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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
BEARBEITUNG
HA Hessen Agentur GmbH
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65189 Wiesbaden
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VERFASSER
Dr. Alexander Werner, Dr. Claus Bauer, Anja Gauler
STAND
Mai 2018
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung von Funktions- bzw.
personenbezogenen Bezeichnungen, wie zum Beispiel Teilnehmer/Innen, verzichtet. Entsprechende Begriffe gel-
ten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
Nachdruck – auch auszugsweise – ist nur mit Quellenangabe gestattet. Belegexemplar erbeten.
DRUCK
Hessisches Statistisches Landesamt
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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Inhalt Seite
Vorwort III
I
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Abbildungsverzeichnis 104
Tabellenverzeichnis 106
Literaturverzeichnis 107
Anhang 113
II
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Vorwort
Diese Unsicherheit spiegelt sich in den Antworten auf unsere aktuelle Unternehmensbe-
fragung wider. Sie machen deutlich, dass sich zahlreiche Unternehmen mit Geschäftsbe-
ziehungen in das Vereinigte Königreich auf den Brexit vorbereiten und einige von ihnen
bereits konkrete Maßnahmen eingeleitet haben. Viele erwarten – insbesondere bei einem
harten Brexit – negative Auswirkungen, sodass sich eine klare Mehrheit auch nach dem
Austritt eine möglichst enge Anbindung des Vereinigten Königreichs an den EU-Binnen-
markt erhofft.
Die Landesregierung wird die hessische Wirtschaft weiterhin mit zahlreichen Maßnahmen
dabei unterstützen, die mit dem Brexit verbundenen Herausforderungen zu meistern und
mögliche Chancen zu nutzen. Mittlerweile haben rund 20 Banken angekündigt, Aktivitäten
aus London auf neu zu gründende oder bestehende Niederlassungen in Frankfurt zu ver-
lagern. Mit intensiver Werbung für den Standort Hessen werden wir Ansiedlungen nicht nur
von Finanzinstituten, sondern auch von Unternehmen anderer Wirtschaftszweige weiter un-
terstützen.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre und bedanke mich bei allen Unternehmen, die
in dieser und der vorangegangenen Umfrage, bei Veranstaltungen und in Arbeitskreisen
mit uns in Dialog getreten sind.
Tarek Al-Wazir,
Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
III
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Am 29. März 2017 hat das Vereinigte Königreich (UK) gemäß Artikel 50 des Vertrags über
die Europäische Union (EU-Vertrag) offiziell bekundet, dass es aus der Europäischen Union
(EU) austreten will. Seit dem 19. Juni 2017 verhandeln die EU-Kommission und das UK
über die Modalitäten des Austritts. Dieser wird gemäß EU-Vertrag spätestens zwei Jahre
nach dem Antrag, also Ende März 2019, vollzogen, sofern sich nicht beide Seiten auf eine
Verlängerung der Verhandlungsphase einigen. Mehr als die Hälfte des Verhandlungszeit-
raums ist inzwischen abgelaufen und trotz verschiedener Verhandlungsfortschritte ist wei-
terhin unklar, unter welchen Bedingungen der Brexit vollzogen wird und wie die zukünftigen
Beziehungen zwischen der EU und dem UK gestaltet sein werden.
Der Austritt des UK stellt politisch eine bedeutende Zäsur dar – nach mehreren EU-Erwei-
terungsrunden wird erstmals ein Land die Staatengemeinschaft verlassen. Doch auch die
ökonomischen Konsequenzen haben eine erhebliche Tragweite: Das UK weist nach
Deutschland das zweithöchste BIP und die drittgrößte Einwohnerzahl der EU auf. In Ab-
hängigkeit des Verhandlungsergebnisses wird der EU-Austritt des UK mehr oder weniger
tiefgreifende wirtschaftliche Auswirkungen haben. Dabei wird nicht nur das UK selbst be-
troffen sein, sondern auch in anderen Ländern werden über diverse Transmissionskanäle
Auswirkungen auftreten. Die Bandbreite reicht von wechselkursbedingt geringeren Export-
und Importvolumina im Handel mit dem UK über einen Rückgang der ausländischen Direkt-
investitionen in das UK bis hin zu Verlagerungen von Arbeitsplätzen aus dem UK in EU-
Länder und vermehrte Ansiedlungen aus Drittstaaten in andere EU-Länder. Dabei treten
Auswirkungen nicht erst nach dem vollzogenen Brexit ein, sondern sind bereits während
der mit großer Unsicherheit einhergehenden Verhandlungsphase spürbar. Am offensicht-
lichsten ist die Wechselkursentwicklung seit dem Brexit-Referendum mit einem Wertverlust
des Britischen Pfundes von 17 % gegenüber dem Euro.
