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ADHS-Schwerpunkt
für Erwachsene
Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Defizitstörung (ADHS)
Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Defizitstörung (ADHS)
Stationäre Therapie bei ADHS und komorbiden Störungen im Jugend- und Erwachsenenalter
■ Einleitung (seite 4)
Einleitung
Der Schwerpunkt liegt in der Schaffung eines therapeutischen Settings, das die
syndromtypischen Besonderheiten von ADHS »versteht« und gemeinsam in der Gruppe von
Gleichbetroffenen neue Bewältigungskompetenzen vermittelt und hierzu einen multimodalen
Behandlungsansatz wählt.
Das Behandlungsangebot der Klinik Lüneburger Heide für Patienten mit ADHS richtet sich
an folgende Zielgruppen:
2) Patienten mit einer so schweren Ausprägung des ADHS, dass ambulante Maßnahmen
nicht mehr ausreichen.
Seiten 4+5
Eine stationäre Behandlung bei ADHS-Patienten ist weiterhin gerade dann angezeigt, wenn
Probleme im sozialen Umfeld der Familie und erschöpfte oder fehlende Therapieressourcen
zu einer drohenden oder bereits eingetretenen krisenhaften Zuspitzung im familiären oder
beruflichen Kontext führen. Gerade bei lang anhaltenden schweren Störungen, allein erzie-
henden Elternteilen mit ADHS-Kindern oder anderen belastenden Familienverhältnissen
sind häufig die Möglichkeiten im ambulanten Bereich begrenzt und eine räumliche Distan-
zierung u.a. zur Einleitung einer Autonomieentwicklung oder Entspannung von chronischen
Konfliktsituationen notwendig. ■
ursachen
Aufgrund der hohen genetischen Bedingtheit des ADHS sind häufig (aber nicht
immer) ein oder beide Elternteile ebenfalls Merkmalsträger; nicht selten lässt sich dies über
mehrere Generationen zurückverfolgen. Dies prägt bereits frühkindliche Beziehungserfah-
rungen und Bindungsstrukturen. Dabei reagieren Kleinkinder mit ADHS-Veranlagung häufi-
ger ungewöhnlich auf Berührung und Nähe, sind schwieriger zu beruhigen (»Schreibaby«)
oder reagieren beim Stillen und Füttern auffälliger und weisen gelegentlich erhebliche
Entwicklungsverzögerungen und zusätzliche Wahrnehmungs- und Motorikprobleme auf. Diese
Auffälligkeiten der frühkindlichen Entwicklung können auftreten – sind aber weder beweisend
noch zwingend vorhanden.
Negatives
Selbstkonzept Erhöhte affektive Labilität
ADHS-
Beeinträchtigungen
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Ein Individuum reguliert (vereinfacht) seine Anpassung an sein soziales Lebens-
umfeld dadurch, dass es den Erfolg und die Wirkung seines Verhaltens und den Fortschritt
seiner Fähigkeiten ständig anhand der eigenen Wahrnehmung überprüft und anpasst, so dass
ein fortlaufend rückgekoppelter Entwicklungs- und Lernprozess stattfindet. ADHS-Kinder
erleben in verstärktem Maß eine Instabilität in ihrem eigenen Erleben, leiden vermehrt unter
sozialen und emotionalen Entwicklungsstörungen, gestörten Wahrnehmungsfunktionen und
wachsen häufig in einem entsprechend instabilen Umfeld mit selber betroffenen ADHS-
Elternteilen auf. Es muss ihnen so ungleich schwerer fallen eine verlässliche Bindung zu
Bezugspersonen aufzubauen oder höhere Lernprozesse (z.B. Lernen am Modell oder auch
sprachlich vermittelte Regeln und Rollenerwartungen, etc) situationsadäquat anzuwenden.
Häufig ist eine chronische Fehlanpassung die Regel, so dass eher ein Lernen über Versuch und
Irrtum oder aber eine dysfunktionale Anpassung an äußere Rollenmodelle erfolgt bzw. es zu
Fehlverhalten mit aggressivem oder oppositionellem Verhalten kommt. Es gelingt den Kindern
so nicht in einem sicheren Bezugssystem stabile Ressourcen zur Alltagsbewältigung und selbst-
bestimmten Handlungssteuerung zu erwerben.
