Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
SYMEONIS MAGISTRI
ET LOGOTHETAE
CHRONICON
II
CORPUS FONTIUM
HISTORIAE BYZANTINAE
CONSILIO SOCIETATIS INTERNATIONALIS STUDIIS
BYZANTINIS PROVEHENDIS DESTINATAE EDITUM
VOLUMEN XLIV/1
SERIES BEROLINENSIS
EDIDERUNT
H.-G. BECK † · A. KAMBYLIS · R. KEYDELL †
WALTER DE GRUYTER
BEROLINI ET NOVI EBORACI
MMVI
III
SYMEONIS MAGISTRI
ET LOGOTHETAE
CHRONICON
RECENSUIT
STEPHANUS WAHLGREN
WALTER DE GRUYTER
BEROLINI ET NOVI EBORACI
MMVI
IV
ISBN-13: 978-3-11-018557-7
ISBN-10: 3-11-018557-1
© Copyright 2006 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10728 Berlin
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro-
verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Printed in Germany
Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde
Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
Vorwort V
VORWORT
Dies ist der erste Band der geplanten zweibändigen Ausgabe für das Corpus
Fontium Historiae Byzantinae der Weltchronik des Symeon Magistros und
Logothetes. In diesem Band sollen sowohl die Grundlagen für das Gesamt-
vorhaben gelegt werden als auch meine Edition des Urtextes vorgelegt wer-
den, d. h. des in vielen Handschriften relativ einheitlich überlieferten Tex-
tes von der Schöpfung der Welt bis zum Jahr 948 und dem Tod und Grab-
legung des Romanos I. Lekapenos; dies ist der Text, der als die Redaktion A,
oder A-Version, bekannt ist. Im zweiten Band sollen Bearbeitungen, darun-
ter die sog. Redaktion B, bzw. Fortsetzungen über das Jahr 948 hinaus ediert
werden.
An dieser Stelle ist eine kurze Bemerkung zur Vorgehensweise und Ziel-
setzung notwendig. Wie bekannt, ist die Überlieferung der byzantinischen
Chroniken weitgehend nicht geschlossen, d. h. die Chroniken wurden nicht
nur abgeschrieben, wobei Fehler entstanden, sondern wurden auch bewusst
verändert. Die Logothetenchronik bietet vielfache Beispiele dafür: einzelne
Worte oder ganze Episoden wurden hinzugefügt oder gestrichen, Sätze wur-
den umformuliert, umfassendere Neuredaktionen entstanden. Diese Vor-
gänge tragen dazu bei, das genealogische Verhältnis von Handschriften zuein-
ander zu verschleiern. In einer derartigen Situation könnte man versucht sein,
auf eine konventionelle Edition zu verzichten, um lieber einzelne Handschrif-
ten zu edieren. Hier wird jedoch der Versuch unternommen, mit der stemma-
tischen Methode möglichst weit zu kommen, und ich möchte, dass man diese
Ausgabe als einen grossen Versuch sieht, das Möglichste in diese Richtung zu
tun. Denn die Edition einzelner Handschriften würde die Tatsache in den Hin-
tergrund verdrängen, dass immerhin die meisten Variationen in der Mehrzahl
der Handschriften Fehler im Sinne der Lachmannschen Textkritik sind, und
dass viel mit textkritischen Methoden an diesem Text zu tun war. Ferner gibt
es schon Editionen von Einzelhandschriften, nicht aber eine Synthese. Wenn
ich also eine Synthese anstrebe, folge ich dem Beispiel derjenigen, die stem-
matische Teilanalysen des Materials unternommen haben und die den Weg für
diese Art von Ausgabe geebnet haben; besonders zu erwähnen ist hier Soti-
roudis 1989. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass bei der hier ge-
wählten Zielsetzung für das Projekt andere, ebenfalls wichtige, Fragestellun-
gen in den Hintergrund treten mussten. So gibt es z. B. viele Fragen in bezug
auf die spätere Textgeschichte, für deren Beantwortung meine Edition nur ein
unvollständiges Hilfsmittel sein kann. Auch wird es künftig eine Aufgabe sein,
einzelne Handschriften als Bücher zu betrachten, um zu einem tieferen Ver-
VI Vorwort
heben ist der Einsatz meiner Mutter, die eine vertretbare Beachtung der slavi-
schen Überlieferung gewährleistet hat.
