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Pfeffersäcke und Astronomen:

Der bayrische Beitrag zur Entdeckung der Welt


Horst H. Liebner

Nein, grosse Seefahrer und Entdecker waren sie nicht, die Bayern. Sicher fehlte der Zugang zu Küste und
Meer, eigene Seehäfen, Schiffe, eine seemännische Tradition – doch gebrach es den Meisten auch an
Anlass und Anreiz, sich den Mühsalen und Gefahren einer, wie es einer der wenigen ‚oberdeutschen‘
Seereisenden des beginnenden 16. Jahrhunderts überschrieb, „Merfart un erfarung nüwer Schiffung […]
zu viln onerkanten Inseln und Königreichen“ auszusetzen [Abb. Titelseite Springer 1509 – Verweis auf
ausgestelltes Original]. Man wusste in Bayern allemal um bessere Auskommen: „Es gibt keinerlei Mittel,
diese Deutschen aus dem Landesinneren zu bewegen, zur See zu fahren, denn sie wissen, dass alle
Reichsstädte sie umwerben und ihnen Privilegien erteilen“, resümierte 1519 ein ernüchterter Rapport aus
Augsburg zur Suche nach dringend benötigten –und hoch besoldeten!– Kanonieren für die portugiesische
Indienflotte. Und doch hatten auch bayrisches Wissen und Kapital ihren Anteil am europäischen Griff
nach den Reichtümern ‚Indiens‘, der exotischen Herkunft der Spezereien, feinen Tuche und Edelsteine,
die auf den abendländischen Märkten jener Zeit so hohe Preise erzielten.

Vergessen und Verloren


Indien – für die Europäer der frühen Neuzeit all die fernen Lande jenseits der Meere, sei es im Westen
oder Osten. Man hätte es besser wissen können: Der Antike waren die Wunder des tatsächlichen,
asiatischen Indiens spätestens seit den Feldzügen Alexander des Grossens gut vertraut, und seine
Produkte, zu allererst Pfeffer, Zimt, Duftstoffe, Perlen und Seide, erreichten das Rom der Zeitenwende via
einer wohlbekannten Seeroute zwischen Rotem Meer, Ostafrika und Indiens Westküste. Mit dem Zerfall
des römischen Reiches jedoch erlosch das Wissen um den Weg in den Osten, und der vergessene
überseeische Ursprung manch, in den Worten eines Ulmer Kaufherrn des frühen 16. Jahrhunderts, „fremd
und seltsam lustig ding“ wurde nun Objekt oft wilder Spekulation.

Schon der antike Handel mit Indien stand vor einem grundsätzlichen Dilemma: Man hatte Asien nicht viel
zu bieten für die Gewürze, Aromatika und Textilien, die in keinem besseren Haushalte des römischen
Reiches fehlten. So notiert der ‚Periplus der Erythraeischen See‘, ein hellenistisches Kompendium zur
Kauffahrtei im Indischen Ozean des ersten Jahrhunderts, Münzgeld, aus Kupfer, Silber und Gold, als
wichtigsten Export des römischen Ägyptens, und wusste Plinius zu beklagen, dass „kein Jahr vergeht in
dem Indien nicht an 50 Millionen Sesterzen dem Reiche entzieht“ – im Falle des Pfeffers gar für ein
Gewürz, bei dem „nur seine Bitterkeit gefällt, und zwar deshalb, weil es aus Indien kommt“. Zu Roms
Blütezeit war das Handelsdefizit mit Asien so enorm, dass seine Kaiser strikte Dekrete gegen die Ausfuhr
von Geldstücken und Edelmetallen erliessen oder das Tragen von Seide zu unterbinden suchten; und
wenn auch mit der Teilung des römischen Reiches der Grossteil der asiatischen Handelswaren nach
Konstantinopel ging, so konnten die Westgoten noch im Jahre 408 dreitausend (!) Pfund indischen
Pfeffers als Lösegeld für die Aufhebung ihrer Belagerung Roms verlangen.

Byzanz, der Erbe Ostroms, unterhielt noch einige Zeit einen stattlichen Handel in asiatischen Produkten
(und pflegte, ab dem sechsten Jahrhundert, gar eine auf aus Mittelasien eingeführten Raupen basierende
Seidenproduktion!); mit dem Verlust Armeniens, der Levante und Ägyptens an das aufstrebende arabisch-
islamische Kalifat des siebten Jahrhunderts aber war auch hier die direkteste Verbindung nach Indien und
seinen Schätzen abgeriegelt [sh. gute Karte mit den verschiedenen Ortsnamen, hier und weiter unten].
Erst durch die knapp vierhundert Jahre später beginnenden Kreuzzüge hörte man im Westen wieder von
Asien und den feinen Baumwollstoffen und Gewürzen ‚Indiens‘ – und begannen die Schiffe der
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italienischen Küstenstädte, mit denen die Kreuzfahrer nach Palästina gelangten, diese und andere
Raritäten nach Europa zu verfrachten. Bis zu Vasco da Gamas Indienfahrt hielten vor allem Genua,
Venedig und Ancona ein faktisches Monopol über die asiatischen Produkte, die via Alexandria, der
Levante und dem Schwarzen Meer nach Europa gelangten. Bevor sie auf italienische Schiffe geladen
wurden, waren gerade die Gewürze und feinen Baumwollstoffe ‚Indiens‘ durch viele Hände gegangen,
und ihr Preis hatte sich gegenüber den ursprünglichen Einkaufkosten um ein Vielfaches erhöht;
zusammen mit der italienischen Preispolitik wurden solch exotische Importe nun zu einem Privileg der in
teuren indischen Kaliko gekleideten ‚Gutbetuchten‘.

Kupfer und Pfeffer


Doch, wo waren unsere Bayern in diesen Jahrhunderten? Unter den tausenden von Wagemutigen, die
den zur Zeit des Mongolischen Friedens im 13. und 14. Jahrhundert offenen Weg in den Osten wagten,
mag es diesen ober jenen ‚Oberteutschen‘ gegeben haben; allein, wenngleich sich um 1400 auch
süddeutsche Kaufleute auf italienischen Schiffen und in den Handelsposten der Levante und dem
Schwarzen Meer nachweisen lassen, wissen wir von keinen Aufzeichnungen eines bayrischen Marco Polo
oder Nicolo Conti, und gibt es auch keine klaren Spuren süddeutscher Missionare, die wie Odoric de
Pordenone oder John von Montecorvino das katholische Kreuz nach Indien und China trugen. In Italien
hingegen eröffneten Fortschritte in Buchhaltung und Finanzierung –das moderne Banken- und Zinssystem
und die ‚doppelte Buchführung‘ sind italienische Erfindungen dieser Zeit!– neue Geschäftsmodelle und
Märkte, die, nun europaweit, Gewerbe und Handel intensivierten; und hier, mit dem beginnenden 15.
Jahrhundert, finden wir die ersten ernstlichen bayerischen Versuche sich einen Anteil an dem so
profitablen Geschäft in ‚indischen‘ Waren zu sichern.

Der wirtschaftliche Aufschwung der frühen Renaissance hatte auch in Bayern zu einer beträchtlichen
Ausweitung von Güteraustausch und Produktion und einer zunehmende Konzentration von Kapital
geführt, und manch risikofreudiger und erfolgreicher Kaufmann oder Tuchweber aus Augsburg,
Memmingen, Nürnberg oder Ulm begann, seine Geschäfte auf andere Zweige auszudehnen. Neben der
Abwicklung reinen Warenverkehrs –seien es der Verkauf der Woll- und Leinentuche aus eigener
Herstellung oder Ankauf und Vertrieb der Produkte Flanderns oder der Importe Italiens– setzten die
erfolgreichsten dieser Handelshäuser, die Ehinger, Fugger, Hochstätter, Imhofs, Vöhlins oder Welser,
schnell auf eine Kombination von Kreditgeschäften und Bergwerken: Gegen ausreichende Summen baren
Geldes boten etliche der Landesherren, die Konzessionen zum Abbau von Silber, Gold und Kupfer zu
vergeben hatten, gern ihre Stollen zu profitabler Pacht. Da die meisten europäischen Erzeugnisse im
Osten noch immer keinen Markt finden konnten, waren die Edelmetalle Tirols, Thüringens und Böhmens,
die zu ihrer Zeit ertragreichsten Bergbaugebiete der Alten Welt, die vorteilhaftesten Tauschmittel für
Importe aus Asien – und so war es nur noch ein kurzer Schritt, diese in Venedig oder Genua auf den Markt
zu bringen.

Ein Vorreiter solcher Geschäfte war das Memminger Haus Vöhlin, jene Kaufherren, in deren Wappen oft
der Satz „Piper Peperit Pecuniam“, ‚Pfeffer brachte das Gold‘, gesehen wird [Abb. Vöhliner Wappen]. Seit
der Mitte des 15. Jahrhunderts betrieb das Unternehmen einen regen Handel mit Tiroler Silber, dass man
in Venedig gegen Gewürze tauschte, die wiederum über ein weites Netz von Niederlassungen in ganz
Europa vermarktet wurden. Ab 1490 fusionierte Vöhlin mit den Augsburger Welsern, zu denen man
schon seit Jahren Heiratsbande geknüpft hatte; die so entstandene Kapitalkraft machten das
Unternehmen zu einem der wichtigsten Zwischenhändler im Geschäft mit den asiatischen Importen der
Italiener.

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Ironischerweise war es eine Auseinandersetzung zwischen Tirol und Venedig, die dem Geschäftsmodell
‚Kredit gegen Edelmetall‘ zum tatsächlichen Durchbruch verhalf: 1488 vermittelte –und vergütete!– das
Augsburger Handelshaus der Fugger Venedigs Verzicht auf eine direkte Ausbeute der Primörer Minen
südlich von Bozen, und liess sich die aufgewendeten Summen durch die Abtretung der landesfürstlichen
Rechte an den produktivsten Silberbergwerken begleichen. Dem Habsburgerspross Sigismund, dem
berichtetermassen leichtlebigen Erzherzog Tirols, waren solche Geschäfte nur billig, und noch im selben
Jahre einigte man sich darauf, sämtliche verfügbaren Rechte auf die Erzgewinnung der ertragreichen
Schwazer Minen gegen eine monatliche Leibrente von 10.000.- Reichsgulden einzuhandeln. Der Fürst
erhielt so, in heutigem Goldpreis gerechnet, pro Monat knapp eine Millionen Euro, in damaliger Kaufkraft
gar das dreifache dieser Summe; die Fugger aber sicherten sich nicht nur Zugriff auf 4/5 der europäischen
Silberproduktion, sondern auch auf das mit dem Silber geförderte Kupfer. Zusammen mit der Ausbeute
der Bergwerke des slowakischen Erzgebirges, in die das Fuggersche Unternehmen 1495 einstiegen,
erreichte man so eine beherrschende Position auf Europas Kupfermarkt, und etablierte sich somit als
attraktivster Geschäftspartner Venedigs.