Neuropsychatrische
Kernsymptome
Negative Aufmerksamkeit Mangel /
Vorerfahrungen Impulsivität Versagen
Schul- und Selbstregulation von
Ausbildung Kompensations-
Versagen strategien
Beziehungs- Organisation
Probleme Stimmungs- Planung
probleme Umgang mit
Dysphorie Aufschieben
Scham Vermeidung
Negative (Versagens-)Angst Ablenkbarkeit
Gedanken Frustration / Wut
Selbstwert-
Probleme
Funktionelle
Beeinträchtigung
ursachen
F ehlen oder verändern sich wichtige günstige (protektive) Faktoren, wie strukturiertes
und stabiles familiäres Umfeld, stabiler Freundesreis, Förderung individueller
Interessen und Herausforderungen, günstige Lehrer-Kind-Interaktion, so kann die
Persönlichkeitsentwicklung des ADHS-Kindes damit zusätzlich nachhaltig gestört werden.
Für viele Menschen mit ADHS sind insbesondere negative Lernerfahrungen (bei häufig
gleichzeitig bestehenden Lern- und Teilleistungsstörungen) und negative Rückmeldungen
der Familie und des sozialen Umfeldes mit ständiger Ermahnung hemmend in der Ent-
wicklung einer eigenen Identität. Nicht Anerkennung und Erfolge, sondern wiederholte
Misserfolge in der Bewältigung scheinbar trivialer Alltagsanforderungen kennzeichnen häufig
ihre Entwicklung und tragen zu einer negativen Selbststeuerung und fehlender Selbst-
wirksamkeitserwartung bei.
Häufig besteht dabei zusätzlich eine Intoleranz für Langeweile oder Situationen
ohne Anreizcharakter. Dies erleben ADHS-Patienten entweder als starke innere Unruhe,
Stimmungseinbruch oder aber als Drang durch impulsive Handlungen oder Bewegung eine
Änderung des Zustandes herbeizuführen – notfalls auch durch Provokation oder selbstschädi-
gende Verhaltensweisen. Sie werden leicht unruhig, zappelig, unkonzentriert, sind innerlich
und äußerlich ständig auf dem Sprung, suchen den »Kick«, das Interessante, das Spannungs-
geladene oder den Streit. Indem diese Menschen sich in diese für sie anregenden Situationen
begeben und sich mental (z.B. Geschwisterrivalität, Eifersucht, Streit) bzw. physisch (z.B.
exzessiver Sport, Drogen, autoaggressives Verhalten) stimulieren, bewirken sie, dass durch
diese Außenstimulation eine neuronale Aktivierung des Gehirns erfolgt und damit der für sie
stark belastende innerliche Druck- bzw. Unruhezustand zumindest kurzzeitig beendet wird.
Solch expansives (störendes) Verhalten verstärkt naturgemäß ungünstige Umfeldbedingungen
und soziale Ausgrenzung oder macht zumindest erhebliche Integrationsprobleme, so dass
z.B. bei Kindern zusätzliche soziale Lerndefizite die Regel sind.
ursachen
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Impulsives Verhalten und Wutausbrüche (mangelhafte Impulskontrolle) bei hoher Reizbar-
keit und instabiler Emotionsregulation (z.B. intermittierende Dysphorie) fallen für Außen-
stehende häufig durch kurzzeitige 1-5 Tage anhaltende depressive Verstimmungen auf, die im
Gegensatz zur klassischen Depression oder dysthymen Störungen durch rasche Stimmungs-
aufhellungen bei herausfordernden Aktivitäten gekennzeichnet sind. Die fehlende Überzeu-
gung – und auch real fehlende Kompetenzen – durch eigene Anstrengung eine positive und
stabile Änderung der Problematik herbeiführen zu können, führt zu schweren Selbstwert-
problemen und Selbstabwertungen. Die Patienten erleben sich selbst als »anders«, »faul«
oder »dumm« und fallen durch zunehmende Resignation und Rückzugsverhalten, u.a. in der
Schule oder Ausbildung auf oder nehmen eine Außenseiterrolle als Nonkonformist ein.