Das Buch ist meinem Sohn Johannes gewidmet.
INHALT
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V
PROLEGOMENA
INDICES
PROLEGOMENA
2*
Autor und Werk 3*
1 Die anderen Namen, die überliefert sind, sind Georgios, Leon und Theodosios, mit verschie-
denen Beinamen und Titeln. Obwohl sie als Verfassernamen nicht in Frage kommen, hat ihre
Existenz, in Hss. und gedruckten Büchern, oft die Art der Unterschiede der verschiedenen
Textzeugen in falschem Licht dargestellt und überhaupt zu Verwirrung geführt (siehe dazu
Wahlgren 2001b).
2 Zum Vorkommen der Bezeichnung Metaphrastes in den Hss. der Logothetenchronik, siehe
III.3.2.
3 Die Identifikation des Chronisten mit Symeon Metaphrastes kann mit prosopographischer
Ökonomie zu tun haben (dies wird von Ševčenko 1969/1970 angedeutet).
4 Wenn die Vorstellung Kazhdans richtig sein sollte, dass die Darstellung des Zeitabschnit-
tes 913–948 die eigenen Erlebnisse des Verfassers als Quelle hat, und wenn der Metaphrast
das Jahr 1000 erlebt hat, wie allgemein anerkannt, dürften der Chronist und der Meta-
phrast schwerlich identisch sein, denn kaum einer hat noch das Jahr 1000 erlebt, der persön-
liche Erinnerungen an das Jahr 913 hatte (vgl. unten; zu Symeon Metaphrastes siehe Hoegel
1998).
4* Prolegomena
5 Für Zusammenstellungen siehe Ševčenko 1969/1970, 216ff., und ODB s.v. Symeon Logothete
(Kazhdan). Die hier genannten Werke sind diejenigen, die von Kazhdan angeführt werden.
Im übrigen gibt es Homilien, Novellen u.a.m.
6 Siehe Darrouzès 1960, 33ff. und 99ff. So auch Tomadakis 1993, 185 (alles unter der Rubrik
Σψμεν μγιστρο« κα λογοωτη« Μεταφραστ«). Zur Datierung des Metaphrastes siehe
auch oben, Anm. 4.
Autor und Werk 5*
Abgrenzung des schriftstellerischen Einsatzes des Redaktors bis 948; Aufbau des Urtextes;
Näheres zur Abfassungszeit
Es stellt sich die Frage, was der Chronist, identifizierbar oder nicht, vom über-
lieferten Text der Chronik geschrieben hat. Es steht ausser jedem Zweifel, dass
er grosse Teile davon aus seinen Quellen übernommen hat, was zum Teil in der
Natur des Genres liegt. Umfassende, teilweise wörtliche Parallelen, die diese
pauschale Übernahme von Material beweisen, finden sich bei Theophanes und
Georgios Monachos und im Chronicon Ambrosianum.7 Damit ist unser Chro-
nist, zumindest teilweise, als ein Redaktor zu verstehen, der mehr oder weniger
mechanisch arbeitet.
