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Mathematische Probleme lösen:

Ein paar Tipps


Einleitung
Liebe Schülerin, lieber Schüler,

schön, dass Du Dich mit den Aufgaben des Bundeswettbewerbs Mathematik beschäftigst. Wie viele
Teilnehmer der vergangenen Jahre wirst auch Du sehr wahrscheinlich feststellen, dass es sich um
anspruchsvolle Aufgaben handelt, deren Schwierigkeitsgrad deutlich über dem typischen Schulstoff liegt.
In der Regel dauert es um einiges länger, eine Aufgabe des Bundeswettbewerbs zu lösen. Dafür ist das
Erfolgserlebnis umso größer.

Die Aufgaben des Bundeswettbewerbs sind nicht nur komplex, sondern auch vielfältig. Daher wirst Du
eigene Lösungsansätze entwickeln müssen. Für die Entwicklung solcher Lösungsansätze gibt es ein paar
Standard-Techniken, von denen wir Dir einige in diesem Dokument vorstellen möchten. Ob eine der
Techniken Dir hilft, kannst nur Du entscheiden. Nicht jede Strategie passt zu einer konkreten Aufgabe oder
zum Lösenden. Aber solltest Du beim Lösungsversuch zu einer Aufgabe feststecken, kannst Du ja einmal
versuchen, ob Du mit den vorgestellten Methoden weiterkommst.

In diesem Dokument werden drei Methoden vorgestellt.

 Die Beschreibungsmethode:
Ziel ist es, möglichst viele relevante Informationen über ein Problem zu sammeln.
 Die Differenzenmethode:
Ziel ist es, die Differenzen zwischen einer schon erreichten Erkenntnis und dem Ziel zu beschreiben
und dann zu erkunden, wie diese Differenzen überbrückt werden können.
 Die Verneinungsmethode:
Ziel ist es, aus bereits untersuchten erfolglosen Lösungsansätzen neuartige zu entwickeln.

Alle drei Methoden beschreiben keine mathematischen Verfahren oder Ansätze. Stattdessen helfen Dir die
Methoden dabei, bereits bekannte oder zu erlernende mathematische Werkzeuge in der Aufgabe
anzuwenden. Sie unterstützen Dich bei der Frage: „Wie gehe ich an die Aufgabe heran?“

(Die Methoden gehen zurück auf den griechischen Mathematiker Spyros Kalomitsines und sein Buch "How
to Solve Problems: New Methods and Ideas" aus dem Jahr 2008.)

Die Methoden funktionieren besser, wenn Du das Denken im Kopf mit Schreiben auf Papier verbindest.
Aufzeichnungen mit Formeln, Texten, Skizzen und Tabellen sind eine große Hilfe beim Nachdenken:
• Sie helfen, Ideen zu sammeln, zu präzisieren, weiter zu entwickeln, zu überprüfen und zu
dokumentieren.
• Sie unterstützen die Konzentration – auch nach Ablenkungen findest Du Dich schnell wieder zurecht.
• Sie entlasten das Gedächtnis.

Wir zeigen die Methoden anhand einer konkreten Aufgabe des Bundeswettbewerbs Mathematik 2016
(Runde 1, Aufgabe 1):

Gegeben ist die mit 2016 Nullen geschriebene Zahl 101010...0101, in der sich die Ziffern 1 und 0
abwechseln.
Beweise, dass diese Zahl keine Primzahl ist.

Bevor wir Dir nun zeigen, welche Fortschritte Du bei der Bearbeitung der Aufgabe mit den einzelnen
Methoden erzielen könntest, möchten wir den wichtigen Hinweis noch einmal wiederholen.

Nicht jede Methode passt zu jeder Aufgabe und jedem Aufgabenlöser. Aber wenn Du einmal nicht
weiterkommst, versuche es doch einfach einmal – vielleicht helfen Dir unsere Tipps.

Wir wünschen Dir viel Freude und Erfolg!


Die Beschreibungsmethode
Du kannst die Beschreibungsmethode am Beginn Deiner Beschäftigung mit einem Problem benutzen. In
späteren Phasen der Bearbeitung kann sie Dir bei der Untersuchung von neuen Ansätzen helfen.

Hier ist das Grundrezept:


• Schreib alles auf, was Du über das Problem weißt und was Dir bei der Untersuchung helfen könnte.
• Wichtige Aspekte dabei:
◦ Führe für alle wichtigen Größen in der Aufgabenstellung mathematische Bezeichnungen ein.
◦ Was ist bekannt?
◦ Was ist gesucht?
◦ Was lässt sich ableiten?
◦ Was könnte nützlich sein?
◦ Schreib Dinge auch dann auf, wenn Du noch nicht weißt, ob sie Dir weiterhelfen.