Typisch für Problemsituationen ist es dabei, dass einerseits eine sehr hohe Sen-
sitivität für Konflikt- und Spannungssituationen besteht, andererseits aber nur eine geringe
Stressempfindlichkeit. Die Umstellung auf neue Situationen ist für diese Patienten erschwert
und löst häufig dysfunktionale (weil extreme) Verhaltensmuster aus. So versuchen sie zwar
pseudokompetent für sich eine Lösung zu entwickeln, indem sie sich in eine Aufgabe impul-
siv hineinstürzen oder aber die erste beste Lösung als »einzig richtige« Wahl sehen. Im näch-
sten Moment werden dann aber wiederum verschiedene Sichtweisen und Wahlmöglichkeiten
ohne sinnvolle Prioritätensetzung und situationsangemessene Abwägung parallel verfolgt und
so keine Aufgabe wirklich abgeschlossen, da sie den eigenen subjektiven Ansprüchen an
»innere Stimmigkeit« noch nicht entspricht. Erst in buchstäblich letzter Sekunde werden
dann Entscheidungen tatsächlich getroffen und ausgeführt.
ursachen
Typisch für die Berichte von Erwachsenen mit ADHS ist aber auch, dass sie lange Zeit über
Kompensationsstrategien, wie Perfektionismus, häufigen Arbeitsplatzwechsel oder aber unter-
stützende Partner scheinbar unauffällig zu Recht kommen. Vielfach gelten sie an ihrem
Arbeitsplatz aufgrund hohen Einsatzwillens und kreativer Lösungsideen als sehr kompetent,
fallen aber durch nicht abgeschlossene Projekte oder inkonstante Arbeitsleistungen gerade bei
Routineanforderungen auf.
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Komorbiditäten
I m Gegensatz zu früheren Vorstellungen, dass sich die ADHS-Problematik mit der Puber-
tät »auswachsen« würde, geht man heute davon aus, dass bei 60-70% der Betroffenen
auch im Erwachsenalter relevante Einschränkungen der Lebensqualität und insbesondere
der Alltagsorganisation fortbestehen. Weiter wissen wir heute, dass ein Symptomwandel mit
Abnahme der auffälligen (weil störenden)Hyperaktivität und Impulsivität in der Pubertät
erfolgen kann, dagegen Probleme der Selbstorganisation und begleitende affektive Probleme,
zumeist erst bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen symptomatisch werden können. Es ist
wahrscheinlich, dass sich allenfalls 10-15% der Betroffenen der Diagnose oder möglicher
Zusammenhänge dieser Problematik bewusst sind. Selbst in Fällen, bei denen in der Kindheit
wegen Hyperaktivität oder komplexen Entwicklungs- und Wahrnehmungsstörungen bereits
eine Behandlung eingeleitet wurde, ist nur selten eine gezielte Behandlung bis nach der
Pubertät fortgesetzt worden. Dies gilt besonders für Mädchen bzw. Frauen, deren Sympto-
matik noch viel seltener in der Kindheit oder im Jugendlichenalter im Hinblick auf eine
mögliche ADHS-Veranlagung untersucht wird.
begleiterscheinungen
Komorbiditäten
komorbidität Häufig ist bei Vorliegen einer ADHS-Veranlagung ein »atypisches« buntes Beschwerdemuster
mit einem raschen Wechsel von Symptomen der Depression, Ängsten oder Zwangssymp-
tomen, Suchtproblemen und exzessiven Verhaltensmustern, einschließlich Essstörungen oder
Impulskontrollstörungen zu finden. Die Abgrenzung zu Persönlichkeitsstörungen, besonders
zur emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung, zu narzisstischen, dependenten und infanti-
len Störungen ist aufgrund überlappender diagnostischer Kriterien schwierig. Nicht selten
liegt eine Komorbidität vor, d.h. mehrere seelische Erkrankungen bestehen nebeneinander.
ADHS beeinflusst nachhaltig die Partnerschaft, was u.a. zu einer deutlich erhöh-
ten Scheidungsrate beiträgt. Sexuelle Probleme sind häufig und können zu Beziehungs-
störungen führen. Dabei kann einerseits eine verstärkte Appetenz mit hypersexualisiertem
Verhalten bestehen und zu Paarproblemen führen, andererseits kann die Sexualität wegen der
bestehenden Aufmerksamkeitsprobleme durch Erektions- oder Orgasmusstörungen negativ
beeinflusst werden.