Diese für die bayrischen Handelshäuser so günstigen Konstellationen währten nicht lang: Krieg zwischen
Venedig und dem Osmanischen Reich 1499–1503 brachte den Handel der Lagunenstadt zum Stillstand.
Schon zur Mitte des 15. Jahrhunderts hatte die Humpis-Gesellschaft, ein Zusammenschluss der
Handelshäuser am Bodensee und Oberschwabens, sich in Genua, Venedigs schärfster Konkurrentin,
gefestigt, und dorthin zog es nun auch die bayrischen Kaufleute und Bankherren. Im Gegensatz zu
Venedig, wo Seehandel das Monopol venezianer Schiffe war, erlaubte Genua private Seefahrt; und so
deutet ein Brief aus dem Jahre 1501 auf bayrische Vorbereitungen zur Ausrüstung einer eigenen Flotte für
den unterbrochenen Levantehandel. Die Fugger, namentlich genannt als Hauptgesellschafter eines
Konsortiums vier bayrischer Handelshäuser, hätten gar schon 500 Zentner Kupfer im Hafen Genuas
bereitgestellt, heisst es da – doch, es sollte anders kommen.

Ein Seeweg nach Indien


Europas Verbindungen in den Nahen Osten waren prekär: Der Untergang der Kreuzfahrerstaaten im 13.
Jahrhundert, die Auflösung des Mongolenreiches und das Vordringen der Osmanen in den folgenden
hundert Jahren, die Kriegszüge Timurs durch Kleinasien und die Levante um das Jahr 1400, das Ende
Byzanz‘ und der Fall Konstantinopels, 1453 – all diese Ereignisse hatten, meist negative, Konsequenzen für
den italienischen Handel, und machten einen von der islamischen Welt unabhängiger Seeweg zu den
Schätzen Asiens zu einem immer wichtigeren Anliegen Europas. Das mit der Renaissance
wiedergefundene geographische Wissen der griechisch-römischen Klassik schien zwei Möglichkeiten zu
offerieren: Einen Kurs nach Westen, um eine, wie seit der Antike vermutete runde Welt; oder, nach
Süden, eine Umschiffung Afrikas.

Allein, beide Alternativen, die westliche als auch die südliche, warfen Probleme auf. Weit verbreitet war
die Annahme, dass die Antipoden, die ‚andere‘, südliche Seite des Erdballes, durch die dort erwarteten
überaus hohen Temperaturen und ausgedehnte Wüsten entlang des Äquators nicht zugänglich sein
könnten – die Europa bekannte Sahara erschien hier das beste Beispiel. Zudem schienen die nun wieder
weitgelesenen Werken des hellenistischen Kosmographen Ptolemäus‘ einen von Land umschlossenen
Indischen Ozean zu postulierten, eine Annahme, die einen Weg um Afrika unmöglich machen würde.
Doch, wenn auch die auf den ptolemäischen Traditionen beruhenden Berechnungen einem um ein Drittel
geringeren Erdumfang ergaben, waren weder Schiffe noch Seeleute des beginnenden 15. Jahrhunderts
tauglich oder willig zu ausgedehnten Fahrten auf offener See. Und so gab es auch andere Stimmen: In

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den wiederentdeckten Schriften der Antike fanden sich ebenfalls Meldungen der phönizischen und
karthagischen Fahrten nach Afrika, und gar Herodots und Plinius‘ Berichte zu mutmasslichen
Umsegelungen des Schwarzen Kontinents.

Das geographische Wissen Europas griff nicht nur auf klassische Quellen zurück – auf der um 1450 im
Auftrage Venedigs und Portugals erstellten Weltkarte Frau Mauros, dem ersten ‚modernen‘ Atlas [Abb.
Mauros Weltkarte], findet sich auch der Verweis auf eine ‚indische‘ çoncho, wahrscheinlich eine
Umschreibung für den malaiischen Schiffstyp jong, die um das Jahr 1420 „für 40 Tage in eine südwestliche
Richtung“ von „Kap Diab“, der Südspitze Madagaskars segelte; und auch wenn man dort nur offenes Meer
fand, so untermauerten solche Nachrichten doch die Hoffnung auf einen durch eine Fahrt um Afrika
zugänglichen Indischen Ozean. Noch um 1508 wusste der portugiesische Seefahrer und Gelehrte Duarte
Pacheco Pereira zu den Diskussionen dieser Tage, dass

[e]inige sagten, es sei besser sich nicht mit der Entdeckung der Seeküsten zu mühen, sondern den Ozean
zu queren bis man ein Land in oder nahe Indiens erreichte; andere meinten, dass es besser sei die Küsten
bedachtsam zu entdecken und die Routen und Landmarken und Bewohner der einzelnen Regionen zu
erforschen, um so ein gewisses Wissen zu den gesuchten Ländern zu haben.

Die Entdeckung eines Seeweges nach Asien, sei es nach Westen oder nach Süden, schien damit eher eine
Frage des Willens und Wagemutes denn ein geographisches oder nautisches Problem.

Der früheste Bericht zu einem solchen Versuch scheint die Nachricht zu einer gut ausgerüsteten
genuesischen Entdeckungsreise, die 1291 in den Atlantik aufbrach und dort verscholl. Im Laufe des
folgenden Jahrhunderts fanden Expeditionen genuesischer, mallorquinischer und portugiesischer
Seefahrer die seit dem Ende der Antike vergessenen Azoren und Kanaren, und tasteten sich längs der
afrikanischen Küste nach Süden. Zu Beginn suchte man nicht unbedingt einen Weg nach Indien: Für
gerade die portugiesischen Seeleute, die unter der Protektion Prinz Heinrichs ‚des Seefahrers‘ seit dem
Beginn des 15. Jahrhunderts die führende Rolle in der Exploration der Westküste Afrikas übernahmen,
waren die Suche nach Gold, Sklaven, Geiseln und Rache für 400 Jahre muslimische Herrschaft über die
Iberische Halbinsel weitaus wichtigere Motive. Ein entscheidender Durchbruch gelang im Jahre 1434 mit
der Umschiffung Kap Bojadors, das den Kanarischen Inseln vorgelagerte ‚Kap ohne Wiederkehr‘ an der
Küste Marokkos, aufgrund häufiger Nebel, Strömungen und hohen Seeganges als das mögliche Ende der
bewohnbaren Welt gefürchtet. Die folgenden Jahrzehnten sahen immer weiter nach Süden ausgreifende
Reisen portugiesischer Schiffe und, oft finanziert von genuesischem Kapital, die Gründung von
Handelsniederlassungen und Forts entlang der westafrikanischen Küste und im Golf von Guinea.

Gil Eannes, der Bezwinger Kap Bojadors, segelte noch in einem umgebauten Fischerboot; zur Mitte des
15. Jahrhunderts aber nutzte man die ungleich grösseren und seetüchtigeren barcas (‚Barken‘) und
Karavellen. Solche Schiffe erlaubten einen immer umfangreicheren Handel in afrikanischen Produkten,
und der sogenannte Senegalpfeffer, ein mit dem ‚echten‘ Pfeffer verwandtes Gewürz Westafrikas, der auf
den Azoren und Madeira angebauten Zucker und, vielleicht das wichtigste, das Gold Ghanas wurden
bedeutende Momente der portugiesischen Wirtschaft. Lissabon, seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts
eine wichtige Zwischenstation an der Seeroute zwischen dem Mittelmeer und dem nördlichen Europa,
etablierte sich nun als ein bedeutender Exporthafen – und wurde damit Ziel auch oberdeutscher
Investitionen: Wohl auf den Spuren schwäbischer Handelshäuser, hören wir so schon im Jahre 1485 von
Geschäften der Fugger am Tejo.

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Der bayrische Beitrag?


Die immer weiter reichenden Seereisen des 15. Jahrhunderts forderten nicht nur seetüchtigere Schiffe
und mehr Kapital, sondern auch Innovationen in Kartographie und Navigation; und hier finden wir einen
wichtigen Anteil Bayerns an der europäischen ‚Entdeckung Indiens‘, die feinen Kompasse, astronomischen
Instrumente und Uhren, für die gerade Nürnberg bis weit in das folgende Jahrhundert berühmt war.
Doch, solche, zu ihrer Zeit hochtechnologische Geräte allein reichten nicht – man benötigte auch die
mathematischen und astronomischen Verfahren, die die Berechnung von Kursen und Positionen oder die
Erstellung tauglicher Seekarten erst möglich machten. Auch auf diesen Gebieten zählten oberdeutsche
Gelehrte schon früh zu den führenden Köpfen Europas: So erstellte Nürnbergs Stadtapotheker Cunradus
Berckmeister um 1400 eines der ersten praktisch benutzbaren Sternenverzeichnisse in deutscher Sprache
[Abbildung? Ausstellungsstück?], und verfassten der ‚Orloymeister‘ Heybach und der Stadtarzt Johannes
Schintel um 1430 eine Abhandlung zur Zeitbestimmung mit den dort produzierten ‚Säulchenuhren‘
[Abbildung? Ausstellungsstück?]. Mit Hilfe der von ihm weiter vervollständigten Sternentabellen
Berckmeisters und verbesserten chronologischen Methoden kalkulierte Schintel nun auch kommende
Sonnen- und Mondfinsternisse, und entwickelte Methoden zur Bestimmung der geographischen Breite –
so errechnete er, als einer der Ersten, die genaue Lage Nürnbergs.

