Mein Name ist Carsten Buck. Ich bin Designer und Geschäftsführer des
Design Büros Mutter.
Ich bin außerdem seit einigen Jahren Berater der Kunsthalle Hamburg,
Repräsentant des Internationalen Design Partnerships für Deutschland und
Mitglied des Art Directors Club Deutschland.
Ich freue mich,
dass Sie so zahlreich auf den Plastikstühlen Platz genommen haben. Ich
werde jetzt meine Vortragsnotizen aus der Plastikhülle holen und etwa
eine Stunde mit Hilfe des plastikhaltigen Beamers referieren, bis die
Plastikzeiger meiner Armbanduhr 12:30 Uhr anzeigen, dann können wir
gemeinsam mit Mineralwasser aus Plastikbechern anstoßen und dabei ins
Gespräch kommen.
Ich bin wie wir alle
ein Kind des Plastikzeitalters. Und bin als Designer von Produkten und
Verpackungen natürlich mitverantwortlich dafür, wo und wie viel und
welcher Art Plastik in unserer Welt verwendet wird.
Und dafür, was das für Folgen für uns und unsere Umwelt hat.
Plastik ist überall.
Jährlich produzieren wir weltweit 200 Millionen Tonnen Plastik. Die Menge,
die wir seit Beginn des Plastikzeitalters produziert haben, reicht aus, um
unseren Erdball sechs Mal in Plastikfolie einzuwickeln.
Wir essen Plastik, wir trinken Plastik, wir nehmen Plastik durch unsere
Haut auf.
Tests haben gezeigt, wie Chemikalien sich aus Plastik lösen, in unseren
Körper gelangen und dort Krankheiten verursachen. Zum Beispiel
Allergien, Fettleibigkeit, Krebs und Herzerkrankungen.
Schon vor 20 Jahren hat Professor Dr. Michael Braungart auf die in Plastik
enthaltene Chemikalie Bisphenol A aufmerksam gemacht. Er fand heraus,
dass die Menge dieser Chemikalie, die wir durchschnittlich in unserem
Körper haben, unter anderem dabei ist, uns unfruchtbar zu machen. So
hat sich bei Männern die Zahl der fortpflanzungsfähigen Spermien seit
Beginn des Plastikzeitalters offenbar um 40% vermindert.
Aber unser Plastikkonsum hat noch andere, weitreichende Folgen.
Plastik liegt in Wäldern und an Wegrändern. Die Sahara ist mit Tonnen
von Plastikmüll übersät. In indonesischen Slums lagert Plastikmüll aus
der ganzen Welt. Nördlich von Hawaii treibt ein Müllstrudel aus
Plastikteilen - der sogenannte Great Pacific Garbage Patch. Fläche: Etwa
doppelt so groß wie Texas.
Wir sind satt, wir haben (jedenfalls die überwiegende Anzahl von uns) ein
Dach über dem Kopf, wir wiegen uns in psychischer und physischer
Sicherheit.
Auf der anderen Seite führt die Globalisierung mit ihrem unübersichtlichen
Angebot an Waren, Informationen und Lebensmodellen dazu, dass wir uns
überfordert fühlen und Orientierung suchen.
Diese modernen Tribes definieren sich jedoch längst nicht nur – wie auf
den Bildern eben dargestellt - über Style und Musik. Die gemeinsame
Leidenschaft kann eine gute Sache sein, ein Sport, ein politisches Anliegen
sein.
In einem Buch, das der Professor für Marketing Bernard Cova, der
kanadische Marketinfachmann Rob Kozinets und der britische Marketing-
Dozent Dr. Avi Shankar herausgegeben haben, wurde der Begriff
Consumer Tribes geprägt. Das war 2007.
Konsum ist somit Ausdruck von Individualität geworden. Und Marken sind
ein Medium, über das sich ein bestimmter Lifestyle synchronisiert.
Sie können. Denken Sie nur an Marken wie Apple, MiniCooper, Star Trek
oder die Lomo Kameras.
Oder an Milch.
Von der Milchkanne zum verpackten Markenartikler
Beginnen wir bei der guten, alten Milchkanne. In dieser wird die gesunde
Milch frisch vom Bauern geholt. Und gleich getrunken oder zu
Milchprodukten weiterverarbeitet. Weder Marke noch Verpackung spielen
zu diesem Zeitpunkt eine Rolle. Milch ist einfach Milch. Und die Milchkanne
eine wunderbar umweltfreundliche, immer wieder verwendbare
Verpackung.
Nach und nach wird die Milch in immer weitere Sorten unterteilt:
Rohmilch, Frischmilch, H-Milch, Vorzugsmilch, Vollmilch, fettarme Milch,
Magermilch, Buttermilch. Darüber hinaus gibt es Veredlungsprodukte wie
Kondensmilch und Sahne oder Milchprodukte mit Fruchtzusätzen. Diese zu
klassifizieren und unterscheiden bedient man sich im Lauf der
Spezifizierung zunehmend des gebrandeten Tetra Paks in
unterschiedlichen Größen, die Produktmerkmale und Produkt-Typik
kommunizierten. Spätestens hier kommt zentralisiertes Recycling ins
Spiel.
Nein, denn die Positionierung von Actimel als kleines, feines Wundermittel
gegen Erkältungen beschert Danone Millionenumsätze. Und zum
probiotischen Märchen gehört die „persönliche“ Selbstmedikations-
Dosierung von zwei Mini-Portionen am Tag.