Wenn man nun die Teile des Werkes bestimmen will, die verschiedenen
Ursprungs sind, ist es sinnvoll, von der Diskussion über die Entstehungs-
geschichte auszugehen.8 Man geht davon aus, dass eine kurzgefasste Chronik
(eine Epitome) von der Schöpfung der Welt bis zu Iustinian II. den Ausgangs-
punkt bildete. Diese Chronik wurde dann fortgesetzt bis zum Jahr 842. Was da-
rauf folgt, sei die „eigentliche“ Chronik des Symeon Logothetes.9 Dieser dritte
Teil wurde in neuerer Zeit mehrmals diskutiert. Am einflussreichsten für die
moderne Auffassung von dessen Aufbau ist Kazhdan gewesen. Kazhdan 1959
geht von den drei Hauptteilen aus: 842–886 (Michael III. und Basileios I.),
886–913 (Leo VI. und Alexandros) und 913–948. Was die beiden letzten die-
ser Hauptteile betrifft, soll, nach Kazhdan, die Quellenlage anders liegen als bei
der übrigen Chronik. Der Abschnitt 886–913 soll auf „Annalen“ der Stadt
Konstantinopel bauen, und der Abschnitt 913–948 auf Reminiszensen des
Chronisten.
Dies enthält natürlich Elemente der reinsten Spekulation, ist jedoch ohne
Vorbehalt im ODB s.v. Symeon Logothete zu finden. Jenkins 1965, z. B., hat eher
an eine Einheit Basileios I. – Alexandros gedacht.
Auch die früheren Teile des Werkes wecken eine Reihe von Fragen auf, die
durch die obige Beschreibung nicht geklärt werden. Es stellt sich z. B. die Frage,
inwiefern der Logothet alles bis zum Jahr 842 fertig vorgefunden hat, oder ob
er freistehende Teile selbst zusammengeflickt hat. Welche waren seine Arbeits-
methoden? Las er seine Quellen und machte Korrekturen dabei? Arbeitete er
mit einem Sekretär zusammen?
Zur Beurteilung der Frage der Abfassungszeit des Urtextes, im Sinne der
Vollendung des Manuskriptes, das bis zum Sommer des Jahres 948 reichte, ist
natürlich das letzte Ereignis – das, mit dem der Text endet – von besonderer
7 D.h. im Text der Hs. Ambrosianus gr. D34 sup. (vgl. III.1.5, S. 47*); zum Verhältnis von die-
ser Hs. zur Logothetenchronik siehe III.2.10, S. 93*f.; zum sonstigen Verhältnis der Logo-
thetenchronik zu ihren Quellen siehe IV, S. 118*ff.; siehe auch III.3.1.
8 Ein Forschungsbericht mit älterer Literatur findet sich auch bei Sotiroudis 1989, S. 1 ff.
9 „The chronicle of Symeon proper“ (so ODB, s.v. Symeon Logothete).
6* Prolegomena
Diese Notiz kann natürlich erst nach dem Tode des Konstantinos VII. im Juli
959 verfasst worden sein.
Die Frage der Abfassungszeit muss ferner in Zusammenhang mit der Chro-
nologie der Redaktion B gesehen werden.11 Markopoulos 1979 hat gemeint,
die Redaktion B stamme aus der Regierungszeit des Nikephoros II. Phokas
(963–969).
Der hier aktuelle Text ist offenbar älter. Soll also seine Vollendung auf die
Zeit zwischen Juli 959 und einem nicht näher feststellbaren Datum während
der Regierungszeit des Nikephoros II. datiert werden?
Wenn auch eine Datierung in diese Zeit die wahrscheinlichste sein mag, blei-
ben einige Fragen offen.
Normalerweise wird davon ausgegangen, dass die Abfassungszeit einer
Chronik kurz nach dem spätesten erwähnten Ereignis liegt, und dass Chroni-
ken bis zur Gegenwart des Chronisten geführt wurden, oder zumindest bis
zum Tode des vorigen Kaisers. Wenn nun der Urtext auf die Zeit nach dem
Tode des Konstantinos VII. im Jahre 959 datiert werden muss, fragt man sich,
warum sie mit dem Tode des Romanos im Jahre 948 endet.