Einer der auf diesen Gebieten einflussreichsten Gelehrten seiner Zeit war der nach seiner fränkischen
Geburtsstadt Königsberg ‚Regiomontanus‘ genannte Johannes Müller. Schon in Alter von elf Jahren
schrieb er sich an der Universität zu Leipzig ein, und begann, unter anderem und zunächst zur Erstellung
von Horoskopen, mit der Entwicklung astronomischer Berechnungen; mit 15 Jahren ging er zur
Universität von Wien, wo er sich mit dem österreichischen Astronomen und Mathematiker Georg von
Peuerbach, dem wohl wichtigsten Wegbereiter der Entwicklung des ‚modernen‘ heliozentrischen
Weltbildes [Abb. mittelalterlicher Weltbilddarstellungen – geo- vs heliozentrisch?], anfreundete. Um
1460 begannen sie mit einer Übersetzung und Bearbeitung des ‚Almagest‘ des Ptolemäus, einem der
Hauptwerke der klassischen Astronomie, und entwickelten neue Methoden und Instrumente zur Zeit- und
Datumsbestimmung – so auch die ersten ‚Klappsonnenuhren‘, die bald ein Verkaufsschlager der
fränkischen Instrumentenbauer werden sollten. Nach Peuerbachs unerwartetem Tode im Jahre 1461
setzte Regiomontanus diese Arbeiten fort.

Ein grundlegendes Problem der Astronomie dieser Zeit war die Präzision der zu Gestirnsbeobachtungen
zur Verfügung stehenden Geräte – und so zog es Regiomontanus 1471 nach Nürnberg, wo er zusammen
mit dem astronomisch interessierten Faktor der Memminger Vöhlin-Gesellschaft, Bernhardt Walther, eine
mit speziell angefertigten Instrumenten ausgerüstete Sternwarte gründete. Es folgten die Einrichtung der
ersten akademischen Druckerei Deutschlands, des Nürnberger Offizin, und, dort, die posthume
Veröffentlichung der Werke Peuerbachs. Die für unser Thema wohl wichtigste Publikation dieser Jahre
aber waren Regiomontanus‘ ,Ephemeriden‘, vorberechnete Tabellen der Bewegungen der wichtigsten
Himmelskörper und astronomischen Ereignisse, deren Zweckmäßigkeit sie zu einem wichtigen Hilfsmittel
der Seefahrt machte: Auch Christopher Kolumbus, Amerigo Vespucci oder Magellan benutzten Exemplare
dieser Listen zu Positionsbestimmung und Navigation. [Abb. Kolumbus‘ handschriftlich angemerkter
Ephemeriden?]

1476 verstarb auch Regiomontanus auf einer Reise nach Rom; Walther und, einige Jahre später, der
Karlstädter Johannes Schöner aber setzten sein Werk fort, nun auch mit einem Schwerpunkt zur
Zeitbestimmung. So benutzte Walther als erster eine auf Regiomontanus‘ Überlegungen basierende
verbesserte Version der mechanischen ‚Räderruhr‘, eine Neuerung, die 1510 zu Peter Henleins Erfindung
des ‚Nürnberger Eies‘, der ersten praktikablen Taschenuhr, führen sollte, und erstellte Kalkuli zum

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jährlichen Verlauf der Tageszeiten, eine Grundlage zur Konstruktion genauer Sonnenuhren. Andere
Oberdeutsche, so der Ingolstädter Johannes Stabius oder die Nürnberger Johannes Werner und Georg
Hartmann, beschäftigten sich mit trigonometrischen Verfahren, der Verbesserung astronomischer,
optischer und geographischer Instrumente und der Entwicklung flächentreuer Karten. Viele der von
ihnen erreichten Innovationen wurden von den Nürnberger Feinhandwerkern gerne aufgegriffen, und
gerade die mit einem integrierten Kompass und Berechnungstabellen versehenen ‚Reisesonnenuhr‘
[Abbildung? Ausstellungstück?] wurde ein bei Seefahrern ihrer Tage populäres Instrument.

Die neuen Erkenntnisse dieser Zeit verlangten nach neuen Erklärungen, wenn nicht einem neuen
Weltbild. Noch tat man sich schwer: So berichtet Hartmann Schedel in seiner 1493 in Nürnberg
herausgegebenen ‚Weltchronik‘ zwar von den portugiesischen Entdeckungen in Afrika, gründet aber seine
Darlegungen auf die mittelalterlichen ‚Weltalter‘ und die Kosmologie eines streng katholischen
Verständnisses. Peuerbach, Regiomontanus und ihre Schüler hatten die Prinzipien
naturwissenschaftlicher Beobachtung und Beweisführung eingeführt – es sollte jedoch noch eines halben
Jahrhunderts und der Verbreitung reformatorischer Ideen bedürfen, bis, von Schöner mit initiiert und an
der Nürnberger Druckerei des Johannes Petreius verlegt, Kopernikus‘ Werk über die aus ihren
Überlegungen abgeleiteten „Umschwünge der himmlischen Kreise“, die Grundlage des neuzeitlichen
heliozentrischen Weltbildes, in Druck erschien.

Eine bayrische Weltkugel


Die wohl schillerndste bayrische Figur dieser Tage aber war Martin Behaim [Abbildung: Behaim in
Ritterrüstung], unsterblich geworden durch den nach ihm benannten und 1492 gefertigten ‚Erdapfel‘, der
ältesten noch erhaltenen Darstellung einer kugelförmigen Erde. Geboren um 1460 als Sohn einer
Nürnberger Kaufmannsfamilie, wurde Behaim mit 16 Jahren bei einem Tuchhändler im flandrischen
Mechelen in Lehre gegeben, und wir finden ihn in den folgenden Jahren auf Messen in Frankfurt oder
Bergen; 1479 scheint er seine Ausbildung bei einem in Antwerpen, dem wichtigsten nordeuropäischen
Hafen des 15 Jahrhunderts, ansässigen Nürnberger Färbermeister fortgesetzt zu haben. 1483 war er
zurück in Franken, von wo er zunächst nach Bergen, und dann, via Antwerpen, mit dort entliehenem
Gelde und einer Handvoll Handelswaren nach Portugal aufbrach.

Behaim erreichte Lissabon wohl im Juni 1484. Einige Jahre später machte er geltend, er sei noch im
selben Jahre als Kapitän eines der Schiffe der Expedition Diogo Cãos in den Süden Afrikas gesegelt; unklar
aber bleibt, wie sich seine Angabe, im Februar 1485 zum Ritter am portugiesischen Königshofe geschlagen
worden zu sein, mit der Teilnahme an einer, seinen Darstellungen folgend, erst nach mehr als einem Jahr
zurückkehrenden Reise vereinbaren lassen. Mehr noch – soweit bekannt, verliess Cão Lissabon erst 1485,
und decken sich weder die bekannten Hinterlassenschaften noch Aufzeichnungen zu dieser, seiner
zweiten und letzten Fahrt, mit den auf Behaims Globus gefundenen Anmerkungen. Es scheint weitaus
wahrscheinlicher, dass Behaim an der entweder 1484 oder 1485 aufbrechenden Handelsreise João Afonso
de Aveiros nach Guinea und Benin teilnahm, und Informationen zu dieser und anderen Reisen auf seiner
Weltkugel verarbeitete.

Nach seiner Rückkehr heiratete Behaim die Tochter des Lehnsherren der Azoreninseln Fayal und Pico,
dem Flamen Josse von Huerter, und verbrachte dort wohl einen Grossteil seiner Tage. Es ist anzunehmen,
dass er auf Fahrten zwischen den Azoren und Lissabon seemännisches Wissen sammelte, und auch von
den auf den Atlantikinseln umlaufenden Erzählungen über Inseln und Land im fernen Westen hörte.
Durch seinen Schwiegervater am portugiesischen Hofe eingeführt, scheint Behaim sich auch eines
flüchtigen Zuganges zu Berichten und Karten der lusitanischen Seefahrer seiner Zeit erfreut zu haben; und
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es mag sein, dass er, wie sein Bruder ein Jahrzehnt später, auch einige der wohlbekannten nautischen und
astronomischen Instrumente und Veröffentlichungen seiner Heimatstadt nach Lissabon brachte. Allein,
angesichts der diversen Ungereimtheiten und Fehler auf seinem, während eines Aufenthaltes 1490-93 in
Nürnberg zur Klärung einiger Familienangelegenheiten entstandenen ‚Erdapfels‘ war er aber weder, wie
so oft behauptet, ein gelehriger Schüler Regiomontanus‘, noch Mitglied der 1484 oder 1485 vom
portugiesischen König eingerichteten ‚mathematischen Junta‘, die neue Methoden zur
Positionsbestimmung südlich des Äquators erarbeiten sollte.

Behaims Globus zeigt einen nach Süden offenen afrikanischen Kontinent, ein eindeutiger Bruch mit der
ptolemäischen Ansicht eines von Land umschlossenen Indischen Ozeans, die sich noch ein Jahr später auf
der von dem Nürnberger Arzt und Geographen Hieronymus Münzer für die Schedelsche Chronik
entworfenen Weltkarte wiederfindet. Wenngleich oft mit anderen Anmerkungen versehen, gleichen
Behaims Darstellung Afrikas und Asiens der auf einer 1489 von Heinrich Hammer ‚Martellus‘, eines im
italienischen Florenz arbeitenden Franken, für den portugiesischen König Dom João II angefertigten Karte.
Letztere enthält auch die vermutlich ersten kartographischen Notizen zur Entdeckungsfahrt Bartolomeu
Dias‘, der, Diogo Cãos Spuren folgend, nur ein Jahr zuvor das südliche Ende Afrikas erreicht und umsegelt
hatte. Es ist anzunehmen, dass auch Behaim Kenntnis von der im Dezember 1488 zurückkehrenden Fahrt
des Bartolomeu Dias hatte – allein, sein Globus als auch Martellus‘ Karte aber zeigen Afrikas Südspitze am
45. südlichen Breitengrade, statt, wie von Dias berichtet, in 31½o.