1
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
angeschriebenen Unternehmen antworteten rund 700, womit die Befragung auf einem brei-
ten Fundament der betroffenen hessischen Wirtschaft steht. Die Untersuchungsergebnisse
sind nicht zuletzt in die Brexit-Aktivitäten des Landes Hessen eingeflossen.
Die vorliegende Untersuchung baut auf der Vorjahresuntersuchung auf. Ziel der neuen Stu-
die ist es, einen Blick auf die Entwicklungen des letzten Jahres – d. h. seit dem offiziellen
Austrittsgesuch durch das UK – zu werfen und die weiteren Perspektiven aufzuzeigen.
Durch eine aktuelle Unternehmensbefragung können die derzeitigen Einschätzungen der
Unternehmen erfasst sowie Unterschiede gegenüber der vorherrschenden Stimmung vor
dem offiziellen Austrittsantrag aufgezeigt werden.
Im sich anschließenden Kapitel 2 wird ein Überblick über den bisherigen Verlauf und den
Stand der Verhandlungen zwischen der EU und dem UK gegeben. Ebenfalls wird ein Über-
blick über zahlreiche Maßnahmen der hessischen Landesregierung sowie verschiedener
weiterer Akteure zur Unterstützung der hessischen Wirtschaft bei der Bewältigung von Her-
ausforderungen und der Nutzung von Chancen durch den Brexit gegeben.
Das dritte Kapitel enthält ein kurzes Länderprofil mit grundlegenden Informationen zum UK
und der Entwicklung der britischen Wirtschaft. Im vierten Kapitel erfolgt eine detaillierte
Analyse der außenwirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Hessen und dem UK. Struktur
und Entwicklung des Außenhandels werden untersucht, getrennt nach Einfuhr und Ausfuhr
und jeweils differenziert nach den wichtigsten Gütergruppen. Als Vergleichsmaßstab wer-
den die Bundesebene herangezogen und teils andere Bundesländer betrachtet. Neben den
Außenhandelsbeziehungen werden die Struktur und die Entwicklung der hessischen Direk-
tinvestitionsbeziehungen zum UK – im Vergleich zum Bund – in die Analyse einbezogen.
Im fünften Kapitel werden die potenziellen Auswirkungen des Brexit in den Blick genom-
men. Hierzu werden die Ergebnisse von ausgewählten Analysen und Unternehmensbefra-
gungen herangezogen. Zudem werden Veröffentlichungen und Positionspapiere von Ver-
bänden und Wirtschaftsvereinigungen von in Hessen stark vertretenen Branchen im Hin-
blick auf die Auswirkungen des Brexit ausgewertet.
2
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
2.1 Rahmenbedingungen
Zunächst werden kurz die Entwicklung und die Rahmenbedingungen des Brexit-Prozesses
erläutert, bevor im nächsten Abschnitt der aktuelle Stand1 der Verhandlungen zum Brexit
zwischen der EU und dem UK dargestellt wird. Das UK ist seit dem 1. Januar 1973 Mitglied
der EU, sodass die im Laufe der Zeit entwickelten, engen wirtschaftlichen Verknüpfungen
der EU-Mitgliedsstaaten, insbesondere die Grundfreiheiten des europäischen Binnenmark-
tes, derzeit für das Land gelten. Allerdings ist das UK weder Mitglied der Euro-Zone noch
des Schengenraums. Gemäß des EU-Vertrags (Artikel 50) steht den EU-Mitgliedsstaaten
die Möglichkeit offen, aus der EU auszutreten. Am 23. Juni 2016 kam eine – rechtlich nicht
bindende – Volksabstimmung im UK mit knapper Mehrheit zum Ergebnis, dass das Land
die EU verlassen soll. Durch das Austrittsgesuch löste mit dem UK erstmals ein Mitglieds-
staat Austrittsverhandlungen gemäß Artikel 50 des EU-Vertrages aus. Der Vorgang ist da-
her sowohl politisches als auch juristisches Neuland, woraus eine intensive und mit vielen
Unsicherheiten behaftete Verhandlungsphase resultiert.2
Die langfristigen wirtschaftlichen Folgen des Brexit sind im engen Kontext mit dem Ver-
handlungsergebnis zwischen der EU und dem UK über die Ausgestaltung des Brexit und
die Neuregelung der Beziehungen zu sehen. Hinsichtlich des Austritts selbst ist insbeson-
dere die Frage nach Übergangsfristen für bestehende Regelungen, Verträge und Verein-
barungen sowie die Höhe von Forderungen der EU an das UK relevant. Bei der Gestaltung
der zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen werden häufig zum Vergleich die derzeit be-
stehenden unterschiedlichen Abkommen mit anderen Nicht-EU-Staaten herangezogen.