Wie könnten Deine Aufzeichnungen zur Beispiel-Aufgabe aussehen? In dem folgenden Kasten findest Du
eine mögliche Darstellung.
An einigen Stellen haben wir in eckigen Klammern zum besseren Verständnis Kommentare ergänzt.
• Bezeichnungen
◦ Z = 101010...0101 (mit 2016 Nullen)
• Was ist gegeben?
◦ Z - sonst nichts
• Was ist gesucht?
◦ Zeige, dass Z keine Primzahl ist
◦ Faktoren a, b mit Z = a∙b, a > 1 und b > 1
◦ ein Teiler t von Z mit 1 < t < Z
• Was lässt sich ableiten?
◦ Z hat 2016 Nullen und 2017 Einsen, also 4033 Stellen
◦ Z ist nicht durch 2 teilbar
◦ Z ist nicht durch 3 teilbar (wegen Quersumme 2017, nicht durch 3 teilbar)
◦ Z ist nicht durch 5 teilbar
◦ Z ist nicht durch 11 teilbar (wegen alternierender Quersumme 2017)
◦ gesucht: eine Darstellung durch Z als Formel
▪ Z = 101010...0101
• erstmal unklar!
• [Hoffnung: vielleicht sieht man der Formel mögliche Faktoren an!]
◦ kleinere Zahlen betrachten:
▪ 101 - das ist eine Primzahl
▪ 10101 - das ist nach der Quersummenregel durch 3 teilbar!
▪ 1010101 = 101 ∙ 10001
• aha! - vielleicht ist Zn immer durch 101 teilbar?
• 10101 nicht durch 101 teilbar - schade!
• [Hinweis: Nur für ungerade n ist Zn durch 101 teilbar]
◦ neue Bezeichnungen
▪ Zn = 101010 ...0101 mit n Nullen
▪ also: Z = Z2016
◦ nochmal: eine Formel für Z?
▪ eine Formel für Y4033 = 111...111 (keine Nullen, sondern 4033 Einsen) wäre einfacher:
9∙Y4033 = 104033 - 1, also
Y4033 = (104033 - 1) / 9
◦ kann ich aus Z eine Folge von lauter Einsen machen?
▪ Multiplikation mit 11 liefert
11∙Z = 111...111 = Y4034 (4034 Einsen)
◦ kann ich 11∙Z in Faktoren zerlegen?
▪ 11∙Z = 111...111 (4034 Einsen)
= 111...111 111...111 (zwei Gruppen von je 2017 Einsen)
= 111...111 ∙ 1000...0001
(Faktor 1: 2017 Einsen, Faktor 2: 2018 Stellen)
= a∙b mit a = Y2017
◦ Zerlegung 11∙Z = a∙b - was sagt das über eine Zerlegung von Z?

[Der Rest ist jetzt nicht mehr schwer.]


Die Differenzenmethode
Die Differenzenmethode ist eine große Hilfe, wenn Du nach der Benutzung der Beschreibungsmethode in
Schwierigkeiten steckst – sie kann Dir helfen, Schwierigkeiten zu erkennen, zu beschreiben und nach
Auswegen zu suchen.

Hier ist das Grundrezept zur Differenzenmethode:


• Beschreibe zunächst das Ziel.
• Dann wähle als Ausgangspunkt etwas, was Du bereits weißt - weil es gegeben ist, oder weil Du es
bereits herausgefunden hast, z.B. mit der Beschreibungsmethode.
• Beschreibe die Differenzen zwischen dem Ausgangspunkt und dem Ziel:
Was ist am Ausgangspunkt anders als am Ziel? Was fehlt?
• Dann suche nach Möglichkeiten, um diese Differenzen zu beseitigen oder kleiner zu machen.

Wie könnten Deine Aufzeichnungen zur Beispiel-Aufgabe aussehen?


[Wir verfolgen unsere Einsichten aus der Beschreibungsmethode weiter.]

• Ziel:
◦ Faktoren von Z = Z2016 finden bzw.
◦ einen echten Teiler von Z2016 finden

• Ausgangspunkt 1:
◦ 11∙Z2016 = 111...111 = Y4034 (4034 Einsen), also Z2016 = Y4034 / 11

• Differenzen:
◦ Z2016 noch nicht in Faktoren zerlegt

• Wege, um die Differenzen zu verkleinern:


◦ Z2016 mittels Y4034 darstellen und nach einer Zerlegung dieser Darstellung suchen
◦ Z2016 = Y4034 / 11
= (104034 - 1) / (9∙11)
= (102017-1) / 9 ∙ (102017 + 1) / 11 [ hier wurde der dritte binomische Satz benutzt]
[hier müssen wir nur noch die Teilbarkeit durch 9 und 11 begründen und sind fertig]

[Zur Illustration betrachten wir einen zweiten Ausgangspunkt]

• Ausgangspunkt 2:
◦ Z2016 lässt sich grundsätzlich hinschreiben - die Ziffernfolge ist bekannt

• Differenzen:
◦ aus der Ziffernfolge lässt sich kein Teiler ablesen

• Wege, um die Differenzen zu verkleinern:


◦ mit Hilfe eines (selbstgeschriebenen?) Computerprogramms direkt nach einem konkreten
Teiler suchen
[Aufgepasst - in den Teilnahmebedingungen steht:
"Gegen die Verwendung eines Computers oder eines Taschenrechners zur Ideenfindung
bzw. Rechnungskontrolle ist nichts einzuwenden, doch müssen die für den jeweiligen
Nachweis wesentlichen Schritte und Resultate ohne diese Hilfsmittel nachvollziehbar und
überprüfbar sein."]
◦ eine andere Darstellung anstelle der Ziffernfolge finden
[das haben wir in der Beschreibungsmethode weiter untersucht]
Die Verneinungsmethode
Die Verneinungsmethode ist besonders dann wertvoll, wenn Du eine Reihe von Ansätzen ausprobiert, aber
noch keine brauchbare Lösungsidee gefunden hast. Sie ist auch dann nützlich, wenn Du bereits eine Lösung
gefunden hast und jetzt nach alternativen Lösungsmöglichkeiten suchen willst.

