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Ein Service von Stiftung Lesen und Deutsche Bahn Stiftung

Der Tag, an dem die Schokolade


verboten wurde
Eine Geschichte von Astrid Göpfrich mit Illustrationen von Pina Gertenbach,
erschienen im Dressler Verlag.

Melissa, Emily und Samira hatten schon so manch kniffeligen Fall gelöst.

Denn sie waren die wunderbare Stadt-Detektivinnen-Gang, kurz: die SDG. Zum

Beispiel hatten sie Hans-Wilhelm, den Kater von Emilys Opa, aus einem

Birnbaum gerettet. Und eine verschwundene Brille von Samiras Tante Rania

wiedergefunden. Tante Rania erkannte ohne Brille niemanden auf der Straße,

weil sie so kurzsichtig war. Die Brille war im Backofen gewesen.

Aber der Fall, der sich an diesem schönen Sommertag auftat, kam ihnen

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vollkommen hoffnungslos vor.

Emily und Samira waren gerade dabei, mit Kreide ein Himmel-und-Hölle-Feld

auf die Straße zu malen. Da kam Melissa atemlos auf ihrem roten Flitzerad

die Straße hinuntergedüst. Sie sprang vom Rad und pfefferte es an den Zaun.

Erschrocken sahen Emily und Samira zu ihr hoch. „Was ist passiert?“, fragte

Emily besorgt.

„Nichts“, japste Melissa, „aber wenn wir nichts unternehmen, dann wird etwas

ganz Blödes passieren!“

„Nun sag schon“, forderte Samira. Sie konnte es nicht leiden, wenn man nicht

gleich damit rausrückte, was los war.

„Die Bürgermeisterin hat beschlossen, dass der Schoko-Laden geschlossen

wird!“

„Was? Das kann sie nicht machen!“, rief Emily.

Samira sagte vor lauter Schreck gar nichts.

„Doch, es stimmt“, sagte Melissa. „Meine Mutter hat es heute Morgen in der

Zeitung gelesen. Schokolade wird verboten! Der Schoko-Laden soll

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dichtgemacht werden.“

„Aber warum?“, stammelte Samira hilflos.

„Weil Schokolade so ungesund ist“, antwortete Melissa dumpf.

Die Freundinnen starrten sich entsetzt an. Ein Leben ganz ohne Schokolade,

das konnten sie sich nicht vorstellen. In dem Schoko-Laden gab es zum

Beispiel Nuss-, Vollmilch-, Erdbeer-, Marzipan- und Karamellschokolade, bunte

Pralinen und leckere Schoko-Lollis. Außerdem gingen die drei gern dorthin,

um eine dicke, heiße Schokolade zu trinken.

„Wir müssen was tun“, sprach Samira als Erste wieder.

„Was sollen wir da denn machen?“ Emily schüttelte betrübt den Kopf.

„Los! Wir fahren erst mal hin und sehen nach, was los ist“, rief Melissa.

„Gute Idee“, sagten die anderen beiden. Dann sprangen sie auf ihre Räder und

flitzten zum Laden, der mitten in ihrer kleinen Stadt am Marktplatz lag.

Als sie dort ankamen, sahen sie, dass ein paar Leute bereits Kisten aus dem

Laden heraustrugen.

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„Sie räumen schon die Schokolade weg!“, rief Samira entsetzt.

In diesem Moment kam Herr Pfannkuch, der Besitzer des Schoko-Ladens, mit

einer Kiste aus der Tür.

„Herr Pfannkuch“, rief Melissa, „stimmt es, dass Ihr Laden geschlossen wird?“

Herr Pfannkuch sah die Mädchen traurig an. „Ja, es ist leider wahr. Ich fange

morgen schon mit einem Obstladen an.“

„Was kann man denn da machen?“, fragte Emily unglücklich.