In einer aktuellen Einschätzung hat die EU-Kommission die bestehenden Abkommen den
„roten Linien“, die durch die britische Regierung gezogen wurden, gegenübergestellt und
kommt zu dem Ergebnis, dass danach lediglich ein Freihandelsabkommen entsprechend
den Abkommen der EU mit Südkorea und Kanada möglich ist (vgl. Abbildung 1). Eine An-
bindung zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) entsprechend Norwegen, Island und
Liechtenstein schließt sich nach dem derzeitigen Stand aus, da dadurch mehrere „rote Li-
nien“ des UK durchkreuzt werden. So lehnt das UK die Zuständigkeit des europäischen
Gerichtshofs, die Personenfreizügigkeit im Binnenmarkt und eine substanzielle finanzielle
Beteiligung am EU-Haushalt ab und möchte zukünftig regulatorische Autonomie gegenüber
den EU-Vorgaben erreichen. Die drei letztgenannten Gründe sprechen auch gegen ein Ver-
hältnis entsprechend den derzeitigen Beziehungen der EU mit der Schweiz. Gegen ein
1 Redaktionsschluss 31.03.2018.
2 Mittlerweile ist ein umfangreicher Literaturbestand zu den historischen Ursprüngen sowie den rechtlichen, politischen und ökono-
mischen Rahmenbedingungen verfügbar, vgl. beispielsweise die Sammelbände von Kramme, Baldus, Schmidt-Kessel (2017),
Armour, Eidenmüller (2017) und Troitiño, Kerikmäe, Chochia (2018).
3
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
künftiges Abkommen zwischen der EU und dem UK nach dem Vorbild des derzeitigen Ver-
hältnisses der EU zur Ukraine sprechen wiederum die Ablehnung der Zuständigkeit des
europäischen Gerichtshofes sowie der Wunsch nach regulatorischer Autonomie seitens
des UK. Schließlich hat das UK die Zielsetzung, zukünftig eine eigene Handelspolitik zu
betreiben, wodurch ein Abkommen entsprechend der derzeitigen Vereinbarung zwischen
der EU und der Türkei nicht möglich erscheint. Allerdings hat jüngst das Britische Oberhaus
für eine Änderung des EU-Austrittsgesetz votiert, die eine Zollunion des UK mit der EU
ermöglichen könnte.3 Damit bliebe die Möglichkeit, ein tiefgehendes Freihandelsabkommen
zwischen der EU und dem UK zu vereinbaren, wie etwa die jüngsten Abkommen mit Ka-
nada und Südkorea. Diese Freihandelsabkommen entsprechen einem neuen Typus. Sie
gehen weit über die Absenkung von tarifären Handelsbarrieren hinaus und enthalten um-
fangreiche Regelungen zum Beispiel im Hinblick auf eine Harmonisierung von Standards.4
Es ist davon auszugehen, dass die Integration der Märkte des UK und der EU trotz eines
Freihandelsabkommens deutlich geringer sein wird als bei den anderen zuvor genannten
Alternativen. Die geringste Integration der Märkte würde bei einem Austritt des UK ohne
Abkommen auftreten, da das UK aus Sicht der EU dann auf den Status eines Drittlandes
zurückfällt und zukünftig die WTO-Regularien angewendet würden. Im weiteren Verlauf der
vorliegenden Studie wird dieser Fall als „harter Brexit“ bezeichnet.
Die britische Regierung vertritt dagegen die Ansicht, dass der Vergleich mit bestehenden
Abkommen zwischen der EU und anderen Ländern kein geeigneter Maßstab sei, da die
Verhandlungen zwischen der EU und dem UK von einem gänzlich anderen Startpunkt aus-
gehen. Die Integration zwischen beiden Partnern sei derzeit durch die EU-Mitgliedschaft
des UK äußerst tiefgehend und es bestünden viele Gemeinsamkeiten, auf denen aufgebaut
werden könne. Daher sei zwischen der EU und dem UK ein maßgeschneidertes Abkommen
zu vereinbaren, das gegenüber den bestehenden Abkommen ein neues Modell darstellt.