Überraschenderweise treffen wir diese Angabe, „45o südlich des Äquators“, auch in einer kurzen Note des
Bruders Christoph Kolumbus‘, Bartolomeo, der, bis Anfang 1489 am portugiesischen Hofe als Kartograph
angestellt, dort auch an Dias‘ Präsentation der Ergebnisse seiner Expedition teilgenommen hatte. Es steht
zu vermuten, das die Brüder Kolumbus hier mit Absicht das so lang gesuchte ‚Kap der Guten Hoffnung‘
um mehr als 1.000 Seemeilen nach Süden zu verschieben hofften: Eine von ihnen nun der spanischen
Krone vorgeschlagene Indienfahrt auf einem westlichen Kurs würde damit die deutlich kürzere Wahl.
Sicher ist, dass Bartolomeo Kolumbus sich 1489 in Italien aufhielt und dort aus portugiesischen Inventaren
kopierte Karten verkaufte; und es ist nicht auszuschliessen, dass Martellus als auch Behaim um diese
brandneuen Informationen wussten.

Behaim zumindest wusste auch um die Ideen der Brüder Kolumbus: 1485, und nochmals 1488, hatten sie,
vergeblich, ihre Pläne in Portugal vorgestellt, zusammen mit detaillierten Karten und Berechnungen.
Deren wichtigste war die Annahme des Florentiner Mathematikers und Kosmographen Paolo Toscanelli,
dass das durch Marco Polo bekannte Japan nur etwas mehr als 2.000 Seemeilen, also nur einige wenige
Wochen Seefahrt, von den Kanarischen Inseln entfernt sei – und dieser Abstand findet sich auch auf
Behaims Erdapfel und Martellus‘ Weltkarte. Andere Aufzeichnungen auf dem Globus als auch eine kurze
von Schedel veröffentlichte Chronologie erwecken gar den Eindruck, Behaim selbst hätte auf seiner
Entdeckungsreise die Südspitze Afrikas umrundet; und es war wohl sein so gewonnener Ruhm, der
Hieronymus Münzer überzeugte, in einem im Juli 1493 verfassten Brief an den portugiesischen König João
II. zu ersuchen, eine Expedition auszurüsten, die „in wenigen Tagen“ Asien von den Azoren aus erreichen
würde, und zu der Dom João „sich eines von unsrem König Maximilian abgesandten Landsmannes, Herrn
Martin Behaim, versichern solle“ – dieser würde, „mit Kühnheit die See überqueren, mit der Zylinderuhr,
dem Quadranten, Astrolabium und anderen Instrumenten“ aus Münzer so wohlbekannter Nürnberger
Fertigung. Nein, man wusste in Oberdeutschland wohl noch nicht, dass Kolumbus, unter spanischer
Flagge segelnd, gut vier Monate vorher erfolgreich von seiner ersten Fahrt in das ‚westliche Indien‘
zurückgekehrt war. Auch Behaim reiste in diesem Jahre zurück nach Portugal; und dort verlieren wir
seine Spuren bis zu seinem Tode, 1507, im Hospiz der deutschen Söldner in Portugal.

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Indien
Der erste Bericht zu Kolumbus‘ Entdeckung eines Landes im Westen des Atlantiks mag Bayern durch eine
von Eucharius Silber, einem in Italien ansässigen Würzburger Drucker, schon sechs Wochen nach der
Rückkehr der Expedition veröffentlichte Flugschrift erreicht haben. Die Behauptung, nun einen direkten
Weg nach ‚Indien‘ gefunden zu haben, verursachte zunächst nicht viel Aufsehen: Die erhaltenen
Aufzeichnungen der Zeitzeugen erzählen eher von politischem Tagesgeschehen und lokalem Klatsch denn
des Genuesen und anderer Entdecker Taten. Die oberdeutschen Gelehrten aber folgten, unzweifelhaft,
dem akademischen Diskurs um die sich nun dramatisch erweiternde Welt – so veröffentlichte der
Nürnberger Verleger Georg Stuchs nicht nur verschiedenste Reiseberichte, sondern 1508 auch eine
deutsche Ausgabe der gerade in Italien erschienen, wohl wichtigsten zeitgenössischen Anthologie um alle
„Newe unbekanthe landte“, oder zeigen von Johannes Schöner herausgegebene Karten und Globen, mit
als erste, das atlantische Land nicht als ein westliches ‚Indien‘‚ sondern als einen eigenen Kontinent, seit
Amerigo Vespuccis bahnbrechender Flugschrift Mundus Novus nun ‚Amerika‘ genannt.

Indien oder nicht, Kolumbus‘ Reise warf auch eine andere Frage auf: Welchem der beiden jetzt
rivalisierenden iberischen Reiche, Spanien oder Portugal, sollte die Herrschaft über diese und andere zu
entdeckende Länder zugesprochen werden? Bereits 1479 hatte man eine erste Übereinkunft
geschlossen, die den Streit um Atlantikinseln und Afrikahandel lösen sollte; Spanien hatte sich der Rechte
auf Kanaren versichern lassen, dafür aber auf Fahrten in den Süden Afrikas verzichtet. Zwar hatte
Portugal mit Bartolomeu Dias‘ Umrundung des Kaps der Guten Hoffnung das Tor zum Indischen Ozean
aufgestossen – angesichts der Entdeckungen im Westen des Atlantiks forderten die ambitionierten
Katalanen nun aber Rechte auf alle Seewege nach Asien. Papst Alexander VI., ein ausgesprochen
weltlicher Sohn der Valentinischen Familie der Borgia, erfreute sich guter Beziehungen zu Spanien, und
liess sich eine Reihe päpstlicher Bullen, die den meisten portugiesischen Ansprüchen einen Riegel
vorschieben sollten, abschwatzen; Portugal aber disputierte mit der Macht seiner Flotten und den
Spaniern nicht bewussten geographischen Argumenten; und so einigte man sich 1494, zunächst, auf die
„370 leguas [ca. 1.000 nautische Meilen] westlich der Kapverdischen Inseln“ von Nord nach Süd laufenden
‚Tordesillas-Linie‘, die die bekannte und unbekannte Welt in einen westlichen, spanischen Teil, und einen
portugiesischen Osten halbierte. Wo im fernen Westen oder Osten diese Linie ihr Gegenstück finden
würde (oder, wie sie mit den bisherigen Bullen des Papstes zu vereinbaren sei) sollte noch zu vielen
Jahren Streites führen – und auch auf dem Rücken bayrischer Handelshäuser ausgetragen werden.

Eine Reihe dynastischer Verstrickungen, und, zuletzt, der Tod Dom Joãos 1495 hatten die portugiesischen
Bemühungen, Dias‘ Entdeckung auszunutzen und einen Weg um Afrika zu finden, zunächst unterbrochen;
die nächste, 1496 nun von Joãos Nachfolger Dom Manuel I. ausgerüstete lusitanische Expedition aber
meisterte den Weg um das Kap der Guten Hoffnung in das tatsächliche Indien. Vasco da Gama’s
berühmte, fast dreijährige Fahrt warf noch keinen Erlös ab: Das Auftreten der Portugiesen in den
südindischen Gewürzhäfen war einfach zu kläglich, um eine ausreichende Ladung Pfeffer erhandeln zu
können. Die erfolgreiche Rückkehr Gamas Flotte aber machte Portugal quasi über Nacht zum potentiell
schärfsten Konkurrenten des italienischen Levantehandels. Auch die in 1500 folgende Flotte von dreizehn
Schiffen unter Álvarez Cabral war für die portugiesische Krone kein finanzieller Erfolg – nur fünf Schiffe
kehrten nach weiteren Streitigkeiten in Indien und einigen Akten purer Piraterie zurück. Diesmal aber war
auch ein durch ein florentinisches Konsortium ausgerüsteter Segler dabei; und zusammen mit privaten
portugiesischen Kapitalgebern investierten die Italiener noch vor Cabrals Rückkehr in eine weitere Flotte
von vier Schiffen, die einen ersten kleinen Gewinn abwerfen sollte.

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Horst Liebner – Pfeffersäcke und Astronomen

Das tatsächliche Potential der Indienfahrten erwies sich durch da Gamas zweite Reise, 1502-03 – doch
waren es weniger lauterer Handel, sondern, erneut, Gewalt, Plünderung und brutalste Piraterie, die die
Laderäume seiner Flotte gefüllt hatten. Portugal sah sich nun vor einem doppelten Dilemma: Die
Ausrüstung der immer grösseren und, aufgrund des rücksichtslosen Auftretens der Lusitaner, immer
schwerer zu bewaffnenden Schiffe verlangte nach immer höheren Investitionen; andererseits fanden die
meisten der europäischen Produkte, mit denen man Spezereien und Textilien einzutauschen erhofft
hatte, kaum Absatz: Wie schon in römischer Zeit waren es zuallererst Gold, Silber und Kupfer, die man in
Indien zum Tausche gegen Gewürz und Tuch erwartete. Kapital und Edelmetalle aber waren die Domäne
der oberdeutschen Banken und Handelshäuser.

Der portugiesische Hof und seine italienischen Geschäftspartner hatten den bisherigen Flotten wohl auch
kleinere Chargen Kupfer und Silbers mitgegeben: So hatten die Fugger, scheints, schon um 1485 Kontakte
nach Lissabon geknüpft, und haben nachweislich zumindest in den Jahren 1500 und 1503 vorteilhafte
Verträge zum Verkauf ihrer Edelmetalle abgeschlossen. Nach der zweiten Reise da Gamas war es
unverkennbar, dass ohne Silber und Kupfer der Erfolg weiterer Fahrten nicht verbürgt werden konnte; die
lusitanische Krone offerierte daher attraktive Verträge für den Tausch solcher Metalle gegen Gewürze
und Anteilen an Handelsreisen, die nun auch Konkurrenten der Fugger nach Lissabon brachten. 1503
etablierte sich also auch die Vöhlin-Welser Gesellschaft am Tejo, und ihre Faktoren Simon Seitz und Lucas
Rem ersuchten um eine direkte Beteiligung der Oberdeutschen an einer im folgenden Jahre
auszurüstenden Flotte. Als die Augsburger jedoch mit Waren und Kontanten im Wert von 20.000 Dukaten
sowie zwei jungen Handelsgesellen, die, mit Empfehlungsschreiben des deutschen Kaisers versehen, auf
den portugiesischen Schiffen hätten reisen sollen, in Lissabon erschienen, wurde ihr Ersuchen
abgeschlagen: Von da Gamas Erfolgen ermutigt, verweigerte Dom Manuel diesmal ausländische
Beteiligung. Allein, im September des Jahres kehrten nur zwei der neun im Vorjahre nach Indien
aufgebrochenen Schiffe zurück, und nun war bayrisches Edelmetall und Kapital gefragter denn je.

