falte traktiven Falte

11 b

RA: Visus 0,5, periphere Photokoagula- LA: VA 0,01, Stadium IVa, Falciforme LA: Visus 0.05, nach Cerclage und Vitrektomie.
tion, stabil seit vielen Jahren Abhebung mit Makulabeteiligung Stabile Situation

Patient aus Abbildung 3: präoperativ rhegmatogen-traktive Amotio gleicher Patient 2 Jahre-postopertiv noch unter Öl: in einer
Revisionschirurgie wurden die restlichen Membranen
gepeelt sowie temporal aktive Gefäße kryokoaguliert.

⊡ Abb. 11.14 a Therapeutische Intervention – schematische Darstellung des chirurgischen Vorgehens bei falziformer Amotio. b Therapeutische
Intervention bei falziformer Amotio. c Patient aus Abb. 11.10 mit totaler traktiver Amotio vor und nach Chirurgie. Die Netzhaut liegt an, die an-
giographisch noch aktiven peripheren pathologischen Gefäße wurden bei einem Ölwechsel koaguliert
11.3 · Familiär exsudative Vitreoretinopathie
273 11
Die Resultate nach Vitrektomie sind insgesamt ermuti- ⊡ Abb. 11.14c zeigt einen Patienten (⊡ Abb. 11.10) vor
gend. So lag in einer Serie von Nouhuys die Sehschärfe in und nach Chirurgie. Trotz der schwierigen Ausgangslage
72% der Fälle postoperativ über 20/80. Generell sollte die konnte eine vollständige Wiederanlage der Netzhaut er-
Vitrektomie jedoch in spezialisierten Zentren erfolgen. reicht werden. Eine re-ppV wurde nur zur Versorgung
Ein bestmöglicher Einblick auf die Peripherie ist un- der noch aktiven pathologischen Gefäße in der Peripherie
abdingbar. Dies kann notfalls auch die Entfernung der erforderlich.
noch klaren Linse erfordern. Die charakteristischen Glas- Einen komplizierten Verlauf zeigt ⊡ Abb. 11.15, ein
körpermembranen bei der FEVR sind zwiebelschalen- 10-jähriges Mädchen mit schwerem Visusverlust nach
artig strukturiert und inserieren gliös in die Netzhaut. Glaskörperblutung. Anamnestisch bestand ein Zustand
Sie können in der Regel nicht von der Netzhaut gepeelt nach einer Netzhautablösung mit einem Visus von 0,5
werden, sondern müssen scharf abgetrennt werden. Es ist vor der Blutung. Nach Vitrektomie kam es zu einer
fraglich, ob ein ILM-Peeling auch außerhalb der Gefäß- erneuten Einblutung aufgrund persistierender patholo-
straße das Wiedereinwachsen der Glaskörpermembranen gischer Gefäße und Exsudate in der Netzhautperipherie.
verhindern kann. Diese Membranen scheinen tief in der Eine erneute Vitrektomie mit Lentektomie und Entfer-
Netzhaut verankert und das ILM-Peeling kann mögli- nung von Glaskörpersträngen wurde erforderlich, die
cherweise retinale Strukturen verletzen. Durch den zu- im Bereich der Makula ein Pseudoforamen bildeten. Der
sätzlichen Einsatz von eindellenden Verfahren wie einer Entvisus nach mehreren Eingriffen konnte ohne perma-
Cerclage kann die periphere Glaskörpertraktion vermin- nente Tamponade auf 0,5 stabilisiert werden.
dert werden. Retinotomien sollten vermieden werden, da Auf Grund der vaskulären Genese der Erkrankung
das PVR-Risiko auf Grund der starken Exsudation und kommt therapeutisch sicherlich schnell der Gedanke an
der pathologischen Glaskörperanatomie deutlich erhöht eine intravitreale Injektionstherapie mit VEGF-Inhibi-
ist (⊡ Abb. 11.14). toren auf. Aufgrund der Seltenheit des Krankheitsbildes
existieren bislang aber keine klinischen Studien zu deren
Praxistipp I I Einsatz bei der FEVR. In Einzelfallbeschreibungen sind
Chirurgische Vorgehensweise bei falziformer jedoch zum Teil sehr positive Effekte erzielt worden.
Amotio bei FEVR (⊡ Abb. 11.14) Es sollte dabei aber nicht vergessen werden, dass eine
▬ Die falziformen Amotio, die die Makula einbezieht Anti-VEGF-Therapie sicher schnell einen Rückgang von
und eine Visusminderung bedingt, sollte nicht ver- Exsudation bewirken kann, aber bei Nachlassen der Wir-
sucht werden zu glätten, denn eine Visusverbesse- kung mit einem Rezidiv zu rechnen ist. Daher sollte eine
rung ist unwahrscheinlich. versuchsweise Therapie stets in Kombination mit einer
▬ Entlastungsretinotomien führen zur Ausbildung Laser- oder Kryokoagulation erfolgen.
von PVR-Membranen mit folgender Re-Amotio
und einem permanenten Visusverlust.
▬ Die Vitrektomie soll die periphere Glaskörpertrak-
11.3.8 Prognose/Schlussbemerkungen
tion entlasten und kann durch eine Cerclage unter-
stützt werden Ohne Zweifel stellt die FEVR ein recht komplexes Krank-
▬ Stabilisation ist ein realistisches Ziel und sollte heitsbild mit vielen typischen klinischen Merkmalen dar.
über einen Verschluss der pathologischen Gefäße Um die einzelnen Differentialdiagnosen sicher abzugren-
erreicht werden zen, sollte insbesondere auf die bilateral asymmetrische
▬ Patienten sollten in den ersten 2 Jahren sehr eng- Ausprägung, die familiäre Häufung, die Verziehung des Ge-
maschig kontrolliert werden im Hinblick auf eine fäßbaumes, die Heterotopie der Makula und die temporal
Regression der subretinalen Flüssigkeit avaskuläre Netzhaut geachtet werden. Der klinische Verlauf
▬ Orientierendes Sehen ist trotz einer persistieren- ist langsam progressiv, selten stabil. Die retinalen Exsudate
den falziformen Falte möglich, wenn die subretina- und peripheren fibrovaskulären Membranen sind Resultat
len Exsudate sich resorbieren einer abnormen Gefäßleckage aus Aneurysmen, Gefäßaus-
sackungen und Neovaskularisationen. Exsudate und Neo-
vaskularisationen sind entscheidend für eine Therapie.
In der Regel ist nach der Vitrektomie kein Glaskörper- Im Gegensatz zu vielen anderen Gefäßanomalien, die
ersatz außer Elektrolytlösung erforderlich. Bei hohem mit einer erhöhten Gefäßleckage einhergehen, gibt es für
PVR-Risiko (Foramina) kann die Eingabe von Silikonöl die FEVR keine klinischen Studien bezüglich einer phar-
erfolgen. Das realistische Ziel der Vitrektomie ist eine makologischen Therapie. Dennoch könnten anti-inflamm-
Stabilisierung der Sehschärfe, die durch Okklusion der atorische Substanzen nicht nur die retinale Gefäßleckage
abnormen retinalen Gefäße erreicht wird. vermindern, sondern auch die perivaskulären inflammato-
274 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

b
a

c d

11

e f

g h

⊡ Abb. 11.15 Schwerer klinischer Verlauf eines 10-jährigen Mädchens mit chirurgischem Vorgehen. a Nach einer signifikanten Linsentrü-
bung und re-Proliferationen von Glaskörpersträngen wurde eine re-ppV mit Lentektomie durchgeführt um die Sehschärfe zu stabilisieren.
Einzelheiten der chirurgischen Prozedur sind in Abbildung b-h dargestellt. b Nach der Lentektomie zeigen sich fibrosierte Glaskörperströnge,
die vorsichtig disseziert werden. Insbesondere muss versucht werden in der Peripherie keine Foramina durch Traktion zu erzeugen. c Nach
Rückschneiden weiterer Glaskörperstränge zeigen sich die peripheren Gefäße mit subretinalen Exsudaten. d Fundusaspekt nach Dissektion
der Glaskörperstränge. Die Netzhautoberfläche ist mit einer dichten Puckermembran, die in die retinale Glia inseriert überzogen. e Nach der
Präparation der die Makula überdeckenden Membranen, die peripheren Reste müssen scharf disseziert werden und können nicht abgezogen
werden. Lasernarben werden sichtbar. f Vitrektomie der peripheren Glaskörperstränge unter Indentation. Subretinale Exsudate und abnorm di-
latierte Gefäße sind sichtbar. g Nach Entfernung aller Memranen zeigt sich ein rundes Loch, das mit der rhegmatogenen Amotio assoziiert war.
h Funduseinblick nach größflächiger peripherer Photokoagulation Reste von Glaskörpersträngen sind sichtbar.
11.4 · Wyburn-Mason-Syndrom
275 11
rischen Infiltrate, wie histologische Untersuchungen zeigen, zerebrale Gefäßanomalie definiert. Später wird der Symp-
verringern. Ob das jedoch das Wachstum der fibrovaskulä- tomenkomplex den Phakomatosen zugeordnet.
ren Membranen und Glaskörperstränge verhindern kann, Von allgemeinentwicklungsgeschichtlichem Interesse
bleibt abzuwarten. Ebenfalls interessant wären Ansätze, die dürfe es sein, dass arteriovenöse Anastomosen auch bei
spezifische Antikörper gegen Norrin oder FDZ4 untersu- Primaten vorkommen. 1972 haben Bellhorn et al. und
chen würden, die selektiv die Rezeptoren und Liganden 1976 Horiuchi et al. die typischen Gefäßanomalien bei
der Wnt/FDZ-Signalkaskade beeinflussen könnten. In ei- Rhesusaffen ophthalmoskopisch gesehen, angiographisch
nem Knock-out-Tiermodell konnte gezeigt werden, dass dargestellt und histologisch untersucht.
der Phänotyp der Knock-out-Tiere, die eine defekte retinale Die Nomenklatur hat sich im Laufe der Zeit geändert.
Angiogenese zeigten, durch eine ektope Expression von Frühe Autoren sprechen von Aneurysma arteriovenosum
Norrin rückgängig gemacht werden konnte. Interessanter- oder Varix aneurysmaticus. Ausgehend von der Nomen-
weise hatte Norrin auch einen Effekt auf die retinale Gan- klatur Virchows empfiehlt Leber 1915 die Bezeichnung
glienzellproliferation. Inwieweit solche Ansätze klinisch an- Aneurysma racemosum bzw. Aneurysma racemosum
wendbar sein können, bleibt abzuwarten. arteriovenosum (lat. racemus = Traube). Bonnet et al.
wählen die Bezeichnung Aneurysma cirsoides (gr. cirsos
Fazit für die Praxis = Erweiterung). Seit den 1930er Jahren erfolgt mit zuneh-
Während die Genetik der FEVR und die Verbindung mit ande- mender Kenntnis der zerebralen Pathologie immer häufi-
ren vaskulären Anomalien besser verstanden sind, bleibt die ger die Einordnung bei den Hämangiomen und damit bei
Notwendigkeit einer frühzeitigen Therapie exsudativer Stadien. den Tumoren. Archer et al. verwenden die Bezeichnung
Arteriovenous Communications. Als Synonym werden
die Namen arteriovenöse Anastomosen oder arteriove-
11.4 Wyburn-Mason-Syndrom nöse Shunts genutzt.

A. Wessing, A. Lommatzsch

11.4.1 Historie

Die ersten Beschreibungen von arteriovenösen Anasto-


mosen der Netzhaut datieren in das Ende des 19. Jahrhun-
derts zurück: Magnus 1874, Gunn 1884, Schleich 1884,
Seydel 1899, Kreutz 1903. 1915 gibt Leber im Handbuch
für Augenheilkunde von Graefe-Saemisch eine erste zu-
sammenfassende Darstellung. In diesem Artikel finden
sich höchst instruktive Skizzen der von Schleich und
Seydel beschriebenen Fälle. Besonderes Interesse verdient a
der 1903 erschienene Bericht von Kreutz, in dem erstmals
die Kombination einer retinalen arteriovenösen Anasto-
mose mit arteriovenösen Gefäßanomalien in der Orbita
beschrieben wird. Eine der frühesten Beschreibungen ze-
rebraler arteriovenöser Gefäßanomalien (»cirsoid aneu-
rysm«) stammt von Heitmüller aus dem Jahr 1904.
Ab Mitte der 1920er Jahre mehren sich Berichte über
das gleichzeitige Vorkommen retinaler und zerebraler
arteriovenöser Anastomosen. Die erste zusammenfas-
sende Darstellung stammt von P. Bonett, J. Dechaume
und E. Blanc aus dem Jahr 1937 und trägt den Titel
»L’anéurysme cirsoide de la rétine (anéurysme racéme-
meux), ses rélations acec l’anéurysme cirsoide de la face b
et avec l’anèurysme cirsoide de ceveau«. 1943 folgt der
Artikel von R. Wyborn Mason: »arteriovenous aneurysm ⊡ Abb. 11.16 Große kongenitale retinale arteriovenöse Anastomose
of mid-brain and retina, facial naevi and mental chan- am hinteren Pol (Archer-Klassifikation Gruppe 3). Das gleiche Auge
ges«. Damit ist das Krankheitsbild endgültig als retino- im FAG-Bild
276 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

a a

11 b b

⊡ Abb. 11.17 a Isolierte arteriovenöse in der mittleren Peripherie ⊡ Abb. 11.18 a Parafoveoläre arteriovenöse Anastomose (Archer-
der Netzhaut (Archer-Klassifikation Gruppe 2). b Das gleiche Auge Klassifikation Gruppe 2). b Das gleiche Auge im FAG-Bild.
im FAG-Bild.

Neuro-Retino-Angiomatosis-Syndrom, »angiome en- einzeln oder multipel vor, als allein stehende Kanäle oder
céphalo-rétino-faciale«, »syndrome anéyrysmatique réti- vielfach verzweigt (⊡ Abb. 11.17a). Sie bevorzugen die zen-
no-optico-mesencéphalic«, »arterovenous cerebroretinal trale oder temporale Retina und beschränken sich auf
aneurysm«, »retino-cephalic vascular malformation« und einzelne Sektoren oder Quadranten. Gelegentlich gehen
andere lokalisatorisch-deskriptive Namen stehen für den mehrere Anastomosen von einer einzigen Arterie aus.
Symptomenkomplex aus retinalen und zerebralen Gefäß- Einzelne Gefäßschlingen können bis in die perifovealen
veränderungen. Geläufiger ist die Benennung nach den Kapillararkaden hinein reichen, mitunter auch bis in die
Autoren der ersten zusammenfassenden Beschreibungen Fovea selbst (⊡ Abb. 11.18a). Manchmal ist eine zilioreti-
als Syndrome de Bonnet, Dechaume et Blanc oder – in nale Arterie in die arteriovenöse Gefäßschlinge integriert.
der englischsprachigen und internationalen Literatur wohl Die Querschnitte der anastomosierenden Gefäße reichen
am gebräuchlichsten – als Wyburn-Mason-Syndrom. von 60 bis 150 μm. In den schweren Fällen (Archer-
Klassifikation »Gruppe 3«) nehmen die Anastomosen
monströse Formen an. Die Gefäße sind miteinander ver-
11.4.2 Klinisches Bild schlungen und verknäult. Sie erreichen Durchmesser bis
zum zehn- und zwölffachen normaler Retinagefäße. Meist
Arteriovenöse Anastomosen kommen bei beiden Ge- breiten sie sich über den gesamten Fundus aus. Selbst ext-
schlechtern gleichermaßen vor. Meist werden sie im ju- rem dilatierte Gefäße zeigen keine Pulsationen.
gendlichen Alter entdeckt, sind aber auch bereits bei Neu- Große Gefäßdurchmesser bewirken eine hohe Durch-
geborenen vorhanden. Sie treten streng unilateral auf. Die flussrate, so dass auch die venöse Seite der Anastomose oxi-
wenigen in der Literatur belegten Ausnahmen bestätigen geniertes Blut führt. Arterielle und venöse Gefäßschenkel
die Regel. Kleinere und mittlere Anastomosen kommen sind oft nur angiographisch zu unterscheiden. Der intra-
11.4 · Wyburn-Mason-Syndrom
277 11

a c

b d

⊡ Abb. 11.19 Arteriovenöse Anastomose mit einem Follow up von 17 Jahren. a Befund bei der ersten Untersuchung. b 3 Jahre später: partielle
Regression der Gefäßschlingen. c 9 Jahre später: Entwicklung neuer Anastomosenvon ursprünglich unbeteiligten retinalen Gefäße. d 17 Jahre
später: Komplette Regression der Anastomosen der zentralen Netzhaut

vasale Druck ist erhöht. Infolgedessen stellen sich im Laufe Formen hingegen sind Gesichtsfeldausfälle und Visus-
der Zeit Gefäßwandschäden ein. Die Anastomosen bekom- einbußen bis hin zur völligen Erblindung die Regel. Die
men weiß-gelbe Einscheidungen und sind von serösen Ex- Funktionsausfälle gehen meist zu Lasten der zerebralen
sudaten, Lipidablagerungen und reaktiven Pigmentepithel- oder orbitalen Gefäßveränderungen. Insgesamt haben
hyperplasien begleitet (⊡ Abb. 11.19b). Mitunter kommt es zwei Drittel aller Patienten mit Anastomosen Funktions-
auch zu Blutungen. Große Anastomosen bewirken ausge- ausfälle.
dehnte Alterationen im umgebenden Kapillarbett. Die hohe
Sauerstoffspannung in den Anastomosen ist wahrscheinlich
der Grund dafür, dass so gut wie nie reaktive Gefäßprolife- 11.4.3 Fluoreszenzangiographie (FAG)
rationen auftreten oder ein Sekundärglaukom entsteht. Aus
der Literatur sind nur drei Fälle bekannt, die massive Reti- Das fluoreszenzangiographische Bild (⊡ Abb. 11.16b,
naschäden aufwiesen und eine Rubeosis iridis mit Glaukom ⊡ Abb. 11.17b, ⊡ Abb. 11.18b) zeigt eindeutig, dass die
entwickelten. Ein Teil der Komplikationen scheint auf Zen- Anastomosen einen erheblichen Einfluss auf benachbarte
tral- oder Astvenenverschlüsse und spontaner Thrombosie- Gefäßgebiete haben und in schweren Fällen das gesamte
rung der Anastomose zu beruhen. Ungewöhnlich ist eine Gefäßsystem der Retina in Mitleidenschaft ziehen kön-
Beobachtung von Tilanus et al. Sie haben gesehen, dass sich nen. Besonders eindrucksvoll aber ist im FAG-Bild die
im Verlauf einer arteriovenösen Gefäßschlinge mehrere extrem hohe Blutflussgeschwindigkeit in den arteriove-
blutende Makroaneurysmen entwickelten. nösen Anastomosen. Je größer der Gefäßquerschnitt,
Visusverluste sind bei den einfachen Anastomosen desto höher die Strömungsgeschwindigkeit.
selten und kommen nur bei einer Beteiligung der Makula Die Erhöhung des Blutflusses ist offenbar die Ursache
oder des Nervus opticus zustande. Bei den schweren für schwere Schäden im umgebenden Kapillarbett. Ent-
278 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

lang der Anastomosen sieht man zunächst breite avasku- Gefäßwände stellen sich ein. Turbulenzen im Blutstrom
läre Zonen. Später gehen auch in weiter entfernt liegen- nehmen zu. Verstärkt werden die hämodynamischen Stö-
den Retinabereichen die Kapillaren zugrunde. Es können rungen noch durch mechanische Einengungen des Ge-
große avaskuläre Zonen entstehen. Die Kapillaren oblite- fäßlumens innerhalb des Sehnervens, an der Papille oder
rieren entweder wegen der erhöhten Sauerstoffspannung an Kreuzungsstellen. Letztendlich endet der Prozess in
oder infolge eines Steal-Effektes. Im Gegensatz zu ande- einer Thrombosierung und Obliteration.
ren retinalen Gefäßerkrankungen geben die avaskulären Es gibt Hinweise darauf, dass die Anastomosenbil-
Areale keinen Anlass zur Bildung von Gefäßproliferati- dung selbst ein dynamischer Prozess ist. Effron et al.
onen. Kommt es auf Dauer zu Gefäßwandschädigungen, beschreiben Größenwachstum und zunehmende Kalibe-
so zeigt das Angiogramm an den dilatierten Gefäßen rerweiterung. In anderen Fällen wurde beobachtet, dass
kräftige Fluoreszeinleckagen bis hin zum völligen Zusam- nach dem spontanen Verschluss einer Anastomose neue
menbruch der Blut-Retina-Schranke. arteriovenöse Verbindungen entstehen (⊡ Abb. 11.19). Sie
entwickeln sich aus Seitenästen der primären Anasto-
mose oder an anderen Stellen der Retina aus bis dahin
11.4.4 Differentialdiagnose unbeteiligten Gefäßen. Augsburger et al. haben die Ob-
literation einer Anastomose nach Ligatur der A. carotis
Arteriovenöse Anastomosen machen keine wesentlichen interna beschrieben und gesehen, dass in der Folgezeit
differentialdiagnostischen Schwierigkeiten und sind re- eine neue Anastomose entstand.
lativ einfach von anderen Gefäßerkrankungen der Retina
zu unterscheiden.
1. Am ehesten noch gleichen die Anastomosen den er- 11.4.6 Histopathologie
weiterten nutritiven Gefäßen retinaler kapillärer Hä-
mangiome beim von Hippel-Lindau-Syndrom. Ar- Arteriovenöse Anastomosen stellen sich histologisch als
terieller und venöser Gefäßteil sind in diesen Fällen hypertrophierte, normal ausgereifte Blutgefäße dar. Die
jedoch immer durch die Kapillaren des Hämangioms Gefäße reichen durch alle Schichten der Retina. Große
11 voneinander getrennt. Bei kleinen oder versteckten Anastomosen wölben sich in den Glaskörperraum vor
Angiomen ist die Fluoreszenzangiographie hilfreich. und können nach außen Kontakt zur Bruch’schen Mem-
2. Kongenitale retinale Makrogefäße sind augenfällig bran haben. Die Gefäßwandungen sind abschnittsweise
erweiterte Gefäße, die zwischen Papille und zentraler verdünnt oder verdickt. Die monströs erweiterten Ar-
Retina liegen und mit ihren Endverzweigungen die terien und Venen lassen sich kaum voneinander un-
horizontale Raphe überschreiten. Der arteriovenöse terscheiden. Die Gefäßwände sind fibrosiert und von
Übergang erfolgt über den Kapillarplexus. hyalinen und fettigen Infiltrationen durchsetzt. Die um-
3. Die primäre kongenitale Tortuositas der Retinagefäße gebende Netzhaut ist zystoid verändert mit Verlust von
ist meist doppelseitig. Die arteriovenöse Verbindung Ganglienzellen und Axonen.
erfolgt auch hier über den Kapillarplexus.
4. Erworbene Anastomosen, wie sie etwa bei Morbus
Coats, Morbus Eales, nach Venenverschlüssen, beim 11.4.7 Begleitsymptome
Takajasu-Syndrom und anderen retinalen Angiopa-
thien vorkommen, sind anhand der Grundkrankheit Arteriovenöse Anastomosen der Retina können mit
unschwer zu identifizieren. analogen Gefäßmissbildungen der Orbita und des Zen-
tralnervensystems assoziiert sein, seltener auch mit mu-
kösen und kutanen Gefäßveränderungen des Gesichts.
11.4.5 Natürlicher Verlauf Zerebrale Missbildungen und retinale Anastomosen sind
streng ipsilateral lokalisiert und scheinen vorwiegend die
Arteriovenöse Anastomosen gelten als statisch und un- Sehbahn bis zur Sehrinde zu involvieren. Auch zereb-
veränderlich. Bei langfristiger Beobachtung jedoch sind ral reicht das Spektrum der arteriovenösen Aneurysmen
spontane Remissionen beobachtet worden. Die anasto- und Angiome von kleinen und mittleren bis zu ausge-
mosierenden Gefäße verwandeln sich in blutleere, weiß- dehnten und vulminösen Missbildungen. Neurologische
liche Bänder oder bilden sich soweit zurück, dass sie von Symptome durch Kompression und Blutungen sind Py-
ihrer Umgebung nicht mehr zu unterscheiden sind. Arte- ramidenbahnzeichen, Hirnnervenparesen, epileptische
riovenöse Anastomosen stellen ein High-pressure-System Anfälle, Strabismus, Gesichtsfeldausfälle und Visusreduk-
dar mit entsprechendem hämodynamischen Stress für tion bis zur völligen Erblindung. Etwa 30% des Wyborn-
die Gefäßstrukturen. Sklerosierung und Verdickung der Mason-Patienten zeigen eine homonyme Hemianopsie.
11.4 · Wyburn-Mason-Syndrom
279 11
Je schwerer die Veränderungen in der Retina, desto eher 11.4.8 Genetik
ist mit einer zerebralen Beteiligung zu rechnen. Bei 90
% der monströsen Anastomosen (Archer-Klassifikation Kongenitale arteriovenöse Anastomosen sind Gefäß-
»group 3«) finden sich zentrale Aneurysmen und An- missbildungen, die auf Entwicklungsstörungen in der
giome. Nach Bech und Jensen (1961) haben 17% der frühen Gestastionsperiode zurückgehen. Die embryo-
Patienten mit einer arteriovenösen Anastomose der Re- logischen Ursachen der Störung sind unbekannt. Fami-
tina zerebrale Veränderungen, eine Zahl, die allerdings liäres Vorkommen ist gelegentlich diskutiert worden.
aus der Zeit vor der Computertomographie und dem Mac Donald et al. stellen jedoch 1997 eindeutig klar,
NMR stammt. Wyburn-Mason hatte ursprünglich eine dass das Wyborn-Mason-Syndrom nicht genetisch be-
Indizenz von 81% angegeben. Umgekehrt fand er bei 70% dingt ist.
der Patienten mit Aneurysmen des Mittelhirrns retinale
Veränderungen.
In neueren neuroradiologischen Publikationen wur- 11.4.9 Therapie
den AVM-Läsionen des Gehirns und zusätzlicher Kopf-
bereiche als kraniofaziale metamere Syndrome (CAMS) Für den Ophthalmologen haben arteriovenöse Anasto-
bezeichnet. Dabei wurde versucht, die unterschiedlichen mosen zunächst keinerlei therapeutische Konsequenzen.
Lokalisationen der AVM durch eine metamere Gliede- Grundsätzlich gilt, dass die Laserkoagulation kleinerer
rung während der Embryonalentwicklung zu erklären. arteriovenöser Anastomosen überflüssig und die Koagu-
Folgende 3 CAMS-Subgruppen wurden vorgeschlagen: lation großer Gefäße wenig erfolgversprechend und hoch
Benannt wurde riskant ist.
▬ eine CAMS-1-Gruppe als prosenzephale mediale Einzelne anders lautende Berichte ändern an dieser
Gruppe mit Veränderungen im Bereich des Hypotha- Feststellung nichts. Um den Blutfluss zu verringern, ha-
lamus und der Nase, ben Stucci und Höpping versucht, das Lumen erweiterter
▬ eine CAMS-2-Gruppe als prosenzephale laterale Anastomosen durch Photokoagulation einzuengen. Baur-
Gruppe mit Läsionen des Okzipitallappens, Thala- mann et al. haben den Versuch unternommen, Blutungen
mus und der Maxilla und aus geschädigten Gefäßen zum Stillstand zu bringen.
▬ eine CAMS-3-Gruppe, ebenfalls als prosenzephale Tilanus et al. versuchten Blutungen aus sekundär ent-
laterale Gruppe, mit Läsionen des Zerebellums, der standenen Makroaneurysmen aufzuhalten. Shah et al.
Pons und der Mandibula. empfehlen, Augen mit sekundären Venenverschlüssen
unter Kontrolle zu halten, um bei reaktiven Neovasku-
Bei diesem Versuch einer Gliederung sind jedoch die larisationen rechtzeitig koagulieren zu können. Alles in
Augenveränderungen nicht eindeutig einer bestimmten allem aber bleibt die Laserkoagulation auf einzelne ausge-
Subgruppe zuzuordnen. suchte Fälle mit einer speziellen Symptomenkonstellation
Isoliert oder in unterschiedlicher Kombination mit den beschränkt.
okulären und zerebralen Aneurysmen und Angiomen fin- Es sei noch einmal vermerkt, dass die Mehrzahl der
den sich aneurysmatische und angiomatöse Gefäßmiss- Patienten mit Wyburn-Mason-Syndrom zuerst vom Au-
bildungen in der Orbita. In der Regel sind auch diese genarzt gesehen wird. Es ist deshalb eine der wesentli-
einseitig und homolateral zu den Veränderungen in Auge chen Aufgaben des Ophthalmologen, die neurologisch-
und Hirn lokalisiert. Doppelseitiges Vorkommen ist auch neurochirurgische Aufarbeitung zu veranlassen. Diese
hier sehr selten. Gefäßanomalien in der Orbita führen zu umfasst CT und NMR und gegebenenfalls auch eine
Exophthalmus mit und ohne Pulsation, Gefäßgeräuschen, zerebrale Angiographie.
Stauungspapille, Optikusatrophie und Visusverlust.
Es gibt Gefäßmissbildungen im Bereich von Maxilla, Praxistipp I I
Mandibula und Fossa pterygoidea imt Epistaxis und Hä- Den Patienten mit kleineren Anastomosen (Archer-
morrhagien. Im Bereich des Gesichts findet man Telean- Klassifikation Gruppe 2) und ohne wesentlichen Ver-
giektasien und weiche subkutane Gefäßtumoren oder dacht auf eine zerebrale Beteiligung kann man inva-
Naevi. Die Veränderungen scheinen sich auf das Ausbrei- sive diagnostische Maßnahmen ersparen.
tungsgebiet des ersten Trigeminusastes zu beschränken. Bei ausgedehnten arteriovenösen Anastomosen
1990 haben Patel und Gupta bei einem Neugeborenen (Archer-Klassifikation Gruppe 3), die praktisch immer
zerebrale arteriovenöse Gefäßmissbildungen in Kombi- mit Hirnprozessen vergesellschaftet sind, ist eine
nation mit Gefäßmissbildungen in beiden Orbitae und umfassende neurologische Diagnostik zwingend er-
beidseitigem, großflächigem Naevus der Haut im Aus- forderlich.
breitungsgebiet des Trigeminus beschrieben.
280 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

Fazit für die Praxis bleiben asymptomatisch und sind meist ein Zufallsbe-
▬ Das Wyburn-Mason-Syndrom ist ein seltenes kongenita- fund. Komplexe RAM gehen mit begleitenden exsudati-
les okulo-zerebrales Syndrom, bestehend aus retinalen ven Veränderungen einher und werden durch ein Maku-
arteriovenösen Anastomosen und ipsilateralen zerebra- laödem symptomatisch. Oder es treten hämorrhagische
len arteriovenösen Gefäßanomalien. Nicht obligat sind Komplikationen durch Ruptur des RAM auf, die bei
Nävi und Gefäßneubildungen der Haut und der Schleim- denen prä-, intra- und subretinale Blutungen entstehen.
haut im Bereich des N. trigeminus. Das Wyburn-Mason- Patienten höheren Lebensalters und mit arteriellem Hy-
Syndrom gehört zur Gruppe der Phakomatosen. pertonus sind vornehmlich betroffen.
▬ Arteriovenöse Anastomosen der Retina variieren in wei-
ten Grenzen von kleinen unkomplizierten bis zu monst- Praxistipp I I
rös erweiterten Kurzschlussverbindungen. Arterien und Ein RAM als alleinige Gefäßektasie bleibt zunächst
Venen gehen ohne Kapillarplexus direkt ineinander über. asymptomatisch: erst bei hämorrhagisch-exsudativen
▬ Kleine Anastomosen sind in der Regel monosymptoma- Komplikationen erhalten RAM eine visusrelevante Be-
tisch; große bis zu 90 % mit zerebralen Anomalien assozi- deutung.
iert. Ein Verlust der Sehschärfe ist oft das erste Symptom,
meist verursacht durch zentralnervöse Schäden.
▬ Eine Behandlung arterionvenöser Anastomosen der Re-
tina ist nicht erforderlich bzw. nicht möglich. Spontane 11.5.2 Einleitung
Remissionen kommen vor.
▬ Zumindest bei größeren Anastomosen ist die neurologi- Die Erstbeschreibung und Namensgebung von RAM als
sche bzw. neurochirurgische Konsilaruntersuchung mit eigenständige retinale Veränderung erfolgte erst 1973
CT oder NMR zwingend erforderlich. durch Robertson. Der Verlauf ist selbstlimitierend und
gekennzeichnet durch das spontane Auftreten der Ge-
fäßektasie, ihre Vergrößerung, ggf. mit exsudativ-hämor-
11.5 Retinale arterielle rhagischen Begleitsymptomen, und ihre spontane Invo-
11 Makroaneurysmen (RAM) lution durch Thrombosierung und Sklerosierung. Klini-
sche Bedeutung bekommen RAM, wenn in der »aktiven
S. Bopp Phase« visusrelevante Komplikationen auftreten, die
vorübergehende oder permanente Funktionseinbußen
Retinale arterielle Makroaneurysmen sind erworbene nach sich ziehen können. Darüber sind sie ein möglicher
Dilatationen der retinalen Arteriolen und kommen am Indikator für eine generalisierte Gefäßerkrankung und
häufigsten im Bereich des temporal oberen Arterienastes sollten Anlass für eine entsprechende kardiovaskuläre
vor. Typischerweise sieht man eine spindel- oder sack- Diagnostik geben.
förmigen Ektasie im Verlauf des betroffenen Gefäßes. Indikationen für eine Therapie und die möglichen
Klinische Bedeutung gewinnen RAM durch sekundäre Maßnahmen bei symptomatischen RAM werden nach
Veränderungen in Form von Exsudation oder Blutung, wie vor kontrovers diskutiert. Generelle Empfehlungen
vor allem, wenn die Makula einbezogen wird. Der Spon- oder standardisierte Vorgehensweise seitens der Fachge-
tanverlauf wird infolge spontaner Okklusion generell sellschaften liegen nicht vor. Die im Folgenden aufgezeig-
als gut angesehen, jedoch können bei letztgenannten ten Behandlungsoptionen basieren auf konzeptionellen
Komplikationen bleibende Visusverluste auftreten. Auf Überlegungen und klinischer Erfahrung. Diese sind am
diese Fälle konzentrieren sich die therapeutischen Be- Ende tabellarisch zusammengefasst und dienen als Ori-
mühungen. entierung.

11.5.1 Definition 11.5.3 Pathomorphologie und Pathogenese

Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM) sind ge- Hypertensive und arteriosklerotische Veränderungen der
kennzeichnet durch unilaterale, solitäre, rundliche oder retinalen Arteriolenwand gehen der Entstehung eines
spindelförmige Dilatationen der retinalen Arteriolen RAM voraus. Vergleichbar mit Aneurysmen in anderen
nach arteriellen Bifurkationen 1. bis 3. Ordnung. Prädi- Regionen zeigen die betroffenen Gefäße eine Endothel-
lektionsstellen sind arterielle Aufzweigungen oder arte- zellschädigung mit atheromatösen Ablagerungen, einer
riovenöse Kreuzungen am hinteren Pol. Bei einfachen kollagenen Umwandlung der muskulären Tunica media,
RAM stehen nur die Gefäßektasien im Vordergrund. Sie zur hyalinen Degeneration der äußeren Wandschichten.
11.5 · Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM)
281 11
Es resultiert eine Verengung des Gefäßlumens, eine ver- 11.5.5 Symptomatik und klinisches
stärkte Gefäßwandrigiditat und ein erhöhter intravasa- Bild/Diagnose
ler Druck, die den transmuralen Stress weiter erhöhen.
Hinzu kommen der Verlust der Autoregulation und ver- Typische und spezielle klinische Befunde
stärkte Turbulenzen im Blutstrom. Auf der Basis dieser RAM stellen sich typischerweise als unilaterale, spindel-
Vorgänge kann es zur fokalen Gefäßdilatation mit Ausbil- oder sackförmigen Ektasie im Verlauf des betroffenen
dung eines Aneurysmas kommen. Gefäßes dar. Prädilektionsstellen sind arterielle Bifur-
Vollständig sind die pathogenetischen Prozesse bei kationen und arteriovenöse Kreuzungen (⊡ Abb. 11.20).
der Bildung eines RAM und seiner Ruptur noch nicht ge- Die superotemporale Arterie ist am häufigsten betroffen,
klärt. Histologische Untersuchungen weisen darauf hin, nasale Gefäße können ebenfalls betroffen sein. Moosavi
dass eine fokale Wandthrombosen und lokale emboli- et al (2005) haben die Lokalisation von RAM bei 34 Pa-
sche Ereignisse einer Gefäßwanddissektion mit folgender tienten untersucht und 50% am superotemporalen und
Ruptur des RAM vorausgehen. 44,7% am inferotemporalen Arterienast gefunden, nur
Histopathologische Untersuchungen von rupturieren 5,2% lagen in der nasalen Fundushälfte. Eine ähnliche
RAM haben gezeigt, dass das Gefäßsegment eine hyalin Verteilung fanden Tezel et al. (1994) mit 52,4%, 38% und
umgewandelter und ektatischer Gefäßwand aufweist und 9,6% in einer Serie von 21 Patienten.
das Lumen mit einem Fibrin-Plättchen-Thrombus ausge- Bei einfachen RAM sieht man nur die knotenförmige
füllt ist. In der angrenzenden Netzhaut und im subretina- Gefäßanomalie, manchmal begleitet von einer Verengung
len Raum findet man protein- und lipidreiches Exsudat,
Hämosiderin- und Blutablagerungen. Ferner wird die
Läsion oft von dilatierten Kapillaren im Sinne einer Mik-
roangiopathie umgeben.

11.5.4 Epidemiologie/Risikofaktoren

Klinische Untersuchungen haben gezeigt, dass in rund 70%


Frauen im Alter von 60-80 Jahren (im Mittel 68-74 Jahre)
betroffen sind. Eine Assoziation mit Bluthochdruck und
klinische oder ophthalmoskopische Zeichen der Arterio-
sklerose werden in 64-75% der Patienten gefunden und
können als Risikofaktoren gewertet werden. Auch wird
eine Erhöhung der Serumlipide als Co-Faktor angesehen.
Diabetes selbst gilt nicht als disponierender Faktor, eher a
die mit der Gefäßerkrankung einhergehende Hypertonie.
Das gleichzeitige Vorkommen von hypertensiver Retino-
pathie und RAM lässt eine gemeinsame Pathogenese der
Gefäßveränderungen vermuten.
Die genaue Häufigkeit von RAM ist nicht bekannt,
denn die meisten bleiben asymptomatisch und nur die-
jenigen mit exsudativen oder hämorrhagischen Kompli-
kationen gehen mit einer Visusbeeinträchtigung einher.
Valsalva-Manöver oder eine Blutdruckentgleisung sollen
das Risiko für Rupturen mit Blutung erhöhen.

! Cave!
Bei bis zu 75% der Patienten mit erworbenem
RAM liegt ein systemischer Hypertonus vor. Die
pathomorphologischen Ähnlichkeiten von RAM
b
und arteriellen Aneurysmen andernorts weisen,
abgesehen vom Alter als disponierendem Faktor ⊡ Abb. 11.20 Klinisches und angiographisches Bild eines RAM an der
einer allgemeinen Gefäßsklerose, auf den Hyper- Bifurkation einer zilioretinalen Arterie mit Randblutung und einem
tonus als wichtigen ätiologischen Faktor hin. Kranz harter Exudate, die bis in die Fovea reichen, Visus 0,3.
282 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

a b

11

c d

e f

⊡ Abb. 11.21 Klinische Bilder komplexer RAM (↑), vornehmlich exsudativ (a-c) und hämorrhagisch (d-f). Die Lokalisation von Blutungen kann
primär präretinal (d), prä- (Stern) und subretinal (Kreis) (e) oder überwiegend subretinal lokalisiert sein (f)

des distalen Arterienabschnittes, selten auch einem ar- oder extrafovealen Leckagen, einer serösen Netzhautab-
teriellen Gefäßverschluss. Bei komplexen RAM kommen hebung, Lipidablagerungen in Form einer Circinatafigur
treten Exsudationen und Blutungen in die umgebende und intraretinalen Hämorrhagien führen. Mikrovaskuläre
Netzhaut hinzu. Diese können zu einem Makulaödem Anomalien in der Umgebung des RAM sind weitere Be-
11.5 · Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM)
283 11

a b

⊡ Abb. 11.22 Multiple RAM im klinischen Bild (a) und FAG (b). Sechs Gefäßaussackungen sind erkennbar (Kreis): inferior der Papille in einem
Laserareal, am temporal unteren Arterienast weitere 5 Gefäßektasien, eines mit umgebender Blutung (Nebenbefund: drusige AMD)

⊡ Abb. 11.23 FAG-Darstellung von multiplen, extrafovealen RAM mit umgebenden mikrovaskulären Veränderungen wie Kapillarektasien, und
kleinen Kollateralgefäßen (↑)

gleitphänomene ( Abschn. 11.5.5, Bildgebung). In einigen Sehnervenkopf. Ferner wurden einige seltene Komplika-
Augen sieht man fokale gelbe Plaques im Gefäßabschnitt tionen im Zusammenhang mit RAM berichtet. Dazu ge-
(Atherom), die als arteriosklerotische Wandveränderun- hören die Ausbildung von Makulaforamina, choroidalen
gen anzusehen sind. Das klinische Spektrum komplexer Neovaskularisationen (CNV) und Ablatio. Weitere seltene
RAM umfasst ferner massive Blutungen in den prä- und Manifestationen sind retinale venöse Makroaneurysmen,
subretinalen Raum sowie den Glaskörper, die infolge einer eventuell assoziiert mit einem Venenverschluss.
Ruptur des Aneurysmas entstehen (⊡ Abb. 11.21). In diesen Entsprechend dem Entwicklungsablauf von RAM sieht
Fällen ist das verursachende RAM oft nicht erkennbar, wo- man im frühen Stadium o.g. Veränderungen, während im
bei der »gemischte« Blutungstyp, d.h. die Hämorrhagien Involutionsstadium kaum noch erkennbare ophthalmos-
betreffen unterschiedliche Gewebeschichten, hinweisend kopische Zeichen bestehen. Ein hyaliner Knoten oder eine
auf ein RAM sind ( Abschn. 11.5.6, Differentialdiagnose). lokale Gefäßeinscheidung können auf ein vorangegangenes
RAM können auch multipel auftreten. Eines oder RAM hindeuten (⊡ Abb. 11.21c, ⊡ Abb. 11.24, ⊡ Abb. 11.25b)
mehrere weitere RAM an gleichen oder einem anderen
Gefäß findet man in 15-20% (⊡ Abb. 11.22, ⊡ Abb. 11.23). Klinische Symptome
Bilaterales Auftreten wird in rund 10% berichtet. Ferner Viele RAM bleiben asymptomatisch und sind ein Zufalls-
wurden RAM an ungewöhnlichen Lokalisationen gefun- befund. Sie erhalten dann eine klinische Bedeutung, wenn
den: im Verlauf der zilioretinalen Arterie und auf dem ein chronisch progressiver Exsudationsprozess auftritt und
284 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

⊡ Abb. 11.24 RAM in Involution. Links eine knotenförmige Verdickung, wobei die vor- und nachgeschaltete Blutströmung infolge Gefäßskle-
rose verschmälert erscheinen (↓). Rechts ist die Blutströmung im hyalinisierten RAM erhalten, aber verläuft atypisch (→), und der proximale
Gefäßabschnitt ist eingescheidet

11

a b

c d

⊡ Abb. 11.25 Spontanverlauf bei komplexen RAM. Nach Spontaninvolution eines hochexudativen RAM mit Resorption aller Exsudate verbleibt
eine Makulaschädigung infolge der reaktiven RPE-Veränderungen mit Visus 0,05 (a, b). Bei subretinaler Blutung kommt es ebenfalls zur Resorp-
tion der Hämorrhagie, aber unter Hinterlassen einer subfovealen Narbenbildung (c, d)
11.5 · Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM)
285 11

a b c

⊡ Abb. 11.26 FAG-Darstellung eines extrafoveales RAM mit hochgradiger Exsudation (a). Die homogene Füllung in der Frühphase (b) und die
Leckagephänome in der Spätphase (c) sind Hinweise auf ein aktives RAM

die Makula einbezieht oder wenn ein RAM auf Grund des subfovealer Hämorrhagie erleiden am ehesten eine Funk-
hohen intravasalen arteriellen Druckes rupturiert und zu tionseinbuße. Subfoveale Veränderungen des retinalen
intra-, subretinalen, sub-ILM und Glaskörperblutungen Pigmentepithels (RPE) und Fibrose sind häufige Spätfol-
führt. In ersterem Fall nimmt der Patient eine langsame gen (⊡ Abb. 11.25).
Visusabnahme wahr, während in letzterem Fall die Sym- Zu anderen, selteneren Komplikationen gehören epi-
ptomatik akut ist und mit Visusverlust, Skotom und Floa- retinale Membranen und ein Makulaforamen.
tern einhergeht. Solche aktiven, symptomatischen RAM Einige Augen können RAM zeigen, die andernorts
deuten auf einen visusbedrohenden Prozess hin, bei de- auftreten, entweder am gleichen Gefäß oder an ande-
nen eine Therapie in Erwägung gezogen werden sollte. ren Arteriolen des Fundus (⊡ Abb. 11.22, ⊡ Abb. 11.23,
Asymptomatische RAM, sowohl inaktive als auch ⊡ Abb. 11.36). Daher sollten Patienten mit RAM regelmä-
aktive (d.h. mit Leckagen und Blutungen) sollten re- ßig unter Kontrolle bleiben.
gelmäßig kontrolliert werden, um bei Fortschreiten mit Von klinischer Relevanz ist also, dass eine Visusbeein-
Makulabedrohung eine frühe Diagnose und Therapie trächtigung dann zu erwarten ist, wenn RAM und seine
möglich ist (⊡ Abb. 11.26). Komplikationen die Makularegion erfassen, obwohl sie
eine spontane Involution zeigen. Eine Studie von Schatz et
Natürlicher Verlauf al. (1990) an 142 Patienten, die ein RAM mit Makulabe-
Der Gefäßanomalie liegt eine Wandschwäche zugrunde, teiligung hatten, zeigte, dass 95% eine unvollständige Vi-
die zu fokaler Aussackung und Ausbildung eines Aneurys- suserholung (≤0,6) und 49% einen schweren Visusverlust
mas führt. Einige dieser RAM können ohne erkennbare (≤0,2) erlitten. Tonutsuka et al. (2003) berichteten in einer
Veränderung über einen langen Zeitraum bestehen blei- Studie über 65 Augen mit symptomatischen RAM, dass
ben. Andere zeigen Leckagephänomene mit Ausbildung die Spontanprognose von der Makulapathologie abhängt:
einer chronisch exsudativen Retinopathie. Nicht zuletzt prognostisch günstig waren Situationen mit präretina-
können RAM rupturieren und akute Hämorrhagien her- ler oder Glaskörperblutung (mittlerer Visus 0,6-0,7), ein
vorrufen. In diesen Fällen werden RAM für den Patienten moderates Visusergebnis zeigten Augen mit exsudativer
symptomatisch, speziell wenn die Gefäßanomalie inner- Makulopathie (mittlerer Visus 0,5) und am ungünstigsten
halb der Arkaden oder nahe der Makula lokalisiert ist. war das Resultat bei subretinaler oder gemischer Blutung.
Nach einer solchen »aktiven« Phase zeigen die meis-
ten RAM eine spontane Involution (⊡ Abb. 11.21c,f, Diagnose/Bildgebung
⊡ Abb. 11.25b,d). Als Folge einer fokalen Thrombose und Das ophthalmoskopische Erscheinungsbild mit einer
Sklerose kommt es zur Wiederherstellung der Gefäß- fokalen, rötlich bis fleischfarbenen spindel- oder sack-
wand, und die Perfusion bleibt erhalten. Gleichzeitig förmigen Gefäßausweitung ist klinisch eindeutig. Die
resorbieren sich ein begleitendes Netzhautödem, Lipi- Diagnosestellung kann erschwert sein, wenn sekundäre
dexudate und ggf. Blutungen. Ist die Makula einbezogen exsudative Veränderungen das klinische Bild dominieren
gewesen, ist die Visusprognose abhängig von der Schwere oder Hämorrhagien die Gefäßanomalie verdecken. In
und Dauer der exsudativ-hämorrhagischen Phase. Struk- diesen Fällen ist eine Angiographie hilfreich.
turelle Schäden durch o.g. Veränderungen sind die häu- Die Fluoreszeinangiographie (FAG) zeigt in der Früh-
figste Ursache eines bleibenden funktionellen Defizits. phase eine uniforme Füllung (⊡ Abb. 11.23, ⊡ Abb. 11.26).
Im Falle hämorrhagischer RAM ist die Visusprognose Eine partielle oder unvollständige Füllung im Bereich
abhängig von der Lokalisation des Blutes. Augen mit der Dilatation ist ein Zeichen für eine Thrombosierung
286 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

a b

11

c d

e f

⊡ Abb. 11.27 Symptomatisches, exsudatives RAM vor (a, b, c) und 6 Wochen nach fokaler Laserkoagulation (d, e, f) im klinischen Bild und Früh-
bzw. Spätphase der FAG. Der Gefäßknoten ist thrombosiert, die Blutsäule erhalten (d, e) und die Leckage zurückgegangen (f). Die initial verstärk-
ten Lididexsudate (Stern) weisen auf hohe Phagozytoseaktivität hin und werden mit Verzögerung vollständig resorbiert. (a-d aus Bopp S 2007)

an der inneren Gefäßwand. Im Verlauf der Erkrankung Blutströmung. Klinisches Korrelat ist eine fokale Gefäß-
kann der Blutfluss vollständig wiederhergestellt werden. sklerosierung (⊡ Abb. 11.24). Die Spätphasenbilder zeigen
Erkennbare, subtile Residualveränderungen sind dann variable Befunde und reichen von einer Anfärbung der
eine fokale Verengung oder eine irreguläre irreguläre Gefäßwand bis hin zu mehr oder weniger starken Farb-
11.5 · Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM)
287 11

a b c

⊡ Abb. 11.28 Kleines, hämorrhagisches RAM, das auf den ersten Blick als hämorrhagische AMD fehlgedeutet wurde, im FAG und OCT-Bild (a).
Das RAM leuchtet in der Spätphase als hyperfluoreszenter Knoten auf (b). Im OCT zeigt sich einer Hyperreflektität im Niveau der inneren Netz-
haut dar als Hinweis, dass die Hämorrhagie präretinal lokalisiert ist (c) (a,b aus Bopp S 2007)

a b c

⊡ Abb. 11.29 Korrelation von klinischem Befund, FAG und OCT bei hämorrhagisch-exsudativen Veränderungen eines RAM: fleckige subretinale
Blutungen (Colorbild), mikrovaskuläre Anomalien (FAG) und exsudative Veränderungen in den äußeren Netzhautschichten (OCT)

stoffleckagen in die angrenzende Netzhaut (⊡ Abb. 11.27). Vergleich zu Fluoreszein. Daher kann mit dieser Technik
Zusätzliche kommen oft mikrovaskuläre Veränderungen in Fällen, in denen die FAG keine spezifischen Befunde
der umgebenden Kapillaren zur Darstellung: Um die ergibt, noch die zugrundeliegende Pathologie zur Dar-
Gefäßanomalie zeigt sich eine Vergrößerung der kapillar- stellung bringen.
freien Zone, angrenzende Kapillaren können okkludiert Infolge der klinisch schwierigen Diagnose eines hä-
oder dilatiert sein, Mikroaneurysmen oder Kollateralge- morrhagischen RAM kann man mit Hilfe der FAG in ca.
fäße auftreten (⊡ Abb. 11.23). Diese Pathologien tragen zu 50% die Grunderkrankung detektieren und in der ICG-A
den Leckagephänomenen bei. rund 75%. Die angiographischen Verfahren sind damit
Auch bei hämorrhagischen RAM ist die Fluoreszen- ein wichtiges diagnostisches Werkzeug, um bereits bei
zangiographie hilfreich. Wenn die retinalen Gefäße nicht Erstuntersuchung die richtige Diagnose zu stellen und
vollständig von Blut verdeckt werden, kann man noch eine entsprechende Therapie einzuleiten oder adäquate
den charakteristischen hyperfluoreszenten Knoten erken- Kontrolluntersuchungen anzusetzen.
nen, auch wenn er ophthalmoskopisch verborgen bleibt Zur Rolle der optische Kohärenztomographie (OCT)
(⊡ Abb. 11.20, ⊡ Abb. 11.28). Dies ist differentialdiagnos- bei RAM gibt es noch wenige Untersuchungen. Da die
tisch von großer Bedeutung, um andere Ursachen einer Technik als solche eine detaillierte Darstellung von reti-
Makulablutung abzugrenzen, vor allem eine hämorrha- nalen Pathologien erlaubt, dürften sich Aufschlüsse über
gische AMD. die pathomorphologischen Veränderungen bei komple-
Die Indozyaningrün-Angiographie (ICG-A) erlaubt xen RAM ergeben. Tsujikawa et al. (2009) beobachteten
eine verbesserte Darstellung der tiefen retinalen und cho- bei exsudativen RAM, dass das Ödem überwiegend in
roidalen Strukturen. Ferner erhält man detailreichere Bil- der äußeren Netzhaut lokalisiert war und es bis zu ei-
der auf Grund der hohen Proteinbindung des Farbstoffes ner subfovealen serösen Netzhautabhebung fortschreiten
an Albumin (98%) und damit geringeren Leckagen im konnte (⊡ Abb. 11.29). Bei hämorrhagischen RAM war
288 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

eine gute Unterscheidung zwischen subretinal und sub-


⊡ Tab. 11.8 Terminologie von RAM
ILM Blutung möglich (⊡ Abb. 11.28, ⊡ Abb. 11.29). Die
Verlaufsbeobachtungen ergaben, dass initial sämtliche Kriterium Klassifikation Bedeutung
Netzhautschichten gut erhalten waren. Mit zunehmen- Klinik Asymptomatisch Extrafoveolar ± Exsudation,
der Dauer der exsudativen oder hämorrhagischen Phase Blutung
waren im hochauflösenden OCT strukturelle Verände-
Symptomatisch Mit exsudativ-hämorr.
rungen im Sinne einer Schädigung der Photorezeptorzell-
Makulabeteiligung oder GK-
schicht nachweisbar. Diese korrelierten mit einer man- Blutung
gelnden funktionellen Erholung.
Ophthal- Einfache RAM Nur Gefäßwandektasie
moskopie
Termimologie/Klassifikation Komplexe RAM + Exsudation/Blutung
Eine standardisierte Klassifikation für RAM liegt bisher
FAG Aktiv Leckage
nicht vor. Die klinischen Bilder von RAM sind vielfältig.
Wie bereits ausgeführt, kann man einfache, d.h. ohne Inaktiv Nach Involution und Gefäß-
assoziierte retinale Veränderungen und komplexe, d.h. wandrestoration

mit Exsudation und Blutung, unterscheiden. Dieses spie- Pathomor- Ruhend Alleinige Gefäßwandektasie
gelt auch eine inaktiven bzw. aktiven Phase wider. Eine phologie
Exsudativ Netzhautödem, Lipidablage-
exsudative Retinopathie mit Lipidablagerungen weist auf
rungen
ein chronisches Geschehen hin. Signifikante Blutungen
sind als akutes Stadium anzusehen. Entsprechend der Pa- Hämorrhagisch Prä-, intra-, subretinale
Blutung
thogenese und dem klinischen Bild kann man RAM auch
als ruhend, exsudativ oder hämorrhagisch klassifizieren
(⊡ Tab. 11.8).
Ein anderer Klassifikationsvorschlag von Palestine et gig vom Leitsymptom können RAM zahlreiche retinale
al. (1982) basiert auf der anatomischen Lokalisation und Erkrankungen nachahmen.
11 visusbedrohenden Komplikationen. Am häufigsten werden komplexe RAM mit exsuda-
▬ RAM innerhalb der Gefäßbögen mit exsudativ- tiven oder hämorrhagischen Begleitsymptomen mit der
hämorrhagischer Komplikationen, die die Makula feuchten altersassoziierten Makuladegeneration (AMD)
einschließen verwechselt (⊡ Abb. 11.25c, ⊡ Abb. 11.28). Die FAG erlaubt
▬ RAM innerhalb der Gefäßbögen mit begleitenden in diesen Fällen eine einfache Abgrenzung. Ausgeprägte,
exsudativ-hämorrhagischen Veränderungen, aber vor allem entfärbte Blutkoagel sind nicht selten für mali-
ohne Makulaaffektion gne Melanome gehalten worden.
▬ RAM außerhalb der Arkaden mit/ohne exsudativ- Eigene Untersuchungen haben gezeigt, dass die Hälfte
hämorrhagisch Begleitsymptome, dabei keine Ma- der RAM mit signifikanter Blutungskomponente mit der
kulabeteiligung Diagnose »hämorrhagischen AMD« zur Therapie über-
wiesen wurden. Eine zur Makula exzentrische gelegene der
Eine Subanalyse der 3 Gruppen ergab, dass der Endvisus Blutung in der Umgebung eines arteriellen Gefäßabschnitts
von der Makulabeteilung abhängt. Asymptomatische ist hinweisend auf eine RAM, selbst wenn die Gefäßano-
RAM (Gruppe 2, 3) hatten eine gute Prognose, während malie selbst verdeckt wird (⊡ Abb. 11.21e, ⊡ Abb. 11.34a).
bei symptomatischen Fällen die Prognose ungewiss war. Ein weiterer wichtiger Hinweis auf ein RAM ist die Tat-
Ein prognostisches Kriterium soll der Form des RAM sache, dass das Blut oft verschiedene retinale Schichten ein-
zukommen. Mooshavi et al (2005) beobachteten, das bei bezieht. Infolge des hohen arteriellen Gefäßdruckes kann
runden, sackförmigen Gefäßanomalien weniger häufig sich die Blutung bei einer Ruptur ausbreiten und respektiert
hämorrhagische Komplikationen aufgetreten sind als bei nicht die natürlichen anatomischen horizontalen Barrieren,
der spindelförmigen Variante. wie das z.B. bei der AMD der Fall ist, wo gewöhnlich nur
der subretinale Raum einblutet. Daher lässt ein sog. »ge-
mischter« Blutungstyp auf ein RAM als Blutungsursache
11.5.6 Differentialdiagnose schließen (⊡ Abb. 11.30, ⊡ Abb. 11.21e, ⊡ Abb. 11.31).
Ähnliche kann sich ein Terson-Syndrom darstellen.
Infolge des breiten Spektrums klinischer Erscheinungs- Dieses kann einfach durch die Anamnese abgegrenzt
bilder und den Ähnlichkeiten zu anderen Pathologien werden.
sind Fehldiagnosen häufig. Spalter (1982) zählt RAM Steht eine Glaskörperblutung im Vordergrund, sind
deshalb zu den »neuen Maskerade-Syndromen«. Abhän- andere, häufige Erkrankungen zu erwägen: die akute
11.5 · Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM)
289 11

⊡ Abb. 11.30 Schematische Darstellung


der Ausbreitung des Blutes bei rupturieren
RAM. (Aus Bopp S 2007)

11.5.7 Therapie
⊡ Tab. 11.9 Differentialdiagnose bei RAM (aufgeführt nach
klinischen Leitsymptomen)
Indikationen zur Therapie und Art der Behandlung von
Leitsymptome
RAM werden nach wie vor kontrovers diskutiert. Weitge-
Atypische Gefäß- Angiomatosis retinae hender Konsens besteht darin, angesichts der allgemein
veränderung benignen Spontanprognose, eine therapeutische Inter-
Kavernöses Hämangiom
vention nur bei symptomatischen bzw. aktiven RAM in
Gefäßanomalien bei venöser Verschlusser-
krankung, diabetische Retinopathie
Betracht zu ziehen. Indikationen sind gewöhnlich visus-
bedrohende Sekundärveränderungen, z. B.
Exsudative Exsudative AMD
▬ Makulödem ± Lipidexsudate
Retinopathie
Disziforme AMD ▬ Makulablutung (prä-, subretinal, gemischt)
Diabetisches Makulaödem ▬ Glaskörperblutung
Idiopathische parafoveale Teleganiektasien
Zahlreiche Therapieoptionen wurden bisher vorgeschla-
Leber’sche Miliaraneurysen Retinopathie, gen. Sie reichen von der Lasertherapie bis hin zur subre-
M. Coats
tinalen Chirurgie. Es wird im Folgenden ein Überblick
Strahlenretinopathie über die aktuellen Therapieoptionen unter Berücksichti-
Makulablutung, AMD (subretinale/sub-RPE Blutung) und gung des klinischen Leitsymptoms gegeben.
dunkler Makula- andere Erkrankungen mit subretinaler CNV
tumor Exsudative Komplikationen
Proliferative diabetische Retinopathie
(speziell mit subhyaloidaler Blutung)

Aderhautmelanom am hinteren Pol


Praxistipp I I
Therapie symptomatischer exsudativer RAM
Glaskörper- Akute hintere Glaskörperabhebung ±
blutung Netzhautriss ▬ Indikation: Makulaödem, Lipidablagerungen
▬ Rationale: Beschleunigung der Involution, Vermei-
Ischämische Netzhauterkrankungen (Zen-
tral- und Venenastverschluss, PDR etc.)
dung exsudativ-hämorrhagischer Komplikationen
mit permanenter Visuseinbuße
Massenblutung bei AMD mit Durchbruch
▬ Technik: Argon-Laserkoagulation
in den Glaskörperraum
▬ Effekt: Stimulation der RAM-Involution, Resorption
von Ödem/Exsudaten

hintere Glaskörperabhebung, venöse Verschlusserkran-


kungen und eine diabetische Retinopathie. Flüssigkeits- und Lipidexsudation um ein RAM entstehen
In der ⊡ Tab. 11.9 sind die retinalen Erkrankungen durch Leckagen aus dem RAM selbst und aus umgeben-
aufgeführt, die, abhängig von spezifischen Leitsympto- den mikrovaskulären Anomalien. Die Rationale einer La-
men, gegeneinander abgegrenzt werden müssen. sertherapie ist, eine Thrombosierung und Sklerosierung
290 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

der Gefäßektasie zu erreichen, mit anderen Worten, die mit und ohne Lasertherapie ausstehen, wird diese Therapie
spontane Involution zu beschleunigen und eine perma- aufgrund der evidenten Effektivität generell befürwortet.
nente Retinaschädigung infolge des chronischen Ödems, In der Ära der medikamentösen Therapie bei exsu-
der Pigmentepithelveränderung und eines subretinalen dativen Retinaprozessen, kann eine adjuvante intravitre-
Vernarbungsprozessen zu verhindern. ale Therapie erwogen werden, um Leckagen und Ödem
Die Indikationen zur Lasertherapie sind zwar unein- zu supprimieren und den retinalen Schaden infolge der
heitlich, aber ein weitgehender Konsens hingegen be- chronischen Exsudation zu limitieren. Hierzu stehen
steht, eine Behandlung bei Makulabeteiligung oder bei prinzipiell Triamcinolon und anti-VEGF-Substanzen zur
Bedrohung der Fovea durchzuführen. Verschiedene La- Verfügung. Klinische Erfahrungen hierzu wurden jedoch
sertechniken wurden vorgeschlagen: noch nicht veröffentlicht.
▬ Direkte Koagulation des RAM (Fokussierung auf das
Zentrum) Hämorrhagische Komplikationen
▬ Indirekte Koagulation des RAM (Fokussierung auf
die Gefäßwand und angrenzende Retina) Praxistipp I I
▬ Paravaskuläre Koagulation (Fokussierung auf die Therapie symptomatischer hämorrhagischer RAM
umliegenden mikrovaskulären Anomalien) ▬ Indikation: Makulablutung, nicht-resorbierende
Glaskörperblutung
Als Lasereinstellungen benutzt man niedrigdosierte, mit- ▬ Rationale: Vermeidung eines blutbedingten Ma-
telgroße Spots (200-500 μm) mit längerer Expositionszeit kulaschadens, Verbesserung der Visusprognose,
(0,2-0,5 s). Die Parameter sind so gewählt, dass eine Ge- zeitnahe Diagnosestellung bei unklarem Befund
fäßruptur oder Gefäßokklusion, die zum Arterienastver- ▬ Technik: Vitrektomie ± Zusatzmanöver, vereinzelt
schluss führen kann, vermieden wird. Laserwellenlängen Laser-Hyaloidotomie
im Argon-Grün- als auch im Krypton-Gelb-Bereich wur- ▬ Effekt: Blutdislokation aus der Makula, RAM-Invo-
den mit vergleichbaren Resultaten verwendet. lution, Visusrehabilitation
Obwohl der Lasereffekt im Vergleich zum natürlichen
11 Verlauf schwer zu beurteilen ist, sieht man gewöhn-
lich nach Koagulationstherapie eine rasche Aktivitätsab- Laser bei prämakulärer Blutung
nahme des RAM: angiographisch nimmt die Leckage ab, Bei rupturiertem RAM kann sich die Blutung in Rich-
klinisch kommt es innerhalb von Wochen zum Rückgang tung innere Netzhaut und Glaskörper ausbreiten. Sie
des Ödems, gefolgt von einer Auflösung der Lidpidexsu- kann unter die innere retinale Grenzmembran (ILM)
date (⊡ Abb. 11.27). und die hintere Glaskörpergrenzschicht dringen und das
Das Risiko von laserinduzierten Komplikationen, vor Hämatom dadurch einkapseln. In dieser Situation nimmt
allem eines arteriellen Verschlusses, ist vor allem nach die Resorption oft lange Zeit in Anspruch. Die zentrale
indirekter Laserapplikation als sehr gering einzustufen. Netzhaut ist meist verdeckt, und die Beurteilung und
Auch wenn nach wie vor evidenzbasierte Studien zur Ve- Behandlung einer möglicher assoziierter exsudativen Ma-
rifizierung der funktionellen Ergebnisse exsudativer RAM kulopathie nicht möglich.

a b c

⊡ Abb. 11.31 Hämorrhagisches RAM. Initial bestand eine akute präretinale, subhyaloidale Blutung unklarer Ursache (a), die durch YAG-Laser-
Hyaloidotomie behandelt wurde. Das Blut breitete sich danach in den Glaskörperraum aus und resorbierte sich größtenteils. Eine subretinale
Hämorrhagie wurde erkennbar, die vom unteren Gefäßbogen bis zur Makula reichte (b). Störende Glaskörperkondensationen verblieben, und
es erfolgte eine Vitrektomie. Erst dann ließ sich ein okkludiertes RAM (↑) als Blutungsursache identifizieren (c). Der Endvisus betrug jedoch nur
0,1 aufgrund makulärer Pigmentreaktionen und organisierter Blutreste. (Aus Bopp S 2007)
11.5 · Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM)
291 11
Das gekammerte Blut kann man mittels Photodisrup- flach und zu dicht an der Makula, ist eine Vitrektomie zu
tion der begrenzenden membranösen Gewebestrukturen erwägen. Mittels chirurgischer Glaskörperabhebung und
eröffnen, um einen Blutungsdurchbruch in den Glas- ILM-Inzsion bzw. -Entfernung lässt sich das abgekap-
körperraum zu erreichen, wo erfahrungsgemäß eine ra- selte Blut sicher entfernen. Ferner kann man unmittelbar
sche Blutungsresorption erfolgt (⊡ Abb. 11.31). Eine sog. ggf. notwendige weitere Manöver anschließen. Im Falle
»Laser-Hyaloidotomie« wurde mittels Neodynium-YAG-, einer exsudativen Makulopathie ist eine Lasertherapie
Argon- und Krypton-Laser erfolgreich erprobt. Die meis- des RAM möglich (⊡ Abb. 11.32). Liegt gleichzeitig eine
ten Augen zeigen dann eine rasche Clearance des Blutes. signifikante subretinale Hämorrhagie vor, besteht die Op-
Komplikationen, vor allem eine Laser-induzierte Netz- tion, diese medikamentös oder operativ zu behandeln.
hautschädigung, sind offenbar selten. Für Fälle, bei denen
der gewünschte Effekt nicht eintritt, schlugen Park et al. Chirurgie bei submakulärer Blutung
(2004) vor, eine intravitreale Gasinjektion durchzuführen, Die Visusprognose einer submakulären Blutung – unab-
die zur Glaskörperabhebung induziere und ein Ausströ- hängig von ihrer Ursache – gilt generell als ungünstig,
men des Blutes aus der Gewebetasche nach sich zieht. da sie einen irreversiblen nutritiv-toxischen Photorezep-
torschaden nach sich zieht. Aus der AMD-Forschung ist
Chirurgie bei prämakulärer Blutung bekannt, dass das Ausmaß und die Dauer der Hämorrha-
Bleibt der Versuch, die präretinale Blutung in den Glaskör- gie wichtige prognostische Einflussfaktoren sind. Darauf
perraum zu evakuieren, erfolglos oder ist die Bluttasche basiert der Gedanke, das subretinale Koagel bei RAM

a b

c d

⊡ Abb. 11.32 RAM mit vorwiegend präretinaler Blutung. Diese zeigt eine Spiegelbildung, die typisch für eine sub-ILM Blutung ist (a). Da sie
nur zögerlich zurückging (b), erfolgte eine Vitrektomie. Intraoperativ fand sich ein aktives RAM, das mit erheblicher exsudativer Makulopathie
einherging (c). Nach Laserkoagulation kam es rasch zur Involution des RAM, die exsudativen Veränderungen gingen zurück und der Visus stieg
auf 0,6 (d). (Aus Bopp S 2007)
292 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

im Rahmen einer Vitrektomie chirurgisch zu entfernen 3. In den späten 90er Jahren wurde bei Makulablutun-
mit dem Ziel, den Blut-assoziierten Kollateralschaden zu gen eine intravitreale Gasinjektion angewendet, um
begrenzen. eine Verlagerung des Blutes aus der Makula zu errei-
In den vergangenen 15 Jahren wurde eine Vielzahl chen mit dem Ziel, die Makula vor dem Blutschaden
von Operationsverfahren erprobt, vor allem im Zusam- zu schützen, eine zeitnahe adäquate Ursachendiag-
menhang mit der hämorrhagischen AMD. Diese The- nostik durchzuführen und ggf. die Grunderkrankung
rapieprinzipien kamen auch bei anderen Grunderkran- zu behandeln. Auch wenn diese einfache Methode
kungen mit Makulablutung zum Einsatz, so auch beim generell als effektiv bewertet wurde, fielen die Er-
RAM. gebnisse doch unterschiedlich aus. Eigenen Unter-
1. Eine mechanische Entfernung des Koagels mittels suchungen zufolge war der Verlagerungseffekt oft
Zange über eine temporale Retinotomie kann heute unvollständig und die Ergebnisse enttäuschend.
als obsolet gelten. Grundsätzlich ist ein Koagel auf- 4. Die Kombination einer pneumatischen Dislokation
grund seiner Konsistenz nur schwer mit der Zange in Verbindung mit fibrinolytischen Agenzien (rt-
zu fassen und wird bei den Versuchen der Extraktion PA) sollen zu einer Verbesserung in Bezug auf die
oft nur in Teilen gerissen. Beim RAM hängt dieses Blutdislokation geführt haben. Dennoch erscheinen
zudem am Gefäßknoten fest. Abgesehen von einer die Resultate nicht besser als nach alleiniger intra-
unvollständigen Entfernung hinterlassen diese wie- vitrealer Gasinjektion. Ferner ist die Methode m.E.
derholten Manöver oft einen erheblichen Netzhaut- risikobelastet infolge der Volumenprobleme und der
und Pigmentepithelschaden (⊡ Abb. 11.33). Hinzu Infektionsgefährdung bei mehrfachen Injektionen.
kommen postoperative Komplikationen wie chorio- 5. Eine Synthese der bisherigen Erfahrungen ist die
retinale fibrotische Narben, Pucker und PVR. Kombination aus Vitrektomie, subretinaler rt-
2. Ein Schritt in Richtung einer atraumatischeren Vor- PA-Gabe zur Lyse und subtotale Gasfüllung zur
gehensweise wurde durch die Einführung von rt-PA pneumatischen Blutdislokation. Dieses Verfahren
(rekombinanter Gewebeplasminogen-Aktivator) (⊡ Abb. 11.35) zeigt nach eigenen Erfahrungen ein
gemacht. Die Substanz wird subretinal um das Blut- günstiges Nutzen-Risiko-Profil: es ist effektiv in Be-
11 koagel injiziert. Sofern eine frische Blutung vorliegt, zug auf eine Verlagerung des Blutes aus der Makula
induziert rt-PA eine Verflüssigung des Blutes über und birgt ein relativ geringes Operationsrisiko in
den Fibrinolysemechanismus. Diese tritt nach einer sich. Speziell durch die Verwendung von 40-G-Tef-
Inkubation von ca. 1 h auf. Das Blut kann dann über lonkanülen zur subretinalen Injektion ist das Netz-
eine kleine Retinotomie abdrainiert, ggf. extrahiert hauttrauma minimal, und man vermeidet Kompli-
werden. Oft bleibt ein zentrales Restkoagel übrig, das kationen, die früher mit dem Einführen subretinaler
aber nicht mehr an den umgebenden Geweben adhä- Instrumente verbunden waren.
rent ist und sich mittels Zange leicht extrahieren lässt
(⊡ Abb. 11.34). Flüssige Perfluorokarbone (PFCL) Welche der unter (1) bis (5) genannten Methoden hin-
sind nützlich, das verflüssigte Blut und Restkoagel sichtlich Sicherheit und Effektivität bei RAM zu favori-
zur peripheren Extraktionsstelle zu manipulieren. sieren ist, ist nach wie Gegenstand der Diskussion. Ent-
Mit dieser Methode reduzieren sich o.g. Komplikati- sprechende Studien sind aufgrund der kleinen Fallzahlen
onen erheblich. kaum zu realisieren.

a b c

⊡ Abb. 11.33 RAM mit vorwiegend subretinaler Blutung (a), behandelt durch Vitrektomie mit Blutextraktion in der Ära vor r-tPA Anwendung.
Die Blutextraktion über eine Retinotomie war nur unvollständig möglich (b), und die subretinalen chirurgischen Manöver hinterließen eine ex-
zentrische, fibrotische Narbe (c). Solche Augen entwickeln zudem häufig noch einen Makula Pucker (hier: Endvisus 0,05). (Aus Bopp S 2007)
11.5 · Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM)
293 11

a b c

d e f

g h i

j k l

⊡ Abb. 11.34 RAM vom subretinalen Blutungstyp: intraoperative Befunde. Ausgangsbefund (a), r-tPA-Injektion mittels 40-G-Teflonkanüle (b),
nach Inkubation von ca. 45 min (c), Absaugen des verflüssigten Blutanteils mit Aspirationskanüle (d), Fassen (e), Lösen der Adhärenz am RAM
(f) und Extraktion des Restkoagels mit der subretinalen Zange (g). Exprimieren von subretinalen Blutresten mittels schwerer Flüssigkeit (PFCL,
h), Laserkoagulation der Retinotomiestelle, wenn diese sich durch Koagelextraktion erweitert hat (i). Postoperativ bis auf Blutspuren freie
Makula (j), angiographisch noch erkennbares RAM inferior, das angiographisch aber keine signifikante Leckage zeigt (k). Die Makula zeigt eine
normale foveale Kontur ohne Ödem (l). (Aus Bopp S 2007)
294 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

a b c

d e f

11

g h i

⊡ Abb. 11.35 RAM vom subretinalen Blutungstyp: prä-, intra- und postoperative Befunde. Präoperatives Fundusbild (a). Darstellung des RAM
nach Vitrektomie (b). ICG-geführtes ILM-Peeling legt die Blutung auf dem RAM frei (c), die angenommen werden kann, sodass der Gefäßknoten
sichtbar wird (d). Mit einer 40-G-Teflonkanüle wird die Netzhaut am seitlichen Koagelrand penetriert (e) und die r-TPA-Lösung injiziert und das
Koagel umspült. Es resultiert eine blasige zentrale Abhebung (f). Der Eingriff wird durch eine subtotale Gasfüllung abgeschlossen (g). Postope-
rativ ist das Koagel nach inferior disloziert und die Makula weitgehend frei (g, h). Das OCT-Bild zeigt eine praktisch normale Makulastruktur (i)

Praxistipp I I »Pearls and pitfalls« bei der Diagnose und


Therapie hämorrhagischer RAM
Eigenen Erfahrungen zufolge, wobei innerhalb der
vergangenen 20 Jahre alle o.g. Verfahren eingesetzt Da sich die Behandlungskonzepte komplizierter RAM
wurden, ist die Vitrektomie, subretinale rt-PA-Gabe und mit Blutung über die Jahre stark verändert haben, wur-
partielle Gasfüllung das momentan bevorzugte Ver- den die Fälle im eigenen Patientengut analysiert, um
fahren mit guten, reproduzierbaren Ergebnissen und die Fortschritte und Probleme im klinischen Alltag zu
geringem Komplikationspotenzial. erfassen.
11.5 · Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM)
295 11

a b c

⊡ Abb. 11.36 RAM als Maskeradesyndrom. Bei akuter Glaskörperblutung ist eine Makulablutung erkennbar, nicht aber ihre Ursache (AMD oder
RAM) und nicht die Lokalisation der Blutung (prä- versus subretinal) (a). Die diagnostische Vitrektomie ergab eine subretinale Hämorrhagie, die
bis in die Fovea reichte und durch ein RAM verursacht worden war (Kreis), das sich im FAG noch darstellte. Ferner fand sich ein zweites, spontan
thrombosiertes RAM am gleichen Gefäß etwas distaler (Kreis) Die umgebenden Lididreste und subretinalen Pigmentierung weisen darauf hin,
dass letzteres ebenfalls eine hämorrhagisch-exsudative Phase durchlaufen hatte. (Aus Bopp S 2007)