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verhalten
Diagnostisches Vorgehen
A llgemein gilt, dass ADHS weniger als isolierte Fehlfunktion oder Defizit objektiviert
werden kann, sondern als ein Störungskontinuum einer dynamischen Anpassungs-
problematik für scheinbar einfache Alltagsaufgaben und Routineanforderungen.
Nicht eine einzelne messbare Funktion ist also primär gestört, sondern vielmehr deren
Regulation und Handlungsausführung im Alltag und deren soziale Integration. Die hohe the-
rapeutische Bedeutung einer validen Diagnosestellung schafft verständlicherweise im klini-
schen Alltag das berechtigte Bedürfnis, die Diagnostik der ADHS zu »objektivieren«. Leider
existiert aber – ähnlich wie für die meisten anderen psychischen Störungen – kein Testver-
fahren für den objektiven Beweis einer ADHS. Es handelt sich vielmehr um eine klinische
Diagnose, die anhand der typischen Lebensgeschichte mit Beginn in der frühen Kindheit
anhand von Eigen- und Fremdanamnese sowie einer Verhaltensbeobachtung im klinischen
Alltag gestellt wird.
Bei jedem Patienten findet deshalb eine eingehende psychiatrische und psycho-
logische Aufnahmeuntersuchung statt. Hier wird eine biographische Anamnese mit sozialer
Entwicklung erhoben, sowie nach Stärken (Ressourcen) und besonderen Belastungsfaktoren
gefragt. Selbstverständlich müssen fremdanamnestische Informationen (z.B. Eltern, Partner)
und Vorberichte mit in diese Befragung einbezogen werden, wobei wir ausdrücklich Lebens-
partner zu diagnostischen und therapeutischen Gesprächen in den Behandlungsprozess inte-
grieren.
■ welche aktuelle Symptomatik Anlass für die Behandlung ist und in welchen verschiedenen
Lebensbereichen Probleme bestehen
■ welche Stärken und Ressourcen bestehen und bisher geholfen, die für die Behandlung
möglicherweise genutzt und ausgebaut werden könnten
verhalten
Verhalten
■ wie die Entwicklung der Problematik über die Jahre verlaufen ist. Hierbei interessiert uns,
ob fortlaufend in verschiedenen Lebensbereichen relevante Auffälligkeiten bestanden
haben und welche Ausgleichsmöglichkeiten möglicherweise unbewusst als Reaktion auf die
Grundproblematik eine Rolle gespielt haben (z.B. rigide Leistungserfüllung in der Schule,
Perfektionismus, frühzeitiger Abbruch von Ausbildungen, häufiger Arbeitsplatzwechsel,
Überspielen der eigenen Notlage)
■ wie die Berufsanamnese aussieht, da sich bei ADHS-Patienten oft erhebliche Probleme in
der Ausbildung ergeben, was aber ein Studium nicht ausschließt. Vielfach fallen jedoch
wiederholte Arbeitsplatzwechsel oder erhebliche interaktionelle Probleme mit Vorgesetzten
und Kollegen auf. Kennzeichnend für die Schilderung des Berufsweges vieler ADHS-
Patienten ist, dass sie ihr volles Leistungspotential nicht nutzen konnten. Gerade
Aufgaben, die mehr Mitarbeiterverantwortung und Organisation beinhalten, führen
häufig zu Problemen, nicht selten auch zur Kündigung.
■ nach zusätzlichen psychischen Problemen und Erkrankungen, die häufig erst auf Nach-
frage berichtet werden. Hierzu gehören neben depressiven Symptomen und Ängsten,
soziale Schwierigkeiten, Störungen der Impulskontrolle, Zwänge, Aggressivität und
insbesondere Probleme im Umgang mit wichtigen Bezugspersonen (Interaktions-
problematik). Häufig finden sich Patienten mit zusätzlicher Persönlichkeitsstörung
(z.B. emotional-instabile Persönlichkeit). Aber auch der Verlauf anderer psychiatrischer
Erkrankungen (z.B. manisch-depressive Erkrankungen, Psychosen) kann durch das
Vorliegen einer ADHS-Veranlagung negativ beeinflusst sein.