Die oberdeutsche Indienfahrt


Nach dem Auf und Ab der vergangenen Jahre hatte Dom Manuel I. jetzt weitreichende Pläne: 16 der
insgesamt 26 Schiffe einer nun auszurüstenden Flotte sollten in Asien stationiert werden, um dort, unter
dem Kommando Francisco de Almeidas, des ersten Vizekönigs Indiens, die Seehoheit zu erstreiten. Um
die enormen Kosten dieses bislang grössten portugiesischen Schiffsverbandes aufzubringen, wurden jetzt,
ausdrücklich, private Investitionen zugestanden – und so kamen zu den 20.000 Dukaten der Welser noch
16.000 cruzados, eine portugiesische Goldmünze von einem ein Viertel höherem Werte, der Augsburger
und Nürnberger Handelshäuser der Fugger, Höchstetter, Imhoffs, Gossenprotts und Hirschvogels, sowie
weitere 30.000 cruzados eines italienischen Konsortiums. Die Geldgeber verpflichteten sich, Schiffe sowie
Heuer und Verköstigung ihrer obligatorisch portugiesischen Crews bereitzustellen, die seitens der
portugiesischen Unterhändler den Indern offerierten Einkaufspreise für Pfeffer nicht zu unterbieten,
sowie 30% der von ihnen erstanden Gewürzladungen an die Krone auszuhändigen.

Wohl in der Hoffnung, dass stattliche Ladungen auch stattliche Gewinne generieren würden, entschieden
sich unsere Investoren, die grössten Fahrzeuge des Geschwaders auszurüsteten. Eines der Schiffe, die San
Jeronimo, charterten sie vermutlich gar in Antwerpen, ein anderes, die Leonarda, scheint von dort einen
Teil der bayrischen Handelsgüter verschifft zu haben. Neben einem Kapital von 80.000 cruzados –um 10
Millionen Euro in heutigem Goldpreis!– in Münzgeld luden allein die 21 Schiffe des ersten Geschwaders
der Flotte als wichtigstes Handelsgut ca. 200 Tonnen Kupfer (weitere 1.5 Millionen Euro in heutigen
Preisen, und damals mehr als das Vierfache dieser Summe), sowie um 10 Tonnen Blei und 50 Zentner

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Horst Liebner – Pfeffersäcke und Astronomen

Quecksilber, alles Produkte der deutschen Montanindustrie. Dazu kamen kostbare Gefässe und Spiegel
aus italienischem Glass, vlämische und iberische Stoffe und eine Vielzahl anderer Waren, darunter auch
Hunderte von Kupferglöckchen, ein in Afrika und Indien gern gesehenes Manufakt aus, zuallererst,
Nürnberg. Der Venezianer Ca Masser, ein italienischer ‚Spion‘ in Lissabon, berichtete in die Lagunenstadt,
dass die Gesamtinvestition in die Flotte rund 250.000 cruzados betrug, nach heutigem Goldwert ca. 35
Millionen Euro, in der damaligen Kaufkraft mehr als das Dreifache dieser Summe.

Mit auf die im März 1505 beginnende Reise ging, als Vertreter der oberdeutschen Geldgeber, auch der
Tiroler Balthasar Sprenger; ein weiterer in den Dokumenten erwähnter Deutscher, Hans Mayr, fuhr als
Registrar der portugiesischen Krone auf dem dritten ‚deutschen‘ Schiff Rafael. Beide hinterliessen uns
Beschreibungen ihrer Erlebnisse –Sprengers Report wurde 1509, in Deutsch und versehen mit
Holzschnitten des bekannten Augsburger Zeichners Hans Burgkmair d.Ä., gedruckt, Mayrs bedeutend
detailreicher Bericht findet sich in einer Handschriftensammlung des bekannten Augsburger Humanisten
Conrad Peutinger. Und, ja, beide bebildern die schiere Rohheit des portugiesischen Vorgehens: Schon auf
der Hinreise attackierte man den ostafrikanischen Handelsplatz Kilwa, stürmte und plünderte die Stadt
Mombasa, erpresste Tribut in Barawa und Zanzibar; nur einen Monat nach ihrer Ankunft in Indien
brandschatzten die Portugiesen den Pfefferhafen Honnavar, und zwangen auch das benachbarte Bhatkal
zu Tributabgaben. Die wohl folgenreichste Untat erwähnt Sprenger gar nicht: Durch einen gedankenlosen
Überfall auf einheimische Schiffe vor und in ihrem Hafen provoziert, metzelten die Bewohner des
südindischen Quilons die lusitanische Besatzung des dortigen Handelspostens nieder; die unausweichliche
Antwort, ein stundenlanger Beschuss der Stadt durch eine portugiesische Flottille, sollte die bislang guten
Beziehungen zu diesem wichtigen Stapelplatz für Pfeffer und Zimt auf Jahre hinaus trüben.

Die grossen Handelsschiffe wurden in dem mit den Portugiesen verbündeten Cochin schnellstens beladen,
und San Jeronimo und Rafael waren schon im Mai 1506 wieder zurück in Lissabon; die Leonarda und
Sprenger, durch Gegenwinde am Kap der Guten Hoffnung zurückgeworfen, sollte erst im November
ankommen. Die Pfefferladung allein der ersten vier am Tejo eintreffenden Schiffe wurde auf mehr als 800
Tonnen geschätzt, und auch nach Abzug der Anteile der portugiesischen Krone hätten die auf der Fahrt
erworbenen Gewürze für das bayrisch-italienische Syndikat so einen Gewinn von mindestens 200%
erbringen können. Doch, nur drei Monate vor der Abfahrt hatte Dom Manuel eine neue Regel eingeführt:
Alle aus Indien eingeführten Gewürze sollten direkt über das staatliche Auktionshaus verkauft werden,
welches dann die Investoren auszahlen würde – und trotz entschiedener Proteste nicht nur der
oberdeutschen Geldgeber wurde diese Bestimmung jetzt angewandt, zuallererst wohl, um einen
Preisverfall durch ein Überangebot an Pfeffer zu verhindern. Und damit finden wir noch aus dem Jahr
1509 Akten zu Verhandlungen der Welser über ihnen vorenthaltenen Pfeffer, den die Portugiesen nun
teils in Zucker aus Madeira vergüten wollten. Nichtdestotrotz errechnete Lucas Rem, der Vertreter der
Welser in Lissabon, dass nach „on mas enxtig mie, uberflisig arbait, gross widerwertikait […] di nutzong
dieser armazion [‚Ausrüstung einer Handelsreise‘] bey 150 pro Cento“ gelegen hätte, und prahlte man in
Augsburg gar mit einem Reingewinn von 175%.

Kaiser, Kredite, Kaneel und Nelken


Auf viele Jahrzehnte hinaus sollte die Unternehmung von 1505/6 die erste und einzige portugiesische
Indienfahrt sein, an der sich bayrische Handelshäuser direkt, mit Kapital, Schiffen und Personal,
beteiligten: Zu kapriziös und wetterwendisch waren die seitens der portugiesischen Krone auferlegten
Bedingungen. Zwar investierten die Welser nochmals einen bedeutend geringeren Betrag in die Flotte
unter da Cunha, die Lissabon im April 1506 verliess, doch sandten sie diesmal keinen Handelsvertreter –

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Horst Liebner – Pfeffersäcke und Astronomen

glücklicherweise, sollte man meinen: Zwei der drei ihre Einlagen tragenden Schiffe gingen schon auf der
Hinfahrt verloren, und wenn auch ein Grossteil der Ladung gerettet werden konnte, so musste der für die
Rückfahrt auf anderen Schiffen gecharterte Frachtraum mit einer Abgabe von 60% der Gewürzladungen
vergütet werden. In den kommenden Jahren begnügte man sich scheints mit dem Handel in Kupfer und
Getreide, dass man in Lissabon vorteilhaft genug gegen Spezereien und indische Textilien eintauschen
konnte. 1519 versuchten der Nürnberger Zweig der Welser und das Augsburger Haus der Rem nochmals
in grossem Stile in den Pfefferhandel einzusteigen, und unterzeichneten eine Lieferung von 6000 Zentner
Pfeffer; doch wieder dauerte es einige Jahre, bis die Portugiesen den Vertrag erfüllten, und so enthielten
sich die Oberdeutschen sich bis auf Weiteres grösserer Einsätze in dieses Hochrisikogeschäft.

Das Jahr 1519 sah aber auch den Beginn einer neuen Epoche: Im September verliessen fünf Schiffe unter
dem Portugiesen Fernão de Magellan den spanischen Hafen Sevilla gen Westen; drei Jahre später kehrte
eines der Fahrzeuge, die Victoria, nach dem Tode Magellan in den Philippinen nun unter dem Kommando
des Basken Juan Sebastián Elcano, mit einer in den indonesischen Molukken erstandenen Ladung
Gewürznelken zurück. Die Welt war, zum ersten Male, umrundet – und wenn auch nur eines der Schiffe
die Fahrt bestanden hatte, so waren laut Maximilian Transylvanus, dem Sekretär des spanischen Königs
und späteren deutschen Kaisers Karl V., die 30 Überlebenden der Weltumseglung

fürwahr würdiger eines ewigen Ruhmes denn die Argonauten, die mit Jason nach Kolchis gesegelt. Und
umso würdiger als die antike Argo sei nun ihr Schiff im Sternenfirmament verewigt; weil die erstere ist
nur von Hellas durch den Pontus gefahren, unseres aber von Hispanien in den Süden; und darauffolgend
durch den ganzen Westen und die südliche Hemisphäre, vordringend in den Osten, von wo es in den
Westen wiederkehrte.

Ja, die Reise war ein historischer Triumph, die Mondlandung der frühen Neuzeit – und die Ladung der
Victoria, auch durch oberdeutsches Kupfer erworben, beglich nicht nur die Ausrüstung der gesamten
Flotte, sondern warf gar einen kleinen Gewinn ab. Ein Schwager Transylvanus‘, der portugiesische
Geschäftsmann Cristoval de Haro, hatte ein Fünftel der Expedition finanziert (und sollte, wie schon die
bayrischen Geldgeber an Portugals Indienfahrten, noch Jahre auf seinen Anteil an dem bescheidenen
Gewinne warten); und gerade dieser de Haro scheint auch eine der Quellen zu sein für jene im Süden
Amerikas vermutete Seestrasse, die, wenngleich von den Schiffsgenossen fälschlich Martin Behaim
zugeschrieben, als erste sich auf Johanes Schöners Globus von 1515 [Abbildung] findet, und Magellan
erklärtermassen zu seiner wagemutigen Fahrt inspiriert hatte.

