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DER VOGEL KACHKA

Es war einmal ein alter Fischer. Jeden Morgen in aller Frühe ging er an den Fluß, Er saß dort bis
zum späten Abend und fing mit der Angel ein paar kleine Fische. Er verkaufte sie, und von dem
Erlös fristeten er und seine Frau kümmerlich ihr Leben. Eines Tages ging er wieder einmal zum
Fluß, um zu fischen. Gerade hatte er sich am Ufer hingesetzt, da kam ein großer, schöner Vogel
geflogen und setzte sich auf einen Baum. .
Aber es war kein gewöhnlicher Vogel, sondern der Wundervogel Kachka. Der Vogel schaute dem
Fischer zu. Der saß und angelte, aber kein Fisch wollte anbeißen. Lange saß er so, dann zog er
endlich ein kleines Fischlein heraus. Da sagte der Vogel Kachka zu ihm:

»Ach, Väterchen, was willst du mit diesem kleinen Fischlein anfangen?« »Ich werde es auf den
Basar bringen, verkaufen und für das Geld für mich und meine Frau ein bißchen Brot kaufen.«
Der alte Mann tat dem Vogel leid, und er sagte: »Ich will nicht, daß du dich so abmühst und am
Hungertuche nagst! Von jetzt an werde ich dir jede Nacht einen großen Fisch bringen. Für den
großen Fisch bekommst du viel Geld, und du und deine Frau werden keine Not mehr leiden!« Da
freute sich der alte Fischer, dankte dem Vogel und ging nach Hause. Um Mitternacht kam der Vogel
Kachka mit einem riesigen Fisch geflogen und warf ihn dem alten Mann in den Hof. Am nächsten
Morgen schnitt der Alte den Fisch in Stücke, briet sie, brachte sie auf den Basar und verkaufte sie.
Von da an brachte der Vogel Kachka dem Fischer jede Nacht einen großen Fisch und warf ihn in
den Hof. ‫ ﺳﻡ‬Der alte Fischer war ein armer Mann, aber nun wurde er reich, er konnte sogar ein Haus
mit einem Garten kaufen. - Einmal ging er auf den Basar und verkaufte seinen Fisch. Plötzlich kam
der Ausrufer des Padischahs und rief: »Wer dem Padischah sagt, wo man den Vogel Kachka findet,
der bekommt die Hälfte des Königreiches und die Tochter des Padischahs dazu!« Der alte Fischer
stand von seinem Platz auf und wollte schon sagen, daß er wisse, wo man den Vogel Kachka finden
kann, aber dann besann er sich: Nein, ich werde es nicht sagen, denn dieser Vogel hat mich vor dem
Hunger gerettet! So dachte er und setzte sich wieder an seinen Platz. - Aber es wäre doch schön, das
halbe Reich zu bekommen, dachte er dann und stand wieder auf.
So stand er drei-, viermal von seinem Platz auf und setzte sich wieder. Der Ausrufer merkte das
wohl, ergriff den Alten und schleppte ihn zum Padischah. »Dieser alte Mann weiß, wo der Vogel
Kachka ist!« sagte er. Der Padischah sagte zu dem Alten: »Wenn du etwas von dem Vogel Kachka
weißt, dann sage mir, wo ich ihn finden kann. Ich bin erblindet, und kein Heilmittel vermag mir das
Augenlicht wiederzugeben. Ein Weiser aber hat mir gesagt, daß ich wieder sehend werde, wenn ich
die Augen mit dem Blut des Vogels Kachka wasche Hilf mir ihn fangen, dann gebe ich dir die
Hälfte meines Reiches«
Der alte Fischer antwortete: »Jede Nacht kommt der Vogel Kachka zu mir und bringt mir einen
großen Fisch.« Da freute sich der Padischah und sagte: »So fange du ihnl« »Nein«, antwortete der
Alte, »der Vogel Kachka ist groß und stark. Allein werde ich mit ihm nicht fertig. Um ihn zu greifen
und festzuhalten, sind mehr als hundert Menschen nötig.« »Ich werde vierhundert meiner Diener zu
dir schicken. Verstecke sie unter dem Baum, auf dem sich der Vogel Kachka niederläßt. Sie werden
ihn schon packen und
festhalten können!«
»Nein«, erwiderte der Alte, »so kann man den Vogel Kachka
nicht fangen. Ihn kann man nur mit List fangen. Ich werde
eine gute Mahlzeit zubereiten, und wenn er zu mir geflogen
kommt, werde ich ihn überreden, auf die Erde herunterzufliegen
und zu fressen. Und dabei werden wir ihn greifen!« Der Padischah schickte dem Alten vierhundert
seiner Diener. Der Fischer führte sie unter den Baum, auf dem sich der Vogel Kachka immer
niederließ, und versteckte sie unter den Zweigen.
Dort saßen die Diener, ohne sich zu rühren. Der Alte aber breitete auf einem Teppich unter dem
Baum verschiedene Speisen aus und wartete auf den Vogel Kachka.
Sobald dieser geflogen kam und sich auf den Baum gesetzt hatte, sagte der Alte: - - -
»Lieber Vogel Kachkal Dir verdanke ich es, daß ich reich und glücklich geworden bin, aber bis
heute habe ich dich noch
nicht einmal zu Gast geladen! Fliege zu mir herunter und nimm
an meiner Mahlzeit teil« - Und er bat den Vogel Kachka so inständig, daß dieser von dem Baum
heruntergeflogen kam. Wohl dachte er dabei einen
Augenblick: Wenn nun der alte Mann Böses im Sinne hat?
Aber dann sagte er sich: Ach, was will schon dieser alte
schwache Mann machen!
Und so flog der Vogel Kachka vom Baum herab und setzte sich zu dem Alten. Der stellte die
Speisen vor ihn hin und bewirtete ihn. »O du lieber Vogel Kachka! Bitte iß mit mir! Aus großer
Liebe zu dir habe ich das alles zubereitet!« Doch kaum hatte der Vogel Kachka begonnen, mit dem
Schnabel in der Tasse zu picken, da packte ihn der Alte an beiden Beinen und schrie: »Kommt
schnell her! Schnell!« Die vierhundert Diener des Padischahs sprangen aus ihrem Versteck hinter
dem Baum hervor und stürzten sich auf den Vogel. Der Vogel Kachka aber öffnete seine mächtigen
Schwingen und flog auf. Aber der Alte hielt ihn noch immer an den Beinen fest und schrie:
»Ich halte ihn! Ich halte ihn!« Doch der Vogel Kachka erhob sich in die Luft. Da sprang einer der
Diener des Padischahs hoch und packte den alten Mann an den Beinen, um den Vogel aufzuhalten.
Ein zweiter Diener sah, wie die beiden sich von der Erde lösten, und packte den ersten Diener an
den Beinen. Den zweiten packte ein dritter, den dritten ein vierter, den vierten ein fünfter . . .
So packten der alte Mann und die vierhundert Diener des Padischahs einander, erhoben sich hinter
dem Vogel Kachka bis zu den Wolken und hingen wie eine Kette in der Luft. Da schaute der Alte
hinab auf die Erde, aber die Erde war schon nicht mehr zu sehen. Es wurde ihm schwarz vor den
Augen vor Angst, er löste die Finger und stürzte in die Tiefe. Und mit ihm alle vierhundert Diener
des Padischahs. Sie fielen auf die Steine und blieben zerschmettert liegen.

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