■ nach einer Medikamenten- und Drogenanamnese, die einerseits Hinweise auf häufig
vorkommende ungewöhnliche (»paradoxe«) Medikamentenwirkungen ergibt. Andererseits
setzen jugendliche ADHS-Patienten oft Drogen als ungeeignete Selbstmedikation zur
Stimulation und / oder Beruhigung des Gehirns ein.
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Typische Beschwerdeschilderungen von ADHS-Patienten sind u.a. :
■ Intoleranz von Langeweile, häufig auch als »Müdigkeit« oder scheinbare gedankliche
Abwesenheit oder Minderbegabung gedeutet
■ Entweder sechs oder mehr Symptome der Aufmerksamkeitsstörung (für über sechs Monate
fortbestehend, störend und nicht dem Entwicklungsstand entsprechend) oder sechs oder
mehr Symptome der Hyperaktivität und Impulsivität (für mindestens sechs Monate fortbe-
stehend, störend und nicht dem Entwicklungsstand entsprechend)
■ Klare Hinweise auf Beeinträchtigung im sozialen Bereich, in der Schule oder im Rahmen
der beruflichen Tätigkeit
Kriterien
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Testpsychologische Untersuchungsverfahren
V ielfach haben Patienten selbst bereits über Symptomlisten aus Büchern oder dem
Internet selbst eine Verdachtsdiagnose auf ein ADHS-Syndrom gestellt. Dabei sollte
jedoch berücksichtigt werden, dass diese Fragebögen zwar relativ spezifisch typische
Merkmale der ADHS abbilden können, jedoch weder beweisend noch ausschließend sind.
Besonders problematisch ist dabei, dass aufgrund der in den diagnostischen Kriterien gefor-
derten lebenslangen Beeinträchtigung gerade aus der eigenen Kindheit und Jugend Infor-
mationen benötigt werden, jedoch nur selten wirklich gute Erinnerungen an diese Zeit beste-
hen. Hier können Screeninginstrumente, wie der ASRS-Fragebogen (ADHS-Selbstein-
schätzungsbogen für Erwachsene der WHO) eine erste Orientierung bieten, müssen aber
unbedingt durch weitere Fremdbeurteilungsskalen, Fremdanamnesen oder aber Zeugnisse/
Gutachten aus der Kindheit gestützt werden.
Neuropsychologische Testverfahren
W ie zuvor dargelegt, handelt es sich bei ADHS primär um eine Folge von Funktions-
störungen im Bereich der höheren Handlungsfunktionen (sog. Exekutivfunk-
tionen). Man sollte daher davon ausgehen können, dass es möglich sein muss,
diese Störungen in neuropsychologischen Testverfahren abbilden zu können. Leider ist dem
nicht so. Zwar geht man bezüglich der Pathogenese der ADHS derzeit von einer komplexen
Dysfunktion der Neurotransmitter im Bereich bestimmter Hirnabschnitte aus, welche eine
inadäquate Reizverarbeitung und Handlungskoordination bedingen. Hierzu besteht offenbar
eine besondere biologische Veranlagung und Reaktionsbereitschaft. Bei der klinischen
Ausprägung der ADHS (Störungsbild-Phänotyp) stehen aber primär eine defizitäre und über-
schießende Anpassungsdynamik und nicht ein zeitstabiles Funktionsdefizit wie bei organisch
bedingten Hirnerkrankungen im Vordergrund. Die Bedeutung der Neuropsychologie liegt
also weniger in der Objektivierung von ADHS-Symptomen als vielmehr in einer Leistungs-
diagnostik (z.B. Intelligenztestung) und Ausschluss von Teilleistungs- und Wahrnehmungs-
störungen (z.B. Dyslexie, Dyskalkulie oder auditiven und visuellen Wahrnehmungs-
störungen). ■
Verhaltensbeobachtung / Fremdbeurteilungen
D er stationäre Aufenthalt bietet uns die Möglichkeit den klinischen Verdacht auf
ADHS durch eine Verhaltensbeobachtung in verschiedenen Bereichen zu über-
prüfen. Hierzu bietet sich unsere ADHS-Gruppentherapie an, die den Erfahrungs-
austausch über typische ADHS-Symptome und Einschränkungen im Alltag oder Auswir-
kungen auf das Selbstwertgefühl beleuchtet und damit die eigene Auseinandersetzung mit der
Thematik im Sinne einer verbesserten Selbstreflektion fördert.