Und ja, wie Transylvanus wusste, „produziert der Portugiesen Indien einzig den Pfeffer“ – die ‚edleren
Gewürze‘, Muskat, Nelken und Zimt, kamen aus noch ferneren, exotischeren Ländern. Portugiesische
Schiffe hatten 1512 den Weg nach Banda, der kleinen Inselgruppe im Osten des heutigen Indonesiens die
als einzige dem Muskatbaum Boden bot, gefunden, und erste Verbindungen in die nördlichen Molukken,
die Herkunft der Gewürznelke, aufgebaut; doch noch reichten die Mittel der Lusitaner nicht zu mehr als
nur sporadischen Fahrten zu den Quellen dieser wertvollsten aller Spezereien. Mindanao gar, wo die
Spanier Rinde des Cassia-Baumes, das mit dem Zimt eng verwandte Kaneel, erstanden hatten, war von
ihren lusitanischen Konkurrenten noch nicht erreicht.

Magellan hatte argumentiert, dass die Molukken und Banda sich auf der spanischen Hälfte der seit dem
Vertrag von Tordesillas geteilten Weltkugel befänden, und diese Behauptung, nun unterstützt von dem
vorteilhaft kalkulierten Log der Reise, gab dem jungen Habsburger Karl V. Hoffnung auf ein Reich „über
dem die Sonne niemals untergeht“. Sicher brauchte es dazu auch der Geldmacht; und so hatte, ganz in
der Tradition seines hochverschuldeten Vaters, auch Karl 1519 seine Wahl zum deutschen König und
Kaiser von den Fuggern subventionieren lassen. Sicher hofften diese nun auf Rendite, und erwirkten sich

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Horst Liebner – Pfeffersäcke und Astronomen

und einer Handvoll weiterer Geldgeber das Recht, zu der nun anstehenden Fahrt zur spanischen
Erschliessung der Molukken Kapital, Schiffe und einen Handelsvertreter beizusteuern.

Den sieben Schiffe, die im Juli 1525 unter Garcia Jofre de Loaísa und, erneut, Elcano, in den fernen Pazifik
aufbrachen, war kein Erfolg vergönnt: Nur eines, die Santa Maria de la Victoria, erreichte zwei Jahre
später die Molukken, um dort in dem nun ausbrechenden Kleinkrieg gegen die Portugiesen, wortwörtlich,
zu zerbrechen; die Santa Maria del Parral, wahrscheinlich eines der von den privaten Investoren
ausgerüstete Fahrzeuge, war, nach langer Irrfahrt und Meuterei, von den Einwohnern der nördlich der
Molukken liegenden Sangir-Inseln gekapert und verbrannt worden; die anderen brachen ihre Fahrt
vorzeitig ab, verunglückten oder verschollen. Eine 1528 unerwartet in den Molukken eintreffende
Rettungsexpedition aus dem spanischen Amerika scheiterte kläglich an ihren Versuchen, den Pazifik nun
von Osten nach Westen zu queren; und nach dem Auf und Ab einiger Jahre eines intrigenreichen und oft
tragikomischen Streites einer Handvoll Europäer um die Vorherrschaft über die Gewürznelke, 10.000
Meilen von ihrer Heimat, ergaben sich schlussendlich die Spanier. Die letzten Überlebenden der
spanischen Expeditionen kehrten erst 1536 zurück – unter ihnen auch ein Aachener Kanonier, der schon
mit Magellan und Elcano gefahren war, und nun der erste zweifache Weltumsegler werden sollte. Loaísa
und Elcano verstarben auf der Reise; das Schicksal des Fuggerschen Handelsvertreters, eines gewissen
Hans Wändler, bleibt ungewiss. In Europa aber hatte Karl V. schon 1529 seine Ansprüche auf die
Molukken an Portugal verkauft.

Noch bevor die ersten Berichte über das Schicksal Loaísas und seiner Gefährten eintrafen, begann man in
Spanien mit der Ausrüstung einer weiteren Flotte, diesmal mit dem doppelten Ziele einer Kolonisation
Chiles und der, wie man vermutete, nicht weit davon entfernten Molukken und aller angrenzenden
Inseln. Der spanische Verzicht auf die Molukken und eine schwere Erkrankung des designierten
Kommandanten dieser Flotte, des Adligen Simon de Alcazaba, schien solche Pläne nun hinfällig zu
machen; der fuggersche Agent zu Madrid, Veit Hörl, aber erklärte sich bereit, unter Umständen die Flotte
und Alcazaba‘s Kolonisationsvertrag zu übernehmen. Wohl wissend um Karl V. Abhängigkeit von
bayrischem Gelde begehrte man jetzt nicht nur erbliche Rechte auf die in Chile zu gründende
Ansiedelung, sondern auch die Anwartschaft auf alle westlich Amerikas gelegenen Inseln und Länder, die
noch innerhalb der spanischen Demarkationen entdeckt werden würden; im Gegenzuge versicherte Hörl,
dass die Oberdeutschen eine Reihe von Flotten, Kolonisten und Soldaten bereitstellen würden, um die
iberischen Ansprüche im Pazifik zu vertreten. Langwierige Verhandlungen folgten, doch im Juni 1531
hatte man sich geeinigt, die Unternehmung mit dem kommenden Jahre zu beginnen – allein um diese Zeit
scheinen auch die ersten gesicherten Nachrichten zu Scheitern Loaísas Spanien erreicht zu haben, und
verstummen unsere Quellen um die weiteren Pläne der Fugger.

Die spanischen Gewürzgeschäfte fanden damit aber noch nicht ihr Ende. De Haro hatte, nach
jahrelangem Rechtstreit, nicht nur seine Investition in Magellan-Elcano’s Fahrt zurückerstattet
bekommen, sondern auch weitere 2.000 Dukaten, die er mit Loaísas Flotte verloren hatte, und einen nicht
unbeträchtlichen Zins auf seine Auslagen einfordern können. Ein Hauptargument seiner Klage war Karl V.
Verzicht auf die Molukken: Hatte man somit nicht allen Möglichkeiten eines profitablen Ausganges der
Bemühungen eine Riegel vorgeschoben? Und so lautete nun auch die Begründung der Klage, die der
neue Vertreter der Fugger, ein gewisser Jörg Stekitz, 1539 vorbrachte. In erster Instanz abgelehnt, ging
der Fall 1543 in Berufung – und ab enden die noch vorhandenen Akten.

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Horst Liebner – Pfeffersäcke und Astronomen

Sklaven, Gold und Konquistadoren


Auch andere oberdeutsche Handelshäuser hatten ihr Glück an Krediten für Karl V. und den spanischen
Molukkengeschäften versucht. Im Auftrage der Welser erstand so der Konstanzer Heinrich Ehinger einen
Grossteil der Nelkenladung der Victoria, und steuerte auch 2000 Dukaten zu Loaísas Fahrt bei; ja, man
hatte gar eine kleinere Einlage in den vollständig missratenen Versuch einer weiteren, weitgehend privat
finanzierten Weltumseglung unter spanische Flagge und dem italienischen Entdecker Sebastian Caboto
riskiert. Mit der Trumpfkarte des Kaisers Schulden fanden gerade die Welser aber schnell ein anderes
Geschäftsfeld: Schon seit Jahren hatten die Augsburger, mit eigenen und gecharterten Schiffen, einen
florierenden Handel zwischen Antwerpen und der iberischen Halbinsel betrieben – und nun hoffte man,
durch einen 1525 geschlossenen Vertrag mit der spanischen Krone getragen, diesen auf die
neugegründeten ‚westindischen‘ Niederlassungen auszudehnen.

Zunächst waren es europäischen Waren und Waffen, die in der Neuen Welt benötigt wurden: Noch galt
es, Siedlungen zu errichten und zu erhalten; noch waren Raub und Plünderung der Reichtümer der
Azteken, Maya oder Inka das Hauptgeschäft der spanischen Invasoren. Auch Handwerker und andere
Fachkräfte, insbesondere Bergmänner zur Auffindung und Erschliessung der erhofften Gold- und
Silbervorkommen, waren erwünscht. Das vielleicht wichtigste ‚Handelsgut‘ aber waren westafrikanische
Sklaven, die man vorzugsweise in der durch Mordbrand und eingeschleppte Krankheiten entvölkerten
Karibik als Arbeitskräfte einzusetzen hoffte. Es sind genau diese Punkte, die im Laufe des Jahres 1528
Gegenstand einer Reihe weiterer Verträge zwischen dem wieder die Welser vertretenden Heinrich
Ehinger und Karl V. wurden: Das deutsche Konsortium verpflichtete sich, 50 Bergleute und 4000
afrikanische Sklaven nach Amerika zu bringen; im Gegenzuge erhielt man weitreichende Handelsrechte.
Die zentrale Vereinbarung aber betraf einen bislang weitgehend unbekannten Landstrich im Norden des
südamerikanischen Festlandes – die Welser und Ehinger hatten sich das Recht auf die Gründung einer
Provinz in der Neuen Welt erwirkt. Und ja, man hatte grosse Pläne: Auf einer berichtetermassen in ihrem
Augsburger Kontor ausgestellten Karte dieser Zeit reichte das Welsersche Gebiet gar vom heutigen
Venezuela bis zur Küste des Pazifik und der Strasse des Magellan an der Südspitze Amerikas.