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„Ich fürchte, nichts“, antwortete Herr Pfannkuch. „Die Bürgermeisterin hat

beschlossen, dass so etwas Ungesundes nicht mehr verkauft werden darf.“

Dann trug er seine Kiste, die bestimmt voller leckerer Schoko-Köstlichkeiten

war, zu einem kleinen Lieferwagen.

„Das müssen wir verhindern!“, rief Melissa.

„Aber wie?“, fragte Samira verzagt. „Gegen eine Bürgermeisterin haben wir

doch keine Chance!“

„Hm, ich glaube, ich hab da eine Idee“, sagte Emily geheimnisvoll. „Los,

kommt! Ich erzähle es euch unterwegs.“

„Ja, wir dürfen keine Zeit verlieren“, riefen die anderen Mädchen.

Die SDG sprang auf ihre Räder und raste zuerst zu den Kitas der Stadt,

danach zur Schule. Überall erzählten die drei den anderen Kindern, dass der

Schoko-Laden geschlossen werden sollte. Überall waren die Kinder entsetzt.

Und überall stiegen sie sofort auf ihre Fahrräder und folgten Emily, Samira

und Melissa. Bald zogen über hundert wütende Kinder auf ihren Rädern durch

die Stadt. Die Menschen kamen aus den Häusern, Büros und Geschäften, um

sich diesen wundersamen Zug anzusehen.

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„Was ist bloß mit den Kindern los?“, fragten sie. „Warum sind sie nicht in der

Schule?“ Oder: „Wo wollen die denn alle hin?“

Viele waren neugierig und fuhren hinterher. Bald kam der Zug der wütenden

Kinder auf dem Marktplatz an. Sie stellten sich mit ihren Rädern auf den

Platz. Dort hatte auch die Bürgermeisterin der Stadt, Frau Doktor Kämmerlein,

ihr Büro. Sie war eine strenge Dame, die hart arbeitete und sich niemals in

ihrem Leben etwas gönnte. Schon gar nicht Schokolade.

„So, und jetzt machen wir Krach!“, rief Emily.

„Aber richtig“, stimmten Samira und Melissa ein.

Dann fingen alle an, wild mit ihren Fahrradklingeln zu läuten, zu klingeln und

zu hupen. Es war ein unglaublicher Lärm auf dem Platz. Sofort ging das

Fenster der Bürgermeisterin auf.

„Was ist denn das für ein fürchterlicher Radau?“, rief Frau Doktor Kämmerlein.

„Da kann man ja nicht …“

„… arbeiten“, hatte sie sagen wollen, doch als sie all die wütenden Kinder sah,

verschlug es ihr die Sprache.

„Was … äh, was ist denn hier los?“, fragte sie verunsichert.

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Herr Pfannkuch kam ebenfalls aus seinem Laden und starrte verwundert auf

die lärmenden Kinder. Doch er verstand sofort, warum sie alle hier waren, und

grinste froh übers ganze Gesicht.

„RUHE!“, kreischte Frau Doktor Kämmerlein von oben. „Seid sofort still! Ich

bekomme Kopfschmerzen!“

Und als die Kinder tatsächlich mit dem ohrenbetäubenden Klingeln aufhörten,

fragte sie, schon etwas kleinlauter: „Was wollt ihr?“

„Scho-ko-la-de“, fing Melissa an, und alle anderen Kinder stimmten ein. „Scho-

ko-la-de, Scho-ko-la-de, Scho-ko-lade“, hallte es über den ganzen Platz.

„Aber die ist doch so ungesund“, stotterte die Bürgermeisterin, „da gehen

doch eure ganzen Zähne kaputt, und ihr werdet dick, und … überhaupt!“

„Nein“, rief Samira, „nur wenn man zu viel davon isst.“

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„Aber ein Stück Schokolade am Tag macht gar nichts“, stimmte ihr Melissa

zu.

„Und man muss sich auch etwas gönnen“, sagte Emily.

Frau Doktor Kämmerlein blickte

verwirrt auf die drei hinunter. Da sie

selbst nie Schokolade aß, verstand sie

überhaupt nichts. Sie schüttelte nur

genervt den Kopf.