Zudem bieten wir Paar- und Familiengespräche an, um einerseits eine weitere Fremdbeur-
teilung zu erhalten, andererseits aber auch syndromtypische Konfliktbereiche im häuslichen
Umfeld gezielt ansprechen zu können und Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln. ■
verhalten
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ziele
Wie auch im Kindes- und Jugendalter erfordert die komplexe Problematik der
ADHS und begleitender Störungen eine störungsspezifische Therapie, die individuell ausge-
richtete Begleitung und Hilfestellung zur eigenständigen Bewältigung der Problemsituationen
bietet. Dieser multimodal vernetzte Behandlungsansatz aus Medikation, Informationsver-
mittlung, Psychotherapie, Hilfe zur Selbsthilfe und Sozialberatung schließt auch die weitere
häusliche ärztliche und psychotherapeutische Betreuung oder Anbindung an Selbsthilfe-
gruppen vorausschauend ein. Wichtig erscheint uns dabei, dass der Patient eine aktive Rolle
am Therapieprozess einnimmt, klare Zielsetzungen und Strukturvorgaben bestehen und er/sie
transparent an allen Therapieschritten und geplanten Maßnahmen beteiligt ist.
Integratives Therapiekonzept
Spezifischer Pharmakotherapie
Psychotherapieprozess Stimulantien / Atomoxetin
für ADHS und
komorbide Störungen
ziele
ziele
Als wesentliche Grundlage für eine Veränderung hat sich in den bisherigen Erfahrungen der
Aufbau eines zunächst therapeutisch geführten Unterstützungssystems erwiesen. Die
Neuerfahrung von gegenseitigem Verständnis und Unterstützung (statt Rechtfertigung und
Erklärungsversuchen) ist für viele Betroffene eine grundlegend neue Erfahrung. Statt unsy-
stematischer – nicht durchführbarer – »guter Ratschläge« geht es zu Beginn der Behandlung
um die gemeinsame Erarbeitung eines Behandlungsplanes, der vorhersehbare und kontinu-
ierlich aufeinander abgestimmte Behandlungsoptionen verknüpft.
Für viele Betroffene ist dann die Neueinstellung oder Therapieüberprüfung
einer medikamentösen Behandlung ein weiterer Grundbestandteil der stationären Therapie.
Hierbei geht es nicht allein um die Auswahl und Dosierung einer Medikation, sondern um
eine bestmögliche Anpassung an die situativen Anforderungen im Alltag, einschließlich der
Förderung einer ausreichenden Medikamentencompliance.
Die Medikation ist für viele Betroffene überhaupt erst die Grundlage an einer gruppen-
orientierten Psychotherapie für ADHS und komorbide Störungen teilzunehmen. ■
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behandlung
Psychotherapie
A DHS-Patienten haben häufig ein sehr geringes Selbstwertgefühl und haben es nicht
(oder nicht mehr) geschafft, ihr Leben allein in den Griff zu bekommen. Erwartun-
gen, die an sie gestellt wurden, konnten sie häufig trotz größter Anstrengungen nicht
erfüllen. Dies gilt auch im Hinblick auf vielfältige gute Ratschläge zur Verbesserung der
Situation oder frustrierende Therapievorerfahrungen. Daher ist eine von gegenseitiger Wert-
schätzung und Akzeptanz gekennzeichnete Atmosphäre in der Klinik gerade für diese Patien-
tengruppe die Grundvoraussetzung dafür, den Mut aufzubringen, über Gefühle, Ent-
täuschungen, traumatisierende Erlebnisse und Kränkungen zu sprechen und eine realistische
Zukunftsperspektive mit einem möglichst konkreten Handlungsplan für schrittweise
Veränderungen zu entwickeln.
therapie
Behandlung
Im Rahmen einer stationären Therapie wird thematisch eine Begrenzung auf einige wenige
Problemfelder erfolgen. Diese Themen werden zu Beginn gemeinsam in einem Therapieplan
definiert. Erfahrungsgemäß fällt es gerade ADHS-Patienten schwer, eine solche Fokussierung
auf einen definierten Behandlungsauftrag anzunehmen und sich nicht im therapeutischen
Angebot einer Klinik mit immer neuen Themengebieten im Sinne eines Abschweifens zu
beschäftigen.