Schon im Oktober 1528 verliessen vier von den Oberdeutschen gecharterte Schiffe unter dem Befehl
Heinrich Ehingers Bruder Ambrosius Sevilla; nach einem kurzen Aufenthalt im haitianischen Santo
Domingo, einem der wichtigsten spanischen Stützpunkte in der Karibik, ging es im Februar des folgenden
Jahres mit drei Schiffen und knapp 300 meist iberischen Siedlern weiter zur der erst zwei Jahre zuvor
gegründeten Ansiedlung Santa Ana de Coro an der Nordküste des heutigen Venezuelas. Der spanische
Initiator dieser Niederlassung, Martin de Ampues, hatte sich bislang hauptsächlich mit dem Einschlagen
von Brasilholz, einer für Färbungszwecke benötigten Baumsorte‚ und dem Fang und Verkauf der
benachbarten Indianer beschäftigt, und die Übernahme seines kleinen Betriebes durch einen deutschen
Statthalter, nicht unbedingt in seinem Sinne, sollte noch einigen Streit nach sich ziehen. Für den Moment
jedoch setzten die Bayern sich dank der zahlenmässigen Überlegenheit ihrer Siedlertruppe durch, tauften
den Ort in ‚Klein-Augsburg‘ um, und begannen noch im selben Jahre mit der Exploration der
benachbarten Bucht von Maracaibo und der Gründung eines ‚Klein-Nürnbergs‘ an deren Einfahrt. Sie
übernahmen auch einen Teil der erfahrenen Holzfäller und Menschenfänger des Ampeus, und damit
dessen bislang nicht uneinträgliche Erwerbszweige – und so expedierte man schon Ende 1529 das erste
Hundert indianischer Sklaven nach Santo Domingo.

Ein vielversprechender Start, würde man meinen; den spanischen Behörden in der Neuen Welt aber
erschien es, als ob „mit jedem Trupp dieser Deutschen auch ein neuer, umso anmassender Führer
eintrifft“, ein Eindruck, der auch für viele folgende Jahre gelten sollte. Schon mit der zweiten Welserflotte

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Horst Liebner – Pfeffersäcke und Astronomen

kam so Streit um die Führung der meist spanischen ‚Siedler‘, und der deutsche Zweig der Ehinger zog sich
unter lautem Protest 1530 aus den westindischen Geschäften zurück. Die Welser aber rüsteten eine
weitere Flotte, nun unter der Leitung des Nürnbergers Hans Seissenhofer, der den vorgeblich verschollen
Ambrosius Ehinger in Coro ablösen oder zumindest vertreten sollte; letzterem jedoch, zu rechter Zeit aus
dem etliche mühselige Tagesreisen entfernten Klein-Nürnberg zurückgekehrt, gelang es, durch Intrige und
Drohung, seinen Gouverneursposten, nun als Angestellter der Augsburger, zu behaupten. Spanischen
Protesten über solche Unregelmäßigkeiten konnte erst durch ein durch eine Direktive Karl V., seine
„getreuen Diener“ auch als solche zu behandeln, ein Riegel vorgeschoben werden. Seissenhofer, der
designierte Statthalter der Welser, aber verstarb schon 1531 als ein einfacher Siedler in der Neuen Welt.

Ambrosius Ehinger schien nun freie Bahn zum eigentlichen Ziel der amerikanischen Bemühungen zu
sehen: Wichtiger als der Handel in Menschen und Farbholz war der Traum um das El Dorado, einer,
indianischen Fabeln folgend, unerschöpflichen Goldquelle irgendwo im Inlande. Im September 1531
brach er so mit einer Schar von fast 200 Abenteurern zu einem Zug in den Westen seiner Provinz auf. Ja,
nach der Überquerung des nordöstlichen Ausläufers der Anden ‚fand‘ man Gold – d.h., man ‚tauschte‘
unter Androhung von Waffengewalt die Schmuckstücke der Einwohner gegen Schellen und Glöckchen.
Der Versuch, die in den ersten vier Monaten den Indianern abgepressten 30.000 Peso in Gold, ca. 350.000
Euro in heutigem Silberpreis und mehr als das Dreifache in damaliger Kaufkraft, an die ferne Küste zu
schicken, aber scheiterte kläglich: In den menschenleeren Sümpfen entlang der Bucht von Maracaibo
gingen dem kleinen damit beauftragten Trupp schnell die Vorräte aus, und der letztendliche Entschluss,
den schweren Schatz zu vergraben und in kleinen Gruppen den Weg an die Küste zu finden, endete mit
dem Tode aller bis auf einen der Weggenossen. Ehinger jedoch, betört von immer neuen Berichten um
ein zum Greifen nahes El Dorado, zog noch ein gutes Jahr recht ziellos weiter, und fand sein Ende in einem
Gefecht mit den nun beständig feindseligeren Indianern in den östlichen Kordilleren der Anden.

Der vergrabene Schatz wurde nie wiedergefunden; Anfang November 1533 aber brachten, nach langem
mühseligem Marsch, die Überlebenden des Zuges Gold im Wert von weiteren 30.000 Pesos zurück. Wenn
auch kein überragender, so doch ein Erfolg – nach Abzug des Fünftel des spanischen Königs und den von
ihnen selbst bestimmten Anteilen der Teilnehmer blieben immerhin noch um 10.000 Goldpeso für die
Welser. Mit dem Tode Ehingers brachen erneut Zwistigkeiten um die Führung in der Kolonie aus, und der
Gouverneursposten fiel für einige Zeit in spanische Hand. Diesmal aber wollten die Welser ihre
amerikanischen Affären kategorischer regeln, und entsandten schon Ende 1534 eine gut gerüstete
Streitmacht von 600 Mann unter Georg Hohermuth von Speyer, einem der Manager des Welserschen
Stammhauses, dem Ulmer Nikolaus Federmann, einem Venezuela-Veteranen und zeitweiligen Vertreters
Ambrosius Ehingers, sowie Phillip von Hutten, einem Franken aus Königshofen, nach Klein-Augsburg.
[Abbildung Welserschiff] Wieder war El Dorado das Ziel; und nach ausgiebigen Vorbereitungen zog man
im Mai 1536 erneut durch Gebirge, Dschungel und Sumpf. Hohermuth und das Gros der Truppe
scheiterten kläglich, und von den fast 400 Mann seiner Truppe kehrten nach zwei Jahren voll Mühsal nur
160 mit etwa 8000 Peso in Gold und Silber an die venezuelische Küste zurück.

Unter Ehinger hatte Federmann schon 1530 einen Zug ins Landesinnere gewagt, seinerzeit auch auf der
Suche nach einem Zugang zum Pazifischen Ozean und einer damit möglichen Route nach dem
tatsächlichen Asien; während er diesen nicht fand, so hatte er doch genug gehört von einer Traumstadt
an einem See in den Anden, deren Fürst sich in Goldstaub kleiden solle. Mit dem Kommando einer
kleineren Hilfstruppe beauftragt, wusste er sich dem Hauptzug zu entziehen, und erreichte 1537 das
gesuchte Reich des Goldes, das Gebiet der Musica im kolumbianischen Hochland – allein, einige Monate
nach einer spanischen Expedition unter Jiménez de Quesada, der sich, durch Gewalt und Willkür, der

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Horst Liebner – Pfeffersäcke und Astronomen

meisten Reichtümer schon ermächtigt hatte. Zusammen mit Sebastián de Belalcázar, dem Führer einer
kurz darauf aus Peru eintreffenden Truppe, einigte man sich nun, die Entscheidung über die Rechte auf
die neueroberten Lande in die Hand der Autoritäten zu legen, und segelte 1539 nach Spanien; Karl V. aber
gab das Gebiet an Belalcázar. Die Welser und Federmann führten noch einen monatelangen Rechtsstreit
um die mitgebrachten Reichtümer, der 1541 in einem Vergleich endete: Federmann durfte sein Gold
behalten, und trat dafür alle Ansprüche auf die von ihm entdeckten Gebiete ab. Des Protestantismus
verdächtigt, starb er im folgenden Jahr in einem Gefängnis der spanischen Inquisition. 64 der
Überlebenden seines Zuges, darunter auch einige der in Deutschland angeworbenen Bergleute, aber
blieben in den neu eroberten Gebieten.

Die Berichte über Quesadas und Federmanns Erfolge entflammten erneut das Goldfieber, und Hohermuth
rüstete zu einer weiteren Expedition. Mit seinem Tode im Juni 1540 fiel das Kommando nun an Philip von
Hutten; auch der Welsersohn Bartholomäus zog als Führer der Vorhut mit. Doch auch nach dreijähriger
Odyssee fand sich nicht mehr als Gerüchte: Das immer noch gesuchte El Dorado lag allzeit nur jenseits der
schon erreichten Gebiete, und so entschloss man sich zu Rückkehr und Auffrischung in Klein-Augsburg.
Dort aber hatten die Welser nach dem Tode ihres Statthalters Heinrich Rembold die Führung in
spanischen Hand gleiten lassen – und als die Überlebenden der Expedition nach monatelangen Marsch
1546 wieder in der Provinz anlangten, fielen sie in einem Hinterhalt der neuen Befehlshaber. Die
Welsersche Herrschaft war damit de facto beendet; und auch ein jahrelanger Rechtsstreit gegen die
Behörden endete nutzlos mit Karl V. Abdankung des spanischen Thrones im Jahre 1556.

Die Pfeffersäcke
Mit dem Verzicht auf Venezuela zerbrach das direkte Engagement der grossen oberdeutschen
Handelshäuser in den europäischen Überseebesitzungen, und man konzentrierte sich nun wieder auf
Kredit- und Handelsgeschäfte. Gerade der Montansektor blieb von grosser Bedeutung: Wenn auch mit
der Entdeckung der grossen Silbervorkommen Mexicos und Perus der Silberpreis ab Mitte des 16.
Jahrhunderts stagnierte, war insbesondere Kupfer immer noch ein im Indienhandel begehrtes Gut. Einen
guten Teil ihrer böhmischen Kupferproduktion transportierten die Fugger über die Weichsel und Danzig in
die iberische Halbinsel, und so mancher der Danziger Schiffer, die die Seefracht übernahmen, verkaufte
dank der grossen Nachfrage nach Schiffsraum für die Indienfahrten nicht nur seine Ladung von Getreide,
Bauholz und Kupfer, sondern auch sein Fahrzeug vorteilhaft am Tejo oder in den spanischen Häfen. Auf
Anfrage der Portugiesen suchte um 1550 der Rheinländer Hans von Schüren für die Fugger gar solche
Einfuhr von Metall und Schiffen gegen eine bevorzugte Beteiligung am lusitanischen Gewürzimporte zu
verhandeln, scheiterte aber an den zu geringen Danziger Produktionskapazitäten und den reservierten
Offerten der Portugiesen.