Patientenselektion 30% eine Glaskörperblutung. Bei der initialen Unter-


1. Die Indikationsstellung für eine operative Intervention suchung wurden nur die Hälfte der Fälle eindeutig als
ist häufig schwierig. Bei Patienten, die mit dem Leit- hämorrhagische RAM identifiziert, eine AMD in 35% an-
symptom einer Glaskörperblutung unklarer Ursache genommen und die übrigen Fälle als Glaskörperblutung
kommen, ist in 5-10% mit einem rupturierten RAM unklarer Ursache eingestuft.
zu rechnen. Üblicherweise wird in solchen Fällen eine
Sonographie im B-Bild durchgeführt, um eine Ablatio Operationstechnik
auszuschließen und erst mal ein spontaner Rückgang Die prinzipielle Technik ist oben bereits beschrieben. Die
der Blutung abgewartet und eine Behandlung zurück- einzelnen Schritte variieren entsprechend der individuel-
gestellt, bis eine Diagnose gestellt werden kann, Kom- len Situation.
plikationen auftreten oder eine mangelnde Resorption 1. Beim Vorliegen einer vorwiegend präretinalen Hä-
zur Vitrektomie führt. In Bezug auf ein RAM mit morrhagie wird nach Entfernung des Glaskörpers
subretinaler Blutungskomponente kann dann bereits ggf. eine chirurgische Glaskörperabhebung induziert.
ein irreversibler Makulaschaden vorhanden sein, wenn Häufig findet man eine unter der ILM gelegene Blut-
endlich die Diagnose gestellt wird (⊡ Abb. 11.31). tasche. Durch Inzision wird diese eröffnet und nach
2. In Fällen, in denen bei einer präretinalen oder Glas- Peeling der ILM kann diese vollständig beseitigt wer-
körperblutung ein rupturiertes RAM bereits bei der den (⊡ Abb. 11.32). Das RAM lässt sich zweifelsfrei
initialen Diagnosestellung identifiziert wird, kann erkennen. Stellt man fest, dass die Netzhaut zusätz-
eine signifikante subretinale Blutungskomponente lich eine exsudative Retinopathie zeigt, ist ggf. eine
verborgen bleiben. Entscheidet man sich, eine spon- intraoperative Laserkoagulation zu überlegen. Zeigt
tane Resorption abzuwarten, ist ebenfalls mit funkti- das RAM bereits eine Involution und die Netzhaut ist
onellen Einbußen zu rechnen. »trocken«, erübrigt sich diese zusätzliche Maßnahme.
3. Patienten mit vorwiegend submakulärer Hämor- 2. Besteht primär eine submakuläre Blutung oder zeigt
rhagie werden oft als hämorrhagische AMD fehlge- sich intraoperativ nach Entfernung präretinaler Blu-
deutet. Die Differentialdiagnose ist erschwert, wenn tanteile noch eine signifikante subretinale Kompo-
andere Hinweise auf eine AMD (Drusen, Exsudate) nente, kommen die Manöver in Frage, die auch bei
fehlen und der typische Gefäßknoten durch das Blut submakulären Hämorrhagien anderer Ursache, vor
verdeckt wird (⊡ Abb. 11.28). Hinweisend mag sein, allem bei AMD, zum Einsatz kommen. Nach Vitrek-
dass bei einem RAM die Blutung oft etwas exzent- tomie wird mittels feiner 40-G-Teflonkanüle am seit-
risch zur Makula liegt. lichen Blutungsrand rt-PA-Lösung in einer Konzen-
tration von 12,5 μg/ml unter die Netzhaut injiziert,
Präoperative Befunde bis das Koagel ringsherum umspült ist (0,1-0,2 ml).
In einer Serie von 35 operativ versorgten Augen mit Dann ergeben sich 2 Optionen: entweder wird eine
RAM zeigten 70% das Leitsymptom Makulablutung und intraoperative Lyse abgewartet (ca. 45 min) und da-
296 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

nach das Koagel über eine parazentrale Retinotomie hauptsächlich präretinal bzw. sublaminär in 35% und
mit der Zange extrahiert (⊡ Abb. 11.34). Alternativ etwas zu gleichen Anteilen prä- und subretinal in 23%.
kann nach subretinaler rt-PA-Injektion lediglich eine Zwei Augen hatten eine Glaskörperblutung bei RAM
2/3 Gasfüllung des GK-Raumes erfolgen. Die Lyse ohne Makulabeteiligung. Anders formuliert, rund 2/3
bewirkt eine subretinale Mobilisierung des Koagels zeigten eine signifikante subretinale Blutkomponente.
und die Gastamponade eine Verlagerung des Blutes
nach peripher (⊡ Abb. 11.35). Nach eigenen Erfah- Postoperative Befunde
rungen ist letztgenannte Variante atraumatischer und 1. Die Analyse der funktionellen Ergebnisse und Kom-
komplikationsärmer und ebenso effektiv. plikationen ergab eine gute Visusprognose bei primär
präretinalen Blutungen. Der präoperative Visus lag
Intraoperative Befunde bei FZ bis 0,1 und verbesserte sich auf 0,2 bis 0,9. Ur-
Da die Lokalisation der Blutung bei einem hämorrhagi- sache für moderate Visuserfolge bei 3 Augen waren
schen RAM entscheidende prognostische Bedeutung hat eine assoziierte, chronisch-exsudative Retinopathie,
und die entsprechenden operativen Manöver danach aus- eine Amblyopie und eine AMD.
gerichtet werden, wurde diese intraoperativ dokumen- Augen mit subretinaler Blutung zeigten vergleichs-
tiert. Vorwiegend subretinal befand sich das Blut in 38%, weise weniger gute Visusergebnisse. Die wesentlichen

11

a b

c d

⊡ Abb. 11.37 RAM mit subretinaler Hämorrhagie (a), das einer r-tPA-assistierten Blutentfernung unterzogen wurde (b). Bereits 1 Woche post-
operative betrug der Visus 0,5. Zwei Monate später fiel der Visus als Resulat erneuter Leckagen mit Lididablagerungen bis in die Fovea (Stern)
erneut ab (c). Nach Lasertherapie (c) kam es zur Sklerosierung des RAM, das Ödem und später die Lipidexudate resorbierten sich. Endvisus 0,9
(d) (Aus Bopp 2007)
11.5 · Retinale arterielle Makroaneurysmen (RAM)
297 11
Einflussfaktoren waren die Latenz zwischen den 11.5.8 Prognose/Schlussbemerkungen
Symptomen und dem Eingriff und der Operations-
technik. Lagen zwischen dem Blutungsereignis und Der natürliche Verlauf eines RAM ist gewöhnlich durch
der operativen Therapie durchschnittlich 6 Wochen eine spontane Involution der Gefäßanomalie mit guter
und wurde eine konventionelle subretinale Blutex- Visusprognose gekennzeichnet, und die Mehrzahl der
traktion mittels Zange durchgeführt, hatte kein Auge Fälle bleibt asymptomatisch. Der benigne Charakter ver-
einen Visus über 0,1. Ferner kamen postoperative ändert sich, wenn eine chronische Exsudation mit Ma-
Puckerbildungen und PVR-Reaktionen vor. Wenn kulabeteiligung oder Ruptur mit Blutung auftritt. Die
der Operationszeitpunkt maximal 2 Wochen nach Visusprognose wird dann durch das Ausmaß und die
Beginn der Symptome betrug, konnte ein postopera- Lokalisation von Exsudationen oder Blutung bestimmt.
tiver Visus zwischen 0,2 und 1,0 erreicht werden; o.g. Die Rolle der Lasertherapie bei einem RAM ist nach
Komplikationen waren die Ausnahme. wie vor nicht etabliert, aber die klinische Erfahrung zeigt
Daraus lässt sich ableiten, dass das maximale Visus- eine rasche Rückbildung exsudativer Komplikationen
potenzial durch früher Intervention und atraumati- nach Laserapplikation. Mit anderen Worten: die Therapie
scher Vorgehensweise ausgeschöpft werden kann. verkürzt die aktive Phase der Erkrankung und reduziert
2. Die Nachuntersuchungen der operativ behandelten das Risiko permanenter struktureller Schäden der zent-
Patienten ergab, dass nicht immer wie allgemein an- ralen Netzhaut.
genommen wird, eine spontane Involution des ruptu- Die Rolle der Chirurgie ist noch umstrittener. Sie
rierten RAM eintritt. In der frühen Serie zeigte sich in konzentriert sich auf hämorrhagische Komplikationen,
4 von 9 Augen ein anhaltend aktives RAM, d.h. eine vor allem subfoveale Blutungen. Im Hinblick auf die
exsudative Retinopathie bestehen blieb und im FAG ungewisse Prognose und die schwierigen und potenti-
anhaltende Leckagephänomene zu verzeichnen waren. ell komplikationsträchtigen Verfahren sind viele Klini-
Erst nach nachträglicher Lasertherapie kam es zur In- ker zurückhaltend mit der Indikationsstellung. Andere
volution des RAM und Rückgang des Netzhautödems hingegen präferieren eine rasche operative Intervention.
(⊡ Abb. 11.37). Die unerwartete Häufigkeit von persis- Zweifellos ist die subretinale Applikation von rt-PA ein
tierenden, aktiven RAM war Anlass, die operative Be- großer Schritt in Richtung einer atraumatischen Technik
handlungsstrategie zu modifizieren: wird intraoperativ zur subretinalen Blutdislokation oder -entfernung aus
ein RAM festgestellt, das noch aktiv erscheint, wird der Makula. Eigene Ergebnisse an 13 Augen zeigten in
dieses mittels zarter Endolaserkoagulation mit behan- 11 Fällen eine Verbesserung und keines hatte einen Vi-
delt. Sämtliche so therapierten Augen zeigten postope- susverlust.
rativ eine rasche Regression der Gefäßanomalie und Bei ruputurierten RAM mit vorwiegend präretinalen
Rückgang der exsudativen Retinopathie. Blutungen nicht immer eine Therapie nötig. Ausnahmen
sind Fälle mit langdauernder Resorptionsphase und da-
Fazit der Untersuchungen mit verzögerter Visuserholung, die als Indikation für eine
Angesichts der ungünstigen Spontanprognose hämor- Vitrektomie gelten. Grundsätzlich sollte berücksichtigt
rhagischer RAM ist eine chirurgische Intervention zu werden, dass präretinales Blut eine subretinale Kompo-
befürworten. Die retrospektive Serie zeigt, dass schlechte nente verdecken kann. Im Zweifelsfall ist dann eine früh-
Ergebnisse assoziiert sind mit: zeitige chirurgische Intervention zu überlegen.
▬ Später Diagnosestellung
▬ Unterschätzter subretinaler Blutungskomponente Fazit für die Praxis
▬ Iatrogenes, operationsbedingtes Trauma Trotz des Fehlens allgemein verbindlicher Richtlinien zur
Indikationsstellung und Behandlungsmethode von RAM soll
Umgekehrt werden gute funktionelle Ergebnisse erreicht ⊡ Tab. 11.10 als Orientierung gelten. Es basiert auf persönli-
durch: chen Erfahrungen mit allen vorgestellten Verfahren und der
▬ Frühzeitige, korrekte Diagnosestellung Durchsicht der Literatur. Generell gilt eine Behandlungsindi-
▬ Zeitnahe chirurgische Intervention kation ausschließlich für aktive, symptomatische Läsionen.
▬ Atraumatische Operationstechnik Bei den aufgelisteten klinischen Situationen ist die Visuspro-
gnose entweder unklar oder schlecht, sodass eine Interven-
Die Tatsache, dass rund zwei Drittel der hämorrhagischen tion gerechtfertigt ist. Das Risiko einer Lasertherapie ist bei
RAM eine signifikante subretinale Blutungskomponente vorsichtiger Applikationsweise vernachlässigbar, sodass die
zeigten, hat uns veranlasst, weniger konservativ in Bezug Indikation großzügig gestellt werden kann. Die chirurgische
auf eine frühe chirurgische Intervention vorzugehen als Vorgehensweise ist unter Berücksichtigung der Prognose und
üblich vorgeschlagen wird. des Risiko/Nutzen-Verhältnises in den Händen eines erfahre-
298 Kapitel 11 · Gefäßabnomalien

⊡ Tab. 11.10 Therapieoptionen bei symptomatischen RAM abhängig vom klinischen Leitsymptom

Klinisches Leitsymptom Behandlungsprinzip Maßnahmen Begründung

Exsudative RAM

Makulabeteiligung Paravaskulär, die Gefäß- Herde mit niedriger Energie Thermisch induzierte Gefäßwand-
wand touchieren und langer Expositionszeit läsion zur Initiation der Involution
eines aktiven RAM

Progressive Erkrankung mit Dito Dito Dito


Makulabedrohung

Hämorrhagische RAM

Präretinale Blutung: abge- Laser-Membranotomie Nd:YAG-Photodisruption Blutungsdurchbruch in den GK-


kapselt durch hintere GK- Raum Provozieren, um eine rasche
Grenzschicht oder ILM Resorption zu erreichen

Präretinale Blutung mit V.a. Glaskörperchirurgie Vitrektomie, HGA, ILM-Peeling Frühe Diagnose und Therapie einer
eine subretin. Komponente evtl. subretin. Hämorrhagie °

Präretinale Blutung und Glaskörperchirurgie Vitrektomie, HGA, ILM-Peeling Zusätzlichen Netzhautschaden


deutliche vitreoretinale durch Puckerformation verhindern
Grenzflächenveränderungen

Subretinale Blutung Rasche Glaskörperchirurgie Vitrektomie,subretinal rt-PA ± Blutentfernung oder -displacement


Blutextration, Gas, Positionie- zur Verbesserung der funktionellen
rung * Erholung

Glaskörperblutung

Glaskörperhämorrhagie bei Rasche Glaskörperchirurgie Vitrektomie + ggf. weitere situ- Frühzeitige Diagnose und Therapie
11 bekanntem oder V.a. RAM ationsabhängige Maßnahmen einer evtl. subfovealen Blutung °

Glaskörperhämorrhagie un- Rasche Glaskörperchirurgie Dito Dito, bei 10% besteht ein ruptu-
klarer Ursache riertes RAM

°in eigenem Patientenkollektiv zeigten ein Drittel der Augen mit präretinaler Hämorrhagien eine erhebliche subretinale Blutkomponente; *im
Falle einer verflüssigten subfovealen Blutung kann prinzipiell eine Blutverlagerung mit alleiniger intravitrealer Gasinjektion ausreichen. Gewöhn-
lich liegt jedoch ein Koagel vor, und die lokale subretinale rt-PA-Gabe führt zu reproduzierbarer, effektiver Dislokation.

nen vitreoretinalen Chirurgen eine effektive Maßnahme. Charbel Issa P, Holz FG, Scholl HP (2007) Findings in fluorescein an-
giography and optical coherence tomography after intravitreal
Kontrollierte Studien zur Erfassung der Wirksamkeit der
bevacizumab in type 2 idiopathic macular telangiectasia. Oph-
verschiedenen Therapieoptionen wären wünschenswert. An- thalmology 114(9):1736-1742
gesichts des relativ benignen Krankheitsbildes und der eher Clemons TE, Gillies MC, Chew EYet al. (2010) Baseline characteristics
selten auftretenden visusbedrohenden Komplikationen ist of participants in the natural history study of macular telan-
giectasia (MacTel) MacTel Project Report No. 2. Ophthalmic
es schwierig, solche Studien aufzustellen. Insofern bleibt es
Epidemiol;17(1):66-73
eine individuelle Entscheidung, unter Berücksichtigung des Gamulescu MA, Walter A, Sachs H, Helbig H (2008) Bevacizumab in
natürlichen Verlaufes und konzeptioneller Überlegungen, bei the treatment of idiopathic macular telangiectasia. Graefes Arch
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12.1 Definition – 306

12.2 Einleitung – 306

12.3 Pathogenese – 306

12.4 Epidemiologie – 310

12.5 Klinisches Bild – 311

12.6 Differentialdiagnose – 315

12.7 Therapie – 315

12.8 Prognose – 319

Literatur – 319

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_12,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
306 Kapitel 12 · Strahlenretinopathie

Die Strahlentherapie hat sich als eine wertvolle und vielge- Bei okulären Tumoren sind die Strahlenretinopathie
nutzte therapeutische Option vieler okulärer und kraniofa- und insbesondere -makulopathie häufige und visuslimi-
zialer Erkrankungen erwiesen. Damit einhergehend muss tierende Komplikationen nach der Therapie
jedoch die akute und mehr noch chronische retinale Toxizität Seit der Collaborative Ocular Melanoma Study be-
ionisierender Strahlung in Betracht gezogen werden. Sie steht weitgehend der Konsens, dass die Enukleation
äußert sich in einer progredienten ischämischen Vaskulopa- gegenüber der Brachytherapie des Aderhautmelanoms
thie und ist von diabetischen Retinopathien und anderen keinen Vorteil in der Gesamtprognose zeigt. Die Radio-
ischämischen Gefäßerkrankungen wie Venenverschlüssen, therapie sowohl mittels Brachytherapie mit Jod- oder
hypertensiven Retinopathien, sowie dem okulären Ischämie- Rutheniumapplikatoren als auch in der Teletherapie mit
syndrom abzugrenzen. Eine Standardtherapie existiert nicht, Protonen ist seither Standardtherapie kleiner und mit-
neben der Laserkoagulation kommen in letzter Zeit auch telgroßer Aderhautmelanome mit einer hohen lokalen
VEGF-Inhibitoren und Steroide zum Einsatz. Tumorkontrollrate. Üblich ist hier eine hypofraktionierte
Bestrahlung mit einer Dosis von 60-100 Gray.
Höherfraktionierte Bestrahlungen mit geringerer Ge-
12.1 Definition samtdosis finden bei der Teletherapie von Retinoblasto-
men, Aderhauthämangiomen und Aderhautmetastasen
Die Strahlenretinopathie ist eine langsam progrediente, Verwendung.
okklusive retinale Vaskulopathie infolge einer radiogenen
Endothelschädigung. Kennzeichnend ist eine variable La-
tenz von Monaten bis Jahren. Die mediane Latenz bis 12.3 Pathogenese
zur symptomatischen Manifestation beträgt 2,6 Jahre. Die
Strahlenretinopathie ist eine häufige Komplikation nach Praxistipp I I
therapeutischer Bestrahlung intraokulärer Tumoren, tritt Die Bestrahlung des retinalen Gewebes führt zu einer
aber auch nach Bestrahlung extraokularer Tumoren im neuronalen und einer vaskulären Schädigung, die sich
Kopf/Halsbereich auf. gegenseitig beeinflussen können. Diese führt zu einem
Verlust von Endothelzellen, einer Verdickung der Basal-
membranen, sowie einer Invasion und Aktivierung von
12.2 Einleitung
12 Makrophagen und Mikrogliazellen. Im Unterschied zur
diabetischen Retinopathie werden die Perizyten erst
Stallard beschrieb 1933 erstmals die Zeichen retinaler sekundär in die degenerativen Veränderungen einbe-
Radiotoxizität mit Blutungen, Exsudationen, Pigmentepi- zogen. Histopathologisch dominieren Veränderungen
thelveränderungen und Papillenödem bei Patienten nach der inneren Netzhautschichten mit Neurodegenation
Behandlung intraokularer Tumoren mit Radonpartikeln. und Gliose. Weitere Studien müssen untersuchen, ob
Wenn auch absolute Schwellenwerte fehlen, so sind eine Hemmung der inflammatorischen Folgeschäden
die von Lommatzsch 1978 beschriebenen Schwellendosen der Bestrahlung die Entwicklung und das Voranschrei-
für die Entstehung einer Strahlenretinopathie von 35 Gy ten der Strahlenretinopathie verhindern kann.
und einer Strahlenoptikopathie von 40 Gy im Vergleich
zur radiogenen Skleranekrose ab etwa 1.000 Gy weiterhin
orientierdend gültig, wobei Fraktionierungen oder z.B. Ionisierende Strahlung führt durch direkte Interaktion
eine simultane Chemotherapie zu Abweichungen führen oder über freie Radikale vermittelt zu Alterationen der
können (⊡ Abb. 12.1). DNA, es kommt zu Einzel- und Doppelstrangbrüchen.
Die Strahlenretinopathie ist insbesondere nach der Wenn die DNA-Reparaturkapazitäten überschritten wer-
Strahlentherapie für nicht-okuläre Indikationen eine den, resultiert eine Teilungsunfähigkeit der Zelle, die
Differentialdiagnose, die häufig vergessen wird, zumal die Grundlage der Tumorkontrolle in der Tumortherapie
die Latenzzeit bis zu einigen Jahren betragen kann. Bei darstellt. Die postmitotischen Neuronen der Retina sind
der hochfraktionierten Teletherapie zephaler Neopla- dabei eher radioresistent, im Gegenteil zu den retinalen
sien treten nicht selten relevante Dosisbelastungen der vaskulären Endothelzellen, die sich schnell teilen und da-
Netzhaut auf, die in der Folge zu ein- oder beidseiti- her relativ radiosensibel sind. Das Heterochromatin der
gen Strahlenretinopathie mit folgender Visusminderung retinalen vaskulären Endothelzellen – insbesondere der
führen können. Hierbei sollte anamestisch nach einer mitotisch aktiven – ist für Reparaturenzyme weniger zu-
perkutanene Therapie von nasopharyngealen, aber auch gänglich und für radiogene Schäden vulnerabler. Durch
Tumoren der Schädelbasis oder Hypophysentumoren ge- radiogene Insulte geschädigte Endothelzellen werden
fragt werden. zwar durch Migration und Mitose benachbarter Zellen
12.3 · Pathogenese
307 12

⊡ Abb. 12.1 Schwellenwerte für die Entstehung von Strahlenschäden


am Auge. (Modifiziert nach Lommatzsch 1978)

zunächst ersetzt (Hayflick-Zahl), mit der Zeit kumuliert


aber die Anzahl der geschädigten Zellen und die mito-
tischen Reparaturmechanismen sind nicht mehr ausrei-
chend, sodass die Integrität der Gefäßwand verloren geht.
Dies ist in Analogie zu der Schädigung vaskulärer Endo-
thelzellen bei der diabetischen Retinopathie und deren
Reperaturmechanismen der Fall.
Interessanterweise sind anders als bei der diabeti-
schen Retinopathie, bei der der Perizytenschaden in der
Regel den der Endothelzellen initial überwiegt, die Endo-
thelzellen stärker betroffen als die Perizyten (⊡ Abb. 12.2).
Dies ist möglicherweise durch den höheren replikativen
Turnover dieser Zellen bedingt. Die typische Latenzperi- b
ode der Strahlenretinopathie im Hinblick auf den Scha-
den des Gefäßbetts ist der Überlebenszeit der geschädig- ⊡ Abb. 12.2 a Trypsin digest retinaler Kapillaren einer Ratte nach 20 Gy
ten Endothelzellen geschuldet. Röntgenstrahlen im Bereich des Auges. Die konfluierenden Kapillaren
zeigen zahlreiche (dunkel gefärbte) Perizytenkerne, jedoch keine über-
Die Folge der endothelialen Schädigung sind Perme- lebenden Endothelzellen. b Trypsin digest retinaler Kapillaren einer
bilitätserhöhungen und die Aktivierung der Gerinnung Ratte 6 Monate nach 15 Gy Röntgenstrahlen. Sichtbar sind azelluläre
mit Okklusion und Umbau der Mikrozirkulation. Die Kapillaren, wenige Perizytenkerne und Endothelzellen (a Aus Archer et
mikrovaskuläre Insuffizienz mit Verlust der Blut-Retina- al. 2007 b Mit freundlicher Genehmigung von T. Gardiner, Belfast).
Schranke führt zu typischen Läsionen wie Exsudationen,
Kapillarverlusten und dem Verschluss präkapillärer Ar-
teriolen mit der folgenden Ausbildung von Neovasku- Bei der Retinopathie durch ionisierende Strahlung
larisationen in Bereichen mit großer Kapillardefekten findet sich stets eine Kombination aus vaskulärer Schä-
(⊡ Abb. 12.3). digung und direkter und indirekter neuronaler Schädi-
Die Verdickung der kapillären Basalmembran, die gung. Hierbei führt die okklusive vaskuläre Schädigung
in post-mortem Präparaten nachzuweisen ist, kann eine selbst durch den hypoxischen Insult zu einer Störung
direkte Folge einer gestiegenen Synthese von Basalmem- der neuronalen Strukturen (Apoptose, Nekrose, gliale
brankomponenten (Kollagen IV, Fibronektin und Lami- Narbe). Der verminderte axoplasmatische Transport, der
nin) oder einer reduzierten Degradation über katabole durch die fokale retinale Ischämie ausgelöst wird, zeigt
Enzyme, die auch bei der Strahlenretinopathie zu finden sich klinische in der Ausbildung von Mikroinfarkten und
ist, sein. Diese Matrixveränderungen tragen zur patho- Cotton-wool-Herden (⊡ Abb. 12.4). Der folgende Scha-
logischen Endothel-Perizyten-Kommunikation bei und den der Neuroretina wird in Form eines Makulaödems
verstärken diese. zumeist mit einer zystoiden Veränderung, einer fokalen
308 Kapitel 12 · Strahlenretinopathie

⊡ Abb. 12.3 Strahlenretinopathie: die Angiographie zeigt ein di-


latiertes inkompententes Gefäßnetzwerk mit Kapillardefekten und
Mikroaneurysmata. (Aus Archer et al. 2007)
a

Atrophie der makulären Photorezeptoren, Abnormali-


täten der Gliazellen und pathologischen Veränderungen
der retinalen Pigmentepithelzellen sichtbar.
Die mikrovaskuläre und neuronale Schädigung bedin-
gen sich gegenseitig. Mikrovaskuläre Reparaturmechanis-
men und eine Reorganisation der Kapillaren entstehen
nach chronischen und akuten Kapillarverschlüssen. Wäh-
rend der initiale Schaden durch die Bildung von kapillä-
ren Kollateralen und -shunts zu begrenzen versucht wird,
kommt es bei einem Schaden der äußeren Netzhaut-
12 schichten und einem Verlust des tiefen Kapillarplexus zu
einer progredienten Schädigung neuronaler Zellen. Der
veränderte Metabolismus der hypoxischen Neuroretina b
und insbesondere die Kumulation von Wachstumsfakto-
ren wie VEGF wiederum haben umgekehrt einen nach- ⊡ Abb. 12.4 Spontane Besserung einer Strahlenretinopathie. 48-jäh-
haltigen Effekt auf die retinalen Gefäße: retinale Ateri- riger Patient nach Strahlentherapie eines juxtapapillären Melanoms.
olen dilatieren bei retinaler Ischämie, die prä-retinalen a 8 Monate nach Bestrahlung Visusminderung auf 0,16 (Strahlenopti-
Neovaskularisationen sind eine »Wundheilungsreaktion« kopathie) mit Cotton-wool-Herden. b Nach Resolution der Optikopa-
thie Verbesserung der Sehschärfe auf 0,5
auf die Minderperfusion in Anwesenheit von lebenden
aber metabolisch veränderten retinalen Zellen.
Bei der Strahlenretinopathie ist zu beobachten, wie
sich Cotton-wool-Herde als Zeichen einer lokalen Isch-
ämie im Verlauf zurückbilden, wenn sich die hämodyna- Mikrogliazellen sind in der Netzhaut mit immunulo-
mische Situation stabilisiert oder die geschädigten Zellen gischer Abwehr und Reparaturmechanismen verbunden
einer Apoptose oder Nekrose unterliegen (⊡ Abb. 12.4). und tragen zur Neurodegeneration durch Bildung und
Die Kapillaren in diesem Bereich dilatieren und bilden Ausschüttung zahlreicher Zytokine bei, können aber auch
Mikroaneurymata sowie ein Muster aus kollabierenden neuroprotektive Substanzen, die für das Überleben neu-
Bereichen und Bereichen einer Rekanalisation. ronaler Zellen und die Reparaturmechanismen retinaler
Die Assoziation mit inflammatorischen Mechanis- Kapillaren verantwortlich sind, ausschütten.
men wurde für verschiedene retinale Erkrankungen, die Im Mausmodell kann nach einer Ganzkörperbestrah-
mit einer langsamen Degeneration einhergehen, wie un- lung, die den Kopfbereich und damit die Netzhaut mit
ter anderem die diabetische Retinopathie, nachgewiesen. einschließt, eine erhöhte Anzahl von Knochenmarks-
Viele Aspekte der diabetischen Retinopathie und der zellen im retinalen Gewebe nachgewiesen werden. Die
assoziierten mikrovaskulären Veränderungen lassen sich Bestrahlung des retinalen Gewebes führt also zu einen
auf die Pathophysiologie der Strahlenretinopathie über- beschleunigten Entzündungsreaktion mit einem Ein-
tragen (⊡ Abb. 12.5). wandern von Blutmonozyten und Vorläuferzellen in
12.3 · Pathogenese
309 12

a b

⊡ Abb. 12.5 Diabetische Retinopathie. a Trypsin-Digest-Präparate eines 4 Jahre alten diabetischen Hundes mit Perizyten-Ghosts, die sich in der
PAS Färbung rot darstellen. b Die Elektronenmikroskopie des gleichen Präparates zeigt Perizyte-Geisterzellen mit Debris an der Basalmebran,
jedoch intakte Endothelzellen. (Aus Archer et al. 2007)

Kopf
bestrahlt

Kopf
abgedeckt

1 Monat 4 Monate 7 Monate

⊡ Abb. 12.6 Flachpräparate der Mäusenetzhaut nach Ganzkörperbestrahlung mit 11 Gy ohne Kopfbedeckung bzw 16 Gy mit Kopfbedeckung
und anschließender Knochenmarksrekonstitution mit GFP markiuerten Zellen. Mikrogliale Zellen und Makrophagen sammeln sich nach Bestrah-
lung des Netzhautgewebes und deuten auf eine aktive Beteidigung inflammatorischen Zellen an der Pathogenese der Strahlenretinopathie

das Netzhautgewebe. Diese Zellen sind positiv für den also gering, wird jedoch durch die Bestrahlung aktiviert.
Gliazellmarker CD11c und für den Makrophagenmarker Mikrogliazellen und Makrophagen finden sich physiolo-
F4/80. Residentielle Mikrogliazellen der Netzhaut werden gisch im Netzhautgewebe. Die Bestrahlung führt zu einer
ebenfalls aktiviert. Wird das retinale Gewebe und der Aktivierung dieser residentiellen Zellen, die wiederum
gesamte Kopfbereich von der Bestrahlung ausgespart, Signale aussenden, die eine weitere Invasion von Mak-
dann fehlt die Invasion von Monozyten und Mikroglia- rophagen und Mikrogliazellen bedingen. Der primäre
zellen (⊡ Abb. 12.6). Für die Ganzkörperbestrahlung zur Schädigungsort ist also das retinale Gewebe und nicht
Knochenmarksdepletion wurden 11 Gy verwendet, für in erster Linie die Aktivierung von Endothelzellen. Eine
die Bestrahlung mit Kopfabdeckung 16 Gy. Der nor- verstärkte Apoptose von neuronalen Zellen und Gangli-
male Turnover der Mikrogliazellen in der Netzhaut ist enzellen kann nachgewiesen werden, die möglicherweise
310 Kapitel 12 · Strahlenretinopathie

für die Rekrutierung von Makrophagen und Mikroglia- pathie verstärkt die Strahlenretinopathie. Verschiedene
zellen verantwortlich ist. Die Makrophagen und Mikrog- antineoplastische Chemotherapeutika können durch
liazellen nehmen auf der anderen Seite auf die vaskuläre ihre endotheltoxische Wirkung eine Strahlenretinopathie
Schädigung Einfluss. ebenfalls potenzieren.

12.4 Epidemiologie

Wichtigste Determinanten für das Entstehen einer Strah-


lenretinopathie sind
▬ Dosis,
▬ Fraktionierung und
▬ Anteil bestrahlter Netzhaut.

Die exakte Inzidenz der Strahlenretinopathie ist nicht


bekannt, dürfte aber wegen vieler subklinischer Verläufe
unterschätzt sein. Ein Dosisschwellenwert ist ebenfalls
nicht gesichert. Dosierungen unter 25 Gray in Fraktionen
von bis zu 2 Gray tragen ein sehr niedriges Risiko für eine
a
visuell signifikante Strahlenretinopathie. Ab ca. 30 Gray
steigt das Risiko stetig an und Gesamtdosen, die nach
5 Jahren in 5% bzw. 50% zu retinalen Komplikationen
führen werden mit 45 bzw. 65 Gray angegeben. Nach
fraktionierter Radiotherapie von Kopf/Hals-Tumoren
trat eine visuslimitierende Strahlenretinopathie bei einer
Dosisbelastung von 40-60 Gray bzw >60 Gray in 10%
bzw. 30% nach 5 Jahren auf. Eine Hyperfraktionierung
12 (2 Fraktionen/Tag) bewirkte in hohen Dosisbereichen
eine erhebliche Risikoreduktion.

Praxistipp I I
Eine unklare hämorhagische-okklusive Retinopathie
erfordert ggf eine gezielte Anamnese bezüglich einer b
– mitunter weit zurückliegenden – Strahlenbelastung.
Die Relevanz dieser retinale Komplikation ist im Be-
wusstsein mancher betroffener Patienten eher unter-
repräsentiert.

Nach Jod-125-Brachytherapie posteriorer Aderhautme-


lanome trat nach 5 Jahren eine Strahlenmakulopathie in
42% und eine proliferative Strahlenretinopathie in 8%
auf.
Die Latenz von der Bestrahlung bis zur Diagnose der
Strahlenretinopathie ist sehr variabel, liegt aber in der
Regel zwischen 6 Monaten und 3 Jahren. Ausgeprägtere
Verläufe manifestieren sich dabei tendenziell früher. Dies
korrespondiert gut mit dem natürlichen turnover retina- c

ler Endothelzellen von 2 bis 3 Jahren (⊡ Abb. 12.7).


⊡ Abb. 12.7 Latenz der Ausbildung einer ischämischen Makulopathie.
Risikofaktoren für eine Aggravation retinaler radio-
46-jähriger Patient. Z.n. Protonentherapie 2 /07, aktueller Visus 0,25.
gener Vaskulopathie sind insbesondere ein Diabetes mel- a 2,5 Jahre nach Protonentherapie. b 3 Jahre nach Therapie. c 3,5 Jahre
litus, aber auch Schwangerschaft, Bluthochdruck, Kolla- nach Therapie mit progressiver Ischämie im Tumorbereich und im
genosen und akute Leukämien. Eine diabetische Retino- Bereich der Makula
12.5 · Klinisches Bild
311 12
12.5 Klinisches Bild zystoiden Makulaödem als Folge der Tumorexsudation
oder von einer makulären Atrophie.
Die insbesondere bei der Brachytherapie des Aderhaut- Bei Entstehung eines radiogenen Makulaödems be-
melanoms eingesetzten hohen und unfraktionierten Do- steht interessanterweise häufig keine Assoziation zur kal-
sen sind auch in der Interphase letal und können eine kulierten Makuladosis. Auch nach Bestrahlung makula-
akute choroidale okklusive Vaskulopathie und Radione- ferner Tumoren und nach einer rechnerischen Ausspa-
krose induzieren. Es resultiert eine ausgeprägte Atrophie rung der Makula aus dem Bestrahlungsfeld kann häufig
aller Netzhautschichten, der Choriokapillaris und des re- ein Makulaödem beobachtet werden (⊡ Abb. 12.10).
tinalen Pigmentepithels. Zu unterscheiden ist diese akute Neben den retinalen Veränderungen lassen sich ICG-
Strahlenretinopathie mit einer radiogen bedingten Netz- angiographisch häufig auch choroidale Hypoperfusionen
hautnekrose und -schwellung, die unmittelbar nach der nachweisen. Über chorioretinale Anastomosen und cho-
Bestrahlung auftritt, von der chronischen Strahlenretino- roidale Neovaskularisationen wurde selten berichtet, sie
pathie, die Jahre nach der Bestrahlung entsteht und Cha- entsehen ggf. an den Rändern von Resektionsbereichen, je-
rakteristika einer ischämischen Retinopathie aufweist. doch nicht als unmittelbare Folge der Strahlenschädigung.
Hierbei unterscheidet man in Analogie zu anderen is- Klinische Zeichen der Strahlenretinopathie sind in
chämischen Netzhauterkrankungen die nicht-proliferativen ⊡ Tab. 12.1 zusammengefasst.
von proliferativen Stadien und von der Makulaopathie. Es gibt verschiedene Ansätze zur Klassifikation der
Die nicht-proliferative Strahlenretinopathie zeigt ini- Strahlenretinopathie, eine allgemein akzeptierte Stan-
tial makuläre fokale Kapillarokklusionen assoziiert mit Ka- dardklassifaktion als Grundlage für prospektive Studien
pillardilatationen. Die ischämische Komponente lässt sich steht jedoch noch aus. Finger und Kurli haben in ihrer
mit einer Fluoreszeinangiographie gut darstellen. Die Ka- 5-Stadien-Einteilung makuläre, extramakuläre, ischämi-
pillarausfälle nehmen langsam zu und Mikroaneurysmen, sche und proliferative Veränderungen zusammengefasst.
Teleangiektasien Punktblutungen, Cotton-wool-Herde, Li- Eine Definition des radiogenen Makulaödems lehnt sich
pidexsudate kommen hinzu. Die Sehfähigkeit bleibt dabei in eng an die EDTRS-Definition des klinisch signifikanten
vielen Fällen lange erhalten. Bei größerer Strahlenbelastung Makulaödems an, wobei die Definition des CSMRO (Cli-
und einer größeren betroffenen Fläche in Kombination mit nically significant radiation macular oedema) in Analogie
prädisponierenden Faktoren können ausgedehntere Ischä- zum CSME im Rahmen der ETDR als ein Netzhautödem
mien, tiefe retinale Blutungen, ein Makulaödem und arteri- und/oder harte Exsudate innerhalb von 500 μm um die
oläre Verschlüsse zu erheblichen Visusminderungen führen. Fovea, erfolgt. Anhand der OCT-Morphologie wurde eine
Sehr ausgedehnte, insbesondere periphere Ischämi- Eingruppierung in 5 Gruppen vorgeschlagen (⊡ Tab. 12.2).
schen können neovaskuläre Komplikationen nach sich Von der Strahlenretinopathie abzugrenzen ist die
ziehen, daran mitbeteiligt sind erhöhte intraokuläre Strahlenoptikopathie.
VEGF-Konzentrationen. Es besteht dann das Risiko einer Die Strahlenoptikopathie resultiert aus einem strah-
proliferativen Strahlenretinopathie mit Papillenprolife- lenbedingten Endothelschaden peri- und intrapapillärer
rationen, retinalen Neovaskularisationen und Kompli- Gefäße. Sie weist ebenfalls eine lange Latenzzeit (>1 Jahr)
kationen wie Glaskörperblutung, Traktionsablatio und auf. Der Schwellenwert liegt ähnlich wie bei der Strahlen-
rubeotischem Sekundärglaukom (⊡ Abb. 12.9). Eine pro- retinopathie bei ca 40 Gray. Die Häufigkeit bei Tumoren
liferative Strahlenretinopathie nach Brachytherapie kann des hinteren Augenpols liegt zwischen 15% bis 50%. Eine
in etwa 6% nach 5 Jahren erwartet werden. gesicherte Therapie gibt es bislang nicht, die Wertigkeit
Ein OCT-positives Makulaödem wurde nach Bra- einer panretinalen Photokoagulation ist umstritten. Meist
chytherapie im Mittel 5 Monate vor der Entstehung kli- kommt es nach einem Akutstadium mit deutlicher Papil-
nischer Retinopathiezeichen nachgewiesen. Die Strah- lenschwellung zu einem Übergang in eine Optikusatro-
lenmakulopathie ist dabei zu unterscheiden von einem phie (⊡ Abb. 12.4).

⊡ Tab. 12.1 Klinische Zeichen der Strahlenretinopathie

Nicht-proliferative Retinopathie Proliferative Retinopathie Makulaödem

Mikroaneurysmate Retinale Neovaskularisationen Makuläre Schwellung


Teleangiektasien Glaskörperblutung Kapillarverlust
Kapillarokklusionen Traktionsamotio retinae Harte Exsudate
Harte Exsudate Rubeosis iridis Cotton-wool-Herde
Cotton-wool-Herde
312 Kapitel 12 · Strahlenretinopathie

a c

12

b d

Struktur Dosis- Dosismini- Mittlere(s) bestrahlte(s)


mittel- mum/Dosis- Volumen/Fläche
wert maximum (Fov., Pap.)/Länge (Nv.)
Tumor 100% 100 Vol%
Fovea 66% 50% / 80% 66 Fl%
Papille 16% 0% / 80% 20 Fl%
Sehnerv 1% 0% / 70% 0,1 mm
Linse 8% 0% / 80% 10 Vol%
Zilliarkörper 19% 0% / 100% 19 Vol%

⊡ Abb. 12.8 Strahlenretinopathie nach Endoresektion. 61-jähriger Pa-


tient bei Z.n. Protonentherapie eines Aderhautmelanoms mit ppV und
Endoresektion vor 5 Jahren. a Aktive Strahlenretinopathie mit Cotton-
wool-Herden 2 Jahre nach Bestrahlung. b 3 Jahre nach Bestrahlung:
Shunt-Gefäße und harte Exsudate. c 5 Jahre nach Bestrahlung, Visus
0,1. d Angiographie 5 Jahre nach Bestrahlung zeigt eine makuläre Isch-
ämie und eine Ischämie im Tumorbereich. e Bestrahlungsplanung der
Protonentherapie: die Makula ist mit einer prozentualen Dosis von 66%
im Bestrahlungsfeld e
Dosistabelle: Relative Dosiswerte bezogen auf Gesamtdosis 60 CGE =
54,54 Gy
12.5 · Klinisches Bild
313 12
⊡ Abb. 12.9 Verlauf Strahlenretinopathie
mit Proliferation. 45-jähriger Patient bei Z.n.
Protonentherapie nach Aderhautmelanom.
a Vor Therapie. b Strahlenretinopathie 2 Jahre
nach Protonenbestrahlung. c Strahlenmakulo-
pathie und -optikopathie 3 Jahre nach Proto-
nenbestrahlung, 6 Monate später folgte eine
persistierende Glaskörperblutung bei prolife-
rativer Strahlenretinopathie. d Z.n. ppV und
Silikontamponade 4 Jahre nach Protonenthe-
a
rapie, ausgeprägte Endothelpigmentierung

⊡ Tab. 12.2 Klassifikation eines radiogenen Makulaödems

Klinische Einteilung Fluoreszeinangiographie Optische Kohärenztomographie


Klinisch signifikatens radiogenes Nicht- ischämische Strahlenretinopathie: Grad 1 strahlenbedingtes Makulaödem:
Makulaödem: MAs, Teleangiektatische Gefäße, aber nomale und Extrafoveal, nicht-zystisch
Retinale Verdickung im Bereich der reguläre foveal avaskuläre Zone
Grad 2 strahlenbedingtes Makulaödem:
Foveola oder innerhalb von 500μm
Ischämische Strahlenmakulopathie: Extrafoveal zystisches Ödem
Abstand von der Fovea mit Verdi-
Irreguläre oder vergrößerte foveal avaskuläre Zone
ckung der angrenzenden Netzhaut Grad 3 strahlenbedingtes Makulaödem:
Fokale Strahlenmakulopathie:
oder Foveales nicht-zystisches Ödem
Fokale Fluoreszeinleckage im Bereich der Makula
retinale Verdickung von einem
Grad 4 strahlenbedingtes Makulaödem:
Papillendurchmesser von dem Diffuses Strahlenmakulaödem:
Mildes bis moderates zystisches Ödem
mindestens innerhab von einem Diffuse Fluoreszeinleckage im Bereich der Makula
Papillendurchmesser Entfernung Gemischte Strahlenmakulopathie: Grad 5 strahlenbedingtes Makulaödem:
von der Fovea Fokale/Diffuse Leckage mit Ischämie Schweres zystische Ödem
314 Kapitel 12 · Strahlenretinopathie

a b

12

c d

Struktur Dosis- Dosismini- Mittlere(s) bestrahlte(s)


mittel- mum/Dosis- Volumen/Fläche (Fov.,
wert maximum Pap.)/Länge (Nv.)

Tumor 100% 100 Vol%

Fovea 0% 0% / 0% Frei

Papille 100% 100 Fl%

Sehnerv 37% 0% / 100% 3,7 mm

Linse 54% 0% / 100% 54 Vol%

Zilliarkörper 49% 0% / 100% 49 Vol%

⊡ Abb. 12.10 Strahlenmakulopathie trotz Aussparung der Makula.


Z.n. Protonenbestrahlung 5/08, Z.n. ppV Endoresektion 5/08. a Vor
e Therapie. b 1,5 Jahre nach Therapie. c/d 2 Jahre nach Therapie, Visus
1/20. e Bestrahlungsplanung der Protonentherapie: die Makula ist
außerhalb des Bestahlungsfeldes
12.7 · Therapie
315 12
12.6 Differentialdiagnose unterschiedliche Dosisverteilungen in Betracht gezogen
werden sollten.

Differentialdiagnose der Strahlenretinopathie Praxistipp I I


▬ Diabetische Retinopathie Die beste Therapie bleibt stets die Prävention! Aus au-
▬ Venenastverschluss/Zentralvenenverschluss genärztlicher Sicht sollt betont werden, dass der Retina
▬ Interferon-Retinopathie als Risikoorgan bei einer Bestrahlung größere Bedeu-
▬ Hypertensive Retinopathie tung beizumessen ist als der Augenlinse.
▬ Morbus Coats
▬ Parafoveale Teleangiektasien
▬ Okuläres Ischämiesyndrom ⊡ Abb. 12.11 zeigt die Brachytherapie mittels Ruthenium-
▬ Retinopathie bei Anämie/Thrombozytopenie Applikator für einen 3 mm prominentes AH-Melanom,
▬ Leukämische Retinopathie mit einer Distanz zur Makula von ca. 4 mm. Bei exzen-
▬ Sichelzellretinopathie trischer Lage kann die Makuladosis reduziert werden.
Vergleicht man für einen parafovealen Tumor einer Pro-
minenz von 3,5 mm die Brachytherapie mit Ruthenium
Insbesondere eine diabetische Retinopathie kann eine (100 Gy auf Tumorspitze, 400 Gy Sklerakontaktdosis) mit
radiogene Retinopathie imitieren, letztere zeigt jedoch der Protonentherapie (homogene Bestrahlung des Tumors
vor allem Kapillarokklusionen und Teleangiektasien mit 60 CGE: 1 CGE (Cobalt Gray Equivalent) = 1,1 Gy).
bei relativ wenigen Punktblutungen. Eine begleitende Hierbei ergibt sich für den Ruthenium-Applikator eine
diabetische Retinopathie verstärkt die Strahlenretino- Bestrahlung der Fovea mit 24 Gy, für die Protonentherapie
pathie. rechnerisch keine Bestrahlung der Fovea (⊡ Abb. 12.12).
Generell sind andere ischämische Retinopathien dif- Milde Manifestationen gehen mit einer guten Seh-
ferentialdiagnostisch abzugrenzen, die jeweils bestimmte schärfe einher und bedürfen keiner aktiven Therapie
Stadien des Gefäßumbaus bei der Strahlenretinopathie (⊡ Abb. 12.4). Wegen der progredienten Natur der Vasku-
imitieren können, wie lopathie sind jedoch zumindest halbjährliche Verlaufsun-
▬ Venenastverschlüsse, tersuchungen sinnvoll. Ein großflächiger Kapillarverlust
▬ Zentralvenenthrombosen, kann durch die Ischämie zu proliferativen Veränderun-
▬ die Sichelzellretinopathie, gen und Glaskörperblutungen führen (⊡ Abb. 12.13).
▬ hypertensive Retinopathien, Gut etablierte und evidenzbasierte Therapieoptionen
▬ parafoveale Teleangiektasien, stehen für die nicht-proliferative Strahlenmakulopathie
▬ Retinopathien bei Anämie/Thrombozytopenie, derzeit nicht zur Verfügung. Behandlungsversuche zielen
▬ die leukämische Retinopathie oder vor allem auf die exsudative Komponente der Vaskulopa-
▬ das okuläre Ischämiesyndrom. thie, da eine manifeste makuläre Ischämie nicht umkehr-
bar sein dürfte.
Entscheidend ist insbesondere bei Bestrahlungen nicht- Die retinale Laserkoagulation avaskulärer Areale
okulärer Tumoren die Anamnese. Die Vorgeschichte ei- zeigte einen moderaten positiven Effekt auf die Seh-
ner Radiotherapie mit Dosisbelastung der Retina ist in schärfe, aber auf den Augenerhalt (⊡ Abb. 12.14). Hierbei
aller Regel evident, auch wenn eine exakte Dosiskalku- sollte die disseminierte Koagulation entsprechend ande-
lation oft nicht verfügbar ist und die Bestrahlung schon rer proliferativer Retinopathien erfolgen, insbesondere
Jahre zurückliegen kann. Eine ischämische Retinopathie anteriore Ischämieareale sollten versorgt werden.
nach Radiotherapie kann meist als Strahlenretinopathie Intravitreale Injektionen mit anti-VEGF-Biologica
gewertet werden. oder Triamcinolon zeigten in mehreren unkontrollierten
Studien positive Visusergebnisse insbesondere in der Be-
handlung des radiogenen Makulaödems. Allerdings sind
12.7 Therapie wiederholte Injektionen erforderlich und Langzeitergeb-
nisse liegen nicht vor. Ob eine Applikation von Steroiden
Bei jeder die Augen mitbetreffenden Bestrahlungspla- im Rahmen der Bestrahlung einen präventiven Charakter
nung sollte eine möglichst geringe, fraktionierte Re- im Hinblick die Entwicklung einer Retinopathie haben
tinadosis angestrebt werden. Zur Behandlung intraoku- kann, ist nicht ausreichend untersucht, aber wahrschein-
larer Tumoren stehen verschiedene Isotope (z.B. 106Ru, lich. So wirken parabulbäre Triamcinoloninjektionen an-
125Iod, 103Pd), Teilchen (Photonen, Protonen, Heliumio- tiexsudativ und können das Risiko für eine Strahlenma-
nen) und Bestrahlungstechniken zur Verfügung, deren kulopathie nach Brachytherapie mindern.
316 Kapitel 12 · Strahlenretinopathie

⊡ Abb. 12.11 Bestrahlungsplanung für einen Rutheniumapplikator. Bestrahlungsplanung eines 3,0 mm prominenten Aderhautmelanoms mit
einer Basis von 5,9×6,1mm2. Der Abstand Tumorrand-Makularand beträgt 3,8 mm, der Abstand Tumorrand-Papillenrand 4,7 mm. Dargestellt
sind folgende Isodosen: 10, 20, 30, 50, 70, 85, 100,150, 200, 300 und 400 Gy. Oben: CCX-Applikator auf Tumor zentriert. Unten: CCX-Applikator
asymmetrisch auf den Tumor gelegt, sodass die 100-Gy-Isodose den Tumor im Wesentlichen umschließt. Links: Schnitt durch den hinteren Au-
genpol. Rechts: Isodosenverteilung auf dem Fundus bei eingespiegeltem Fundusphoto. Der Kreis markiert den Äquator.
12

a b

⊡ Abb. 12.12 Modellrechnung: Planungsvergleich Protonen vs. Ru-106-Applikator beim para-fovealen Aderhautmelanom (Basis: 11,5×10,5 mm2,
Prominenz: 3,5 mm, Abstand zum Fovearand: 2,0 mm). a Protonen: Dosierung: 60 CGE homogen auf Tumor (1 CGE (»Cobalt Gray Equivalent«) =
1,1 Gy). Homogene Bestrahlung des Tumors mit 60 CGE. Keine Bestrahlung der Fovea. b Ru-106-Applikator: Dosierung: 100 Gy auf Tumorspitze,
400 Gy Sklerakontaktdosis. Inhomogene Bestrahlung des Tumors (100 bis 346 Gy). Bestrahlung der Fovea mit 24 Gy
12.7 · Therapie
317 12

a a

b b

c c

⊡ Abb. 12.13 56-jährige Patientin, proliferative Retinopathie bei ⊡ Abb. 12.14 Disseminierte Photokoagulation. Photokoagulation
Z.n. Protonenbestrahlung vor 6 Jahren. a Vor Bestrahlung. b 2 Jahre bei ischämischer Strahlenretinopathie. 70-jähriger Patient nach
nach Bestrahlung. c 3 Jahre nach Bestrahlung zeigt sich eine okklu- Protonentherapie bei Aderhautmelanom und Z.n. ppV mit Endore-
sive Vaskulitis und Strahlenmakulopathie. 4 Jahre nach der Bestrah- sektion. a 2 Jahre nach Endoresektion beginnende Strahlenmaku-
lung entwickelte sich eine Glaskörperblutung bei proliferativer Re- lopathie. b 3,5 Jahre nach Bestrahlung: Ischämische Vaskulopathie
tinopathie, die eine ppV mit einer disseminierten Photokoagulation der unteren Nezthauthälfte mit Shuntgefäßen im Makulabereich.
erforderte c 4 Jahre nach Bestrahlung: progrediente Ischämie. Disseminierte
Photokoagulation zur Verhütung einer Rubeosis Iridis. Visus 0,8!
318 Kapitel 12 · Strahlenretinopathie

12

⊡ Abb. 12.15 Anti-VEGF-Therapie bei strahlenbedingtem Makulaödem. Patient mit zystoidem Makulaödem im Rahmen einer Strahlenretino-
pathie. Oben Zustand vor Therapie. Unten zwei Wochen nach Injektion mit 1,25 mg Bevacizumab. Das Ödem hat sich vollständig resorbiert

Die vorliegenden Studien behandeln bislang symp- ⊡ Abb. 12.15 zeigt die Reduktion des Makulaödems
tomatisch die aktive Strahlenretinopathie und -makulo- bei Strahlenretinopathie durch eine Injektion mit Bevaci-
pathie. Inwieweit Visusbesserungen möglich sind, wird zumab. In einer Phase-I-Studie konnte eine Visusverbes-
bei allen therapeutischen Möglichkeiten immer vom Ein- serung bei 4 von 5 Patienten nach monatlicher 8-maliger
schluss der Makula in das Strahlenfeld, d.h. vom Ausmaß Injektion von 0,5 mg Ranibizumab erreicht werden.
der ischämischen Makulopathie abhängen. Hierbei ist ne- In einer vergleichenden Pilotstudie zeigte sich nach
ben dem vaskulären Strahlenschaden auch die neuronale 4 mg Triamcinolon bzw 1,25 mg Bevacizumab eine Vi-
Schädigung zu beachten. Darüberhinaus ist das Ausmaß susbesserung in 72% bzw. 14% im 3-Monatsverlauf. Eine
des die Makula betreffenden intraokularen Tumorwachs- randomisierte multizentrische Studie zur intravitrealen
tums entscheidend. Therapie der Strahlenmakulopathie (Triamcinolon vs.
Literatur
319 12
Ranibizumab vs. Scheininjektion) wurde aufgelegt um oder anti-inflammatorische Therapie präventiv wirksam sein
den Stellenwert dieser intravitrealen Therapien zu de- kann, müssen erst randomisierte Studien zeigen. Derzeit ist
finieren, hat jedoch bislang nicht mit der Rekrutierung keine Standardtherapie verfügbar.
begonnen (clinicaltrials.gov NCT 00811200).
Andere Therapien wie die photodynamische Thera-
pie, hyperbarer Sauerstoff und orales Pentoxifyllin basie- Literatur
ren auf wenigen Einzelfällen.
Manifeste neovaskuläre Komplikationen können mit Archer DB, Gardniner TA, Stitt AW (2007) Functional Anatomy, fine
structure and basic pathology of the retinal vasculature. In: Jous-
einer Laserkoagulation der ischämischen Areale erfolg-
sen AM, Gardner TW, Kirchhof B, Ryan SJ (Hrsg) Retinal Vascular
reich behandelt oder antizipiert werden. Eine Vitrektomie Disease. Springer Berlin Heidelberg, p3-23
ist bei persistierender Glaskörperblutung (⊡ Abb. 12.13) Bakri SJ, Beer PM (2005) Photodynamic therapy for maculopathy due
und traktiver Ablatio retinae indiziert. Intravitreale anti- to radiation retinopathy. Eye (Lond) 19:795–799.
VEGF-Injektionen können eine Rubeosis iridis vorüber- Emami B, Lyman J, Brown A, et al. (1991) Tolerance of normal tissue to
therapeutic irradiation. Int J Radiat Oncol Biol Phys 21:109–122.
gehend kontrollieren, müssen jedoch in der Regel mit
Gupta A, Muecke JS. (2008) Treatment of radiation maculopathy
chirurgischen Verfahren kombiniert werden, um einen with intravitreal injection of bevacizumab (Avastin). Retina
dauerhaften Effekt erreichen zu können. 28:964–968.
Bei der Brachy- oder Teletherapie von Aderhautme- Horgan N, Shields CL, Mashayekhi A, et al. (2008) Early macular mor-
lanomen ist eine exsudative Netzhautablösung häufig phological changes following plaque radiotherapy for uveal
melanoma. Retina 28:263–273.
präsent. Sie kann nach der Bestrahlung initial noch
Horgan N, Shields CL, Mashayekhi A, et al. (2008) Periocular triamci-
zunehmen und ist gelegentlich mit einer massiven Lipi- nolone for prevention of macular edema after iodine 125 plaque
dexsudation aus dem Tumor vergesellschaftet. Die Pro- radiotherapy of uveal melanoma. Retina 28:987–995.
duktion von proangiogenetischen Faktoren erhöht zu- Joussen A, Gardner TW, Kirchhoff B, Ryan SJ (2007) Vascular Retinal
dem das Risiko neovaskulärer Komplikationen. Es kann Disease. 1. Aufl. Springer Berlin Heidelberg
Kinyoun JL (2008) Long-term visual acuity results of treated and un-
daher sinnvoll sein, den Tumor mit einer transpupillä-
treated radiation retinopathy (an AOS thesis). Trans Am Ophthal-
ren Thermotherapie zu inaktivieren oder den Tumor mol Soc 106:325–335.
mittels Endoresektion oder transskleraler Resektion zu Mukai S, Guyer DR, Gragoudas ES (1994) Radiation retinopathy. Prin-
entfernen. ciples and practice of ophthalmology. Vol 2. In: Albert DM, Jako-
biec FA, editors. Philadelphia: WB Saunders 1038–1041.
Sutter FK, Gillies MC (2003) Intravitreal triamcinolone for radiation-
induced macular edema. Arch Ophthalmol 121:1491–1493.
12.8 Prognose
Ziemssen F, Voelker M, Altpeter E, et al. (2007) Intravitreal beva-
cizumab treatment of radiation maculopathy due to bra-
Ein wichtiger Aspekt ist die Strahlenbelastung der Papille chytherapy in choroidal melanoma. Acta Ophthalmol Scand
und des Sehnerven, die zu einer radiogenen Optikusneu- 85:579–580.
ropathie führen kann. Während die Visusprognose bei
der Therapie intraokularer Tumoren wesentlich von der
Tumorlage und damit auch von der Lage des Strahlenfel-
des beeinflusst wird, ist die Prognose bei der Therapie ex-
traokularer Tumoren insgesamt besser. In dieser Gruppe
haben Patienten mit nicht-proliferativer Retinopathie die
günstigste Visusprognose und erreichen im Mittel eine
Sehschärfe von 0,4 nach 4 Jahren. Dagegen sinkt der
Visus bei Teletherapie extraokulärer Tumoren beim Vor-
liegen einer proliferativen Retinopathie bei 68% der Pati-
enten nach auf ≤0,1 nach 6 Jahren.

Fazit für die Praxis


Das lange Intervall zwischen der Bestrahlung und dem
Auftreten von Symptomen führt insbesondere bei einer
Bestrahlung extraokulärer Tumore im Kopf-Hals-Bereich zu
diagnostischen Schwierigkeiten. Die Visusprognose ist ent-
scheidend vom Ausmaß der kapillären Ischämie abhängig.
Bei intraokularen Tumoren spielt daneben die Tumorlage
eine entscheidende Rolle. Inwieweit eine anti-exsudative
13

Retinale Gefäßerkrankungen in Assoziation


mit Systemerkrankungen

13.1 Purtscher Retinopathie – 322


S. Aisenbrey
13.1.1 Definition – 322
13.1.2 Einleitung – 322
13.1.3 Pathogenese – 322
13.1.4 Epidemiologie – 323
13.1.5 Symptomatik und klinisches Bild – 323
13.1.6 Differentialdiagnose – 324
13.1.7 Therapie – 324
13.1.8 Prognose/Schlussbemerkung – 325

13.2 Terson-Syndrom – 325


T. Neß
13.2.1 Historischer Hintergrund – 325
13.2.2 Epidemiologie – 325
13.2.3 Pathogenese – 326
13.2.4 Klinisches Bild – 326
13.2.5 Natürlicher Verlauf – 327
13.2.6 Andere Ursachen als eine Subarachnoidalblutung – 328
13.2.7 Therapie – 328
13.2.8 Komplikationen – 329

13.3 Retinale Komplikationen nach Knochenmarktransplantation – 329


A. Gabel-Pfisterer, M. Doblhofer
13.3.1 Definition – 329
13.3.2 Einleitung – 329
13.3.3 Symptomatik und klinisches Bild – 330
13.3.4 Schlussbemerkung – 332

Literatur – 332

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_13,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
322 Kapitel 13 · Retinale Gefäßerkrankungen in Assoziation mit Systemerkrankungen

Systemerkrankungen sind häufig mit retinal vaskulären Ver- lassen sich zahlreiche Verschlüsse der kleinen Netzhaut-
änderungen vergesellschaftet. Während die hypertensive gefäße und ein massiver Kapillaruntergang nachweisen.
Retinopathie und die diabetischen Veränderungen gesondert Am häufigsten entwickelt sich die Purtscher Retino-
abgehandelt werden, befasst sich dieses Kapitel mit der Purt- pathie als Folge einer schweren Brustkompression. Die
scher Retinopathie, dem Terson-Syndrom sowie den retinalen Schwere des Traumas, welches eine Purtscher Retino-
Veränderungen nach Knochenmarkstransplantationen und pathie verursacht, ist variabel. Typischerweise beginnen
bei hämatoonkologischen Erkrankungen. die Symptome wenige Tage nach dem Trauma. Die Pati-
enten bemerken in der Regel eine drastische Reduktion
der Sehschärfe. Die Fundusuntersuchung zeigt typische
13.1 Purtscher Retinopathie angiopathische Veränderungen. Auch eine seröse Abhe-
bung der Netzhautmitte, erweiterte geschlängelte Gefäße
S. Aisenbrey und ein Papillenödem sind beschrieben. Die periphere
Netzhaut bleibt in der Regel ausgespart. In der Fluores-
zenzangiographie können fokale Areale mit arteriellem
13.1.1 Definition Verschluss, fleckige kapilläre Nonperfusionsareale, Pa-
pillenödem und Leckage aus Arteriolen, Kapillaren und
Mit dem Begriff Angiopathia traumatica retinae be- Venolen nachgewiesen werden.
schrieb O. Purtscher ursprünglich hämorrhagische und Purtscher erklärte sich die Veränderung einer Lym-
ischämische Netzhautveränderungen nach Schädel-Hirn- phextravasation von retinalen Gefäßen mit der Erhöhung
Trauma. Die Bezeichnung Retinopathia traumatica Purt- des intrakraniellen Drucks. Heute werden arterielle Em-
scher wurde in der Definition zunächst erweitert um ent- bolien, auch als Folge einer Komplementaktivierung, und
sprechende Retinopathien nach Augen fernen Traumata, Mikroembolisation als Ursache angenommen.
Thoraxkompressionen und Frakturen langer Röhrenkno- Der Begriff »Purtscher Retinopathie« wird heute in
chen eingeschlossen. Im weiteren Sinne wird heute der der Regel auch für vergleichbare Netzhautveränderungen
Begriff Purtscher Retinopathie (oder Purtscher ähnliche gebraucht, die neben traumatischen Ereignissen im Zu-
Retinopathie) gebraucht für vergleichbare Netzhautver- sammenhang verschiedener Ursachen auftreten können.
änderungen im Rahmen nicht-traumatischer Grunder- Sogenannte Purtscher-artige Veränderungen des Fundus
krankungen wie Kollagenosen sowie Nieren- und Pank- finden sich bei
reaserkrankungen. ▬ Kollagenosen,
▬ Lupus erythematodes (L.E.),
13 ▬ Sklerodermie,
13.1.2 Einleitung ▬ Dermatomyositis,
▬ Akuter Pankreatitis oder
Die Purtscher Retinopathie ist eine hämorrhagische An- ▬ Nierenerkrankungen.
giopathie, die durch retinale Hämorrhagien, Exsudate
und einen Verlust der Sehschärfe charakterisiert ist und Auch wenn zahlreiche assoziierte Grunderkrankungen
durch ein nicht-okuläres Trauma hervorgerufen wird. mit einer Purtscher Retinopathie einhergehen können, ist
Otmar Purtscher beschrieb 1910 erstmals die Schädi- diese eine weiterhin seltene Erscheinungsform.
gung der Netzhaut durch Schädel- und Thoraxtraumen Die Netzhautveränderungen verschwinden innerhalb
als »Angiopathia traumatica retinae« in Form von mul- weniger Wochen bis Monate, der Fundus kann danach
tiplen oberflächlichen, weißen, retinalen Flecken und normal erscheinen. Häufig finden sich jedoch Pigment-
retinalen Blutungen, die fünf Patienten nach schwerem verschiebungen und eine Optikusatrophie mit bleibender
Kopftrauma aufwiesen. Die Patienten fielen hinsichtlich Reduktion der Sehschärfe.
der reduzierten Sehschärfe bei zunächst normaler Papille
auf. Diese retinalen Befunde treten jedoch auch nach
massiver Kompression des Thorax mit Rippenfrakturen 13.1.3 Pathogenese
oder auch Frakturen der Extremitäten auf. Typischer-
weise imponieren bilateral intraretinale Blutungen, intra- Der genaue Mechanismus der retinalen Veränderungen
retinale Exsudationen und Cotton-wool-Herde. bei der Purtscher Retinopathie ist weiterhin nicht eindeu-
Charakteristisch sind wenige Stunden nach dem Un- tig erklärt. O. Purtscher hatte die Hypothese aufgestellt, es
fall auftretende transsudative und hämorrhagische Verän- handle sich bei den weißlichen Flecken um lymphatische
derungen, die sich vorwiegend in der Nachbarschaft der Extravasationen infolge des akut angestiegenen intrakra-
Papille und im Makulabereich finden. Angiographisch niellen Druckes bei Patienten, die ein schweres Schädel-
13.1 · Purtscher Retinopathie
323 13
Hirn-Trauma erlitten hatten. Heute werden insbesondere Das ophthalmoskopische Bild der Purtscher Retino-
zwei pathogenetische Hauptmechanismen diskutiert, die pathie ist gekennzeichnet durch kleine, meist helle weiße
sich wahrscheinlich ergänzen: Plaques unterschiedlicher Form (sogenannte Purtscher
1. Mikroembolien der retinalen Arteriolen im Sinne Flecken) entlang der Venen mit Beziehung zur Papille.
von Fettembolien oder Luftembolien, Daneben können Cotton-wool-Herde zu finden sein. Die
2. Ein venöser Rückstau mit Kapillarerweiterung. Papille ist meist unscharf begrenzt. Die Venen zeigen eine
deutliche Tortuositas und Stauung. Die streifigen intrare-
Durch Frakturen der langen Röhrenknochen oder der Rip- tinalen und die fleckigen präretinalen Blutungen liegen im
pen kommt es infolge austretenden Fettmarks zu multiplen Papillen- und Makulabereich. Die Netzhautveränderun-
Fettembolien, die Äste der Zentralarterie verschließen. Bei gen bleiben in der Regel auf den hinteren Pol begrenzt. Da
einer schweren Thoraxkompression kann es zu einer Luft- in der Netzhautperipherie existieren zwischen terminalen
embolisation dieser Gefäße kommen. Infolgedessen fallen Arterien und Venen weite Kapillararkaden, die Umge-
nach einem typischen Intervall von ca. 24 h Cotton-wool- bungskreisläufe ermöglichen, sodass eine Mikroembolisa-
Herde als Zeichen ischämischer Mikroinfarkte mit Ödem- tion kleinster Gefäße nicht zu morphologisch sichtbaren
bildung in der neurosensorischen Netzhaut und perivas- Veränderungen führt (⊡ Abb. 13.1, ⊡ Abb. 13.2).
kulären Hämorrhagien auf. Möglicherweise spielt auch bei
der Purtscher Retinopathie eine durch Komplementfakto-
ren – insbesondere durch den Komplementfaktor 5 (C5a)
– induzierte Leukozytenaggregation mit Bildung von Leu-
kozytenembolie und Verschluss peripapillärer retinaler Ka-
pillaren eine wichtige Rolle in der Pathogenese.

Praxistipp I I
Die Purtscher Retinopathie muss nicht zwangsläufig trau-
matischer Genese sein. Bei einem entsprechenden Netz-
hautbefund sollte auch an systemische Erkrankungen wie
Kollagenosen (Lupus erythematodes, Sklerodermie, Der-
matomyositis), hämorrhagische Diathesen (thrombotisch
thrombozytopenische Purpura), chronische Nierenerkran-
kungen oder eine akute Pankreatitis gedacht werden.
a

13.1.4 Epidemiologie

Bei der Purtscher Retinopathie handelt sich ungeachtet


der zahlreichen möglichen ursächlichen Traumata und
anderen Begleiterkrankungen um ein seltenes Krank-
heitsbild, dessen Inzidenz nicht eindeutig bekannt ist. In
der Literatur finden sich bis heute nur eine limitierte Zahl
von Fallbeschreibungen und einzelne Übersichtsarbeiten.

13.1.5 Symptomatik und klinisches Bild

Die Purtscher Retinopathie kann einseitig oder beidseitig


auftreten, wobei die bilaterale Form häufiger ist. Sehstö- b
rungen treten in der Regel sofort oder nur wenige Stun-
den nach dem Trauma auf. Am Anfang bemerken die ⊡ Abb. 13.1 Purtscher Retinopathie bei einem 58jährigen Patienten,
der einen schweren Autounfall mit thorakaler Kompression, Rippen-
Patienten ein dichtes Zentralskotom. Die Sehschärfe ist
frakturen und Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte. Die Sehschärfe war
dabei oft auf 0,1 oder weniger reduziert. Die Schwere des unmittelbar nach dem Trauma aus Handbewegungen reduziert und
Traumas und der Schweregrad der Fundusveränderungen stieg im Verlauf des ersten Jahres auf 0,05 an. a Fundusphotographie
stehen in keinem eindeutigen Zusammenhang. des linken Auges zwei Wochen und b 12 Monate nach dem Trauma.
324 Kapitel 13 · Retinale Gefäßerkrankungen in Assoziation mit Systemerkrankungen

Neben der Funduskopie liefert die Fluoreszenzan- Pigmentepithel zeigt in der Regel keine pathologischen
giographie ergänzende Befunde. Die choroidale Fluores- Veränderungen.
zenz kann dabei durch Blutungen oder die beschriebenen
Purtscher Flecken maskiert sein. Häufig stellen sich nicht
perfundierte kleinere retinale Arteriolen oder Kapillaren 13.1.6 Differentialdiagnose
dar; in der Spätphase fällt eine Leckage der retinalen Ge-
fäße am Rande dieser ischämischen Netzhautareale auf. Die Differentialdiagnose der Purtscher Retinopathie um-
fasst prinzipiell alle retinalen Gefäßerkrankungen, die zu
Praxistipp I I intraretinalen Blutungen und/oder Cotton-wool-Herden
Die Purtscher Retinopathie ist selten. Die Diagnose führen können. Dazu gehören unter anderem retinale Ve-
wird anhand des funduskopischen Bildes gestellt. nenverschlüsse, diabetische und hypertensive Netzhaut-
Ergänzende Untersuchungen wie die Fluoreszenzan- veränderungen. Darüber hinaus sind andere Manifesta-
giographie sind eindrucksvoll, für die Diagnosestellung tionen einer traumatischen Retinopathie nach Anamnese
jedoch nicht unbedingt erforderlich. und morphologischem Befund abzugrenzen:
1. Die traumatische Asphyxie,
2. Das Berlin-Ödem und
Die angiographischen Befunde stützen damit die Mikro- 3. Retinale Fettembolien anderer Genese.
infarkt-Hypothese: Es kommt je nach Größe der Embolie
zu Verschlüssen in den verschiedenen Gefäßregionen, Ebenfalls abzugrenzen sind retinale Fettembolien, die
wobei meist die Kapillarebene oder die kleinen Arterio- zwar zu einem ähnlichen Fundusbild führen, aber mit an-
len betroffen sind. Das erklärt die verschiedenen Formen deren Organsymptomen (pulmonale, zerebrale Zeichen,
und farblichen Unterschiede der Purtscher Flecken, je petechiale Blutungen) als Zeichen einer generaliserten
nachdem in welcher Schicht der Verschluss liegt. Embolisierung verbunden sind. Bei der Purtscher Reti-
nopathie können diese Zeichen völlig fehlen. Während
Histologie. Histologische finden sich Embolien der re- die Netzhautveränderungen bei der Purtscher Krankheit
tinalen Gefäße sowie der Choriokapillaris. Dabei stellt in der Regel innerhalb weniger Stunden auftreten und
sich überwiegend Fettembolie dar. Das die kleinen Ge- häufig zu Spätschäden führen, besteht bei den Fettembo-
fäße okkludierende Material ist positiv für Fibrinmarker. lien meist eine Latenz von einem oder mehreren Tagen
Darüber hinaus fallen Nekrosen der Nervenfaserschicht und die retinalen Veränderungen bilden sich in der Regel
und der Ganglienzellschicht als Zeichen der Ischämie ohne Spätschäden zurück.
13 auf. Ein Verlust von Photorezeptoren in umschriebenen Angesichts der fehlenden Spezifität der Netzhautbe-
Arealen wurde beschrieben; dabei scheinen insgesamt funde einschließlich der Cotton-wool-Herde, Exsuda-
die Photorezeptoraußensegmente stärker betroffen zu ten, intraretinalen Hämorrhagien, Gefäßdilatationen ist
sein als die Photorezeptorinnensegmente. Das retinale dabei eine eindeutige Differenzierung hinsichtlich der
Diagnose nicht immer sicher möglich. Eine ausführli-
che Anamnese der allgemeinen medizinischen Grund-
erkrankungen sowie vorausgegangener Ereignisse,
einschließlich Unfälle und Verletzungen, helfen in der
spezifischen individuellen Diagnosestellung. Die Dia-
gnose Purtscher Retinopathie ist somit eine klinische
Diagnose, die sich gleichermaßen auf die anamnesti-
schen Hinweise als auch die Untersuchungsbefunde der
Netzhaut gründet.