Nein, denn der Verbraucher zahlt ohne mit der Wimper zu zucken doppelt
soviel Geld dafür wie für die gleiche Menge des Konkurrenzproduktes in
der 500 ml Portionierung. Hätte er plötzlich den direkten Preis-Menge-
Vergleich vor Augen, käme er ins Grübeln.
Und der Look ist ganz entscheidend für den Erfolg von Actimel.
Jungfräuliches Weiß, medizinische Reinheit, technisch glänzender
Aludeckel: All diese Designkomponenten sind ein wesentlicher Teil des
Markenzaubers und Wirkversprechens von Actimel.
Da ist der Bauch des Konsumenten stärker as der Kopf. Auch das ist
Realität.
Kann man darauf bauen, dass die Konsumenten auf den Konsum
solcher Produkte verzichten werden?
Nein. Actimel ist geradezu ein Paradebeispiel für ein Produkt, das nicht
nach sachlichen Nutzkriterien gekauft wird, sondern aus gefühltem
Nutzen. Wider besseren Wissens!
Mit Actimel tue ich mir etwas Gutes, denn Actimel fördert meine
Abwehrkräfte.
Mit Actimel nehme ich mir zweimal am Tag Zeit – nur für mich.
Mit Actimel weise ich mich als Mensch aus, der bewusst an seinen
Gesundheit denkt.
Mit Actimel mache ich Stress und sonstige negativen Einflüsse wett.
Mit Actimel verwöhne ich mich, wenn es mir nicht so gut geht.
Actimel ist der zeitgemäßer Weg, sich fit und gesund zuhalten.
Und damit sind wir ziemlich in der Zwickmühle. Einerseits profitieren wir
von einem schier unerschöpflichen Warenangebot, das unsere
emotionalen Bedürfnisse befriedigt, unserer Persönlichkeit Ausdruck gibt
und uns ein Gefühl der Zugehörigkeit gibt.
Wir sind aber auch Verursacher eines gewaltigen Verpackungsbergs.
Wir wollen nicht verzichten. Aber wir wollen auch nicht die Welt zerstören.
Wie können wir diesen Konflikt lösen?
Wie macht das Mutter Natur?
Von dieser Bewertung profitieren Kunden und Firmen zugleich. Denn das
Cradle-to-Cradle Zertifikat kommuniziert Umweltbewusstsein und
Glaubwürdigkeit. Das gibt den Kunden, die durch ihren Konsum in
umweltfreundliche Unternehmen investieren, ein gutes Gefühl. Und den
Unternehmen gibt es einen Marktvorteil.
Seit 1988 berät EPEA immer mehr Unternehmen; Dadurch sind in den
letzten Jahren Teppiche, Möbel, Lampen, Kleidung, Farben, Kühlschränke,
Elektro-Geräte und sogar Fenster nach den Cradle-to-Cradle Prinzipien
entstanden. Weltweit haben bereits rund 500 Architekten Braungarts
Ideen umgesetzt. Insgesamt sind rund 600 Cradle to Cradle-Produkte auf
dem Markt.
Den Begriff Bioplastik werden einige von Ihnen schon gehört haben. Als
Bioplastik oder Biokunststoff werden Kunststoffe bezeichnet, die auf Basis
von nachwachsenden Rohstoffen - zum Beispiel Kartoffel- oder Maisstärke
- erzeugt werden. Über Handys, deren Hülle aus Maisstärke besteht,
wurde schon einiges berichtet. Auch Verpackungen können bereits aus
nachwachsenden Rohstoffen gefertigt werden. Werden sie
weggeschmissen, lösen sie sich nach wenigen Wochen zu 100% zu
Kompost auf. Eine herkömmliche Verpackung aus Kunststoff verrottet
hingegen in 450 Jahren nicht.
Denn trotz wachsendem Umweltbewusstsein ist der soziale Druck, den die
Konsumenten auf die Milchprodukte-Industrie ausüben noch nicht groß
genug, um ein Umdenken seitens der großen Unternehmen zu bewirken.
Aber der Druck wird kommen. Und dann wird auch Danone Lösungen
brauchen.
Und was ist mit dem Verbraucher?
Geben wir den Leuten die Möglichkeit Chance, ohne Aufwand an einem
ganzheitlichen Recyclings-Konzept teilzunehmen. Nicht mit einem
wiederum neuen, aufwändig zentralisierten Recyclingsystem wie Grüne
Tonne, Gelbe Tonne, Altpapier oder Altglas , zu dem man wieder Tüten
voller Verpackungsmüll hinschleppen muss, sondern ganz einfach, mit
Spaß und für zuhause.
Vergessen wir jedoch nicht:
Wie bei allen anderen Bio-Konzepten muss man vorsichtig mit Prognosen
sein: Das Projekt kompostierbares Bioplastik ist noch in den
Kinderschuhen und es sind viele
Aspekte zu berücksichtigen – bevor man das neue Material schlechthin zu
DER Lösung für die Zukunft deklariert.
Cradle to Cradle wird eine neue Industrie-Revolution einläutet
Fest steht jedoch: Nur wir Menschen produzieren Müll, den die Natur nicht
verdauen kann.
Damit sind wir - ob als Privatperson, aber auch in unserer Funktion als
Designer und als Werber - gefragt, alles in Bewegung zu setzen, um
unsere Umwelt zu retten. Und zukunftsweisende und machbare
Alternativen aufzuzeigen, die es uns ermöglichen, unseren Konsum
verantwortungsvoll zu genießen.