Noch waren Gewürze Staatsmonopole – und konnten Kupfer und Schiffsausrüstungen auch vorteilhaft
gegen diese eingetauscht werden, so blieb der direkte Einkauf in Indien doch eine Angelegenheit der
dortigen Vertreter der Krone. Dies sollte sich im letzten Quartal des Jahrhunderts ändern: Ein romantisch-
junger König mit Kreuzfahrerambitionen und zwei schwere Pestepidemien in 1569 und 1579 stürzten die
portugiesische Wirtschaft in eine schwere Krise, so dass ab 1570 die Behörden private Schiffe für die
jährliche Indienflotte chartern mussten; als der gerade 20 jährige König Dom Sebastião 1575 zu einem
Feldzug nach Marokko rüstete, wurde gar der gesamte Handel nach Indien, von Transport, Einkauf bis
Vermarktung, an interessierte Investoren ausgeschrieben. Der Versuch, das Verkaufsmonopol für
indische Gewürze gegen Erlass der Zins- und Ratenzahlungen an den von über eine Reihe Augsburger

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Horst Liebner – Pfeffersäcke und Astronomen

Häusern aufgenommenen Krediten zu verhandeln, lehnten die oberdeutschen Bankiers, wohl aufgrund
ihrer bisherigen Erfahrungen mit solchen Geschäften, jedoch rundweg ab.

Einen Ausweg fand der junge Augsburger Geschäftsmann Konrad Rott: Er kaufte die Schuldscheine der
portugiesischen Krone, schon seit langem zu nur 40-45% ihres Nominalwertes gehandelt, für die Hälfte
des Schuldbetrags, und offerierte diese dann als Bezahlung für die Pfefferverträge. Die Fugger, mit die
wichtigsten der Gläubiger, konnten ein solches Geschäft schlecht ausschlagen; die Erben des an diesen
und anderen faulen Krediten bankrott gegangenen Hauses der Augsburger Manlich hatten kaum eine
andere Wahl. Weiteres Kapital sammelte Rott durch weitgefächerte Anleihen, so auch seitens des
Kammermeisters Kursachsens, Hans Harrer, oder der Bürger Leipzigs. Zusammen mit einem italienischen
Konsortium übernahm Rott auch die Flottenrüstung und die Finanzierung des Einkaufs der Spezereien –
und damit war ein Oberdeutscher nun im Besitze der portugiesischen Gewürzgeschäfte.

Der auf fünf Jahre angelegte Vertrag kam mit dem Tode Dom Sebastiãos 1578 in Marokko und den
anschliessenden Wirren um die Erbfolge zu einem jähen Ende, und wir wissen nicht ob Rotts Spekulation
sich ausgezahlt hatte – der noch in diesem Jahre mit einer Reihe weiterer Investoren abgeschlossene
Nachfolgevertrag aber trieb das Geschäft 1580 in einen spektakulären Konkurs. Rott versuchte, seinen
Tod vorzutäuschen; Harrer gar, nun den Staatsbankrott Kursachsens vor Augen, nahm sich das Leben; die
Fugger hingegen hatten den verbleibenden Pfeffer aufgekauft, und damit dem Konsortium die
Finanzgrundlage entzogen. Die mailändische Bank der Rovelesca übernahmen Rotts Anteile für die
nächsten fünf Jahre.

Dies aber war noch nicht das Ende der Rottschen Spekulationen. 1580 sah auch die Vereinigung Portugals
und Spaniens unter Phillip II., dem Sohne Karl V. und seiner portugiesischen Gattin; und Rott, wieder in
Portugal, wurde zum obersten Fischereiaufseher ernannt. Er scheint diese Position und seine
Familienbande mit den Augsburger Welsern dazu genutzt zu haben, jene in den 1586 für die nächsten
fünf Jahre abgeschlossenen Vertrag zu Ankauf und Transport der indischen Waren einzubringen: Während
knapp 60% der Investitionen wieder durch Giovanni Rovelasca gedeckt wurden, übernahmen nun die
Welser die restlichen Anteile; da sie aber nicht genug Kapital aufbringen konnten, schoss der Nürnberger
Zweig der Fugger ein Viertel des Gesamtkapitales als, anfangs, stille Teilhaber, zu. So wohl aber war den
Letzteren dabei nicht – insbesondere die in dem Vertrage enthaltene „zurüstung der schiff […] mocht ain
ding fur die Welser sein“, aber „ist unsers dings und profession gar nit“, heisst es in Korrespondenzen aus
dieser Zeit. Die Fuggerschen Ressentiments sollten sich, zumindest teilweise, bewahrheiten: Wenn auch
die Flotten von 1588 und 1589 mit schwerer Ladung wohlbehalten wiederkehrten, so musste der
Gewürzverkauf nun mit dem wieder in Pfeffer handelnden Venedig konkurrieren, und die Fugger sahen
sich genötigt für die beiden letzten Jahres der Vertragslaufzeit auch Anteil an der Vermarktung zu tragen.
Die 1590 und 1591 ausgeschickten Flotten gar scheiterten kläglich, so dass für die Nürnberger

die supp nit so faist wurd, als man wol vermaint hat [… der Pfefferhandel] verhaist vil guldiner berg, wie
anfangs mit unserm contract auch geschehen; wir glauben aber, es wird noch vil wasser gehen thal
lauffen, ehe solches sein effect gewinnen mocht.

Allein, zum Ende des 16. Jahrhunderts waren Spanien und Portugal nicht mehr die unangefochtenen
Königinnen der Meere. Der sich verschärfende Krieg um die nach Unabhängigkeit vom spanischen
Habsburg strebenden Niederlande und die Konflikte mit England griffen auch auf die Weltmeere –
holländische und angelsächsische Flotten plünderten Amerika, und nordeuropäische Korsaren machten
weltweit Jagd auf iberische Schiffe; 1588 verloren Spanien und Portugal gar einen Teil ihrer Kriegsflotte,
die gefeierte Armada, bei dem gescheiterten Versuche einer Invasion der britischen Insel in einer Reihe

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Horst Liebner – Pfeffersäcke und Astronomen

von Gefechten mit englischen und niederländischen Geschwadern. Auch die Geschäfte des
Pfefferkonsortiums mussten leiden: Schon 1587 hatte der englische Freibeuter Francis Drake eines der
fünf im Jahre zuvor ausgerüsteten portugiesischen Indienflotte, die San Felipe, auf ihrer Rückfahrt aus
Indien gekapert und ihre Ladung in London versteigert; 1592 war es gar das Flaggschiff der Flotte des
Vorjahres, die Madre de Dios, deren überreiche Fracht an britische Freibeuter fiel. Die Versuche,
zumindest die verlorenen Ladungen ersetzt zu bekommen, scheiterten an der Uneinigkeit der Investoren,
und die bayrischen Handelshäuser zogen sich mit dem Ende des Vertrages aus dem Indiengeschäfte, nun
für gut, zurück.

In den hundert Jahren seit der Auffindung der Seewege in die beiden Indien hatte sich die bekannte Welt
grundlegend verändert – sie war, unwiederlegbar, rund geworden, und, durch die ‚Entdeckung‘ Amerikas,
auch bedeutend grösser; und sie war, ja, ‚entdeckt‘, im Sinne von ‚für Europäer erreichbar‘. Die
iberischen Mächte, die mit auch (und, oft, gerade!) bayrischem Kapital und Wissen diesen Prozess
angestossen hatten, aber sollten nun an den von ihnen entfesselten Geistern scheitern: 1595 segelte eine
erste Amsterdamer Flotte, ihren Weg nach in Lissabon ausspionierten Kursen findend, in den Indischen
Ozean – der erste Schritt zur der keine zehn Jahre später erfolgten Gründung der niederländischen
Ostindienkompagnie, die für die kommenden zwei Jahrhunderte den Handel Europas mit Asien
dominieren sollte. Um dieses, das bis heute grösste aller jemals existierenden Unternehmen,
aufzubauen, brauchte es neuer Organisationsformen, die weit über die Möglichkeiten der bayrischen
Handels- und Bankenhäuser hinausreichten; und nun waren es immer weniger persönliche und lokale
Beziehungen, sondern die sich entwickelnden Gesetze des Aktienmarktes, die Kapital und Investitionen
generierten.

Die auch in Nürnberg begonnene wissenschaftliche Revolution brachte ebenfalls einen neuen Blick auf die
Welt: Wie schon auf der sie begleitenden Weltkarte abzulesen, war der konservativ-‚katholische‘
Gesichtskreis der Schedelschen Chronik zum Zeitpunkte ihres Druckes nicht mehr das aktuellste. Die
radikalste Veränderung dieser Zeit, das Aufkommen der ‚protestantischen‘ Reformation und die daraus
resultierenden kriegerischen Auseinandersetzungen, aber sollten in der ersten Hälfte des 17.
Jahrhunderts nicht nur das politisch-religiösen Gefüge Europas umwerfen, sondern auch das Ende der
Blüte der bayrischen Handelsstädte und ihrer Finanz- und Kaufmannsdynastien zeitigen.

Abb. Titelseite Springer 1509 – Verweis auf ausgestelltes Original:


https://archive.org/details/balthasarspringe00spri
[sh. gute Karte mit den verschiedenen Ortsnamen, hier und weiter unten]
Abb. Vöhliner Wappen: https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6hlin#/media/File:Voehlin-Wappen.png
Abb. Mauros Weltkarte: https://www.facsimilefinder.com/facsimiles/fra-mauro-map-facsimile
Berckmeisters Sternenverzeichnis: Abbildung? Ausstellungsstück?
Säulchenuhr: Abbildung? Ausstellungsstück?
Abb. mittelalterlicher Weltbilddarstellungen – geo- vs heliozentrisch: Grafiker?
Abb. Kolumbus‘ handschriftlich angemerkter Ephemeriden? – z.B. Endres 1993 Abb.9
Reisesonnenuhr: Abbildung? Ausstellungstück?
Abb. Schöners Globus von 1515: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:(1881)_-_T2_-
_Globus_des_J._Sch%C3%B6ner_a._d._J._1515.jpg
Abbildung Welser Schiff: https://de.wikipedia.org/wiki/Philipp_von_Hutten#/media/File:La-Santa-
Trinidad.png

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