13.1.7 Therapie

Für die Purtscher Retinopathie steht eine gesicherte The-


rapie bislang nicht zur Verfügung. Im Vordergrund steht
initial die Behandlung der Traumafolgen bzw. der zu-
⊡ Abb. 13.2 Detail des Fundusbefundes des linken Auges dieses
grunde liegenden systemischen Erkrankung.
Patienten drei Jahre nach dem Trauma in der Vergrößerung: Es zeigt Nimmt man an, dass die Mikroverschlüsse der Netz-
sich ein atrophes parafoveales Areal als spätes Residuum. hautgefäße im Rahmen einer disseminierten intravasalen
13.2 · Terson-Syndrom
325 13
Gerinnung auftreten, so erscheint ein Therapieversuch rungen des Widerstandes im venösen System sind mög-
mit Heparin und/oder die Aggregation hemmenden licherweise ebenfalls relevant. Die Diagnose wird anhand
Medikamenten gerechtfertigt. Darüber hinaus konnte des Netzhautbefundes und des angiographischen Befun-
in Studien ein positiver Effekt durch die Behandlung des vor dem Hintergrund der Anamnese des Patienten
der betroffenen Patienten mit Steroiden gezeigt werden. gestellt. Eine gesicherte Therapieempfehlung liegt derzeit
Erwartet werden durch diese Therapie eine Reduktion nicht vor.
der durch das Komplementsystem induzierten Leuko-
zytenaggregation sowie eine Modulation der gestörten Fazit für die Praxis
Gefäßpermeabilität mit dem Ziel einer Stabilisierung Die Purtscher Retinopathie zeichnet sich durch retinale
des geschädigten Netzhautgewebes. Daten aus großen Infarkte, bedingt durch Embolisationen, aus. Neben Thorax-
vergleichenden Studien fehlen für die Etablierung einer oder Schädeltrauma können auch systemische Erkrankungen
generellen Therapieempfehlung und werden angesichts Ursache für eine Purtscher (ähnliche) Krankheit sein.
der Seltenheit der Erkrankung nicht einfach zu erheben Das klinische und angiographische Bild ist charakte-
sein. ristisch, jedoch nicht spezifisch und führt nur in Zusam-
menhang mit der Anamnese der Grunderkrankungen oder
traumatischer Ereignisse in der Vorgeschichte zur Diagnose-
13.1.8 Prognose/Schlussbemerkung stellung.
Die Prognose im natürlichen Verlauf ist sehr variabel und
Prognose von der Lokalisation und Ausdehnung der Netzhautverände-
Die funktionelle Prognose bei Patienten mit Purtscher rungen abhängig.
Retinopathie ist sehr variabel und hängt insbesondere Eine Therapie mit gesichertem positivem Effekt steht der-
von der Lokalisierung und der Größe des nicht perfun- zeit nicht zur Verfügung. Im Vordergrund ist die Behandlung
dierten Netzhautareals, der Beteiligung der Makula sowie der Grunderkrankung. Adjuvante Therapieansätze umfassen
dem Ausmaß der sekundären Optikusatrophie ab. Die die systemische Gabe von Steroiden und Aggregationshem-
Erholung der Sehschärfe ist sehr variabel, meist bestehen mern.
weiterhin Parazentral-, seltener Zentralskotome. Ödeme,
Blutungen, Purtscher Flecken und Cotton-wool-Herde
verschwinden meist im Laufe der Zeit. Die Stauung und 13.2 Terson-Syndrom
Tortuositas der Venen ist noch nach 2 bis 3 Wochen
nachweisbar. Mit der Rückbildung der Kalibererweite- T. Neß
rung und Schlängelung zeigt sich eine zunehmende Ver-
engung und auch Streckung der Arterien.
Über Spätveränderungen der Netzhautgefäße ist bis- 13.2.1 Historischer Hintergrund
her wenig bekannt. Es kommt zu einer Rarefizierung
retinaler Arteriolen und zum Untergang des Kapillar- Der deutsche Augenarzt Moritz Litten hat als Erster 1881
netzes am hinteren Pol. Funduskopisch finden sich dif- den Zusammenhang zwischen einer Subarachnoidalblu-
fuse Pigmentverschiebungen im Bereich der Makula. tung und Glaskörperblutung beschrieben. Benannt ist
Eine Optikusatrophie, die entweder aufsteigend oder das klinische Bild aber nach dem Franzosen Albert Ter-
direkt vaskulär bedingt ist, kann innerhalb von Wo- son, der 1900 isoliert über das Krankheitsbild berichtete.
chen auftreten. Darüber hinaus ist das Auftreten von Heutzutage gelten intraokulare Blutungen bei jeglicher
Makulaforamina sowie selten das einer neovaskulären Art von intrazerebraler Blutung und erhöhtem intrakra-
Retinopathie nach einer Retinopathia traumatica Purt- niellem Druck als Terson-Syndrom. Intraokulare Blutun-
scher bekannt. gen umfassen hierbei subretinale, retinale, präretinale,
subhyaloidale oder diffuse vitreale Blutungen.
Schlussbemerkungen
Zusammenfassend handelt es sich bei der Purtscher Re-
tinopathie um eine seltene Netzhauterkrankung, die sich 13.2.2 Epidemiologie
bei Patienten nach Traumata oder verschiedenen systemi-
schen Erkrankungen beobachten lässt. Die Anamnese so- Die Inzidenz der Subarachnoidalblutung liegt bei 7,38 auf
wie die klinischen Befunde lassen pathogenetisch haupt- 100.000 Personenjahre oder 30.000 Fälle pro Jahr in den
sächlich eine Okklusion präkapillärer Arteriolen durch USA. Bei den über 25jährigen sind Frauen deutlich häu-
Embolie vermuten. Weitere Mechanismen einschließlich figer betroffen als Männer (24,4 versus 13,3 auf 100.000).
der Aktivierung des Komplementsystems und Verände- Bei 20 bis 50% der Patienten mit Subarachnoidalblutung
326 Kapitel 13 · Retinale Gefäßerkrankungen in Assoziation mit Systemerkrankungen

kommt es zu einer intraokularen Beteiligung. Die meis- ⊡ Tab. 13.1 Hunt-Hess Klassifikation der Subarachnoidal-
ten Patienten haben lediglich intraretinale Blutungen, blutung.
nur eine Minderheit (3-30%) hat die klassische Form
mit subhyaloidaler oder diffuser Glaskörperblutung. Die Grad Beschreibung
pathognomonische Form mit Ausbildung einer hämor- 0 Asymptomatisch
rhagischen Makulazyste haben 39% der Patienten, die
1 Asymptomatisch, oder geringe Kopfschmerzen und
vitrektomiert werden. diskrete Nackensteifigkeit

2 Hirnnervenausfälle, mäßige bis schwere Kopf-


schmerzen, Nackensteifigkeit
13.2.3 Pathogenese
3 Verwirrtheit, mildes fokales neurologisches Defizit,
Lethargie
Die Pathogenese des klassischen Terson-Syndroms bei
Subarachnoidalblutung wird kontrovers gesehen. Der Li- 4 Soporös, mäßige bis schwere Hemiparese, begin-
quorraum erstreckt sich bis in die Sehnervenscheide, nende Dezerebrationssymptomatik,
daher wurde früher ein direkter Übertritt von Blut über 5 Tiefes Koma, Dezerebrationszeichen, Streckkrämpfe,
die Sehnervenscheide durch die Lamina cribrosa in den moribundes Erscheinungsbild
Augapfel angenommen. Eine direkte Verbindung zwi-
schen Sehnervenscheide und Glaskörper konnte aber in
Post-mortem-Präparaten nie nachgewiesen werden.
⊡ Tab. 13.2 Grading System nach Fisher
Heutzutage wird daher eine andere Theorie vertre-
ten. Entscheidend ist die explosionsartige Steigerung des Grad Blutnachweis im CT
intrazerebralen Druckes. Dieser wird über die Sehner-
1 Kein Blut nachweisbar
venscheide bis auf den Sehnervenkopf übertragen. Eine
direkte Übertragung des intrazerebralen Druckes von der 2 Diffuse oder vertikale Schicht unter 1 mm Dicke
Sehnervenscheide auf die retinalen Venen ist unwahr-
3 Lokalisierte Koagel und/oder vertikale Schicht über
scheinlich und konnte in experimentellen Studien bislang 1 mm Dicke
nicht bestätigt werden.
Dagegen führt der akute Druckanstieg zu einem Ver- 4 Intrazerebrale oder intraventrikuläre Koagel mit dif-
fuser oder ohne Subarachnoidalblutung
schluss von retinalen und chorioidalen Anastomosen in
der Lamina cribrosa. Der daraus resultierende abrupt
13 erhöhte venöse Druck verursacht dann Rupturen in den
oberflächlichen retinalen Gefäßen mit nachfolgenden in-
traokularen Blutungen. Da der Druck in allen peripheren Bei folgenden systemischen Erkrankungen erfolgt die
Venen erhöht ist, können die Blutungen überall auftreten: Einstufung in die nächstschlechtere Kategorie bezogen
subretinal, intraretinal, präretinal (subhyaloidal), oder in- auf ⊡ Tab. 13.1:
travitreal. Die intraretinalen Blutungen liegen entweder ▬ Arterieller Hypertonus
tief in der Netzhaut oder oberflächlich unter der Memb- ▬ Diabetes mellitus
rana limitans interna (ILM). ▬ Schwere Arteriosklerose
▬ Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
▬ Schwere in der Angiographie nachweisbare Vaso-
13.2.4 Klinisches Bild spasmen

Subarachnoidalblutungen werden klinisch nach Hunt


und Hess klassifiziert. Es wird der initiale Grad der neu- Die neurologischen Ausfälle machen die Anamnese der
rologischen Störung beurteilt (⊡ Tab. 13.1). Grad 1 ent- ophthalmologischen Symptome oft schwierig oder un-
spricht dabei einem asymptomatischen neurologischen möglich. Bei wachen Patienten kann der Visus von voller
Befund oder nur leichten Beschwerden mit milden Kopf- Sehschärfe bis zur Reduktion auf die Wahrnehmung von
schmerzen und leichter Nackensteifigkeit. Am anderen Lichtschein variieren. Die Sehschärfe hängt im Wesentli-
Ende der Skala steht Grad 5 für ein tiefes Koma mit chen vom Ausmaß und der Lokalisation der intraokula-
Dezerebrationszeichen, Streckkrämpfen und moribun- ren Blutungen ab.
dem Erscheinungsbild. Unabhängig hiervon wird das Typisch sind oberflächliche oder intraretinale Blutun-
Ausmaß der Blutung im CT nach Fisher quantifiziert gen an beiden Augen (⊡ Abb. 13.3). Subretinale Blutun-
(⊡ Tab. 13.2). gen sind selten. Die klassische diffuse Glaskörperblutung
13.2 · Terson-Syndrom
327 13

⊡ Abb. 13.5 Typische subhyaloidale Blutung

⊡ Abb. 13.3 Vereinzelte präretinale Blutungen bei Subarachnoidal-


blutung

⊡ Abb. 13.6 Typischer »macular ring«

grenzmembran eine subhyaloidale Blutung. Das Erschei-


nungsbild der Zysten ist variabel kann früh rot durch das
frische Blut erscheinen, im Verlauf einen Spiegel bilden
und spät ganz entfärben oder zu klarer Flüssigkeit wer-
den. Nach Resorption der Blutung verbleibt gelegentlich
eine durch die Dehnung gewellte ILM. Typisch ist auch
die Ausbildung eines »macular ring« am Rande der ehe-
maligen Zyste (⊡ Abb. 13.6).
⊡ Abb. 13.4 Reste einer Glaskörperblutung bei Subarachnoidal-
Um die Diagnose zu stellen, reicht in den meisten Fäl-
blutung len die Ophthalmoskopie aus. Bei dichter Glaskörperblu-
tung oder fehlender Möglichkeit zur Pupillenerweiterung
kann eine Sonographie hilfreich und erforderlich sein.
oder retrohyaloidale Blutung findet sich bei 3–30% der
Patienten (⊡ Abb. 13.4, ⊡ Abb. 13.5).
Die Geschwindigkeit der Visuserholung wird davon 13.2.5 Natürlicher Verlauf
bestimmt, ob eine hämorrhagische Makulazyste besteht.
Es gibt prinzipiell zwei Formen der hämorrhagischen Heutzutage überleben 4/5 der Patienten mit Subarach-
Makulazysten. Die intraretinale Form liegt unter der ILM noidalblutung nach rupturiertem Hirnbasisaneurysma.
und damit intraretinal. Die präretinale Form ist durch Das Auftreten von intraokularen Blutungen ist mit der
die Lage vor der ILM aber hinter der hinteren Glasköper- Mortalität und dem Schweregrad der Subarachnoidalblu-
328 Kapitel 13 · Retinale Gefäßerkrankungen in Assoziation mit Systemerkrankungen

tung korreliert. Je schwerer die initiale Subarachnoidal-


blutung ist, um so wahrscheinlicher ist eine intraokulare
Beteiligung. Damit ist ein Terson-Syndrom ein negativer
prognostischer Faktor für die Mortalität und Morbidität
bei der Subarachnoidalblutung.
Überleben die Patienten die neurologischen Folgen
der Subarachnoidalblutung, so ist die Visusprognose gut.
Mehr als 93% der Patienten erreichen ein Sehvermögen
von mehr als 0,5.
Aber auch ohne operativen Eingriff drohen Kompli-
kationen. Beschrieben sind die Ausbildung von
▬ epiretinalen Membranen,
▬ Myopie,
▬ Amblyopie,
▬ Netzhautablösung oder
▬ die Ausbildung einer PVR.

13.2.6 Andere Ursachen als eine


Subarachnoidalblutung ⊡ Abb. 13.7 »shaken baby syndrome«

Neben einer Subarachnoidalblutung durch ein rupturier-


tes Hirnbasisaneursyma kann das klinische Bild eines
Terson-Syndroms von einer Reihe von anderen Ursachen
herrühren. Jegliche plötzliche intrazerebrale Druckerhö-
hung kann dasselbe klinische Bild hervorrufen. Dies sind
vor allem traumatische Blutungen.
Die akuten Scherrbewegungen beim »shaken baby
syndrome« führen zu ähnlichen Blutungen (⊡ Abb. 13.7).
Selten kommt es durch Valsalva-Manöver (Blasinstru-
13 mente, Heben von schweren Lasten usw.) zu einer sub-
hyaloidalen Blutung (⊡ Abb. 13.8), die ebenfalls unter der
ILM oder hinter der Glaskörpergrenzmembran liegt.

13.2.7 Therapie

Eine Therapie ist nur dann erforderlich, wenn


▬ die Glaskörperblutung sich nicht spontan auflöst, ⊡ Abb. 13.8 Valsalva-Blutung durch Presswehen
▬ die Blutung subfoveal oder prämakulär liegt,
▬ eine zusätzliche Netzhautablösung vorliegt,
▬ sich epiretinale Membranen ausgebildet haben oder aber immer eine individuelle und sollte unter Abwägen
▬ bei Kindern eine Amblyopie droht. der Risiken des Eingriffs aber auch der des Abwartens
und des Allgemeinzustandes mit dem Patienten und den
! Cave!
Angehörigen abgestimmt werden.
Bei allen Glaskörpernblutungen, die sich nicht in-
Liegt eine beidseitige visusmindernde Blutung vor, so
nerhalb der ersten Wochen spontan auflösen, sollte
ist baldmöglichst eine Vitrektomie anzustreben, um eine
zügig eine Vitrektomie durchgeführt werden.
allgemeine Rehabilitation zu ermöglichen.
Für die meisten Terson-Patienten, insbesondere wenn Die Glaskörperblutungen beim Terson-Syndrom sind
schwere Hirnschäden vorliegen, ist die Wiederherstellung in der Regel sehr dicht und der Glaskörper ist sehr
des Sehvermögens der Grundstein für die Verbesserung kompakt, sodass mitunter das Vitrektomiehandstück ver-
der Lebensqualität und ermöglich erst eine Rehabilita- stopft. Die hintere Glaskörperabhebung sollte daher be-
tion. Die Entscheidung für einen operativen Eingriff ist sonders vorsichtig erfolgen. Hierdurch wird ein Zug auf
13.3 · Retinale Komplikationen nach Knochenmarktransplantation
329 13
die Glaskörperbasis ausgeübt, sodass eine erhöhte Gefahr einer Knochenmarktransplantation auftreten. Diese cho-
für die Ausbildung von Netzhautforamina und für eine rioretinalen Veränderungen sind aber nicht spezifisch
postoperative Amotio retinae besteht. für die Knochenmarktransplantation, sondern auch im
Bei der Vitrektomie sollte die ILM entfernt werden, um Rahmen von anderen Erkrankungen zu finden.
das Risiko für die Bildung von epiretinalen Membranen zu
vermindern. Insbesondere bei subhyaloidalen Blutungen
bilden sich häufig epiretinale Membranen aus. Eine YAG- 13.3.2 Einleitung
Laser-Photodisruption bei subhyaloidaler Blutung erhöht
das Risiko für die Ausbildung von epiretinalen Membra- Die Knochenmarktransplantation (KMT) bzw. Stammzell-
nen. Diese Membranen machen auch bei spontaner Auflö- transplantation stellt in der Behandlung hämatologischer
sung der Blutung ein Membranpeeling erforderlich. Neoplasien und vielen nicht-malignen Erkrankungen
Intraretinale und subretinale Blutungen resorbieren in des Knochenmarks und Immunsystems die Therapie mit
aller Regel spontan und bedürfen daher keiner Therapie. höchstem kurativen Potenzial dar. Wie von Buchholz et
al. im Internisten dargestellt, werden bei einer Knochen-
marktransplantation hämatopoetische Vorläuferzellen
13.2.8 Komplikationen intravenös transfundiert, um das nicht funktionierende
Knochenmark wieder zu repopulieren. Man unterscheidet
Die häufigste Komplikation, insbesondere nach subhya- hierbei zwischen der autologen und der allogenen KMT:
loidaler oder nach Blutung unter die Membrana limitans Bei der autologen KMT werden Stammzellen vom Pati-
interna, ist die Ausbildung von epiretinalen Membranen enten selbst gewonnen, bei der allogenen Transplantation
(27-78%). Folgen einer Vitrektomie sind die Entstehung von einem HLA-typisierten Spender. Bei der autologen
einer Katarakt oder einer Netzhautablösung. Letztere KMT stellen das multiple Myelom und die Non-Hodgkin-
kann durch Ausbildung eines Foramens als Folge einer Lymphome die zahlenmäßig führenden Indikationen dar,
Vitrektomie oder bedingt durch eine proliferative Vitre- bei der allogenen KMT die akuten Leukämien. Die klas-
oretinopathie entstehen. Seltener sind eine Papillenatro- sische Methode zur Gewinnung von hämatopoetischen
phie, Pigmentepithelveränderungen, zystoides Makulaö- Stammzellen ist die Knochenmarkentnahme. Hierfür
dem oder ein Makulaforamen. wird dem Spender in Allgemeinnarkose durch multiple
Beckenkammpunktionen Knochenmarkblut entnommen.
Fazit für die Praxis Knochenmark als Stammzellenquelle wird jedoch zuneh-
▬ Eine intraokulare Blutung bei Subarachnoidalblutung ist mend auch durch in das Blut ausgeschwemmte Stammzel-
häufig (bis 50%). len ersetzt. Vor der Stammzelltransplantation erfolgt eine
▬ Lassen sich bei einem Patienten mit Subarachnoidalblu- chemotherapeutische Behandlung des Empfängers oft in
tung keine zuverlässigen Angaben über das Sehvermögen Kombination mit einer Strahlentherapie, die sogenannte
erheben, sollte eine Vorstellung beim Augenarzt erfolgen. »Konditionierung«. Ziel dieser Behandlung ist einerseits
▬ Glaskörperblutungen, insbesondere beidseitige, sollten zü- die Eradikation der malignen Grunderkrankung, andrer-
gig operiert werden, um die allgemeine Rehabilitation zu seits die Suppression des Empfängerimmunsystems, um
ermöglichen. eine Abstoßung des Transplantats zu verhindern. Die klas-
▬ Die Komplikationsrate bei der Vitrektomie ist erhöht. sischen Konditionierungsregime beinhalten eine hochdo-
▬ Die Visusprognose ist gut. sierte zytostatische Chemotherapie mit u.a. Melphalan,
Cyclophosphamid und Busulfan, sowie eine Ganzkörper-
bestrahlung. Nach der allogenen KMT ist weiterhin über
13.3 Retinale Komplikationen nach einen langen Zeitraum eine Immunsuppression notwen-
Knochenmarktransplantation dig, um eine Transplantatabstoßung und eine »graft ver-
sus host disease« (GvHD) zu verhindern. Die Anzahl der
A. Gabel-Pfisterer, M. Doblhofer Stammzelltransplantationen ist in den vergangenen Jahren
deutlich angestiegen, alleine in Deutschland wurden 2007
circa 2.300 allogene KMTs durchgeführt.
13.3.1 Definition Durch die Erfolge der Transplantationsmedizin stel-
len sich auch außerhalb der Transplantationszentren
Retinale Komplikationen nach Knochenmarktransplan- immer mehr Langzeitüberlebende mit behandlungsbe-
tation (KMT) umfassen die Mikroangiopathie, chorio- dürftigen Spätkomplikationen vor. Verursacht werden
retinale Infektionen, die Chororioretinopathia centralis diese Komplikationen durch die Grunderkrankung, die
serosa und Optikusneuropathien, die während oder nach Toxizität der Behandlung und die akute oder chronische
330 Kapitel 13 · Retinale Gefäßerkrankungen in Assoziation mit Systemerkrankungen

»graft versus host disease«. Die GvHD tritt in 25-70% ▬ einem Makulaödem,
der erwachsenen Patienten und 60-90% der Kinder nach ▬ harten Exudaten und
KMT auf. Die okulären Komplikationen nach Knochen- ▬ intraretinalen Blutungen.
marktransplantation, insbesondere auch im Rahmen der
GvHD, betreffen vor allem den vorderen Augenabschnitt. Ursächlich ist ein multifaktorielles Geschehen: Verände-
Hierzu zählen die Keratokonjunktivitis sicca, die pseudo- rungen des Blutbildes durch die grundlegende Erkran-
membranöse Konjunktivitis, sterile und infektiöse Ulcera kung wie z.B. Thrombozytopenie oder Thrombozytose
sowie virale und bakterielle Konjunktivitiden und Kera- und Hyperviskosität können zu retinalen Blutungen oder
titiden. Eine posteriore Skleritis mit konsekutiver serö- Gefäßverschlüssen führen. Zusätzlich werden während
ser Netzhautabhebung kann ebenfalls im Rahmen einer der Konditionierung die Endothelien der Gefäßwände
GvHD auftreten. durch Zytostatika (insbesondere Cyclosporin) und Be-
Bei bis zu 13% der Patienten treten nach KMT reti- strahlung vorübergehend oder dauerhaft geschädigt. Im
nale Komplikationen auf. Dabei unterscheidet man auf Rahmen einer GvHD-Reaktion kann es außerdem zu
der einen Seite die Entwicklung einer Mikroangiopathie einem T-Zell-vermittelten Angriff auf Endothelzellen des
mit retinaler Ischämie und auf der anderen Seite, die Empfängers kommen. Bestehen darüber hinaus gefäßre-
durch die Immunsuppression begünstigte Entstehung in- levante Grunderkrankungen wie Hypertonus, Diabetes
fektiöser Chorioretinitiden, die für den Patienten deutlich mellitus oder eine Sepsis, ist das Risiko einer Schädigung
schwerwiegender sind. der retinalen Gefäße erhöht. Die Mikroangiopathie tritt
Zusätzlich verursachen neurotoxische Medikamente meist innerhalb der ersten 6 Monate nach der Knochen-
direkte Schäden an Retina und Nervus opticus. Unter markstransplantation auf. Je nach Lage und Ausprägung
dem Einfluss verabreichter Steroide und durch körper- sind die Patienten asymptomatisch oder stellen sich mit
lichen und emotionalen Stress verstärkt, kann sich eine Sehverschlechterung oder Skotomen vor.
Chorioretinopathia centralis serosa (CCS) entwickeln. Werden bei der ophthalmoskopischen Untersuchung
retinale Veränderungen festgestellt, ist die Fluoreszenzan-
Praxistipp I I giographie zu Diagnosestellung hilfreich. Mikroangiopa-
Pathogenese der Retinopathie nach KMT thische Veränderungen, Gefässleckagen und ischämische
▬ Hämatologische Grunderkrankung Areale und können dargestellt werden (⊡ Abb. 13.9).
▬ Endothelzellschädigung durch Chemotherapeutika Die Prognose ist in der Regel gut, nach Reduktion der
▬ Ganzkörperbestrahlung mit Gefäßschädigung Cyclosporin-Dosis kommt es bei fast 70% der Patienten
▬ Immunsuppression zu einer Rückbildung der retinalen Veränderrungen und
13 ▬ Sekundäre syst. Infektionen und opportunistische bei knapp der Häfte der Patienten zu einer kompletten
Erkankungen Visuserholung.
▬ Graft versus host disease
▬ Zusätzliche prädisponierende Grunderkrankungen

13.3.3 Symptomatik und klinisches Bild

Praxistipp I I
Klinisches Bild der chorioretinalen Komplikationen
▬ Mikroangiopathie
▬ Chorioretinale Infektionen
▬ Optikusneuropathie
▬ Chorioretinopathia centralis serosa

Mikroangiopathie
Etwa 8% aller Patienten nach KMT entwickeln eine reti-
nale Mikroangiopathie, die gekennzeichnet ist durch
▬ Cotton-wool-Spots, ⊡ Abb. 13.9 30-jähriger immunsupprimierter Patient mit Visusminde-
▬ Mikroaneurysmata, rung bei Zustand nach KMT vor 8 Monaten. Funduskopisch sind Cot-
▬ Teleangiektasien, ton-wool-Herde, Blutungen sowie eine Papillenschwellung zu sehen.
13.3 · Retinale Komplikationen nach Knochenmarktransplantation
331 13
Besteht eine GvHD, ist zusätzlich eine Anpassung der agnose wird daher über den Erregernachweis zu führen
medikamentösen Immunsuppression erforderlich. Nur in sein. Um die Visusprognose der Patienten zu optimieren,
seltenen Fällen schreitet die Mikroangiopathie bis zu ist ein frühes und effektives medikamentöses Eingreifen
einer proliferativen Retinopathie fort. Dann kann eine erforderdlich.
panretinale Laserkoagulation erforderlich werden.
Chorioretinopathie centralis serosa (CCS)
Chorioretinale Infektionen Nach Knochenmarktransplantation und Organtransplan-
Begünstigt durch die zugrunde liegende Erkrankung im tation kann eine CCS mit seröser Netzhautabhebung oder
Immunsystem und die nach der KMT erforderliche Im- Abhebung des retinalen Pigementepithels (rPE) auftre-
munsuppression, bestimmen opportunistische Infektio- ten. Als Ursache ist hierbei eine Kombination aus hoher
nen ganz wesentlich die Morbidität und Mortalität nach Kortisondosis im Rahmen der Immunsuppression, emo-
KMT. Okuläre Infektionen sind seltener als systemische tionalem und physischem Stress, Blutdruckentgleisungen
und treten bei etwa 2% der erwachsenen Patienten nach und der Cyclosporintherapie anzusehen. Die Spontan-
KMT auf. Bei Kindern scheint das Infektionsrisiko höher heilungsrate der CCS ist insgesamt gut. In einigen Fällen
zu sein. konnte allein durch Cortisonreduktion eine komplette
Bei den viralen Infektionen der Netzhaut nach KMT Remission der CCS erreicht werden. Bei Persistieren der
spielt das Cytomegalivirus eine wichtige Rolle. Die CMV- serösen Netzhautabhebung über Monate mit zu erwar-
Retinitis imponiert als gefäßnahe unregelmäßige Entzün- tenden dauerhaften Schäden am retinalen Pigmentepi-
dung mit charakteristischen Satelliten und Blutungen. thel (RPE) sollte eine Therapie diskutiert werden. Bei
Häufig ist eine exsudative Netzhautablösung assoziiert. der CCS nach KMT ist derzeit die Laserkoagulation als
Die Therapie besteht in der systemischen Gabe von einzige Behandlungsmaßnahme in der Literatur doku-
Ganciclovir , das zur Reduktion systemischer Nebenwir- mentiert. Alternativen wie Carboanhydrasehemmer, PDT
kung bei einseitiger Erkrankung auch intravitreal gegeben oder Anti-VEGF können wie bei einer »einfachen« CCS
werden kann. Alternativ steht Foscarnet zur Verfügung. (ohne KMT) in Erwägung gezogen werden. Größere RPE
In einzelnen Fällen sind als KMT assozierte Komplikation Schäden auf Grund einer Ischämie der Choriokapillaris
eine akute retinale Nekrose (ARN) und eine progressive im Rahmen der Grunderkrankung oder GvHD können
äußere Netzhautnekrose (PORN) beschrieben worden. zu multifokalen und ausgedehnteren serösen Netzhautab-
Ursächlich ist hierbei eine Reaktivierung oder Neuin- hebungen führen. Eine operative Therapie ist meist nicht
fektion einer Varizella-Zoster-Infektion, die zu typischen indiziert Bei Verdacht auf GvHD sollte eine immunsup-
schnell progredienten peripheren Arealen nekrotischer pressive Therapie eingeleitet bzw. intensiviert werden.
Netzhaut mit exsudativer Reaktion führt. Ein rascher The-
rapiebeginn mit Valaciclovir und Cidofovir ist notwendig. Optikusneuropathie
Diese muss aber, ebenso wie eine eventuelle sinnvolle In seltenen Fällen tritt nach KMT eine Papillenschwellung
Veränderung der immunsuppresiven Therapie in enger auf, meist als Folge einer Mikroangiopathie oder neuro-
Absprache mit den behandelnden Hämatologen erfolgen. toxischer Medikamente im Rahmen der Chemothera-
Auch eine Reaktivierung oder Neuinfektion mit To- pie. Insbesondere Cyclosporin, welches bei der allogenen
xoplasmen nach KMT und Immunsuppression ist be- KMT über einen langen Zeitraum gegeben wird, scheint
schrieben. Diese stellt nach der CMV-Retinitis sicher die eine wichtige Rolle zu spielen. Eine Reduktion der Cyclo-
häufigste schwerwiegende retinale Komplikation einer sporindosis kann zum Rückgang der Papillenschwellung
KMT dar und ist gleichzeitig wegen der Ähnlichkeit des beitragen. Optikusneuropathien sind auch im Rahmen
klinischen Bildes deren wichtigste Differentialdiagnose. von GvHD beschrieben, als erfolgreicher Therapieansatz
Bei der Chorioretinitis durch Toxoplasmose besteht oft wurde hier eine Erhöhung der Cortisondosis zur Unter-
zusätzlich ein mäßiger Vorderkammer- und Glaskörper- drückung der GvHD sowie Acetazolamid beschrieben.
reiz, die Ränder der gelblichen Netzhautinfiltrate werden Eine strahlenbedingte Optikusneuropathie nach einer
als schärfer begrenzt beschrieben. Die serologische Dia- Ganzkörper- bzw. Kopfbestrahlung ist bei den meist für
gnostik kann durch die Untersuchung eines Glaskörper- das Auge sehr geringen Dosen eher selten zu erwarten.
Punktats verbessert werden. Als zusätzliche Risikofaktoren für eine Optikusneuropa-
Pilzinfektionen sind nach Knochenmarkstransplanta- thie sind venöse Gefäßverschlüsse, eine Mikroangiopa-
tion in einzelnen Fällen beschrieben. thie und hämatologische Veränderungen zu betrachten.
Bei allen chorioretinalen Infektionen kann das klini- Eine evidenzbasierte Behandlung der Optikusneuropa-
sche Bild durch die meist hämatologische Grunderkran- thie besteht außer Statuserhebung der Grunderkrankung,
kung und durch die Immunsuppression anders aussehen dem Absetzen zusätzlicher neurotoxischer Medikamente
als bei immunkompetenten Patienten. Die Differentialdi- und Reduktion von vaskulären Risikofaktoren nicht.
332 Kapitel 13 · Retinale Gefäßerkrankungen in Assoziation mit Systemerkrankungen

Hämatologische Komplikationen Risikofaktoren für die Mikroangiopathie sind kapilläre


Die Knochenmarkaplasie zu Beginn der Behandlung, Endothelschäden, medikamentös oder durch Bestrahlung
die Transfusion der Spender-Stammzellen und die an- bedingt, Mikroembolien, hämatologische Veränderungen und
schließend notwendigen Blut-, Plasma und Thrombo- vaskuläre Grunderkrankungen wie Diabetes und Bluthoch-
zytentransfusionen resultieren in Abnormalitäten der druck. Eine Therapie ist normalerweise nicht erforderlich.
Blutzusammensetzung. Diese können zu Störungen der Chorioretinale Infektionen erfordern eine systemische
retinalen und choroidalen Vaskularisation mit Mikro- Herdsuche und Therapie.
verschlüssen durch Leukozyten- und Erythrozyten- und Toxische Veränderungen müssen bedacht und durch Do-
Thrombozytenaggregaten führen. Funduskopisch impo- sisanpassung minimiert werden.
nieren diese als Mikroemboli, Cotton-wool-Herde und
Netzhautblutungen, die die mikroangiopathischen Ver-
änderungen komplizieren. Die meisten dieser Verände- Literatur
rungen sind gering ausgeprägt und der Patient ist asym-
ptomatisch. Thrombozytopenien können in größeren re- z Literatur zu Abschnitt 13.1
trohyaloidalen oder Glaskörperblutungen resultieren, die Agrawal A, McKibbin MA (2006) Purtscher‘s and Purtscher-like retino-
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Die Mikroangiopathie nach KMT hat generell eine gute
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lauf von Wochen bis Monaten spontan zurück. Wichtig ist Blodi BA, Johnson MW, Gass JD, Fine SL, Joffe LM (1990) Purtscher like
dennoch eine regelmäßige Kontrolle der Patienten, um bei retinopathy after childbirth. Ophthalmology 97: 1654-9
einem seltenen, aber möglichen Übergang in das prolifera- Blodi BA, Williams CA (1997) Purtscher like retinopathy after uncom-
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tive Stadium eine panretinale Laserkoagulation einzuleiten.
mol 124: 702-3
Chorioretinale Infektionen sind für die Visusprog- Burton TC. Unilateral Purtscher’s retinopathy. Ophthalmology. 1980;
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334 Kapitel 13 · Retinale Gefäßerkrankungen in Assoziation mit Systemerkrankungen

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13
14

Entzündliche Gefäßerkrankungen

14.1 Morbus Eales – 336 14.4.2 Epidemiologie – 364


S. Gadkari, A. M. Joussen 14.4.3 Pathogenese – 364
14.1.1 Einleitung – 336 14.4.4 Klinische Manifestation – 365
14.1.2 Klinisches Erscheinungsbild – 336 14.4.5 Differentialdiagnose – 367
14.1.3 Natürlicher Verlauf – 343 14.4.6 Therapie der MS-assoziierten
14.1.4 Klassifikation des Morbus Eales – 343 Uveitis – 367
14.1.5 Ätiologie und Pathophysiologie – 344 14.4.7 Prognose/Schlussbemerkungen – 369
14.1.6 Diagnostisches Vorgehen: Fluoreszein- 14.5 Sarkoidose – 370
angiographie und Fundusskopie – 345
U. Pleyer, S. Winterhalter
14.1.7 Differentialdiagnose – 345
14.5.1 Definition und Einteilung – 370
14.1.8 Systemische Begleiterkrankungen bei
14.5.2 Epidemiologie – 370
Morbus Eales – 346
14.5.3 Ätiologie und Pathogenese – 371
14.1.9 Therapeutisches Vorgehen – 347
14.5.4 Genetik und Immunologie – 371
14.2 Augenbeteiligung bei systemischem 14.5.5 Klinik und Symptomatik – 372
Lupus erythematodes – 351 14.5.6 Augenmanifestationen bei
F. Mackensen, J. T. Rosenbaum, R. Max Sarkoidose – 373
14.2.1 Epidemiologie und Diagnosekriterien 14.5.7 Sarkoidose im Kindesalter – 375
des systemischen Lupus erythematodes 14.5.8 Diagnostik – 376
(SLE) – 351 14.5.9 Differentialdiagnostik – 377
14.2.2 Häufigkeit von Augenpathologien 14.5.10 Therapie – 377
bei SLE und ihre Auswirkung auf die 14.5.11 Prognose – 378
Prognose – 352 14.6 Nekrotisierende Vaskulitis – 378
14.2.3 Typische pathogenetische und
S. Winterhalter, F. Hiepe, N. Stübiger,
molekulare Abläufe – 353
U. Pleyer
14.2.4 SLE-assoziierte Retinopathie:
14.6.1 Infektiöse nekrotisierende
klinisches Bild und Verlauf – 354
Vaskulitis – 378
14.2.5 Behandlungsempfehlungen, Unter-
14.6.2 Immunologisch vermittelte
suchungsintervalle und Empfehlungen
nekrotisierende Vaskulitis – 383
für Augenroutineuntersuchungen bei
SLE-Patienten – 355 14.7 Systemische Immunsuppression bei
Vaskulitis – 386
14.3 Morbus Behçet – 357
S. Winterhalter, N. Stübiger, U. Pleyer
C. Deuter, I. Kötter, N. Stübiger, M. Zierhut
14.7.1 Einleitung – 386
14.3.1 Definition und Epidemiologie – 357
14.7.2 Therapeutische Grundprinzipien – 386
14.3.2 Pathophysiologie – 358
14.7.3 Kortikosteroide – 387
14.3.3 Krankheitsverlauf – 359
14.7.4 Nichtsteroidale Antirheumatika
14.3.4 Diagnostik – 360
(NSAR) – 387
14.3.5 Therapie – 361
14.7.5 Sulfasalazin – 387
14.4 Vaskulitis bei Multipler 14.7.6 Immunsuppressiva – 387
Sklerose – 363 14.7.7 Zusammenfassung – 394
U. Wiehler, C. Springer, M. Becker
Literatur – 394
14.4.1 Einleitung – 364

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_14,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
336 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

>> kungsfällen weltweit berichtet wird, haben bessere hy-


gienische Verhältnisse und ein besserer Lebensstandard
Entzündliche Gefäßerkrankungen der Netzhaut umfassen in Europa und Nordamerika zu einer relativen Abnahme
verschiedene Erkrankungsbilder, die teils ideopathisch der Erkrankungsfälle geführt.
vorkommen, wie der Morbus Eales, oder in Verbindung mit In einer Serie von 50 Fällen in Amerika konnte die
systemischen Erkrankungsbildern vorkommen. Stellvertre- männliche Dominanz in der Prävalenz nicht festgestellt
tend werden hier die Augenbeteiligung bei Lupus erythema- werden. Heute werden die meisten Fälle aus Asien be-
todes, bei Morbus Behçet und bei multipler Sklerose sowie richtet.
bei der Sarkoidose diskutiert. Die systemische Vaskulitis und
deren Schweregrad determiniert in diesen Fällen die Thera-
pie. Der Vormarsch der Biologica ist hier unaufhaltsam und 14.1.2 Klinisches Erscheinungsbild
erlaubt eine zum Teil spezifischere Therapie als die altherge-
brachten Immunsuppressiva. Ein besonderer Abschnitt ist Morbus Eales ist eine idiopathische, gewöhnlich peri-
der nekrotisierenden Vaskulitis gewidmet, dieser schwersten phere, meist beidseitige Vaskulitis der Netzhautgefäße,
Form der retinalen Vaskulitis, die unbehandelt zu einer voll- die zu peripheren Minderperfusionen und avaskulären
ständigen Einbuße der Sehkraft führen kann. Der Nachweis Arealen und Neovaskularisationen führt. Sie tritt in der
einer viralen Genese ist für die Therapieplanung von äußers- Regel bei jungen im übrigen gesunden Männern auf.
ter Wichtigkeit. Bei den meisten Patienten imponieren die ersten Sym-
ptome als schmerzlose Visusminderung durch Glaskör-
pertrübungen und -blutungen, die episodisch auftreten.
14.1 Morbus Eales Meistens haben die Patienten mehrfach solche Episoden
gehabt, die scheinbar vollständig vorübergingen. Wenn
S. Gadkari, A. M. Joussen die Glaskörperblutung gering war, findet bei Beginn der
Erkrankung oft eine vollständige Resorption statt. Ein
dauerhafter Sehschärfenverlust resultiert meist als Folge
14.1.1 Einleitung der peripheren Ischämien aus chronisch rezidivierenden
Glaskörperblutungen, in der Regel ist die Makula nicht
Henry Eales, ein englischer Augenarzt, beschrieb diese direkt durch vaskulär bedingte Ischämien betroffen.
Erkrankung vor nahezu 130 Jahren. Eales erste Beschrei- Die ophthalmologisch sichtbaren Symptome beschrän-
bung galt wiederholten Netzhaut und Glaskörperblutun- ken sich meist auf den hinteren Augenabschnitt, nur selten
gen, zusammen mit Nasenbluten, Kopfschmerzen, peri- findet man eine geringe Vorderkammerreizung. Ein posi-
pheren Durchblutungsstörungen, Verdauungsstörungen tives Tyndallphänomen oder Zellen in der Vorderkammer
14 und chronischer Verstopfung bei jungen Männern. Er sind meist ein erstes Zeichen für die Entwicklung einer
hielt dies für eine vasomotorische Erkrankung, wobei Rubeosis Iridis, die häufig, insbesondere bei braun pig-
eine Verengung der intestinalen Blutgefäße zu einer mentierten Iriden, spaltlampenmikroskopisch nur schwer
kompensatorischen Erweiterung der den Kopf versor- erkennbar sind.
genden Blutgefäße führe, und dort Blutungen auslöse. Das klinische Erscheinungsbild des Morbus Eales
Die Erkrankung wurde Eales zu Ehren nach ihm be- kann in
nannt, obwohl Wadsworth (1887) nur fünf Jahre später ▬ Zeichen der Entzündung,
als erster die damit verbundenen entzündlichen Prozesse ▬ Zeichen der Ischämie und
beschrieb. Duke- Elder hielt Morbus Eales für den klini- ▬ Zeichen der Neovaskularisation mit ihren Folgen
schen Ausdruck vielfältiger Erkrankungen. eingeteilt werden. In der Regel wird die Progredienz
Einer von 200 bis 250 augenärztlichen Patienten zeigt von Entzündungsstadien zu Ischämiezeichen bis hin zur
in Indien diese Erkrankung. Dies ist 10-mal soviel wie Neovaskularisation auch zeitlich in dieser Abfolge durch-
in Europa oder Nordamerika; hier ist es eher eine Aus- schritten. Grundsätzlich können jedoch die Symptome
schlussdiagnose. Markant ist die vorwiegende Betrof- verschiedener Stadien bei einem Patienten gleichzeitig
fenheit von Männern mit nahezu 90%. Von beidseitiger vorliegen. Da sich die Erkrankung meist bilateral mani-
Erkrankung wird je nach Studie in 50-90% der Fälle festiert, zeigt die sorgfältige Untersuchung eines asympto-
berichtet. Die meisten Erkrankungen treten in der 3. Le- matischen zweiten Auges oft periphere Einscheidungen.
bensdekade auf (15.-45. LJ). Es gibt beim Morbus Eales weder immunologische
Bevorzugt erkranken Arme und Angehörige der un- oder pathologische noch biochemische Untersuchungen,
teren sozialen Schichten, meist aus ländlichen Gegenden. die zur Diagnose führen. Die Diagnose Morbus Eales
Während Anfang des vorigen Jahrhunderts von Erkran- wird also im Wesentlichen klinisch gestellt.
14.1 · Morbus Eales
337 14

Praxistipp I I Ausmaß der in der Fluoreszeinangiographie sichtbaren


Gefäßpathologie die ophthalmoskopische Einschätzung
▬ Beiseitige periphere Vaskulitis mit vaskulären Ein-
oft bei Weitem (⊡ Abb. 14.1d).
scheidungen
Erfasst die Vaskulitis eine größere Astvene, so können
▬ Periphere Ischämieareale, an deren Grenze Prolife-
sekundäre Astvenenverschlüsse (⊡ Abb. 14.2) entstehen.
rationen auftreten können
Hierbei weisen diese sekundären Venenverschlüsse auch
▬ Glaskörperblutungen als Folge der peripheren Pro-
die typischen Einscheidungen der betroffenen Gefäße
liferationen
▬ Fortschreiten zu Glaskörperproliferationen und auf. Die oberflächlichen Netzhautblutungen und Ödeme
Traktionen, die schließlich in einer traktiv rhegma- können temporal die horizontale Mittellinienraphe über-
togenen Amotio münden können schreiten, ein Phänomen was gewöhnlich bei Astvenen-
thrombosen nicht auftritt (⊡ Abb. 14.2b,c). Wenn auch
selten, zeigen einige Augen frische oder auch ältere Cho-
Entzündungsstadium rioretinitisherde (⊡ Abb. 14.3).
Die periphere Periphlebitis oder Vaskulitis sind die Leit-
symptome dieses Krankheitsstadiums. Perivaskuläre Ex- Ischämiestadium
sudate führen zu segmentalen Gefäßeinscheidungen der Eine durch Gefäßverschluss verursachte Netzhautisch-
betroffenen Blutgefäße (⊡ Abb. 14.1b). Sind größere Stü- ämie imponiert so wie bei anderen Netzhautgefäßer-
cke betroffen so zeigen sich längere Ummantelungen der krankungen: Oberflächliche Netzhautblutungen in der
Gefäßäste (⊡ Abb. 14.1a,c). Nervenfaserschicht werden oft im Bereich von Gefäßein-
Gefäße mit aktiver Vaskulitis zeigen eine typische scheidungen gesehen (⊡ Abb. 14.4). Fleckblutungen tre-
Anfärbung mit Fluoreszein. Hierbei überschreitet das ten jedoch selten auf. Infolge der Ischämie sind venöse

a b

c d

⊡ Abb. 14.1 a Bereiche aktiver Periphlebitis in der Peripherie mit retinalen Blutungen. b Periphlebitische Einscheidungen. c Umscheidung
größerer Gefäßsegmente, Laserherde sind sichtbar. d Fluoreszeinangiographie einer Vene mit einer aktiven Periphlebitis die »Staining« und
Leckage zeigt. (Aus Gadkari S 2007)
338 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Kaliberschwankungen und Gefäßduplikaturen zu sehen hin und sind allein keine Indikation für eine Flächenla-
(⊡ Abb. 14.5). serbehandlung. Kollaterale und veno-venöse Shunts zei-
Als Versuch einer Wundheilungsreaktion zur Minde- gen im Gegensatz zu Neovaskularisationen in der Fluo-
rung der ischämischen peripheren Netzhautareale bilden reszenzangiographie keine Farbstoffleckage.
sich Kollateralen sowie veno-venöse Shunts. Diese Verän- Areale mit Netzhautödemen beobachtet man beson-
derungen deuten auf eine Stabilisation der Gefäßsituation ders bei Frühstadien der Erkrankung wegen der hämo-

a a

14 b b

c c

⊡ Abb. 14.2 a Inferotemporale Astvenenthrombose in Folge des ⊡ Abb. 14.3 a Alte Chorioretinitisherde bei einem Patienten mit Mor-
Morbus Eales mit Einscheidungen des betroffenen Gefäßastes. bus Eales. b Fluoreszeinangiographie desgleichen Auges. c Frischer
b Fluoreszeinangiographie desselben Patienten. Die Veränderungen Chorioretinitisherd bei Morbus Eales eines älteren Patienten mit alten
überschreiten die horizontale Raphe. c Superotemporaler Astvenen- Lasernarben. (Aus Gadkari S 2007)
verschluss als Folge des Morbus Eales. (Aus Gadkari S 2007)
14.1 · Morbus Eales
339 14
dynamischen Belastung durch Verschlüsse entzündeter (⊡ Abb. 14.7). Makula und Netzhautzentrum sind sehr
Gefäße (⊡ Abb. 14.6). Makulaödeme gehören im Gegen- selten betroffen, außer in fortgeschrittenen Krankheits-
satz zur diabetischen Retinopathie nicht zum norma- fällen mit schweren Ischämien (⊡ Abb. 14.8).
len Bild. Die Minderperfusionsareale liegen meist in der
Netzhautperipherie im Bereich der betroffenen Gefäße Neovaskularisationsstadium
und lassen sich in der Fluoreszeinangiographie darstellen Untersucht man Patienten mit Glaskörperblutungen, so
zeigen etwa 80% Neovaskularisationen. Die Ischämie tritt
meist in der Netzhautperipherie auf. Die neuen Gefäße
entstehen an der Grenze zwischen avaskulären und nor-
malen Arealen, dies gewöhnlich in einer typischen Fäch-
erform. Neben den fächerförmigen Neovaskularisationen
treten wie bei anderen Netzhautgefäßerkrankungen fort-
schreitende intraretinale, präretinale und intravitreale Ge-
fäßneubildungen auf. Einige Untersucher haben versucht
nachzuweisen, dass die temporale Peripherie bevorzugt
betroffen ist, jedoch entwicklen sich neue Gefäße auch
in der mittleren Peripherie oder unmittelbar angrenzend
an die Gefäßarkaden (⊡ Abb. 14.9b,c). Sie können dabei
fächerförmig von einem gemeinsamen Punkt ausgehen.
Bei weiter fortgeschrittener Erkrankung mit allgemei-
ner Netzhautischämie können sich Neovaskularisationen
⊡ Abb. 14.4 Oberflächliche retinale Blutungen durch retinale Ischämie der Papille entwickeln. Glaskörperblutungen entstehen
in der Nachbarschaft zu Gefäßen mit Periphlebitis. (Aus Gadkari S 2007) aus Gefäßneubildungen, kaum je aus Verschlüssen grö-

a b

c d

⊡ Abb. 14.5 a Reduplikation eines Venensegmentes als Folge der Ischämie. b Fluoreszeinangiographie derselben Läsion. c Venovenöse Shunts
und Kollateralen in der mittleren Peripherie. d Fluoreszeinangiographie der Kollateralen ohne Hinweis auf eine Leckage. (Aus Gadkari S 2007)
340 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 14.6 Fluorezeinangiographisch erkennbares retinales und ⊡ Abb. 14.8 Ischämische Form mit ausgeprägter makulärer Ischämie.
makuläres Ödem. (Aus Gadkari S 2007) Partnerauge eingeblutet mit Traktionsamotio

14
a b

c d

⊡ Abb. 14.7 a Farblicher Unterschied zwischen ischämischer und nicht-ischämischer Netzhaut. b Fluoreszeinangiographie dieses Patienten
zeigt die Grenze zwischen perfundierter und nicht-perfundierter Netzhaut. c Ischämische Netzhaut mit weitreichender okklusiver Vaskulitis.
d Schwere retinale Ischämie, die weit bis posterior reicht. Stark verkümmerte Gefäße. (Aus Gadkari S 2007)
14.1 · Morbus Eales
341 14

a a

b b

c c

⊡ Abb. 14.9 a Typische fächerförmige Neovaskularisationen in der


Peripherie bei Morbus Eales. b Neovaskularisationen in Nähe der
Gefäßarkaden, die in den Glaskörperraum vorwachsen. c Deutliche
Fluoreszeinleckage aus dieser Läsion. (Aus Gadkari S 2007)

⊡ Abb. 14.10 a Ultraschall-B-Bild bei einem Patienten mit Glaskörper-


blutung bei Morbus Eales. Der Glaskörper ist dicht infiltriert, eine
hintere Glaskörperabhebung fehlt. b Inferotemporale Traktionsamotio
angrenzend an die Gefäßarkade. c Konkave Konfiguration der Traktions-
amotio im Ultraschall-B-Bild mit Glaskörpertraktionssegeln. d Länglicher
Riss als Folge der Kontraktion von fibrovaskulärem Gliagewebe mit der
d
Konsequenz einer traktiv-rhegmatogenen Amotio. (Aus Gadkari S 2007)
342 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 14.11 a Zentraler Morbus Eales: Visus 0,6. Papillenödem mit


venöser Stauung, Blutungen und harten Exsudaten. b »Staining« des
proximalen Segments der retinalen Venen mit Papillenödem. Gute
14 Perfusion. (Aus Gadkari S 2007)

ßerer Gefäße. Die meisten Blutungen sind klein und int- c


ravitreal. Präretinale Blutungen, wie sie bei der prolifera-
tiven diabetischen Retinopathie pathognomonisch sind, ⊡ Abb. 14.12 a Zentraler Eales mit Papillenödem, Einscheidungen
kommen beim Morbus Eales nur selten vor. Die meisten und ausgeprägten harten Exsudaten im Bereich der Makula. b Gu-
tes Ansprechen auf systemische Steroide innerhalb von 14 Tagen.
Augen zeigen multiple Blutungen in verschiedenen Re-
Verminderung der venösen Stauung, der Papillenschwellung und
sorptionsgraden, bis die Blutungen so dicht werden, dass Rückgang der harten Exsudate. c Deutliche Verbesserung 8 Wochen
es zu einer Visusminderung und einer eingeschränkten nach systemischen Steroiden. Schichtforamen im Bereich ehemaliger
Sicht auf die Netzhaut kommt. Neben der häufigsten Fol- harter Exsudate. (Aus Gadkari S 2007)
ge von Neovaskularisationen, den Glaskörperblutungen
(⊡ Abb. 14.10a) können Traktionsamotiones und kom-
biniert rhegmatogen-traktive Amotiones auftreten. Bei risse sind meist länglich und stehen in Bezug zu kontra-
Morbus Eales betrifft die Traktionsamotio jedoch selten hiertem Narbengewebe (⊡ Abb. 14.10d).
den hinteren Pol und muss die Sehschärfe nicht notwen-
digerweise beeinträchtigen. Nichtsdestoweniger können Zentraler Morbus Eales
fibrosierte Glaskörperstränge bei Neovaskularisationen Eine zentrale Eales’sche Erkrankung wird in der Lite-
Netzhautrisse auslösen und so zu einer kombinierten ratur nicht einheitlich beschrieben. Es gibt Studien, die
traktiv-rhegmatogenen Ablatio führen. Diese Netzhaut- dieser Variante 6% der Fälle des Morbus Eales zuordnen.
14.1 · Morbus Eales
343 14

⊡ Abb. 14.14 Endstadium mit schweren Neovaskularisationen. (Aus


Gadkari S 2007)

a
Progredienz bis zum Endstadium der Proliferation zei-
gen. Die retinale Vaskulitis verursacht in der Folge eine
periphere retinale Ischämie, diese wiederum führt zu
Neovaskularisation und fibrovaskulärer Proliferation. Da-
durch werden Glaskörperblutungen bis hin zu Netzhaut-
ablösungen ausgelöst. Das Endstadium kennzeichnet ein
Neovaskularisationsglaukom, eine proliferative Vitreore-
tinopathie mit traktiver Netzhautablösung (⊡ Abb. 14.14),
eine Katarakt und ein Ektropium Uveae. In einigen Fällen
b kann die Erkrankung zu einem ausgebrannten Stadium
mit schwerer Ischämie und Papillenatrophie führen.
⊡ Abb. 14.13 a 44-jähriger Patient bei Z.n. disseminierter Koagulati-
on der peripher ischämischen Retina. Zentral Exsudate und aneurys-
matische Gefäßaussackungen. b Optische Kohärenztomographie der
Makula zeigt zentrale subretinale Flüssigkeit sowie ein ausgeprägtes
14.1.4 Klassifikation des Morbus Eales
temporal betontes intraretinales Makulaödem
Im Laufe der Jahre sind verschiedene Versuche einer
Klassifikation vorgestellt worden. Eine Klassifikation be-
ruhend auf Entwicklung und Fortschreiten der Erkran-
Das klinische Charakteristikum ist eine Papillophlebi- kung beruht auf Charmis und Mitarbeitern. Diese Klassi-
tis oder ein nicht-ischämischer Zentralvenenverschluss fikation teilt die Krankheit in vier Stadien ein:
(⊡ Abb. 14.11). ▬ Stadium I: milde Periphlebitis der Netzhautkapillaren
Die Sehschärfe bleibt meist gut, eine Kortikoste- ▬ Stadium II: ausgedehnte Periphlebitis der Netzhaut-
roid- oder eine immundepressive Therapie spricht gut venen
an (⊡ Abb. 14.12). Der zentrale Eales kann differentialdi- ▬ Stadium III: Gefäßneubildungen und Glaskörperblu-
agnostisch teilweise nur durch die periphere Periphlebi- tungen
tis und die fehlenden peripheren Gefäßanomalien vom ▬ Stadium IV: proliferative Retinopathie, ggf mit multi-
Morbus Coats unterschieden werden (⊡ Abb. 14.13) plen Blutungen

Eine vollständigere Klassifikation, aufgrund derer man


14.1.3 Natürlicher Verlauf die Wirksamkeit von Behandlungsmaßnahmen untersu-
chen kann, wurde von Das und Namperumalsamy 1987
Der natürliche Verlauf des Morbus Eales ist unterschied- vorgeschlagen. Neben der Beschreibung der Krankheits-
lich. Es gibt Spontanheilungen nach einem Blutungs- symptome wird deren Lokalisation in der Netzhaut nach
ereignis, während andere Verläufe eine kontinuierliche einem Uhrzeitschema angegeben (⊡ Tab. 14.1).
344 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

⊡ Tab. 14.1 Das- und Namperumalsamy-Klassifikation

Grad I II III IV

Mild Moderat Fortgeschritten Sehr fortgeschritten

Beschreibung der Läsionen 1/12=30% eines Kreises

Angiopathie

Venöse Veränderungen (Tortuositas, Periphlebitis) <1/12 <2/12 <3/12 >3/12

Mikroaneurysmen <1/12 <2/12 <3/12 >3/12


Retinale Blutungen

Proliferative Retinopathie

Neue Gefäße <1/12 <2/12 >2/12

Fibröse Proliferationen <1/12 <2/12 <3/12 >3/12

Glaskörperblutungen <2/12 <4/12 <8/12 >8/12

Saxena et al (2004) haben ein neues Klassifikations- ligung des Mycobakteriengenoms und oxidative Stress-
schema vorgeschlagen, dieses unterteilt die Krankheit zu- mechanismen hin.
nächst in einen zentralen und in einen peripheren Typ. Die Kontroverse, ob der Eales als immunologische
Der periphere Typ wird dann weiter unterteilt in: Antwort auf mykobakterielle Antigene oder als Folge der
▬ Stadium 1: Periphlebitis kleiner (1a) und großer (1b) tatsächlichen Präsenz von säurefesten Bakterien entsteht,
Gefäße mit oberflächlichen Netzhautblutungen. könnte mit den neuesten Untersuchungsmethoden gelöst
▬ Stadium 2: Areale kapillärer Minderperfusion und werden. Bei Patienten mit Morbus Eales findet sich im
Neovaskularisationen (2b) (periphere Neovaskulari- Vergleich zu Kontrollpatienten eine signifikant höhere Fre-
sationen und Neovaskularisationen der Papille) quenz des der HLA-Antigene HLA B5, DR1 and DR4.
▬ Stadium 3a: Vorliegen fibrovaskulärer Proliferatio- Die am meisten favorisierten Ätiologien sind die Tu-
nen bei Glaskörperblutungen (3b) berkulose oder eine Hypersensitivität gegen Tuberkel-
▬ Stadium 4a: Traktions- oder kombiniert traktiv- protein. Daher wurde der Mendel-Mantoux-Test sowie
rhegmatogene Ablatio retinae. 4b mit Rubeosis iridis, ein Lymphozytenproliferationsassay gegen purifiziertes
14 Proliferationen, Katarakt, Optikusatrophie. Proteinderivat (PPD) bei Patienten mit Morbus Eales
und Kontrollpersonen ohne Fundusbefund durchgeführt.
Ein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen
14.1.5 Ätiologie und Pathophysiologie wurde nicht gefunden. Im Gegensatz dazu wurde mittels
»polymerase chain reaction« (PCR) mit IS 6110-Primern
Praxistipp I I zur Detektion des bakteriellen Genoms im Glaskörper
Multifaktorielles Geschehen, weiterhin unklare Ätiologie eine positive Reaktion in einer statistisch signifikan-
▬ Kontroverse Diskussion über die Ursächlichkeit von ten Anzahl von Patienten mit Morbus Eales gefunden.
Tuberkelbazillen oder mykobakterieller Antigene, Ebenso wurde in epiretinalen Membranen von Patienten
kein schlüssiger Nachweis mit Morbus Eales DNA von Mykobakterium Tubercu-
▬ Nachweisbar sind oxidativer Stress und verschie- losis mittels nPCR und Primern, die für das MPB 64-
dene inflammatorische Zytokine, ob als kausale Protein von M. Tuberculosis kodieren, nachgewiesen.
Ursache oder als Folge der Netzhautischämie Interessanterweise wurde die okuläre Morbidität in über
2.000 Augen von Patienten mit aktiver Tuberkulose un-
tersucht, jedoch nur in 1,39% Netzhautmanifestationen
Mehr als 130 Jahre nach der Erstbeschreibung durch Ea- gefunden. Der häufigste Befund war eine bilaterale aus-
les ist für diese Erkrankung noch keine schlüssige Erklä- geheilte Chorioretinitis (50%), bei keinem Patienten fand
rung der Ätiologie gefunden. Es ist ein multifaktorielles sich ein Morbus Eales.
Geschehen: Immunologische, molekularbiologische und Einige Studien haben auf die Rolle des oxidativen
biochemische Untersuchungen weisen auf eine Rolle des Stresses, einem Gewebsschaden durch freie Radikale, auf-
HLA-Antigens, autoimmunologische Prozesse, die Betei- merksam gemacht. Biochemische Untersuchungen zei-
14.1 · Morbus Eales
345 14
gen, dass die Anzahl der Protein-Carbonyl-Gruppen mit Während der akuten Entzündungsphase beobachtet man
der Schwere der Eales’schen Erkrankung zunimmt. Diese eine deutliche Färbung der Gefäßwände und eine gerin-
Zunahme korreliert mit der Abnahme des Antioxidanti- ge Fluoreszeinleckage. Auch Lumenverengungen können
enstatus. Andere Untersuchungen konnten dies bestäti- in einigen Fällen beobachtet werden. Areale kapillärer
gen, die eine Monozytenaktivierung aufgrund oxidativen Nichtperfusionen sind peripher der periphlebitischen Be-
Stresses mit der Folge von Gewebsschäden zeigten. Um reiche zu sehen. Kollateralgefäße werden häufig beob-
jedoch eine Antioxidantientherapie zu rechtfertigen, wer- achtet. Eine Makulaischämie kommt nur selten vor. Da
den randomisierte klinische Studien benötigt. Entspre- Netzhautblutungen oft in enger Nachbarschaft zu betrof-
chend des heutigen Wissensstandes muss die Ätiologie fenen Gefäßen entstehen, können Unterbrechungen der
des Morbus Eales als multifaktoriell bezeichnet werden. Fluoreszenzfärbungen auftreten. An der Grenze zwischen
Eine histopathologische lichtmikroskopische und durchbluteten und nicht-perfundierten Netzhautberei-
immunhistochemische Untersuchung der epiretinalen chen treten charakteristische Shunt-Gefäße, Aneurysma-
Membranen (ERM) bei Morbus Eales ist nach Vitrek- ta und Neovaskularisationen sowie die charakteristischen
tomie möglich. Diese Membranen zeigen verschiedene Fächer-Neovaskularisationen auf.
neovaskuläre Stränge mit Gliazellen, Makrophagen, Fi-
brozyten und lymphozytären Infiltrationen. Vergleicht
man die Membranen von Patienten mit anderen vasook- 14.1.7 Differentialdiagnose
klusiven Netzhauterkrankungen mit solchen von Morbus
Eales (vasoinflammatorische Gruppe), so zeigt sich eine Als differentialdiagnostische kommen insbesondere in
ähnliche Histologie, jedoch eine verstärkte entzündliche der inflammatorischen Phase verschiedene Vaskulitiden
Aktivität bei letzteren, bestehend aus Mastzellen und eo- in Betracht.
sinophilen Granulozyten. Heute ist die Zytomegalivirus-Retinitis (CMV-Reti-
Folgerichtig zeigen sich bei Patienten mit Morbus nitis) bezogen auf das Gesamtpatientengut die wichtigste
Eales erhöhte Konzentrationen angiogener und pro-in- Differentialdiagnose. Während bei der CMV-Retinitis ein
flammatorischer Zytokine und Wachstumsfaktoren (IL-6, sehr schnelles Voranschreiten der Erkrankung im Sinne
IL-8, »macrophage chemoattractant protein« (MCP-1) eines steppenbrandähnlichen Bildes charakteristisch ist,
und VEGF) im Glaskörper. Entsprechend war die Expres- zeigt der Morbus Eales in der Regel eine weniger aggres-
sion des anti-angiogenen Wachstumsfaktors »pigment sive Progression. Die CMV-Retinitis tritt vorwiegend bei
epithelium derived factor« (PEDF) geringer bei Patienten immunsupprimierten Patienten auf.
mit einer proliferativen Netzhauterkrankung. Das Ver- Der Morbus Behçet ist eine Sonderform systemischer
hältnis der VEGF/PEDF-Expression war in unverdünn- Vaskulitiden. Typisch sind aphthenartige Geschwüre der
ten Glaskörperproben von Patienten mit Morbus Eales Mundschleimhaut und/oder der Genitalschleimhaut. Au-
und proliferativer diabetischer Retinopathie im Vergleich genentzündungen (»Hypopyon-Iritis«), Entzündungen
zu Patienten mit Makulaforamen erhöht. Der Peak der der Haut (Erythema nodosum), Entzündungen der Ge-
VEGF-Expression wurde bei Patienten mit Morbus Eales lenke (Arthritis, Sakroileitis) und Venenentzündungen
in einem Alter von 21-30 Jahren gefunden, ab einem (»Thrombophlebitis«). HLA B27 ist mit einer Gelenkbe-
Alter von ca. 40 Jahren fiel die Expression entsprechend teiligung assoziiert, HLA B5 mit einer Augenbeteiligung.
des selbstlimitierenden klinischen Charakters in dieser Die Sarkoidose zeigt kerzenwachsartige Gefäßein-
Altersgruppe wieder ab. scheidungen und kann vom M. Eales durch eine Hi-
luslymphknotenbeteiligung im Röntgenthorax sowie er-
höhte Serum-ACE-Werte unterschieden werden.
14.1.6 Diagnostisches Vorgehen: Typisch für leukämische Infiltrate sind Blutungen mit
Fluoreszeinangiographie und weißlichen Aufhellungen, sogenannte Roth-Flecken. Die
Fundusskopie Differentialdiagnose kann durch Veränderungen im peri-
pheren Blutbild bzw. im Knochenmark bestätigt werden.
Die Fluoreszenzangiographie ist nötig um die Ausdeh- Die Syphilis muss differentialdiagnostisch in unkla-
nung der Eales’schen Erkrankung zu erkennen, die pe- ren Fällen unbedingt serologisch ausgeschlossen werden,
riphere Ischämie ist oft größer als ophthalmoskopisch insbesondere bei den wieder steigenden Zahlen an Er-
erkennbar. Patienten mit Morbus Eales sollten unmittel- krankungen.
bar nach der Fluoreszeinangiographie mit einem indi- Die Tuberkulose selbst kann sich als fokale Choriore-
rekten Ophtalmoskop untersucht werden und zwar mit tinitis äußern, ist jedoch in der Regel mit Allgemeinsym-
blauen Interferenzfiltern. Sehr periphere neovaskuläre ptomen vergesellschaftet. Auf ihre Rolle in der Pathoge-
Herde sind mit der Funduskamera kaum zu erfassen. nese des Morbus Eales wurde bereits zuvor eingegangen.
346 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Die Toxoplasmose zeigt im Läsionsbereich in der Venenthrombosen, seien es Ast- oder Zentralven-
Regel eine Vitritis und kann serologisch ausgeschlossen enthrombosen sind in der Regel nicht mit vaskulären
werden, ebenso wie eine Toxocara-Infektion, die zumeist Einscheidungen vergesellschaftet. Astvenenthrombosen
einseitig bleibt. Eine Gesamtübersicht möglicher Diffe- überschreiten in der Regel die horizontale Raphe nicht.
rentialdiagnosen einer peripheren retinalen Vaskulitis Bei der Frühgeborenenretinopathie ist die Anamnese
bietet die folgende Auflistung. pathognomonisch, es treten in der Regel im Erwach-
senenalter keine Neovaskularisationen oder Blutungen
auf. Bei der diabetischen Retinopathie sind retinale
Differentialdiagnose des Morbus Eales Blutungen, die den gesamten Fundus betreffen cha-
gegenüber alternativen Vaskulitis/Retinitis- rakteristisch, spätere Neovaskularisationen und Trak-
Ursachen tionssegel entstehen bevorzugt im Bereich der großen
▬ CMV-Retinitis: immungeschwächte Patienten, Gefäßstraßen.
klarer Glaskörper,granuläre Netzhauttrübungen,
steppenbrandähnliches Fortschreiten, »Frosted
branch-angiitis« mit Einscheidungen Differentialdiagnose gegenüber anderen
▬ Morbus Behçet: Hypopyon, Aphthen und genitale Netzhautgefäßerkrankungen
Ulzera ▬ Sichelzellkrankheit: schwarze Sonnenflecken,
▬ Sarkoidose: vorwiegend weibliche Patienten, Lacksflecken, fächerförmige Neovaskularisationen
kerzenwachsartige Gefäßeinscheidungen, Hilus- mit Autoinfarzierung, Hämoglobinelektrophorese
lymphknotenbeteiligung, Serum-ACE-Werte ▬ Morbus Coats: Gefäßanomalien,Lipidexsudation,
▬ Leukämie: periphere Blutbildveränderungen, meist einseitig
Knochenmarkveränderungen, präretinale Blutun- ▬ Astvenenverschluss: keine Einscheidungen,
gen, ggf. Glaskörpertrübungen Blutungen und Exsudate überschreiten nicht die
▬ Syphilis: serologische Untersuchung, genitale horizontale Mittelraphe
Ulzera bzw. Narben, Lymphknotenbeteiligung ▬ Zentralarterienverschluss: der nichtischämi-
▬ Tuberkulose: fokale Chorioretinitis, Knötchen- sche Typ ist schwer vom zentralen Eales zu unter-
bildung, Allgemeinsymtome scheiden
▬ Multiple Sklerose: Optikusneuritis, Allgemein- ▬ Diabetische Retinopathie: Hyperglykämie,
symptome Fleckblutungen, Makulopathie, keine Vaskulitis
▬ Pars planitis: schneeballartige periphere Ablage- ▬ Retinopathia praematurorum: Anamnese,
rungen, Vitritis, Makulaödem Lebensalter des Patienten, keine Vaskulitis
▬ Toxoplasmose: nekrotisierende zentrale Choriore-
14 tinitis, darüberliegende Vitritis, Serologie
▬ Toxocara: meist einseitig, Granulome, ELISA
▬ SLE: Allgemein und Hautsymptome, Serologie 14.1.8 Systemische Begleiterkrankungen
▬ Borreliose: Allgemeinerkrankung, Spirochäten, bei Morbus Eales
Therapie mit Tetracyclinen
Mitbetroffen sind in der Regel das Zentralnervensystem
und das vestibulo-trochleare System. Der Morbus Eales
Differentialdiagnose gegenüber ist also keine alleinige Augenkrankheit. Im Zentralner-
anderen proliferativen Netzhaut- vensystem sind folgende Pathologien beschrieben:
gefäßerkrankungen: ▬ Akute oder subakute Myelopathie
Die Differentialdiagnose gegenüber anderen proliferati- ▬ Multifokale Läsionen der weißen Substanz
ven Netzhauterkrankungen umfasst die Hämoglobinopa- ▬ Ischämische Hirninfarkte
thien wie die Sichelzellretinopathie. Die für die Sichel-
zellretinopathie typischen Lachsflecken und schwarzen Dies kann sich wie folgt manifestieren:
Sonnenflecken fehlen beim M. Eales ebenso wie die ty- ▬ Fokale neurologische Ausfälle und Demyelinisation
pischen Autoinfarzierungen der fächerförmigen Neovas- ▬ Beteiligung des peripheren vestibulären Systems mit
kularisationssegel. Der Nachweis erfolgt über eine Hämo- Schwankschwindel
globinelektrophorese. Ein Morbus Coats ist in der Regel ▬ Beidseitiger sensorischer Hörverlust
einseitig und häufig mit einer stärkeren Lipidexsudation ▬ Hemiplegie und Paraparesen
verbunden. Die Angiographie zeigt typische teleangiekta- ▬ Internukleäre Ophthalmoplegie
tisch aufgetriebene Gefäßenden. ▬ Psychosen
14.1 · Morbus Eales
347 14
Praxistipp I I Praxistipp I I
Bei Verdacht auf eine systemische Mitbeteiligung sollte Eine antiinflammatorische Therapie ist während der
in jedem Fall ein neurologischer und HNO-Fachkollege periphlebitischen Phase sinnvoll. Hierbei findet in der
zurate gezogen werden. Systemische Steroidtherapien Regel eine systemische Steroidtherapie Anwendung.
sind beschrieben.
Bedeutung der Laserbehandlung
Die Begründung für eine Laserbehandlung ist der Rück-
gang der Neovaskularisation nach disseminierter Koagu-
14.1.9 Therapeutisches Vorgehen lation der avaskulären Areale. Prophylaktische Laserbe-
handlung von fluoreszenzangiographisch gesichert isch-
Medikamentöse Therapie ämischen Arealen kann der Entwicklung neuer Gefäße
Die Entzündung der Gefäße ist der erste Schritt hin zu verbeugen. Weil die Photokoagulation in der äußeren
einer Kette von Folgen beginnend mit Gefäßverschlüs- Netzhautperipherie durchgeführt werden muss, bevor-
sen über Ischämie bis hin zu Neovaskularisationen. zugen manche Retinologen die indirekte Spiegelung, Ko-
Steroide sollen während der Phase der Entzündung agulation unter Indentation anstelle der Koagulation an
(aktive Periphlebitis) den Schaden teils beheben oder der Spaltlampe.
minimieren. In der aktiven Phase werden 2 mg/kg Pred- Wenn dichte Glaskörperblutungen den Einblick be-
nisolon systemisch empfohlen. Es ist sinnvoll, vor Be- hindern, kann eine transsklerale Diathermie oder eine
ginn einer Laserbehandlung, wenn diese indiziert ist, Kryopexie der anterioren Netzhaut Behandlungsmethode
die entzündungshemmende Wirkung der Steroide abzu- der Wahl sein. Die Laserbehandlung bleibt auf ischämische
warten. Areale beschränkt, wenn die Erkrankung lokal begrenzt ist
Bei Steroidbehandlung sind die systemischen Ne- (⊡ Abb. 14.15). Eine panretinale Laserbehandlung ist sinn-
benwirkungen zu beachten, entzündliche Allgemeiner- voll bei Neovaskularisationen des Sehnervenkopfes oder bei
krankungen müssen ausgeschlossen werden. Die syste- sehr ausgedehnten ischämischen Bereichen (⊡ Abb. 14.16).
mische Steroidtherapie sollte über 6-8 Wochen durchge- Eine Laserkoagulation kann auch in Form einer Barriere
führt werden. Triamcinoloninjektionen 0,5-1 ml (40 mg/ zur Festigung der Netzhaut an der Basis eines fibrovaskulä-
ml) unter die Tenonsche Kapsel mindern das Risiko ren Traktionsstranges durchgeführt werden (⊡ Abb. 14.17).
systemischer Nebenwirkungen. Der Gebrauch von lang- Dies kann die Entwicklung einer kombinierten Ablatio
wirksamen Depotsteroiden ist allerdings bei Steroidres- retinae verhindern, wenn ein solcher Strang kontrahiert
pondern problematisch, auch müssen solche Injektionen, und dann auch noch einen Netzhautriss verursacht. Die
besonders bei Hochmyopen, sehr sorgsam gehandhabt Barrierebehandlung sollte vor der disseminerten Laserbe-
werden. Eine intravitreale Applikation hat bislang keine handlung erfolgen, weil diese die Schrumpfung von Fibro-
weite Verbreitung gefunden. sebändern durch Verödung der darin enthaltenen Gefäße
Über den Gebrauch von Antimetaboliten wird bei fördert. Kontrollen sind in 6-monatigen Abständen zu
letzten Augen und bei zentralem Eales berichtet. Da- empfehlen, da die Größe der nicht-perfundierten Areale
bei wird Methotrexat niedrig dosiert (eine Dosis von zunehmen kann und dann zur Verhinderung von Neovas-
12,5 mg/Woche über 12 Wochen). Für eine allgemeingül- kularisation weitere Laserbehandlungen nötig werden. Bei
tigere Therapieempfehlung fehlen mehr klinische Erfah- zwischenzeitlich erneuter Symptomatik sollte der Patient
rungen und randomisierte Studien. sofort zur Nachuntersuchung kommen.
Der Gebrauch von Tuberkulostatika, wenn keine sys-
temische Tuberkulose vorliegt, ist zur Behandlung des Praxistipp I I
Morbus Eales umstritten. Vor 10 bis 15 Jahren war diese Die Lasertherapie ist zur Prophylaxe von Neovaskulari-
Therapie insbesondere in Indien noch weiter verbrei- sationen bei peripherer Ischämie unabdingbar. Es wird
tet. Die Therapie bestand aus Isoniazid (INH) 300 mg eine disseminierte Koagulation der nicht-perfundier-
und Rifampicin (RIF) 450 mg über einen Zeitraum von ten Areale durchgeführt, nur bei Papillenneovaskulari-
9 Monaten. Die Indikation ist heute beschränkt auf Pa- sationen ist eine panretinale Koagulation erforderlich
tienten mit starker exsudativer Gefäßeinscheidung, der
Ausbildung von Granulomen oder einem stark positiven
Mantoux-Test (mit Induration und Ulzeration) bei ein- Therapie mit VEGF-Inhibitoren
deutiger Präsenz eines Morbus Eales. Die tuberkulosta- VEGF-Inhibitoren sind bislang nicht zur Therapie des
tische Therapie ist weitgehend verlassen worden und in Morbus Eales zugelassen. Wenige, zumeist retrospektive
Europa und USA off label. Untersuchungen haben anhand kleiner Fallzahlen zei-
348 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

a a

b b

⊡ Abb. 14.16 a Fluoreszeinangiographie in einem Auge mit weit-


reichender Ischämie entsprechend eines vasookklusiven Schadens
bei Morbus Eales. b Vollständige Regression nach enger dissemierter
Laserkoagulation. (Aus Gadkari S 2007)

14 scheint sinnvoll, die alleinige Gabe von VEGF-Inhibito-


ren ohne eine anschließende Koagulation der peripheren
Ischämieareale kann das Voranschreiten des Geschehens
mit Proliferationen, Blutungen und der Entwicklung von
Traktionen nicht dauerhaft unterbinden.
c
Praxistipp I I
⊡ Abb. 14.15 a Spinnenförmige Neovaskularisationen in Nähe zur Anti-VEGF-Therapien können genutzt werden, um die
superotemporalen Arkade. b Leckage aus der Neovaskularisation in aktiven Neovaskularisationen zur Rückbildung zu brin-
der Fluoreszeinangiographie. c Retinale Laserbehandlung des betrof- gen, um eine ausreichende periphere Laserkoagulation
fenen Bereiches (1 Monat nach Behandlung). (Aus Gadkari S 2007)
zu gewährleisten. Sie sind ungeeignet, die periphere
Ischämie als alleinige Therapie dauerhaft zu beseitigen,
und müssen mit einer Photokoagulation verbunden
werden
gen können, dass Bevacizumab (1,25 mg) in der Lage
ist, persistierende Neovaskularisationen, die trotz einer
ausreichenden disseminierten Koagulation peripherer Vitreoretinale Chirurgie
Netzhautischämien zu wiederholten Glaskörperblutun- Die Pars-plana-Vitrektomie ist von Bedeutung bei Me-
gen führten, zur Rückbildung zu bringen. Durch die dientrübungen und bei pathologischer vitreoretinaler
schnelle Rückbildung der Glaskörperhämorrhagie war Traktion. Die pathologische Anatomie der vitreoretinalen
eine Ergänzung der Koagulation möglich. Dieser Ansatz Grenzfläche bei Morbus Eales ähnelt der anderer vaso-
14.1 · Morbus Eales
349 14
derten Operationsrisiko aber auch der Überlegung, dass
Abwarten das Risiko einer fortschreitenden Gefäßneubil-
dung in sich birgt.
Die Vitrektomie ermöglicht eine Aufklärung des Glas-
körperraumes, eine Entfernung der Glaskörperleitschiene
und der Glaskörpertraktionen und ermöglicht die An-
wendung des Endolasers zur Destruktion der peripher
ischämischen Areale.
Ohne Vitrektomie sind oft größere Bereiche der in-
ferioren Netzhaut mit dem Laser wegen Residuen von
Glaskörperblutungen nicht erreichbar. Die meisten Vit-
a rektomien bei Morbus Eales sind in der Durchführung
nicht schwierig, außer nach langem Krankheitsverlauf.
Die Weitwinkelfundusskopie erlaubt eine vollständige Vi-
trektomie mit ausgezeichnetem Einblick in die Netzhaut-
peripherie. Von besonderem Vorteil ist die Verwendung
eines beleuchteten Endolasers unter gleichzeitiger Inden-
tation. Die Endolaserkoagulation ist unbedingt anzura-
ten, insbesondere wenn mit einer intraoperativen GK-
Blutung gerechnet werden muss, nach der postoperativ
eine Laserbehandlung nicht möglich wäre (⊡ Abb. 14.18).
Bemerkenswert ist, dass intraoperativ Blutungen haupt-
sächlich im Glaskörperraum entstehen, nicht aber subre-
tinal. Bei den zumeist jungen Patienten sollte die eigene
b Linse insbesondere bei Glaskörperchirurgie in der äuße-
ren Peripherie mit besonderer Vorsicht geschont werden.
⊡ Abb. 14.17 a Fibrovaskuläres Traktionssegel mit beginnender trak- Über den Nutzen einer routinemäßig durchgeführten
tiver Abhebung (vor Behandlung). b Verankernde Behandlung an und Cerclage bei Vitrektomien bei M. Eales ist man geteilter
um die Basis des Traktionssegels. (Aus Gadkari S 2007) Meinung, bei einer traktiv-rhegmatogenen Amotio ist
eine zusätzliche Cerclage, die anders als bei der Sichelzell-
retinopathie kein erhöhtes Risiko einer Vorderabschnitt-
sischämie birgt, in der Regel anzuraten. Die Vitrektomie
proliferativer Erkrankungen und ist geprägt von fibrösen bei kombinierter traktiv-rhegmatogener Ablatio erfordert
und fibrovaskulären Proliferationen mit vielfältigen Ad- ein sorgfältiges Peeling aller trativen Membranen mit an-
häsionen zur hinteren Glaskörperrinde. schließender Gas oder Silikonöltamponade (⊡ Abb. 14.19,
In epiretinalen Membranen von Patienten mit Mor- ⊡ Abb. 14.20).
bus Eales finden sich Typ-II-Kollagen, was auf eine mög-
liche Glaskörperkollagenkomponente bei der Entstehung Praxistipp I I
einer doppelschichtigen proliferativen Membranen hin- Eine Pars-plana-Vitrektomie erlaubt die Entfernung von
deutet (Vitreoschisis). Das Verständnis der Genese die- Glaskörperblut und die intraoperative Laserkoagula-
ser doppelschichtigen Membranen hilft beim Peeling der tion der peripheren Ischämiebereiche. Bei komplexen
Schichten während der Vitrektomie. Indikationen einer traktiv-rhegmatogenen Amotio
Die Operationsindikationen der Vitrektomie sind die muss eine zusätzlich Cerclage erwogen werden sowie
gleichen wie bei anderen vitreoretinalen Erkrankungen: nach Beseitigung aller traktiven Membranen eine Tam-
▬ persistierende Glaskörperblutungen, ponade mit Gas bzw. Silikonöl
▬ Traktionsamotio mit Makulabeteiligung und
▬ kombinierte traktiv-rhegmatogene Netzhaut-
ablösungen. Ein zu langes Warten vor der Durchführung der Vitrekto-
mie (wiederholte Glaskörperblutung mit nur Lichtschein-
Während man noch vor wenigen Jahren die Spontanr- visus) ist der hauptsächliche Grund für ein schlechteres
emission einer Glaskörperblutung bis zu 6 Monate ab- postoperatives Visusergebnis. Die Langzeitergebnisse ent-
wartete, interveniert man heute schon nach 6 Wochen. sprechen in etwa den Visusergebnissen, die in den ersten
Einerseits verdankt man dies dem inzwischen gemin- postoperativen Wochen erreicht werden. Insgesamt sind
350 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

a c

b d

⊡ Abb. 14.18 a Ultraschall-B-Bild einer sich nicht auflösenden Glaskörperblutung. b Postoperative nach ppV. Frische 500 μm Laserherde. c Eine
Woche nach ppV. d Ein Monat nach ppV mit kompletter Regression der Papillenneovaskularisationen. Visus 0,5. (Aus Gadkari S 2007)