Hier ist das Grundrezept:


• Beschreibe die bisher untersuchten Ansätze.
• Bilde Verneinungen zu diesen Ansätzen.
• Schau, auf welche Ideen Dich das führt. Du kannst die neuen Ansätze mit Hilfe der
Beschreibungsmethode weiter untersuchen.

Wie könnten für die Beispiel-Aufgabe Deine Aufzeichnungen in Stichworten aussehen?


Du kannst links die bisher versuchten Ansätze darstellen und rechts mögliche Verneinungen sammeln:

bisherige Ansätze Verneinungen der Ansätze

• Teilbarkeitsregeln für 2, 3, 5, 11 auswerten • auf Teilbarkeitsregeln verzichten


◦ stattdessen direkt Faktoren angeben
▪ lassen sich Faktoren explizit
berechnen?
[Hinweis: Im Internet gibt es Seiten zur
Faktorisierung von Zahlen, etwa
factordb.com]
• Teilbarkeitsregeln für andere Zahlen als 2,
3, 5, 11 betrachten
◦ welche weiteren Teilbarkeitsregeln gibt
es?
[weiterführender Hinweis: dieser Ansatz
kann zu allgemeineren Teilbarkeitsregeln
mit sogenannten k-Quersummen führen -
im Wikipedia-Artikel zur Quersumme findest
Du mehr dazu]

• Spezialfälle betrachten: • keine Spezialfälle betrachten


101 • den allgemeinen Fall Zn untersuchen
10101
1010101

• mit Computerhilfe direkt nach Teilern • Teil-Verneinungen bilden:


suchen ◦ nicht mit Computerhilfe
◦ nicht direkt
◦ nicht nach Teilern...
[dies kann auf den Ansatz führen,
nachzuweisen, dass Z keine Primzahl sein
kann, ohne explizit eine Faktorisierung
anzugeben]
Abschluss
Insbesondere bei schwierigen Problemen kannst Du die drei Basis-Methoden miteinander verbinden:

• Schritt 1:
Beginne mit der Beschreibungsmethode.
• Schritt 2:
Wähle die aussichtsreichsten Einsichten aus der Beschreibungsmethode aus.
Benutze diese Einsichten als Ausgangspunkte in der Differenzenmethode und entwickle neue Ideen.
Untersuche diese Ideen mit Hilfe der Beschreibungsmethode.
• Schritt 3:
Wenn das noch nicht zum Ziel führt, benutze die Verneinungsmethode und erzeuge aus den bisher
untersuchten Ansätzen neue Lösungsideen.
Untersuche die neuen Lösungsideen mit der Beschreibungsmethode.

Wie im Abschnitt 1 beschrieben wurde, sollten in diesem Dokument keine konkreten Lösungen, sondern viel
mehr mögliche Herangehensweisen vorgestellt werden. Am Ende bist Du aber sicher neugierig, wie nah Du
mit den Methoden an eine mögliche Lösung herankommst.
Nun wünschen wir Dir viel Freude beim Herumprobieren mit den Methoden. Vielleicht helfen sie Dir weiter
und Du entwickelst neue Ideen für die Wettbewerbsaufgaben.

Viel Erfolg!

Abschließend stellen wir eine der offiziellen Musterlösungen aus dem Bundeswettbewerb Mathematik zu der
behandelten Aufgabe vor.

Beweis (Faktorisierung der Hilfszahl Z2016 ⋅11):

Die Zahl Z2016 hat 2017 Ziffern 1 und 2016 Ziffern 0.


Schreibt man sie um eine Position versetzt untereinander und addiert, so erhält man die Zahl
Z2016 ⋅ 11 = 111 ... 111 mit 4034 Ziffern 1.
Da ihre Stellenzahl eine gerade Zahl ist, kann man sie leicht faktorisieren:

11 ⋅ Z2016 = 111...111 (4034 Einsen)


= 111...111 ∙ 100...001 (erster Faktor: 2017 Einsen, zweiter Faktor: 2016 Nullen)

Die linke Seite ist Vielfaches der Primzahl 11, also enthält die Primfaktorzerlegung mindestens eines
der beiden Faktoren rechts ebenfalls die Primzahl 11, und damit ist der andere Faktor auch Teiler von
Z2016. Dieser ist sicher größer als 1 und kleiner als Z2016; dies war zu zeigen.

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