„Verboten ist verboten und bleibt auch

verboten!“

„Es hat keinen Sinn“, sagte Emily

mutlos, „wir gehen besser wieder.“

Sie drehte sich traurig um und winkte

den anderen Kindern zu, mitzukommen.

„Moment“, rief da Herr Pfannkuch, »so schnell geben wir nicht auf!« Er

verschwand in seinem Laden und kam kurz darauf mit einem Tellerchen

wieder heraus. Darauf lagen die drei allerbesten Pralinen, die er hatte.

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„Mhm“, raunten die Kinder, als sie die Köstlichkeiten sahen.

Herr Pfannkuch gab Emily den Teller in die Hand, zeigte auf Frau Doktor

Kämmerlein und flüsterte: „Lass sie davon kosten.“

Emily ging ans Fenster der Bürgermeisterin und sagte: „Bitte, probieren Sie!“

Frau Doktor Kämmerlein sah

misstrauisch auf den Teller. Dort lagen

eine Nougat-Praline, ein Himbeer-

Sahne-Trüffel und eine Karamell-

Kokos-Kugel.

„Wenn es sein muss.“ Sie nahm widerstrebend die Nougat-Praline,

schnüffelte daran und biss angewidert ein kleines Stückchen ab.

„Oh, das ist ja …“ Sie schluckte. „Na ja, so gut ist es nun auch wieder nicht.“

„Probieren Sie noch eine“, forderte Emily sie auf. Frau Doktor Kämmerlein

nahm den Himbeer-Sahne-Trüffel und steckte ihn komplett in den Mund.

„Hm, das schmeckt … tja, ich muss zugeben, dass es ganz gut ist.“

Die Kinder lachten.

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„Und jetzt noch die Karamell-Kokos-Kugel“, befahl Emily streng.

Die Karamell-Kokos-Kugel stopfte sich Frau Doktor Kämmerlein so schnell in

den Mund, dass man sich fragte, ob auf dem Teller jemals eine Karamell-

Kokos-Kugel gewesen war. Sie schloss genießerisch die Augen.

„Ist das himmlisch“, entfuhr es ihr, „so etwas Herrliches habe ich ja noch nie

…“ Da merkte sie, dass sie sich verraten hatte, und schwieg.

„Sehen Sie“, sagte Emily, „so schmeckt Schokolade.“

„Und so etwas Köstliches wollen Sie verbieten?“ Samira war empört. Die

anderen Kinder protestierten wieder mit ihren Fahrradklingeln. Die

Kopfschmerzen von Frau Doktor Kämmerlein meldeten sich sofort zurück.

„Nun ja“, stotterte die Bürgermeisterin, „vielleicht sollte ich noch mal darüber

nachdenken.“

„Dann wird der Schoko-Laden also nicht geschlossen?“, fragte die Stadt-

Detektivinnen-Gang Melissa, Emily und Samira wie aus einem Mund.

Frau Doktor Kämmerlein wand sich. „Wenn ihr mir versprecht, dass ihr nicht

zu viel davon esst.“

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„VERSPROCHEN“, brüllten alle Kinder. „Wenn Sie uns versprechen, dass Sie

ab jetzt immer ein bisschen Schokolade probieren!“

Die Bürgermeisterin wand sich zuerst wieder ein bisschen, stimmte dann

jedoch zu.

Aber gleich an diesem Tag konnten die Kinder ihr Versprechen nicht halten.

Denn Herr Pfannkuch spendierte für alle Schokolade, und es wurde noch ein

sehr fröhliches Fest.

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Der Tag, an dem die Schokolade verboten wurde


Geschichte aus: Der kleine Fuchs liest vor. Lustige Abenteuer-
Geschichten
Autor: Astrid Göpfrich
Illustration: Pina Gertenbach
Verlag: ellermann im Dressler Verlag
Alterseinstufung: ab 5 Jahren
ISBN: 978-3-7707-0118-6

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