14

a b

⊡ Abb. 14.19 a Kombinierte Netzhautablösung mit Riss inferotemporal durch fibrovaskuläre Traktion. b nach ppV und Endolaser mit Silikonöl-
tamponade zeigt sich eine anliegende Netzhaut und eine Entlastung der Netzhauttraktion. (Aus Gadkari S 2007)

die Visusergebnisse gut, da die Makula bei Morbus Eales ▬ Das klinische Bild zeigt eine idiopathische Vaskulitis (Peri-
meist nicht mitbeteiligt ist. phlebitis) der Netzhaut mit ihren Folgeerscheinungen.
▬ Bei beidseitigem Auftreten in der mittleren Lebensphase
Fazit für die Praxis wird die Krankheit zu einem gewichtigen Gesundheits-
▬ Morbus Eales ist im Wesentlichen eine klinisch definierte problem in Südasien.
Erkrankung, die sich als rezidivierende Glaskörperblutung ▬ Die genaue Ätiologie ist noch ungeklärt, obwohl der Ein-
bei jungen Männern zeigt. fluss von Mycobacterium tuberculosis, sowie von oxidati-
14.2 · Augenbeteiligung bei systemischem Lupus erythematodes
351 14
14.2 Augenbeteiligung bei systemischem
Lupus erythematodes

F. Mackensen, J. T. Rosenbaum, R. Max

14.2.1 Epidemiologie und


Diagnosekriterien des systemischen
Lupus erythematodes (SLE)

Kurz zusammengefasst:
▬ Die Prävalenz des SLE in der Literatur reicht von
a 15-124 Fälle pro 100.000/Jahr
▬ Vor allem Frauen im gebärfähigen Alter erkranken
▬ Sozioökonomischer Status hat Einfluss auf Krank-
heitsverlauf und -ausgang
▬ 4 von 11 ACR (American College of Rheumatology)-
Kriterien müssen vorliegen, um eine sicher Diagnose
SLE zu stellen

Die Prävalenz des SLE in den Vereinigten Staaten reicht


von 15 bis 124 Fälle per 100.000 pro Jahr. In Europa wur-
den ähnliche Prävalenzdaten aus Schweden und Italien
berichtet, neuere Studien gehen jedoch von einer niedri-
geren Prävalenz in Europa aus. Es wurde in der Vergan-
b genheit gedacht, dass gerade bei Afroamerikanerinnen
die Erkrankung besonders stark ausbricht, aber Patienten
aus Asien oder aus Südamerika sind ähnlich schwer
betroffen. In späteren Studien wurde gezeigt, dass sozio-
ökonomische und Umwelteinflüsse sowohl den Verlauf
als auch den Ausgang der Erkrankung mitbestimmen.
Dies mag fälschlicherweise den Eindruck erweckt haben,
dass die ethnische Herkunft eine Rolle spielt. Ca. 90% der
Erkrankten sind Frauen im gebährfähigen Alter. Europä-
ische Frauen scheinen etwas später zu erkranken als US-
amerikanische, asiatische oder hispanische Frauen.
Die Diagnose SLE basiert auf klinischen und Labor-
parametern die vom American College of Rheumatology
c
(ACR) festgelegt wurden. Wenn 4 von 11 Kriterien erfüllt
sind kann die Diagnose SLE mit 98% Spezifizität und
⊡ Abb. 14.20 a Kombinierte Netzhautablösung nach Laserkoagulation
97% Sensitivität gestellt werden. Eine Augenbeteiligung
durch die Kontraktion von fibrovaskulären Segeln. b Auslösendes Fo- gehört nicht zu diesen Kriterien, die eher für den Einsatz
ramen mit fibrovaskulärer Traktion. c Wieder angelegte Netzhaut nach in klinischen Studien gedacht und daher im klinischen
ppV, Peeling, Endolaser und C3F8-Tamponade. (Aus Gadkari S 2007) Alltag nicht immer streng einsetzbar sind.
Ein wesentlicher Labormarker für die Diagnosestel-
lung sind die ANA (antinukleäre Antikörper). Bei Nach-
vem Stress und immunologischen Prozessen untersucht weis von ANA mit insbesondere homogenem Muster,
worden sind. muss die Diagnose jedoch durch weitere klinische oder la-
▬ Die Sehschärfenergebnisse nach Laserbehandlung bei borchemische Befunde gestützt werden. Hierzu gehören:
Patienten mit Neovaskularisationen und nach Vitrektomie ▬ Haut- (z.B. Schmetterlingserythem) und Schleim-
bei Glaskörperblutungen sind in der Regel gut, sofern die hautveränderungen,
Behandlung rechtzeitig erfolgt. ▬ Arthritiden, Serositis,
▬ Entsprechend der Neigung der Erkrankung zur Progres- ▬ Nierenbeteiligung und
sion sind regelmäßige Kontrollen anzuraten. ▬ Blutbildveränderungen.
352 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Weitere Allgemeinsymptome, wie z.B. Abgeschlagenheit, Es gibt nur wenige prospektive Studien bezüglich der Häu-
Fieber, Appetitlosigkeit und auch Gewichtsverlust, kön- figkeit der Augenmitbeteiligung bei SLE. Für eine Zusam-
nen zu einem schweren Krankheitsbild führen. menfassung ⊡ Tab. 14.2. In der Regel sind visusbedrohende
Die Aktivität der Erkrankung wird anhand von kli- Augenmanifestationen des SLE selten, zum Teil vielleicht
nischen und Laborparametern beurteilt. Hierzu gibt es auf Grund der inzwischen früheren Diagnosestellung und
verschiedene Maßstäbe, z.B. den Systemic Lupus Erythe- effektiveren Behandlung. Eine vermutete Uveitis bei Pa-
matosus Disease Activity Index (SLEDAI) oder European tienten mit SLE wurde vereinzelt berichtet. Eine orbitale
Consensus Lupus Activity Measurement (ECLAM). Nur Entzündung ist ebenfalls selten. Episkleritis und Skleritis
ersterer benutzt retinale Veränderungen als Aktivitäts- finden sich etwas häufiger. In einer Fallserie mit Skleri-
zeichen. tispatienten hatten 1% der Patienten einen SLE. Die Au-
genbeteiligung korreliert mit der Schwere der Erkrankung
und dem SLE-Typ. Eine Sehnervaffektion ist bei 1% der
14.2.2 Häufigkeit von Augenpathologien Patienten beschrieben, im Sinne von ischämischen (anteri-
bei SLE und ihre Auswirkung auf die ore oder posteriore Optikusneuropathien) oder entzündli-
Prognose chen Veränderungen (Papillitis oder Neuritis). Umgekehrt
hatten 4% der Patienten einer taiwanesischen Klinik, die
! Cave! sich über 18 Jahre hinweg mit einer Optikusneuritis vor-
▬ Pathologische Netzhautbefunde treten bei stellten, einen SLE. Alle Patienten waren Frauen und bei
7,5% der SLE Patienten auf im Sinne von der Mehrzahl war der SLE schon vor der Optikusneuritis
mikroangiopathischen Veränderungen mit bekannt. Extrem selten sind Hirnnervenaffektionen.
Cotton-wool-Spots. In einer Studie von Soo et al. an 52 zufällig ausgewähl-
▬ Cotton-wool-Herde und retinale Hämorrhagien ten Patienten aus Malaysia mit inaktivem SLE (SLEDAI
korrelieren mit der Krankheitsaktivität und Score ≤4) und ohne okuläre Symptome fanden sich patho-
sind ein schlechtes prognostisches Zeichen. logische Schirmer-Werte bei 31% als einzigen abnormalen
▬ SLE-Patienten mit Antiphospholipidsyndrom Untersuchungsbefund, wohingegen 50 alterskorrelierte
haben ein erhöhtes Risiko für retinale Gefäß- Kontrollprobanden normale Schirmer-Testergebnisse hat-
verschlüsse. ten. Umgekehrt fand sich bei einer Studie an Patienten mit

⊡ Tab. 14.2 Häufigkeit okulärer Mitbeteiligung bei SLE

Art der Augenbeteiligung % der SLE Patienten Anzahl der Patienten Art der Untersuchung Literatur
14 Sicca 31% 52 inaktive asiatische SLE- Vollständige Augenunter- Soo et al. 2000
Patienten suchung inklusiver Farbsinn
und Schirmer

Retinopathie 7,5% (41) 550 SLE-Patienten unter- Augenhintergrund durch Stafford-Brady


schiedlicher Aktivität den Rheumatologen unter- et al. 1998
Mikroangiopathische 34 sucht, Pathologien bestätigt
Veränderungen durch Augenarzt
Ischämische Neuropathie 2

Retinale Gefäßverschlüsse 2

Aderhautvaskulitis 1

Retinale Gefäßverschlüsse 8% (7) 87 konsekutive SLE Patienten Asherson et al.


mit erhöhten aCL-Anti- 1989
körpern

Retinale Gefäßverände- 15% (13) 82 konsekutive SLE Patienten; Vollständige Augen- Montehermo-
rungen 49% mit aktiver Erkrankung untersuchung so et al. 1999

33% Mit aPL

6% Ohne aPL

aCL Anticardiolipin, aPL Anitphospholipidsyndrom


14.2 · Augenbeteiligung bei systemischem Lupus erythematodes
353 14
trockenem Auge eine deutlich erhöhte Frequenz von Be- fasst von Riemekasten and Hahn). Gewebe wird indirekt
gleiterkrankungen, unter anderem ein SLE (OR = 3,98). durch Immunkomplexe geschädigt oder direkt durch an-
Stafford-Brady und Kollegen untersuchten 550 Pati- greifende Autoantikörper.
enten mit SLE unterschiedlichster Aktivität prospektiv Eine Anzahl klinisch unterschiedlicher Syndrome er-
auf Retinopathie über eine Zeitdauer von 16 Jahren. Sie füllen die ACR-Kriterien für SLE, hieraus lässt sich ablei-
fanden bei 41 (7,5%) Patienten retinale Pathologien, meist ten, dass sehr wahrscheinlich verschiedene pathogeneti-
mikroangipathische Veränderungen mit Cotton-wool- sche Abläufe existieren. SLE kann fast alle Organe befallen:
Spots und Hämorrhagien. Nur 2 von diesen 41 Patienten Haut, Niere, Gehirn, Herz, Lunge und auch die Augen.
stellten sich mit ischämischer Optikusneuropathie vor, Bei einzelnen Patienten finden sich funduskopisch Ein-
2 weitere mit retinalen Gefäßverschlüssen und nur ei- scheidungen um die retinalen Gefäße. Dieser Befund wird
ner mit Aderhautvaskulitis kompliziert durch eine se- meist »retinale Vaskulitis« genannt. Einscheidungen sind
röse Netzhautablösung. Diese 41 Patienten hatten eine jedoch ein unspezifisches Zeichen einer Störung der Blut-
reduzierte Überlebenszeit verglichen mit den Patienten Netzhaut-Schranke, die vielfältige Ursachen haben kann.
ohne Retinopathie. 88% der Patienten mit Retinopathie Der Begriff Vaskulitis sollte eigentlich histopathologisch
litten unter einer aktiven Systemerkrankung, mit aktivem bestätigten Fällen vorbehalten bleiben, aber diese Vorgabe
ZNS-Lupus bei 73%, Nierenbeteiligung bei 63,5% und ist unmöglich einzuhalten bei Gewebe, das nicht leicht
nachweisbarem Lupus antikoagulans bei 38%. Viele der biopsiert werden kann. Daher erscheint der klinisch be-
Patienten in dieser wertvollen Studie wurden untersucht, schreibende Begriff mikroangiopathische Retinopathie
als Anticardiolipin- oder Antiphospholipid-Antikörper oder retinale okklusive Gefäßerkrankung besser geeignet.
noch nicht routinemäßig bestimmt wurden. Fast ein Drit- Aus Tierversuchen wissen wir auch, dass bei intraokulärer
tel (27%) der Patienten mit Retinopathie hatten ebenfalls Entzündung Leukozyten aus den Gefäßen aus- und in das
leicht bis mässig erhöhte Blutdruckwerte. Leider wurde in perivaskuläre Gewebe eintreten, ohne die Wände des Blut-
der Studie nicht dokumentiert, ob die Patienten okuläre gefäßes zu verletzen. Ischämie, wie wir sie beim SLE finden,
Beschwerden angaben. Patienten, die erhöhte Cardiolipin- kann ebenfalls zu sekundären entzündlichen Veränderun-
Antikörper aufweisen (Antiphospholipidsyndrom), haben gen wie eben perivaskuläre Einscheidungen führen.
eine höhere Prävalenz retinaler Gefäßverschlüsse mit z.B. Eine systemische Vaskulitis wird üblicherweise nach
8% von 84 Patienten in einer Serie sowie Retinopathie mit den Empfehlungen der Chapel Hill Consensus Confe-
33% vs. 6% bei Patienten ohne Cardiolipinantikörper. rence diagnostiziert, wobei vor allem die Größe der be-
troffenen Gefäße beachtet wird. Eine histologische Dia-
gnose setzt zwingend den Nachweis von infiltrierenden
14.2.3 Typische pathogenetische Entzündungszellen sowie Nekrosen und/oder fibrinhal-
und molekulare Abläufe tigem Exsudat in der Gefässwand voraus. Patienten mit
SLE können eine sekundäre Vaskulitis entwickeln, die
! Cave! vermutlich vorwiegend auf Ablagerungen von Immun-
Retinale Vaskulitis ist ein missverständlicher komplexen zurückzuführen ist. Dies ist jedoch eine sel-
Begriff, der von den Disziplinen unterschiedlich tene Komplikation. Häufiger treten Thrombosen und/
verstanden wird: Internisten fordern die histolo- oder Endothelschäden sowie atherosklerotische Ver-
gische Diagnose. Es gibt nur wenige Fallberichte änderungen als vaskuläre systemische Beteiligung auf.
über Post-mortem-Befunde der Augen von SLE- Zusätzlich muss der gefäßschädigende Einfluss einer
Patienten. Diese zeigten vorwiegend Gefäßver- sekundären Hypertension bei Nierenbeteiligung mitbe-
schlüsse, keine Vaskulitis. rücksichtigt werden. Bei Mäusen mit einem Lupus-like-
Syndrom zeigte sich, dass Immunkomplexablagerungen
Die Vielfalt an Autoantikörpern, die sich beim SLE fin- nicht-entzündliche Gefäßläsionen verursachen.
den, deutet doch sehr auf eine Autoimmunerkrankung Histopathologische Untersuchungen von betroffenen
hin. Auch wenn die Mechanismen noch nicht komplett Augen sind naturgemäß selten, da es schwierig ist, eine
verstanden werden, ist eine mögliche Erklärung für den Biopsie durchzuführen, und die geringe Information, die
Verlust der Toleranz gegenüber Autoantigenen beim SLE wir haben, stammt von Post-mortem-Untersuchungen. Es
ein Zusammentreffen von Infektion als Stimulus und ein wurden weniger als 10 Fälle publiziert, welche thrombo-
genetisch empfänglicher Organismus und damit einher- sierte Arteriolen aufwiesen, aber bisher keine aktive Vas-
gehende Aktivierung und Vermehrung von autoreakti- kulitis oder Entzündungszellansammlungen in der Retina
ven T- und B-Zellen. Untersuchungen an Mäusen und zeigten. Einige Autoren beschrieben jedoch Zellinfiltrate
Menschen haben vielfältige Beteiligungen des zellulären sowie Vaskulitis innerhalb der Choroidea und anderen
und humoralen Immunsystems aufgezeigt (zusammenge- gelang der Nachweis von Immunkomplexablagerungen
354 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

in den Aderhautgefässen. Ähnliche Veränderungen fan-


den sich in Gehirnbiopsaten von SLE-Patienten.

14.2.4 SLE-assoziierte Retinopathie:


klinisches Bild und Verlauf

Fallbericht
Eine 18-jährige Patientin stellte sich notfallmäßig in der
Ambulanz der Augenklinik vor. Sie beklagte eine seit 2 Ta-
gen bestehende, plötzlich eintretende Sehverschlechterung
beider Augen, jedoch links mehr als rechts. Allgemein a
berichtete sie seit 5 Wochen immer wieder unklare Fie-
berschübe zu haben, offene Stellen im Mund und mehrere
vergrößerte Lymphknoten. Ein Lymphknoten sei biopsiert
worden und habe das Bild einer unspezifische Entzün-
dung gezeigt. Schon seit längerem wäre im Labor eine
Panzytopenie bekannt, die auf eine EBV-Reaktivierung
zurückgeführt wurde. Als einziges Medikament nimmt sie
Roxythromycin ein. Die Sehschärfe beträgt 0,63 und 0,3.
Augeninnendruck im Normbereich. Die Spaltlampenun-
tersuchung der vorderen Augenabschnitte war unauffällig.
Am Augenhintergrund findet sich beidseits eine dezente
Papillenprominenz und ein einzelner Cotton-wool-Spot
an der linken Papille neben einer intraretinalen Einblu-
b
tung. Der Blutdruck lag bei 140/85. Ein MRT von Gehirn
und Orbitae war normal bis auf leichte Kontrastmittelan- ⊡ Abb. 14.21 a rechtes und b linkes Auge der Patientin 3 Wochen
reicherung im Orbitalen Fettgewebe. Eine Fluoreszeinan- nach Erstvorstellung. Mehrere Cotton-wool-Spots sind sichtbar sowie
giographie wurde nicht durchgeführt. eine in Rückbildung begriffene intraretinale Hämorrhagie die einen
Diskutierte Differentialdiagnosen: sogenannten »Roth-Spot« bildet (Pfeil)
▬ Hypertensive Retinopathie
▬ SLE-assoziierte Retinopathie
14 ▬ Leukämische Retinopathie wool-Spots und kleine intraretinale Hämorrhagien, das
▬ Infektion bei immunkomprimiertem Patient rechte Auge zeigte nur wenige kleine Cotton-wool-Spots
▬ Bilaterale Papillitis (⊡ Abb. 14.21). Drei Monate später war der Visus weiter-
▬ Choriodale Vaskulitis hin 1,0 beidseits und die Netzhautveränderungen hatten
▬ Entzündliche Orbitaerkrankung sich weiter zurückgebildet, wobei einzelne Cotton-wool-
Spots weiterhin sichtbar waren und eine retinale Hä-
Die Patientin wurde mit Verdacht auf SLE an die Rheu- morrhagie in Rückbildung, manchmal auch »Roth-Spot«
matologie überwiesen. Dieser Verdacht wurde gestärkt genannt, bestand. Die letzten Bilder wurden 6 Monate
durch hochpositive ANA (Titer 1: 20 000), positive ds nach der Erstvorstellung aufgenommen. Die Fundusver-
(»double stranded«) DNA-Ak und herabgesetztes Kom- änderungen haben sich komplett zurückgebildet. Wei-
plement. Es fand sich nun eine Proteinurie und eine tere Kontrollen wurden alle 3 Monate durchgeführt. Von
daraufhin durchgeführte Nierenbiopsie ergab eine aktive Seiten der Augen traten keine Beschwerden mehr auf,
Glomerulonephritis. aber die Proteinurie nahm zu, nachdem Azathioprin im
Mit oralen Aphthen, Nephritis, Panzytopenie, posi- Anschluss an die Cyclophosphamidbehandlung gegeben
tiven dsDNA und hohem ANA-Titer, erfüllte sie 5 der wurde, woraufhin 15-Deoxyspergualin gegeben wurde.
11 ACR-Kriterien für einen SLE. Eine Behandlung mit Deoxyspergualin (NKT-01) hat sowohl in vitro wie
hochdosierten Kortikosteroiden und intravenösen Ga- in vivo eine immunosuppressive Wirkung auf B-, T-
ben von Cyclophosphamid wurde begonnen. Die Augen Lymphozyten und Makrophagen/Monozytenfunktion
sprachen rasch an und die Sehschärfe erholte sich. Drei und wurde in einer Open-label-, Multizenter-Phase-I/
Wochen später betrug der Visus 1,0 auf beiden Au- II-Pilotstudie an Patienten mit SLE-Nephritis getestet. Es
gen. Im linken Auge fanden sich noch einzelne Cotton- zeigte ermutigende Ergebnisse in einer Fallserie und hat
14.2 · Augenbeteiligung bei systemischem Lupus erythematodes
355 14
den Vorteil gegenüber Cyclophosphamid, dass es nicht Bei jüngeren Patienten ohne Gefäßrisikofaktoren mit
fertilitätsbeinträchtigend ist. retinalen Gefäßverschlüssen sollten Cardiolipin-Antikör-
Unsere Patientin sprach gut auf die Behandlung an, per und Lupus anticoagulans bestimmt werden, da diese
aber etwa 1 Jahr später hatte sie einen erneuten Nephri- Patienten ein erhöhtes Risko für ein Antiphospholipid-
tisschub und bekam Rituximab. Antikörper-Syndrom haben.
Zu Beginn standen bei dieser Patientin diverse Diffe-
rentialdiagnosen zur Diskussion, die aber rasch anhand
des klinischen Bildes und dann auf Grund des Verlaufs 14.2.5 Behandlungsempfehlungen,
ausgeschlossen werden konnten. Hypertension, Leukä- Untersuchungsintervalle
mie, und Infektion wurden diskutiert, passten aber nicht und Empfehlungen für
zur Klinik. Als Möglichkeiten blieben SLE-assoziierte Re- Augenroutineuntersuchungen
tinopathie, Optikopathie und/oder choroidale Vaskulitis. bei SLE-Patienten
Eine Angiographie hätte helfen können, zwischen diesen
Optionen zu entscheiden, wurde aber auf Grund der not- ! Cave!
fallmäßigen Vorstellung und der Dringlichkeit der Thera- ▬ In aller Regel kann die Augenmitbeteiligung
pieeinleitung, die für jede der drei Differentialdiagnosen im Kontext der Systemerkrankung mitbehan-
empirisch passend war, nicht durchgeführt. delt werden.
▬ Ausnahme sind Patienten mit Antiphospholi-
Schlussfolgerungen für die Klinik pid-Antikörper-Syndrom, das mit Antikoagu-
Es ist wahrscheinlicher, dass ein Patient, der sich beim lanzien behandelt wird.
Augenarzt mit Beschwerden vorstellt, bereits einen be-
kannten SLE hat. Daraus folgt, dass ein Augenarzt nur in SLE ist eine lebenslange Erkrankung mit Phasen un-
Ausnahmefällen die Diagnose stellt. Wichtiger ist in die- terschiedlicher Aktivität. Die Augenmitbeteiligung beim
sen Fällen die Kommunikation mit dem behandelnden SLE ist meist ein Hinweis auf Krankheitsaktivität und ein
Rheumatologen und Diskussion der Therapierelevanz. schlechtes prognostisches Zeichen. Die Patienten sollten
Bei verdächtigen Befunden am Auge wie mikroangi- an einen Rheumatologen oder Nephrologen verwiesen
opathischer Retinopathie, retinalen vaso-okklusive Ereig- werden und im Zusammenhang mit der Systemerkran-
nissen oder Neuropathie als eventuelle Erstmanifestation kung behandelt werden.
eines SLEs, empfiehlt sich eine ausführliche Anamnese, Eine Kombination von hochdosierten Kortikosteroi-
in der detailliert nach Symptomen wie den und intravenös verabreichtem Cyclophosphamid wird
▬ Müdigkeit, bei schweren Fällen eingesetzt. Diese Therapie führt bei
▬ Appetitlosigkeit, einem höheren Prozentsatz der Patienten zur Remission
▬ Fieber, als Prednison alleine. Meist wird Cyclophosphamid über
▬ Gewichtverlust, 6 Monate gegeben, um eine Remission zu induzieren,
▬ Pleuraschmerzen, danach wird eine Erhaltungstherapie mit einem weiteren
▬ Hautauschlägen, Immunsuppressivum, z.B. Azathioprin-Mycophenolsäure,
▬ Schleimhautveränderungen oder Hydroxychloroquine oder Methotrexat eingesetzt. Leich-
▬ Arthritis tere und moderate Fälle können auch direkt mit einem
gefragt wird. Sofern sich hier weitere Hinweise für eine Basistherapeutikum behandelt werden. Ziel der Therapie
Systemerkrankung finden, sollten Laboruntersuchungen ist möglichst schnell eine Remission zu induzieren, be-
durchgeführt werden. ANAs sind der beste Screening- vor irreversible Organschädigungen eingetreten sind, und
Test für SLE. Sie sollten jedoch nur bestimmt werden, so- dennoch möglichst wenig Toxizität in Kauf zu nehmen.
fern ein hinreichend starker klinischer Verdacht besteht Rituximab hat sich in Fallserien von mehr als 180 Pa-
und somit eine akzeptabel hohe Prätest-Wahrscheinlich- tienten mit schwerer Erkrankung als wirksam erwiesen,
keit eines positiven Ergebnisses besteht. konnte jedoch in einer klinischen Studie mit moderat bis
ANAs haben eine Sensitivität von etwa 97% für SLE, schwer erkrankten SLE-Patienten diesen Effekt nicht so
sodass ein negativer Test sehr hilfreich ist, SLE als Dif- eindeutig zeigen. Weitere Medikamente in der klinischen
ferentialdiagnose auszuschließen. Positive ANAs finden Erprobung sind Deoxyspergualin und Belimumab.
sich jedoch in niedrigeren Titern bei gesunden Perso- Diese systemischen Therapieansätze sind ebenfalls
nen, mit zunehmendem Alter mit steigender Häufigkeit. geeignet zur Behandlung der SLE-assoziierten Retino-
Ebenso finden sich ANAs bei Patienten mit juveniler pathie. Bei Vorliegen einer Sehnervenaffektion sollte
Arthritis und Uveitis und bei Patienten mit anderen Kol- ein Antiphospholipid-Syndrom ausgeschlossen werden.
lagenoseformen (z.B.Sjögren Syndrom). Wenn davon ausgegangen werden kann, dass eine ent-
356 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

a b

⊡ Abb. 14.22 a Rechtes und b linkes Auge 6 Monate nach Erstvorstellung. Alle mikroangiopathischen Veränderungen haben sich unter der
systemischen Therapie zurückgebildet

zündliche und keine thrombotische Genese vorliegt, soll- Gesichtsfelduntersuchung und ERG können frühzeitig
ten baldmöglichst hoch dosierte Kortikosteroide und/ Funktionsstörungen aufzeigen, sind aber auch durch
oder Cyclophosphamid intravenös gegeben werden. Bei andere Augenerkrankungen wie AMD, SLE assoziierte
Patienten mit Anitiphospholipid-Syndrom ohne Zeichen Retinopathie, Sicca oder Medientrübungen beeinflusst.
einer Entzündung ist eine Antikoagulation ausreichend. Somit ist auf eine gute Benetzung zu achten und ggfs.
Bei Patienten mit Retinopathie sollten in regelmäßi- mit künstlichen Tränen zu substituieren um verlässliche
gen Abständen Augenuntersuchungen durchgeführt wer- Ergebnisse der Untersuchungen zu erzielen. Nur im Falle
den, um das Ansprechen der Behandlung zu überprüfen. eines eindeutigen Hinweises auf retinale Toxizität sollte
Die Entwicklung der Sehschärfe in diesen Patienten ist im Gespräch mit dem Internisten eine alternative Thera-
in aller Regel positiv. Ein Screening aller SLE-Patienten pieoption gesucht werden (⊡ Abb. 14.12).
ist nicht gerechtfertigt, da visusbedrohende Augenmitbe-
teiligungen selten sind. Die BVA-Empfehlungen für Au- Fazit für die Praxis
genuntersuchungen jeder Altersgruppe sind ausreichend. ▬ Sicca ist die häufigste okuläre Mitbeteiligung beim SLE.
In der kleinen Untergruppe der Patienten mit Antiphos- ▬ Während Sicca eine häufige Komplikation aller rheuma-
pholipid-Syndrom können regelmäßige Fundusuntersu- tologischer Erkrankungen ist, finden sich bei 7-8% der
14 chungen sinnvoll sein, da überlegt werden kann im Falle Patienten mit SLE-Retinopathien mit Cotton-wool-Spots
von geringeren Gefäßverschlüssen eine Antikoagulation und intraretinalen Hämorrhagien; dies ist untypisch für
zu beginnen. Allerdings gibt es für diesen Ansatz keine andere rheumtische Erkrankungen
bekräftigenden Studien. ▬ Eine SLE-assoziierte Retinopathe ist ein Hinweis auf Akti-
Bei Patienten, die mit Chloroquin (Resochin) oder vität der Erkrankung und ein schlechter prognostischer
Hydroxychloroquin (Quensyl) behandelt werden, sollten Faktor.
eine Basisuntersuchung und Folgeuntersuchungen ent- ▬ Prinzipiell ist nicht jede Augenmitbeteiligung bei SLE
sprechend der Dauer und kumulativen Dosis durchge- entzündlich bedingt: Infektionen, Thrombosen (z.B. auf
führt werden. Chloroquin wird auf Grund der höheren Grund von Antiphospholipid-Antikörpern) und Toxizität
Toxizitätsrate nur noch in Ausnahmefällen benutzt. Bei der Medikamente müssen differentialdiagnostisch be-
Hydroxychloroquingabe liegt die Häufigkeit einer Ma- dacht werden.
kulopathie bei lediglich 0,65%, sie steigt jedoch nach ▬ Screening aller SLE-Patienten auf Augenmitbeteiligung
7 Jahren Therapie und einer kumulativen Dosis über ist nicht gerechtfertigt; Untersuchungsintervalle, wie für
1.000 g leicht an. Dennoch beendeten 7,5% der Patienten die gesunde Bevölkerung gleichen Alters, sollten einge-
in einer Studie von Wolfe und Marmor auf Anraten ih- halten werden.
res behandelnden Augenarztes die Therapie, auch wenn ▬ Patienten mit bekannter SLE-Retinopathie oder unter
keine eindeutigen Netzhautveränderungen vorlagen. Das Hydroxychloroquin-Behandlung sollten ggfs. engmaschi-
typische Bild der Schießscheibenmakula ist eindeutiges ger beobachtet werden. Das Risiko für eine Hydroxychlo-
Zeichen der retinalen Toxizität. Leider kann diese wenn roquinmakulopathie ist jedoch unter einer Therapiedauer
eingetreten auch nach Absetzen der Medikation noch von 7 Jahren und/oder kumultaiven Dosis von 1.000 g
voranschreiten. Andere funktionelle Tests wie Farbsinn, extrem gering.
14.3 · Morbus Behçet
357 14
14.3 Morbus Behçet denstraße vom Mittelmeerraum bis nach Ostasien ist die
Erkrankung endemisch. Sie findet sich am häufigsten in
C. Deuter, I. Kötter, N. Stübiger, M. Zierhut asiatischen und europäischen Populationen in einer Re-
gion zwischen 30. und 45. nördlichem Breitengrad. Diese
Die okklusive retinale Vaskulitis bei Morbus Behçet ge- geographische Verteilung sowie der Befall bestimmter
hörte bislang zu den intraokulären Entzündungen mit der ethnischer Gruppen deuten darauf hin, dass der Transfer
schlechtesten Langzeitprognose. Erst durch die Therapie genetischen Materials und/oder eines exogenen Agens
mit sogenannten Biologica, neuartigen hocheffektiven an- für die Ausbreitung der Erkrankung verantwortlich sein
tientzündlichen Substanzen, kann bei einem großen Teil könnte.
der Patienten der Krankheitsverlauf günstig beeinflusst Die Prävalenz der Erkrankung variiert je nach geo-
und somit ein gutes Sehvermögen langfristig erhalten graphischer Region stark (⊡ Tab. 14.4). Einzelne oder we-
werden. In dem folgenden Kapitel sollen jedoch neben nige Fälle von M. Behçet wurden auf allen Kontinenten
der Augenbeteiligung bei M. Behçet auch Epidemiologie, beschrieben, die höchste Prävalenz findet sich jedoch bei
aktuelle Vorstellungen zur Pathophysiologie sowie extra- Türken, die in Anatolien (Nordosten der Türkei) leben,
okuläre Manifestationen dieser Systemerkrankung näher mit 370 Patienten pro 100.000 Einwohnern. In Asien
betrachtet werden. variiert die Prävalenz zwischen 18 und 110 Patienten
pro 100.000 Einwohnern. Die Prävalenz in Südeuropa,
insbesondere in den Mittelmeerländern, beträgt 1,53
14.3.1 Definition und Epidemiologie bis 7,50 Patienten pro 100.000 Einwohner; in Nordeu-
ropa und in den USA wurde die höchste Prävalenz mit
Definition 1,18 Patienten in der schwedischen Population gefunden.
Der M. Behçet ist eine systemische Vaskulitis. Somit kann Interessanterweise zeigten Daten aus Deutschland eine
nahezu jedes Organsystem betroffen sein. Die Diagnose Prävalenz von 20,75 pro 100.000 Einwohnern bei Pati-
des M. Behçet stützt sich in der Regel auf die Kriterien enten türkischer Abstammung im Vergleich zu lediglich
der Internationalen Studiengruppe aus dem Jahr 1990 0,42 pro 100.000 Einwohnern bei Patienten deutscher
(⊡ Tab. 14.3). Herkunft.
Daten über die Inzidenz des M. Behçet sind nur aus
Epidemiologie wenigen Ländern verfügbar. Aus Japan, wo ein gut or-
Der M. Behçet wurde weltweit in zahlreichen Ländern ganisiertes Register für Patienten mit M. Behçet exis-
beschrieben. Insbesondere entlang der historischen Sei- tiert, wird berichtet, dass im Jahr 1990 0,8 neue Fälle

⊡ Tab. 14.3 Kriterien der Internationalen Studiengruppe von ⊡ Tab. 14.4 Prävalenz des Morbus Behçet in verschiedenen
1990 Populationen

Rezidivierende Kleine oder große aphthöse oder herpeti- Population Jahr der Prävalenz pro
orale Aphthen forme Ulzerationen; mindestens 3 Rezidive Studie 100.000 Einwohner
innerhalb von 12 Monaten
Türkisch (Nordöstliches 1987 370
PLUS 2 der folgenden Kriterien Anatolien)

Rezidivierende Aphthöse Ulzerationen oder Narben Chinesisch (Provinz Ning- 1998 120
genitale Ulzera xiahei)

Augen- Anteriore Uveitis, posteriore Uveitis oder Japanisch (Region 1997 22


veränderungen Glaskörperzellen bei der Spaltlampenun- Hokkaido)
tersuchung oder retinale Vaskulitis, beo-
bachtet von einem Ophthalmologen Spanisch (Norden) 1998 7,50

Hautverände- Erythema nodosum, Pseudofollikulitis Griechisch 1984 6,00


rungen oder Papulopusteln oder akneartige Pa-
Italienisch 1988 2,50
peln bei postadoleszenten Patienten ohne
Steroidbehandlung Schwedisch 1993 1,18
Positiver Intrakutaner Stich mit einer 21-G-Kanüle Deutsch 1994 0,55
Pathergietest auf der Innenseite des Unterarms, abgele-
sen durch einen Arzt nach 24-48 h US-Amerikanisch 1979 0,12
358 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

pro 100.000 Einwohner diagnostiziert wurden. Aktuell eine sehr lockere Assoziation mit Peptiden aufweist und
wird in Japan jedoch eine Abnahme der Häufigkeit des im Vergleich zu anderen HLA-B51-Suballelen viele Pep-
M. Behçet beobachtet. tide mit niedriger Affinität bindet. All dies könnte eine
Das durchschnittliche Alter bei Erstmanifestation der Aktivierung des Immunsystems über CD8+-T-Zellen
Erkrankung wird weltweit mit 25 bis 35 Jahren beschrie- begünstigen.
ben; dieses scheint von der Abstammung und dem Ge- Der M. Behçet ist eine TH1-vermittelte Erkrankung,
schlecht der Patienten abzuhängen. Variierende Angaben es sind vor allem TNFα, IL-6 und IL-8 im Serum und
innerhalb von Studien sind vermutlich auf unterschiedli- intraläsional erhöht. Kürzlich wurde eine Erhöhung von
che Definitionen zurückzuführen. Die meisten Autoren IL-23 beschrieben, die möglicherweise durch einen gene-
setzen den Beginn der Erkrankung mit dem Alter gleich, tischen Polymorphismus im IL-23-Rezeptor-Gen bedingt
in dem der Patient die Diagnosekriterien der Erkrankung ist, welche bei Patienten mit Morbus Behçet gehäuft
erfüllt, während für andere Autoren das Auftreten des vorkommt.
ersten Symptoms die Erstmanifestation des M. Behçet Darüber hinaus scheinen bestimmte Varianten des
markiert. IL-10-Genlokus für M. Behçet zu prädisponieren. Of-
Bezüglich Geschlechtsverteilung des M. Behçet fan- fenbar sind diese Varianten mit einer verminderten Ex-
den japanische und türkische Berichte eine Prädominanz pression des antiinflammatorischen Zytokins IL-10 as-
von Männern zu Frauen von 3:1, jedoch zeigen aktuelle soziiert, was die Entstehung des M. Behçet begünstigen
epidemiologische Untersuchungen ein in etwa ausgegli- könnte.
chenes Geschlechtsverhältnis. In letzter Zeit wird zunehmend diskutiert, der Mor-
bus Behçet könnte eine autoinflammatorische Erkran-
kung (wie zum Beispiel das familiäre Mittelmeerfieber)
14.3.2 Pathophysiologie sein. Hierzu fehlen jedoch bislang noch Beweise wie eine
klassische genetische Assoziation oder regelhaft vorhan-
Der Morbus Behçet ist vermutlich keine klassische Auto- dene Fieberschübe und/oder serologische Entzündungs-
immunerkrankung. Es sind keine typischen Autoantikör- parameter.
per nachweisbar, jedoch Anti-Endothel-Antikörper, HSP- Störungen der angeborenen Immunität werden
60-Antikörper und Tropomyosin-Antikörper, die mög- ebenfalls als ursächlich diskutiert, und hierfür mehren
licherweise »innocent bystander« darstellen. Es besteht sich in letzter Zeit die Hinweise. So können T-Lym-
keine für Autoimmunerkrankungen typische Assoziation phozyten der Patienten mit Peptiden aus Hitze-Schock-
mit HLA-Klasse-II-Antigenen, keine Übertragbarkeit Proteinen aktiviert werden, ebenso mit Peptiden aus
durch Serum in Tiermodellen und keine lymphozytäre bestimmten Bakterienstämmen (meist Streptokokkus
Organinfiltration (bei M. Behçet werden überwiegend sanguis). γ-δ-T-Zellen sind bei den Patienten mit akti-
14 Granulozyten gefunden). ver Erkrankung vermehrt nachweisbar. NK-Zellen sind
Der Anteil genetischer Faktoren an der Pathogenese quantitativ vermehrt, aber vermindert aktiv. Neutrophile
der Erkrankung wird auf 19% geschätzt. Untersuchungen Granulozyten sind hyperaktiv. Dies scheint neben Zyto-
hinsichtlich eines »single nucleotide polymorphism«, vor kineinflüssen (IL-8) auch auf der HLA-B51-Positivität
allem bezüglich Zytokingenen (unter anderem TNF α, zu beruhen. HLA-B51-transgene Ratten weisen eben-
CTLA4, ICAM1), führten zu sehr unterschiedlichen Er- falls eine Hyperaktivität neutrophiler Granulozyten auf.
gebnissen, was möglicherweise an den für genetische Stu- Mannose-bindendes Lektin ist reduziert, was wiederum
dien relativ kleinen Fallzahlen liegt. Vor kurzem konnte zu einer verminderten Neutrophilen Clearance und Bak-
der Suszeptibilitätslokus eingegrenzt werden: 6p22-p23, terienelimination führt.
17 cM telomerisch zu HLA-B*51-Lokus (Kopplungs- Daneben bestehen Hinweise dafür, dass bestimmte
Studie in 28 »multicase« türkischen Familien mit hoch Umweltfaktoren Reaktionen des unspezifischen Im-
polymorphen Mikrosattelitenmarkern). Der stärkste ge- munsystems triggern können. So tritt in der Türkei der
netische Faktor ist das HLA-B51. Dieses HLA-Klasse- M. Behçet gehäuft in Familien mit niedrigem sozialem
I-Antigen ist aus verschiedener Hinsicht interessant: so Status auf; es besteht eine Assoziation mit Karies und
sind nur bestimmte Suballele (von insgesamt mehr als stattgehabten Tonsillitiden, und die bisher für steril ge-
26) mit der Erkrankung assoziiert, nämlich HLA-B51*01 haltenen aphthösen Ulzera und Papulopusteln sind bei
und *08. Diese unterscheiden sich von den nicht assozi- genauer Betrachtung doch nicht steril – es können vor
ierten in 2 Aminosäuren an der Antigenbindungsstelle, allem typische Aknebakterien mittels kultureller Anzüch-
sodass die Veränderung dieser Aminosäuren auch die tung nachgewiesen werden.
Affinität zum gebundenen Antigen verändert. Außer- ⊡ Abb. 14.23 fasst die derzeitigen Vorstellungen zur
dem konnte kürzlich gezeigt werden, dass HLA-B51*01 Pathogenese des M. Behçet zusammen.
14.3 · Morbus Behçet
359 14
HLA-B51 ca. 19%
APC Multiple bakterielle Ag
IPP, PPP
IL-12 HSP

Monozyt CD40 TCR-Abnormale Signalgebung


(HLA-B*51x?)

CD154 T Zell Hypersensitivität


IL-8, IL-17
TNF-a TNF-a Th1 dominante
IFNg IFNg Antwort
TNF-a
IL-8
Neutrophilen Aktivierung
⊡ Abb. 14.23 Pathogenese des M. Behçet. APC Anti-
gen-präsentierende Zelle, IL Interleukin, IFN Interferon,
HSP Hitze-Schock-Protein, IPP Isoprenylpyrophosphat,
PPP Prenylpyrophosphat, TCR T-Zell-Rezeptor, TNF
Gewebsverletzung Tumor-Nekrose-Faktor

14.3.3 Krankheitsverlauf ⊡ Tab. 14.5 Extraokuläre Manifestationen bei M. Behçet und


ihre Häufigkeit
Extraokuläre Manifestationen
Manifestation Häufigkeit
Obwohl der M. Behçet als systemische Vaskulitis nahezu
Orale Aphthen 90-100%
alle Organsysteme betreffen kann, stellen die Schleim-
häute, die Haut sowie die Augen bevorzugte Manifesta- Genitale Ulzerationen 60-80%
tionsgebiete dar. Einen Überblick über die extraokulären Hautläsionen 41-94%
Manifestationen sowie deren Häufigkeit bei Patienten mit
Pathergiephänomen 19-53%
M. Behçet bietet ⊡ Tab. 14.5.
Skelettsystem 47-69%
Praxistipp I I Gastrointestinaltrakt 3-30%

Hauptsymptom des M. Behçet sind orale Aphthen, von Nervensystem 8-31%


denen nahezu alle Patienten betroffen sind. Gefäße 28%
Im Gegensatz zu habituellen Aphthen treten die Ulze-
Herz 1-6%
rationen bei M. Behçet an ungewöhnlichen Stellen (z.B.
unter der Zunge, harter und weicher Gaumen, Rachen Urogenitaltrakt 4-31%
und Kehlkopf ) auf, benötigen lange (zwei Wochen) Niere <1%
bis zur Abheilung, rezidivieren häufig und sind sehr
schmerzhaft.

erosiv (d.h. in Röntgenaufnahmen gewöhnlich nicht zu


Genitale Ulzerationen und Hautläsionen sind ebenfalls sehen). Gastrointestinale, neurologische sowie vaskuläre
häufig bei M. Behçet. Letztere können als Papulopus- (Thrombosen und arterielle Aneurysmata) sind weniger
teln, akneiforme Pseudofollikulitis, Erythema nodosum häufige, jedoch potentiell sehr schwerwiegende Manifes-
oder als oberflächliche Thrombophlebitis imponieren. tationen des M. Behçet. Selten findet sich eine kardiale
Eine Hypersensitivität der Haut zeigt sich im sogenann- (z.B. Perikarditis), urogenitale (meist Epididymitis) oder
ten Pathergie-Phänomen: 24 bis 48 Stunden nach einem renale Beteiligung. Die Lebenserwartung kann insbeson-
intrakutanen Stich mit einer 21-G-Nadel entwickelt sich dere bei jungen männlichen Patienten, welche zu einem
eine sterile Papulopustel. Im Falle einer Mitbeteiligung schwereren Krankheitsverlauf tendieren, verkürzt sein.
des Skelettsystems präsentiert sich die Arthritis zumeist Die Mitbeteiligung des ZNS, arterielle Aneurysmata so-
oligoartikulär (weniger als 5 Gelenke betroffen), asym- wie die gastrointestinale Beteiligung stellen die lebensbe-
metrisch, befällt die unteren Extremitäten und ist nicht drohlichsten Manifestationen des M. Behçet dar.
360 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Okuläre Manifestationen
Die Augenbeteiligung bei M. Behçet gehört aufgrund ihrer
bislang schlechten Visusprognose zu den bedrohlichsten
Manifestationen. Sie ist charakterisiert durch eine rezidi-
vierende, nichtgranulomatöse Uveitis mit nekrotisieren-
der obliterativer retinaler Vaskulitis. Die Häufigkeit oku-
lärer Veränderungen wird mit 85-93% bei Männern und
67-73% bei Frauen angegeben. Mehrere Studien deuten auf
einen schwereren Krankheitsverlauf bei Männern hin.
Die ersten Anzeichen einer Uveitis treten durch-
schnittlich 4 Jahre nach Erstmanifestation des M. Behçet
auf, können bei 10-20% der Patienten jedoch auch dessen
Erstsymptom sein.
Zu Beginn ist die Augenbeteiligung bei 50-87% der
Patienten einseitig und betrifft die vordere Uvea, aber im
⊡ Abb. 14.24 Okklusive retinale Vaskulitis
Laufe der Zeit weisen 75% der Patienten eine beidseitige
Panuveitis mit chronisch-rezidivierendem Verlauf auf.

Veränderungen des vorderen


Augenabschnittes
Eine ausschließlich anteriore Uveitis weisen weniger als 20%
der Patienten mit Augenbeteiligung auf. An deren Beginn
steht zwar häufig eine anteriore Uveitis, jedoch folgt dann
zumeist bald die Einbeziehung des hinteren Augenabschnit-
tes. Als klassischer Befund wird in der Literatur die Hypo-
pyon-Iritis beschrieben. Vermutlich aufgrund einer früher
einsetzenden und aggressiveren anti-entzündlichen Thera-
pie wird diese heute jedoch nur noch selten beobachtet.
Konjunktivitis, trockenes Auge, Episkleritis, Skleritis,
Keratitis mit und ohne Hornhautulzeration, Lidverände-
rungen sowie Paresen der äußeren Augenmuskeln kom-
men bei M. Behçet nur selten vor.
14 ⊡ Abb. 14.25 Endstadium einer okklusiven retinalen Vaskulitis
Veränderungen des hinteren
Augenabschnittes
Eine zellige Glaskörperinfiltration findet sich häufig bei Als Folge der Vaskulitis kann es zur retinalen Ischä-
einer entzündlichen Beteiligung des hinteren Augenab- mie mit daraus resultierenden Neovaskularisationen der
schnittes, eine isolierte Vitritis im Sinne einer interme- Netzhaut oder des Sehnervenkopfes kommen. Dies kann
diären Uveitis ist jedoch nicht charakteristisch für den zu Einblutungen in den Glaskörper sowie in der Folge
M. Behçet. Typisch hingegen ist eine okklusive, retina- zur Induktion von Membranen und schließlich zur Netz-
le Vaskulitis, welche sowohl Arteriolen als auch Venen hautablösung führen. Das zystoide Makulaödem stellt
betrifft. Funduskopisch imponieren okkludierte retina- ebenfalls eine häufige Komplikation der intraokulären
le Gefäße, weißlich-gelbe Infiltrate sowie Blutungen der Entzündung bei M Behçet dar.
Netzhaut (⊡ Abb. 14.24). Bei mindestens einem Viertel der Ein gräulich gefärbter, ischämischer Augenhinter-
Patienten ist der Sehnervenkopf in Form einer Papillitis grund mit langstreckigen Gefäßverschlüssen sowie ein
(Hyperämie und Randblutungen der Papille) mitbetrof- blasser, atropher Sehnervenkopf stellen typische, irreversi-
fen. Ein Papillenödem ist nicht häufig, kann jedoch im ble Spätfolgen der retinalen Ischämie dar (⊡ Abb. 14.25).
Rahmen einer Mikrovaskulitis der Arteriolen auftreten.

Komplikationen 14.3.4 Diagnostik


Mögliche Komplikationen der anterioren Uveitis bein-
halten vordere und hintere Synechien, Sekundärglaukom Die Diagnostik des okulären M. Behçet basiert normaler-
und Katarakt. weise auf klinischen Beobachtungen mittels Spaltlampen-
14.3 · Morbus Behçet
361 14
untersuchung und Funduskopie. Jedoch können zusätzliche Ansatz, die Visusprognose des okulären M. Behçet deut-
Untersuchungen wie Fluoreszenzangiographie, optische lich zu verbessern.
Kohärenztomographie (OCT) sowie Elektrophysiologie Im Folgenden soll die Therapie des okulären M. Behçet
hilfreich sein, weitere Informationen über Morphologie näher betrachtet werden.
und Funktion des hinteren Augenabschnittes zu erhalten.
Die häufigsten Veränderungen in der Fluoreszenzan- Kortikosteroide
giographie umfassen eine diffuse Gefäßleckage sowie eine Aufgrund ihrer starken antientzündlichen Potenz sowie
Hyperfluoreszenz der Papille und der Makula. Fluoreszen- ihres raschen Wirkungseintritts sind systemische Kor-
zangiographische Veränderungen können bereits bestehen, tikosteroide, entweder oral oder intravenös verabreicht,
wenn sich funduskopisch noch keine Anzeichen einer Au- gut geeignet, um akute Episoden einer intraokulären Ent-
genbeteiligung finden. Daher empfehlen manche Autoren, zündung zu behandeln. Da jedoch zur Aufrechterhaltung
bei allen Patienten, bei denen die Diagnose M. Behçet einer stabilen Remission inakzeptabel hohe Dosen erfor-
gestellt wurde, regelmäßig eine Fluoreszenzangiographie derlich wären, sind Kortikosteroide als Monotherapie bei
durchzuführen. Neueren Untersuchungen zufolge korre- M. Behçet nicht geeignet. Daher muss in den allermeisten
liert die Laserflare-Photometrie mit der angiographischen Fällen frühzeitig ein steroidsparendes Immunsuppressi-
Gefäßleckage bei Patienten mit okulärem M. Behçet in Re- vum, wie unten beschrieben, hinzugegeben werden.
mission. Dabei deuten erhöhte Laserflarewerte auf ein hö- Topische Kortikosteroide (Augentropfen oder -sal-
heres Risiko eines Uveitis-Rezidives hin. Dadurch könnte ben) können bei Beteiligung des vorderen Augenab-
die Laserflare-Photometrie helfen, Fluoreszenzangiogra- schnittes zusätzlich gegeben werden; sie sind jedoch zur
phien bei okulärem M. Behçet einzusparen. Therapie von Läsionen des hinteren Augenabschnittes
nicht ausreichend wirksam. Intraokulär oder periokulär
verabreichte Kortikosteroide können als vorübergehende
14.3.5 Therapie Option in Einzelfällen hilfreich sein, eine systemische
Immunsuppression können sie bei schweren Fällen eines
Die Therapie des M. Behçet stellt oftmals eine Herausfor- okulären M. Behçet jedoch nicht ersetzen.
derung dar, soll sie doch nicht nur für möglichst alle Or-
ganmanifestationen wirksam, sondern gleichzeitig auch Immunsuppressive und zytotoxische
nebenwirkungsarm und möglichst preisgünstig sein. In Substanzen
der klinischen Praxis wird sich die Therapieentschei- Cyclosporin A ist das bislang am häufigsten für die Au-
dung an den für den Patienten schwerwiegendsten und genbeteiligung bei M. Behçet eingesetzte Immunsuppressi-
bedrohlichsten Manifestationen orientieren, welche nor- vum. Im Vergleich zu anderen Immunsuppressiva zeigt es
malerweise die Beteiligung des zentralen Nervensystems einen raschen Wirkbeginn. Die tägliche Dosierung beträgt
sowie des Auges darstellen. 3-5 mg/kg, entweder als Monotherapie oder in Kombinati-
Die Visusprognose des okulären M. Behçet wird als on mit niedrig dosierten Kortikosteroiden. Allerdings wird
schlecht beschrieben. Ohne jegliche Behandlung verlie- der Einsatz von Cyclosporin A häufig durch seine Neph-
ren über 90% der Patienten ihr Sehvermögen durch- rotoxizität, insbsondere bei Dosierungen über 5 mg/kg,
schnittlich 3,4 Jahre nach Auftreten der ersten Symptome. limitiert. Zudem kann es zum Auftreten einer Rebound-
Daher sollte, früher als bei anderen Formen intraokulärer Uveitis nach Absetzen des Medikaments kommen.
Entzündung, eine möglichst aggressive Behandlung ein-
! Cave!
geleitet werden. Dies bedeutet normalerweise eine syste-
Es wurde mehrfach berichtet, dass Cyclosporin A
mische immunsuppressive Therapie, sobald entzündliche
neurotoxische Effekte bei Behçet-Patienten auf-
Veränderungen am hinteren Augenabschnitt erscheinen.
weist oder sogar das Auftreten neurologischer
Obwohl die Einführung von Immunsuppressiva zwei-
Manifestationen begünstigt. Somit sollte Cyclo-
felsohne einen Fortschritt für die Therapie des M. Behçet
sporin A nicht bei Patienten mit Neuro-Behçet
bedeutete, konnten diese dennoch nicht verhindern, dass
eingesetzt werden.
mehr als 50% der Patienten nach fünf- bis zehnjährigem
Krankheitsverlauf eine brauchbare Sehschärfe einbüßten. In einer Placebo-kontrollierten Doppelblind-Studie er-
Heutzutage stellt der langfristige Erhalt einer guten wies sich Azathioprin als effektiv, die Augenbeteiligung
Sehfunktion das anzustrebende Therapieziel bei retinaler bei M. Behçet zu behandeln als auch die Visusprognose
Beteiligung dar, was oftmals einen rechtzeitigen Wechsel zu verbessern, sofern mit der Behandlung nicht länger
zu neuen Therapieoptionen erfordert. Neuerdings erwie- als zwei Jahre nach Erstmanifestation der Erkrankung
sen sich die sogenannten Biologica, insbsondere Interfe- begonnen wurde. Da Azathioprin, verabreicht in einer
ron α sowie TNF-α-Antagonisten, als vielversprechender täglichen Dosis von 2-2,5 mg/kg, normalerweise gut ver-
362 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

tragen wird, stellt es eine geeignete Therapiealternative ohne Uveitis-Rezidiv. Entsprechend resultiert eine deutli-
zu Cyclosporin A dar. Es muss jedoch berücksichtigt che Verbesserung der langfristigen Visusprognose.
werden, dass Azathioprin zwei bis drei Monate bis zum Obwohl regelmäßig Nebenwirkungen auftreten, wel-
Wirkbeginn benötigt und somit im Falle eines akuten che nahezu alle dosisabhängig und vollständig reversibel
Uveitisschubs vorübergehend systemische Kortikosteroi- sind, wird IFN α normalerweise gut vertragen. Kontrain-
de eingesetzt werden müssen. dikationen wie Depression, Psoriasis sowie einige Autoim-
munerkrankungen wie Sarkoidose müssen zuvor ausge-
! Cave!
schlossen werden. Eine Interferon-Retinopathie, wie man
Methotrexat, Mycophenolsäure und Colchizin gelten
sie bei Patienten mit Hepatitis C oder Hautmelanom, die
als nur eingeschränkt wirksam bei schweren Manifes-
mit IFN α behandelt werden, häufiger sieht, wurde bislang
tationen des M. Behçet und werden deswegen nor-
in der Therapie des M. Behçet nur bei wenigen Einzelfäl-
malerweise nicht bei Augenbeteiligung eingesetzt.
len beschrieben. Bislang existiert kein klarer Konsens be-
Aufgrund ihrer erhöhten Toxizität sollten Cyclophos- züglich des optimalen Dosierungsschemas für IFN α. Auf-
phamid, Chlorambucil sowie Thalidomid der Therapie grund unserer Erfahrungen empfehlen wir eine initiale
lebensbedrohlicher Manifestationen des M.Behçet vorbe- Dosis von 3-6 Mio. IE täglich per subkutaner Injektion,
halten bleiben und nicht länger für okuläre Manifestatio- welche dann schrittweise auf eine Erhaltungsdosis von
nen eingesetzt werden. 3 Mio. IE zwei- oder dreimal pro Woche reduziert wird,
bevor IFN α schließlich abgesetzt wird. Eine langfristige
Biologica Remission scheint eher assoziiert mit einer hohen initia-
Unter Biologica versteht man therapeutische Substanzen, len IFN-Dosis als mit einer langen Behandlungsdauer.
in der Regel monoklonale Antikörper, lösliche Rezep-
toren oder Zytokine, welche zielgerichtet gegen proin- Praxistipp I I
flammatorische Strukturen des Immunsystems eingesetzt Um eine Antagonisierung der IFN-Wirkung zu vermei-
werden. den, sollten Immunsuppressiva am Tag vor Beginn der
Die Erfahrung zeigt, dass Biologica konventionellen IFN-Therapie abgesetzt sowie Kortikosteroide so rasch
Immunsuppressiva in der Therapie verschiedener chro- wie möglich auf eine Dosis von maximal 10 mg Predni-
nischer entzündlicher Erkrankungen häufig überlegen solon-Äquivalent pro Tag reduziert werden.
sind. Andererseits sind Biologica zumeist deutlich teurer
und bislang existieren lediglich begrenzte Erfahrungen
bezüglich möglicher langfristiger Nebenwirkungen. Bis- In den vergangenen Jahren haben TNF-α-Antagonisten in
lang befinden sich zwei Gruppen von Biologica, Interfe- der Behandlung verschiedener chronisch-entzündlicher
ron α und TNF-Antagonisten, im klinischen Gebrauch Erkrankungen zunehmend an Bedeutung gewonnen, so
14 bei M. Behçet, insbesondere zur Therapie einer retinalen auch beim M. Behçet. Man nimmt an, dass der Tumor-
Augenbeteiligung. Nekrose-Faktor α, ein proinflammatorisches Zytokin,
Interferon α ist ein Zytokin mit starken antiviralen, eine Schlüsselrolle bei der Entstehung solcher Krank-
antiproliferativen sowie verschiedenen immunmodulato- heitsbilder spielt. Drei TNF-α-Antagonisten werden bis-
rischen Effekten. Eine Auswertung der Literatur hat erge- lang bei M. Behçet eingesetzt:
ben, dass zwischen 1986 und 2002 mehr als 330 Patienten ▬ Infliximab (ein chimärer monoklonaler Antikörper
mit M. Behçet in offenen Studien mit rekombinantem gegen TNF-α),
humanem Interferon (IFN) α behandelt wurden, mehr als ▬ Adalimumab (ein humaner monoklonaler Antikör-
180 von ihnen wegen einer akuten Augensymptomatik. per gegen TNF-α) sowie
Dabei konnte mit IFN α in mehr als 90% der Patienten, ▬ Etanercept (ein löslicher TNF-α-Rezeptor).
welche zuvor nicht auf konventionelle Immunsuppressiva
angesprochen hatten, eine Remission der intraokulären Der bislang am häufigsten in offenen Studien und Fallseri-
Entzündung erzielt werden. IFN α zeigte sich zudem en eingesetzte TNF-α -Antagonist Infliximab, verabreicht
effektiv in der Behandlung des zystoiden Makulaödems, in einer Dosierung von 3-5 mg/kg Körpergewicht alle
der Rückbildung retinaler Neovaskularisationen sowie 2-8 Wochen, zeigte eine gute Wirksamkeit bei akuten
der Reperfusion frisch verschlossener retinaler Gefäße. Uveitisattacken als auch in der Remissionserhaltung des
Darüber hinaus zeigen kürzlich publizierte Daten, dass okulären M. Behçet bei Patienten, welche zuvor nicht auf
knapp vier Jahre nach Beendigung der IFN-Therapie konventionelle Immunsuppressiva angesprochen hatten.
noch immer 50% der Patienten eine Remission der Uvei- Auch über die Rückbildung retinaler Neovaskularisatio-
tis aufweisen; annähernd 10 Jahre nach Beendigung der nen unter Infliximab wurde berichtet. Im Gegensatz zu
IFN-Therapie sind immerhin noch 25% der Patienten IFN α kann die Therapie mit Infliximab jedoch fast nie
14.4 · Vaskulitis bei Multipler Sklerose
363 14
beendet werden; zumeist wird über Rezidive der Uveitis
durchschnittlich 8-12 Wochen nach Absetzen von Infli-
Praxistipp I I
Aufgrund unserer klinischen Erfahrungen empfehlen
ximab berichtet. Obwohl Infliximab als chimäres Molekül
wir folgende Vorgehensweise:
zu allergischen Reaktionen führen kann, wird die Thera-
Jeder Patient mit Verdacht auf M. Behçet sollte umge-
pie normalerweise gut vertragen. Da TNF-α-Antagonisten
hend an ein dafür spezialisiertes Zentrum überwiesen
zur Reaktivierung einer Tuberkulose führen können, muss
werden, wo eine interdisziplinäre Diagnostik und
eine latente Tbc vor Therapiebeginn durch geeignete Maß-
Therapie gewährleistet ist. Die Therapie muss unter
nahmen (z.B. Quantiferon-Test) ausgeschlossen werden. Berücksichtigung der für den Patienten bedrohlichsten
Obwohl Adalimumab als humaner Antikörper nor- Manifestation geplant werden. Ist dies eine Augenbe-
malerweise keine allergischen Reaktionen verursacht und teiligung mit Befall des vorderen Augenabschnittes
zudem von den Patienten selbst verabreicht werden kann (anteriore Uveitis) und/oder des Glaskörpers, so sollte
(subkutane Injektion alle zwei Wochen), existieren bis- eine immunsuppressive Therapie (Azathioprin oder
lang lediglich wenige Berichte über die erfolgreiche An- Cyclosporin A) in Kombination mit systemischen Kor-
wendung bei okulärem M. Behçet. Letzteres trifft auch tikosteroiden begonnen werden. Im Falle einer pos-
für Etanercept zu. terioren Uveitis bzw. retinalen Vaskulitis sollte primär
eine Therapie mit einem Biologikum (Interferon α oder
Operative Therapie TNF-Antagonist) eingeleitet werden, da konventionelle
Die Augenbeteiligung bei M. Behçet stellt eine Domäne Immunsuppressiva hier erfahrungsgemäß nicht ausrei-
der medikamentösen Therapie dar. Operative Maßnah- chend effektiv sind.
men sollten Komplikationen der intraokulären Entzün-
dung wie Katarakt, Sekundärglaukom, Netzhautablösung
oder persistierender Glaskörperblutung vorbehalten blei- Fazit für die Praxis
ben. Da gezeigt werden konnte, dass durch den Einsatz ▬ Die Diagnose des M. Behçet kann nur klinisch und nicht
moderner Biologica eine Rückbildung retinaler Neovas- allein anhand einzelner Laborparameter gestellt werden.
kularisationen erreicht werden kann, sollte die Laser- Sowohl Diagnostik als auch Therapie des M. Behçet erfor-
Photokoagulation bei Behçet-Patienten mit retinaler Is- dern eine enge interdisziplinäre Kooperation.
chämie äußerst restriktiv eingesetzt werden. ▬ Die Augenbeteiligung stellt eine häufige und schwerwie-
gende Manifestation des M. Behçet dar. Am gefährlichs-
Therapieempfehlung ten und bestimmend für die Prognose ist die posteriore
Basierend auf einer ausführlichen Literaturanalyse for- Uveitis mit okklusiver retinaler Vaskulitis.
mulierte im Jahr 2008 eine interdisziplinär zusammen- ▬ Die Uveitis bei M. Behçet erfordert eine aggressivere The-
gesetzte Expertenrunde im Auftrag der European League rapie als die meisten Uveitiden anderer Entität. Neben
against Rheumatism (EULAR) neun Empfehlungen zur systemischen Kortikosteroiden werden bereits frühzeitig
medikamentösen Therapie des M. Behçet. Zwei Emp- immunsuppressive Substanzen eingesetzt. Mit modernen
fehlungen beziehen sich dabei auf die Behandlung der Biologica können auch solche Patienten heutzutage er-
Augenbeteiligung (s. folgende Übersicht). folgreich behandelt werden, die nicht mehr auf konventi-
onelle Immunsuppressiva ansprechen.

EULAR-Empfehlungen für die Therapie


der Augenbeteiligung bei M. Behçet 14.4 Vaskulitis bei Multipler Sklerose
1. Jeder Patient mit M. Behçet und entzündlicher Be-
teiligung des hinteren Augensegmentes sollte ein U. Wiehler, C. Springer, M. Becker
Therapieregime erhalten, welches Azathioprin und
systemische Kortikosteroide enthält. Eine Augenbeteiligung bei Multipler Sklerose (MS) kann
2. Im Falle einer schweren Augenbeteiligung, defi- sich nicht nur durch eine Optikusneuritis, sondern auch
niert als Visusabfall um mehr als zwei Zeilen und/ durch eine intraokulare Entzündung (Uveitis im weiteren
oder Netzhautbeteiligung (retinale Vaskulitis oder Sinn) äußern. Bei MS-Patienten ist die Uveitis häufig
Makulabeteiligung), wird empfohlen, mit entweder beidseitig und manifestiert sich durch eine zelluläre Infil-
Cyclosporin A oder Infliximab in Kombination mit tration des Glaskörpers mit einer retinalen Vaskulitis im
Azathioprin und Kortikosteroiden zu behandeln; klinischen Bild einer intermediären Uveitis.
alternativ kann stattdessen Interferon α mit ohne Die Visusprognose wird meist durch eine Optikus-
Kortikosteroide eingesetzt werden atrophie oder ein zystoides Makulaödem sowie die Bil-
dung retinaler Neovaskularisationen bestimmt.
364 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Neben der Therapie mit hochdosierten Steroiden und mit 10,3% an erster Stelle. Mit 57,4% sind Frauen häufi-
Immunsuppressiva hat die Behandlung mit Interferonen ger betroffen. Bei der Berechnung diagnostischer Wahr-
zunehmend an Bedeutung gewonnen. scheinlichkeiten zeigte sich bei Vorliegen einer Uveitis
intermedia eine Prävalenz für eine MS von 10,5%; war
die Uveitis bilateral stieg die Prävalenz auf 11,2% und
14.4.1 Einleitung handelte es sich um eine weibliche Patientin, stieg die
Prävalenz wiederum auf 13,1%.
Die Assoziation zwischen MS und Optikusneuritis ist
seit dem späten 19. Jahrhundert bekannt. Eine Uveitis als
Assoziation wurde in diesem Zusammenhang jedoch erst 14.4.3 Pathogenese
1945 durch Rucker beschrieben. Eine retinale Vaskulitis
tritt bei 9-23% aller Patienten mit MS auf. Die experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis
(EAE) ist ein weitverbreitetes Tiermodel für eine ZNS-
spezifische inflammatorische Erkrankung. Sie stellt die
14.4.2 Epidemiologie beste Möglichkeit dar, die Ätiologie und Pathogenese
einer MS zu untersuchen. Es handelt sich bei der EAE
Die Multiple Sklerose ist eine chronisch inflammatori- um eine T-Zell-vermittelte Erkrankung, die zu progres-
sche, demyelinisierende Erkrankung des zentralen Ner- siver Entmarkung und Lähmung führt. In Kaninchen,
vensystems, die meist junge Erwachsene betrifft. Das Affen, Lewis-Ratten und unlängst auch in (PL/J x SJL/J)
klinische Bild wird durch die jeweilige Lage der Entmar- F1-Mäusen zeigte sich experimentell das gleichzeitige
kungsherde im ZNS bestimmt. Die Augen sind häufig Auftreten von anteriorer Uveitis (AU) und EAE. Die en-
durch eine Neuritis nervi optici, okulomotorische Stö- zephalitogenen T-Zellen sind spezifisch für das Myelin-
rungen oder eine Uveitis betroffen. In Zusammenarbeit Basic-Protein Antigen (MBP), welches eine Komponen-
mit den behandelnden Neurologen sollte die Diagnose te der die Nervenfasern umgebenden Myelinschicht ist.
MS nach dem neurologischen sowie MRT-Befund nach Myelinisierte Nervenfasern sind reichlich in Rückenmark
den Richtlinien von Poser et al. gestellt werden. Die und Iris vorhanden. Folglich ist zu erwarten, dass das
Häufigkeit einer Assoziation zwischen MS und Uveitis »Auto-Antigen« für die T-Zellen an den Orten der Ent-
variiert in der Literatur sehr. Sie reicht von 0,4 bis 26,9% zündung lokalisiert ist. Dies legt einen gemeinsamen
bei MS-Patienten sowie von 0,8 bis 14% bei Uveitis- antigenen Faktor für die neurologische und die okuläre
Patienten. Die stark schwankenden Angaben erklären Ausprägung der Erkrankung sowie einen ähnlichen Pa-
sich durch unterschiedliche Patientenpopulationen sowie thomechanismus nahe. Im Tiermodel der EAE persistiert
differierende Untersuchungstechniken und Diagnosek- die anteriore Uveitis meist über das Abklingen der Läh-
14 riterien in den einzelnen Untersuchungen. Je länger der mungen hinaus. Eine Behandlung mit Interferon-b redu-
Beobachtungszeitraum, desto höher war in den genann- zierte die okuläre Entzündung in diesem Modell.
ten Studien die Prävalenz. Die Prävalenz einer MS unter Trotz dieser Ergebnisse gibt es nur wenige Kenntnisse
Uveitis-Patienten allgemein wurde mit 1-2% beschrieben, über den eigentlichen Pathomechanismus des okulären
jedoch zeigt sich eine höhere Prävalenz von 7,8% bis Geschehens in dieser experimentellen Erkrankung, da
14,8% unter den Patienten mit intermediärer Uveitis. Als die meisten EAE-Studien auf die Auswirkung auf Rü-
prädiktiver Wert als Uveitis-Patient eine MS zu entwi- ckenmark und Gehirn ausgerichtet sind. Wie die MS, ist
ckeln wurde ein Wert von 0,2 bis 6,4% in der Literatur auch die EAE durch den Zusammenbruch der Blut-Hirn-
angegeben Schranke charakterisiert. Die Entzündungsreaktion wird
Neurologische Erkrankungen fanden sich in einer geprägt von Monozyteninfiltration in der Umgebung der
Auswertung von Smith & Rosenbaum bei 1.450 Uvei- Blutgefäße der weißen Substanz des ZNS, durch Akti-
tispatienten bei 7,9%, eine MS bei 1% aller Patienten. vierung lokaler Mikroglia und Astrozyten. In schweren
Die Analyse von 1.916 Patienten eines interdiszipli- Verläufen führt dies schließlich zur Demyelinisierung.
nären Uveitiszentrums des deutschsprachigen Raumes Untersuchungen zur okulären Beteiligung bei EAE
zeigte das Vorliegen einer MS bei 3,1% aller Uveitispa- legen nahe, dass die Strukturen des Auges und der Seh-
tienten. Hierbei zeigten 11% der Patienten eine Uveitis bahn, insbesondere des Chiasmas, wichtige Angriffsorte
anterior, 82% eine Uveitis intermedia, 2% eine Uveitis im Rahmen der rezidivierenden EAE sind und dass die
posterior, 2% eine Panuveitis und 9% eine extrauveale Entwicklung der okulären Befunde den gleichen Patho-
Manifestation. Eine intermediäre Uveitis war am häufigs- mechanismus haben wie die neurologische Erkrankung.
ten nicht-klassifizierbar. Bei den klassifizierbaren Uvei- Die Unterbrechung der Blut-Hirn-Schranke und die
tisformen stand die MS bei den intermediären Uveitiden transendotheliale Migration von Entzündungszellen in
14.4 · Vaskulitis bei Multipler Sklerose
365 14
Richtung ZNS spielen eine wesentliche Rolle in der Ent-
stehung der MS.
Die Assoziation einer Uveitis mit MS ist naheliegend,
da beide Erkrankungen:
▬ gehäuft mit einem HLA-DR15 Haplotyp auftreten,
▬ über einen Th1-Mechanismus getriggert sind (MBP-
spezifische T-Zellen, Interferone und IL-2-Rezeptor-
Antagonisten verbessern die Entzündungsaktivität in
Tierversuchen),
▬ über ein lokale Immunaktivierung gesteuert sind
(oligoklonale Antikörper, positive MRZ-Reaktion,
perivenöse Immuninflitrate),
▬ sich an Geweben mit einem gemeinsamen embryo-
⊡ Abb. 14.26 Granulomatöse (»speckige«) keratische Präzipitate
logischen Ursprung manifestieren und gemeinsame
bei einem Patienten mit MS-assoziierter Uveitis. Die weiße Pupille
antigene Determinanten zu erwarten sind (Retina deutet auf eine bestehende Cataracta complicata hin. (Aus Becker
und Optikus: Diencephalon; Uvea: Neuralleiste). MD et al. 2007)

14.4.4 Klinische Manifestation


nicht-granulomatösen Erkrankungen wie der MS. Bei
Optikusneuritis (ON) Patienten mit dieser Form der Uveitis entwickeln sich oft
Eine Optikusneuritis ist das häufigste okuläre Erschei- Sekundärveränderungen wie ein zystoides Makulaödem
nungsbild der MS mit einem geschätzten Auftreten bei oder eine okklusive retinale Vaskulitis. Diese Verände-
ca. 30% der Patienten, jedoch treten auch intraokulare rungen haben einen erheblichen Einfluss auf die Visus-
Entzündungen auf. Nach Ergebnissen der Optic Neuritis prognose. Treten sie auf, ist die Erkrankung oft schwer zu
Study Group entwickeln 30% der Patienten mit einer behandeln und bleibt häufig der Standardtherapie nicht
ON im Verlauf klinisch eine MS. Das klassische Erschei- zugänglich.
nungsbild einer ON besteht in einer einseitigen plötzli-
chen Visusminderung mit relativem afferentem Pupil- Retinale Vaskulitis
lendefizit, Parazentral- oder Zentrozökalskotom und tritt Die retinale Vaskulitis bei Uveitispatienten mit MS wird
typischerweise bei jungen weiblichen Patienten auf. als ausschließlich die Venen betreffende Vaskulitis be-
In einer kürzlich veröffentlichten multizentrischen, re- trachtet (Periphlebitis, venöse Einscheidungen). Sie um-
trospektiven Fallkontroll-Studie mit 13 Patienten begann fasst sowohl die aktive Periphlebitis als auch die chroni-
bei 7 Patienten eine MS im Mittel 8,2 Jahre (2,8-24,2 Jahre) sche venöse Sklerose. Die chronische Form der Einschei-
vor Beginn einer Uveitis, bei 6 Patienten wurde eine Uvei- dungen erscheint typischerweise als dichte lineare weiße
tis im Mittel 5,5 Jahre (0,3-20,6 Jahre) vor Auftreten der Streifen, die den Venenverzweigungen über mehrere Ge-
MS diagnostiziert. 7 Patienten hatten eine ON an mindes- nerationen folgen. Bei unseren MS-Patienten zeigten sich
tens einem Auge in der Vorgeschichte. Bei allen 13 Patien- die Einscheidungen meist als kontinuierlich, über mehre-
ten trat die ON vor Beginn der Uveitis auf. re Venenverzweigungen hinweg verlaufend im Gegensatz
zu Patienten mit Sarkoidose mit intermediärer Uveitis,
Uveitis intermedia bei denen eher eine diskontinuierliche, multifokale Ein-
Die häufigste Form der Uveitis im Rahmen der MS ist scheidung zu beobachten war. Kaliberschwankungen mit
die intermediäre Uveitis (nach Bloch-Michel und Nus- gelegentlichen Netzhautblutungen sind möglich. Jedoch
senblatt) mit den charakteristischen Befunden Iritis, Pars bestehen bei MS-assoziierter Uveitis auch fokale Läsio-
Planitis, Vitritis, Periphlebitis mit oder ohne Neovas- nen besonders in der akuten Phase. Die Sklerose der Ve-
kularisationen und »granulomatösen Veränderungen«. nen scheint eine Folge der persistierenden Entzündung
Diese beinhalten im Vorderabschnitt sogenannte »spe- zu sein (⊡ Abb. 14.27). Nach unserem Kenntnisstand wur-
ckige« keratische Präzipitate auf dem Hornhautendothel de eine Beteiligung der Arteriolen bei MS-assoziierter
(⊡ Abb. 14.26) und Iris-Knötchen (Koeppe-Knötchen am Uveitis bisher nicht beschrieben.
Pupillarsaum, Bussacca-Knötchen im Irisstroma). Diese Der Aktivitätsgrad der Periphlebitis bei MS korreliert
Veränderungen sind nicht nur typisch für histologisch oft nicht mit dem Auftreten einer ON, systemischen Ver-
granulomatöse Erkrankungen wie Sarkoidose oder Tu- schlechterungen oder dem Schweregrad der Erkrankung,
berkulose, sie zeigen sich am Auge auch bei histologisch sondern scheint unabhängig zu verlaufen.
366 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Die Fluoreszenzangiographie einer aktiven Periphle-


bitis zeigt eine verspätete Füllung, verlängerte Anfärbung
sowie eine diffuse Leckage der betroffenen Gefäße, wel-
ches ein Hinweis auf die gestörte Blut-Retina-Schranke
ist (⊡ Abb. 14.28). Manche Gefäße zeigen eine Farbstoffle-
ckage in klinisch nicht betroffenen Arealen. Eine venöse
Sklerose kann eine späte Anfärbung oder auch eine nor-
males fluoreszenzangiographisches Bild zeigen.