Die einfachste Lösung wäre wohl, davon auszugehen, dass der Text im Jahre
948 enden sollte (so wie er heute vorliegt), und dass alle Ungereimtheiten (d. h.
vor allem Hinweise auf die Zeit nach dem Tode des Konstantinos VII.) durch
spätere Interpolation zu erklären sind.
Dabei ist jedoch auf eine Textstelle besonders einzugehen, Kap. 137, § 3.
Dort wird angekündigt, dass über die göttliche Bestrafung der Helfer des
Konstantinos VII. am Sturz des Romanos I. später erzählt werden soll – was
10 Vgl. Kap. 136.604–05 (ν τα9« :μωραι« τ« α%τοκρατορ"α« Κνσταντ"νοψ) und 136.635–36
(π δ. τ« μονοκρατορ"α« βασιλε"α« Κνσταντ"νοψ), wo es sich wohl um Rückblicke auf
die, nun in der Vergangenheit liegenden, Tage des Konstantinos handelt.
11 Zur Abhängigkeit der Redaktion B und der Chronik des Pseudo-Symeon vom hier heraus-
gegebenen Text siehe III.2.9, S. 84*ff.
Autor und Werk 7*
nicht geschieht.12 Die Fortsetzung in der Hs. Vat. gr. 163 (und die ähnlichen
Fortsetzungen in Vat. gr. 167 und Par. gr. 1712 (Ps.-Symeon)) nimmt dieses
Thema auf. Markopoulos 1979 hat vorgeschlagen, dass diese Fortsetzung vom
Logotheten selbst stammt. Wenn dies richtig sein sollte,13 kann der, allerdings
problematische, Satz in 137, § 3 (siehe Anm. 12), nicht so leicht als Inter-
polation abgefertigt werden (weil das in diesem Satz geäusserte Versprechen
den Logotheten Jahre danach dazu veranlasst haben soll, das Thema wieder-
aufzunehmen).
Aber auch von diesem Problem abgesehen, kann man kaum zufrieden sein.
Ob nun der Text nach 948 oder nach 959 fertiggestellt wurde, es stellt sich den-
noch die Frage, inwiefern Romanos als Held aufzufassen ist, und, wenn er als
Held aufzufassen ist, unter welchen Umständen es in jeder Zeit nach 948 mög-
lich und für jemanden wünschenswert war, auf ihn zu fokusieren, um pro-leka-
penisch und anti-makedonisch zu schreiben.14
Um das Problem der Funktion des Romanos im Werke näher beurteilen zu
können, bedarf es tiefergehender Untersuchungen zur Ideologie und Tendenz
des Textes, und zu byzantinischen literarischen Konventionen.
Es stellt sich dabei auch generell die Frage über den Status des Werkes. Hat es
etwas zu sagen, dass gerade diese Chronik – im Gegenteil zu Theophanes, Ge-
orgios Monachos u.a.m. – kein Vorwort hat? Kann dies etwa dadurch erklärt
werden, dass das Werk nicht fertiggeschrieben wurde – aus welchem Grund
auch immer? In der Tat kann ja die besprochene Stelle Kap. 137, § 3, interpre-
tiert werden, als sei das Werk unfertig. Es gibt auch einen Mangel an Homo-
genität verschiedener Art innerhalb des Werkes usw.15 Auch dieser Problem-
komplex bedarf der Untersuchung.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der terminus post quem für die
Fertigstellung des vorliegenden Textes nach Mitte Juli des Jahres 948 liegen
muss, und, wenn man nicht mit Interpolationen rechnet, nach dem Tode des
Konstantinos VII. im Jahre 959, wobei es eine offene Frage bleibt, inwiefern
man überhaupt von einer Fertigstellung sprechen kann. Die Möglichkeit der
Festlegung eines terminus ante quem, der früher liegt als 1013, ist davon abhängig,
wie man von diesem Text abhängige Texte datiert und zwar vor allem davon,
ob man eine Datierung der Redaktion B in die Zeit 963–969 akzeptiert oder
nicht.