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ADHS-Gruppe
fertigkeitstraining
Behandlung
Pharmakotherapie
In der Klinik ist bei entsprechender Indikation auch eine Ersteinstellung auf ein
Psychostimulans (Methylphenidat oder Amphetamin) möglich oder aber auch eine Um-
stellung der Medikation (auf ein modernes länger wirkendes Psychostimulans (z.B. Medikinet
retard, Concerta, Ritalin LA). Nach ausführlicher Aufklärung über Möglichkeiten, Grenzen
und Nebenwirkungen der Medikation erfolgt dann eine schrittweise Aufdosierung nach der
Titrationsmethode unter fortlaufender Selbst- und Fremdbeurteilung des Therapieeffektes.
Die Ermittlung der individuellen Dosierung unter Berücksichtigung der Wirkdauer und
etwaiger Rebound-Effekte (Wiederauftreten von Unruhe oder aggressivem Verhalten bei
nachlassender Wirkung) erfolgen in enger Abstimmung mit unseren Patienten, um eine best-
mögliche Adaptation an Alltagsanforderungen und soziale Integration zu ermöglichen.
Wegen der vielfältigen Komorbidität mit anderen Erkrankungen kann auch eine
Kombinationsbehandlung mit weiteren Medikamenten (z.B. Antidepressiva) notwendig
werden. Dies richtet sich auch danach, welche klinische Symptomatik (z.B. ADHS oder
Depressionen) klinisch führend ist. Vor allem neuere Antidepressiva (z.B. Mirtazapin) oder
Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) lassen sich gut mit Stimulanzien kombinieren.
■
therapien
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Kreativtherapie (Kunsttherapie)
D a sich Kreativität als eine wichtige Ressource bei vielen ADHS-Patienten erweist,
spielt die Kreativtherapie, bei uns im Besonderen die Kunsttherapie zum Wieder-
entdecken von Fähigkeiten und dem nonverbalen Ausdruck von Gefühlen eine
große Rolle. Über dieses Therapiemedium kann begleitend zum Gesprächspsychotherapie-
prozess eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit erzielt werden.
B ewegung und sportliche Therapieangebote eignen sich besonders für ADHSler; ein-
erseits zur körperlichen Betätigung, da sich dadurch die Stressbelastung reduzieren
lässt, andererseits können in der Gruppe soziale Neuerfahrungen vermittelt werden.
Entspannungsverfahren (Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung) haben sich
bisher bei den meisten ADHS-Patienten als nicht zielführend erwiesen. Hier erweisen sich
übungs- und handlungsorientierte Maßnahmen zur Reduktion eines erhöhten Stressniveaus
als hilfreicher. Bei positiven Vorerfahrungen unterstützen wir jedoch das Wiedererlernen/
Auffrischen entsprechender Entspannungsverfahren.
Sozialberatung / Berufsförderung
B ereits während des stationären Aufenthaltes nehmen wir mit den für die Nachsorge
zuständigen Ärzten, Psychologen und ggf. weiteren an der Nachsorge beteiligten
Berufsgruppen am Heimatort, sozialen Leistungserbringern und Sozialleistungs-
trägern Kontakt auf und stellen die kontinuierliche Weiterbehandlung und den Informations-
transfer sicher. Dies bezieht sich sowohl auf die etwaige Fortführung einer medikamentösen
Behandlung, wie auch auf psychotherapeutische Hilfsangebote oder eine berufliche Um-
orientierung bzw. entsprechenden Fördermaßnahmen. Idealerweise kann dabei eine
Zusammenarbeit mit bereits bestehenden regionalen Kompetenznetzwerken und -zentren
benutzt werden.
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Ansprechpartner
Tel. 05821.960-0
Rufen Sie uns gern an, wenn Sie ein persönliches Gespräch wünschen.
KLINIKlüneburgerheide
Kompetenz Zentrum Für Essstörungen
am klaubusch 21
29549 bad bevensen
tel. 05821. 960 -0
fax 05821. 960 -180
info@klinik-lueneburger-heide.de
www.klinik-lueneburger-heide.de