⊡ Abb. 14.27 Chronische venöse Sklerose der retinalen Vena tem-


poralis superior mit linienförmiger weißer Trübung (Pfeile) bei einem
Patienten mit MS-assoziierter Uveitis. Optikusatrophie durch rezidi- ⊡ Abb. 14.29 Okklusive Periphlebitis mit Venenastverschluss. (Aus
vierende Optikusneuritiden. (Aus Becker MD et al. 2007) Becker MD et al. 2007)

14

⊡ Abb. 14.28 Fluoreszenzangiographie mit deutlicher Gefäßleckage ⊡ Abb. 14.30 Fluoreszenzangiographie mit retinalen Neovaskularisa-
und Makulaödem als Zeichen des Zusammenbruchs der Blut-Retina- tionen eines Patienten mit okklusiver MS-assoziierter Vaskulitis. (Aus
Schranke bei aktiver Periphlebitis. (Aus Becker MD et al. 2007) Becker MD et al. 2007)
14.4 · Vaskulitis bei Multipler Sklerose
367 14
Komplikationen der okklusiven Vaskulitis (⊡ Abb. 14.29) kelbewegungsstörungen, intermediäre Uveitis mit Vas-
sind u.U. Neovaskularisationsbildung (⊡ Abb. 14.30) mit kulitis hervorrufen und eine MS-assoziierte Uveitis imi-
oder ohne Glaskörperblutungen. Dies kann zu traktiven tieren können, sind in der folgenden Tabelle aufgeführt
Netzhautablösungen und der Ausbildung eines Sekundärg- (⊡ Tab. 14.6).
laukomes führen.
Weitere Komplikationen bei MS-assoziierter Uveitis
mit oder ohne Vaskulitis sind eine Kataraktentwicklung, 14.4.6 Therapie der MS-assoziierten
die Ausbildung eines zystoiden Makulaödems und/oder Uveitis
epiretinaler Membranen. Es scheint bezüglich der Kom-
plikationsrate keinen Unterschied hinsichtlich primärer Kortikosteroide und Immunsuppression
oder sekundärer intermediärer Uveitis zu geben. Für Patienten mit nicht-klassifizierbarer oder nicht-
Die folgende Übersicht fasst die klassischen Befunde infektiöser klassifizierbarer intermediärer Uveitis ist die
einer intraokulären Entzündung bei MS zusammen. Behandlung mit systemischen Steroiden (Anfangsdosis
1 mg/kg Körpergewicht) das Mittel der Wahl bei Thera-
piebeginn. Wenn die Entzündungsaktivität (Zellzahl im
Klassischer Befund bei MS-assoziierter Uveitis Glaskörper und Vorderkammer, Ausmaß der Glaskör-
▬ Beidseitige, intermediäre Uveitis mit oder ohne pertrübung: Haze) mittels systemischer Steroide redu-
Neuritis nervi optici (ON) in der Anamnese ziert werden kann und keine erneute Verschlechterung
▬ »Granulomatöse« Veränderungen im vorderen oberhalb der Cushingschwelle (ca. 7,5 mg Prednison-
Augenabschnitt Äquivalent pro Tag) eintritt, es aber zu einem erneu-
▬ Mehrere Gefäßabschnitte kontinuierlich über- tem Aufflammen nach vollständigem Absetzen kommt,
spannende Periphlebitis retinae sollte langfristig eine niedrig dosierte systemische Ste-
▬ Zystoides Makulaödem roidtherapie beibehalten bzw. über eine steroidsparen-
▬ Okklusive Vaskulitis mit Gefahr der Neovaskularisa- de immunsuppressive Alternative nachgedacht werden.
tionsbildung Kommt es bereits oberhalb der Cushingschwelle zu
einer Verschlechterung, sind steroidsparende Medika-
mente wie z.B. Methotrexat oder Mycophenolat Mofetil
indiziert.
14.4.5 Differentialdiagnose Die Verwendung von Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-
Inhibitoren ist bei Patienten mit MS-assoziierter Uveitis
Entzündliche Systemerkrankungen, welche Enzephalo- kontraindiziert, da diese möglicherweise eine MS indu-
myelopathie, Optikusneuritis, extraokuläre Augenmus- zieren können. In anderen Fällen von nicht MS-assoziier-
ter, schwerer nicht-klassifizierbarer oder klassifizierbarer
intermediärer Uveitis mit Vaskulitis stellen TNF-Inhibi-
toren eine gute Option dar.
⊡ Tab. 14.6 Differentialdiagnose der MS-assoziierten Uveitis Parabulbäre oder intravitreale Injektionen von Triam-
Okulo-zerebrales MRT, Liquorpunktion, diagnostische
cinolon stehen als lokale Therapie zur Behandlung des
Lymphom Vitrektomie häufig vorhandenen Makulaödems zur Verfügung.
Therapieziel ist ein möglichst maximaler Visusanstieg
ZNS-Vaskulitis MRT
und der Rückgang von Sekundärkomplikationen. Eine
Neurosyphilis Syphilisserologie, Liquorpunktion völlige Zellfreiheit des Glaskörpers ist oftmals nicht zu
erreichen, sodass man sich mit einer milden Entzün-
Neuroborreliose Erythema migrans, Borrelienserologie,
Liquorpunktion dungsaktivität bis max. 1+ Zellen in der Vorderkammer
und 1+ Glaskörperhaze nach SUN-Kriterien zufrieden
Virale Infektionen Retinale Arteriolitis, diagnostische geben darf, solange kein Makulaödem vorhanden ist.
(Herpes-Viren) Vitrektomie, klinisches Fundusbild

Morbus Behçet Okklusive retinale Vaskulitis, orale/


genitale Ulzerationen, Hautverände-
Praxistipp I I
Das Therapieziel ist der Visusanstieg (also z.B die Re-
rungen (Erythema nodosum, positiver
Pathergie-Test), Arthritis duktion des Makulaödems) und eine Reduktion vom
Komplikationen (z.B. Neovaskularisationen). Die alleini-
Sarkoidose Multifokale Periphlebitis, ACE, Lysozym,
ge Beurteilung der Entzündungsaktivität (Zellzahl) ist
Röntgen-Thorax, granulomatöse Verän-
derungen als Parameter für den Therapieerfolg ungeeignet.
368 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Immunmodulatorische Therapie Controlled High-Risk Subjects Avonex Multiple Sclero-


Interferon (IFN) hat bei Patienten mit MS und/oder sis Prevention Study (CHAMPS) modifiziert. Patien-
Optikusneuritis günstige Eigenschaften. Jacobs et al. ten mit einem ersten demyelinisierenden Ereignis (ON,
zeigten, dass ein Behandlungsbeginn mit IFN-β1a zum inkompletter transverser Myelitis, Hirnstamm- oder
Zeitpunkt des ersten demyelinisierenden Ereignisses, wie Kleinhirnsyndromen) und mindestens 2 charakteristi-
zum Beispiel einer ON, bei Patienten mit Hirnläsionen
im MRT und einem somit hohen Risiko für die Entwick-
lung einer klinisch definierten MS, einen vorteilhaften
Effekt haben.
Die biologischen Eigenschaften von IFN sind seit den
frühen 70er Jahren bekannt. Typ-I-Interferone (IFN-α
und -β) stimmen in rund 30% ihrer Aminosäuresequen-
zen überein und wirken über den gleichen Rezeptor
(es gibt zusätzlich einen IFN-β-Rezeptor). Daher sind
die therapeutischen Effekte von Typ-I Interferonen sehr
ähnlich. Typ-II-Interferone (IFN-γ) haben eine hiervon
abweichende Aminosäuresequenz.
Mehrere Studien zeigen, dass eine Behandlung mit
IFN-β das Gleichgewicht der Zytokine zugunsten ei-
ner reinen anti-inflammatorischen Reaktion verschiebt.
Dies geschieht entweder durch eine Unterdrückung von
Th1-Zellen oder durch eine Vermehrung von Th2-Zel-
len oder durch beides. IFN- β unterdrückt darüber
hinaus die IFN-γ-vermittelte Expression von MHC-
Klasse-II auf Astrozyten und Mikrogliazellen in vitro
und verringert die Fähigkeit der Antigenpräsentation ⊡ Abb. 14.31 Okklusive retinale Vaskulitis vor Interferon-β-Behandlung
bei einem Patienten mit MS-assoziierter Uveitis. (Aus Becker MD et al.
dieser Zellen. 2007)
In der Nomenklatur der Interferone bedeutet eine »1«
eine große Ähnlichkeit des Proteins mit der b-Familie, ein
»a« bedeutet, dass das synthetische Produkt die gleiche
Primärstruktur hat wie die natürliche Substanz. Minagar
et al. zeigten unlängst, dass IFN-β1a and IFN-β1b die
14 IFN-γ-induzierte Auflösung endothelialer Verbindungen
blockieren und so Endothelbarrieren schützen. Sie zeig-
ten auch, dass die stabilisierenden Effekte von IFN-β
auf Occludin und VE-Cadherin den molekularen Me-
chanismus repräsentieren, der für den therapeutischen
Effekt von IFN-β auf die Blut-Hirn-Schranke bei MS
verantwortlich ist. Interessanterweise scheint die Reduk-
tion der Gefässpermeabilität und somit die Reduktion
des Makulaödems und der Anstieg des Visus ein wich-
tiger Effekt von IFN in der Behandlung von Patienten
mit MS-assoziierter Uveitis zu sein. Wegen des »immu-
nomodulatorischen« Wirkmechanismus der Interferone
(»immunmodulatorisch« statt »immunsuppressiv«) geht
man davon aus, dass Interferone zur Wirkung ein nicht
unterdrücktes Immunsystem benötigen. Daher sollten
zusätzliche Steroide nur in niedriger Dosierung verwen-
det werden. Die konkurrierende Verwendung eines Im-
munsuppressivums ist demzufolge bei der Interferonbe-
⊡ Abb. 14.32 Okklusive retinale Vaskulitis nach Behandlung mit
handlung zu vermeiden. Interferon-β (gleicher Patient wie in Abb. 14.31): Regression der nicht-
Das derzeitige Behandlungskonzept für Patienten perfundierten Areale, keine Neovaskularisationen, Verringerung der
mit Optikusneuritis wurde durch die Ergebnisse der Gefäßleckage . (Aus Becker MD et al. 2007)
14.4 · Vaskulitis bei Multipler Sklerose
369 14
schen Entmarkungsherden im Gehirn erhielten nach Intravitreale Medikamentenapplikation
Randomisierung entweder IFN-β1a oder Placebo nach Bei der intravitrealen Gabe von Kortikosteroiden entwe-
initialer Therapie mit intravenösen Steroiden. Nach der zur Behandlung der intemediären Uveitis selbst oder
3 Jahren zeigten die mit IFN-β 1a behandelten Patien- eines begleitenden Makulaödems werden zwei Behand-
ten ein um 50% reduziertes Risiko des Übergangs zu lungsstrategien verfolgt:
einer klinisch definierten MS (CDMS). Die Ergebnisse ▬ die häufig durchgeführte Injektion von Triamcinolon
dieser Studie haben einen Standard für die Behandlung oder Dexamethason oder
einer ersten demyelinisierenden ON bei Risikopatienten ▬ die Implantation von Medikamententrägern (Ozur-
gesetzt. Es stehen derzeit verschiedene β-Interferone dex, Retisert) mit einer deutlich längeren Halbwerts-
(Avonex, Rebif, Betaseron) sowie weitere Wirkstoffe wie zeit.
Glatiramer Acetate (Copaxone), Natalizumab (Tysabri)
und Mitoxantrone für die Behandlung der MS zur Ver- Die Ausbildung einer Katarakt (Steroid-induzierte Cata-
fügung. racta complicata) oder eines Sekundärglaukoms sind als
IFN-α führt zu einer Rückbildung von inflamma- potentielle Nebenwirkungen hierbei zu beachten. Syste-
torischen retinalen Neovaskularisationen bei Patienten mische Steroidnebenwirkungen können bei diesen The-
mit okklusiver Vaskulitis im Rahmen eines M. Behçet. rapieformen im Allgemeinen vernachlässigt werden.
Nach unserer Erfahrung führt eine prophylaktische Be- Zur Behandlung retinaler Neovaskularisationen und
handlung mit IFN-β der okklusiven Vaskulitis bei MS- auch des inflammatorischen Makulaödems bieten sich die
assoziierter Uveitis zu einer Verringerung der ischämi- heute verfügbaren Medikamente an, die sich gegen den
schen perfundierten Netzhautareale und somit zu einer »vascular endothelial growth factor« (VEGF) richten. Alle
geringeren Ausbildung von Neovaskularisationen und Therapeutika (Avastin, Lucentis, Macugen) sind nur im
auch zu einer verminderten Gefäßleckage (⊡ Abb. 14.31, Off-label-Gebrauch zu verwenden und müssen wegen der
⊡ Abb. 14.32). temporären Wirksamkeit repetitiv verabreicht werden.

Laserphotokoagulation Chirurgische Intervention


Bei Vorliegen ausgeprägter Neovaskularisationen ist eine Wenn bei ausgeprägten Glaskörpertrübungen medika-
Argonlaserbehandlung der betroffenen Areale eine Opti- mentöse Therapieformen nicht mehr wirksam sind, eine
on, sofern die Erkrankung nicht auf Immunsuppression epiretinale Membran als Ursache des Makulaödems vor-
oder Interferon anspricht. Die Behandlung der Wahl be- handen ist oder traktive Membranen eine Amotio retinae
steht in einer sektoriellen Koagulation (⊡ Abb. 14.33). verursachen, ist die Indikation zu einer Vitrektomie mit
Pars-plana-Zugang gegeben. Dieses Verfahren lässt sich
auch mit einer Katarakt-Operation oder einer intravitrea-
len Medikamentenapplikation kombinieren.

Behandlungsstrategien
Viele Faktoren beeinflussen die Entscheidung zum the-
rapeutischen Vorgehen bei Patienten mit MS-assoziierter
Uveitis. Die folgende Tabelle zeigt die Vorgehenswei-
se der Autoren (⊡ Tab. 14.7). Aufgrund des chronischen
Verlaufes sollten die Patienten je nach Aktivitätsgrad der
Erkrankung regelmäßig kontrolliert werden. Bei geringer
entzündlicher Aktivität empfehlen wir 3-monatige au-
genärztliche Kontrollen.

14.4.7 Prognose/Schlussbemerkungen

Bei Multiple-Sklerose-Patienten tritt neben der häufigen


Optikusneuritis eine Uveitis häufig beidseitig auf und
manifestiert sich mit Vitritis und retinaler Vaskulitits als
⊡ Abb. 14.33 Fluoreszenzangiographie desselben Patienten wie
»intermediäre Uveitis«.
Abb. 14.30 zeigt eine Regression der Neovaskularisationen nach sek- Die Prognose hängt vor allem von Sekundärkompli-
torieller Laserkoagulation. (Aus Becker MD et al. 2007) kationen wie der Entwicklung eines Visus reduzierenden
370 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

⊡ Tab. 14.7 Therapeutisches Vorgehen bei Patienten mit MS-assoziierter Uveitis

Visus Aktivität/Komplikationen Behandlungsoptionen

≥0,8 ohne störende ≤1+ Glaskörperzellen, Glaskörper-Haze 0,5 bis 1, Beobachten


Mouches volantes kein Makulaödem, milde Periphlebitis

<0,8 Glaskörpertrübungen, mildes Makulaödem, 1-2+ Parabulbäre oder intravitreale Injektion von Triamcinolon
Glaskörperzellen, einseitig

0,1-0,4 Visusreduktion v.a. durch Makulaödem bedingt Systemische Corticosteroide, Immunsuppression,


Interferon-β

Okklusive Vaskulitis Systemische Steroide, Immunsuppression oder


Interferon-β, sektorielle Argon Laser Photokoagulation

Neovaskularisationen Interferon-β und/oder sektorielle Argon Laser Photokoagu-


lation, intravitreale anti-VEGF-Gabe

Epiretinale Membran als Ursache für Makulaödem Vitrektomie mit Peeling

Makulaödems oder der Ausbildung retinaler Ischämien Erkrankung mit einer pulmonalen Manifestation einher.
mit retinalen Neovaskularisationen ab. Daher wird ein »Staging« der Erkrankung häufig an
Therapeutisch hat neben der hochdosierten Stero- der Lungenbeteiligung orientiert (⊡ Tab. 14.8). Zusätzlich
idtherapie und dem Einsatz immunsuppressiver Medi- lassen sich verschiedene Muster im Krankheitsverlauf er-
kamente vor allem die Behandlung mit Interferonen an kennen. Ein grundlegender Unterschied scheint zwischen
Bedeutung gewonnen. einem akuten Krankheitsverlauf und dem nicht-akuten
Krankheitsverlauf zu bestehen.
Fazit für die Praxis Die akute Sarkoidose ist durch einen plötzlichen
Eine Vaskulitis kann bei Multipler Sklerose (MS) im Rahmen Krankheitsbeginn und Allgemeinsymptome wie subfe-
einer Uveitis intermedia auftreten. Wichtig ist, überhaupt an brile Temperaturen, Gewichtsabnahme, Nachtschweiß,
diese Assoziation zu denken und eine MS als Ursache einer Müdigkeit und Abgeschlagenheit definiert. Sie geht mit
intermediären Uveitis mit Vaskulitis in Betracht zu ziehen. einer systemischen Entzündung einher, entsprechend fin-
Neben der systemischen Therapie mit hochdosierten Steroi- den sich hier besonders hohe sIL-2R-Konzentrationen,
14 den und Immunsuppressiva hat die Behandlung mit Interfe- die als Marker für die Sarkoidose-Entzündung gelten.
ronen zunehmend an Bedeutung gewonnen. Patienten mit einer akuten Sarkoidose weisen häufiger
einen extrapulmonalen Befall, insbesondere der Leber,
lymphatischer Organe und des hämatopoetischen Sys-
14.5 Sarkoidose tems (Milz, Knochenmark) auf. Auch Hyperkalzämien
treten hier häufiger auf. Die häufigste Unterform der
U. Pleyer, S. Winterhalter akuten Sarkoidose ist das »Löfgren-Syndrom« mit der
klassischen Trias: bihiläre Lymphadenopathie, Sprungge-
lenksarthritis und Erythema nodosum. Im Gegensatz zur
14.5.1 Definition und Einteilung akuten Sarkoidose mit Milzbeteiligung hat dieses Krank-
heitsbild eine ausgesprochen gute Prognose und heilt in
Die Sarkoidose ist eine Systemerkrankung, die über das der Regel spontan innerhalb weniger Monate aus. Ne-
Vorliegen nicht-verkäsender, epitheloidzelliger Granulo- ben einem akuten, schubförmigen Verlauf der Sarkoidose
me nach Ausschluss einer Infektion bzw. einer ander- existiert ebenfalls eine progrediente, schleichende Form.
weitigen Ursache gestellt wird. Sie ist die häufigste inter-
stitielle Lungenerkrankung unbekannter Ätiologie und
betrifft meist junge Menschen. 14.5.2 Epidemiologie
Da es sich bei der Sarkoidose um ein ausgesprochen
heterogenes Krankheitsbild handelt das prinzipiell alle Die Sarkoidose betrifft meist Erwachsene unter dem
Organe betreffen kann, ist eine einfache Einteilung pro- 40. Lebensjahr, Frauen etwas häufiger (1,2:1) mit ei-
blematisch. Bei mehr als 90% der Betroffenen geht die ner Inzidenz von etwa 16,5/100.000 bei Männern und
14.5 · Sarkoidose
371 14

⊡ Tab. 14.8 Stadien der pulmonalen Sarkoidose

Stadium Röntgen-Thorax-Befund Häufigkeit (%) Rate spontaner Remission (%)

0 Normal 5 bis 10 -

I Bihiläre Lymphadenopathie (BHL) 50 55 bis 90

II BHL und Parenchyminfiltrate 25 40 bis 70

III Parenchyminfiltrate ohne BHL 15 10 bis 20

IV Fibrose 5 bis 10 0 bis 5

(Daten zusammengestellt aus Costabel U 2001)

19/100.000 bei Frauen. Es bestehen starke geographische die ein erhöhtes Risiko aufweisen (HLA-DR 11, 12,
und ethnische Unterschiede mit auffällig hoher Inzidenz 14, 15, 17), während andere eher eine Protektion bie-
in Skandinavien und bei farbigen US-Amerikanern. Die ten (HLA-DR1, DR4, HLA-DQ*0202). Interessante
Mortalität durch Sarkoidose liegt bei ca. 1 bis 5 Prozent Beobachtungen wurden für die Genexpression von
und bedeutet damit keine Übersterblichkeit. Tumor-Nekrose-Faktor α (TNF α) mitgeteilt, die eine
Erklärung für das Dysequilibrium bei Sarkoidose-
patienten bieten könnte. Ein Promoterpolymorphis-
14.5.3 Ätiologie und Pathogenese mus für TNF α konnte bei Patienten mit Löfgren‘s
Syndrom bestätigt werden. Weitere Untersuchungen
Die Ursache der Sarkoidose ist unklar. Es wird bei gene- zeigen, dass dies den Schweregrad der Erkrankung
tisch prädisponierten Individuen eine überschießende T- im Einzelfall beeinflussen kann.
Helferzelltyp-1- (TH1-) Reaktion gegen ein oder mehrere
bisher unbekannte Antigene angenommen. Als Stimuli Immunologie
werden infektiöse und Autoantigene sowie Umweltein- Eine T-Zell-Aktivierung in genetisch empfänglichen Indi-
flüsse vermutet. viduen wird als entscheidender pathogenetischer Faktor
angenommen. Die Interaktion zwischen den weiterhin
unbekanntem/n Antigen(en) und Antigen-präsentieren-
14.5.4 Genetik und Immunologie den Zellen führt als Th1-Antwort zur Aktivierung von
CD4-positiven Lymphozyten (⊡ Abb. 14.34). Die betrof-
Genetik fenen Organe sind entsprechend mit CD4-positiven T-
Die Sarkoidose ist eine genetisch komplexe Erkrankung. Zellen infiltriert. Eine komplexe Entzündungskaskade
Es liegen eine Reihe von Hinweisen vor, die für eine gene- mit weiteren proinflammatorischen Mediatoren, v.a. Che-
tische Prädisposition sprechen: mokinen und Cytokinen, wird initiert, die in Formation
▬ Es besteht eine variable Prävalenz und Inzidenz der nicht-spezifischer Granulome mündet. Bei den meisten
Erkrankung sowie ein erheblicher Unterschied im Patienten bildet sich diese Reaktion spontan zurück. Bei
Schweregrad der Erkrankung bei Individuen unter- einigen werden allerdings Fibroblasten rekrutiert, die
schiedlicher ethnischer Herkunft Matrixproteine produzieren und schließlich zur Fibrose
▬ Beobachtungen für eine familiäre Häufung der Sar- führen. Offensichtlich liegt eine paradoxe Reaktion des
koidose konnten belegt werden. Das relative Risiko Immunsystems der Sarkoidose zugrunde. Während einer-
schwankt zwischen dem 36- bis 73fachen in Studien seits die Lunge eine überschießende, immunologische Re-
aus UK und USA. aktion aufweist, besteht an anderer Stelle eine relative »an-
▬ Es liegen Hinweise für eine HLA-assoziierte Dis- ergy«, die sich z.B. beim negativen Mantoux-Test zeigt.
position vor. Schürmann et al. konnten bei 138 Be- Die zellulären Botenstoffe Tumornekrosefaktor α, In-
troffenen aus 63 Familien mittels Mikrosatelliten terferon γ und Interleukin 2 werden bei Sarkoidose von
Marker für eine genetische Prädisposition finden. den Entzündungszellen deutlich vermehrt produziert und
Dies steht in Einklang mit einer Reihe weiterer Un- fördern die Entstehung von Granulomen. Das Angioten-
tersuchungen, die eine Assoziation der Sarkoidose sin-konvertierende Enzym (ACE) wird in den Epithelo-
zu verschiedenen MHC-II-Allelen belegen konnten. idzellen der Granulome gebildet, was zu erhöhten ACE-
Interessanterweise sind einige Korrelation zu finden, Serumkonzentrationen führt. Das Serum-ACE lässt sich
372 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Antigen
Präsentierende
T-Zelle
Zelle

MHC
HLA T-Zell Rezeptor

Chemokine und IL-1, IL-2, IL-15, IL-18, TNF,


Chemokin Rezeptoren IFN, Rantes, MCP 1

IL-10, IL-12, IL-18 Granulome TNF, IL-8, ACE

Abb. 1
Immunpathologie der
⊡ Abb. 14.34 Schematische Darstellung zur Immunpa- Sarkoidose
thophysiologie der Sarkoidose. (Modifiziert nach Baugh- Resolution Chronischer Verlauf
man et al. 2003) Fibrose

dadurch als Biomarker der »Granulomlast« nutzen und ⊡ Tab. 14.9 Organbeteiligung bei Sarkoidose
wird zur Verlaufsbeobachtung und Therapiesteuerung
genutzt. Offensichtlich fehlen »eindämmende« immuno- Organ Patienten (%)
logische Mechanismen, die diese überschießende Immun- Mediastinale Lymphknoten 95-98
reaktion kontrollieren. Es gibt zunehmend Hinweise, dass
Lunge (Husten, Lungenobstruktion, Bronchi- >90
Sarkoidosepatienten auf harmlose Antigene, wie ubiquitär ektasien, progressive Dyspnoe, Fibrose)
vorkommende atypische Mykobakterien und Propioni-
Leber (geringe Leberenzyme erhöht, selten: 50-80
bakterien, mit einer überschießenden Entzündungsant-
Leberversagen)
wort reagieren, sodass diese möglicherweise eine Rolle in
der Pathogenese der Sarkoidose spielen könnten. Milz (asymptomatische Splenomegalie) 40-80

14 Augen (Uveitis, Keratokonjunktivitis sicca) 20-50


Antigene
Muskuloskeletales System (Gelenkschmerz, 25-39
Wie bereits erwähnt sind infektiöse Organismen, insbe- Myopathie)
sondere Mykobakterien, Borrelia burgdorferi und Propi-
Periphere Lymphadenopathie (meist diskrete 30
onibacterium acnes, wiederholt als potentielle Antigene cervicale, axilläre, inguinal palpable, mobile
der Sarkoidose vermutet worden. Weiterhin führen Expo- Lymphknoten)
sition gegenüber Beryllium, Aluminum und Zirkonium Hämatologische Veränderungen (Anämie, 4-40
zur Granulombildung ähnlicher Morphologie und sind Leukopenie)
dadurch als auslösende Agentien in Verdacht geraten.
Haut (unspezifische Läsionen, Erythema 25
nodosum)

Nervensystem (Hirnnervenparalyse, Raum- 10


14.5.5 Klinik und Symptomatik forderung, periphere Neuropathie, Diabetes
insipidus)
Etwa 90% der Sarkoidosepatienten weisen im Thorax- Herz (Überleitungstörungen, infiltrative 5
röntgenbild leicht erkennbare Befunde wie eine bihilä- Kardiomyopathie, »plötzlicher Herztod«)
re Lymphadenopathie und eine diffuse retikulonoduläre
Hypercalciämie (Nephrocalcinose, Nephroli- 2-10
Zeichnungsvermehrung im Lungenparenchym auf. Eine thiasis, Nierenversagen)
Einteilung in radiologische Typen ist üblich. Sie lässt je-
Speicheldrüse (uni- oder bilaterale Parotitis) <6
doch nur sehr bedingt eine prognostische Aussage zu und
eine Progression der Erkrankung muss nicht mit einer Gastrointestinal (Ösophagus, Appendix, <1
Rektum, Pankreas)
Änderung des Röntgenbefundes verbunden sein.
14.5 · Sarkoidose
373 14
14.5.6 Augenmanifestationen bei
Sarkoidose

Klinische Manifestation und Symptome


Bei bis zu 80% der Patienten mit systemischer Sarkoidose
liegt eine Augenbeteiligung vor. Überwiegend präsentiert
sie sich als Uveitis anterior. Bei ca. 25% der Patienten ist
der hintere Augenabschnitt mit Uveitis posterior oder
Optikoneuropathie betroffen.

Praxistipp I I
Die Sarkoidose ist eine der häufigsten Systemerkran-
kungen bei allen Formen endogener Uveitis (anterior-
posterior) und sollte entsprechend bei der Differential-
diagnostik berücksichtigt werden.

Vorderer Augenabschnitt
Orbitabeteiligungen zählen mit weniger als 1% zu den
eher seltenen klinischen Manifestationen einer Sarkoido-
se. Sie können als symptomatische, schmerzhafte Oph-
thalmoplegie ggf. mit Visusminderung imponieren und
als initiale Präsentation in Erscheinung treten. Eine ein-
oder beidseitige Tränendrüsenaffektion wurde bei 7% bis
zu 70% v.a. farbiger Patienten mitgeteilt. Sie verläuft meist
asymptomatisch, kann allerdings zu Keratokonjunktivitis
sicca und ggf. Diplopie führen.
Im Rahmen der Hautbeteiligung bei Sarkoidose
können Lidveränderungen als schmerzfreie subkutane
Knötchen auftreten. Die Skleritis wird als eine eher sel- ⊡ Abb. 14.35 Anteriore, granulomatöse Uveitis. Koeppe-Knötchen
tene Präsentation der Sarkoidose beobachtet. Sie wurde am Irissaum. Sekundäre intraokulare Drucksteigerung bei Granulo-
überwiegend als noduläre oder diffuse Skleritis klassifi- men im Kammerwinkel
ziert. Als eine frühe klinische Präsentation wurden häufig
Bindehautgranulome beschrieben, die sich zur leicht zu-
gänglichen Biopsie und Diagnosesicherung anbieten. Sie nehmen einen undulierenden Verlauf. Sie sind überwie-
reagieren rasch auf eine Steroidtherapie und sollten daher gend bilateral mit granulomatösen Hornhautpräzipitaten,
initial sorgfältig abgeklärt werden. Chronische Verläufe und Irisveränderungen wie bereits beschrieben. Etwa die
der Konjunktivitis wurden mit sekundären Veränderun- Hälfte der Betroffenen weist einen rezidivierenden Ent-
gen als KKS, Symblepharonbildung und pemphigoidähn- zündungsverlauf mit posterioren Synechien, Sekundärg-
lichen Verläufen beobachtet. laukom und Katarakt auf (⊡ Abb. 14.36). Ein Übergang
in eine Panuveitis wird nicht selten beobachtet und bei
Akute anteriore Uveitis. Als akute anteriore, häufig uni- zusätzlicher Glaskörperbeteiligung treten zystoide Maku-
laterale Uveitis wird die intraokulare Entzündung v.a. laödeme als wesentliche Komplikation hinzu.
im Rahmen des Löfgren-Syndrom gesehen. Erythema
nodosum und bilaterale Lymphadenopathie der Lunge Hinterer Augenabschnitt
begleiten die granulomatösen Uveitis. Irisknötchen am Intermediäre Uveitis. Glaskörperinfiltrationen mit
Pupillarsaum (Koeppe-Knötchen) oder im Irisstroma »Schneebällen« v.a. in der unteren Zirkumferenz kön-
(Bussaka-Knötchen) sind klassische Befunde, die al- nen als charakteristisches, allerdings nicht diagnostisches
lerdings nicht obligat sind (⊡ Abb. 14.35). Intraokulare Zeichen einer Sarkoidose beobachtet werden. Sie kön-
Druckanstiege sind ggf. Leitbefund. nen als initiale Präsentation aber auch noch Jahre nach
systemischer Erkrankung auftreten. Zusammen mit der
Chronische anteriore Uveitis. Chronische, anteriore Abklärung einer latenten Enzephalitis disseminata und
intraokulare Entzündungen verlaufen häufig subtil und Borrelieninfektion sollte daher die Differentialdiagnose
374 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 14.36 Beidseitig anteriore, granulomatöse Uveitis. Kornea-


Endothelpräzipitate bei einem 32-jährigen Patienten mit intraokularer
Reizzustand und Irishyperämie

einer Sarkoidose bei Patienten mit intermediärer Uveitis


14 in Betracht gezogen werden. b

Posteriore Uveitis. Entzündliche Veränderung der re-


tinalen Gefäße, der Retina des RPE und der Choroidea
können als isolierte, okuläre Manifestation der Sarkoido-
se auftreten. Beteiligungen des hinteren Augenabschnit-
tes werden häufiger bei europäischen im Gegensatz zu
amerikanischen Patienten beobachtet. Mit 14-43% ist die
Manifestation häufig und wird mit einem erhöhten Risi-
ko einer ZNS-Beteiligung in Verbindung gebracht.
Als typische Veränderung werden Periphlebitis, selten
Arteriitis bei Sarkoidose beobachtet, die segmental mit
Gefäßeinscheidungen einhergehen (⊡ Abb. 14.37). Mor-
phologisch werden sie auf Zellinfiltration an Arealen
einer gestörten inneren Blut-Retina-Schranke zurückge-
führt. Sie sind unspezifisch und können auch bei anderen
Erkrankungen auftreten (Multiple Sklerose).
Häufig handelt es sich um einen Zufallsbefund der c
asymptomatisch besteht.
Es können allerdings auch Leckage und Gefäßver- ⊡ Abb. 14.37 Posteriore Uveitis bei Sarkoidose. Perivaskulitis peri-
schluss auftreten, die mit schweren klinischen Erschei- pherer, venöser Gefäße. b,c Angiographische Darstellung
14.5 · Sarkoidose
375 14
Choroiditis. Solitäre Aderhautgranulome können weit-
gehend isoliert ohne Glaskörperinfiltration oder beglei-
tender anteriore Uveitis auftreten. Sie können von einer
exsudativen Ablatio begleitet sein und u.U. den Eindruck
eines metastatischen Aderhauttumors erwecken.
Treten multiple choroidale Läsionen am hintern Pol
auf, sind als Differentialdiagnosen Birdshot Retinochori-
ditis und multifokale Choroiditis zu berücksichtigen. Die
Sarkoidose führt aber insbesondere zu kleinen choriore-
tinalen Läsionen der unteren Zirkumferenz im Gegensatz
zu den genannten Differentialdiagnosen (⊡ Abb. 14.38).
Angiographische Darstellungen, bevorzugt als Indozya-
ningrün (ICG) können Aufschluss über die morphologi-
sche Situation bieten und ggf. choroidale Neovaskularisa-
tionen darstellen.
Andere eher seltene Manifestationen des hinteren AA
können sich als posteriore Skleritis, meist mit Schmerzen
assoziiert darstellen.

Neurophthalmologische Präsentationen. Bei ca. 12%


der Patienten mit Sarkoidose treten neurologische Be-
schwerden auf. Eine neurophthalmologische Beteiligung
wird bei ca. jedem 4. der Betroffenen durch Neuritis,
Hirnnervenparese oder Enzephalopathie symptoma-
tisch. Durch direkte Infiltration des neuronalen Gewebes,
Kompression oder chronische Meningitis werden unter-
schiedlichste klinische Bilder beobachtet, die häufig nur
schwierig von multipler Sklerose und uveomenigealen
Syndromen (VKH) zu differenzieren ist. In der Magne-
tresonanztomographie des Schädels lässt sich ein ZNS-
Befall am besten erfassen. Besonders charakteristisch
ist die Granulombildung im Hypophysenstil, die häufig
zum Diabetes insipidus führt. Neben der Granulombil-
⊡ Abb. 14.38 Posteriore Uveitis bei Sarkoidose. Multifokale Choroidi- dung wurden auch basale Meningitiden und insultartige
tis. Deutliche Darstellung in der ICG-Angiographie Krankheitsbilder beschrieben. In den letzten Jahren hat
sich die FDG-Positronenemmissionstomographie als ein
sehr hilfreiches Instrument erwiesen, die das Ausmaß
nungen einhergehen. Ödem, intraretinale Blutung, Isch- des Organbefalls bei nachgewiesener aktiver Sarkoidose
ämie und Cotton-wool-Herde sind Folgeerscheinungen. einzuschätzen vermag.
Perivenöse Erscheinungen mit »Kerzenwachsphänomen«
wurden von Franceschetti (»tache de bougie«) beschrie-
ben, sie sind allerdings eher selten zu finden. Aufgrund 14.5.7 Sarkoidose im Kindesalter
der Ischämie können bei ca. 10% der Patienten mit
Netzhautbeteiligung und Sarkoidose Neovaskularisatio- Eine Sarkoidose tritt im Kindesalter sporadisch auf und
nen auftreten. Sowohl im Papillenbereich als auch intra- ist damit eine seltene Ursache für intraokulare Entzün-
retinal können sie zu Glaskörpereinblutung führen und dungen in diesem Alter. Die wichtigste Differentialdiag-
treten eher im jüngeren Lebensalter auf. Pathogenetisch nose ist die idiopathische juvenile rheumatoide Arthritis
kommen sowohl primär entzündliche als auch ischämi- (JIA), die in bis zu 80% der Fälle als Ursache für eine
sche Mechanismen in Frage. Daher sind Angiographien anteriore Uveitis im Kindesalter gilt. Bei Kindern kön-
der Retina bei Sarkoidose ein wichtiges diagnostisches nen zwei altersbezogene Präsentationen der Sarkoidose
Hilfsmittel um die Entscheidung in Richtung einer im- unterschieden werden. Bis zum 5. Lebensjahr steht eine
munsuppressiven Behandlung bzw. Laserkoagulation zu Symptomtrias aus Hautbeteiligung, Arthritis und Uveitis
unterstützen. im Vordergrund (⊡ Abb. 14.39). Hierbei tritt eine Uveitis
376 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

der Sarkoidose. Dadurch erklärt sich, dass die Diagno-


se oft verzögert gestellt wird. Patienten mit primären
Lungensymptomen werden deutlich später diagnostiziert
im Gegensatz zu Patienten, die sich mit dermatolo-
gischen Beschwerden präsentieren. Etwa 30-50% der
Sarkoidosepatienten sind asymptomatisch und werden
durch Röntgen-Thoraxuntersuchungen in der Routine
entdeckt. Als essentielle Faktoren der Diagnose werden
Klinik, radiologische Befunde, und histopathologische
Bestätigung der Verdachtdiagnose gefordert. Bei extra-
pulmonaler Sarkoidose kann die histopathologische Di-
agnosesicherung durch betroffene Hautareale, oder auch
Bindehautbiopsie erfolgen.
Die transbronchiale Lungenbiopsie ist oft nicht zu
vermeiden und bietet eine diagnostische Sicherung zwi-
schen 60% bis über 90%. Geringere Risiken und nahezu
gleich hohe diagnostische Wertigkeit kann mit endob-
ronchialer Nadelaspiration unter Ultraschallkontrolle
erreicht werden.
Die Bronchoalveolarlavage (BAL) bei Patienten mit
aktiver Lungensarkoidose weist meist eine Lymphozy-
tose mit Ratio von 3,5 und höher der CD4/CD8-Lym-
phozyten auf. Allerdings sind Sensitivität und Spezifität
nicht ausreichend, um die Diagnose zu sichern. Der
typische Befund einer BAL-CD4-Lymphozytose ist je-
doch nicht beweisend für eine Sarkoidose und kann auch
bei anderen Lungenerkrankungen, beispielsweise einer
»Rheumalunge«, auftreten. Mit Hilfe der BAL lässt sich
⊡ Abb. 14.39 Sarkoidose. Hautmanifestation bei einem 8-jährigen jedoch außerdem eine infektiöse Ursache der granulo-
Mädchen matösen Erkrankung ausschließen, und sie kann dazu
beitragen, die Aktivität der Sarkoidose zu beurteilen. Im
Rahmen der Routinediagnostik sollte immer eine Kul-
14 tur auf Mykobacterium tuberculosis und Pilze angelegt
bei bis zu 75 % der Kinder auf. Differentialdiagnostisch werden. Die Gallium-67-Szintigraphie hat weitgehend
muss das Blau-Syndrom in Betracht gezogen werden. Bei an Bedeutung verloren, da sie ebenfalls wenig spezifische
älteren Kindern steht die Lungenerkrankung im Vorder- Befunde liefert.
grund. Hier finden sich aber ebenfalls Augenbeteiligung
sowie Haut-, Leber- und Milzbeteiligungen. Die Arthritis Laboruntersuchungen
fehlt bei diesen Kindern jedoch häufig. Insgesamt ist der Das Serum Angiotensin converting enzym (ACE) wird
Krankheitsverlauf bei den älteren Kindern ähnlich dem in den Epitheloidzellen der Granulome gebildet, was zu
bei Erwachsenen. erhöhten ACE-Serumkonzentrationen führt. Diese sind
für den Blutdruck irrelevant. Obwohl das ACE bei ca.
Praxistipp I I 50-80% aktiver Sarkoidose erhöht ist, sind Sensitivität
Atypische Verläufe sind v.a. bei Kleinkindern (<5 Jah- und Spezifität nicht adäquat, um die Diagnose zu stel-
ren) zu beobachten – Hautbeteiligungen sind hier ggf. len. Bei etwa 20-50% Patienten liegt ein unauffälliger
häufiger als pulmonale Manifestationen. ACE-Spiegel vor. Dies kann auf ein frühes oder inaktives
Stadium, oder einen chronisch »ausgebrannten« Befund
zurückgeführt werden.
Die Höhe des Serumspiegels hat keinerlei prog-
14.5.8 Diagnostik nostische Bedeutung. Das Serum-ACE lässt sich je-
doch als Biomarker der Granulomlast nutzen und
Aufgrund der hohen Variabilität der Erkrankung gibt es wird zur Verlaufsbeobachtung und Therapiesteuerung
keinen allgemein gültigen Algorithmus zur Diagnostik genutzt.
14.5 · Sarkoidose
377 14

⊡ Tab. 14.10 Differentialdiagnosen der pulmonalen Sarkoidose


Empfehlungen zur diagnostischen Abklärung
bei Verdacht auf Sarkoidose Differentialdiagnose Charakteristika
▬ Anamnese (berufliche und allgemeine Exposition, Bronchialkarzinom Noduläre Verschattungen
Symptome) Lymphatische Systemerkran- Lymphadenopathie
▬ Körperliche Untersuchung kungen
▬ Röntgen-Thorax a-p Andere interstitielle Lungen- Infiltrate, Lungenfunktions-
▬ Lungenfunktionsprüfung: Spirometrie und Diffusion erkrankungen störungen
Kapazität für CO2 Exogen-allergische Alveolitis Nachweis von Granulomen
▬ Blutbild Tuberkulose, atypische Myko- Nachweis von Granulomen
▬ Serum: Calcium, Leberenzyme (ATP, GOT, alkalische bakteriosen
Phosphatase), Kreatinin
Aspergillose Nachweis von Granulomen
▬ Urinanalyse
Pneumokoniosen Konsolidierende Infiltrate
▬ Elektrokardiogramm
▬ Augenärztliche Untersuchung Bronchiolitiden, Langerhans- Granulome
Zell-Histiozytose
▬ Tuberkulin test
Blau-Syndrom Kutane Granulome, Uveitis
im Kindesalter
Berylliose Metallverarbeitende Berufe
14.5.9 Differentialdiagnostik Aus Prasse A, Müller-Quernheim J (2009)

Neben den bereits genannten infektiösen Ursachen für


granulomatöse Entzündungen sollte bei pulmonalem Be- tion der Sarkoidose durch ein Löfgren-Syndrom keine In-
fall differentialdiagnostisch eine Berylliose ausgeschlos- dikation zur Einleitung einer Kortikosteroidtherapie dar.
sen werden. Hierbei handelt es sich um eine Berufser- Da diese Sarkoidoseform eine ausgesprochen gute Pro-
krankung, die bei Zahntechnikern, Werkzeugmachern gnose mit einer Spontanheilungsrate von über 80% auf-
und Drehern zu finden ist. weist, sollte bei diesem Krankheitsbild primär zugewartet
Zudem gibt es eine Reihe von Erkrankungen, in deren werden. Nach den internationalen Leitlinien wird die
Rahmen es zum Auftreten von sog. »sarcoid like lesions« Einleitung einer Kortikosteroidtherapie im Rahmen eines
kommen kann. Hierbei handelt es sich um lymphozytäre Löfgren-Syndroms nur in Einzelfällen bei sehr schweren
Entzündungen mit epitheloidzellhaltigen Granulomen, Allgemeinsymptomen empfohlen. Beobachtungsstudien
die histologisch nicht von der Sarkoidose abgegrenzt haben gezeigt, dass eine Sarkoidose mit Indikation für
werden können. »Sarcoid like lesions« können im Rah- systemische Kortikosteroide zu häufigen Rezidiven neigt.
men der »common variable immunodeficiency« (CVID), Generell sollte eine einmal eingeleitete systemische
einer HIV-Erkrankung und bei Tumorerkrankungen auf- Therapie mit Kortikosteroiden für mindestens 6 Monate
treten. Bei einer granulomatösen Entzündung zervikaler erfolgen. Begonnen wird mit 0,5–1,0 mg/kg KG Predni-
und mediastinaler Lymphknoten sollte immer neben der solon, darauf folgt meist eine Reduktion um 10 mg im
Tuberkulose auch an eine atypische Mykobakteriose oder 4-Wochen-Intervall. Aufgrund der Hyperkalzämienei-
Bartonelleninfektion gedacht werden. gung sollte auf die Gabe von Vitamin-D-Präparaten zur
Osteoporoseprophylaxe verzichtet werden.
Bei etwa 5% der mit systemischen Kortikosteroiden
14.5.10 Therapie behandelten Patienten gelingt es nicht, die Erkrankung
mit einer dauerhaften Kortikoiddosis unterhalb der Cus-
Lebensbedrohliche Organmanifestationen bzw. Manifes- hinggrenze zu kontrollieren. Bei diesen Patienten kann
tationen, die eine Organfunktion gefährden, stellen eine eine immunsuppressive Kombinationstherapie mit Aza-
klare Indikation zur Kortikosteroidtherapie dar. Bei Be- thioprin oder Methotrexat und Prednisolon hilfreich sein.
fall des zentralen Nervensystems bzw. einer kardialen Bei Therapieversagen bzw. Krankheitsprogress unter
Sarkoidosemanifestation sollte unabhängig vom Ausmaß einer immunsuppressiven Kombinationstherapie ergeben
des Befalls eine systemische Kortikosteroidtherapie einge- sich derzeit mehrere Möglichkeiten. Zunächst kann auf
leitet werden. Bei allen anderen Organbeteiligungen kann eine Tripeltherapie mit Prednisolon, Methotrexat und
die Einleitung einer Kortikosteroidtherapie vom Ausmaß Azathioprin eskaliert werden. Weiterhin kann die zu-
und der Funktionseinschränkung des Organs abhängig sätzliche Gabe von Anti-TNF-Therapien (z.B. Infliximab)
gemacht werden. Insbesondere stellt die akute Manifesta- erwogen werden. Diese Präparate sind jedoch bisher
378 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

nicht für die Sarkoidose zugelassen. Bei sehr hoher Ent-


zündungsaktivität kann als 3. Stufe der Behandlung der ▬ Nasenschleimhautbeteiligung
Einsatz einer immunsuppressiven Kombination aus Cyc- ▬ Nephrokalzinose
lophosphamid und Prednisolon erwogen werden. ▬ Neurosarkoidose
Bei einer relativen Therapieindikation, wie z. B. persis- ▬ Progressive Lungenfibrose
tierendem unproduktivem Husten, der beruflich sehr be-
hindernd sein kann, bietet sich einerseits die Therapie mit
inhalativen Kortikoiden oder auch eine systemische Thera- Fazit für die Praxis
pie mit Pentoxifyllin an. Letzteres ist ein schwacher Phos- Bei der Sarkoidose handelt es sich um ein ausgesprochen
phodiesterasehemmer, der bereits als Monotherapeutikum heterogenes Krankheitsbild. Sehr häufig tritt eine begleiten-
die Freisetzung von Zytokinen wie Tumor-Nekrose-Fak- de, u.U. auch intiale Manifestation (20%), am Auge auf. Bei
tor α und Interleukin 6 inhibiert, die für die Unterhaltung mehr als 70% der Betroffenen tritt die Augenbeteilung als
der Inflammation bei Sarkoidose unabdingbar sind. Die anteriore Uveitis, gefolgt von intermediärer und posteriorer
empfohlene Dosis beträgt 25 mg/kg KG auf 2 oder mehr Uveitis auf. Entsprechend sind diagnostische Maßnahmen
Tagesdosen verteilt, die häufig wegen gastrointestinaler Ne- mit Kollegen anderer Fachdisziplinien zu treffen.
benwirkungen nicht erreicht wird. Pentoxifyllin kann auch
in Kombination mit Prednisolon zum Einsatz kommen.
Eine neue Therapieoption bieten intravitreale Stero- 14.6 Nekrotisierende Vaskulitis
idimplantate (z.B. Ozurdex). Bei Patienten mit überwie-
gender Augenbeteiligung, insbesondere mit Makulaödem, S. Winterhalter, F. Hiepe, N. Stübiger, U. Pleyer
kann oft ein rascher, anhaltender Therapieerfolg erreicht
werden. Die potentiellen Risiken und unerwünschten Die nekrotisierende retinale Vaskulitis kann unterteilt
Wirkungen der Steroidtherapie sind zu berücksichtigen. werden in:
1. Infektiöse nekrotisierende Vaskulitis
Praxistipp I I 2. Immunologisch vermittelte nekrotisierende Vaskulitis
Intravitreale Steroidimplantate sind eine neue Behand-
lungsoption die – unter Berücksichtung der potientel-
len Risiken – günstige Verläufe gezeigt haben.
14.6.1 Infektiöse nekrotisierende Vaskulitis

Infektiöse Ursachen für retinale Vaskulitiden


14.5.11 Prognose Bakteriell
14 ▬ Tuberkulose
Die Sarkoidose nimmt häufig einen guten Spontanverlauf ▬ Syphilis
mit vollständiger Ausheilung. Bei ca. jedem 3. Patienten ▬ Borreliose
ist jedoch mit einem chronischen Verlauf zu rechnen. ▬ M. Whipple
Obwohl fatale Verläufe bei pulmonaler, kardialer und neu- ▬ Brucellose
rologischer Sarkoidose vorkommen, konnten epidemiolo- ▬ Katzenkratzkrankheit/Bartonellose
gische Studien für europäische Kohorten keine Übersterb- ▬ Endophthalmits
lichkeit im Vergleich zur Gesamtbevölkerung zeigen.
Viral
▬ Humanes-T- Zell-Lymphom-Virus Typ 1
Prognose der Sarkoidose ▬ Zytomegalievirus (CMV)
▬ Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2 (HSV1, HSV2)
Faktoren, die zur eingeschränkten Prognose führen
▬ Varicella-zoster-Virus (VZV)
▬ Höheres Alter > 40 Jahre
▬ Rift-Valley-Fieber-Virus
▬ Farbige Patienten
▬ Hepatitisvirus
▬ Kardiale Beteiligung
▬ HIV, Acquired immunodeficiency syndrome (AIDS)
▬ Chronische Hyperkaliämie
▬ West-Nile-Virus-Infektion
▬ Chronische Uveitis
▬ Zystische Knochenläsionen Parasiten
▬ Lupus pernio ▬ Toxoplasmose
▼ ▬ Rickettsien: Mittelmeer-Zecken-Fleckfieber
14.6 · Nekrotisierende Vaskulitis
379 14
Da Herpesviren die häufigste Ursache infektiöser, nekroti- 1971 durch Urayama als Kirisawa-Uveitis beschrieben. Von
sierender, retinaler Vaskulitiden darstellen, werden sie an der ARN ist die progressive äußere Retinanekrose (PORN)
dieser Stelle detaillierter dargestellt. Für die herpetische, ne- mit Erstbeschreibung 1990 abzugrenzen. Ursache für ARN
krotisierende, retinale Vaskulitis wurde der Begriff der aku- und PORN können alle Viren der Herpesgruppe sein. Das
ten Retinanekrose (ARN) eingeführt. Sie wurde erstmalig VZV scheint jedoch den häufigsten Auslöser darzustellen.

Epidemiologie
Die Literatur belegt eine charakteristische Altersvertei-
lung: Bei Patienten unter 25 Jahren wird die ARN meis-
tens durch HSV2 verursacht. Im Gegensatz dazu wird
bei älteren Patienten eher HSV1 oder VZV gefunden.
Die HLA- Phänotypen HLA-DQw7, Bw62, DR4, Aw33,
B44, DRw6 und DR9 sind gehäuft bei Patienten mit ARN
zu finden, wobei aggressivere Verlaufsformen mit dem
HLA-DR9-Phänotyp vergesellschaftet zu sein scheinen.

Klinik
⊡ Abb. 14.40 Histopathologischer Befund einer 72-jährigen verstor-
benen Patientin mit M. Waldenström und akuter Retinanekrose durch
Fundoskopisch sind gelb-weiße Herde, die alle Netzhaut-
HSV1, HE-Färbung (langer weißer Pfeil vollständig nekrotisierte Netzhaut; schichten infiltrieren (⊡ Abb. 14.40,⊡ Abb. 14.41), zu fin-
kurzer weißer Pfeil retinales Pigmentepithel; schwarzer Pfeil Choroidea) den. Da die ARN eine okklusive Vaskulitis darstellt, treten

a b

c d

⊡ Abb. 14.41 a Für ARN typisches, landkartenartiges, konfluierendes Infiltrations- und Nekrosemuster des rechten Auges bei Erstvorstellung
mit anamnestischer Visusverschlechterung seit 1 Woche; nachfolgend Erstdiagnose HIV. b Gleicher Patient wie in a mit beginnender Bilaterali-
sation des linken Auges 9 Tage später mit einem eher für PORN typischen Infiltrationsmuster unter Therapie. c,d Rasche Progression der retina-
len Infiltrate des linken Auges innerhalb weniger Tage
380 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

zeitgleich perivaskuläre Blutungen, Gefäßeinscheidungen


und Obliterationen auf. Eine für Herpesviren typische Diagnosekriterien der progressiven äußeren
granulomatöse Uveitis anterior liegt häufig zeitgleich vor. Retinanekrose (PORN)
Eine virale Meningitis (HSV2) und Enzephalitis (HSV1) Erforderliche Kriterien PORN i.G. zu ARN:
kann die ARN begleiten. ▬ Primärer Befall der äußeren Retinaschichten mit
anfangs minimaler Beteiligung der inneren Retina-
Praxistipp I I schichten
Bei Vorliegen einer herpetischen Uveitis anterior sollte ▬ Primär keine Vaskulitis, erst im Verlauf auftretend;
in jedem Fall eine Fundusuntersuchung in Mydriasis retinale Vaskulitis nur in Gebieten mit retinaler Nek-
erfolgen, um eine ggf. gleichzeitig vorliegende ARN rose oder an diese angrenzend
nicht zu übersehen. ▬ Eher multifokale kleine Infiltrationsareale ohne gra-
Die ARN zeichnet sich im Wesentlichen durch die Trias nuläre Grenzen mit Ausbreitung zum hinteren Pol;
»Retinitits, Arteritis und Vitritis« aus. spätere Tendenz zu konfluieren
▬ Lokalisation in peripherer Retina mit oder ohne
Makulabeteiligung
▬ Minimaler oder nicht vorhandener intraokularer
Diagnosekriterien Reizzustand
1994 wurden Standarddiagnosekriterien von der Ameri- ▬ Extrem schnelle Krankheitsprogression
kanischen Uveitisgesellschaft zur ARN veröffentlicht die
interessanterweise den Virusnachweis nicht einschlie- Diagnose unterstützendes, aber nicht erforderliches
ßen. Die PORN grenzt sich von der ARN durch eine Kriterium PORN:
extrem schnelle Progression mit Konfluierung der an- ▬ Perivenöse Aufhellung retinaler Infliltrate
fangs eher multifokalen kleinen Infiltrationsareale ab.
Ein intraokularer Reizzustand ist nur gering oder gar
nicht vorhanden. Ein immunsupprimierter Zustand, z.B.
durch Aids, begünstigt dabei den sehr aggressiven Er- Differentialdiagnosen
krankungsverlauf. Nach den Untersuchungen von Balansard et al. muss bei
Patienten mit primär vermuteter nekrotisierender Reti-
nitis in 30% nach molekularer Testung eine anderweitige
Diagnosekriterien der akuten Retinanekrose Diagnose gestellt werden. Die atypische Toxoplasmosere-
(ARN) tinochoroiditis nimmt dabei die erste Stelle ein.
Erforderliche Kriterien ARN: Die Differentialdiagnose umfassen:
14 ▬ Eine oder mehrere alle Netzhautschichten betref- ▬ Atypische Toxoplasmoseretinochoroiditis
fende Infiltrationsareale mit unscharf begrenzten ▬ Syphilis
Rändern, die in der peripheren Netzhaut, meist ▬ M. Behçet
im Bereich der temporalen Gefäßbögen gelegen ▬ Intraokulares Lymphom
sind. Makuläre Läsionen dienen hierbei nicht als
Ausschlusskriterium, auch wenn sie wesentlich Diagnostik
seltener vorkommen Für alle Formen infektassoziierter intraokularer Entzün-
▬ Schnelle Krankheitsprogression durch Läsi- dungen ist der Erregernachweis hilfreich um eine gezielte
onsausbreitung oder Entwicklung neuer Läsi- Behandlung einzuleiten. Dies trifft insbesondere für ful-
onen minante und visusbedrohende Verläufe, z.B. bei ARN, zu.
▬ Zirkumferentielle Läsionsausbreitung Idealerweise ist der klinische Verdacht durch Vi-
▬ Okklusive Vaskulopathie mit Einbeziehung der rusnachweis mittels PCR oder Antikörpersynthese zu
kleinen Arteriolen bestätigen. Die Sensitivität der PCR-Analyse wird für
▬ Vorderkammer- und Glaskörperreizzustand HSV- und VZV-DNA im Kammerwasser mit 25-100%
angenommen. Vergleichbare Ergebnisse können mit der
Diagnose unterstützende, aber nicht erforderliche Antikörpersynthese und Bildung des Goldmann-Wit-
Kriterien ARN: mer-Koeffizienten (GWK) erreicht werden. Beide Ver-
▬ Optikusneuropathie und -atrophie fahren können als komplementär angesehen werden und
▬ Skleritis sind u.a. vom Zeitpunkt der Entnahme abhängig. In der
▬ Schmerzen Frühphase weist die PCR-Analyse eine höhere Sensitivität
und hohe Spezifität auf, während der Nachweis durch
14.6 · Nekrotisierende Vaskulitis
381 14
Antikörpersynthese ca. 5 Tage nach klinischer Sympto- Aciclovir. Intravenös verabreichtes Aciclovir ist die The-
matik ebenfalls eine hohe Sensitivität bei geringerer Spe- rapie der 1. Wahl bei HSV und VZV-bedingter ARN.
zifität aufweist. Eine vergleichbar schlechtere Wirksamkeit besteht gegen
CMV. Wenn innerhalb der ersten 2-4 Tage kein thera-
Praxistipp I I peutischer Effekt nachzuweisen ist, muss eine Umstel-
Bei Aids-Patienten empfiehlt sich eine PCR-Bestim- lung des Virustatikums in Erwägung gezogen werden.
mung, da aufgrund des Immunstatus unter Umstän- Aciclovirresistenzen sind durch eine Mutation im viralen
den keine relevante AK-Produktion stattfindet. Thymidinkinase-Gen möglich.

Foscarnet. Foscarnet zeigt eine gute Wirksamkeit gegen


Die klinisch u. U. schwierige Differenzierung zwischen alle Herpesviren sowie gegen einige Retroviren wie HIV
HSV- und VZV-Infektion kann durch Kammerwasser- bei allerdings hoher Nephrotoxizität.
analyse differenziert werden.
Hinsichtlich der Differentialdiagnosen ist im Gegen- Ganciclovir. Da Ganciclovir eine 10- bis 15fach bessere
satz zu den viralen Erkrankungen der GWK bei einer Wirksamkeit gegen CMV aufweist als Aciclovir, sollte
atypischen Toxoplasmoseretinochoroiditis bereits zu Er- Ganciclovir Medikament der 1. Wahl bei nachgewiese-
krankungsbeginn positiv und damit zu deren Ausschluss nem CMV- und EBV-Virus sein. Ganciclovirresistenzen
sehr hilfreich. sind aufgrund einer Mutation der UL97-Kinase des
Serologische Untersuchungen sind wenig aussage- CMV-Virus möglich. Aufgrund der möglichen Neben-
kräftig und bei der akuten Problematik selten hilfreich. wirkungen muss eine strenge Indikationsstellung er-
Die isolierte, okuläre Infektion mit Herpesviren führt folgen.
nicht notwendigerweise zur Antikörperbildung im Se- Nach einer initialen intravenösen Therapiephase von
rum. Ein verwertbarer Titeranstieg ist zudem erst inner- 7-10 Tagen kann bei ARN und PORN je nach Netzhaut-
halb von ca. 2 Wochen zu erwarten. Zusätzlich können befund eine Umstellung auf eine orale Anschlusstherapie
Kreuzreaktionen bei HSV und VZV und polyklonale erfolgen. Sie ist immens wichtig, um den Befall des Part-
Stimulierung bei CMV die serologischen Ergebnisse ver- nerauges (BARN) zu vermeiden. Da die höchste Gefahr
fälschen. der BARN innerhalb der ersten 14 Wochen besteht, emp-
fiehlt sich eine niedrig dosierte (2- bis 3-mal 400 mg/
Praxistipp I I Tag) orale Therapie mindestens über diesen Zeitraum.
Bei V.a. ARN oder PORN sowie unklaren Befunden Falls keine medikamentöse Unverträglichkeiten bestehen,
sollte nie auf eine Vorderkammerpunktion mit dem sollte die orale Anschlusstherapie jedoch besser über 6 bis
Versuch eines Erregernachweises verzichtet werden, da 12 Monate fortgesetzt werden. Mögliche Bilateralisatio-
diese einen sehr hohen diagnostischen Wert bei gerin- nen wurden noch nach 34 Jahren beschrieben.
gem Nebenwirkungspotential bietet.
Bei Aids-Patienten empfiehlt sich eine PCR- aber kei-
Praxistipp I I
ne AK- Bestimmung aus dem Vorderkammerpunktat Aciclovir- und Ganciclovirresistenz müssen bedacht
durchzuführen, da aufgrund des Immunstatus unter werden, falls es unter der Therapie zu keiner zügigen
Umständen keine relevante AK-Produktion stattfindet. Befundstabilisierung kommt. In diesem Fall sollte eine
antivirale Therapieumstellung oder Kombinationsthe-
rapie zügig erfolgen, um verheerende Folgen für den
Patienten zu vermeiden!
Therapie
Behandlungsgrundsätze
Die Therapie der ARN basiert auf antiviralen und anti-
entzündlichen Wirkstoffen. Alle bisher verfügbaren anti- Intravitreale Injektionen. Da durch intravitreale Gan-
viralen Pharmaka sind lediglich virustatisch wirksam und ciclovir- und Foscarnetgaben hohe intraokulare Spiegel
eliminieren nicht die Erreger. Rezidive und ggf. Befall erreicht werden können bei geringer systemischer Belas-
des Partnerauges können durch längerfristige antivira- tung, sind sie eine sinnvolle Therapieergänzung bei ARN
le Behandlung vermindert werden. Da die ARN einen und PORN. Als Injektionsschema wurde empfohlen:
akuten ophthalmologischen Notfall mit Visusbedrohung ▬ Sodium-Ganciclovir (2 mg/0,05 ml) oder
darstellt, sollte initial mit einer intravenösen Virustati- ▬ Foscarnet (1,2 mg/0,05 ml) 3-mal/Woche innerhalb
katherapie begonnen werden. Als Wirkstoffe kommen in der ersten beiden Wochen; dann 1- bis 2-mal/Woche
Betracht Aciclovir, Foscarnet und Ganciclovir. bis zur Stabilisierung der Retinitis.
382 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Praxistipp I I anteriore PVR mit schlechter Prognose zu vermeiden.


Die Silikonöltamponade ist der Gastamponade aufgrund
Trotz guter Wirksamkeit intravitrealer, antiviraler Injek-
der meist großen Nekroseareale deutlich überlegen. Die
tionen sollte bei ARN und PORN niemals auf eine be-
Frühvitektomie (vor Auftreten von Foramina) mit Endo-
gleitende antivirale Systemtherapie verzichtet werden,
laserabriegelung und Endotamponade führt zwar zu ei-
da nur diese eine zeitgleich vorliegende Meningitis/
ner niedrigen Amotiorate, die ungünstige Visusprognose
Encephalitis behandelt und vor einer BARN schützt.
scheint jedoch nicht verbessert zu werden. Optikusatro-
phie (⊡ Abb. 14.43) und retinale Ischämie sind vermutlich
Weitere Therapiemaßnahmen für den Endvisus ausschlaggebend.
Durch die antivirale Therapie werden die immunologi-
schen Prozesse (Vitritits, Vaskulitis) jedoch nicht beein-
flusst. Diese werden durch lokal und oral verabreich-
te Glukokortikoide (0,5 mg/kg KG) unter antiviralem
Schutz behandelt. Vaskulopathie und gesteigerte Throm-
bozytenplättchenaggregation führen zur Vasookklusion
und Schädigung des N. opticus. Eine prophylaktische
ASS-Gabe wird kontrovers diskutiert, da hierunter Glas-
körperblutungen auftreten können.

Vitrektomie
Rhegmatogene und traktionsbedingte Amotio treten bei
bis zu 80% der Patienten auf und stellen die häufigste
Komplikation von ARN und PORN dar (⊡ Abb. 14.42).
Ursächlich sind oft multiple Foramina, die insbeson-
dere im Grenzbereich zwischen atropher und intakter
Netzhaut auftreten. Traktionsbedingte Amotiones wer-
den durch fibrotische Glaskörperumwandlungen erzeugt.
Durch eine prophylaktische 3- bis 4-kettige Laserko-
agulatiosabriegelung der betroffenen Areale erhofft man
⊡ Abb. 14.43 60-jährige Patientin mit VZV bedingter ARN. Ausge-
sich eine verringerte Amotiorate. Bei der Vitrektomie prägte zentrale Fibroseplatte, Optikusatrophie, vollständig obliterier-
sollte eine hintere Glaskörperabhebung induziert und te, retinale Gefäße sowie komplette Netzhautnekrose linkes Auge
die Glaskörperbasis komplett entfernt werden, um eine 9 Monate nach Erstvorstellung
14

a b

⊡ Abb. 14.42 a 29-jährige Patientin mit aus Vorderkammerpunktat nachgewiesener HSV2-bedingter akuter Retinanekrose. Großer Netzhaut-
riss im Bereich des konfluierten retinalen Infiltrationsgebietes. b Gleiche Patientin nach Versorgung mit Cerclage, PPV, Endolaser, Silikonöltam-
ponade
14.6 · Nekrotisierende Vaskulitis
383 14
14.6.2 Immunologisch vermittelte Wegener-Granulomatose
nekrotisierende Vaskulitis Die Wegener-Granulomatose ist eine nekrotisierende gra-
nulomatöse Entzündung des oberen und unteren Respi-
Die systemischen Vaskulitiden werden in primäre und rationstraktes in Kombination mit einer pauci-immunen
sekundäre Vaskulitiden eingeteilt. Eine weitere Untertei- Glomerulonephritis sowie weiteren Organmanifestatio-
lung der primären Vaskulitiden erfolgt nach der Chapel- nen im Rahmen einer Vaskulitis der kleinen Gefäße. Iso-
Hill-Klassifikation von 1994 (⊡ Abb. 14.44). lierte Organbeteiligungen z.B. des Auges oder der Orbita
kommen jedoch vor.

Chapel-Hill-Klassifikation primär systemischer Histopathologie


Vaskulitiden Die Wegener-Granulomatose ist durch epitheloidzellige
1. Vaskulitis kleiner Gefäße Granulome gekennzeichnet, die zur Nekrose neigen.
a. Wegener-Granulomatose Neben den Epitheloidzellen enthalten die Granulome
b. Churg-Strauss-Syndrom Riesenzellen, Lymphozyten, Plasmazellen und eosino-
c. Mikroskopische Panarteriitis nodosa/ Poly- phile Granulozyten. Die Nekrosen bilden sich sektor-
angiitis förmig an kleinen Arterien und Venen mit ausgeprägter
a-c: ANCA-assoziiert entzündlicher Infiltration der Gefäßwand und Intima-
d. Schönlein-Henoch-Purpura proliferation aus.
e. Vaskulitis bei essenzieller Kryoglobulinämie
f. Kutane leukozytoklastische Angiitis Krankheitsverlauf
d-f: nicht-ANCA-assoziierte Vasulitiden In der Initialphase der Erkrankung ist typischerweise
2. Vaskulitis mittelgroßer Gefäße der obere Respirationstrakt mit hämorrhagischer Rhinitis
a. klassische Panarteriitis/Polyarteriitis nodosa und Sinusitis betroffen (⊡ Abb. 14.45). Die Entzündung
(cPAN) breitet sich häufig von der Nasenhöhle auf die Nasen-
b. M. Kawasaki nebenhöhle, Orbita und den Rachen mit ulzerierenden
3. Vaskulitis großer Gefäße Schleimhautläsionen aus. Später kann es zu einer Mit-
a. Riesenzell-(Temporal-) Arteriitis beteiligung der Lunge mit konfluierenden Rundherden
b. Takayasu-Arteriitis und Pseudokavernen sowie Veränderungen der Niere
kommen.
Im Initialstadium können in 50%, im Generalisati-
Sekundäre Vaskulitiden sind z.B. bei rheumatoider Ar- onsstadium in 95% c-ANCA bzw. PR3-ANCA nachge-
thritis, Kollagenosen, Autoimmunerkrakungen, Medika- wiesen werden. Dabei korreliert der Titer nicht notwen-
menteneinnahme zu finden. digerweise mit der Krankheitsaktivität.

⊡ Abb. 14.44 Chapel-Hill-Klassifikation


384 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

⊡ Abb. 14.45 Typische Sattelnase bei Wegener-Granulomatose ⊡ Abb. 14.47 Skleritis mit immunologischen Hornhautinfiltraten bei
Wegener-Granulomatose

⊡ Abb. 14.46 Nekrotisierende Skleritis bei Wegener-Granulomatose ⊡ Abb. 14.48 Diffuse Skleritis mit Hornhautrandulkus und dadurch
bedingter Hornhautperforation bei Wegener-Granulomatose

Ein Fehlen der PR3-ANCA schließt eine Wegener- mit bioptisch gesicherter Wegener-Granulomatose ergab
14 Granulomatose nicht sicher aus. Vom American College sich folgende okuläre Beteiligung:
of Rheumatology (ACR) wurden folgende Diagnosek- ▬ Orbita (13%)
riterien entwickelt, wobei 2 von 4 vorhanden sein müs- ▬ Augenlider, Tränennasengang (13%)
sen: ▬ Episkleritis, Skleritis (11%) (⊡ Abb. 14.46,
▬ Entzündung von Nase oder Mund: schmerzhafte ⊡ Abb. 14.47, ⊡ Abb. 14.48)
oder schmerzlose orale Ulzeration oder eitriger oder ▬ Keratitis (8%)
blutiger nasaler Ausfluss ▬ Optikusneuropathie oder Kompression (6%)
▬ Abnormales Urinsediment/Erythrozyturie: Erythro- ▬ Konjunktivitis (4%)
zyturie von >5 Erythrozyten/Gesichtsfeld, Erythrozy- ▬ Retinale Vaskulitis (5%)
tenzylinder, Proteinurie ▬ Uveitis (3%)
▬ Abnormaler Röntgenthorax: noduläre Veränderun-
gen oder konstante pulmonale Infiltration mit Kaver- Praxistipp I I
nenbildung Bei Vorliegen einer Skleritis sollte nie auf die Durchfüh-
▬ Histologischer Nachweis einer granulomatösen Ent- rung einer Vaskulitisserologie verzichtet werden, um
zündung der Arterien eine Wegener-Granulomatose nicht zu übersehen.

Okuläre Manifestationen
Eine okuläre Beteiligung der Wegener-Granulomatose Churg-Strauss-Syndrom (CCS)
wird in der Literatur mit 50-60% beschrieben. Hierbei Das CCS ist gekennzeichnet durch eine granulomatöse
tritt in bis zu 50% die okuläre Manifestation zuerst auf. Vaskulitis der kleinen Gefäße in Assoziation mit Asthama
Nach einer 1983 veröffentlichten Serie von 140 Patienten bronchiale und Bluteosinophilie.
14.6 · Nekrotisierende Vaskulitis
385 14
Histopathologie Okuläre Manifestationen
Eine nekrotisierende Vaskulitis ist typisch. Die kleinen Eine okuläre Beteiligung wird bei 10-20% der Patienten
nekrotisierenden Granulome enthalten eosinophile Gra- geschätzt. Einige Veränderungen sind möglicherweise auf
nulozyten. einen renalen Hypertonus zurückzuführen. Die Literatur
bietet hauptsächlich Einzelfallberichte, die sich als
Krankheitsverlauf ▬ Mikroangiopathie mit Cotton-Wool-Herden
Bei pulmonaler Beteiligung finden sich eosinophile Infil- ▬ Seröse Amotio in Verbindung mit choroidaler Vas-
trate. Eine Polyneuropathie (typisch ist eine Peroneus-Pa- kulitis/ Skleritis
rese) und eine Myokardbeteiligung sind häufig. Hautma- ▬ Choroidale Minderperfusion mit Gesichtsfeldaus-
nifestationen (palpable Purpura, Urticaria, Knoten) und fällen
gastrointestinale Beschwerden können hinzukommen. ▬ Zentralarterienverschluss
Bei bis zu 40% der Patienten sind ANCA (PR3- oder ▬ Ischämische Optikusneuropathie
MPO-ANCA) vorhanden. Vom ACR wurden folgende dargestellt haben.
Diagnosekriterien entwickelt, wobei 4 von 6 vorhanden
sein müssen: Therapie
▬ Asthma Bei allen 3 aufgeführten Vaskulitiden handelt es sich um
▬ Mehr als 10% Eosinophile im peripheren Blut potentiell letale Krankheitsbilder sofern keine ausreichen-
▬ Sinusitis de Therapie erfolgt. Im Generalisationsstadium wird bei
▬ Pulmonale Infiltrate allen 3 Erkrankungen mit Cyclophosphamid und Glu-
▬ Neuropathie cocorticoidpulsen bis zum Eintreten einer Remission be-
▬ Biopsat mit Vaskulitis und eosinophilen Granulo- handelt. Nach Eintreten der Remission kann der Versuch
zyten erfolgen das Cyclophosphamid gegen andere Immun-
suppressiva (Methotrexat, Ciclosporin A, Azathioprin,
Okuläre Manifestationen Mycophenolat Mofetil) auszutauschen. Für Rituximab,
Eine okuläre Beteiligung im Rahmen des Churg-Strauss- ein monoklonaler Anti-CD-20-AK, der B-Lymphozyten
Syndroms ist selten. Unterschiedliche Kasuistiken berich- depletiert, wurde kürzlich in randomisierten Studien eine
ten über anteriore ischämische Opticusneuropathie, Zen- Wirksamkeit belegt. Eine Behandlung mit Cotrimoxazol
tralarterien- und Astarterienverschlüsse, Zentralvenen- scheint bei der Wegener-Granulomatose insbesondere bei
verschlüsse, retinale Vaskulitiszeichen und Amaurosis isoliertem Orbitabefall und bei der Panarteriitis nodosa
fugax im Rahmen des Churg-Strauss-Syndroms zu verlängerten Remissionszeiten zu führen.

Mikroskopische Panarteriitis nodosa Fazit für die Praxis


Die mikroskopische Panarteriitis nodosa (mPAN) ist eine Die infektiöse wie auch die immunologisch vermittelte nek-
nekrotisierende Vaskulitis kleiner Gefäße mit renaler rotisierende retinale Vaskulitis stellen ernsthafte ophthalmo-
und/oder pulmonaler Beteiligung. logische Erkrankungsbilder mit einem hohen Erblindungs-
risiko dar. ARN und PORN weisen zwar einen typischen
Histopathologie Erkrankungsverlauf auf, werden aber in den Anfangsstadien
Die mPAN ist eine nicht-granulomatöse, nekrotisierende häufig durch Unkenntnis des auslösenden Erregers fehler-
Vaskulitis von Arteriolen, Venolen und Kapillaren. Es haft mit hochdosierten Steroiden behandelt. Da die richtige
kommt zu einer fibrinoiden Wandnekrose mit dichter Diagnosestellung die Grundvoraussetzung für die Einleitung
granulozytärer und monozytärer Wandinfiltration. der entsprechenden Therapie darstellt, sollte ein Erreger-
nachweis mittels Vorderkammerpunktion oder Vitektomie
Krankheitsverlauf angestrebt werden.
Die Nierenbeteiligung (70%) mit rapid-progressiver Glo- Für die korrekte Diagnosestellung bei immunologisch
merulonephritis und renalem Hypertonus bestimmt we- vermittelten nekrotisierenden Vaskulitiden ist eine gute
sentlich die Prognose. Eine pulmonale Vaskulitis kann interdisziplinäre Zusammenarbeit mit einem Rheumatologen
mit einer lebensbedrohlichen alveolären Hämorrhagie erforderlich. Diese Erkrankungsbilder bedürfen einer ausrei-
(Bluthusten, rascher Hb-Abfall im Blutbild) einhergehen. chenden Immunsuppression, da sie nicht nur Visus sondern
P-ANCA (MPO-ANCA) werden bei nahezu allen Pati- auch vital bedrohend verlaufen können. Bei infektiösen wie
enten nachgewiesen. Im Gegensatz zur mPAN sind eine auch immunologisch vermittelten nekrotisierenden retinalen
ZNS-Beteiligung, koronare Arteriitis, gastrointestinale Vaskulitiden empfiehlt sich die Überweisung in ein darauf
Thrombosen und Infarkte eher typisch für die klassische spezialisiertes Zentrum mit interdisziplinären Behandlungs-
Panarteriitis nodosa (cPAN). möglichkeiten.
386 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

14.7 Systemische Immunsuppression Immunsuppression und bei Patienten mit Kontraindika-


bei Vaskulitis tionen gegen Steroide.
Bei der Wahl des Immunsuppressivums sind die
S. Winterhalter, N. Stübiger, U. Pleyer Begleiterkrankungen des Patienten zu beachten. Eine
Therapie mit Methotrexat oder Cellcept ist z.B. für Pati-
enten mit Leberzirrhose wenig geeignet. Eine bestehende
14.7.1 Einleitung Niereninsuffizienz oder Hypertonus stellen dagegen re-
lative Kontraindikationen gegen Ciclosporin A dar. Wei-
Patienten mit retinaler Vaskulitis und intraokularer Ent- terhin muss bedacht werden, dass durch eine systemi-
zündung leiden häufig an einer hiermit assoziierten sys- sche Immunsuppression Tumorerkrankungen induziert
temischen Vaskulitis. Diese wurde häufig bereits diag- werden können. Daher empfiehlt sich eine internistische
nostiziert. Bei vielen Patienten stellt jedoch der Ophthal- Untersuchung inklusive Leber-, Nierenparameter, Ent-
mologe die Erstdiagnose und erhält damit die Aufgabe zündungsparameter und Blutbild zum Ausschluss von
eine mögliche Systemerkrankung auszuschließen. Die Kontraindikationen vor Beginn einer immunsuppressi-
zugrunde liegende Systemerkrankung und deren vorhan- ven Therapie.
dener Schweregrad sind letztendlich ausschlaggebend für Da die herkömmlichen Immunsuppressiva (MTX,
die Wahl der Therapie. Azathioprin, Mycophenolat Mofetil, Ciclosporin A) erst
Eine retinale Vaskulitis tritt typischerweise auf mit: nach 4-6 Wochen ihren vollen Wirkungseintritt zeigen,
▬ Gefäßeinscheidungen sollte eine überlappende Steroidtherapie oder Immunsup-
▬ Gefäßleckagen pression bei Immunsuppressionswechsel erfolgen. Unter
▬ Vitritis immunsuppressiver Therapie sind regelmäßige internis-
▬ Intraretinale Hämorrhagien tische und Laborkontrollen erforderlich, um mögliche
▬ Makulaödem Nebenwirkungen rechtzeitig behandeln und abfangen zu
können. Dementsprechend ist eine enge Zusammenarbeit
Komplikationen bei unzureichender Behandlung sind: zwischen Patient, Ophthalmologen und Internisten erfor-
▬ Gefäßverschlüsse derlich, auch weil das Auge häufig nur einen Manifesta-
▬ Neovaskularisationen tionsort einer systemischen Vaskulitis darstellt. Über die
▬ Optikusatrophie Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie sind sehr gute
▬ Ischämische Makulopathie Aufklärungsbögen für Patienten wie behandelnde Ärzte
▬ Zystoides Makulaödem zu jedem Immunsuppressivum zu erhalten (http://www.
▬ Traktionsamotio rheumanet.org).
In den letzten Jahren bieten neue Wirkstoffgruppen
14 Durch die Suppression der intraokularen Entzündung wie z.B. Biologica vielversprechende Möglichkeiten ins-
sollen langfristig okuläre Komplikationen und funktio- besondere bei Therapie refraktären Verläufen. Die Kosten
nelle Schäden bei Patienten mit retinaler Vaskulitis ver- dieser Therapeutika sind jedoch erheblich bei meist feh-
hindert werden. lenden Langzeitverläufen, sodass sich primär der Einsatz
eines bekannten Immunsuppressivums empfiehlt. Wenn
keine ausreichende Befundbesserung durch die Wahl ei-
14.7.2 Therapeutische Grundprinzipien nes Immunsuppressivums zu erreichen ist, muss entweder
eine Kombinationstherapie oder eine Therapieumstellung
Hochdosierte Steroide sind das Haupteinsatzgebiet in überlegt werden. Häufig lassen sich ruhige Befunde mit
der Akutphase bei nicht-infektiösen Vaskulitiden. Ein einem Immunsuppressivum und gleichzeitiger Low-do-
langsames Ausschleichen der Steroide soll ein Wieder- se-Steroidtherapie erreichen. Calcineurininhibitoren wie
aufflammen der Entzündung verhindern. Hierbei kann CSA und Tacrolimus lassen sich gut mit Antimetaboliten
gleichzeitig die Steroidschwellendosis bestimmt werden. wie Methotrexat, Azathioprin und Mycophenolat mofe-
Die Steroidschwellendosis ist diejenige Steroiddosis, bei til kombinieren. Eine Kombinationstherapie kann hel-
der ein Wiederaufflammen der Entzündung zu sehen ist. fen, systemische Nebenwirkungen zu reduzieren. Wenn
Liegt die Steroidschwellendosis über der Cushingdosis, eine immunsuppressive Therapie initiiert wird, muss bei
besteht die Indikation zur Einleitung einer anderweitigen jüngeren Patienten die Frage nach der Familienplanung
immunmodulierenden/immunsuppressiven Therapie. angesprochen werden. MTX ist z.B. teratogen, sodass
Ebenso besteht die absolute Indikation zum Einsatz unter der Therapie und 3 Monate nach Absetzen des
einer anderweitigen immunmodulierenden Therapie bei Medikamentes bei Frauen wie bei Männern eine sichere
Erkrankungen mit schlechter Prognose ohne langfristige Schwangerschaftsverhütung erfolgen muss. Dagegen sind
14.7 · Systemische Immunsuppression bei Vaskulitis
387 14
Schwangerschaften unter CSA und Azathioprin mög- ringer peripherer Vaskulititis und geringem Makulödem
lich. Glukokortikoide sind nach neueren Untersuchungen können parabulbär verabreichte Steroide sehr wirkungs-
nicht mehr mit einem erhöhten Risiko der Gaumenspalt- voll sein. Intravitreal appliziertes Triamcinolon oder int-
bildung assoziiert. In Abhängigkeit von Therapiedauer ravitreale Pellets sind weitere Alternativen.
und Dosis kann die Behandlung mit Glukokortikoiden
jedoch zu intrauterinen Wachstumsverzögerungen, Früh-
geburt und postpartalem Steroidentzug führen. Zu Fra- 14.7.4 Nichtsteroidale Antirheumatika
gen von Schwangerschaft und medikamentöser Therapie (NSAR)
stehen Institute für Reproduktionstoxikologie zur Verfü-
gung (z.B. http://www.reprotox.de) In den siebziger Jahren konnte gezeigt werden, dass
NSARs die Prostaglandinsynthese hemmen. Alle NSARs
werden zügig im gastrointestinalen System absorbiert
14.7.3 Kortikosteroide und erreichen nach 0,5 bis 5 h ihre höchste Serum-
konzentration. NSARs sind zu 90% im Serumprotein
Nach der Entdeckung der Kortikosteroide 1935 durch gebunden und werden über den Leberstoffwechsel me-
Edward Kendall wurden diese erstmals 1949 zur Behand- tabolisiert. Da NSARs Cyclooxygenaseinhibitoren sind,
lung der rheumatoiden Arthritis durch Hench eingesetzt. hemmen sie die Prostaglandinsynthese. NSARs werden
Steroide bilden immer noch den Grundstein zur Behand- häufig postoperativ als Augentropfen zur Verhinderung
lung vieler Akutsituationen entzündlicher Erkrankungen. eines Makulaödems eingesetzt. Sie kommen zur Behand-
Um unerwünschte Nebenwirkungen zu reduzieren und lung von Episkleritis und Skleritis zum Einsatz. Falls
die Bioverfügbarkeit zu erhöhen, wurden die unterschied- jedoch z.B. die Episkleritis oder Skleritis im Rahmen
lichsten Präparate entwickelt. einer schwerwiegenden Allgemeinerkrankung wie der
Wegener-Granulomatose auftritt, können NSARs in kei-
Wirkmechanismus nem Fall die erforderliche Immunsuppression ersetzen.
Kortikosteroide entfalten ihre Wirkung durch die Bin- Im Rahmen der Uveitisbehandlung haben NSARs einen
dung an »glucocorticoid-response elements« (GREs). eher niedrigen Stellenwert.
GREs kontrollieren direkt die Transkription verschiede-
ner mRNAs und die Translation von Proteinendproduk-
ten. Die antiphlogistische Wirkung der Glukokortikoide 14.7.5 Sulfasalazin
entsteht durch eine Lysosomenmembranstabilisierung
und verringerte Leukozyten- und Mastzelleinwanderung Nach oraler Einnahme wird Sulfasalazin von Darmbakte-
ins Gewebe. Die Synthese von Prostaglandinen, Leukot- rien in Sulfapyridin, ein langwirkendes Sulfonamid, und
rienen und Thromboxanen sowie Interleukinfreisetzung 5-Amino-Salizylsäure gespalten. Sulfapyridin wird fast
wird behindert. Als Spätwirkung treten eine Hemmung vollständig resorbiert, während 5-Amino-Salizylsäure
der T-Lymphozyten und eine generalisierte Lymphope- im Darm verbleibt, wo es bei chronisch entzündlichen
nie auf. Die Zahl der Monozyten, eosinophilen wie auch Darmerkrankungen seine lokalen antiphlogistischen Ef-
basophilen Granulozyten wird verringert. Im Gegensatz fekte entfalten kann. Als mögliche Wirkmechanismen
dazu steigt die Zahl der neutrophilen Granulozyten im der Komplettsubstanz werden ein antibiotischer Effekt im
Blut aber nicht im lokalen Entzündungsgebiet an. Darm mit Veränderung der Mikroflora, eine Beeinflus-
sung des Prostaglandinstoffwechsels und eine immun-
Applikation und Nebenwirkungen suppressive Wirkung diskutiert. Bei HLA-B27-assoziier-
Bei einer längerfristigen Behandlung mit oralen Stero- ten Uveitiden kann versucht werden die Schubhäufigkeit
iden sollte an eine Osteoporoseprophylaxe sowie ggf. durch Sulfasalazin zu senken. Hierzu sollte Sulfasalazin
Magenulkusprophylaxe gedacht werden. Die Patienten jedoch nur eingesetzt werden, wenn noch keine Kompli-
müssen vorher auf die möglichen Stimmungsschwan- kationen der Uveitis aufgetreten sind.
kungen, Schlafstörungen und Heißhunger aufmerksam
gemacht werden. In ausgeprägten Fällen kann es zur Ste-
roidpsychose kommen. Unter Therapie sind regelmäßige 14.7.6 Immunsuppressiva (⊡ Tab. 14.11)
Blutdruck- und Blutzuckermessungen erforderlich. Um
systemische Nebenwirkungen zu umgehen, können auch Alkylierende Substanzen
subkonjunktivale Steroiddepots, die bei der fibrinösen Wirkmechanismus
Uveitis z.B. eine ausgezeichnete Wirksamkeit zeigen, ver- Cyclophosphamid und Chlorambucil alkylieren Purine
abreicht werden. Bei milder intermediärer Uveitis mit ge- in DNA und RNA und führen dadurch zum Zelltod.
388 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Hierdurch wird die Anzahl von aktivierten T- und B- Chlorambucil (Leukeran)


Lymphozyten für Monate reduziert. Die T-Helferzellen Pharmakokinetik und Applikation. Die orale Biover-
werden in ihrer Funktion unterdrückt. fügbarkeit variiert zwischen 56-100%, wobei die gleich-
zeitige Nahrungsaufnahme die Bioverfügbarkeit erhöht.
Cyclophosphamid (Cytoxan) Chlorambucil wird in einer Dosierung von 0,1-0,2 mg/
Pharmakokinetik und Applikation. Cyclophosphamid kg KG (6-12 mg/Tag) verabreicht.
wird gut absorbiert und dann durch hepatische mikroso-
male Enzyme in multiple Metaboliten gespalten, wovon Nebenwirkung und Monitoring. Das Nebenwirkungs-
das Phosphoramid-Mustard als aktivster Metabolit gese- profil ist dem Cyclophosphamid sehr ähnlich. Im Ge-
hen wird. Die Elimination erfolgt hauptsächlich über die gensatz zu Cyclophosphamid treten unter Chlorambucil
Nieren. Der Metabolit Acrolein scheint hauptverantwort- jedoch weder Blasenkarzinom noch Nausea und Alope-
lich für die urologische Toxizität zu sein. Die gleichzei- zie auf.
tige Gabe von Cyclophosphamid und Allopurinol oder
Cimetidin sollte vermieden werden, da hierdurch der Azathioprin (Immurek, Imuran)
Cyclophosphamidmetabolismus gesteigert wird. Cyclo- Azathioprin befindet sich bereits seit den 1960er Jahren
phosphamid wird oral in einer Dosierung von 1-3 mg/ im Gebrauch und wurde erstmals 1966 ophthalmologisch
kg KG verabreicht. Die Dosierung einer intravenösen eingesetzt.
Pulstherapie beträgt 10-15 mg/kg KG alle 3-4 Wochen.
Der therapeutische Effekt liegt bei Leukozytenwerten Wirkmechanismus. Azathioprin ist ein Purin-Nucleosid-
zwischen 3.000 und 4.000/μl. Die täglich verabreichte Analogon, das als Prodrug des 6-Mercaptopurins zuerst
orale Therapie ist wirksamer, aber auch häufiger mit Ne- in dieses umgewandelt werden muss. Nach Umwandlung
benwirkungen vergesellschaftet. hemmt es mehrere Enzyme des Purinstoffwechsels und
beeinflusst vor allem die DNA-Synthese. Auf immuno-
Nebenwirkung und Monitoring. Die häufigste Neben- logischer Ebene reduziert Azathioprin die Anzahl der
wirkung ist eine Dosis abhängige Knochenmarksdepres- peripheren T- und B-Lymphozyten sowie die gemischte
sion, die in 70% bei täglicher Einnahme auftritt, rever- Lymphozytenreaktivität. Die Interleukin-2-Synthese und
sibel ist und häufiger bei über 65-jährigen vorkommt. die IgM-Produktion werden ebenfalls reduziert.
Es besteht ein erhöhtes bakterielles Infektions- und
Sepsisrisiko, wenn die Leukozytenzahlen unter 2.500/ Pharmakokinetik und Applikation. Azathioprin wird
μl sinken. oral sehr gut absorbiert. Die interindividuelle Schwan-
Patienten unter Cyclophosphamidtherapie sollen viel kungsbreite des Azathioprinmetabolismus kann jedoch
trinken, um das Risiko einer Hämaturie oder hämor- bis zu 4fach differieren. Da der Azathioprinmetabolis-
14 rhagischen Zystitis zu minimieren. Um das Risiko des mus von der Xanthinoxidase abhängig ist, sollte eine
Blasenkarzinoms zu reduzieren, ist die gleichzeitige Ein- gleichzeitige Allopurinolgabe vermieden werden, da
nahme von 2-Mercaptoethansulfonat (Mesna) unbedingt diese die Xanthinoxidase inhibiert. Azathioprin wird
erforderlich. Vor Therapie mit Cyclophosphamid muss in einer Dosierung zwischen 1-3 mg/kg KG verabreicht,
eine Kryokonservierung von Spermien oder Eizellen bei wobei die effektivste Dosierung bei 2 mg/kg KG zu lie-
jungen Patienten in Erwägung gezogen werden, weil die gen scheint.
Therapie zu Sterilität führen kann. Da ein erhöhtes Risi-
kos für eine Pneumocystis-carinii- Pneumonie besteht, Nebenwirkung und Monitoring. Eine reversible Kno-
muss über eine Prophylaxe z.B. mit Trimethoprim/Sul- chenmarksdepression, die in hohen Dosen möglich ist,
famethoxazol nachgedacht werden. Weitere Nebenwir- kann als schwerwiegendste Nebenwirkung auftreten.
kungen sind Alopezie in 50%, Übelkeit und Erbrechen. Eine Hepatotoxizität tritt in weniger als 2% auf. Gastro-
Aufgrund der hohen Toxizität empfehlen sich wöchent- intestinale Beschwerden mit Nausea und seltener Erbre-
liche Blutbild und Nierenparameterkontrollen in der In- chen können in bis zu 25% gefunden werden. Die Leber-
itialphase mit darauf folgenden monatlichen Kontrollen. werte (Aminotransferase und Alanin-Aminotransferase)
Bei Auftreten einer Hämaturie sollte das Cyclophospha- sollten mindestens alle 12 Wochen kontrolliert werden.
mid abgesetzt werden und eine urologische Konsultation Wenn die Grenzwerte um das 1,5fache überschritten
erfolgen, falls die Hämaturie über 3-4 Wochen persistiert. werden, sollte die Azathioprindosis in 25- bis 50-mg-
Bei einer milden Knochenmarkdepression sollte die Do- Schritten reduziert werden. Bei einer Leberenzymerhö-
sierung in 25- bis 50-mg-Schritten gesenkt werden. Bei hung über das 5fache sollte die Azathioprinmedikation
schwerer Knochenmarkdepression muss die Therapie un- zumindest pausiert werden bis zur Leberwertnormali-
terbrochen werden. sierung.
14.7 · Systemische Immunsuppression bei Vaskulitis
389 14
Cyclosporin A (CSA, Sandimmun) Medikament kann in oraler oder intravenöser Form ver-
CSA ist ein 11 Aminosäurenpeptid, das von dem Pilz abreicht werden. Bei oraler Verabreichung beträgt die
Beauvaria nivea gebildet wird. CSA hemmt die T-Zell- Dosierung zwischen 0,15 und 0,3 mg/kg KG/Tag, wobei
Aktivierung, indem die Transkription von Interleukin-2 eine Initialdosis mit 0,05 mg/kg KG/Tag ausreichend sein
und anderen Zytokinen (IL-3, IFN-α, TNFα und -β) und kann.
die Expression des Interleukin-2-Rezeptors beeinflusst
wird. Nebenwirkungen und Monitoring. Das Nebenwir-
kungsprofil von Tacrolimus ist dem CSA sehr ähnlich.
Pharmakokinetik und Applikation. Die Absorption des Renale Funktionseinschränkungen treten in ca. 28% auf,
CSA variiert erheblich. Es sind zwei Präparationsformen neurologische Symptome in 21%, gastrointestinale Sym-
vorhanden: Die Mikroemulsion (optoral) des CSA bietet ptome in 19% und Hyperglykämien in 13%. Hypertonus,
eine bessere Bioverfügbarkeit als die Gelatinekapseln. Hypomagnesiämie, Tremor, Kopfschmerzen, Schlafstö-
Dementsprechend sind die beiden Verabreichungsfor- rungen und Parästhesien sind weitere typische Neben-
men nicht bioäquivalent und können nicht einfach ge- wirkungen.
geneinander ausgetauscht werden. CSA wird über die
Leber metabolisiert und in die Galle ausgeschieden. Die Voclosporin
Halbwertszeit beträgt ca 8 h mit einer Variationsbreite Voclosporin ist ein Calcineurin-Inhibitor der nächsten
von 5-18 h. CSA wird in einer Dosierung von 2-5 mg/ Generation, der sich durch eine Modifikation der funk-
kg KG täglich auf 2 Dosen verteilt verabreicht. Die Maxi- tionellen Gruppe am Aminosäurerest an Position 1 des
maldosis beträgt 10 mg/kg KG/Tag, worunter jedoch bei Ciclosporin-Moleküls auszeichnet. Dadurch besitzt Vo-
nahezu allen Patienten nephrotoxische Effekte auftreten. closporin ein besser vorhersagbares pharmakokinetisches
Profil als CSA bei einer 3- bis 4fach höheren pharma-
Nebenwirkungen und Monitoring. Aufgrund des re- kologischen Aktivität und besserer renaler Verträglich-
lativ kleinen therapeutischen Fensters bei interindividu- keit. Im Rahmen des Luminate- Programmes erwies sich
ellen CSA-Spiegelschwankungen sind regelmäßige Tal- Voclosporin 0,4 mg/kg KG zweimal tgl. als wirksam und
spiegelkontrollen vor der morgendlichen Einnahme zu gut verträglich. Das Medikament steht kurz vor der Zu-
empfehlen, zumindest bis zur optimalen Dosisanpassung. lassung in den USA und Europa zur Behandlung der
Das therapeutische Fenster liegt bei einem Talspiegel aktiven, nicht- infektiösen, intermediären, posterioren
zwischen 120-150 ng/ml Serumkonzentration. Die CSA- oder Panuveitis.
Dosierung richtet sich jedoch nach der Entzündungsak-
tivität, sodass keine strenge Spiegeleinstellung bei allen Methotrexat (MTX, Metex, Lantarel)
Patienten erforderlich ist. Falls es zu Über- oder Unterdo- Wirkmechanismus. Methotrexat (MTX) zählt als Folsäu-
sierungen kommen sollte, findet eine Spiegelanpassung reantagonist zu den Antimetaboliten und hat eine 100fach
üblicherweise in 25-mg-Schritten statt. Weitere typische größere Affinität zur Dihydrofolsäurereduktase als das
Nebenwirkungen des CSA neben der Nephrotoxizität mit natürliche Substrat. Hierdurch wird die Bildung von S-
Kreatininsteigerungen sind: Blutdrucksteigerungen, Gin- Adenosylmethionin behindert, einem Methylgruppendo-
givahyperplasie, Hirsutismus, Hepatotoxizität, Tremor, nator für Phospholipide, Proteine, RNA und DNA. Die
Parästhesien, Myalgien und Hypomagnesiämie. folatunabhängige Wirkung beruht auf einer Freisetzung
von Adenosin aus Monozyten, das eine Einwanderung
Tacrolimus (FK 506, Prograf) von Zellen in entzündete Gewebe und die Sekretion von
Tacrolimus ist ein Makrolidantibiotikum, das vom Pilz proinflammatorischen Zytokinen (TNF-α, IL-8, IL-12)
Streptomyces tsukubaensis produziert wird, und erstma- hemmt und damit einen antiinflammatorischen Effekt aus-
lig 1984 entdeckt wurde. Der Wirkmechanismus des Tac- übt. Wahrscheinlich beruht die Wirksamkeit bei Tumoren
rolimus auf T-Lymphozyten ist dem CSA ähnlich, wobei vorwiegend auf dem antiproliferativen Effekt, während bei
Tacrolimus eine ca 10fach größere Wirksamkeit in vivo Patienten mit rheumatischen Erkrankungen der folatunab-
und in vitro besitzt. hängige Wirkmechanismus im Vordergrund steht.

Pharmakokinetik und Applikation. Die gastrointesti- Pharmakokinetik und Applikation. MTX wird typi-
nale Absorption des Tacrolimus ist unvollständig und scherweise in einer Dosis zwischen 7,5 und 25 mg einmal
variabel und kann durch eine gleichzeitige Nahrungs- pro Woche verabreicht. Bei oraler Gabe ist zu bedenken,
aufnahme vermindert werden. Tacrolimus wird über das dass bis zu 35% des MTX bereits vor Absorption durch
Cytochrom-P450-System metabolisiert. Bei gesunden die intestinale Flora metabolisiert worden sein kann.
Patienten beträgt die Halbwertszeit 34,8+-11,4 h. Das Um gegebenenfalls eine größere Wirksamkeit zu erzielen
390 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

und um die Nebenwirkungen zu minimieren, kann eine Nebenwirkung und Monitoring. Gastrointestinale Be-
Umstellung auf eine subkutane oder intramuskuläre Ver- schwerden (Bauchschmerzen, Nausea, Erbrechen und
abreichung sinnvoll sein. Die typischerweise nach oraler Diarrhoe) werden in bis zu 31% angegeben. Seltene aber
Gabe angegebene Nausea kann durch Gabe von 5 mg schwerwiegende Nebenwirkungen können Leukopenie,
Folat 24-48 h nach oraler MTX-Gabe gebessert werden. Hepatotoxizität, Sekundärtumoren und Sepsis sein.
Die Elimination des MTX erfolgt hauptsächlich renal.
Die Halbwertszeit beträgt 3-10 h und kann bei höheren Biologica
Dosen auf 8-15 h verlängert sein. Die molekularbiologische Forschung konnte in den letz-
ten Jahren viele Kaskaden von inflammatorischen Pro-
Nebenwirkungen und Monitoring. Die schwerwie- zessen identifizieren. Zytokine werden von Lymphozyten
gendsten Nebenwirkungen sind Hepatotoxizität, Zytope- und Makrophagen produziert und gelten als Schlüssel-
nie und interstitielle Pneumonie. Leberwerterhöhungen moleküle von Entzündungskaskaden. Hierzu gehören der
treten in 15% der Patienten auf. Zu einer Leberzirrhose Tumor-Nekrose-Faktor α (TNF-α), Interferon-γ (IFN-γ),
kommt es jedoch nur in 0,1% unter MTX-Therapie. Auf- Interleukin-1 (IL-1), Interleukin-2 (IL-2) und Interleukin-
grund der Hepatotoxizität sollten die Patienten auf ein 10 (IL-10). Mit der Identifizierung von Zytokinen wurden
Alkoholverbot unter Therapie hingewiesen werden. Gas- und werden in zunehmendem Maße immunmodulierende
trointestinale Nebenwirkungen wie Nausea, Stomatitis Substanzen hergestellt, die rekombinante Antikörper oder
und Anorexie treten in 5-25% der behandelten Patienten Antagonisten von spezifischen Zytokinen oder deren Zel-
auf. Alopezie und Hautausschlag kommen seltener vor. loberflächen- Rezeptoren sind. Da diese neuen Substanz-
Wenn in den Laborroutinekontrollen bei 2 aufeinander klassen von kultivierten Zellen hergestellt werden, werden
folgenden Terminen die Leberwerte (Aspartat-Amino- sie Biologica genannt. Biologica werden im Vergleich zu
transferase, Alanin-Aminotransferase) erhöht sind, sollte traditionellen Immunsuppressiva meist gut vertragen, ver-
eine Dosisreduktion erfolgen. ursachen aber auch weitaus höhere Kosten.

Mycophenolatmofetil (MMF, Cellcept, Myfortic) Interferone


Wirkmechanismus. MMF ist ein neueres Immunsup- Wirkmechanismus. Interferon α (IFNα) wird als Ant-
pressivum, das 1995 als Abstoßungsprophylaxe nach Or- wort auf virale Infektionen hauptsächlich von plasmozy-
gantransplantation eingeführt wurde. Es inhibiert ähn- tären, dendritischen Zellen sezerniert. TNFα und IFN α
lich wie Azathioprin die Purinneosynthese. MMF wirkt interagieren, sodass es zu einer Kreuzregulation kommt.
hauptsächlich auf T- und B-Lymphozyten. Es verhindert Durch eine Funktionshemmung und Reduktion der plas-
die Lymphozytenproliferation und supprimiert die An- mozytären, dendritischen Zellen reduziert TNFα z.B. die
tikörpersynthese, interagiert mit den Gefäßendothelien IFN-α-Spiegel. Diese und weitere Studienergebnisse ge-
14 und verhindert das Einwandern von Leukozyten in den ben Anlass zu der These, dass entweder die Suppression
Inflammationsbereich. von TNFα oder aber die Boosterung von IFNα eine
geeignete Therapie der Uveitis posterior darstellen. Wei-
Pharmakokinetik und Applikation. MMF weist eine terhin erklären sich hierdurch die beobachteten Medi-
sehr hohe orale Bioverfügbarkeit auf, sollte aber auf nüch- kamtennebenwirkungen der Lupus artigen Reaktionen
ternen Magen eingenommen werden. Es ist das Prodrug durch IFNα-Therapien aufgrund erhöhter IFNα-Spiegel.
der Mycophenolsäure, die renal eliminiert wird. Plasma- Interferone wirken durch die Zunahme der Anzahl und
spiegelmessungen zur Beurteilung einer ausreichenden Aktivität von natürlichen Killerzellen, der Normalisati-
Dosierung und Vermeidung von Toxizität sind möglich. on der Anzahl von γ-δ T-Zellen und der Zunahme des
Bei gleichzeitiger Therapie mit z.B. Aciclovir oder Gan- löslichen TNF-Rezeptors. Weitere Wirkungen beruhen
ciclovir kann die renale Elimination von MMF erniedrigt auf der Hochregulation der regulatorischen T-Zellen und
sein. Gleichzeitiger Gebrauch von Antazida kann dage- der Inhibition der IL-17-exprimierenden Lymphozyten.
gen die gastrointestinale Absorption des MMF’s vermin- Es werden die Typ-I-Interferone, IFNα-2a, IFNα-2b und
dern. Die beste Wirksamkeit von MMF scheint bei einer IFNβ, vom Typ-II-Interferon, dem IFNγ, unterschieden.
Tagesdosis von zweimal 1 g zu liegen (500 mg Kapseln). IFNα ist für die Therapie der viralen Hepatitis, myelo-
Die Maximaldosis von 3 g/Tag sollte nicht überschritten proliferative Erkrankungen, verschiedene solide Tumoren
werden. Alternativ zum MMF, das unter dem Handels- und dem Lymphom zugelassen. Für IFNβ liegt eine Zu-
namen Cellcept zu erhalten ist, kann Myfortic (Myco- lassung für die Multiple Sklerose vor. Im Augenbereich
phenolat-Natrium) gegeben werden. Myfortic besitzt ein wird das IFNα-2a zumeist mit großem Erfolg in der
günstigeres Nebenwirkungsprofil als Cellcept und ist als Therapie des Morbus Behçet eingesetzt. Die Ansprechrate
360-mg-Tabletten erhältlich. beträgt ca. 83-92%. Die idiopathische Panuveitis, inter-
14.7 · Systemische Immunsuppression bei Vaskulitis
391 14
mediäre Uveitis, Serpiginosa, Birdshot, Vogt-Koyanagi- den. Retrospektive Studien zeigten jedoch eine eindeutig
Harada-Syndrom und die sympathische Ophthalmie sind geringere Wirksamkeit des Etanercepts auf die Uveitis
weitere mögliche Indikationen. Hierfür variieren die An- als Infliximab und Adalimumab. Die Ansprechrate der
sprechraten in der Literatur mit 59-100%. Schlecht zu Uveitis auf Etanercept scheint bei ca 50% zu liegen. Nicht
therapierende, entzündliche Makulaödeme sprechen häu- ganz klar ist, ob Etanercept auch Uveitisschübe auslösen
fig sehr gut auf IFN an. kann. Unter Etanercepttherapie konnten zumindest in
unterschiedlichen Publikationen erste Schübe und neue
Applikation. In der Uveitistherapie wird hauptsächlich Komplikationen gesehen werden.
das IFNα-2a verwendet. Verschiedene Therapieregime
werden beschrieben: Applikation. Etanercept wird üblicherweise 2- bis 3-mal
1. Beginn mit 6 Mio IE/Tag und nachfolgendem Aus- wöchentlich subkutan mit 25 mg appliziert
schleichen auf 3 Mio IE/Tag 2- bis 3-mal/Woche mit
gleichzeitigem Ausschleichen der systemischen Ste- z Infliximab (Remicade)
roide. Wirkmechanismus. Infliximab ist ein monoklonaler,
2. Beginn mit 3-4,5 Mio IE/Tag und gleichzeitiger chimärer humaner Maus-IgG1-Antikörper des TNFα¸
hochdosierter systemischer Steroidtherapie. Die vor- das die lösliche und membrangebundene Form des TNFα
hergehende immunsuppressive Medikation wird vor bindet. Es wurde 1999 für die Therapie des M. Crohn
Therapiebeginn mit IFN abgesetzt. Wenn Patienten und der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Infliximab
für 6-12 Monate rezidivfrei sind, kann ein Versuch zeigte mit ca 90% in unterschiedlichsten Publikationen
des IFN-Ausschleichens mit nachfolgendem Aus- gute Wirksamkeit bei der anterioren und posterioren
lassversuch erfolgen. Dieses scheint 20-40% der Pa- Uveitis. 17-20% der therapierefraktären Uveitiden zeigen
tienten zu betreffen mit Remissionsphasen zwischen jedoch ebenfalls kein Ansprechen auf Infliximab.
7-58 Monaten.
Pharmakokinetik und Applikation. Infliximab wird bei
Nebenwirkungen. Unter grippeartigen Symptomen lei- Erwachsenen als Induktionstherapie intravenös nach 0,
den 90-100% der Patienten Diese sind unangenehm, spre- 2 und 6 Wochen in einer Dosierung zwischen 3-5 mg/
chen jedoch für ein Ansprechen auf die Therapie. Weitere kg KG verabreicht. Die »loading dose« kann je nach Er-
Nebenwirkungen sind milde Leukopenie (30%), Alopezie krankung variieren und bei Kindern höher sein. Nach der
(10%) und Depression (8%). Bei <1% der Patienten treten Induktion wird es alle 4-8 Wochen je nach klinischem
Autoantikörper(anti-ds-DNA, Schilddrüsen-AK), Epilep- Verlauf in einer Dosierung zwischen 3-10 mg/kg KG ge-
sie, Pruritus, Diarrhoe, Hypotension, Leberenzymerhö- geben. Die Halbwertszeit von Infliximab beträgt 10d,
hung, Psoriasis und Arthralgie/ Fibromyalgie auf. aber seine biologischen Effekte persistieren für 2 Monate.

TNFα-Blocker Nebenwirkungen. Das Risiko von allergischen Infusi-


TNFα ist ein proinflammatorisches Schlüsselzytokin in onsreaktionen ist bei Infliximab höher als bei Etanercept
der Pathogenese vieler inflammatorischer Erkrankungen aufgrund der Mauskomponente. Infliximab sollte daher
inklusive der nicht- infektiösen Uveitis. Vor dem Ge- nur unter ärztlicher Überwachung in Notfallbereitschaft
brauch von TNFα-Blockern müssen systemische Infek- gegeben werden. Einige Kliniker geben gleichzeitig An-
tionen und Tuberkulose ausgeschlossen werden. Ob das timetabolite oder Glukokortikoide, um das Risiko einer
Risiko von multipler Sklerose und Lymphomen durch Medikamenten- Antikörper- Entwicklung zu verringern.
TNFα-Blocker erhöht wird, ist unklar. Lupusartige Reaktionen mit Erhöhung von antinukleären
Antikörpern oder Antikörpern gegen ds- DNS sind eben-
z Etanercept (Enbrel) falls möglich.
Wirkmechanismus. Etanercept ist ein rekombinantes
Fusionsprotein aus 2 extrazelluären humanen p75-TNF- z Adalimumab (Humira)
Rezeptoren und dem Fc-Fragment des humanen IgG1. Wirkmechanismus. Adalimumb ist ein vollständig hu-
Es bildet instabile Komplexe mit der löslichen Form des manisierter, monoklonaler IgG1-Antikörper gegen TNFα.
TNFα, bevor es an seine Rezeptoren bindet. Die Neutrali- Wie Infliximab bindet es effektiv die lösliche und Mem-
sation ist daher nur transient. Etanercept wurde 2000 von bran gebundene Form von TNFα. Adalimumab wurde
der FDA zur Therapie der rheumatoiden Arthritis zuge- 2002 von der FDA zur Behandlung der rheumatoiden
lassen. Hierfür wie auch für die ankylosierende Spondyli- Arthritis zugelassen. Adalimumab zeigte in unterschied-
tis, juvenile idiopathische Arthritis und Psoriasisarthritis lichen Publikationen mit 80-90% gute Wirksamkeit hin-
konnte die Effektivität von Etanercept nachgewiesen wer- sichtlich Uveitis anterior und posterior.
392 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

Applikation. Die Dosierung von Adalimumab beträgt chen, Tremor, arterielle Hypertonie und erhöhtes Risiko
üblicherweise 40 mg subkutan alle 2 Wochen. Dieses er- für Infektionen. In seltenen Fällen kann es zu schweren
laubt stabilere Wirkstoffkonzentrationen über den Zeit- anaphylaktischen Reaktionen kommen.
verlauf als unter Infliximab. Eine Steigerung auf wöchent-
liche Applikationen ist möglich. z Anakinra (Kineret)
Wirkmechanismus. Anakinra ist ein rekombinanter, hu-
Nebenwirkungen. Da Adalimumab ein vollständig hu- manisierter IL-1-Rezeptorantikörper. Bisher gibt es zu
manisierter Antikörper ist, besteht ein geringeres Risi- Anakinra wenige klinische Erfahrungen in der Therapie
ko für eine medikamenteninduzierte Antikörperbildung. der Uveitis. Anakinra ist bereits für die Therapie der
Falls sich unter Therapie ein Nachlassen der Wirksamkeit rheumatoiden Arthritis zugelassen, scheint hierfür aber
zeigen sollte, kann eine Umstellung auf einen der anderen weniger effektiv zu sein als TNFα- Blocker. Eine gute Ef-
TNFα-Blocker versucht werden. Golimumab ist der zuletzt fektivität wird gegen die Kryopyrin assoziierten periodi-
entwickelte vollständig humanisierte, monoklonale TNFα- schen Syndrome (CAPS) wie das Muckle-Wells-Syndrom
Blocker. Bisher sind nur publizierte Daten zu rheumatolo- beschrieben, da diese Erkrankungen mit einer Erhöhung
gischen Erkrankungen erhältlich. Certolizumab pegol ist des IL-1β einhergehen.
ein pegyliertes Fab-Fragment eines humanisierten anti-
TNF-monoklonalen Antikörpers und wurde bisher für die Applikation. Die Dosierung von Anakinra beträgt für
Therapie des Morbus Crohn zugelassen Erwachsene 100 mg/Tag, subkutan appliziert. Kinder
werden mit einer Dosierung von 1-2 mg/kg KG/Tag be-
Anti-Interleukin-Therapie handelt, wobei die Maximaldosis ebenfalls 100 mg/Tag
z Daclizumab (Zenapax) beträgt
Wirkmechanismus. Daclizumab ist ein humanisierter, mo-
noklonaler Antikörper des IL-2-Rezeptors (insbesondere Nebenwirkungen. Häufig treten lokale Reaktionen an
der 55kDa-α-Kette des IL-2-Rezeptorkomplexes, bekannt der Einstichstelle auf. Infektiöse Komplikationen wie In-
als Tac- oder CD25-Untereinheit). Die Substanz wurde zur fekte der oberen Luftwege, Herpes labialis und Gastroen-
Behandlung und Abstoßungsprophylaxe nach Organtrans- teritiden müssen beachtet werden
plantationen entwickelt und hierfür auch 1999 zugelas-
sen. Der Hersteller, Roche, ließ jedoch aus kommerziellen z Rituximab (Rituxin)
Gründen die Zulassung zum 1.1.2009 zurückziehen. Bhat Wirkmechanismus. Rituximab ist ein monoklonaler,
et al konnten eine Uveitisstabilisierung unter Daclizumab chimärer, humanisierter Mausantikörper, der gegen das
bei 15 von 17 Patienten mit vorhergehendem Therapiever- CD20- Oberflächen-Glykoprotein normaler B-Lympho-
sagen erreichen. Sen et al fanden unter Daclizumabthera- zyten gerichtet ist. Der Antikörper ist ein IgG1-Kappa-
14 pie eine Reduktion des Vorderkammerzellbefundes um 2 Immunglobulin, das variable Sequenzen von schweren
Stufen bei 4 von 6 Patienten mit JIA assoziierter anteriorer und leichten Mausketten und eine konstante humane
Uveitis. Die nichtinfektiöse Uveitis intermedia, posteri- Region enthält. Rituximab ist aktuell zur Therapie von
or, Panuveitis und auch die Birdshotretinopathie scheinen B-Zell-Lymphomen zugelassen. Es wird ebenfalls erfolg-
ebenfalls gut auf Daclizumab anzusprechen. Nussenblatt et reich in der Therapie der ANCA assoziierten Vaskulitiden
al berichteten 2005 über 15 Patienten mit nichtinfektiöser insbesondere dem M. Wegener eingesetzt. Bei Therapie
Uveitis intermedia, posterior oder Panuveitis, die unter der refraktärem, okulärem M. Wegener berichten verschiede-
vorhergehenden Immunsuppression einen ruhigen Befund ne Fallserien über eine gute Wirksamkeit des Rituximab.
aufwiesen und nachfolgend auf Daclizumab umgestellt Rituximab kann bei Kontroindikationen gegen TNFα-
wurden. Bei 10 der 15 Patienten konnte die begleitende Blocker (Tbc, Lymphom) gegeben werden.
Steroidmedikation unter Beibehaltung eines ruhigen Be-
fundes reduziert werden. Applikation. Rituximab wird intravenös in einer Dosie-
rung von 375 mg/m² Körperoberfläche alle 4-8 Wochen
Pharmakokinetik und Applikation. Daclizumab wird gegeben.
intravenös verabreicht. In unterschiedlichen Publikatio-
nen betrug die Dosierung 1-8 mg/kg KG in einer Kon- Nebenwirkungen. Aufgrund des Mausanteils kann es
zentration von 25 mg/5 ml alle 2-4 Wochen. Die in vivo- zu Infusionsreaktionen kommen. Die häufigsten Ne-
Halbwertszeit beträgt 20 Tage. benwirkungen sind Fieber, Schüttelfrost, respiratorische
Symptome und gelegentlich Hypertonus. Eine schwere
Nebenwirkungen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Herzinsuffizienz (NYHA-Stadium IV) stellt eine Kont-
Schlaflosigkeit, Obstipation, Diarrhoe, Übelkeit, Erbre- raindikation für eine Therapie mit Rituximab dar. Ver-
14.7 · Systemische Immunsuppression bei Vaskulitis
393 14
glichen zu den herkömmlichen Immunsuppressiva und Ebenso führen Steroide bei Kindern sehr viel häufiger
Chemotherapeutika sind die möglichen Nebenwirkungen zum Glaukom als bei Erwachsenen. Dementsprechend
eher als mild einzustufen. sollte bei Kindern nicht zu lange mit dem Einsatz eines
Immunsuppressivums gezögert werden. Aufgrund des
Immunsuppressive Therapie bei Kindern möglichen Nebenwirkungspotentials muss eine Risiko-
Die steroidsparende, immunsuppressive Therapie bei Nutzen-Abwägung erfolgen.
Kindern unterscheidet sich von der bei Erwachsenen Die meisten Erfahrungen mit Immunsuppressiva bei
insofern, als dass eine sofortige Entzündungskontrolle er- Kindern wurden bisher mit MTX bei juveniler idio-
forderlich ist, um einen Visusverlust durch Inflammation pathischer Arthritis gesammelt. Da kontrollierte Stu-
wie auch Amblyopie zu verhindern. dien für die Therapie der Uveitis fehlen, ist es sinnvoll
Dauerhafte Steroidmedikation führt bei Kindern, die Wertigkeit von Immunsuppressiva mit den Mitteln
neben den auch bei Erwachsenen vorkommenden Ne- der »evidence based medicine« (EBM) abzuschätzen.
benwirkungen, zusätzlich zur Wachstumssuppression. Bei Durchsicht der Literatur erhält MTX einen Evidenz-

⊡ Tab. 14.11 Wirkmechanismus und Nebenwirkungen von bei der Therapie der Vaskulitis gebräuchlicher Immunsuppressiva

Präparat Wirkmechanismus Nebenwirkungen

Metho- Folsäureanalogon; hemmt Dihydrofolatreduktase Knochenmarkdepression (Leukopenie, Thrombozytopenie),


threxat (MTX) und DNA- Replikation; folatunabhängige Wirkung gastrointestinale Beschwerden, hepatotoxisch (Transaminasen-
beruht auf einer Freisetzung von Adenosin aus anstieg, Stomatitis, Übelkeit, Erbrechen, interstitielle Pneumonie,
Monozyten Haarausfall, Hautausschlag

Sulfasalazin hemmt Leukotrienbildung Kopfschmerzen, Schwindel, Nausea, allerg Reaktionen, Agranulo-


zytose, Panzytopenie, Nierenfunktionsstörungen

Cyclosporin T-Zell-Inhibitor: hemmt Zellteilung und Zytokinpro- Nephrotoxizität (fast 100% bei 10 mg/kg), Hypertension, Hepa-
A (CsA) duktion (IL-2) totoxizität, Tremor, Myalgien, Parästhesien, Hypomagnesiämie,
Hirsutismus, Zahnfleischhyperplasie

Azathioprin Purin-Nukleosid-Analogon, das in DNA-Replikation/ Knochenmarkdepression (Leukopenie, Thrombozytopenie),


RNA-Transkription eingreift; vermindert Anzahl gastrointestinale Intoleranz, Hepatotoxizität
peripherer T-/B-Lymphozyten, reduziert IL2- und
IgM-Produktion

Mycopheno- hemmt Purinsynthese, hemmt Lymphozytenproli- gastrointestinale Beschwerden, Neutropenie, opportunistische


lat-Mofetil feration, supprimiert AK-Synthese und Expression Infektionen
(MMF) von leukozytären Adhäsionsmolekülen, renale
Elimination

Chloram- Lymphotoxisch (alkyliert Purine in DNA/ RNA, führt Knochenmarkdepression Hämaturie/hämorrhagische Zystitis,
bucil/Cyclo- zu Zelltod) erhöhtes Malignomrisiko (abhängig von kumulativer Dosis),
phosphamid Sterilität, teratogen, reversible Alopezie, Übelkeit, Erbrechen

Etanercept p75 TNFr-IgG1-AK, bindet freies TNFα TBC- Reaktivierung, MS

Infliximab Chimärer IgG1-AK, bindet freies und Membran ge- TBC- Reaktivierung, MS, Infusionsreaktion, Lupus artige Reaktion,
bundenes TNFα ANA und ds- DNS- AK- Bildung

Adalimumab Humaner IgG1-AK, bindet freies und Membran ge- TBC-Reaktivierung, MS


bundenes TNFα

Interferon Hochregulation NK (natürliche Killerzellen) und Grippe artige Symptome, milde Leukopenie, Alopezie, Depressi-
α2a regulatorische T-Zellen, Inhibition der IL-17 expri- onen, ds-DNS-AK, Schilddrüsen-AK, Epilepsie, Pruritus, Diarrhoe,
mierenden Lymphozyten, Zunahme des löslichen Hypotension, Leberenzymerhöhung, Psoriasis, Arthralgie/Fibro-
TNF-Rezeptors, Regulation von γ-δ-T-Zellen myalgie

Daclizumab CD25-IL2-R-AK Schlaflosigkeit, Obstipation, Diarrhoe, Übelkeit, Erbrechen,


Tremor, arterielle Hypertonie, selten anaphylaktische Reaktion

Rituximab CD20-B-Lymphozyten-AK Infusionsreaktion, Fieber, Schüttelfrost, respiratorische Sympto-


me, Hypertonus
394 Kapitel 14 · Entzündliche Gefäßerkrankungen

grad von IIIA (Expertenmeinung, klinische Erfahrung Literatur


oder deskriptive Studie; hohe Evidenz eine Therapie
durchzuführen). Für CSA und Azathioprin kann nur z Literatur zu Abschnitt 14.1
ein Evidenzgrad von IIIC (Expertenmeinung, klinische Badrinath SS, Gopal L, Sharma T et al. (1999) Vitreoschisis in Eales’
disease; pathogenic role and significance in surgery. Retina.
Erfahrung oder deskriptive Studie; geringe Evidenz eine
19:51-54
Therapie durchzuführen) vergeben werden. MMF erhält Bali T, Saxena S, Kumar D (2005) Response time and safety profile of
einen Evidenzgrad von IIIB (Expertenmeinung, klini- pulsed oral methotrexate therapy in idiopathic retinal periphlebi-
sche Erfahrung oder deskriptive Studie; mäßige Evidenz tis. Eur J Ophthalmol. 15(3):374-8.
eine Therapie durchzuführen). Etanercept erhält einen Biswas J, Raghavendran R et al. (2001) Presumed Eales disease
with neurologic involvement: report of three cases. Retina.
Evidenzgrad von IIC (>1 kontrollierte aber nicht rando-
21(2):141-5.
misierte Studie; Kohorten- oder Fallkontrollstudie von Biswas J, Mukesh BN, Narain S, Roy S, Madhavan HN (1998) Profiling
>1 wissenschaftlichen Gruppe/ Zentrum; Beobachtung of human leukocyte antigen in Eales’ disease. Int Ophthalmol
von signifikanten Effekten innerhalb unkontrollierter 21:277-81.
Studien; geringe Evidenz eine Therapie durchzuführen). Biswas J, Badrinath SS (1995-96) Ocular morbidity in patients with
active systemic tuberculosis. Int Ophthalmol. 19(5):293-298.
Infliximab erhält einen Evidenzgrad von IIA (>1 kontrol-
Biswas J, Sharma T, Gopal L, Madhavan HN, Sulochana KN, Ramak-
lierte aber nicht randomisierte Studie; Kohorten- oder rishnan S (2002) Eales disease- an update. Surv of Ophthalmol
Fallkontrollstudie von >1 wissenschaftlichen Gruppe/ 47(13):197-214.
Zentrum; Beobachtung von signifikanten Effekten in- Chanana B, Azad RV, Patwardhan S (2010) Role of intravitreal beva-
nerhalb unkontrollierter Studien; hohe Evidenz eine cizumab in the management of Eales’ disease. Int Ophthalmol.
30:57-61.
Therapie durchzuführen). Bei Adalimumab besteht ein
Charmis J (1965) On the classification and management of the evolu-
Evidenzgrad von IIA (>1 kontrollierte aber nicht rando- tionary course of Eales’ disease. Trans Ophthalmol Soc UK,85:187
misierte Studie; Kohorten- oder Fallkontrollstudie von Eales H (1882) Primary retinal haemorrhage in young men. Ophthal-
>1 wissenschaftlichen Gruppe/Zentrum; hohe Evidenz mic Rev. 1:41
eine Therapie durchzuführen). Eales H (1880) Retinal haemorrhages associated with epistaxis and
constipation. Brim Med Rev. 9:262
Elliot AJ (1975) Thirty years observation of patients with Eales’ di-
sease. Am J Ophthalmol 80:404
14.7.7 Zusammenfassung Gadkari S (2007) Eales` Disease. In: Joussen AM, Gardner TW, Kirchhof
B, Ryan SJ (Hrsg) Retinal Vascular Disease. Springer Berlin Heidel-
Sicherlich werden in den nächsten Jahren weitere zahlrei- berg, p 613-627
Gadkari SS, Kamdar P, Jehangir RP (1992) Pars plana Vitrectomy in
che Biologica entwickelt werden. Beim Durchsehen der
Vitreous haemorrhage due to Eales’ disease. Ind J Ophthalmol 40
rheumatologischen Fachzeitschriften stößt man bereits Gunisha P, Madhavan HN, Jayanthi U, Therese KL (2000) Polymerase
auf die kommenden Entwicklungen. Der Kostenfaktor chain reaction using IS6110 primer to detect Mycobacterium tu-
14 wird jedoch ein wesentlicher limitierender Faktor sein. berculosis in clinical samples. Indian J Path Microbiol 43:395-402.
Bei rein auf die Augen begrenzten Erkrankungen stellt Madhavan, HN. Therese KL, Gunisha P, Jayanthi U, Biswas J (2000)
Polymerase Chain Reaction for detection of Mycobacterium
die Weiterentwicklung von Implantaten eine sinnvolle
tuberculosis in epiretinal membrane in Eales’ disease. Invest
Therapiealternative dar, um systemische Nebenwirkun- Ophthalmol Vis Sci 41:822-25.
gen zu vermeiden. Majji AB,Vemuganti GK,Shah VA et al. (2006) A comparative study of
Die Wirkmechanismen der angesprochenen Präpa- epiretinal membranes associated with Eales’ disease: a clinicopa-
rate sowie ihre Nebenwirkungen wurden in ⊡ Tab. 14.11 thologic evaluation. Eye 20:46-54
Malik SRK, Patnaik B (1973) Fluorescein angiography in Eales’ disease.
zusammengefasst.
Ind J Ophthalmol. 21:5
Murphy RP, Renie WA, Proctor LR, Shimuzu H, Lippmann SM, Ander-
Fazit für die Praxis son KC, Fine SL, Patz A, McKusick VA (1983) A survey of patients
Die Therapie der retinalen Vaskulitis stellt den Ophthalmolo- with Eales’ disease, in Fine SL and Owen SL(eds):Management of
gen häufig vor eine Herausforderung. Wenn eine dauerhafte retinal vascular and macular disorders,Baltimore,Md, William and
Wilkin
immunsuppressive Therapie erforderlich ist, sollte diese
Perentes Y, Chan CC, Bovey E, Uffer S, Herbort CP (2002) Massive
interdisziplinär mit einem Internisten erfolgen. Der oft nach- vascular endothelium growth factor (VEGF) expression in Eales’
gewiesenen guten Wirksamkeit neuer Medikamente stehen disease. Klin Monbl Augenheilkd. 219:311-4.
hohe Kosten und fehlende Langzeiterfahrungen gegenüber. Renie WA, Murphy RP, Anderson KC, et al. (1983) The evaluation of
Demensprechend empfiehlt sich ein Therapiebeginn mit eta- patients with Eales’ disease. Retina 3:243-248
Saxena S, Kumar D (2004) A new staging system for idiopathic retinal
blierten Immunsuppressiva. Falls diese keine ausreichende
periphlebitis. Eur J Ophthalmol. 14(3):236-9.
Wirksamkeit zeigen sollte eine Kombinationstherapie unter- Shanmugam MP, Badrinath SS, Gopal L, Sharma T (1998) Long term
schiedlicher Substanzklassen oder Umstellung auf moderne visual results of vitrectomy for Eales’ disease complications.Int
Immunsuppressiva erfolgen. Ophthalmol. 22(1):61-4.
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15

Hypertensive Retinopathie
S. Wolf

15.1 Die Pathophysiologie der retinalen Gefäße bei arterieller Hypertonie – 400

15.2 Netzhautveränderungen bei arterieller Hypertonie – 400

15.3 Netzhautveränderungen bei der Retinopathia hypertensiva – 401

15.4 Klinische Diagnosen bei Retinopathia hypertensiva – 402

15.5 Behandlung der Retinopathia hypertensiva – 402

15.6 Einteilung der Augenhintergrundveränderungen bei arterieller Hypertonie – 402

Literatur – 403

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_15,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
400 Kapitel 15 · Hypertensive Retinopathie

Die arterielle Hypertonie gehört mit einer Prävalenz von ca. 15.1 Die Pathophysiologie der retinalen
20% zu einer der häufigsten Erkrankungen in den industri- Gefäße bei arterieller Hypertonie
alisierten Ländern. Patienten mit arterieller Hypertonie sind
besonders gefährdet durch zerebrale Insulte und kardiovas- Ursachen für eine arterielle Hypertonie können einer-
kuläre Erkrankungen, wie koronare Herzkrankheit, Herzinsuf- seits Verengungen der Strombahn in den Arteriolen und
fizienz und Myokardinfarkt, die in der Bundesrepublik zu den andererseits eine verstärkte Auswurfleistung des Herzes
häufigsten Todesursachen gehören. sein. Bei einer Verengung der arteriellen Strohmbahn
spricht man von einem Widerstandshochdruck. An der
Zur Beurteilung des Schweregrades der arteriellen Hy- Netzhaut sieht man bei dieser Form der arteriellen Hy-
pertonie wird neben der Blutdruckmessung nach Riva- pertonie spastisch verengte Arteriolen am Augenhinter-
Rocci die ophthalmologische Untersuchung des Augen- grund. Als Beispiele dafür gelten der Hochdruck bei
hintergrundes angewandt. Nach dem Ausmaß der Organ- Schwangerschaftstoxikose, bei akuter Glomerulonephritis
schäden, wobei die Fundusveränderungen eine wichtige oder beim Phäochromozytom. Beim Volumenhochdruck
Rolle spielen, teilt die WHO die arterielle Hypertonie in sind die Kaliber der retinalen Arteriolen fast normal,
verschiedene Stadien ein. oder leicht erweitert. Beispiele für den Volumenhoch-
Abhängig von Erkrankungsdauer und Blutdruckhöhe druck sind frühe Stadien einer essentiellen Hypertonie
treten an der Netzhaut funduskopisch sichtbare Gefäß- und Veränderungen bei einer Aortenisthmusstenose.
und Parenchymveränderungen auf. In der Vergangenheit Von Volhard stammt der Ausdruck, dass die Netzhaut
war die Beurteilung dieser Veränderungen die einzige nicht »ein Spiegel der Niere sei«. In verschiedenen Untersu-
invasive Methode, die Mikrozirkulation zu beurteilen. Aus chungen wurde nachgewiesen, dass es zwischen Gefäß-
diesem Grund wurden sehr detaillierte Klassifikationen veränderungen an der Netzhaut und den Veränderungen
der hypertensiven Fundusveränderungen entwickelt. Die in der Niere und im Gehirn eine sehr hohe Korrelation
erste Klassifikation wurde 1938 durch Keith, Wagner und besteht.
Barker entwickelt und ist in ihrer später von Amerika- Normalerweise beträgt der Durchmesser der retina-
nischen Ophthalmologischen Gesellschaft modifizierten len Arteriolen 2/3 des Durchmessers der retinalen Ve-
Form heute weit verbreitet. Die genaue Klassifikation der nolen. Eine generalisierte Vasokonstriktion kann an der
hypertensiven Netzhautveränderungen ist heute für wis- Netzhaut an verengten Arteriolen erkannt werden.
senschaftliche Zwecke immer noch bedeutend, für die Di- Eine lange bestehende arterielle Hypertonie führt zu
agnostik und Therapie der arteriellen Hypertonie ist diese organischen Veränderungen der Blutgefäße, die der Ar-
genaue Einteilung jedoch nicht mehr erforderlich. teriosklerose sehr ähnlich oder mit ihr identisch sind.
Allerdings ist die Unterscheidung zwischen dezenten Eine arterielle Hypertonie gilt als wichtiger Faktor für die
retinalen Gefäßveränderungen (Stadium I und II) und der Entstehung einer Arteriosklerose.
hypertensiven Retinopathie (Stadium III und IV) weiterhin Bei länger bestehender Hypertonie findet man außer
für das klinische Management der arteriellen Hypertonie den eingeschränkten Arteriolenkalibern leuchtende breite
wichtig. Patienten mit einer hypertensiven Retinopathie Reflexe auf den Arterien.
15 müssen intensiver behandelt und kontrolliert werden, da
diese Patienten ein deutlich erhöhtes Risiko haben, kardio-
oder zerebrovaskuläre Komplikationen zu erleiden. 15.2 Netzhautveränderungen
bei arterieller Hypertonie
Praxistipp I I Bei der arteriellen Hypertonie sind im Frühstadium die
Die hypertensive Retinopathie ist eine erworbene
Venolen zunächst vermehrt gefüllt und geschlängelt. Des-
bilaterale Netzhauterkrankung infolge einer arteriellen
halb ist eine Abschätzung der Arteriolenkaliber relativ zu
Hypertonie
den begleitenden Venolen in diesem Stadium schwierig.
▬ Oft wird die hypertensive Retinopathie erst bei Für die Beurteilung des Schweregrades der arteriellen
Auftreten von Sehstörungen diagnostiziert Hypertonie sind aber die Kaliber der retinalen Arteriolen
▬ Sehr enge retinale Arteriolen, Kapillarverschlüsse, entscheidend. Eine Gefäßverengerung bei arterieller Hy-
Cotton-wool-Spots, harte Exsudate, Netzhaut- pertonie ist an einer schmaleren Blutsäule sichtbar. Die
blutungen, Papillenödem sind Ausdrucke einer Kalibereinschränkung kann im Verlauf der Arteriolen
schweren Schädigung der Netzhaut unterschiedlich ausgeprägt sein. Verengte retinale Arteri-
▬ Hauptpfeiler der Behandlung ist die Einstellung olen ohne weitere organische Veränderungen an den Ge-
des erhöhten arteriellen Blutdruckes fäßen findet man besonders bei jugendlichen Patienten.
Die Engstellung der Arteriolen in diesem Stadium der
15.3 · Netzhautveränderungen bei der Retinopathia hypertensiva
401 15
Erkrankung ist oft spastisch bedingt. Kalibereinschrän-
kungen ohne sichtbare organische Wandveränderungen
sind deshalb als spastische Kontraktion zu deuten.
Weiterhin finden sich in den Gefäßstraßen und auf
der Papille Kapillarektasien. Die Ränder der Papille wer-
den unscharf und das Papillenparenchym erscheint etwas
hyperämisch.
Weitere Parenchymveränderungen sind kleine rund-
liche Blutungen in den mittleren Netzhautschichten und
strichförmige Blutungen in der Nervenfaserschicht

15.3 Netzhautveränderungen bei


der Retinopathia hypertensiva ⊡ Abb. 15.2 Hypertensive Retinopathie mit Cotton-Wool-Exsudaten,
erweiterten Kapillaren, harten Exsudaten, retinalen Blutungen und
Bei der hypertensiven Retinopathie findet man eine aus- einer Papillenschwellung. (Aus Wolf 2007)
geprägte Engstellung der retinalen Arteriolen. Durch die
Engstellung der arteriellen Gefäße kann es zur Ausbildung
von Kapillarverschlüssen kommen, die angiographisch
am besten dargestellt werden können (⊡ Abb. 15.1). In der
Folge von ausgeprägten Kapillarverschlüssen können im
Rahmen einer hypertensiven Retinopathie auch retinale
Gefäßproliferationen auftreten.
Schwerere Parenchymveränderungen der Netzhaut
bei arterieller Hypertonie zeigen sich häufig in den Ge-
fäßstraßen als Cotton-wool- Exsudate und als harte Ex-
sudate (⊡ Abb. 15.2). Harte Exsudate finden sich oft wie
Kalkspritzer rund um die Makula und bilden die Sternfi-
gur der Makula (⊡ Abb. 15.3).
Eine schwere hypertensive Retinopathie ist durch ein
retinales Ödem in der Makula und einen Papillenödem,
das so stark wie eine Stauungspapille ausgeprägt sein
kann, charakterisiert (⊡ Abb. 15.4, ⊡ Abb. 15.5). ⊡ Abb. 15.3 Hypertensive Retinopathie mit sehr engen Arteriolen,
Da die Retinopathia hypertensiva fast immer beidsei- Sternfigur der Makula, Cotton-Wool-Exsudaten und retinalen Blutun-
tig auftritt, ist die Differentialdiagnose zu einer zerebra- gen. (Aus Wolf 2007)

⊡ Abb. 15.4 Hypertensive Retinopathie mit Makulaödem, harten


⊡ Abb. 15.1 Ausgeprägte Kapillarverschlussgebiete bei einem Pati- Exsudaten am hinteren Pol, streifigen Blutungen und Cotton-Wool-
enten mit hypertensiver Retinopathie Exsudaten. (Aus Wolf 2007)
402 Kapitel 15 · Hypertensive Retinopathie

Es gibt fünf Hauptgruppen von Medikamenten zur


Behandlung der arteriellen Hypertonie. Dabei handelt
es sich
▬ ACE-Hemmer,
▬ AT1-Antagonisten,
▬ Beta-Blocker,
▬ Diuretika und
▬ Kalzium-Antagonisten.

Wann welche Medikamente geeignet sind, hängt vom


Einzelfall ab. Da ein einfaches Therapieregime sich leich-
ter einhalten lässt, sollte die Therapie mit einer einzigen
Substanz begonnen werden. Wird das erste Medikament
gut toleriert, ist aber die Wirkung noch ungenügend,
besteht die Möglichkeit, entweder das Medikament gegen
ein anderes auszutauschen oder ein zweites Medikament
in die Therapie aufzunehmen. Bei nicht ausreichender
⊡ Abb. 15.5 Hypertensive Retinopathie mit Gefäßverschlüssen, reti-
nalen Blutungen, erweiterten Kapillaren und Cotton-Wool-Exsudaten.
Wirkung werden schrittweise weiterer Substanzen einge-
(Aus Wolf 2007) führt, bis die gewünschte Blutdruckkontrolle erreicht ist.

15.6 Einteilung der Augenhinter-


len Raumforderung oder einer essentiellen Liquordruck- grundveränderungen bei arterieller
erhöhung (Pseudotumor zerebri) zu beachten. Hypertonie

Stadium I. Fundus Hypertonikus


15.4 Klinische Diagnosen bei ▬ Normale oder weitere Kaliber der Arteriolen
Retinopathia hypertensiva ▬ Reflexe auf den Arteriolen stärker leuchtend
▬ Stärkere Füllung und Schlängelung der Blutgefäße
▬ Glomerulonephritis ▬ Keine Parenchymveränderungen
▬ Chronische Nierenisuffizienz ▬ Unterschiedlich ausgeprägte Arteriosklerose
▬ Dekompensierte arterielle Hypertonie
▬ Schwangerschaftstoxikose Stadium II. Fundus Hypertonikus
▬ Phäochromozytom ▬ Arteriolen: Kaliber allgemein eng
▬ Umschriebene Kalibereinschränkungen
15 ▬ Verstärkte und unregelmäßige Reflexe
15.5 Behandlung der Retinopathia ▬ Venolen vermehrt geschlängelt und gefüllt
hypertensiva paramakular – Zeichen der venösen Stauung
▬ Kapillaren vereinzelt sichtbar (Kapillarektasien)
Die Behandlung der arteriellen Hypertonie ist eine Do- in der Netzhautmitte und auf der Papille
mäne der Inneren Medizin. Deshalb soll hier nur kurz ▬ Hyperämie der Papille
darauf eingegangen werden. Durch Änderungen des Le- ▬ Feine Blutungen in die Netzhaut
bensstils kann ein erhöhter Blutdruck positiv beeinflusst
werden. Wichtige Faktoren sind dabei Stadium III. Retinopathia hypertensiva
▬ eine Gewichtsreduktion, ▬ Sehr enge retinaler Arteriolen
▬ regelmäßige körperliche Bewegung, ▬ Stenotische Einengungen der Kaliber
▬ salzarme Ernährung, ▬ Segment- oder rosenkranzartige Einschnürungen
▬ Nikotin- und Alkoholabstinenz. ▬ Reflexe stark leuchtend und unregelmäßig
▬ Begleitstreifen, Gefäßobliterationen
Falls die Änderungen des Lebensstils nicht zur Nor- ▬ Kapillarektasien
malisierung des Blutdruckes führen, müssen zusätzlich ▬ Venolen oft gestaut
Medikamente eingesetzt werden, jedoch sollten die nicht- ▬ Cotton-wool-Exsudate
medikamentösen Maßnahmen fortgesetzt werden. ▬ Harte Exsudate
Literatur
403 15
▬ Sternfigur der Makula
▬ Blutungen in die Netzhaut
▬ Papillenödem

Stadium IV. Retinopathia hypertensiva


▬ Veränderungen wie III, im ganzen Fundus
▬ Beidseitige Stauungspapille
▬ Retinales Ödem
▬ Exsudative Netzhautablösung

Fazit für die Praxis


Die Diagnose und Therapie der arteriellen Hypertonie ist die
Domäne der Inneren Medizin. Die Untersuchung des Augen-
hintergrundes kann dem Internisten wichtige Hinweise für
den generellen Zustand des arteriellen Gefäßsystems geben.
Somit kann die Untersuchung der Netzhaut bei arterieller Hy-
pertonie Hinweise auf die Qualität der Blutdruckeinstellung
geben. Schwere oder progrediente Gefäßveränderungen der
Netzhaut weisen auf eine nicht ausreichende Blutdruckkont-
rolle hin. Somit kann der Ophthalmologe Empfehlungen für
die Überprüfung und Optimierung der Blutdruckeinstellung
geben. Zusätzlich kann er dem Patienten die Gefäßverände-
rungen verdeutlichen und ihn beraten. Es sollten bei Patien-
ten mit arterieller Hypertonie stadiengerechte ophthalmolo-
gische Kontrollintervalle festgelegt werden. Diese sollten bei
einer arteriellen Hypertonie des Stadiums I und II etwa jähr-
lich erfolgen. Wurde ein Stadium III oder IV nachgewiesen, so
sind engmaschigere ophthalmologische Kontrollen je nach
den allgemeinen und augenärztlichen Befunden notwendig.
Bei Schwangerschaftsgestosen sollten ebenfalls kurzfristiger
Kontrollen erfolgen.

Literatur

Wolf S (2007) General basics of hypertensive retinopathy. In: Joussen


AM, Gardner TW, Kirchhof B, Ryan SJ (Hrsg) Retinal Vascular Di-
sease. Springer Berlin Heidelberg, p 688-690
16

Sichelzellretinopathie
J. v. Meurs, A. M. Joussen, G. A. Lutty

16.1 Einleitung – 406

16.2 Pathogenese der Sichelzellretinopathie – 406


16.2.1 Normales Hämoglobin und Sichelhämoglobin – 406
16.2.2 Ursachen der HbS-Polymerisation – 407
16.2.3 Kombinationen mit Thalassämie – 407
16.2.4 Pathogenese der Vasookklusion – 408

16.3 Klinik der Sichelzellretinopathie – 409


16.3.1 Nicht-proliferative Veränderungen – 409
16.3.2 Proliferative Sichelzellretinopathie – 414
16.3.3 Chorioideopathie – 421
16.3.4 Retinale Gefäßverschlüsse – 421

16.4 Differentialdiagnosen der Sichelzellretinopathie – 422

16.5 Therapie der Sichelzellretinopathie – 422


16.5.1 Prophylaktische Behandlung für die Proliferative Sichelzellretinopathie – 422
16.5.2 Epiretinale Membranen – 423
16.5.3 Makulaforamina – 424

Literatur – 425

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_16,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
406 Kapitel 16 · Sichelzellretinopathie

Die Sichelzellerkrankung ist eine Hämoglobinopathie, die enten als Folge einer proliferativen Sichelzellretinopathie
durch eine heriditäre Mutation der ß-Kette des Hämoglobins beschränkt. Die geschätzte Prävalenz bei der HbSC für
verursacht wird. Patienten bilden abnormes Hämoglobin S, einen Visusverluste auf Fingerzählen oder weniger auf
das die Erythrozyten steifer werden lässt und eine Sichelbil- einem Auge beträgt 9,5%, auf Handbewegungen oder
dung als Reaktion auf eine Hypoxie verursacht. Patienten, die weniger 7,4%. Eine bilaterale Blindheit ist selten und
homozygot für das HbS sind, haben eine HbSS-Erkrankung gleichmäßig verteilt zwischen HbSS (kortikale Blindheit,
mit der schlechtesten Prognose bezüglich der allgemeinen Optikusatrophie) und HbSC (PSR).
Gesundheit. Heterozygote Patienten für Hämoglobin C ha-
ben eine HbSC, heterozygote für HbS mit einem normalen
HbA sind als HbAS Merkmalsträger 16.2 Pathogenese der
Die Sichelzellerkrankung kann mit anderen Anomalitäten Sichelzellretinopathie
in der Synthese der α-Ketten von Hämoglobin verbunden
sein, die sich in der sogenannten Thalassämie äußert. Praxistipp I I
Das Hauptmerkmal der Sichelzellerkrankung ist die Va- Eine Punktmutation im β-Globin-Gen führt zur Syn-
sookklusion, primär durch abnorme Erythrozyen, aber auch these von HbS, welches in Abwesenheit von Sauerstoff
durch sekundäre Veränderungen des Endothels und der zur Ausbildung von sichelförmigen Erythrozyten führt.
Leukozyten. ▬ Komplikationen der Sichelzellerkrankung sind eine
Folge der vasookklusiven Erkrankung
▬ Dicht gepackte rote Blutzellen werden gefolgt von
16.1 Einleitung Plättchenthromben, Fibrin und Leukozytenan-
sammlungen.
Sichelzellhämoglobinopathien teilen als gemeinsames ▬ Die Vorgänge sind denen der diabetischen Reti-
Charakteristikum eine abnorme Globinkette, die zu einer nopathie ähnlich: es kommt es zu einer Aktivie-
Sichelbildung von Erythrozyten mit folgender Obstuk- rung von Endothelzellen und einer folgenden
tion der Mikrozirkulation führt. Die klinischen Manifes- Expression von Adhäsionsmolekülen wie ICAM-1,
tationen der Sichelzellanämie umfassen eine chronische VCAM-1, E-Selectin und P-Selectin.
Hämolyse, eine erhöhte Infektionsanfälligkeit und rezi- ▬ Beteiligung inflammatorischer Zytokine (TNFa,
divierende vasookklusive Ereignisse, die schließlich zu Il1-ß).
einem ischämischen Organschaden, einer verminderten ▬ »Black sunbursts« repräsentieren hyperplastisches
Lebensqualität und frühem Tod der Patienten führen. retinales Pigmentepithel (RPE).
Die Vasookklusion durch Sichelzellen betrifft jedes ▬ VEGF und PEDF sind bei proliferativen Formen be-
Gefäßsystem des Auges. Die retinale Funktion ist am teiligt.
stärksten betroffen, ist sie doch am anfälligsten einer Sau-
erstoffdeprivation gegenüber. Bereits eine temporäre Va-
sookklusion, die länger anhält als 1,5 bis 2 Stunden, kann
eine permanente Infarzierung der Netzhaut bedeuten. 16.2.1 Normales Hämoglobin
Die Hauptpathologie sind dabei vasookklusive Ver- und Sichelhämoglobin
16 änderungen. Die klinischen Folgeerscheinungen werden
in Analogie zur diabetischen Retinopathie in nicht-pro- Das wichtigste Protein roter Blutzellen ist Hämoglobin,
liferative und proliferative Stadien der Retinopathie ein- das aus 4 Globinketten, jede um ein Hämmolekül geformt,
geteilt. besteht. Hämoglobin überträgt Sauerstoff aus der Lunge
Schätzungen der Prävalenz einer Erblindung durch ins Gewebe und CO2 aus den Geweben in die Lunge. Die
die Sichelzellretinopathie basieren auf Querschnittsun- Hauptform des Hämoglobins beim Erwachsenen ist HbA
tersuchungen, die über die Prävalenz, jedoch nicht die (±97%), das aus je zwei α- und zwei β-Globinketten be-
Inzidenz von Erblindungen berichten. Ursachen der Er- steht (α2β2). Andere Hämoglobine sind HbA2 (2 bis 3,5%;
blindung reichen von einer Optikusatrophie als Folge α2δ2) und HbF (<2%; α2γ2). Während der intrauterinen
der Sichelzellerkrankung zu einer kortikalen Blindheit Entwicklung werden verschiedene Globine synthetisiert
als Folge eines schweren zirkulatorischen Schocks. Die (α, β, γ, δ, ε und ζ), wobei der prädominante Hämoglo-
Hauptursachen für einen schweren Visusverlust bleiben bintyp während des fetalen Lebens HbF ist. In den ers-
jedoch die Glaskörperblutung, die traktive Netzhautablö- ten 12 Wochen nach der Geburt vermindert sich HbF%
sung und epiretinale Membranen sowie Vorderabschnitt- schnell und HbA und HbA2 spielen die Hauptrolle.
sischämien, die zusammen 82% der Blindheit ausmachen. Das Gen für β-Globin liegt auf 11p15.5. Eine ein-
Der schwere Visusverlust ist in der Regel auf HbSC-Pati- zelne Punktmutation im 6. Kodon führt zur Substitution
16.2 · Pathogenese der Sichelzellretinopathie
407 16
von Glutaminsäure gegen Valin und resultiert in einem
abnormen Globin βS. Dies resultiert in der Bildung von
Sichelhämoglobin oder HbS (α2βS2). Bei Deoxygenierung
führt βS zu hydrophoben Interaktionen mit angrenzenden
βS-Globinen, was zur Polymerisation von HbS führt. Als
Folge bekommen die normalerweise formbaren Eryth-
rozyten eine rigide, sichelförmige Kurvatur mit einem
folgenden Membranschaden der Erythrozyten und einer
Hämolyse.
Die Vererbung von zwei βS-Genen führt zu einer ho-
mozygoten Sichelzellerkrankung der HbSS. Andere Ge-
notypen, die zu einer Sichelzellretinopathie führen, sind
heterozygote Patienten, bei denen das βS-Gen zusammen ⊡ Abb. 16.1 Blutausstrich eines 20-jährigen HbSS-Patienten, der ge-
mit abnormen ß-Genen oder mit Mutationen assoziiert sichelte Erythrozyten mit der Natriumbisulfitmethode zeigt. (Aus van
ist, die mit einer reduzierten Synthese von β-Globingenen Meurs et al. 2007)
(β-Thalassämie) verbunden sind. Bei der HbC führt die
Mutation des β-Gen zu einer Substitution von Glutamin-
säure durch Lysin. Die HbCS ist die häufigste heterozy- einen HbS-Anteil von etwa 40%. Bei HbSC-Patienten
gote Form gefolgt von der HbS-β-Thalassämie. Patienten, liegt der HbS-Anteil 10-15% höher und die mittlere kor-
die nur eine βS-Mutation haben, sind Merkmalsträger puskuläre Hämoglobinkonzentration (MCHC) ist durch
(HbAS), die gewöhnlich asymptomatisch bleiben. Die Er- den HbC induzierten Kalium und Wasserverlust der
krankung ist rezessiv im Hinblick auf die klinischen Ma- Erythrozyten erhöht. Dies erklärt, warum Patienten mit
nifestationen, jedoch ist die Ausbildung von Sichelzellen HbSC schwer betroffen sein können.
dominant. Sie ist in desoxigeniertem Blut von Individuen Klinische Korrelationen wurden in Jamaika von Ser-
mit HbAS nachzuweisen. jeant und Mitarbeitern erarbeitet. Bei 261 HbSS-Patien-
Der Überlebensvorteil von Merkmalsträgern der Si- ten, von denen 29 eine PSR entwickelten, zeigten Hayes,
chelzellerkrankung im Hinblick auf Infektionen mit Plas- dass die retinalen Gefäßverschlüsse eng mit einer niedri-
modium falciparum kann den Zusammenhang zwischen gen Konzentration des Gesamthämoglobins und des fe-
Malariaverteilung und lokaler Ausbreitung des Sichel- talen Hämoglobins sowie vermehrten Retikulozyten ver-
zellgenes erklären, wie auch die balancierten Polymor- gesellschaftet waren. Eine Korrelation zu den klinischen
phismen des βS Gens in der afrikanischen Population. In Parametern wie Daktylitis, Pneumonie, Sichelzellkrisen,
einigen Teilen Afrikas sind 45% der Bevölkerung hete- Gastroenteritis bestand nicht. Bei HbSC-Patienten mit
rozygot für das βS-Gen. Das βS-Gen kommt ebenfalls in PSR ist das mittlere zelluläre Hämoglobin signifikant
der Karibik, dem mediterranen Bereich, in Saudi Arabien erhöht, HbF erniedrigt. Die Viskosität und die Erythrozy-
und Teilen Indiens vor. tenfiltration hingegen unterscheiden sich nicht zwischen
Patienten mit oder ohne PSR. HbSS-Patienten mit PSR
zeigten einen höheren Hb und ein niedrigeres HbF bei
16.2.2 Ursachen der HbS-Polymerisation Männern, sowie eine höhere mittlere Hämoglobinkon-
zentration bei Frauen.
Das pathophysiologische Kennzeichen der Sichelzeller-
krankung ist die intrazelluläre Polymerisation von HbS Praxistipp I I
unter hypoxischen Bedingungen. Ein Abfall des pH (der Faktoren, die die Sichelbildung innerhalb der Zelle
die Affinität von Hämoglobin für Sauerstoff reduziert) erhöhen, sind die mittlere Hämoglobinkonzentration
verstärkt die HbS-Polymerisation ebenso wie ein An- und ein niedriger HbF. Eine insgesamt erhöhte Anzahl
stieg der Temperatur. Mit steigender Konzentration von an Erythrozyten wie bei der HbSC führt häufiger zur
HbS in den Erythrozyten nimmt die Polymerisation zu PSR.
(⊡ Abb. 16.1).
Ein wichtiger weiterer Einflussfaktor ist die Anwe-
senheit von HbF oder HbA2, die die HbS-Polymerisation
stärker beeinträchtigen als HbC und HbA. HbSS-Patien- 16.2.3 Kombinationen mit Thalassämie
ten haben kein HbA-, jedoch eine HbS-Anteil von über
85%, einen normalen prozentualen Anteil an HbA2 und Die Kombination von HbS und β0-Thalassämie (keine
einen erhöhten Anteil HbF. Patienten mit HbAS haben β-Globinsynthese durch das betroffene Thalassämieal-
408 Kapitel 16 · Sichelzellretinopathie

lel), zeigt eine normale β-Globinproduktion und kein lozyten (PMNs), passend zum Anstieg in ICAM-1 und
HbA. Diese Patienten zeigen einen HbS-Anteil, der P-Selectin, die für ein Rollen der Neutrophilen und später
vergleichbar ist mit dem von HbSS-Patienten (>85%). deren fester Adhäsion an das Endothel verantwortlich
Die Vererbung von HbS mit β+-Thalassämie (reduzierte sind. Sichelzellretikulozyten und Leukozyten verursachen
β-Globinsynthese durch das betroffene Thalassämieal- durch ihre Adhärenz an das Gefäßendothel eine mikro-
lel) führt zu variablen Anteilen von HbA (1-25%) und vaskuläre Stase, die wiederum die Transitzeit der roten
damit auch einem variablen Anteil von HbS. Kombi- Blutkörperchen erhöht und damit deren weitere Polyme-
nationen von HbSS mit einer α-Thalassämie führt zu risierung von Hämoglobin S fördert.
einer geringen Erhöhnung von HbA2 einhergehend mit Die dicht gepackten irreversibel gesichelten Zellen
einer Reduktion von HbS. Bei Patienten mit einer HbS- adhärieren auf Grund ihrer fehlenden Adhäsionsmole-
β-Thalassämie und einer HbSS mit einer α-Thalassämie küle und der auf Grund der Rigidität fehlenden Kon-
sind das mittlere korpuskuläre Volumen und das mittlere taktflächen nicht gut an Endothelzellen, können aber ein
korpuskuläre Hämoglobin reduziert, wodurch sich die Gefäß, in dem Retikulozyten und Leukozyten adhärieren,
HbS-Polymerisationsrate im Vergleich zu den HbSS-Pa- verschließen.
tienten reduziert. Andere Untersuchungen haben die Rolle von in-
flammatorischen Zytokinen untersucht wie »tumor-ne-
crosis factor α« (TNFα) und Interleukin-1-β (IL1-ß),
16.2.4 Pathogenese der Vasookklusion die über eine Aktivierung von Neutrophilen und Ad-
häsionsmolekülen die Adhäsion an das Gefäßendothel
Die Vasookklusion verursacht den Hauptteil des klini- verstärken. Diese Zytokine werden z.B. unter Gewebs-
schen Bildes der Sichelzellerkrankung. Bei der Freiset- hypoxie verstärkt freigesetzt. Andere Untersucher haben
zung von Sauerstoff ins Gewebe polymerisiert das Si- ein Ungleichgewicht im fibrinolytischen System mit ei-
chelzellhämoglobin und führt zu einer Verformung der ner verstärkten Ablagerung von Fibrin und gestiegenen
Zellen. Thrombinaktivität als Ursache für die Gefäßokklusion
Bei Reoxygenierung »entsicheln die Zellen« wieder, untersucht. Die Zytokinaktivierung des Gefäßendothels
sind jedoch zur Regeneration mit zunehmenden Sichel- spielt wohl die kritische Rolle in der Gefäßadhäsion und
zyklen immer weniger in der Lage und bilden schließlich der Initiierung der Gerinnungskaskade. Auch der Häma-
irreversibel gesichelte Erythrozyten. Dies geschieht in der tokrit spielt eine Rolle in der Gefäßokklusion über eine
Regel nicht in der Mikrozirkulation. Die Anzahl der irre- Beeinflussung der Blutviskosität.
versibel gesichelten Zellen steht nur in Zusammenhang Dies könnte eine Erklärung für die unterschiedli-
mit der hämolytischen Komponente der Erkrankung. chen systemischen Manifestationen der verschiedenen
Interessanterweise trägt auch die Re-Perfusion der Sichelhämoglobinopathien sein. HbSC- und HbSThal-
ischämischen Bereiche zum Gewebsschaden bei. Patienten haben einen substantiell höheren Hämatokrit
Eine Dichte-Separation von Sichel-Erythrozyten zeigt als HbSS-Patienten und damit eine höhere Viskosität mit
dass diese Zellen eine heterogene Population von Erythro- einer stärkeren Vasookklusion. Auch wenn HbSS-Pati-
zyten sind, die von dichten irreversibel »gesichelten« Zel- enten eine größere Anzahl an zirkulierenden gesichelten
len zu weniger dichten, jungen Retikulozyten reicht. Auch Erythrozyten haben, kann sie ihr insgesamt niedrigerer
16 wenn die dichten gesichtelten Zellen mit den vasookklusi- Hämatokrit von der Vasookklusion kleinerer Gefäße der
ven Ereignissen der Sichelzellretinopathie in Verbindung Netzhaut bewahren.
gebracht werden, zeigt sich zunehmend, dass die Patho- Die sehr dichten HbSS-Erythrozyten werden sehr
physiologie der Gefäßokklusion mehr als nur eine sim- leicht in den retinalen Kapillaren und präkapillären
ple mechanische Obstuktion ist. Neben den Erythrozyten Arteriolen unter hypoxischen Bedingungen gefangen,
finden sich Fibrin und Plättchenthromben und Leukozy- während die HbSC-Zellen, die eine normale oder hohe
ten. Die Leukozyten und die wenig dichten Retikulozyten Dichte haben, eine nur geringe Retention in den retinalen
exprimieren Adhäsionsmoleküle, die eine abnorme Ad- Kapillaren aufweisen – unabhängig von der Sauerstoff-
häsion an das Gefäßendothel vermitteln. Retikulozyten konzentration. Die Retention von HbSC-Zellen erfolgt
exprimieren Integrin α4β1 (VLA-4), das Zellen erlaubt nach Stimulation des Gefäßendothels mit dem Zytokin
über »vascular cell adhesion molecule-1« (VCAM-1) an TNFα. Vielleicht ist die Vasookklusion bei der HbSC-
aktivierte Endothelzellen zu binden. Sichel-Retikulozyten Erkrankung stärker von extraerythrozytären Faktoren ab-
exprimieren darüber hinaus CD36 und »intracellular ad- hängig, von einer Aktivierung des Endothels, und einer
hesion molecule-1« (ICAM-1), VCAM-1, E-Selectin und Expression von Adhäsionsmolekülen.
P-Selectin. Im Netzhautgewebe von Sichelzellpatienten Eine alternative Theorie besagt, dass die Gefäßokklu-
findet sich eine erhöhte Anzahl an neurophilen Granu- sionen bei der HbSS-Erkrankung so vollständig sind, dass
16.3 · Klinik der Sichelzellretinopathie
409 16
eine Netzhautnekrose entsteht, die kein vitales Gewebe können Bereiche vitaler Blutgefäße von den okklusiven
übrig lässt, das eine Angiogenese stimulieren kann. Im Bereichen unterschieden werden (⊡ Abb. 16.2-16.5). Bei
Gegensatz dazu ist die HbSC weniger schwer und führt repetitiven Okklusionen der peripheren Netzhaut über
zu einer chronischen Ischämie, aber zu weniger voll- einen längeren Zeitraum kommt es zu einer zentripeta-
ständigen Infarzierungen und ist daher mit einer konti- len Verlagerung der peripheren Gefäßarkaden weg von
nuierlichen Sekretion angiogener Substanzen durch die der Ora serrata in Richtung Äquator. Das Endergeb-
beschädigten Gewebe verbunden. nis ist eine vollständig ischämische periphere Netzhaut
(⊡ Abb. 16.3). Haarnadelschlingen repräsentieren das ori-
ginale verschlossene Gefäßlumen, wobei der zweite Kanal
16.3 Klinik der Sichelzellretinopathie die Rekanalisation der Originalwand des verschlossenen
Gefäßastes darstellt (⊡ Abb. 16.4). Verbindungen zwi-
Praxistipp I I schen Arteriolen und angrenzenden terminalen Venolen
Lachsflecken, Glitzerflecken und schwarze Sonnen- entstehen durch präexsistierende Kapillaren und resul-
flecken sind frühe und späte Veränderungen von tieren in arteriovenösen Anastomosen an der Grenze zur
retinalen Hämorrhagien und verursachen keine lang ischämischen Netzhaut (⊡ Abb. 16.5). Die Anastomosen
anhaltenden Visusminderungen. zeigen in der Regel keine Leckage in der Fluoreszeinan-
▬ Die proliferative Sichelzellretinopathie (PSR) ist die giographie, was bestätigt, dass sie aus einer Verbreiterung
Hauptursache für einen schweren protrahierten präexsistierender Gefäße mit einer intakten Blut-Retina-
Visusverlust bei Sichelzellpatienten. Sie findet sich Schrankenstruktur entstehen und keine echten Neovas-
häufiger bei Patienten mit einem gutartigeren kularisationen repräsentieren. Der durch die Okklusio-
systemischen Verlauf, wie bei Patienten mit HbSC nen entstehende Rückwärtsdruck in den Gefäßen erwei-
oder HbS-ß-thal. Es bleibt unverstanden, warum tert fokal die Gefäßwand (⊡ Abb. 16.6). Die mechanische
die peripheren retinalen Kapillaren bei diesen Pa- Reizung der Endothelzellen führt zur Proliferation und
tienten stärker betroffen sind und in einer weiten Ausbildung von Neovaskularisationen.
Nicht-Perfusion und Ischämie resultieren. Die häufig zu findenden »angioid streaks« sind eine
▬ Retinale Arterien und Venenverschlüsse können Manifestation, die nicht direkt durch eine Vasookklusion
bei allen Patienten mit allen Genotypen vorkom- geschieht, sondern auch durch den Reperfusionsschaden
men, haben aber eine ähnliche Inzidenz wie in der nach einem vasookklusiven Ereignis mit einem oxida-
Normalbevölkerung. tiven Schaden des Elastins. Die andere Ausnahme, ein
▬ Sichelzellmerkmalsträger sollten keine vaso- Hyphäma, ist klinisch wichtiger, vor allem weil es die ein-
okklusiven Ereignisse in der Netzhaut zeigen. Falls zige okuläre Manifestation ist, die ein Risiko für Patienten
doch muss nach einer erklärenden Co-Morbidität mit einer HbAS darstellt. Innerhalb der Vorderkammer
geforscht werden. sicheln die Erythrozyten und verstopfen den trabekulären
Ausfluss, dies führt zu einem hohen und prolongierten
Augeninnendruckanstieg. Die Verwendung von Acetazo-
lamid, das zu einer Azidifizierung und einer verstärkten
16.3.1 Nicht-proliferative Veränderungen Sichelung führt, sollte vermieden werden und eine chir-
urgische Entfernung angestrebt werden.
Retinale Gefäßverschlüsse und
Rekapillarisierung Blutungen, Schisiskavitäten, Glitzerflecken,
Die retinalen Okklusionen zeigen sich erst und meist und schwarze Sonnenflecken
in der peripheren Netzhaut und führen nur selten zu Der okklusive Prozess ist mit intraretinalen Blutungen
einem Verlust der Sehschärfe aufgrund der sehr weit pe- verbunden. Lachsflecken sind runde bis ovale Blutungen
ripher gelegenen Gefäßobstuktionen. Periphere Vasook- in den inneren Netzhautschichten. Die Läsionen haben
klusionen können bei der HbSS-Sichelzellretinopathie bis zu 2 mm Durchmesser mit gut definierten Rändern
bereits ab dem 20. Lebensmonat nachgewiesen werden und einer entweder flachen oder gewölbten Oberfläche.
(⊡ Abb. 16.2). Solche Blutungen, die gewöhnlich in der mittleren Pe-
Obwohl retinale Kapillaren und präkapilläre Arte- ripherie angrenzend an eine Arteriole zu finden sind,
riolen der initiale Ort der Vasookklusion zu sein schei- resultieren aus einer Leckage aus den durch Okkulsion
nen, sind im späteren Verlauf auch großkalibrigere Ge- und Ischämie geschwächten Gefäßwänden. Obwohl die
fäße betroffen (⊡ Abb. 16.3), wobei die Verschlüsse sich Blutungen initial rot erscheinen, werden sie durch hä-
oft im Bereich arteriovenöser Kreuzungen ereignen. In molytische Prozesse heller und erscheinen lachsfarben
Flach-Präparaten der Netzhaut mittels ADPase-Aktivität (⊡ Abb. 16.7).
410 Kapitel 16 · Sichelzellretinopathie

16

b
c

⊡ Abb. 16.2 ADPase-inkubierte Netzhaut eines 20 Monate alten Patienten mit HbSS. a Niedrige Vergrößerung der weit peripheren Netzhaut
mit kleinen Haarnadelschlaufen (Pfeil). b Im Bereich der Haarnadelschlaufen zeigen sich bei höherer Vergrößerung abrupt endende Kapillarseg-
mente. c Schnitt durch eine Haarnadelschlaufe. (Aus Lutty 2007)
16.3 · Klinik der Sichelzellretinopathie
411 16

b c

e
d

⊡ Abb. 16.3 54-jähriger HbSC-Patient mit einer nicht-perfundierten peripheren Netzhaut. a Dunkelfeldbeleuchtung der peripheren Netzhaut
zeigt ein abruptes Enden der Gefäße in Haarnadelschlaufen und arteriovenösen Anastomosen zwischen verschlossenen Arterien und Venen.
b Bei höherer Vergrößerung zeigen sich kleine Haarnadelschlaufen in einer der arteriovenösen Anastomosen. c Ein Schnitt durch die weißlichen
Bereiche in a und b zeigt kollagene Schläuche, die die Zuflussgefäße einer autoinfarzierten Fächerproliferation repräsentieren. d Wenn das
Areal, das in b gezeigt ist, im Hellfeld angesehen wird, zeigt sich ein »Schwarzer Sonnenfleck« genau an der Grenze von der perfundierten und
nicht-perfundierten Netzhaut. e Ein Schnitt durch den »Schwarzen Sonnenfleck« in d zeigt, dass sich hypertrophe RPE-Zellen in diesem Bereich
der atrophen Netzhaut verklumpt haben. (Aus Lutty 2007)
412 Kapitel 16 · Sichelzellretinopathie

a c

⊡ Abb. 16.4 Venenthrombosen bei einem 37-jährigen HbSS-Patienten. a Dunkelfeldbild des Bereiches. b Ein Schnitt am Knick des Gefäßes
zeigt dicht gepackte Erythrozyten nachfolgend auf einen Fibrin-Thrombus. c Ein Schnitt jenseits der arteriovenösen Kreuzung zeigt in Teil A
ebenfalls dicht gepackte sichelnde Erythrozyten folgend auf einen Plättchen-Fibrin-Thrombus mit Leukozyten. (a Dunkelfeldaufnahme einer
ADPase Färbung, b-c Färbung mit Tuluidinblau und basischem Fuchsin) (Aus Lutty 2007)

16

a b c d

⊡ Abb. 16.5 Zwei retinale Haarschleifen bei einem 54-jährigen SC-Sichelzellpatienten. In a und b ist die ADPase-Aktivität der Haarnadelschlau-
fen im Dunkelfeld gezeigt. Die Arterien und Venen enden abrupt an der Grenze von der perfundierten zur nicht-perfundierten Netzhaut.
Kollagene Schläuche sind an der Stelle der vormaligen Gefäße. In Schnitten kann gezeigt werden, dass sich neue Schläuche anstelle der alten
Gefäße in der Oridinalarterie gebildet haben (c). In venösen Schläuchen (d) bilden sich die neuen Kanäle jedoch neben den alten Gefäßen, die
sklerosiert sind. (Aus Lutty 2007)
16.3 · Klinik der Sichelzellretinopathie
413 16

b e

⊡ Abb. 16.6 Ungewöhnliche Gefäßformation im Bereich einer peripheren arteriovenösen Anastomose. a Bei geringer Vergrößerung zeigt sich
ein flacher Aspekt, die Arterie und Vene sind an der Grenze zur nicht-perfundiertern Netzhaut zu finden. b Bei höherer Vergrößerung zeigen
sich Haarnadelschlaufen in den Schenkeln der Y-förmigen Bifurkation. c Schnitt bei dem die ausgezogenen Schlaufen die »inner limiting mem-
brane« durchbrechen . d Ein Fibrin-Koagel in einer Vene jenseits des betroffenen Segments. e Die betroffene Schlaufe ist jetzt auf dem Schnitt
rechts. Ein anderer autoinfarzierter Bereich liegt links im Bild. (a und b Dunkelfeldaufnahmen der ADPase-Aktivität; c-e Schnitte gefärbt mit
Toluidinblau-basischem Fuchsin) (Aus Lutty 2007)

a b

c d

⊡ Abb. 16.7 a Lachsfleck bei einem 18-jährigen HbSC-Patienten. Die verschlossene Arteriole ist kalkweiß. Die oberflächliche retinale Blutung
ist hämolysiert und damit lachsfarben. b Die Fluoreszeinangiographie des gleichen Bereiches zeigt eine Fluoreszeinblockade als Folge der
Lachsfleckenblutung und retinale Kapillarausfälle im Versorgungsbereich der geblockten Arteriole. c Die Fluoreszeinangiographie des gleichen
Bereiches 3 Wochen später mit einer teilweisen Reperfusion des Kapillarbettes. d Fundusphotographie desselben Patienten 4 Jahre später nach
der Lachsfleckenblutung. Lediglich eine kleine Narbe auf dem Niveau des RPE erinnert an die Episode. (Aus van Meurs et al. 2007)
414 Kapitel 16 · Sichelzellretinopathie

Nach der Resorption eines Lachsflecks kann die und fluoreszeinangiographisch aus einer pathologischen
Netzhaut vollständig normal ohne Hinweis auf residu- vergrößerten avaskulären Zone (PAZ).
ales Blut erscheinen oder aber im Bereich der inne-
! Cave!
ren Netzhautschichten eine Reduktion der Schichtdicke
Bei Kindern ist die avaskuläre Zone in der Regel
aufweisen. Dies zeigt sich ophthalmoskopisch als ein
nicht vergrößert.
stumpfer Bereich mit glitzernden gelblichen Körnchen,
die Hämosiderin-beladenen Makrophagen entsprechen. Eine Einziehung der inneren Netzhautschichten kommt
Histopathologisch zeigen sich die Makrophagen in Reti- nach Rückgang der Cotton-wool-Herde durch eine lokale
noschisishöhlen, in denen sowohl intrazelluläres als auch Verdünnung und Nekrose der inneren Netzhautschichten
extrazelluläres Eisen zu finden ist. zustande. Vorübergehende schwarze Flecken, vermutlich
Die schwarzen Sonnenflecken sind ebenfalls mit den durch deoxigenierte und verklumpte Erythrozyten in den
intraretinalen Blutungen verbunden (⊡ Abb. 16.8). Diese kleinen oberflächlichen Gefäßen konnten bei 9 (7 Hb
Läsionen stellen sich als flache, runde oder ovale schwarze SS) von 80 Sichelzell-Patienten und in 17 von 74 HbSS-
Läsionen dar, die 0,5 bis 2 mm groß sind (⊡ Abb. 16.3d). In Patienten beobachtet werden.
diesen Beeten können glitzernde Granula, ähnlich denen Longitudinale Studien bei Patienten mit Cotton-wool-
in den Glitzerbeeten, vorkommen. Histopathologische Herden zeigten abrupte Obstruktionen der zuführenden
Studien zeigen eine fokale Hypertrophie des retinalen Arteriolen mit einem folgenden Öffnen und späterem
Pigmentepithels (RPE) mit einer RPE-Hyperplasie und Wiederverschließen der initial nicht-perfundierten Arte-
Migration (⊡ Abb. 16.3e). Ebenfalls finden sich Eisena- riole. In einigen Fällen kam es auch zu einer Reperfusion
blagerungen, Hämosiderin-beladene Makrophagen und der abhängigen Kapillaren. Venöse Schlingen fanden sich
Pigmentablagerungen. Die schwarzen Flecken repräsen- angrenzend an nicht-perfundierte Bereiche.
tieren eine intraretinale Migration von hyperplastischem Es besteht eine inverse Abhängigkeit zwischen der
retinalen Pigmentepithel in Antwort auf die Blutzellen, Zahl der perimakulären kapillären Anomalien und der
die das RPE von der neurosensorischen Netzhaut ge- Größe der foveal avaskulären Zone.
trennt haben, jedoch scheint die Ätiologie mannigfaltig. Mit dem Fransworth-Munsell-Test können milde bis
Die schwarzen Flecken können sich in Abhängigkeit von moderate gelb-blau Defekte bei Patienten mit Sichel-
der Dissektionsebene der Blutung, also direkt aus Lachs- zellretinopathie nachgewiesen werden, es besteht jedoch
flecken, bilden. Dies ist insofern interessant, als dass sich keine Korrelation zu pathologischen avaskulären Arealen.
auch bei Diabetikern häufig Blutungen finden, jedoch Ebenso gibt es keine strenge Korrelation zwischen dem
keine schwarzen Flecken. Eine andere Hypothese assozi- Ausmaß der peripheren Minderperfusion und der Min-
iert die Läsionen mit einem umschriebenen choroidalen derperfusion entlang der Raphe. Weiterhin kann keine
Verschluss und der Bildung choroidaler Neovaskularisa- Korrelation zwischen Visusverlust und einer ischämi-
tionen. Das macht eine durch die RPE-Migration indu- schen Makulopathie nachgewiesen werden.
zierte chorioidale Dysfunktion wahrscheinlich. Die meis-
ten schwarzen Sonnenflecken sind in Bereichen einer Natürlicher Verlauf der nicht-proliferativen
atrophen, nicht-perfundierten Netzhaut zu finden und Sichelzellretinopathie
mit einer verstärkten Expression des Wachstumsfaktors Prospektiv kann ein kontinuierliches Remodeling der
16 »transforming growth factor β« (TGFβ), der mit einer peripheren retinalen Gefäße durch Verschluss und Wie-
Fibrose assoziiert ist, verbunden. dereröffnen der äquatorialen Gefäße (⊡ Abb. 16.5c) ge-
Interessanterweise, obwohl diese unterschiedlichen zeigt werden. Dennoch resultiert in der Regel eine zen-
Zeichen einer Vasookklusion häufig mit einem Verlust tripetale posteriore Rezession der peripheren retinalen
der retinalen Perfusion assoziiert sind und daher bei Kapillaren. Fächerförmige Neovaskularisationen können
der Entstehung einer proliferativen Sichelzellretinopathie im Verlauf aus teilweise bereits langbestehenden arteri-
(PSR) wichtig sind, sind sie bei HbSC-Patienten nicht ovenösen Anastomosen entstehen. Ein Visusverlust oder
häufig zu finden, obwohl die PSR dort eine große Rolle ein Verlust des Gesichtsfeldes resultiert nicht aus diesen
spielt. peripheren Läsionen, sie können aber in eine proliferative
Sichelzellretinopathie münden.
Kapillarverschlüsse am hinteren Pol
Abnormitäten in der Makula und temporal der Raphe
wurden bei 32% der HbSS-Patienten, 36% der HbSC- 16.3.2 Proliferative Sichelzellretinopathie
Patienten sowie 20% der S-β-thal-Patienten gefunden.
Die makulären Veränderungen bestanden aus Cotton- Retinale Neovaskularisationen und seltener Neovaskula-
wool-Spots, Mikroaneurysmata, venösen Veränderungen risationen der Papille sind Zeichen einer proliferativen
16.3 · Klinik der Sichelzellretinopathie
415 16
ren echte Neovaskularisationen und zeigen eine diffuse
Leckage von Fluoreszein und humanem Serumalbumin
als Zeichen für den Verlust der Blut-Retina-Schranke.
Funduskopisch nicht sichtbare Neovaskularisationen
können daher in der Fluoreszeinangiographie sichtbar
gemacht werden.
Sowohl »vascular endothelial growth factor« (VEGF)
als auch »basic fibroblast growth factor« (FGF-2) werden
in den Fächern exprimiert, jedoch ebenso antiangiogene
Faktoren wie PEDF (⊡ Abb. 16.12), wobei jedoch der An-
stieg der VEGF-Expression das Gleichgewicht in Rich-
tung Angiogenese beeinflusst.
Durch das Vorwachsen der Fächer in Richtung Glas-
⊡ Abb. 16.8 Schwarze Sonnenflecken bei einem 45-jährigen HbSC- körperkavität können delikate vaskuläre Strukturen durch
Patienten. (Aus van Meurs et al. 2007) Traktion bluten. Diese traktionsinduzierten Glaskörper-
blutungen können durch minimale Traumata, wie schon
allein normale Glaskörperbewegungen, verursacht wer-
Sichelzellretinopathie. Da die proliferative Retinopathie den oder entstehen durch Kontraktion von Glaskörper-
in Blutungen und einer Netzhautablösung münden kann, strängen. Die Glaskörperblutungen können asymptoma-
ist diese Form der Retinopathie potentiell visusbedroh- tisch auf den Bereich der Neovaskularisationen begrenzt
lich. bleiben. Eine Progression der Traktion kann letztendlich
Periphere retinale Verschlüsse sind das initiierende jedoch zu einer Traktionsablösung der Netzhaut – meist
Ereignis in der Pathogenese der proliferativen Sichel- in der Peripherie führen. Glaskörperstränge und verdich-
zellretinopahtie. Klinisch scheinen arterielle Okklusionen tete Membranen sind häufige Ursache von chronischen
nahe von Y-förmigen Bifurkationen zu entstehen oder Glaskörperblutungen und einer Plasmatranssudation aus
im Bereich arteriovenöser Kreuzungen. Der okklusive neovaskulärem Gewebe und sind die Hauptursache für
Prozess induziert wahrscheinlich eine lokale Ischämie, eine Progression in eine traktive oder traktiv-rhegma-
die eine Ausschüttung weiterer Wachstumsfaktoren sti- togene Netzhautablösung. Wie zu erwarten sind Netz-
muliert. Periphere retinale Neovaskularisationen haben hautablösungen in der Hauptsache bei SC-Patienten zu
häufig die Form von fächerartigen Korallen (Gorgonia finden. Traktive Ablationen finden sich nur selten bei
flabellum »sea fan«) (⊡ Abb. 16.9), können jedoch auch HbAS oder HbSS Patienten.
die Ausprägung intraretinaler mikrovaskulärer Anoma- Die fächerförmigen Neovaskularisationen können
lien haben (IRMA) (⊡ Abb. 16.10). Die fächerartigen Neo- sich in bis zu 60% der Fälle durch Autoinfarzierungen zu-
vaskularisationen finden sich in der Hauptsache an der rückbilden (⊡ Abb. 16.13). Bislang noch nicht ausreichend
Grenze zwischen perfundierter und nicht-perfundierter verstanden, scheint die Pathophysiologie der Autoinfar-
Netzhaut und wachsen in Richtung auf die ischämische zierung multifaktoriell zu sein. In einem Milieu einer
prä-äquatoriale Netzhaut (⊡ Abb. 16.11). Die Fächer kön- chronischen Hypoxie und Ischämie kommt es zu wieder-
nen dabei viele sie speisende Arteriolen und drainierende kehrenden Episoden von Thrombosen und Sichelzellbil-
Venolen haben, vermutlich durch die Entstehung aus vie- dungen innerhalb der Fächer, die schließlich zu einem
len Angiogenesesprossen, die durch die »inner limiting permanenten Verschluss führen können. In den Fächern
membrane« (ILM) der Netzhaut brechen und entlang der finden sich darüber hinaus viele neutrophile Granulozy-
Netzhautoberfläche an der vitreoretinalen Grenzfläche ten, die mit einer erhöhten Expression der Adhäsions-
wachsen (⊡ Abb. 16.10). moleküle P-Selectin, VCAM-1 und ICAM-1 verbunden
Die Fächer sind dynamische Neovaskularisationen, sind. Eine erhöhte PEDF-Expression in autoinfarzierten
die aktiv wachsende Blutgefäße besitzen können, Ge- Fächern verbunden mit einem niedrigen VEGF-Level
fäßlumen mit Perizyten, aber auch autoinfarzierte Be- könnte ebenfalls zu einer Regression der Neovaskulari-
reiche (⊡ Abb. 16.9). Die Fächer bestehen lediglich aus sationen beitragen. Die Hauptversorgungsgefäße bleiben
Endothelzellen und Perizyten und einer Matrix aus Kolla- auch in autoinfarzierten Neovaskusalisationssegeln er-
gen IV, Heparan-Sulfat Proteoglykan, und Kollagen II an halten (⊡ Abb. 16.3). Die mechanische Traktion an die-
der Grenze zum Glaskörper. Statistisch finden sie sich in sen Gefäßen kann jedoch auch zu einer vollständigen
absteigender Reihenfolge am häufigsten im superotempo- Unterbindung des Blutflusses im Fächer führen. Auto-
ralen Quadranten, im inferotemporalen, superonasalen, infarzierungen und Ausbildung neuer Fächer können
und inferonasalen (⊡ Abb. 16.11). Die Fächer repräsentie- simultan innerhalb eines Auges vorliegen (⊡ Abb. 16.11).
416 Kapitel 16 · Sichelzellretinopathie

a d

b e

16

c f

⊡ Abb. 16.9 Fächerförmige Neovaskularisation in der ADPase-inkubierten Netzhaut (⊡ Abb. 16.3). Die Neovaskularisation ist in der Perspektive
(a) flach. Sie ist an einer arteriovenöse Kreuzung. b Austritt der Vene aus der ILM, wobei diese bezüglich zur Arterie (c) innen liegt. Die neovas-
kuläre Struktur besitzt sich neu formierende Gefäße, die angioblastische Massen darstellen (d), maturierte Blutgefäße (e) mit Endothelzellen
(Pfeilspitze) und Perizyten (Pfeil). Die autoinfarzierten Kapillaren sind nur noch kollagene Schläuche (f). (Aus Lutty 2007)
16.3 · Klinik der Sichelzellretinopathie
417 16

a b

c d e

⊡ Abb. 16.10 Multiple angiogene Sprossen in unmittelbarer Nähe zur Grenze zwischen perfundierter und nicht-perfundierter Netzhaut bei ei-
ner 20 Jahre alten Patientin mit HbSS. Die ADPase-Aktivität ist in der Neovaskularisation erhöht, sodass die neovaskulären Sprossen (Pfeilköpfe)
und IRMA-Formationen (Pfeile) mehr Aktivität im Flachpräparat zeigen (a, b). Die meisten Neovaskularisationssprossen finden sich im venösen
Teil des Gefäßbettes. Sowohl Arteriole als auch Venole münden in einer Haarnadelschlinge. c, d Gefäßaussprossungen können in der Nähe der
ILM gesehen werden. Auch IRMA ähnliche Formationen (e) zeigen sich an der ILM. (Aus Lutty 2007)

⊡ Abb. 16.11 Obere Netzhautquadranten eines 40-jährigen Sichelzellpatienten (SS). Das Bild wurde im Hellfeld angesehen, wobei die ADPase-
Aktivität schwarz erscheint. Die periphere Netzhaut ist nicht-perfundiert und viele neovaskuläre Gefäße zeigen sich an der Grenze von der
nicht-perfundierten zur perfundierten Netzhaut. Die neovaskuläre Struktur stellt sich als Fächer dar. (Aus Lutty 2007)
418 Kapitel 16 · Sichelzellretinopathie

a d

b e

c f

⊡ Abb. 16.12 PEDF und VEGF können immunhistochemisch in der Netzhaut und in den zuführenden Gefäßen gezeigt werden (a-c) und in
der neovaskulären Struktur der Fächerneovaskularisationen (d-f) bei einem 58-jährigen SC-Patienten. Die PEDF-Immunreaktivität zeigt sich in
retinalen Gefäßen, den zuführenden Gefäßen, den fächerförmigen Neovaskularisationen selbst und in den Matrix Komponenten derselben
16 (b, e). Die VEGF-Immunreaktivität zeigt sich vorwiegend in vitalen retinalen Gefäßen und zuführenden Gefäßen (c) und in vitalen Gefäßen der
Fächerneovaskularisation (f). (Aus Lutty 2007)

Jede neovaskuläre Läsion muss also als möglicherweise -venenverschlüsse werden als Stadium IV zusammenge-
progredient gesehen werden und sollte damit behandelt fasst. Je höher der Grad der Retinopathie, desto schwerer
werden (⊡ Abb. 16.14). ist der systemische klinische Verlauf des Patienten.
Lieb und Mitarbeiter klassifizierten ein Stadium I bei Die gängigste Klassifikation der proliferativen Sichel-
einer Tortuositas und Erweiterung der großen retinalen zellretinopathie ist die von Goldberg: Periphere ateri-
Gefäße. Im Stadium II kommen zusätzlich ischämische oläre Verschlüsse bilden das Stadium I. Periphere ar-
Areale hinzu, Einscheidungen der peripheren Gefäße, teriovenöse Anastomosen als Folge von sequentiellen
Mikroaneurysmen und periphere Teleangiektasien. Sta- Obstruktionen werden im Stadium II zusammengefasst
dium III umfasst retinale Blutungen, Glitzerflecken und (⊡ Abb. 16.15). Periphere retinale Neovaskularisationen,
Obstruktionen kleinerer Venen. Die proliferative Retino- die aus den Anastomosen entstehen, bilden das Sta-
pathie mit Glaskörperblutung und Zentralarterien oder dium III (⊡ Abb. 16.16), Glaskörperblutungen aus diesen
16.3 · Klinik der Sichelzellretinopathie
419 16

a a

b b

⊡ Abb. 16.13 a Autoinfarzierte fächerförmige Neovaskularisation bei ⊡ Abb. 16.14 a Eine fibrotisch und involutiert aussehende Fächer-
einem 53-jährigen HbSC-Patienten. b Die Fluoreszeinangiographie neovaskularisation bei einem 31-jährigen HbSC-Patienten. b Die
bestätigt die Autoinfarzierung – die fibrotisch erscheinende Neovas- Fluoreszeinangiographie zeigt jedoch eine gute Perfusion der Fächer-
kularisation ist nicht perfundiert. (Aus van Meurs et al. 2007) neovaskularisation. (Aus van Meurs et al. 2007)

⊡ Abb. 16.15 Periphere Minderperfusion


und arteriovenöse Anastomosen bei einer
28-jährigen Patientin mit HbSC. (Aus van
Meurs et al. 2007)
420 Kapitel 16 · Sichelzellretinopathie

berichtet, deren Gemeinsamkeit weitere periphere proli-


ferative Bereiche waren (⊡ Abb. 16.17).
Der natürliche Verlauf der proliferativen Sichelzellre-
tinopathie ist progredient mit Glaskörperblutungen und
schließlich Netzhautablösungen. Die Prävalenz der PSR
steigt zwischen dem 15. Lebensjahr bis zum Alter von
35 Jahren und erreicht dann ein Plateau. Unter 144 Au-
gen mit PSR fanden Condon und Mitarbeiter in 28% der
Fälle Autoinfarzierungen verbunden mit Neovaskularisa-
tionen im gleichen Auge (⊡ Abb. 16.13, ⊡ Abb. 16.14). Das
durchschnittliche Alter von Patienten mit einer alleinigen
Autoinfarzierung war dabei höher als das von Patien-
ten mit Fächerneovaskularisationen. Das Risiko für eine
⊡ Abb. 16.16 Periphere Minderperfusion und arteriovenöse Anas- Glaskörperblutung ist bei Patienten mit einem HbSC-
tomosen und retinale Neovaskularisationen bei einem 23-jährigen
Patienten mit HbSC. (Aus van Meurs et al. 2007)
Genotyp erhöht, insbesondere bei aktiv perfundierten
Fächerneovaskularisationen über mehr als 60°. Patienten
mit einer unilateralen PSR zeigen mit einer Wahrschein-
lichkeit von 16% eine Regredienz, in 14% eine Progredi-
enz zu einer bilateralen PSR.
Die bilaterale PSR hat eine Wahrscheinlichkeit von
8% sich zu einer unilateralen PSR zurückzubilden, und
eine Wahrscheinlichkeit von 1% zu einer vollständigen
Rückbildung.
Es gibt keine Berichte, dass die peripheren Ver-
schlüsse häufiger in HbSC-Patienten als in HbSS-Pa-
tienten vorkommen. Es ist eine Hypothese, dass auf
Grund der stark obstruktiven Tendenz bei HbSS reti-
nale Infarkte zusätzlich zur frühen Autoinfarzierung von
sich entwickelndem neovaskulären Gewebe eine höhere
Prävalenz zeigen. Bei der HbSC entwickeln sich auch
Infarzierungen, sind jedoch als Folge der moderaten
vaso-okklusiven Tendenz zur Autoinfarzierung von Neo-
vaskularisationen eher selten. Die alternative Hypothese
postuliert, dass die größeren Vasookklusionen bei HbSS
in der infarzierten Netzhaut keine vasoproliferativen
⊡ Abb. 16.17 Eine glücklicherweise seltene, sehr aktive fibrovaskuläre
Proliferation in der Nähe der Papille, die eher an eine proliferative dia- Substanzen freisetzen, während die geringere Vasook-
betische Retinopathie erinnert, jedoch als Manifestation einer PSR bei klusion bei HbSC eine persistierend ischämische Netz-
16 einem 38-jährigen HbSC-Patienten auftrat. (Aus van Meurs et al. 2007) haut bedingt.
Bei betroffenen Erwachsenen lag die Grenze der nicht-
perfundierten Netzhaut bei HbSS Patienten im Vergleich
Neovaskularisationen das Stadium IV. Stadium V bein- zu HbSC-Patienten mehr peripher. Damit korreliert eine
haltet teils traktive, teils rhegmatogene (als Folge von größere, ischämische Fläche bei HbSC zu einer höheren
Rissen an Neovaskularisationssegeln) Amotiones. Prävalenz der PSR. Andere Arbeiten konnten zeigen, dass
In der Literatur wurde eine PSR bei 3-14% der HbSS- Patienten ohne kontinuierliche arteriovenöse Schlingen,
Patienten, bei 33-43 % der HbSC-Patienten und in 18% aber mit Kapillarsprossen, die in die nicht-perfundierte
der HbS-ß-Thalassämiepatienten gefunden. Unter den Netzhaut reichen (Typ IIb), ein höheres Risiko für eine
HbSC-Patienten wurde eine Progredienz zu einer Glas- PSR haben.
körperblutung in 31% gefunden, zu einer Netzhautab- Elektroretinogramme von Patienten mit einer PSR
lösung in 15%. Mit der Ausnahme eines Falls einer ex- zeigen reduzierte a- und b-Wellen sowie reduzierte oszil-
sudativen Ablösung sind die meisten Fälle traktive oder latorische Amplituren, möglicherweise als Folge der Pho-
gemischt rhegmatogen-traktive Amotiones. torezeptorschäden durch die chorioidale Ischämie oder
Neovaskularisationen der Papille wurden bei 5 Pa- den gestiegenen Sauerstoffbedarf der inneren Netzhaut-
tienten mit HbSC, sowie bei einem Patienten mit HbSS schichten. Die Ischämie der inneren Netzhaut kann eben-
16.3 · Klinik der Sichelzellretinopathie
421 16
falls zu der Potentialveränderung beitragen. Es besteht
eine negative Korrelation zwischen ERG-Amplituren und
einer kapillären Nichtperfusion.

Praxistipp I I
Goldberg Klassifikation der PSR
▬ Stadium I: Periphere aterioläre Verschlüsse
▬ Stadium II: Periphere arteriovenöse Anastomosen
als Folge von sequentiellen Obstruktionen
▬ Stadium III: Periphere retinale Neovaskularisatio-
nen, die aus den Anastomosen entstehen
▬ Stadium IV: Glaskörperblutungen aus Neovasku-
larisationen
▬ Stadium V: traktive, teils rhegmatogene (als
Folge von Rissen an Neovaskularisationssegeln) ⊡ Abb. 16.18 Späte Füllung in einem geographischen Muster, das
Amotiones sich in einer »Wasserscheide« vereint bei einem 24-jährigen HbAS-
Kontrollpatienten. (Aus van Meurs et al. 2007)

16.3.3 Chorioideopathie
Ähnliche Komplikationen sind bei Sichelzellpatien-
Spekulationen über eine ungleichmäßige Füllung der ten in Folge einer Feeder-vessel-Photokoagulation zu
Choriokapillaris in der frühen arteriovenösen Phase, die sehen. Dennoch sind choroidale Infarkte insgesamt re-
bei einigen Sichelzellpatienten gefunden wurde, konnte lativ selten zu sehen, möglicherweise durch die recht
in Studien an HbSS- und HbSC- Patienten sowie HbAS- hohe Durchflussrate der Aderhaut (d.h. die Transitzeit
und HbAA-Kontrollen nicht nachgewiesen werden der Zellen ist kürzer als die Verzögerungszeit der Poly-
(⊡ Abb. 16.18). merisation).
Bei Patienten mit Hämoglobinopathien, die zu einer
Sichelbildung führen, ist die choroidale Minderperfusion
ein Resultat okklusiver Ereignisse in der hinteren Zili- 16.3.4 Retinale Gefäßverschlüsse
arzirkulation. Wie in der Netzhaut könnte die Adhäsion
von Retikulozyten über VLA-4 hier wichtig sein. Gefäßbeteiligungen am hinteren Pol bei Sichelzellpatien-
Vasookklusive Ereignisse der choroidalen Gefäße ten zeigen ein weites Spektrum von Zentralarterienver-
könnten auch bei der Entstehung der schwarzen Sonnen- schlüssen bis zu perimakulären Kapillarverlusten mit der
flecken eine Rolle spielen: histopathologisch zeigt sich Bildung einer perifoveolären avaskulären Zone.
eine Vasookklusion der choroidalen Gefäße mit Erythro- Die Literatur berichtet bei insgesamt 10 Patienten
zyten, Fibrin und Plättchen-Fibrin-Thromben. über Zentralarterienverschlüsse, bei 9 Patienten über
Verschlüsse der choroidalen Gefäße können ebenfalls symptomatische Astarterienverschlüsse oder Makula-
zur Ausbildung von »angiod streaks« führen – also von Astverschlüsse. Kleinere Gefäßverschlüsse bleiben häu-
Brüchen in der Bruch’schen Membran und Choroidea fig asymptomatisch und ohne Visusverlust, wohingegen
in Folge von Kalzifikationen und höherer Fragilität der arterielle Verschlüsse in der Regel mit Visusminderung
Bruch’schen Membran. symptomatisch werden. Periphere Gefäßverschlüsse gro-
In der Literatur wird über 4 Sichelzellpatienten (2 SC, ßer zusammenhängender Areale sind in der Regel mit
1 SS und 1 S-thal) mit möglichen Ziliararterienverschlüs- der Entstehung einer poliferativen Retinopathie assozi-
sen berichtet. Die dreieckigen weißlichen subretinalen iert. In einigen Patienten bleibt die Ausbildung prolifera-
Läsionen erinnern an Läsionen, die experimentell durch tiver Stadien jedoch aus. Als Folge arterieller Verschlüsse
Unterbinden der langen Ziliararterien hervorgerufen zeigen sich Lachsflecken, Glitzerpunkte und Schwarze
werden. Bei diesen Patienten zeigten sich auch arterielle Sonnenflecken.
retinale Verschlüsse und Verschlüsse der Carotis interna Nur über einen Zentralvenenverschluss wird berich-
mit einer Amaurosis fugax. Bei diesen Patienten ist ein tet und dieser auch nach Retrobulbäranästhesie in einer
Verschluss durch simultane thrombembolische Ereignisse Periode von 15 Jahren mit ca. 800 HbSS- und 300 HbSC-
in der Zentralarterie sowie in den langen und kurzen Zi- Patienten in Jamaika. Eine erhöhte Inzidienz für retinale
liararterien wahrscheinlich. Venenthrombosen kommt also nicht vor.
422 Kapitel 16 · Sichelzellretinopathie

Differentialdiagnosen
16.4
der Sichelzellretinopathie
Praxistipp I I
Differentialdiagenosen
Der typische Aspekt der retinalen Neovaskularisationen ▬ Diabetische Retinopathie
bei der Sichelzellretinopathie hat die Anzahl der mög- ▬ Morbus Eales
lichen Differentialdiagnosen begrenzt. Hierbei ist unter ▬ Venenthrombosen
»typisch« ein Areal peripherer Nicht-Perfusion mit einer ▬ Frühgeborenenretinpathie
Neovaskularisationsbildung an der posterioren Grenze, ▬ Familiär exsudative Vitreoretinopathie
die zum Teil schon fibrosiert sind. Neben Venenthrom-
bosen kommen Morbus Eales, Frühgeborenenretinopa-
thie und die Familiär exsudative Vitreoretinopathie in
Frage. Bei sich rückbildender Frühgeborenenretinopathie 16.5 Therapie der Sichelzellretinopathie
und der dominanten exsudativen Vitreoretinopathie sind
die Areale der Nicht-Perfusion weiter anterior als bei der Praxistipp I I
proliferativen Sichelzellretinopathie. Obwohl die Lasertherapie der zuführenden Draina-
Die Grenze zur nicht-perfundierten Netzhaut ist irre- gegefäße auch große Fächerneovaskularisationen
gulär und reflektiert den fortschreitenden zentripetalen verschließen kann, kann sie zu choroidalen Neovasku-
Prozess der Vasookklusion. Da sind die fächerförmigen larisationen führen und sollte nur bei rezidivierenden
Neovaskularisationen nicht in gleichem Abstand zur Pa- Glaskörperblutungen in Betracht gezogen werden.
pille wie bei der ROP oder FEVR, bei der die Gefäßent- ▬ Eine ausgiebige disseminierte Koagulation der mitt-
wicklung zu einem bestimmten Entwicklungszeitpunkt leren Peripherie reduziert das Risiko für eine Glaskör-
unterbrochen wurde. Bei der Sichelzellretinopathie findet perblutung und kann die Inzidenz eines langfristigen
sich auch nicht die für die FEVR typische V-förmige Visusverlustes reduzieren. Die Evidenz von jährlichen
Grenze der perfundierten Netzhaut, die durch den Wachs- Funduskontrollen und prophylaktischen Laserkoagu-
tumsstopp der superioren und inferioren temporalen Ar- lationen bei Patienten mit PSR ist nicht hoch, jedoch
kaden entsteht. Die Charakteristika der Retinopathie bei ähnlich wie bei der diabetischen Retinopathie.
Incontinentia pigmenti sind weibliches Geschlecht, Haut- ▬ Vitreoretinale Chirurgie für eine nicht-aufklarende
manifestationen, Zahnanormalitäten und eine frühere Glaskörperblutung oder Netzhautablösung bei
Erstmanifestation im Jugendalter. Die häufigste Differen- Patienten mit PSR kann mit per- oder postoperativ
tialdiagnose ist der Morbus Eales. Die klinische Defini- schweren systemischen (z.B. akute Lungeninsuf-
tion des Eales ist nicht gut definiert, sie umschließt nach fizienz) und okulären Komplikationen assoziiert
Elliot und Renie eine Vaskulitis oder Periphlebitis in Ver- sein, wie z.B. einer Vorderabschnittsischämie. Da-
bindung mit einer peripher okklusiven Gefäßerkrankung. her: eher Lokalanästhesie als Vollnarkose, keinen
Nach Ansicht der Autoren wäre die Vaskulitis ein frühes Schaden an den M. recti, keine Cerclagen, frühe
Ereignis im Verlauf der Eales-Erkrankung, was das Feh- Therapie von Hyphäma, optimale Kontrolle des int-
len von inflammatorischen Zeichen bei vielen Patienten raokularen Drucks.
erklärt. Nach Spitznas könnte die Periphlebitis auch eine ▬ Hyphämata können einen schweren klinischen
16 separate Entität sein: »idiopathische Periphlebitis«, die Verlauf, sogar bei HbAS-Merkmalsträgern, haben.
von der nicht-inflammatorischen peripheren obstrukti- Azetazolamid und Mannitol können die Erythro-
ven Vaskulopathie, dem M. Eales, unterschieden werden zytensichelung verstärken und sollten vermieden
sollte. Diese Form ähnelt in vielerlei Weise der Sichelzell- werden. Die topische Therapie mit Atropin, Timo-
retinopathie. Hierbei ist wichtig, die hyaline Degenera- lol, Clonidin und Latanoprost sollte frühzeitig be-
tion, die zu einer weißlichen Färbung der Gefäßwand bei gonnen werden. Die Blutungen müssen, ggf auch
Morbus Eales oder der Sichelzellretinopathie führt, von wiederholt, chirurgisch entfernt werden.
den irregulären und großflächigeren inflammatorischen
Einscheidungen bei Vaskulitis zu unterscheiden.
Eine Hämoglobin-Elektrophorese und ein Sichelzell-
test sind für alle Patienten aus dem mediterranen Raum 16.5.1 Prophylaktische Behandlung für die
oder dem mittleren Ostern bei peripheren retinalen Ge- Proliferative Sichelzellretinopathie
fäßverschlüssen und Neovaskularisationen erforderlich.
Die Kombination einer HbAS mit Diabetes, einer ak- Die Laserphotokoagulation wurde initial verwendet um
tiven Lues, oder einem Lupus Erythematodes oder einer die fächerförmigen Neovaskularisationen zu behandeln
Tuberkulose wurde bei wenigen Patienten beschrieben. und später als disseminierte Koagulation um und peri-
16.5 · Therapie der Sichelzellretinopathie
423 16

⊡ Abb. 16.20 Ein Beispiel einer choroidalen Neovaskularisation als


Komplikation einer mit der Feeder-vessel-Technik behandelten fächer-
förmigen Neovaskularisation bei einem 31-jährigen Patienten mit HbSS

⊡ Abb. 16.19 a Große prominente Fächerneovaskularisationen


als Ursache einer Glaskörperblutung bei einem 45-jährigen HbSC-
Patienten. Die Laserbehandlung war nicht effektiv. b Erfolgreicher
Verschluss der zuführenden Arteriole (Feeder-vessel-Technik). Die
kleinere, inferior der Läsion gelegene Neovaskularisation wurde nicht
mit dieser Methode verschlossen ⊡ Abb. 16.21 Trotz einer Reihe alter Lasernarben blieb diese Fächer-
neovaskularisation bei einem 41-jährigen HbSC-Patienten perfundiert

pher der Neovaskularisationen zur Behandlung der peri- im Verschluss von fächerförmigen Neovaskularisatio-
pheren Ischämie. nen (⊡ Abb. 16.21). In einer prospektiven randomisier-
Die direkte Koagulation der Gefäßbäumchen kann ten kontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass
erfolgreich die Perfusion der Neovaskularisationen un- die disseminierte Koagulation zu einer Verminderung
terbinden (⊡ Abb. 16.19), jedoch birgt sie die Gefahr von des Blutungsrisikos und des Risikos eines akuten, aber
Netzhautrissen und der Induktion choroidaler Neovas- nicht eines dauerhaften Visusverlustes führt. Aufgrund
kularisationen, da hohe Energien benötigt werden, um des nur marginalen Effektes auf die Funktion und die
die zuführende Arterie zu verschließen (⊡ Abb. 16.20). Tendenz der Fächerneovaskularisationen zur Autoinfar-
Neben der iatrogenen Induktion choroidaler Neovasku- zierung wird von einigen Experten die prophylaktische
larisationen kann dadurch auch eine choroidale Ischä- Laserkoagulation nicht angeraten.
mie verursacht werden. Diese zeigt sich als dreieckige
gräulich-weiser Flecken anterior zum Behandlungsbe-
reich, die später in einer granulären Hyperpigmentie- 16.5.2 Epiretinale Membranen
rung münden können. Funktionell führt das zu einem
Verlust des peripheren Gesichtsfelds. Die disseminierte Epiretinale Membranen fanden sich bei 25 von 699 un-
Koagulation der peripheren Ischämiebereiche verur- tersuchten Augen (3,6%), bzw in 55 von 1.486 Augen
sacht weniger Komplikationen, ist aber weniger effektiv (3,7%). Alle Patienten mit epiretinalen Membranen hat-
424 Kapitel 16 · Sichelzellretinopathie

ten eine PSR. Die Bildung der epiretinalen Membranen den ist. Bei Patienten mit Sichelzellanämie findet sich das
ist unabhängig von einer vorherigen Laserbehandlung, ASI nach Netzhautchirurgie auch ohne die genannten
jedoch weniger häufig in behandelten Patienten mit Si- Risikofaktoren einer Cerclage oder einem Absetzen von
chelzellretinopathie zu finden. Die Ursache ist also eher Muskeln. Offensichtlich kommt es zu einer Interferenz
die Prävalenz von Neovaskularisationen mit bestehenden mit der Durchblutung des vorderen Augenabschnitts, die
vitreo-retinalen Veränderungen. Die Transsudation von eine Sichelung verursacht. Möglicherweise kann die int-
Plasma von PSR Läsionen führt zu einer Desorganisation raoperative Hypotension während einer Vollnarkose oder
des kortikalen Glaskörpers mit einer folgenden Abhe- auch eine Laserkoagulation über den langen hinteren
bung, die die hintere Glaskörpergrenzmembran und die Ziliararterien ursächlich sein.
ILM zerstören kann. Als Folge können Gliazellen auf Sogar bei recht einfachen Vitrektomien ist das Risiko
die Netzhautoberfläche einwachsen und durch sekun- zur Induktion iatrogener Foramina bei Patienten mit
däre Kontraktion zur Ausbildung einer Gliose führen, Sichelzellretinopathie größer, möglicherweise durch die
die eine Visusminderung, jedoch alleine in der Regel verdünnten avaskulär atrophen peripheren Netzhautare-
keinen schweren Visusverlust bedingt. Im Hinblick auf ale und den sehr fest adhärenten Glaskörper. Postoperativ
die unklare Visusprognose und das perioperative Risiko sind Hypämata und sekundäre Sichelzellglaukome die
muss die Indikation zur Vitrektomie gegen die möglichen häufigsten Probleme.
Vorteile einer Entfernung der epiretinalen Membran ab-
gewogen werden. Fazit für die Praxis
Klinik der Sichelzellretinopathie
Kapillarverschlüsse sind die häufigsten pathologischen
16.5.3 Makulaforamina Veränderungen in der Netzhaut von Sichelzellpatien-
ten. Hierbei sind Erythrozyten sicher der Hauptzelltyp,
Es gibt wenige Berichte über Makulaforamen bei Sichel- der zur Sichelzellbildung beiträgt, aber auch Leuko-
zellerkrankung. Diese sind zumeist mit einer PSR asso- zyten und das fibrinolytische System sind beteiligt.
ziiert und zeigen eine ausgeprägte epiretinale Membran- Verschlüsse ereignen sich zumeist an anteriorvenösen
bildung um das Foramen. Auch das Alter der Patienten Kreuzungen als Venenastthrombosen und führen zu
ist jünger als bei idiopathischen Makulaforamina. Die Lachsflecken mit Glitzerflecken, Retinoschisiskavitäten
Foramenentstehung ist am ehesten der weiten tangen- und schließlich schwarzen Sonnenflecken. Eine Vasopro-
tialen Traktion als Folge der PSR geschuldet. Einzelbe- liferation in der ischämischen Netzhaut erfolgt in Form
richte zeigen eine Visusbesserung nach chirurgischer von Haarnadelschlaufen, IRMAs und fächerförmigen
Intervention. Neovaskularisationen.
Sich nicht resorbierende Glaskörperblutungen und
Netzhautablösungen (Traktionsamotiones oder rhegma- Praxisleitfaden Vitreoretinale Chirurgie bei Sichelzell-
togene Amotiones oder Kombinationen) sind sowohl retinopathie
durch eindellende Verfahren und Drainage ab externo Aufgrund fehlender evidenzbasierter Daten, scheint folgen-
oder durch interne Drainage in Verbindung mit einer des Vorgehen sinnvoll:
Glaskörperchirurgie behandelt worden. Alle Optionen ▬ Lokalanästhesie mit zusätzlichem Sauerstoff sollte einer
16 haben eine hohe Rate intra- und postoperativer Kompli- Vollnarkose vorgezogen werden, um der Gefahr einer
kationen. perioperativen Hypotension und postoperativen Sichel-
Die Ischämie des vorderen Augenabschnittes (»an- zellkrise vorzubeugen.
terior segment ischemia syndrome«, ASI) umfasst eine ▬ Geringste mögliche Beeinflussung der geraden Augen-
Keratopathie, eine intraokulare Entzündung mit schwe- muskeln sowie Vermeidung einer Cerclage, um das Ri-
ren Schmerzen, Kataraktbildung und einer Hypotonie. siko für eine Ischämie des vorderen Augenabschnitts zu
In seiner schweren Ausprägung kann dieses Syndrom verringern.
zu einer Phthisis führen mit folgender Enukleation des ▬ Eine intensive Laserkoagulation der posterioren Ziliarar-
Bulbus. Ursprünglich wurde das ASI nach Chirurgie ei- terien sollte vermieden werden.
ner Netzhautablösung beschrieben mit Diathermie, einer ▬ Die bestdokumentierte Ursache für eine akute Sichel-
Resektion der geraden Augenmuskeln und engen Cercla- zellkrise ist die Kälteexposition. Daher sollte die Perfu-
geelementen oder mit einer Schieloperation an mehr als sionsflüssigkeit für die Vitrektomie wärmer und näher
3 geraden Muskeln eines Auges. Histologische Studien an der Körpertemperatur liegen als gewöhnlich für eine
haben eine Nekrose von Teilen der Iris und des Ziliar- Vitrektomie verwendet.
körpers gezeigt, die durch die Unterbrechung der langen ▬ Ein postoperatives Hyphäma sollte dringend entfernt
Ziliararterien oder der anterioren Zilikararterien entstan- werden.
Literatur
425 16
▬ Der intraokuläre Druck sollte postoperativ engmaschig Jampol LM, Condon P, Farber M, Rabb M, Ford S, Serjeant G (1983) A
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16
17

Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

17.1 Histopathologie retinal vaskulärer Tumoren – 428


S. E. Coupland
17.1.1 Einleitung – 428
17.1.2 Histopathologie von kavernösen Hämangiomen – 428
17.1.3 Histopathologie von kapillären Hämangioblastomen – 429
17.1.4 Histopathologie von razemösen Hämangiomen – 430
17.1.5 Histopathologie von retinal vasoproliferativen Tumoren – 430
17.1.6 Histopathologie von retinal angiomatösen Proliferationen – 432
17.1.7 Histopathologie kombinierter Hamartome des retinalen Pigmentepithels
und der Retina – 433

17.2 Kapilläres Hämangiom – 434


J.A. Shields, C.L. Shields, K.U. Löffler
17.2.1 Definition – 434
17.2.2 Einleitung – 434
17.2.3 Pathogenese – 435
17.2.4 Epidemiologie – 435
17.2.5 Symptomatik und klinisches Bild – 435
17.2.6 Differentialdiagnose – 438
17.2.7 Therapie – 438

17.3 Kavernöses Hämangiom – 442


B. Jurklies, C. Jurklies
17.3.1 Einleitung – 442
17.3.2 Historie – 442
17.3.3 Pathologie – 442
17.3.4 Klinisches Bild und Charakteristika – 442
17.3.5 Genetik – 444
17.3.6 Differentialdiagnose – 445
17.3.7 Behandlung – 445

17.4 Vasoproliferative Tumoren – 446


N. Bornfeld
17.4.1 Definition – 446
17.4.2 Einleitung – 446
17.4.3 Pathogenese – 446
17.4.4 Epidemiologie – 446
17.4.5 Symptomatik und klinisches Bild/Diagnose – 446
17.4.6 Histologische Befunde – 448
17.4.7 Differentialdiagnose – 448
17.4.8 Ophthalmologische Therapie – 449

Literatur – 450

A. M. Joussen, Retinale Gefäßerkrankungen, DOI 10.1007/978-3-642-18021-7_17,


© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
428 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

Die vaskulären Tumoren der Netzhaut umfassen retinale Hä-


mangiome, aber auch vaskuläre Tumore mit pigmentepithe-
lialen und glialen Veränderungen wie die vasoproliferativen
Tumore und die Hamartome.
Während der Eingangsabschnitt die Histopathologie der
unterschiedlichen Entitäten mit den klinischen Erscheinungs-
bildern in Zusammenhang bringt, wird in den  Abschnit-
ten 17.2 bis 17.5 auf die Klinik und Therapie der häufigsten
Veränderungen näher eingegangen. Hierbei werden die
kapillären Hämangiome ( Abschn. 17.2), die kavernösen
Hämangiome ( Abschn. 17.3) sowie die vasoproliferativen
Tumore ( Abschn. 17.4) diskutiert.

17.1 Histopathologie retinal vaskulärer


Tumoren

S. E. Coupland
⊡ Abb. 17.1 Fundus eines Patienten mit sakkulären Erweiterungen
eines kavernösen Hämangioms und Ausbildung einer epiretinalen
17.1.1 Einleitung Membran. (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. Bertil Damato,
Liverpool, UK)
Die in diesem Kapitel zusammengefassten histopatholo-
gischen Befunde vaskulärer Tumoren umfassen:
▬ Das kavernöse Hämangiom
▬ Das kapilläre Hämangioblastom
▬ Das razemöse Angiom (retinale arteriovenöse Mal-
formation)
▬ Die retinalen vasoproliferativen Tumore
▬ Die retinal angiomatöse Proliferation
▬ Das kombinierte Hamartom des retinalen Pigmente-
pithels und der Retina

17.1.2 Histopathologie von kavernösen


Hämangiomen a

Das kavernöse Hämangiom ist ein seltenes, vaskuläres Ha-


martom, charakterisiert durch die Entwicklung sakkulärer
17 Aneurysmen der inneren Netzhaut in Verbindung mit ex-
traokulären Veränderungen, einschließlich intrakranieller,
kavernöser Angiome und kutaner Angiome. Die okulären
Läsionen sind nicht progrediente, benigne Veränderun-
gen, die häufig solitär und unilateral, zumeist in einiger
Entfernung vom hinteren Pol zu finden sind (⊡ Abb. 17.1).
Selten ist die Makula oder die Papille betroffen. Die Pa-
tienten sind in der Regel asymptomatisch, obwohl einige
über einen Visusverlust und neurologische Symptome, b

wie z. B. Krampfleiden oder Lähmungen der Hirnnerven,


⊡ Abb. 17.2 a Histologischer Schnitt eines kavernösen Hämangioms
klagen. Familienstudien zeigen, dass diese neurookuloku-
mit großen Blutgefäßen in den inneren Netzhautschichten. b zeigt
tanen Syndrome autosomal dominant mit einer unvoll- eine retinale Gliose mit Architekturstörung der Netzhaut sowie traktive
ständigen Penetranz und variabler Expressivität aufgrund Membranen, die zu einer Netzhautablösung und Blutungen geführt
von Mutationen im Chromosom 7 vererbt werden. haben. (Aus Chang MA, Green WR 2007)
17.1 · Histopathologie retinal vaskulärer Tumoren
429 17
Histopathologisch ist die Netzhaut durch multiple,
große Gefäßkanäle mit normalen Gefäßwänden und ei-
nem nicht fenestrierten Gefäßendothel verdickt. Diese
Gefäßkanäle entstehen im inneren Bereich der Netzhaut
(⊡ Abb. 17.2). Durch das Vorhandensein eines normalen
Endothels, das die pathologischen Gefäße dieses Tumors
auskleidet, kommt es zu einer sehr geringen Exsudation im
Gegensatz zu anderen retinal vaskulären Malformationen.
Es können clustersakkuläre Aneurysmen vorhanden sein,
die ein weintraubenähnliches Aussehen in der Ophthalmo-
skopie zeigen (⊡ Abb. 17.1). Innerhalb dieser Läsionen sind
die inneren Netzhautschichten unterbrochen, wobei dünne
⊡ Abb. 17.3 Fundus eines Patienten mit von Hippel-Lindau-Syndrom.
Stromaschichten die Aneurysmata voneinander separieren. Man erkennt erweiterte »feeder vessels«, exsudative Netzhautver-
Die kavernösen Hämangiome sind von einer verdichteten änderungen und die Ausbildung einer epiretinalen Membran. (Mit
Glaskörperschicht überdeckt, die zu einer Blutung führen freundlicher Genehmigung von Prof. Bertil Damato und Prof. Heinrich
kann, wenn im Fall einer hinteren Glaskörperabhebung Heimann, Liverpool, UK)
eine vitreoretinale Traktion im Bereich des Aneurysmas
entsteht (⊡ Abb. 17.2). Kavernöse Hämangiome können
mit Leberschen Miliaraneurysmata verwechselt werden.
Im Gegensatz zu letzteren, die in der Regel progressiv sind
und ein intrinsisches, retinales Gefäßnetz aufweisen, ten-
dieren kavernöse Hämangiome zu einer stabilen Größe.

17.1.3 Histopathologie von kapillären


Hämangioblastomen

Das retinale Hämangioblastom (auch bekannt als kapillä-


res Angiom) ist ein benigner, kongenitaler, vaskulärer Tu-
mor, der sporadisch vorkommen kann oder sich bei Pa-
tienten mit einer von Hippel-Lindau-Erkrankung (VHL) a
findet. Das retinal kapilläre Hämangioblastom hat keine
Präferenz bzgl. des Geschlechtes oder der Rasse.
Die Tumoren können bilateral und/oder multifokal
vorkommen und werden typischerweise in der zweiten
oder dritten Lebensdekade entdeckt, wenn sie in Assozia-
tion mit einem von Hippel-Lindau-Syndrom vorkommen
(⊡ Abb. 17.3). Die sporadisch vorkommenden Tumoren
werden in der Regel später zwischen dem 30. und 40. Le-
bensjahr entdeckt. Das von Hippel-Lindau-Syndrom wird
durch den Verlust eines Tumorsuppressorgens auf den
kurzen Arm des Chromosom 3 im Lokus 3p25-26 ver-
ursacht. Es wird autosomal dominant mit einer variablen
Penetranz vererbt.
Das retinale Hämangioblastom kann sich im Bereich b
der Netzhaut in einer endophytischen, exophytischen
oder sessilen Form erheben und kann den Sehnervenkopf ⊡ Abb. 17.4 Kapilläres Hämangioblastoms eines Patienten mit von
oder den Sehnerven einschließen. Häufig ist eine Coats- Hippel-Lindau-Syndrom. Ausgeprägte degnerative Verändungen mit
ähnliche exsudative Makulopathie zu finden. Ausbildung eines Sekundärglaukoms und Schmerzen führten letzt-
endlich zur Enukleation des Auges. a Geringe Vergrößerung kleiner
Histopathologisch ist der retinal vaskuläre Tumor zu-
Kapillaren in der Netzhaut, die durch Stroma mit »Tumorlet-Zellen«
sammengesetzt aus geschlängelten, kapillarähnlichen Ge- getrennt werden (x20 Objektiv). b Die Kapillaren werden von Endothel
fäßen, die mit einem Endothel ausgekleidet sind und über umgeben und enthalten Erythrozyten. Die Stromazellen enthalten
größere zu- und abführende Versorgungsgefäße verfügen große Mengen an Lipiden – vermutlich durch die Leckage von Plasma
430 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

17.1.4 Histopathologie von razemösen


Hämangiomen

Razemöse Hämangiome sind auch bekannt als cirsoide


Aneurysmen oder kongenitale retinale, arteriovenöse
Kommunikationen. Razemöse Hämangiome sind konge-
nitale, retinale, arteriovenöse Malformationen, die mit dem
Wyburn-Mason-Syndrom (25-30%) vergesellschaftet sind
(⊡ Abb. 17.6a). Sie sind eine seltene, nicht hereditäre Er-
krankung, die charakterisiert ist durch vaskuläre Missbil-
dungen im Verlauf des Sehweges, d.h. entweder im Bereich
der Netzhaut (Nervus opticus) bis hin zu zerebralen Verän-
derungen. Diese Missbildungen sind progressiv und kön-
⊡ Abb. 17.5 Kapilläres Hämangioblastom der Netzhaut eines Patien-
ten ohne von Hippel-Lindau-Syndrom. Diese Läsion ist klein und um- nen häufig erst im Erwachsenenalter – mit einem mittleren
schrieben, aber nimmt der ganzen Breite der Netzhautschichten ein. Alter bei Diagnose von 20 Jahren – diagnostiziert werden.
Die ist mit einer traktionalen epiretinalen Membran assoziiert. (Pfeile, Histopathologisch können alle Netzhautschichten von
HE, x2 Objektiv. (Aus Chang MA, Green WR 2007) vergrößerten, wurmähnlichen Gefäßen durchsetzt sein, die
in manchen Fällen an die Bruchsche Membran adhärieren
(⊡ Abb. 17.6b,c). Die Unterscheidung zwischen Arterien
(⊡ Abb. 17.4a,b). Die Kapillaren sind eingebettet in eine und Venen ist nicht immer möglich, weil alle Gefäßwände
Matrix von reaktivem, fibrösem Gewebe und schaumigen eine variable Dicke mit einer fibrösen Hyalinisierung der
Stromazellen, die lipidgeladene, fibröse Astrozyten reprä- adventiellen Schichten aufweisen. Ein variabler Verlust von
sentieren (⊡ Abb. 17.4b). Die Lipidablagerung in diesen Ganglienzellen und der Nervenfaserschicht sowie zystoide
Zellen kommt wahrscheinlich aus der Plasmaleckage in Veränderungen im Bereich der Makula und auch der pe-
den intravaskulären Raum. Ein ähnliches histologisches ripheren Netzhaut sind beschrieben. Der Sehnerv und der
Bild ist bei dem nicht-VHL retinalen Hämangioblasto- Sehnerventrakt können durch die abnorme Gefäßbildung
men beobachtet (⊡ Abb. 17.5). verzogen sein. Diese Gefäßveränderungen können sowohl
Eine Studie von Patienten mit von Hippel-Lindau- dünne, venöse Kanäle oder große, dicke, mit glatter Mus-
Syndrom und retinalen Hämangioblastomen zeigte einen kulatur durchsetzte, arterielle Gefäße beinhalten. Im Laufe
Verlust der Heterozygotie innerhalb der vakuolisierten der Zeit können diese Läsionen fibrotisch werden.
stromalen Zellen. Daher kann angenommen werden, dass
diese Zellen die primär betroffenen Zellen der Neoplasie
sind. Sie wurden daher «Tumorlet-Zellen« genannt. Die 17.1.5 Histopathologie von retinal
Kapillaren sind eine sekundäre Reaktion auf die Hochre- vasoproliferativen Tumoren
gulation des »vascular endothelial growth factor« (VEGF)
durch die Tumorlet-Zellen, die ebenfalls eine angestie- Retinal vasoproliferative Tumoren sind seltene Tumoren,
gene Expression von Hypoxie-induziertem Faktor (HIF), die sich unabhängig vom Geschlecht und Alter entwickeln
Ubiquitin, Erythropoietin und des Chemokinrezeptors können. Sie ähneln kapillären Hämangiomen, haben jedoch
CXCR4 zeigen. normale Zu- und Abflussgefäße. Sie sind nicht verbunden
17 Endophytische Tumoren haben ein minimales in- mit einer von Hippel-Lindau-Erkrankung, können jedoch
terstitielles Gewebe, wohingegen exophytische Tumo- solitär oder in Verbindung mit anderen okulären Verän-
ren eher invasiv im retinalen Gewebe wachsen und ein derungen wie der Retinitis pigmentosa, der intermediären
deutlicheres interstitielles Gewebe aufweisen. Eine spin- Uveitis, einer Netzhautablösung oder einer Toxoplasmose
delartige Verdickung des retinalen Gewebes kann vor- vorkommen. Sie sind charakterisiert durch eine reaktive
kommen. In einigen Fällen können die Tumoren durch retinale Gliose, die zum Teil sehr ausgeprägt sein kann.
einen Defekt der Membrana limitans interna in Rich- Diese Tumoren wurden vielfach als retinale Angiome
tung Glaskörperraum vordringen und sind in diesen oder angiomähnliche Läsionen, periphere retinale Telean-
Fällen mit einer Kondensation des Glaskörpers in diesem giektasien oder »retinal angiomatöse Massen« beschrieben.
Bereich verbunden. In fortgeschrittenen Fällen können Der retinal vasoproliferative Tumor ist eine Nomenklatur,
sich Glaskörperstränge entwickeln, die zu einer traktiven die von Shields 1995 eingeführt wurde, um peripher vas-
Netzhautablösung und Glaskörperblutungen führen. Auf kuläre Tumoren ohne systemische oder familiäre Assozi-
gleichem Wege können schwere exsudative Netzhautab- ationen zu beschreiben, die von kapillären Hämangionen
lösungen vorkommen. in Assoziation mit einem von Hippel-Lindau-Syndrom zu
17.1 · Histopathologie retinal vaskulärer Tumoren
431 17

b
⊡ Abb. 17.7 Großer vasoproliferativer Tumor bestehend aus einer Pro-
liferation kleiner Blutgefäße mit verdickten eosinophilen Gefäßwänden
innerhalb der gliösen Masse. Diese können mit einer unkontrollierten
Proliferation des retinalen Pigementepithels einhergehen, wie sie in b in
der Tiefe der Läsion zu sehen ist (HE, x10 Objektiv bzw. x40 Objektiv)

mit zystischen Veränderungen gezeigt (⊡ Abb. 17.7a,b). Diese


irregulär angeordneten, spindelförmigen Zellen lassen sich
durch das »glial fibrillary acid protein« (GFAP) positiv
färben und weisen keine zellulären Atypien oder mitotische
Figuren auf. Die Gefäße können dilatiert sein oder eher
c
klein und fibrotisch, jedoch sind die Veränderungen in der
Regel mit einer Hyalinisierung und einem Verlust der glat-
⊡ Abb. 17.6 a Razemöse Hämangiom assoziiert mit dem Wyburn- ten Muskelzellen in der Gefäßwand assoziiert. In einigen
Mason-Syndrom. b,c Histologische Schnitte großer hyalinisierter Ge- Gefäßen zeigen sich eine Thrombosierung und eine int-
fäße der arteriovenösen Malformation mit wurmartiger Konfiguration raluminale Endothelzellproliferation. Selten entstehen die
in der Netzhaut. (Aus Chang MA, Green WR 2007) Läsionen auf der Basis chorioidaler Neovaskularisationen,
wobei der vaskuläre Komplex in diesen Fällen aus einer
Arterie, die sich aus dem chorioidalen Gefäßnetz bildet,
unterscheiden sind. Shields und Mitarbeiter erstellten die hervor geht (⊡ Abb. 17.7a,b). Fettige seröse und fibrinöse
Hypothese, dass diese Tumoren als Folge einer Erkran- Exsudate können im die abnormen Gefäßnetze umgeben-
kung, die eine reaktive Gliose und eine vaskuläre und Pig- den Bindegewebe gefunden werden. Ablagerungen auf der
mentepithelproliferation stimulieren, entstehen würden. inneren Oberfläche der Bruchschen Membran, eine Proli-
Histopathologische Studien von vasoproliferativen Tu- feration des retinalen Pigmentepithels (RPE) und eine Me-
moren haben eine ausgeprägte Spindelzellgliose der Netzhaut taplasie, die zu einer Fibrose, zu präretinalen Neovaskulari-
432 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

sationen und damit verbunden zu retinalen Blutungen und und in den subretinalen Raum. Sie kann aus retinal cho-
Exsudaten führen können, sind ebenfalls beschrieben. rioidalen Anastomosen entstehen.
Typischerweise zeigten sich intraretinale Blutungen.
Fibrovaskuläre Membranen finden sich im subretinalen
17.1.6 Histopathologie von retinal Raum und im Bereich der Bruchschen Membran. Das
angiomatösen Proliferationen Risiko einer Neovaskularisation im Partnerauge bei Pa-
tienten mit einem unilateralen RAP steigt im Laufe der
Die retinal angiomatöse Proliferation (RAP) ist eine Form Beobachtungszeit. Ungefähr 1/3 der Patienten mit einem
der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration 3-jährigen Kontrollzeitraum hat eine bilaterale Erkran-
mit einer Kapillarproliferation innerhalb der Netzhaut kung entwickelt (⊡ Abb. 17.8a,b).

17

b e

⊡ Abb. 17.8 a Typisches Fundusbild einer Patientin mit einer retinalen angiomatösen Proliferation (RAP-Läsion). Extrafoveale intraretinale
Blutung, Exsudate und Pigmentepithelabhebung. b Fluoreszeinangiographie. Oberhalb und temoral der Fovea sind zwei RAP-Läsionen (Retina-
Retina und Retina-Choroid) durch Gefäßanastomosen und lokaliserte Leckage über der Anastomose zu erkennen. c ICG-Angiographie. In der
ICG-Angiographie sind die Gefäßanastomosen noch besser zur identifizieren. d OCT. Typische OCT bei RAP-Läsion: Intraretinale Flüssigkeit,
neurosensorische Abhebung und RPE-Abhebung. e Präparat einer submakulären Membran mit fibrovaskulärer Aggregation (Stern), die sich
oberhalb des verbleibenden RPE und basaler laminarer Ablagerungen (Pfeil) befindet (PAS, 100-fache Vergrößerung) (PAS, 100x) (a-d Mit
freundlicher Genehmigung von Prof. Heinrich Heimann, Liverpool, UK. e Aus Chang MA, Green WR 2007)
17.1 · Histopathologie retinal vaskulärer Tumoren
433 17
Die histopathologische Untersuchung von 6 Läsio- adhärent war. Dies ist der Unterschied zu okkulten und
nen, die durch eine submakuläre Membranextraktion ge- klassischen chorioidalen Neovaskularisationen, die in der
wonnen wurden, zeigten eine subretinale fibrovaskuläre Regel an der Choroidea, jedoch nicht an der neurosenso-
Membran mit retinalem Pigmentepithel, Basalmembran- rischen Netzhaut adhärent sind.
ablagerungen und degenerierten Photorezeptoraußenseg-
menten zusammen mit amorphem proteinhaltigem Ma-
terial. Eine fibrozelluläe Membran im Bereich der Bruch- 17.1.7 Histopathologie kombinierter
schen Membran war in einigen Läsionen zu finden – in Hamartome des retinalen
diesen Fällen in Verbindung mit einer Unterbrechung Pigmentepithels und der Retina
der Basalmembranablagerungen (⊡ Abb. 17.7b). In an-
deren Präparaten fanden sich große Gefäße, die, aus der Die kombinierten Hamartome der Netzhaut und des
subretinalen fibrovaskulären Membran austretend, bis in retinalen Pigmentepithels (RPE) sind selten. Sie zeigen
die neurosensorische Retina vordringen. Die neurosenso- sich in der Regel als unilaterale solitäre, häufig pigmen-
rische Netzhaut war in den meisten Läsionen abgehoben, tierte Läsionen in der juxtapapillären Region, können
obwohl die äußere neurosensorische Netzhaut in einigen aber auch im peripheren Fundusbereich lokalisiert sein.
Präparaten fest am subretinalen fibrovaskulären Gewebe Die Erstmanifestation erfolgt in der Regel im jungen

⊡ Abb. 17.9 a Fundus eines Patienten mit kombiniertem Hamartom


des retinalen Pigementepithels und der Netzhaut. b-d Fluoreszen-
zangiographische Aufnahmen der Früh- und Spätphase des gleichen
Patienten. e Histologischer Schnitt einer Biopsie eines kombinierten
Hamartioms des RPE und der Netzhaut mit starken degenerativen
Veränderungen der Netzhaut mit ektasierten Blutgefäßen und An-
sammlung von proliferiertem RPE (HE, x20 Objektiv) (a Mit freundli-
cher Genehmigung von Prof. Bertil Damato, Liverpool, UK, b-d Aus
e
Chang MA, Green WR 2007)
434 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

Erwachsenenalter, kann aber grundsätzlich jedes Alter, 17.2.1 Definition


einschließlich der Kindheit, betreffen (⊡ Abb. 17.9a-d).
Eine Assoziation mit der Neurofibromatose-Typ-II ist be- Das kapilläre Hämangiom der Netzhaut ist ein vaskulä-
schrieben. Die Differentialdiagnose der Läsion umfasst res Hamartom (Proliferation von regelrechtem ortsstän-
▬ den chorioidalen Nävus, digem Gewebe), das aus zahlreichen Gefäßen besteht
▬ chorioidale Melanome, und seinen Ursprung im Bereich der inneren Netzhaut-
▬ epiretinale Membranen und schichten hat. Es kann als isolierter Tumor, aber auch
▬ eine Frühgeborenenretinopathie. multifokal oder beidseitig auftreten. Ein multifokaler
oder auch beidseitiger Tumor legt das Vorliegen einer
Diese gutartige Läsion besteht aus Gliazellen, Blutgefäßen von Hippel-Lindau-Erkrankung nah, allerdings können
und RPE-Komponenten, die als Folge einer Desorgani- auch isolierte Tumoren mit diesem Syndrom einher-
sation der retinalen Struktur in die Netzhaut einwandern gehen.
(⊡ Abb. 17.9e). Eine Proliferation von RPE-Zellen findet Die von Hippel-Lindau-Erkrankung wird autosomal
sich häufig in der Umgebung von Blutgefäßen. Die proli- dominant vererbt und tritt mit einer ungefähren Inzi-
ferierenden retinalen Pigmentepithelzellen können sich als denz von 1:40.000 auf. Charakteristischerweise finden
präretinales, fibrovaskuläres Gewebe darstellen, welches sich außer den Hämangiomen im Netzhautbereich auch
bei Kontraktion eine Verziehung der Makula, ein maku- Gefäßtumoren im Kleinhirn- und Wirbelsäulenbereich
läres Ödem und selten eine Retinoschisis, Netzhautlöcher und anderen Organsystemen sowie eine Häufung von
und schließlich eine traktive Netzhautablösung verursa- Nierenzellkarzinomen und Phäochromozytomen. Eine
chen kann. Die Tortuositas der Gefäße kann als Folge von entsprechende Abklärung ist deshalb bei Patienten mit
Veränderungen der retinalen Struktur vorkommen, jedoch einem kapillärem Hämangiom der Netzhaut unbedingt
sind auch primär abnorme Kapillarproliferationen vor- erforderlich (⊡ Tab. 17.1).
handen. Ein verdichteter Glaskörper findet sich häufig im
Bereich der Läsionen. Die peripapillären Läsionen verur-
sachen die vaskulären Proliferationen und das hyperplasti- 17.2.2 Einleitung
sche retinale Pigmentepithel eine Verdickung des Sehner-
venkopfes und der umgebenden Netzhaut. Es wurde über Das kapilläre Hämangiom der Netzhaut wurde erstmals
eine Infiltration des Sehnervs durch retinale Pigmentepi- zu Beginn des 20. Jahrhunderts von verschiedenen Oph-
thelzellen in juxtapapillären Hamartomen berichtet. thalmologen (Treacher Collins, Czermak, Ulbrich, von
Hippel) beschrieben. Aufgrund seiner Neigung zu Blu-
Fazit für die Praxis tungen und Exsudationen ist es mit einer gewissen Mor-
Vaskuläre Tumoren der Netzhaut umfassen ein breites Spekt- bidität für das Auge selbst verbunden, die eigentliche Be-
rum an histopathologischen Veränderungen, die auf die vasku- deutung dieses Tumors liegt jedoch in seiner Assoziation
läre Pathologie und dadurch induzierte gliotische Veränderun- mit anderen Gefäßtumoren des zentralen Nervensystems
gen im Bereich der Netzhaut und des Glaskörpers entstehen. und weiteren Malignomen im Rahmen eines von Hippel-
Sowohl kavernöse Hämangiome, die kapillären Hanan- Lindau-Syndroms.
gioblastome, als auch die vasoproliferarativen Tumore und
die kombinierten Hamartome des retinalen Pigmentepithels
und der Retina sind von einer verdichteten Glaskörperschicht
⊡ Tab. 17.1 Tumoren assoziiert mit der von Hippel-Lindau-
17 überdeckt, die zu einer vitreoretinalen Traktion führen
Erkrankung
kann. Die kapillären Hämangioblastome zeigen darüber hi-
naus ein reaktives fibröses Gewebe. Gefäßwandveränderun- Tumor Mahler et al. Zuvor veröffentlichte
gen der tumorösen Gefäße im Sinne einer fibrösen Hyalinisie- (n=152) Studien (n=554)
rung ist bei auch razemösen Hämangiomen nachzuweisen.
Kapilläres Netzhaut- 59% 57%
hämangiom

17.2 Kapilläres Hämangiom Zerebelläres 59% 55%


Hämangiomblastom

J.A. Shields, C.L. Shields, K.U. Löffler Rückenmarks- 13% 14%


hämangioblastom

Das kapilläre Hämangiom der Netzhaut ist ein gutartiger Nierenzellkarzinom 28% 24%
vaskulärer Tumor, der isoliert oder als Teil der von Hip-
Phäochromozytom 7% 19%
pel-Lindau-Erkrankung auftreten kann.
17.2 · Kapilläres Hämangiom
435 17
17.2.3 Pathogenese

Histopathologisch besteht das kapilläre Hämangiom der


Netzhaut, wie der Name schon sagt, aus zahlreichen klei-
nen Netzhautgefäßen, die als tumoröse Proliferation die
gesamte Netzhaut durchsetzen. In dem dazwischen gele-
genen Stroma finden sich zahlreiche interstitielle Zellen
mit feinvakuoligem Zytoplasma, deren genaue Herkunft
zwar noch umstritten ist, aber am ehesten in der Mikrog-
lia vermutet wird. Möglicherweise spielen diese Zellen
eine entscheidende Rolle bei der eigentlichen Entstehung
des Tumors, sodass der Name »kapilläres Hämangiom«
im eigentlichen Sinne gar nicht zutreffend ist. Entste-
hungsmechanismus und Pathogenese sind derzeit noch
weitestgehend unklar.
Hinsichtlich der Wachstumsform des Tumors wird
von einigen Autoren – in Analogie zum Retinoblastom
– ein endophytisches Wachstum in den Glaskörperraum
von einem exophytischem Wachstum in den subretinalen
⊡ Abb. 17.10 Kleines kapilläres retinales Hämangiom bei einem 25-
Raum unterschieden. In den meisten Fällen zeigen sich
jährigen Patienten. (Aus Shields CL, Shields JA 2007)
jedoch Übergangsformen.

17.2.4 Epidemiologie variieren (⊡ Abb. 17.10, ⊡ Abb. 17.11). Charakteristisch


sind eine gelblich rote Farbe sowie das meist dilatierte,
Genaue Zahlen zur Inzidenz des retinalen kapillären Hä- zuführende Gefäß. Innerhalb der kapillären Netzhaut-
mangioms liegen nicht vor. Insbesondere sind den Auto- hämangiome lässt sich die exsudative von der vitreo-
ren keine vergleichenden Untersuchungen hinsichtlich retinalen Variante abgrenzen. Bei der ersteren kommt
der Häufigkeit des Auftretens bei Menschen unterschied- es zur Exsudation von subretinaler Flüssigkeit bis hin
licher Rasse bekannt, auch wenn man aus der Litera- zur Einlagerung von Lipidexsudaten in der Netzhaut,
tur den Eindruck gewinnt, dass es sich vorwiegend um die meist in unmittelbarer Tumornähe, hin und wieder
eine Erkrankung von Menschen mit weißer Hautfarbe aber auch tumorfern nachweisbar sind. Bei der vitreo-
handelt. Bei etwa der Hälfte aller Patienten mit einem retinalen Variante finden sich vor allem im Bereich der
kapillären Hämangiom der Netzhaut findet sich eine Netzhaut-Glaskörper-Grenze über dem Tumor reaktive
zugrunde liegende von Hippel-Lindau-Erkrankung, die Veränderungen mit Ausbildung von präretinalen Memb-
dann weiterer Abklärung bedarf. Bei multiplen Tumoren ranen und Traktionen. Manche Tumoren zeigen Anteile
oder einem sehr jungen Erstmanifestationsalter liegt die beider Varianten, und auch Übergänge von einer Form
Wahrscheinlichkeit für eine von Hippel-Lindau-Erkran- in die andere sind – mit und ohne Therapie – beschrie-
kung deutlich höher als bei solitären Tumoren, die sich ben worden.
spät manifestieren.
Praxistipp I I
Zur Bestätigung der klinisch-ophthalmoskopischen
17.2.5 Symptomatik und klinisches Bild Diagnose sollten ergänzend eine Fluoreszeinangiogra-
phie, Ultraschall, eine optische Kohärenztomographie
Patienten mit einem kapillären Netzhautangiom sind in (OCT) und in Ausnahmefällen auch eine Farbdoppler-
vielen Fällen über lange Jahre asymptomatisch. Kommt Untersuchung, ein Computertomogramm (CT) und
es zu einer tumorassoziierten Exsudation in die Makula eine Kernspin-Darstellung durchgeführt werden.
oder zu vitreoretinalen Traktionen, stellt die Sehminde-
rung das wegweisende Symptom dar.
Das ophthalmoskopische Bild kann zwischen relativ Fluoreszeinangiographie
kleinen und gut umschriebenen Tumoren (insbesondere Die Fluoreszeinangiographie ist die wichtigste Zusatzun-
in der Peripherie) und größeren weniger gut demar- tersuchung im Hinblick auf eine eindeutige Diagnose ei-
kierten Tumoren (insbesondere am hinteren Augenpol) nes kapillären Netzhauthämangioms. Man erkennt in der
436 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

a b

c d

⊡ Abb. 17.11 Klinisches Spektrum retinaler kapillärer Hämangiome. a Juxtapapilläres retinal kapilläres Hämangiom bei einer jungen Patientin.
b Kleines sessiles juxtapapilläres Hämangiom, das eine exsudative Netzhautablösung bei einem Kind verursacht. c Vitreoretinale Form eines
retinalen kapillären Hämangioms. Peripheres retinales kapilläres Hämangiom, das zu einer präretinalen Fibrose führt. d Exsudative Foram eines
17 retinalen kapillären Hämangioms. Vollständige Netzhautablösung mit fixierten Falten durch ein peripheres retinales kapilläres Hämangiom.
(Aus Shields CL, Shields JA 2007)

Frühphase die prominente zuführende Netzhautarteriole Ultraschall


und innerhalb weniger Sekunden die Anreicherung es ge- Mittels Ultraschall können vor allem die Tumoren, die
samten Tumors mittels Fluoreszein. In der venösen Phase dicker als 2 mm sind, dargestellt werden. Der A-Scan
kommt die dilatierte Venole zur Darstellung, während zeigt bereits am Tumorgipfel eine hohe Echospitze und
der Tumor weiterhin bis in die Spätphase hyperfluores- im Bereich des gesamten Tumorgewebes eine hohe in-
zent bleibt und oft auch in den Glaskörper exsudiert. Bei terne Reflektivität. Der B-Scan zeigt ein dichtes Echo an
zweifelhaften Befunden kann mittels einer Indocyanin- der Tumorspitze und akustisch dichtes Gewebe inner-
grün-Angiographie eine Beteiligung der Aderhautgefäße halb des Tumors ohne Aderhautbeteiligung. Subretinale
ausgeschlossen werden (⊡ Abb. 17.12). Flüssigkeit und ggf. eine Netzhautablösung können in
17.2 · Kapilläres Hämangiom
437 17

a c

b e

⊡ Abb. 17.12 Fluoreszeinangiographie und optische Kohärenztomographie (OCT) eines juxtapapillären retinal kapillären Hämangioms,
das sich nasal der Papille bei einer jungen Frau findet. a umschriebenes, nasal gelegenes juxtapapilläres retinal kapilläres Hämangiom mit
Exsudation und einer dünnen Schicht subretinaler Flüssigkeit unter der Makula. b Frühe venöse Phase der Fluoreszeinangiographie: retinale
Feeder-Vessel und eine frühe Fluoresceinsammlung im retinalen Tumor. c Volle venöse Phase der Fluoreszeinangiographie, die eine nasale
juxtapapilläre Masse mit heller Fluoreszenz darstellt. d Optische Kohärenztomographie einer Dom-ähnlichen retinalen Masse mit einer hellen
Oberflächendarstellung und einer Verschattung der tieferen Schichten. e Optische Kohärenztomographie der Fovea mit subretinaler Flüssigkeit
und optisch dichtem subretinalem Debris, übereinstimmend mit einer subretinalen Exsudation. (Aus Shields CL, Shields JA 2007)

gewohnter Weise ebenfalls mittels Ultraschall dargestellt nerhalb als auch unterhalb der Netzhaut darstellen. Der
werden. Tumor selbst zeigt nicht unbedingt charakteristische Ver-
änderungen, aber aufgrund der inzwischen exzellenten
Optische Kohärenztomographie (OCT) Auflösung im OCT, kann eine exsudatassoziierte Photo-
Mittels OCT lassen sich insbesondere die klinisch nicht rezeptoratrophie (mit entsprechend schlechter Visuspro-
so gut sichtbaren exsudativen Veränderungen sowohl in- gnose) nachgewiesen werden.
438 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

Farb-Doppler-Untersuchung 17.2.7 Therapie


Mit dem Farb-Doppler lässt sich der Blutfluss innerhalb
von Tumoren gut darstellen. Dies ist vor allem bei Augen Grundsätzlich gilt bei der Behandlung des kapillären Netz-
mit trüben Medien hilfreich, lässt aber keine eindeutige hauthämangioms abzuwägen, ob durch den Tumor eine
Differentialdiagnose zwischen anderen gut durchbluteten Gefahr für die Sehschärfe vorliegt. So wird häufig die Mei-
Tumoren, wie z. B. dem Retinoblastom, dem Aderhaut- nung vertreten, dass ein kapilläres Netzhauthämangiom
hämangiom oder einem Kragenknopfmelanom zu. in jedem Fall behandelt werden sollte, da immer die Mög-
lichkeit einer Größenzunahme und einer damit assoziier-
Computertomographie –
Magnetresonanztomographie
Sowohl CT als auch Magnetresonanztomogramm (MRT)
sind sicherlich keine Verfahren, die in der Routinediagnostik
des kapillären Netzhauthämangioms angewendet werden.
Eine solche Bildgebung kann allerdings bei nicht einsehba-
rem Fundus in Erwägung gezogen werden. Aus Untersu-
chungen von Patienten mit dem von Hippel-Lindau-Syn-
drom, die regelmäßig ein Kopf-MRT, das auch die Augen
mit einschließt, erhalten, weiß man, dass Netzhauttumoren
ab einer Dicke von 2 mm ebenfalls zur Darstellung gebracht
werden können. In T1-gewichteten Bildern zeigt sich der
Netzhauttumor isointens oder hyperintens, im Vergleich
zum Glaskörper in T2-gewichteten Bildern erscheint er iso-
intens oder hypointens. Gadolinium reichert sich im Tumor
an, nicht jedoch in der subretinalen Flüssigkeit.

17.2.6 Differentialdiagnose
a

Das kapilläre Netzhauthämangiom muss differentialdia-


gnostisch von anderen Tumoren der Netzhaut wie z.B.
dem Astrozytom oder auch dem Retinoblastom sowie von
anderen Gefäßmissbildungen der Netzhaut bis hin zum
Morbus Coats und einem vasoproliferativen Netzhauttu-
mor abgegrenzt werden (⊡ Abb. 17.13). Auch entzündlich-
granulomatöse Prozesse, das Aderhautmelanom und die
altersabhängige Makuladegeneration (einschließlich eines
peripheren Junius-Kuhnt) müssen berücksichtigt werden.
Je nach Lokalisation des Hämangioms, z.B. am Sehnerven-
kopf, müssen auch ein Papillenödem, eine Papillitis, ein
17 Granulom, ein Gliom, eine Metastase und anderes mehr in
Erwägung gezogen werden. Besonders schwierig, aber auch
wichtig, ist die Abgrenzung von den erworbenen Hämangi-
omen, die ein klinisch ähnliches Bild zeigen, aber nicht mit
dem von Hippel-Lindau-Syndrom assoziiert sind.

Praxistipp I I b
Differentialdiagnostisch sind vom kapillären Häman-
giom der Netzhaut vasoproliferative Tumore, die para- ⊡ Abb. 17.13 Vasoproliferativer Tumor, der ein retinal kapilläres
Hämangiom simuliert. a Peripherer vasoproliferativer Tumor mit Ex-
papilläre CNV, sowie andere Tumore wie das Astrozytom
sudation und subretinaler Flüssigkeit. Es bestehen keine dilatierten
oder Retinoblastom abzugrenzen. Differentialdiagnos- Feeder-Vessel. b Inferiorer vasoproliferativer Tumor mit definierten
tisch wichtig ist die Assoziation mit dem von Hippel- Grenzen und mit einem Exsudatkranz im Sinne einer makulären
Lindau-Syndrom. Sternfigur. Es bestehen ebenfalls keine dilatierten Feeder-Vessel. (Aus
Shields CL, Shields JA 2007)
17.2 · Kapilläres Hämangiom
439 17
ten Leckage und Exsudation mit einer damit assoziierten susverlust geführt hat, aber nicht mehr weiter fortschrei-
Visusminderung besteht. Andererseits wird argumentiert, tet, ist die Sinnhaftigkeit einer Behandlungsmaßnahme
dass diese Tumoren über Jahre stabil bleiben können und ebenfalls zweifelhaft (⊡ Abb. 17.14, ⊡ Abb. 17.15).
sich manchmal sogar zurückbilden. Handelt es sich um Bei symptomatischen Netzhauthämangiomen bzw.
einen älteren Tumor, der bereits zu einem chronischen Vi- bei einer Entscheidung für eine Therapie hängt diese
wiederum ab von
▬ der Größe und Lokalisation des Tumors,
▬ der Klarheit der brechenden Medien und
▬ eventuellen sekundären tumorassoziierten Verände-
rungen.

Laserphotokoagulation
Die transpupilläre Laserphotokoagulationsbehandlung
wird im Allgemeinen mit einem Argon- oder Dioden-
Laser durchgeführt. Infrage kommen hierfür kleinere
Tumore (nicht größer als 5 mm im Durchmesser) am
hinteren Pol ohne nennenswertes subretinales Exsudat.
Ziel der Behandlung ist der Verschluss der zuführenden
Arteriolen unter Schonung der abführenden Venolen. In
Ausnahmefällen kann ein sehr kleiner Tumor auch direkt
gelasert werden (⊡ Abb. 17.16).
Bei der Behandlung der zuführenden Arteriolen sollte
zunächst deren Wand und anschließend das Lumen ca.
1-2 mm vor Eintritt in den Tumor behandelt werden und
im Anschluss daran die den Tumor umgebenden Gefäße.
⊡ Abb. 17.14 Kleines juxtapapilläres kapilläres retinales Hämangiom Ist der Tumor papillennah lokalisiert, lässt sich oft kein
mit einer chronischen makulären Retinoschisis. Keine Therapie, son-
zuführendes Gefäß darstellen, sodass die Behandlung
dern lediglich Beobachtung des Befundes, da keine Visusbesserung
zu erwarten ist. (Aus Shields CL, Shields JA 2007)
direkt auf der Tumoroberfläche erfolgt und der Tumor
ergänzend mit einer 2- bis 3-reihigen Laserkoagulation
aus sich überlappenden Effekten umstellt wird.

Praxistipp I I
Die Laserherde sollten mit langen Pulsen in überlap-
penden Herden appliziert werden. Die Lasertherapie
ist flachen Tumoren vorbehalten. Zur Verstärkung der
Lasereffekte wird mitunter auch Fluoreszein oder Indo-
cyaningrün verwendet.

Kryokoagulation
Die Kryokoagulation wird auch beim kapillären Netzhaut-
hämangiom – unter Sicht (indirekte Ophthalmoskopie)
– über die Sklera appliziert. Sie kommt bei peripher gelege-
nen Tumoren vor dem Äquator oder auch bei ausgedehn-
teren Tumoren am hinteren Pol, die für die Laserphotoko-
agulation zu groß sind, in Betracht. Insgesamt sollte der
Tumor nicht dicker als 4 mm und nicht größer als 6 mm
im Durchmesser sein. Im Allgemeinen wird die Durchfrie-
rung innerhalb einer Sitzung mehrfach wiederholt.
⊡ Abb. 17.15 Kapilläres Hämangiom des Sehnervenkopfes, das zu
Photodynamische Therapie
einer vollständigen Netzhautablösung führte, einem neovaskulären
Glaukom und letztlich eine Enukleation bedingte. (Aus Shields CL, Die photodynamische Therapie kommt insbesondere für
Shields JA 2007) die mittelgroßen Hämangiome in Frage, die für eine La-
440 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

⊡ Abb. 17.16 Laserphotokoagulation eines juxtapapillären retinalen


kapillären Hämangioms bei einem jungen Mann. a Juxtapapilläres
retinales kapilläres Hämangiom. b Die Fluoreszeinangiographie be-
stätigt die vaskulären Massen. c Die Optische Kohärenztomographie
(OCT) zeigt subretinale Flüssigkeit in der fovealen Region mit einem
optisch dichten subretinalen Debris. d Unmittelbar nach Laserthera-
pie sind die subretinalen Massen mit überlappenden weißen Laser-
herden bedeckt. Der Tumor erscheint ausgeblichen. (Aus Shields CL,
b
Shields JA 2007)

17
serbehandlung bereits zu groß sind oder im Bereich der zendosis von 4.000 cGy über einen Zeitraum von 4-5 Ta-
Makula oder angrenzend an die Papille lokalisiert sind. gen angestrebt. Eine solche Bestrahlung erfolgt bei Tumo-
Der Laserherd (692 nm) sollte den gesamten Tumor (bis ren bis zu 8 mm Dicke und 15 mm Basisdurchmesser.
zu 7 mm) mit einschließen. Die Ergebnisse zeigen meist Bei sehr großen Tumoren mit fortgeschrittenen se-
eine gute Resorption des subretinalen Exsudats, aber kundären Veränderungen wie massiver subretinaler Ex-
auch Komplikationen wie Durchblutungsstörungen im sudation oder auch einer Lokalisation angrenzend an die
Bereich der Netzhaut und des Optikus sowie vitreoreti- Papille kann auch eine externe Strahlenbehandlung (des
nale Traktionen werden beobachtet (⊡ Abb. 17.17). gesamten Auges) in Erwägung gezogen werden, und in
seltenen Fällen kann auch eine operative Behandlung
Bestrahlung mittels Glaskörperchirurgie und Endokryo- oder Endo-
Hierbei wird der Tumor mit einem umschriebenen skle- photokoagulation sinnvoll sein.
ralen Strahlenapplikator behandelt. Je nach Tumorgröße Insgesamt ist ein Behandlungserfolg bei allen er-
und Lokalisation wird im Allgemeinen eine Tumorspit- wähnten Therapieoptionen erst nach einer längeren Be-
17.2 · Kapilläres Hämangiom
441 17

a d

b e

c f

⊡ Abb. 17.17 Photodynamische Therapie von 4 konfluenten retinalen kapillären Hämangiomen bei einem 13-jährigen Mädchen. a Ein promi-
nentes und drei kleine retinale kapilläre Hämangiome sind sichtbar. b Subretinale Flüssigkeit und Exsudation im Bereich der makulären Region
mit einem Visus von 20/80. c Die Optische Kohärenztomographie der fovealen Region zeigt subretinale Flüssigkeit und optisch dichte subreti-
nale Ablagerungen. d Einen Monat nach photodynamischer Therapie sind die retinalen Tumoren atrophisch und fibrosiert. e Einen Monat nach
photodynamischer Therapie ist die subretinale Flüssigkeit partiell resorbiert. f Einen Monat nach photodynamischer Therapie zeigt die optische
Kohärenztomographie eine flache Fovea mit einer fovealen Ausdünnung und persistierender perifovealer subretinaler Flüssigkeit. (Aus Shields
CL, Shields JA 2007)

obachtungszeit einzuschätzen. Gegebenenfalls kann eine »Vernarbung« des Tumors mit Sistieren und ggf. Rück-
Behandlung wiederholt werden, man sollte aber mindes- bildung der exsudativen Veränderungen. Dabei ist die Vi-
tens 1-2 Monate mit einer solchen erneuten Indikation susprognose bei als behandlungsbedürftig eingeschätzten
warten. Ziel der Behandlung ist letztendlich eine Art Tumoren eher schlecht.
442 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

Fazit für die Praxis publiziert sowie nachfolgend auch von anderen Autoren
Das kapilläre Hämangiom der Netzhaut ist ein prinzipiell beobachtet. Vermutlich wurden bis 1971 viele derartige Be-
gutartiger Tumor, der jedoch aufgrund von sekundären Ver- funde als Teleangiektasien, Morbus Coats, kongenitale re-
änderungen das Sehvermögen erheblich beeinträchtigen tinale Angiome, Angiomatosis retinae oder reaktive sekun-
kann. Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die däre Gefäßveränderungen fehlinterpretiert. Gass erfasste
vorwiegend bei Tumorprogression und zunehmender Beglei- die typischen Merkmale des Tumors 1971, nachdem er die
texsudation zum Einsatz kommen. bei seinen Patienten beobachteten Befunde im Vergleich
Wichtig ist eine systemische Abklärung hinsichtlich des mit der Literatur untersuchte und die charakteristischen
Vorliegens einer von Hippel-Lindau-Erkrankung, da in diesem Merkmale des Tumors als eigenständiges Krankheitsbild
Zusammenhang diverse Malignome auftreten können und definierte. Über ein gemeinsames Auftreten klinischer Be-
entsprechend behandelt werden müssen. Oft ist hier das funde im Sinne eines »okulo-neuro-kutanem Syndroms«
kapilläre Netzhauthämangiom die Erstmanifestation der Sys- berichteten erstmals 1940 Weskamp und Cotlier. Bei einer
temerkrankung. jungen Frau mit einem retinalen Gefäßtumor ließen vas-
kuläre Veränderungen der Haut und des ZNS histopatho-
logisch ein kavernöses Hämangiom vermuten. Die charak-
17.3 Kavernöses Hämangiom teristischen Merkmale des Tumors wurden von Gass 1971
als eigenständiges Krankheitsbild definiert.
B. Jurklies, C. Jurklies

17.3.3 Pathologie
17.3.1 Einleitung
Histologisch bestehen kavernöse Hämangiome aus mul-
Das kavernöse Hämangiom der Netzhaut ist ein seltenes tiplen, dünnwandigen, mit Endothel ausgekleideten, mit-
vaskuläres Hamartom und kann sich sowohl in der Netz- einander kommunizierenden Aneurysmen, welche die
hautperipherie als auch zentral entwickeln. Wenn auch über normale kapillaro-venöse Gefäßstruktur im Bereich der
bilaterale Manifestationen berichtet wurde, findet es sich in inneren Netzhautschichten einnehmen. Mit einem nicht-
der Regel unilateral und beim Erwachsenen. Im Kindesalter fenestrierten Endothel und einer Basalmembran besitzen
wird der Tumor selten diagnostiziert. Als typische Erschei- sie die histologischen Merkmale normaler Netzhautge-
nungsform des Tumors gelten traubenartig in Gruppen fäße. Über der Läsion finden sich präretinale Membranen
angeordnete, sackförmige Aneurysmen im Bereich der in- aus spindelförmigen Zellen und immunhistochemisch
neren Netzhautschichten. Aufgrund einer Separation von nachweisbarem GAP (»glial fibrillary acidic protein«),
Plasma und Erythrozythen kommt es fluoreszenzangio- sodass es sich um eine Gliamembran in Anwesenheit
graphisch zu einem unverwechselbaren Färbemuster. Meist multipler Defekte der Lamina limitans interna handeln
handelt es sich um eine Zufallsdiagnose, da der Tumor in muss. Entsprechend kann letztere im Bereich der Tumor-
der Regel keine Beschwerden verursacht. Visuelle Beein- oberfläche nicht separiert werden.
trächtigungen können allerdings bei makulären sowie para-
papillären Tumoren auftreten oder durch Einblutungen.
Kavernöse Hämangiome der Netzhaut können im 17.3.4 Klinisches Bild und Charakteristika
Rahmen »okulo-neuro-kutaner Syndrome« mit Häman-
17 giomen des ZNS und der Haut assoziiert sein. Entspre- Das kavernöse Hämangiom der Netzhaut kann sowohl in
chend dem klinischen und genetischen Befund werden der Netzhaut als auch im Bereich des Sehnerven auftre-
zerebrale Hämangiome als zerebrale kavernöse Malfor- ten. Es findet sich in der Regel unilateral, wobei sehr sel-
mation (CCM) und Kavernome definiert. ten auch bilaterale Manifestationen beschrieben wurden.
Im Folgenden wird auf die charakteristischen klini- Ophthalmoskopisch sieht man im Bereich der inne-
schen und pathologischen Befunde kavernöser Häman- ren Netzhautschichten typischerweise traubenförmig in
giome der Netzhaut sowie deren mögliche Systembeteili- Gruppen angeordnete, sackförmige, tiefrote Aneurysmen
gung eingegangen. unterschiedlicher Größe, die von Mikroaneurysmen bis
zu einem halben Papillendurchmesser variieren können.
Die Aneurysmen können aber auch flächenhaft über den
17.3.2 Historie Fundus verstreut sein und sind oft entlang venöser Gefäße
angeordnet (⊡ Abb. 17.18). Charakteristischerweise kommt
Die erste verlässliche Beschreibung eines kavernösen Hä- es durch die Sedimentation der Erythrozyten zu einer Se-
mangioms der Netzhaut wurde 1934 von Nicol und Moore paration von Plasma mit einer Spiegelbildung. Häufig fal-
17.3 · Kavernöses Hämangiom
443 17
len eine präretinale Fibrose über der Läsion sowie kleinere umgebende retinale Gefäßsystem bleibt unauffällig. Das
Hämorrhagien auf. Nutritive Gefäße oder eine Exsudation kavernöse Hämangiom besitzt eine intakte Blut-Retina-
werden auch im Langzeitverlauf nicht beobachtet, das Schranke. Es finden sich typischerweise keine Leckagen
und Exsudationen oder arteriovenöse Shunts.
Mithilfe der Fluoreszenzangiographie gelingt eine aus-
gezeichnete Darstellung des kavernösen Gefäßsystems. Es
zeigt sich in der mittleren Phase eine sehr langsame und
inkomplette Füllung der Aneurysmen. In der Spätphase
verbleibt das Fluoreszein in den kavernösen Räumen.
Infolge der Trennung von Plasma und Erythrozyten und
deren Sedimentation kommt es zu einer ausgeprägten
Hyperfluoreszenz in der oberen Hälfte der Aneurysmen,
während sich der untere Teil mit dem Erythrozytenkon-
glomerat hypofluoreszent darstellt, was zu den charak-
teristischen Spiegelbildungen führt (⊡ Abb. 17.19). Dies
lässt auf einen von der retinalen Strömung relativ unab-
hängigen Blutfluss schließen.
Wenn auch die meisten retinalen kavernösen Häman-
giome für eine echographische Darstellung zu klein sind,
⊡ Abb. 17.18 Kavernöses Hämangiom der Netzhaut mit trauben- so erkennt man im A-Bild ein hohes Anfangsecho mit
förmig in Gruppen angeordneten sackförmigen Aneurysmen hoher innerer Reflektivität. Das B-Bild zeigt ein akustisch

a c

b d

⊡ Abb. 17.19 Frühe (a,b) und späte Phasen (c,d) der Fluoreszeinangiographie eines kavernösen Hämangioms der Netzhaut mit später, inkom-
pletter Anfärbung der Gefäßaussackungen und Spiegelbildung ohne Zeichen einer Leckage
444 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

solides Gewebe mit unregelmäßiger Oberfläche ohne geben, wobei bis zu 10% familiär auftreten. Anhand der
Aderhautexkavation. vorliegenden Daten lässt sich die Inzidenz des kavernö-
Mittels optischer Kohärenztomographie lassen sich sen Hämangioms der Netzhaut auf etwa 1:40.000 in der
insbesondere in den inneren Netzhautschichten retinale Bevölkerung schätzen. Das mittlere Alter der an einem
Zysten darstellen und hohe Reflektivität. zerebralen Kavernom erkrankten Patienten mit und ohne
Spezifische Beschwerden treten normalerweise nicht retinale Manifestation unterscheidet sich mit 40,3 Jahren
auf, zumal der Tumor vorzugsweise in der Netzhautpe- (20,2- 55,3 Jahre) und 42,6 Jahren (9,6-67,8 Jahre) nicht
ripherie auftritt und es sich meist um eine Zufallsdiag- nennenswert.
nose handelt. Selten werden visuelle Beeinträchtigungen
durch Glaskörperblutungen verursacht. Etwa 10% der
kavernösen Hämangiome sind im Bereich der Makula zu 17.3.5 Genetik
sehen und können zu einer Visusminderung und zu einer
Amblyopie führen. Weitere 10% der Tumore grenzen an Das familiäre Auftreten kavernöser Hämangiome der
die Papille oder überlagern sie und vergrößern entspre- Netzhaut und neurokutaner Veränderungen lässt einen
chend den blinden Fleck. Als Ursache flüchtiger visueller autosomal dominanten Erbgang mit inkompletter Pe-
Funktionseinbußen wurde eine fluktuierende Größe der netranz und variabler Expressivität vermuten. Bei zwei
Aneurysmen verantwortlich gemacht. Betroffenen einer Familie mit autosomal dominanten
Der Verlauf ist im Wesentlichen stationär, eine Wachs- Hämangiomen wurden kavernöse Hämangiome des Ge-
tumstendenz besteht nicht. Sowohl die Größe der Aneu- hirns, der Haut und des Auges diagnostiziert. Dennoch
rysmen als auch die Ausdehnung der Läsion sind jedoch dürfte das Auftreten zerebral kavernöser Hämangiome
individuell außerordentlich variabel. Ganze Angiome unter Bezug auf die zusätzliche Manifestation an der
oder auch einzelne Aneurysmen können thrombosieren Haut und im Auge variieren. Untersuchungen an 60 Pa-
und werden dann fibrotisch umgebaut. In Langzeitbeob- tienten mit einem familiären zerebralen Kavernom konn-
achtungen konnte eine weitgehende Spontanobliteration ten bei keinem Patienten eine Manifestation an der Haut
der Aneurysmen sowie eine Zunahme der präretinalen nachweisen, während bei drei von diesen 60 Patienten ein
Fibrose beobachtet werden. Extrem selten entwickeln retinales kavernöses Hämangiom vorhanden war.
sich im Zusammenhang mit der epiretinalen Membran- Autosomal dominante Vererbungsformen einer zere-
bildung Makular Pucker oder zentrale Netzhautfalten. bralen kavernösen Malformation (CCM) sind mit Muta-
Nur in Ausnahmen kommt es zu einer Größenzunahme tionen im CCM-Gen (OMIM 116860) assoziiert, welches
oder schweren Glaskörperhämorrhagien. als ursächlich für diese Erkrankung identifiziert worden
Kavernöse Hämangiome der Netzhaut können auch ist. Mehrere CCM-Genorte konnten lokalisiert werden:
mit intrakraniellen sowie kutanen vaskulären Hamarto- Dabei ist CCM-1 mit Mutationen im KRIT-1-Gen auf
men assoziiert sein. Die zerebralen Kavernome (CCM) Chromosom 7q11.2-q21 verknüpft. Es kodiert ein mi-
stellen eine Anhäufung abnorm erweiterter Kapillar- krotubuliassoziiertes Protein, welches für die Funktion
räume ohne dazwischenliegendes Nervengewebe dar. Int- der Endothelzellen und der Gefäßformierung während
rakranielle Blutungen, Krampfanfälle oder neurologische der Angiogenese von Bedeutung sein dürfte. CCM-2 ist
Herdsymptome mit der Folge lebensbedrohlicher Kom- auf Mutationen im CCM2-Gen (MGC-4607) auf Chro-
plikationen können erste Zeichen für das Vorliegen eines mosom 7p15-p13 zurückzuführen, welches das Protein
meist asymptomatischen zerebralen Angioms sein. Malcavernin kodiert. CCM-3 weist Mutationen im PD-
17 CD-10-(programmierter Zelltod 10) Gen (3q26.1) auf.
Praxistipp I I Zu CCM-2 und CCM-3 führende Mutationen wurden
Angesichts des Risikos lebensbedrohlicher Kompli- für Beeinträchtigungen der Angiogenese (CCM2) und
kationen wird bei Patienten mit einem kavernösen der Apoptose (CCM3) verantwortlich gemacht. Hinweise
Hämangiom der Netzhaut eine klinische und bildge- für weitere CCM-Genloci existieren z. B. in Form des
bende Diagnostik (CCT, MRT) zum Ausschluss einer CCM-4-Genlocus auf Chromosom 3q26.3-27.2. Bei ei-
extraokulären Manifestation empfohlen. nem Patienten mit zerebralen und retinalen Angiomen
wurden im KRIT1/CCM1 Gen sowohl zu einem grö-
ßeren Transkriptionsabbruch führende Mutationen als
Die genaue Inzidenz solitärer retinaler kavernöser Hä- auch »Splice-Mutationen« nachgewiesen. Auch bei Pati-
mangiome ist aufgrund der meist fehlenden Beschwerden enten mit kavernösem Hämangiom der Retina und des
nicht bekannt. Allerdings sind sie bei 5% der familiären Zerebrums konnten Mutationen in jedem der drei Gene
zerebralen kavernösen Malformationen zu beobachten. (CCM-1/KRIT1, CCM-2/MGC 4607, CCM-3/PDCD10)
Die Prävalenz zerebraler Kavernome wird mit 0,5% ange- als ursächlich identifiziert werden.
17.3 · Kavernöses Hämangiom
445 17
17.3.6 Differentialdiagnose perblutung kann eine Pars-plana-Vitrektomie erforder-
lich werden. Eine Laser- oder Kryo-Therapie erbringt im
Die typische Läsion ist durch das Fehlen exsudativer Ver- Verlauf keinen signifikanten Vorteil.
änderungen, den Nachweis einer präretinalen Membran
sowie eine intakte Blut-Retina-Schranke gut abzugren- Fazit für die Praxis
zen. Folgende Erkrankungen können differentialdiagnos- Kavernöse Hämangiome der Netzhaut sind seltene benigne
tisch jedoch eine Rolle spielen: vaskuläre Hamartome. Sie gehen von den inneren Netzhaut-
▬ Parafoveale Teleangiektasien können insbesondere schichten aus und können sich sowohl in der Peripherie als
in den Frühstadien ein ähnliches Erscheinungsbild auch zentral entwickeln. Ihre typischen klinischen Merkmale
zeigen wie kavernöse Hämangiome. Im Verlauf tre- erleichtern die Abgrenzung zu anderen retinalen Erkrankun-
ten jedoch intra- und subretinale Exsudationen auf gen. In der Regel finden sie sich unilateral. Die Diagnose wird
mit zunehmender Erweiterung der Gefäße. Infolge meist im Erwachsenenalter gestellt.
der direkten Beteiligung retinaler Kapillaren füllen Typische klinische Merkmale des Tumors sind:
sich die teleangiektatischen Gefäße bereits in der ▬ Traubenförmig in Gruppen angeordnete, sackförmige,
Frühphase mit mäßiger Leckage. Im Verlauf treten tiefrote Aneurysmen unterschiedlicher Größe im Bereich
gewöhnlich flächige Leckagen auf, insbesondere der inneren Netzhautschichten.
bei symptomatischen Befunden. Im Gegensatz zum ▬ Ein unverwechselbares fluoreszenzangiographisches
kavernösen Hämangiom wird der arterielle Gefäß- Färbemuster mit Spiegelbildung/Fluoreszeinkäppchen
schenkel bevorzugt. Wie von Gass (1971) aufgezeigt, infolge der Erythrozyten-Sedimentation.
stellen retinale Teleangiektasien eine voranschrei- ▬ Das Fehlen exsudativer Veränderungen (intakte Blut-
tende Erkrankung dar, welche die retinale Gefäß- Retina-Schranke).
struktur betrifft, während das kavernöse Hämangiom ▬ Kleine retinale/epiretinale Blutungen.
als breitbasiger Tumor (Hamartom) aus dem retina- ▬ Extrem selten eine Größenzunahme, häufiger eine spon-
len Gefäßsystem hervorragt und zumindest teilweise tane Rückbildung durch Thrombosierung,
von diesem isoliert ist. ▬ Präretinale fibrogliale Membranen, die im Verlauf größer
▬ Kapilläre retinale Hämangiome können sowohl werden können.
solitär als auch im Rahmen des von Hippel-Lindau- ▬ Bei exzentrischer Lokalisation ist der Befund in der Regel
Syndroms auftreten und aufgrund der teils deutlich asymptomatisch. Läsionen im Bereich der Makula oder
dilatierten nutritiven Tumorgefäße, der Tortuositas, Papille sowie Blutungen können zu Funktionseinbußen
intra- und subretinaler Exsudation sowie ggf. einer führen.
exsudativen Ablatio retinae und der eindeutigen
Leckage in der Fluoreszeinangiographie sicher von Eine Behandlung ist in der Regel nicht notwendig, sie sollten
kavernösen Hämangiomen abgegrenzt werden. jedoch angesichts einer möglichen Größenzunahme von
Initial sind sie jedoch als Ansammlung erweiterter Zeit zu Zeit kontrolliert werden. Extrem selten kommt es zu
Kapillaren zu sehen, die versorgenden Gefäße sind therapiebedürftigen Glaskörperblutungen. Ein eindeutiges
meist noch nicht sichtbar, sodass eine Differenzie- Wachstum oder irreversible Visuseinbußen sind nur in weni-
rung der kleinen kapillären Hämangiome schwierig gen Fällen beobachtet worden.
sein kann. Gelegentlich sind kavernöse Hämangiome der Netzhaut
▬ Razemöse Hämangiome stellen teils stark erwei- mit intrakraniellen oder auch kutanen Angiomen assoziiert,
terte, geschlängelte arterio-venöse Anastomosen die sporadisch oder hereditär im Rahmen zerebraler kavernö-
dar, die unter Ausschluss des Kapillarplexus entste- ser Malformationen (CCM) auftreten. Das familiäre Auftreten
hen. Sie können mit intrakraniellen arteriovenösen kavernöser Hämangiome der Netzhaut und neurokutaner
Anomalien assoziiert sein (Wyburn-Mason-Syn- Veränderungen lässt einen autosomal dominanten Erbgang
drom). mit inkompletter Penetranz und variabler Expressivität ver-
muten. Autosomal dominante Vererbungsformen einer zere-
bralen kavernösen Malformation (CCM) sind mit Mutationen
17.3.7 Behandlung im CCM-Gen (OMIM 116860) assoziiert, welches als ursächlich
für diese Erkrankung identifiziert worden ist.
Da es in der Regel zu keiner Größenzunahme kommt Da die meist asymptomatischen zerebralen Angiome le-
und ausgeprägte Glaskörperblutungen extrem selten sind, bensbedrohliche Komplikationen verursachen können, wird
bedürfen kavernöse Hämangiome der Netzhaut keiner bei Patienten mit einem retinalen kavernösen Hämangiom
Therapie. Sie sollten allerdings gelegentlich kontrolliert eine klinische und bildgebende Diagnostik zum Ausschluss
werden. Im Fall einer schweren, persistierenden Glaskör- einer extraokulären Manifestation empfohlen.
446 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

17.4 Vasoproliferative Tumoren sekundär VTR unterschieden. 26% der Tumoren sind se-
kundär und können im Rahmen einer Vielzahl von Erkran-
N. Bornfeld kungen auftreten. Zu den häufigsten Erkrankungen zählen:
▬ Intermediäre Uveitis
Vasoproliferative Tumoren der Netzhaut sind seltene, spora- ▬ Retinopathia pigmentosa
disch auftretende häufig fehldiagnostizierte Tumoren der tem- ▬ Toxoplasmose
poral unteren Netzhautperipherie die unbehandelt zu massiver ▬ Frühgeborenenretinopathie
exsudativer Netzhautablösung und Sekundärglaukom führen ▬ Vorangegangene vitreoretinale Operationen
können. Differentialdiagnostisch ist insbesondere die Abgren-
zung zu kapillären Hämangiomen der Netzhaut wichtig. Idiopathische Tumoren sind in der Regel einseitig, wohin-
gegen sekundäre Tumoren in 42% der Fälle bilateral oder
multifokal sind. Im Unterschied zu kapillären Häman-
17.4.1 Definition giomen der Netzhaut beim von Hippel-Lindau (vHL)-
Syndrom sind primäre VTR sporadisch auch wenn in
Vasoproliferative Tumoren der Retina (VTR) sind gutar- einzelnen Publikationen bilaterale VTR bei monozygoten
tige Tumoren der peripheren Netzhaut ohne (bekannte) Zwillingen beschrieben wurden.
Korrelation zu einer systemischen Erkrankung wie z.B.
! Cave!
beim von Hippel-Lindau-Syndrom. De Bezeichnung »va-
Gentests zur Differentialdiagnose zwischen VTR
soproliferativer Tumor« wurde von Shields eingeführt,
und kapillären Hämangiomen der Netzhaut sind
nachdem eine Vielzahl von Bezeichnungen für dieses
nur bei vHL-Syndrom und nicht bei solitären ka-
Krankheitsbild (»presumed aquired hemangioma oft the
pillären Hämangiomen der Netzhaut informativ!
retina«; »periphereal nodular teleangiectasis« oder »Al-
ters-Coats« synonym in der Literatur gebraucht wurden.

17.4.5 Symptomatik und klinisches


17.4.2 Einleitung Bild/Diagnose

VTR sind selten und wurden erst in den letzten Jahren als Vasoproliferative Tumoren der Retina sind typischer-
definierte klinische Diagnose beschrieben. Baines et al. weise äquatorial oder prääquatorial lokalisiert, weisen
gehören zu den Autoren, die die klinische Symptomatik im Unterschied zu kapillären Hämangiomen der Netz-
erstmals umfassend dargestellt haben, wobei die Autoren haut keine erweiterten »feeder-vessel« auf und können
inferotemporal lokalisierte teleangiektatische »Knoten« mit
sekundärer epiretinaler Membranbildung insbesondere am
hinteren Augenpol beschrieben. Shields et al. haben auf
der Basis einer Serie von mehr als 100 Patienten die Be-
zeichnung »vasoproliferativer Tumor« vorgeschlagen.

17.4.3 Pathogenese
17
Die Pathogenese ist unklar; insbesondere ist unklar ob
primär pathologisch veränderte Gefäße zu sekundären
Komplikationen wie reaktiver Gliazellproliferation und
Exsudation führen oder ob analog zur proliferativen Vi-
treoretinopathie (PVR) primär proliferierende Gliazellen
und retinale Pigmentepithelzellen mit sekundären Gefäß-
proliferationen im Vordergrund stehen.

17.4.4 Epidemiologie

VTR treten im Erwachsenenalter auf und sind vor dem ⊡ Abb. 17.20 Verteilung der Tumorlage bei 35 vasoproliferativen
30. Lebensjahr sehr selten. Shields et al. haben primäre und Tumoren der Retina
17.4 · Vasoproliferative Tumoren
447 17

⊡ Abb. 17.21 Vasoproliferativer Tumor in der temporal unteren Netz-


hautperipherie mit umgebenden subretinalen Exsudaten

⊡ Abb. 17.23 Vasoproliferativer Tumor in der unteren Netzhauperi-


pherie mit zentral davor gelegenen Proliferationen des retinalen
Pigmentepithels.

auch bilateral auftreten. Vasoproliferative Tumoren der


Netzhaut sind nahezu ausschließlich in der unteren bzw.
temporal unteren Netzhautperipherie lokalisiert; andere
Lokalisationen sind sehr selten (⊡ Abb. 17.20).
Die Tumoren sind amelanotisch, gelb-weißlich,
meistens kugelförmig, wenig prominent mit deutlicher
Wachstumstendenz über den Verlauf von Monaten und
a in ihrer klinischen Symptomatik durch die im Tumor
bestehende Störung der Blut-Retina-Schranke gekenn-
zeichnet. Als Folge treten eine zunächst umschriebene
exsudative Netzhautablösung, subretinale gelbe Exsudate,
Makulaödeme und Glaskörpertrübungen, ggfs. mit ei-
nem Tyndall der Vorderkammer, auf (⊡ Abb. 17.21).
Im Tumor finden sich teleangiektatisch erweiterte
Gefäße mit deutlicher Farbstoffleckage in der Spätphase
des Fluoreszeinangiogramms (⊡ Abb. 17.22).
Sub- und epiretinale Blutungen können in der Hälfte
der symptomatischen Tumoren auftreten; in bis zu einem
Viertel der Fälle kann es zu Glaskörperblutungen kommen.
Am Rand des Tumors finden sich häufig reaktive Prolifera-
tionen des retinalen Pigmentepithels (⊡ Abb. 17.23).
Typisch ist die Ausbildung einer sekundären epireti-
b
nalen Gliose am hinteren Augenpol mit entsprechender
Symptomatik. Bleiben die Tumoren unbehandelt kann
⊡ Abb. 17.22 aVasoproliferativer Tumor in der mittleren Netzhautpe-
es zur subtotalen oder auch totalen exsudativen Ablatio
ripherie. b Fluoreszeinangiogramm mit deutlichen teleangiektatisch mit pseudotumorösen gelben Herden bis hin zum Sekun-
erweiterten Netzhautgefäßen. därglaukom und funktioneller Erblindung kommen.
448 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

17.4.6 Histologische Befunde 17.4.7 Differentialdiagnose

Die Bezeichnung »vasoproliferativer Tumor« ist aus his- Differentialdiagnostisch sind insbesondere andere intra-
tologischer Sicht nicht präzise, da es sich nicht um pri- okulare Tumoren abzugrenzen. VTR werden am häufigs-
märe Gefäßtumoren, sondern um Tumoren handelt, die ten mit kapillären Hämangiomen der Netzhaut verwech-
überwiegend aus Gliazellen und zusätzlich aus prolife- selt. Massiv erweiterte und geschlängelte »feeder vessel«
rierenden retinalen Pigmentepithelzellen aufgebaut sind, wie bei solitären kapillären Hämangiomen oder eine
sodass VTR von einigen Autoren auch als »reactive re- multifokales Auftreten der Tumoren wie beim von Hip-
tinal glioangiosis« klassifiziert werden. VTR sind eher pel-Lindau-Syndrom sind bei VTR allerdings nicht zu
wenig vaskularisiert, sodass erweiterte »feeder vessel« wie beobachten, sodass in der Regel eine eindeutige differen-
bei kapillären Hämangiomen nicht vorkommen. Charak- tialdiagnostische Abgrenzung auch ohne molekulargene-
teristisch ist der immunhistochemische Nachweis von tische Zusatzuntersuchung möglich ist. Amelanotische
GFAP (»glial fibrillary acid protein«). Die Zellkerne sind Melanome der Uvea sind im Unterschied zur VTR in
spindelförmig und zeigen keinen Pleomorphismus. His- der Aderhaut lokalisiert, während VTR Tumoren der
tologisch bestehen zwischen VTR und fortgeschrittenen Netzhaut sind, sodass auch hier eine Abgrenzung mög-
Stadien der PVR große Ähnlichkeiten, sodass VTR auch lich ist. Schwierig kann die Abgrenzung zur peripheren
als Manifestation einer PVR eingeordnet wurden. exsudativen hämorrhagischen Chorioretinopathie sein,

a b

17

c d

⊡ Abb. 17.24 a Vasoproliferativer Tumor der Netzhautperipherie mit umgebenden gelben Exsudaten. b Fluoreszein-Angiogramm mit deut-
licher Darstellung des tumoreigenen Gefäßsystems. c Fluoreszein-Angiogramm Spätphase mit massiver Farbstoffleckage. d 6 Monate nach
Brachytherapie mit vollständiger Vernarbung des Tumors
17.4 · Vasoproliferative Tumoren
449 17
die aber typischerweise im höheren Lebensalter über- 17.4.8 Ophthalmologische Therapie
wiegend beidseitig auftritt und in der Mehrzahl der Fälle
mit einer altersbedingten Makuladegeneration vergesell- ! Cave!
schaftet ist. Solitäre Astrozytome der Netzhaut sind sehr Symptomatische vasoproliferative Tumoren der
selten, können aber klinisch schwierig abgrenzbar sein, Netzhaut müssen behandelt werden und können
wenn sie massive Exsudationen aufweisen, wobei solitäre unbehandelt zu schwerwiegenden Komplikatio-
Astrozytome überwiegend am hinteren Augenpol lokali- nen bis hin zum therapieresistentem Sekundärg-
siert sind. laukom führen!

⊡ Abb. 17.25 Vasoproliferativer Tumor bei 6 h einer 43-jährigen Patientin mit umgebender subretinaler und epiretinaler Blutung vor Behand-
lung. a Vor Therapie. Maximale Prominenz 2,8 mm. Zentral harte Exsudate und Makulaödem; Visus 0,4. b 4 Wochen nach 1. Injektion von Beva-
cizumab resorbiert sich die den Tumor umgebende Blutung, das Makulaödem bildet sich zurück. c Nach 3 Injektionen mit Ranibizumab hat
sich die Blutung resorbiert, makulär bestehen noch Rest-Exsudate, Visusanstieg auf 1,0, die maximale Tumorprominenz liegt jetzt bei 1,4 mm.
Zu diesem Zeitpunkt erfolgte eine Kryokoagulation des Resttumors. d 6 Monate nach 4. Injektion. Das Tumorvolumen hat leicht zugenommen,
ebenso wie das Makulaödem, der Visus beträgt 0,8 (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. A. Joussen, Berlin)
450 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

Unbehandelt führen VTR zu einer zunehmenden exsu- ents with unilateral retinal angiomatous proliferation. Eye (Lond).
dativen Netzhautablösung mit Visusverlust und Sekun- 24(10):1585-1589.
Cardoso RD, Brockhurst RJ (1976) Perforating diathermy coagulation
därglaukom, sodass VTR spätestens bei Auftreten einer
for retinal angiomas. Arch Ophthalmol. 94(10):1702-1715.
Symptomatik behandelt werden sollten. Lokale Behand- Chan CC, Collins AB, Chew EY (2007) Molecular pathology of eyes
lungsmethoden stehen dabei im Vordergrund. Kleine with von Hippel-Lindau (VHL) Disease: a review. Retina. 27(1):1-7.
Tumoren können mit transkonjunktivaler Kryotherapie Chan CC, Vortmeyer AO, Chew EY, et al. (1999) VHL gene deletion and
effektiv behandelt werden. Wegen der weißlichen Struk- enhanced VEGF gene expression detected in the stromal cells of
retinal angioma. Arch Ophthalmol. 117(5):625-630.
tur der Tumoren ist eine Laserkoagulation in der Regel
Chang MA, Green WR (2007) HIstopathology of retinal vascular tu-
weniger effektiv. Die photodynamische Therapie mit Ver- mors and selected vascular lesions. In: Joussen AM, Gardner TW,
teporfin ist nur in Einzelfällen beschrieben worden, da Kirchhof B, Ryan SJ (Hrsg) Retinal Vascular Disease. Springer Ber-
aufgrund der eher geringen Vaskularisation der VTR eine lin Heidelberg, p 735-748
eingeschränkte Wirksamkeit zu erwarten ist. Bei größe- Dobyns WB, Michels VV, Groover RV, et al. (1987) Familial cavernous
malformations of the central nervous system and retina. Ann
ren Tumoren kann die Brachytherapie die Zerstörung des
Neurol. 21(6):578-583.
Tumors mit Erhalt der zentralen Netzhautfunktion errei- Font RL, Moura RA, Shetlar DJ, Martinez JA, McPherson AR (1989)
chen. Beta-Applikatoren (106Ru/106Rh) sind dabei wegen Combined hamartoma of sensory retina and retinal pigment epi-
der günstigeren Dosisverteilung anderen Strahlenquellen thelium. Retina. 9(4):302-311.
wie Gamma-Applikatoren vorzuziehen (⊡ Abb. 17.24). Galinos SO, Smith TR, Brockhurst RJ (1979) Angioma-like lesion in hemo-
globin sickle cell disease. Ann Ophthalmol. Oct 11(10):1549-1552.
Die Therapie mit VEGF-Inhibitoren kann die tumor-
Gass JD (1971) Cavernous hemangioma of the retina. A neuro-oculo-
bedingte Leckage reduzieren. Das Tumorvolumen nimmt cutaneous syndrome. Am J Ophthalmol. Apr 71(4):799-814.
ebenfalls ab, sodass auch größere Tumoren dann einer Goldberg RE, Pheasant TR, Shields JA (1979) Cavernous hemangioma
Kryotherapie zugänglich gemacht werden können. Die of the retina. A four-generation pedigree with neurocutaneous
Injektion der VEGF-Inhibitoren muss ggf. repetitiv erfol- manifestations and an example of bilateral retinal involvement.
Arch Ophthalmol. Dec 97(12):2321-2324.
gen, die anschließende tumordestruktive Therapie sollte
Gottlieb F, Fammartino JJ, Stratford TP, Brockhurst RJ (1984) Retinal
im Intervall erfolgen. Die Therapie mit VEGF-Inhibi- angiomatous mass. A complication of retinal detachment sur-
toren kann nicht als kausal angesehen werden, sondern gery. Retina. Summer-Fall 4(3):152-157.
führt lediglich zu einer symptomatischen Reduktion der Green WR (1996) Retina: congential variations and abnormalities. Phil-
Leckage der pathologischen Gefäße (⊡ Abb. 17.25). Addi- adelphia: Saunders, Harcourt Brace
Heimann H, Bornfeld N, Vij O, et al. (2000) Vasoproliferative tumours
tiv sind eine Kryotherapie bei kleinem Tumorvolumen
of the retina. Br J Ophthalmol. 84(10):1162-1169.
oder eine Bestrahlung mittels Brachytherapie notwendig. Heimann H, Damato B (2010) Congenital vascular malformations of
the retina and choroid. Eye (Lond). 24(3):459-467.
Fazit für die Praxis Irvine F, O’Donnell N, Kemp E, Lee WR (2000) Retinal vasoproliferative
Vasoproliferative Tumoren der Retina (VTR) sind selten und tumors: surgical management and histological findings. Arch
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müssen insbesondere von kapillaren Hämangiomen, z.B. im
Ismail SM, Jasani B, Cole G (1985) Histogenesis of haemangioblasto-
Rahmen eines von Hippel-Lindau-Syndroms, abgegrenzt wer- mas: an immunocytochemical and ultrastructural study in a case
den. In der Regel ist eine (lokale) Behandlung notwendig, da of von Hippel-Lindau syndrome. J Clin Pathol. 38(4):417-421.
VTR unbehandelt zu visusbedrohenden Komplikationen, wie Jain K, Berger AR, Yucil YH, McGowan HD (2003) Vasoproliferative tu-
insbesondere massiven subretinalen Exsudaten und sekun- mours of the retina. Eye (Lond). 17(3):364-368.
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454 Kapitel 17 · Vaskuläre Tumoren der Netzhaut

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17
Stichwortverzeichnis

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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
456 Stichwortverzeichnis

Autofluoreszenz 248 Chorioretinale venöse Anastomose


A Avonex 369 211
Azathioprin 361, 377, 388 Chorioretinitisherd 337
Ablatio falciformis 257 Azathioprin-Mycophenolsäure 355 Chorioretinopathia centralis serosa
Aciclovir 381 330
ACR Kriterien 353 choroidale Hypoperfusion 311
Adalimumab 362, 391 Choroiditis 375
Aderhauthämangiom 306
B chronischer Schmerzzustand 79
Aderhautmetastase 306 Churg-Strauss-Syndrom 383, 384
advanced glycation endproducts basic fibroblast growth factor (bFGF) Ciclosporin A 386
(AGEs) 100 100 Circinatafigur 282
aggressive posteriore ROP 171 basic fibroblast growth factor (FGF-2) Clinically significant radiation macular
akute retinale Nekrose (ARN) 331 415 oedema (CSMRO) 311
Alkylierende Substanz 387 BEAT-ROP-Studie 176 CMV-Retinitis 345
alveolären Hämorrhagie 385 Behcet-Erkrankung 225 Coats-Syndrom 251
amelanotisches Melanom der Uvea Berlin-Ödem 324 Collaborative Ocular Melanoma Study
448 Betaseron 369 306
Amotio, rhegmatongene-traktive 342 Bevacizumab 80, 209, 222, 318 Controlled High-Risk Subjects Avonex
Anakinra 392 bihiläre Lymphadenopathie 370 Multiple Sclerosis Prevention Study
Anastomose, chorioretinale 248 Bloch-Sulzberger-Syndrom 268 (CHAMPS) 368
Aneurysma racemosum 275 Bluthochdruck 190, 281 Copaxone 369
angeborene Immunität 358 Blut-Kammerwasser-Schranke 81 Cotton-wool-Herd 216, 307
Angiogenese 165 Blutkörperchensenkungsgeschwindig- Cotton-wool-Spot 322, 332, 352, 400,
Angiopathia retinae juvenilis 268 keit (BSG) 186 414
Angiopathia traumatica retinae 322 Blut-Netzhaut-Schranke 89 Cotton-Wool-Spot 385
Angiotensin-konvertierende Enzym Blut-Retina-Schranke 198 Criswick-Schepens-Syndrom 258
(ACE) 371 Blut-Retina-Schranke, Zusammenbruch CRYO-ROP-Studie 175
Anteriore ischämische Optikusneuropa- 366 Cyclooxygenaseinhibitor 387
thie (AION) 204 Blutung, intraretinale 322 Cyclophosphamid 355, 362, 387
anterior segment ischemia syndrome Blutung, subhyaloidale 328 Cyclosporin A 361, 389
(ASI) 424 Blutviskosität 193 cystoid macular edema 22
Antimetabolit 347 Bonnet-Dechaume-Blanc-Syndrom 275
Antiphospholipidsyndrom 352, 353 Brachytherapie 450
Antithrombin III (AT III) 182 Branch Vein Occlusion Study (BVOS)
Anti-TNF-Therapie 377 217
D
Anti-VEGF-Substanz 290 Brillant Blau G 71
Anti-VEGF-Therapie 273 Bronchoalveolarlavage (BAL) 376 Daclizumab 392
Anti-VEGF-Wirkstoff 250 Bussacca-Knötchen 365 Deoxyspergualin (NKT-01) 354
A. ophthalmica 231 Dexamethason 209, 222
Aphthen, orale 359 Dexamethason-Freisetzungssystemen
Argon-Grün-Laser 119 157
Argonlaser 34
C Diabetic Retinopathy Clinical Research
Arm-Retina-Zeit 17 Network 142
Arteria hyaloidea 89 Calcineurin-Inhibitor 389 diabetische Makulaödem (DMÖ) 135
arterielle Füllungszeit 17 Cardiolipin-Antikörper 355 diabetisches Makulaödem 42, 73
Arterienastverschluss (AAV) 185, 224 Cellcept 386, 390 Diapedese von Leukozyten 90
Arteriogenese 166 Chapel Hill Consensus Conference diffuses Makulaödem 141
Arteriosklerose 281 353 Diodenlaser 35
arteriovenöse Anastomosen 275 Chapel-Hill-Klassifikation 383 Dioden-Laser 119
arteriovenöse Übergangszeit 17 Chlorambucil 387 disseminierte intravasale Gerinnung
arteriovenous communications 275 Chloroquin (Resochin) 356 325
Astrozyt 167 chorioidales Hämangiom 254 disseminierte intravasale Koagulopa-
Astvenenthrombose (AVT) 73 chorioretinale Anastomose 248 thie (DIC) 184
Stichwortverzeichnis
457 A–I
Drainageimplantate 82 Frühgeborenenretinopathie 163 homonyme Hemianopsie 278
Drug-Delivery-System 90 Frühgeborenenretinopathie (ROP) Humira 391
267 Hydroxychloroquine 355
Frühgeborenenretinopathie-Screening Hydroxychloroquin (Quensyl) 356
173 Hyperfluoreszenz 15
E FZD4 259 Hyperhomocysteinämie 191
Hyperlipidämie 190
EAGLE-Studie 231 Hypertensive Retinopathie 399
Early Treatment Diabetic Retinopathy Hypertonie, arterielle 400
Study (ETDRS) 27, 39, 112, 141
G Hyperviskosität 190
Einzelherdtechnik 38 Hyperviskositätssyndrom 188
Ektopie der Makula 257 Ganciclovir 381 Hypofluoreszenz 17
Embolektomie 74 Gefäßektasi 280 Hypoxie-induzierbarer Faktor HIF-1
Enbrel 391 Gerinnung 182 165
Endolaserkoagulation 72 Glaskörperabhebung 126 Hypoxie-induziertem Faktor (HIF) 430
Endo-Laserkoagulation 72 Glaskörperblutung 119, 125, 326, 339
endophytischer Tumor 430 Glaskörpertrübung 336
Endoresektion 312 Glatiramer Acetate 369
Endotamponade mit Silikonöl 81 Glaucoma absolutum 83
I
Ephrine 169 Glaukom 191
epiretinale Membran 25 glial fibrillary acid protein (GFAP) 448 idiopathische juxtafoveoläre retinale
epiretinale Membran (ERM) 345 Gliazellmarker CD11c 309 Teleangiektasien (IJRT) 244
Erythema nodosum 357, 370 Glitzerfleck 409 Immunkomplexablagerung 353
Erythropoetin 165 Glykosilierungsendprodukte (AGEs) Immurek 388
E-Selectin 169 136, 154 Imuran 388
Etanercept 362, 391 Goldmann-Witmer-Koeffizienten (GWK) Incontinentia pigmenti 254, 267, 268
ETROP-Studie 174 380 Indiozyaningrün 12
EULAR-Empfehlungen 363 Gonioksopie 79 Infliximab 362, 391
exophytischer Tumor 430 graft versus host disease 329 insulin-like growth factor-1 (IGF-1)
experimentelle autoimmune Enzepha- granulomatöse (speckige) keratische 102
lomyelitis (EAE) 364 Präzipitate 365 Insulin like growth factor (IGF-1) 166,
Exsudation 307 GRID-Laserbehandlung 212 169
Gridlaserkoagulation 41 Integrine 168
GRID-Laserkoagulation 221 intercellular adhesion molecule (ICAM)
139
F Interferometrie 20
Interferon 390
Fächerneovaskularisation 419
H Interferon (IFN) 368
falziforme Netzhautfalte 265 Interleukin-1 (IL-1) 390
familiär exsudative Vitreoretinopathie Hamartome, kombinierte des retinalen Interleukin-2 (IL-2) 390
(FEVR) 257 Pigementepithels und der Retina Interleukin-8 140
Farbstofflaser 35 433 Interleukin-10 (IL-10) 390
Fettembolie, retinale 324 Hämodilution 213 intracellular adhesion molecule-1
Fibrinolyse 183 Hämoglobin 406 (ICAM-1) 408
Fibronektin 307 Hämoglobin S 406 intraokulares Medulloepitheliom 253
Fluoreszein 12 Hämophilie 182 intraretinale Blutung 322
Fluoreszeinangiographie 4 Hayflick-Zahl 307 intraretinale mikrovaskuläre Anomalie
Fluoreszenzangiographie 201 Heterochromie 251 (IRMA) 415
Fluozinolone Acetonid Implantate Heterotopie, Makula 267 intravitreales Triamcinolon (IVTA) 28
157 HIF-1a (hypoxia-inducible factor-1a) Iris-Knötchen 365
fokale Makulaödem 141 139 IRMA 113
Fourier-Domain-OCT 21 hintere Glaskörperabhebung 25 Ischämie 336, 343
frizzled-4-Gen (FZD-4) 257 Hollenhorst-Plaques 232 ischämische Makulopathie 141, 386
458 Stichwortverzeichnis

ischämische Ophthalmopathie 78 Laser-Hyaloidotomie 291 Mikroaneurysma 311, 414


ischämische Optikusneuropathie 385 Laserkoagulation 72, 315, 347 mikroangiopathische Retinopathie
ischämische Retinopathie 72 Laserkoagulation, fokale 40 353
ischämischer Retinopathie 194 Laserkoagulation, panretinale 40 Mikrogliazelle 167, 309
Isovolämische Hämodilution 221 Laserkoagulation, sektorielle 369 Mikrosphäre 91
isovolämischen Hämodilution 215 Laserkoagulation, Subthreshold 41 Mitoxantron 369
IVOM 91 Lasertherapie 347 MMF 390
Lebersche Miliaraneurysmenretinitis Monozyten-Chemokine-Protein 1
244 (MCP-1) 140
Leberschen Miliaraneurysmata 429 Morbus Behçet 78, 345, 357, 390
J Lebersches Miliaraneurysma 251 Morbus Coats 251, 267, 269, 278, 346
Leckage 16 Morbus Coats, zentraler 244
juxtafoveale Teleangiektasie 23 leukämisches Infiltrat 345 Morbus Eales 78, 267, 268, 278, 336
Juxtapapilläres retinales Angiom 58 Leukokorie 251 Morbus Norrie 254, 267, 268
Leukotriene 387 Morbus Wegener 225
Leukozytenadhäsion 140 MTX 389
Licht-induzierte Amaurose (LIA) 236 Multiple Sklerose 363
K Lipidexsudat 251 Mycophenolatmofetil 390
Löfgren-Syndrom 370 Mycophenolat Mofetil 367
Kammerwinkelneovaskularisation 79 Lupus anticoagulans 355 Myfortic 390
kapilläres Hämangiom 434 Lupus erythematodes (L.E.) 322
kapilläres retinales Hämangiom 445 Lupus erythematodes (SLE) 351
kavernöses Hämangiom 428, 442 Lymphom 78
Kineret 392
N
kirschroter Fleck (ZAV) 226
Knochenmarktransplantation 329 Natalizumab 369
Koeppe-Knötchen 365, 373
M Nd:YAG-Laser 35
Kollagen IV 307 nekrotisierende obliterative retinale
kombinierte Hamartome des retinalen macrophage chemoattractant protein Vaskulitis 360
Pigmentepithels und der Retina (MCP-1) 345 nekrotisierende Vaskulitis 378
433 macrophage inflammatory protein neovaskuläres Glaukom 132
kombinierte Kataraktchirurgie 75 (MIP-1 140 Neovaskularisation 38, 336, 370,
Komplementfaktor 5 (C5a) 323 Macugen 146, 150 386
kongenitale retinale, arteriovenöse macula pucker 131 Neovaskularisationsglaukom 78
Kommunikation 430 macular pucker 73 Neovaskularisation, subretinale 248
kongenitales retinozephalofaziales Makroaneurysma 217 Netzhautablösung, traktiv rhegmato-
vaskuläres Malformationssyndrom Makrophage 310 gene 130
275 Makrophagenmarker F4/80 309 Neuritis 352
Kontrolle des Intraokulardrucks (IOD) Makula, Heterotopie 267 Neuroborreliose 367
79 Makulaödem 131, 311 Neurofibromatose-Typ-II 434
Kortikosteroidtherapie 377 Makulaödem, klinisch signifikant 40 neurookulokutanes Syndrom 428
kraniofaziale metamere Syndrome makuläre Teleangiektasie 244 Neurosyphilis 367
(CAMS) 279 makuläre Teleangiektasie Typ I 244 nicht-arteriitischer anteriorer Optikus-
Kryoglobulinämie 383 makuläre Teleangiektasie Typ IIA 247 neuropathie NAION 185
Kryokoagulation 238, 271 Makulopathie, ischämische 310 nichtproliferativer diabetischer Retino-
Medulloepitheliom, intraokuläres 253 pathie (NPDR) 112
Membrana limitans interna (inner limi- nicht-proliferative Strahlenmakulopa-
ting membrane, ILM) 157 thie 315
L Membranpeeling 73, 76 nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)
Metex 389 387
Lachsfleck 413, 414 Methotrexat 355, 367, 377, 386, 389 Norrie-Erkrankung (ND) 258, 259
Laminin 307 Meyer-Schwickerath, Gerd 110 Norrie-Krankheit 268
Lantarel 389 Migration von Leukozyten 90 Norrin-Gen (NDP) 259
Stichwortverzeichnis
459 I–S
Photokoagulation 250, 271 RESTORE-Studie 148
O Photorezeptor 110 retinale arterielle Makroaneurysmen
pigment epithelium derived factor (RAM) 280
okklusive retinale Vaskulitis 357 (PEDF) 37 retinale Fettembolie 324
okklusive Vaskulitis 367, 370 Pigmentepithelproliferation 248 retinale Ischämie 78
okuläre Ischämie 204 PKC-Inhibitor Ly333531 108 retinale okklusive Gefäßerkrankung
Okuläres Ischämiesyndrom (OIS) 231 Plasmaprotein 182 353
okulo-neuro-kutanes Syndrom 442 Plasmaviskosität 186 retinale Pigmentepithel (RPE) 110
Okulo-zerebrales Lymphom 367 Plasminogenaktivator-Inhibitor-1 retinales Angiom 252
Optikoneuropathie 373 (PAI-1)-Mangel 184 retinales kapilläres Hämangiom 278
Optikusneuritis (ON) 365 plus-disease 170 retinales kapilläres Hämangiom (RCH)
Optikusneuropathie 331 pneumatische Dislokation 292 57
Optikusneuropathie, anteriore 352 Polyarteriitis nodosa 383 retinales Pigmentepithel 36
Optikusneuropathie, posteriore 352 Polyol-Stoffwechsel 107 retinale Teleangiektasien 251
Optikusneuropathie, radiogene 319 posteriore Uveitis 374 retinale Vaskulitis 365, 386
optische Kohärenztomographie 20 präretinalen Blutung 296 retinale Zentralvenenthrombose (ZVT)
optisches Kohärenztomographie (OCT) progressive äußere Netzhautnekrose 72
202 (PORN) 331 Retinektomie 83
orale Aphthen 359 progressive äußere Retinanekrose Retinoblastom 253, 306
Ozurdex 91 (PORN) 379 Retinopathia praematurorum 164
proliferative diabetische Retinopathie Retinopathie, diabetische 307
78 Retinopathie, SLE-assoziierte 355
proliferative diabetische Retinopathie retrohyaloidale Blutung 127
P (PDR) 112, 123 Retrolentale Fibroplasie 164
proliferative Retinopathie 72, 124 rhegmatogen-traktive Amotio 342
Panarteriitis 383 proliferative Vitreoretinopathie 251 Riesenzell-(Temporal-) Arteriitis 383
Panarteriitis nodosa 385 proliferative Vitreoretinopathie (PVA) Rituximab 392
Pankreatitis, akute 322 130 Rituxin 392
panretinale Laserkoagulation 79, 81 Prostaglandine 387 ROP 268
panretinale Photokoagulation 116 Protein C 182 Roth-Spot 354
panretinale Photokoagulation (PRP) Proteinkinase-C-Inhibitor 100 rt-PA (rekombinanter Gewebeplasmino-
212, 238 Proteinkinase C (PKC) 135 gen-Aktivator) 292
Papillenödem 322 Protein S 182 Rubeosis der Iris 128
Papillenschwellung 204 Purtscher Retinopathie 322 Rubeosis iridis 78, 234, 251
Papillitis 352, 360 rubeotisches Sekundärglaukom 78,
parafoveale Teleangiektasie 60, 445 311
Pars plana 93 Ruboxistaurin 108
Pars-plana-Vitektomie 81
R rush types 173
Pars-plana-Vitrektomie 68, 348
Pathergietest 357 Radiäre Optiko-Neurotomie (RON)
Pattern-scanning-Laser 38 212
Pegaptanib 209 radiäre Optikusneurotomie 29, 72
S
Perfluorkarbone (PFCL) 74 radiogene Optikusneuropathie 319
periphere exsudative hämorrhagische Radiotoxizität 306 Sandostatin 101
Chorioretinopathie 448 Ranibizumab 28, 80, 146, 209, 222 Sarkoidose 367, 370
periphere Periphlebitis 337 razemöses Hämangiom 430, 445 scatter photocoagulation 112
Periphlebitis 365 Rebif 369 Schießscheibenmakula 356
persistierender hyperplastischer rekombiniertem Gewebsplasminak- Schönlein-Henoch-Purpura 383
primärer Glaskörper (PHPV) 258, tivator (rtPA) 207 sektorieller Laserkoagulation 369
267, 269 Relativer afferenter Pupillendefekt sekundärer Winkelblock 79
Pharmakodynamik 88 (RAPD) 203 Sekundärglaukom 251
photodynamische Therapie 250 Remicade 391 Sekundärglaukom, rubeotisches 311
photodynamische Therapie (PDT) 48 RESOLVE-Studie 148 seröse Netzhautabhebung 23
460 Stichwortverzeichnis

serous retinal detachment 23 thrombotische thrombozytopenische VEGF-Inhibitor 257, 347, 450


shaken baby syndrome 328 Purpura (TTP) 184 VEGF-Inhibitoren 88
Sheathotomie 73 Thromboxane 387 VEGF-Trap 209
Shunt, veno-venöser 338 Tight junction 90 Venenastverschluss 38, 215
Sichelzellanämie 78 Tight junctions 135, 137 venöse Stase-Retinopathie 189, 197
Sichelzellretinopathie 346, 406 Time-Domain-OCT 21 veno-venöser Shunt 338
Sichelzellretinopathie, proliferative Toxoplasmose 346 Verschlusserkrankung 181
420 Trabekulektomie 81 – Differentialblutbild 228
sIL-2R-Konzentration 370 Trabekulektomie mit MMC 81 Verteprofin 57
Silikonöl 81 Traktionsablatio 126, 311 Visuserholung 327
Silikonöl (SiO) 74 Traktionsamotio 386 Vitrektomie 68, 319
Silikonöltamponade 73 traktiv Rhegmatogene Amotio 337 Vitreomakuläres Traktionssyndrom 24
Skleritis, diffuse 373 transkonjunktivaler Kryotherapie 450 vitreomakuläre Traktion 20, 157
Skleritis, noduläre 373 Triamcinolon 222, 290, 367 Vitreoretinopathie, familär exsudativ
SLE-assoziierte Retinopathie 355 Triamcinolonacetonid 72, 209 257
solitäres Astrozytom 449 Tripple-freeze-thaw-Technik 256 Voclosporin 389
Somatostatin-Analoga 100 Trypanblau 71 von Hippel-Lindau-Syndrom 278, 429,
Sonnenfleck, schwarzer 414 Trypsin digest 307 434
Sprunggelenksarthritis 370 Tuberkulose 344, 345 von-Willebrand-Faktor 183
steal effect 233 Tuberkulostatika 347
Stereomikroskop 68 tuberöse Sklerose 254
Steroid 386 Tumor-Nekrose-Faktor (TNF)-Inhibitor
Steroidbehandlung 347 367
W
Strabismus 251 Tysabri 369
Strahlenmakulopathie, nicht-prolifera- Walter-Warburg-Syndrom 269
tive 315 Wegener-Granulomatose 383
Strahlenretinopathie 78, 305 Wnt-Rezeptor 259
Subarachnoidalblutung 325
U Wyburn-Mason-Syndrom 275, 276,
subhyaloidale Blutung 328 430
subretinale Blutung 296 Uveitis posterior 373
subretinale Neovaskularisation 248
Subthreshold-Laserkoagulation 41
Sulfasalazin 387
X
symptomatischer Embolus 224
V
Syphilis 345 X-chromosomale familiäre exsudative
systemischer Lupus erythematodes Valsalva-Manöver 281, 328 Retinopathie (XL-FEVR) 257
78 vascular cell adhesion molecule-1 X-chromosomal vererbte Retinoschisis
(VCAM-1) 408 78
vascular endothelial growth factor
(VEGF) 37, 369, 415, 430
T vascular permeability factor (VPF)
138, 168
Z
Takajasu-Syndrom 278 Vaskulitis 225, 336, 337
Takayasu-Arteriitis 383 Vaskulitis, nekrotisierende 378 Zenapax 392
Teleangiektasie 311 Vaskulitis, nekrotisierende obliterative Zentralarterienverschluss 385
Teleangiektasie, idiopathische juxtafo- retinale 360 Zentralarterienverschluss (ZAV) 185,
veoläre retinale 244 Vaskulitis, okklusive retinale 357 224
Terson-Syndrom 288, 325 Vaskulogenese 165 Zentralvenenverschluss 29, 78
Thalassämie 406 Vaskulopathie, ischämische 306 Zentralvenenverschluss (ZVV) 38, 189
Thalidomid 362 vasoproliferativer Tumor 58, 430, 446 Zentralvenenverschluss (ZVV), ischämi-
Thrombolyse 206 VEGF 71, 75, 100, 138, 165, 168, 222, scher 194
Thrombophilie 182, 190, 225 308, 345 zerebrale kavernöse Malformation
Thrombophlebitis 345, 359 VEGF-Aptamer 150 (CCM) 442
Stichwortverzeichnis
461 S–Z
zilioretinale Arterie 226, 227
Zyklokryokoagulation 213
Zyklooxigenase-1 (COX-1) 154
Zyklophotokoagulation 82, 213
zystoides Makulaödem 22, 367, 386

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