Hinsichtlich der potenziellen Austrittsszenarien ist stets zu betonen, dass das Ergebnis der
Verhandlungen noch offen ist und auch die „roten Linien“ möglicherweise nochmals geprüft
und angepasst werden könnten. Insbesondere der Umgang mit der Grenze zwischen dem
EU-Land Irland und dem zum UK gehörenden Nordirland stellt derzeit die Verhandlungs-
teilnehmer vor besondere Herausforderungen. Aufgrund der engen wirtschaftlichen Bezie-
hungen, persönlichen Verbindungen und nicht zuletzt zur Aufrechterhaltung des Friedens
in Nordirland sind sich beide Seiten einig, dass keine Grenze mit Zoll- und Personenkon-
trollen zwischen Irland und Nordirland eingeführt werden soll. Andererseits wird die Grenze
nach dem Brexit eine EU-Außengrenze darstellen, die abhängig von der Integrationstiefe
zwischen der EU und dem UK entsprechende Kontrollen voraussetzt.
3 Vgl. SZ (2018).
4 Vgl. zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada beispielsweise Hessen Agentur (2017b).
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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Abbildung 1: Zukünftige Beziehung zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten
Königreich: Abgleich potenzieller Szenarien und Zielsetzungen („rote Linien“) des UK
Quelle: Abbildung entnommen aus EU-Kommission (2018, S. 6), Darstellung der Hessen Agentur
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Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Mehr als die Hälfte der in Artikel 50 des EU-Vertrags vorgesehenen Verhandlungsdauer
von zwei Jahren nach dem offiziellen Austrittsantrag ist mittlerweile abgelaufen. Die Regie-
rung des UK hat den Antrag zum Austritt des Landes bei der EU am 29. März 2017 einge-
reicht, sodass das Land zum 30. März 2019 aus der EU ausscheiden wird. Dabei ist anzu-
merken, dass sich die Verhandlungspartner auf eine Verlängerung der Verhandlungsfrist
einigen könnten, was aber zurzeit als sehr unwahrscheinlich eingeschätzt wird. Auch kön-
nen in einem Austrittsabkommen Übergangsregelungen festgelegt werden. Hier wurde
jüngst eine grundsätzliche Einigung, d. h. unter dem Vorbehalt der Verabschiedung eines
Austrittsabkommens, auf eine Übergangsfrist bis zum Ende des Jahres 2020 erreicht. Einen
Überblick zum bisherigen zeitlichen Ablauf und dem sich daraus ergebenen aktuellen Stand
der Verhandlungen beinhaltet Tabelle 1.
Nachdem sich beim Brexit-Referendum eine knappe Mehrheit der britischen Wähler für den
Austritt aus der EU ausgesprochen hatte, kam es zu umfangreichen innenpolitischen Aus-
wirkungen im UK. Auch hierdurch bedingt erfolgte die Übergabe des offiziellen Austrittsan-
trags erst rund neun Monate später am 29. März 2017. Der Europäische Rat verabschie-
dete die Leitlinien für die Verhandlungen am 29. April 2017, worauf die erste Verhandlungs-
runde am 19. Juni 2017 starten konnte. Die EU hat sich dahingehend durchgesetzt, dass
zunächst über die Bedingungen des Austritts verhandelt werden soll, und erst wenn dies-
bezüglich deutliche Fortschritte gemacht wurden, die zukünftigen Beziehungen diskutiert
werden sollten. Nach sechs Verhandlungsrunden kam der EU-Rat am 15. Dezember 2017
gemäß dem gemeinsamen Fortschrittsbericht zu dem Ergebnis, dass in der ersten Ver-
handlungsphase zu den Austrittsbedingungen ausreichend Fortschritte erzielt worden
seien, um die Verhandlungen für die zweite Verhandlungsphase zu den zukünftigen (Wirt-
schafts-)beziehungen (Artikel-50-Verhandlungen) aufnehmen zu können. Schließlich ver-
öffentlichte die EU-Kommission am 28. Februar 2018 einen ersten Entwurf für einen Ver-
tragstext des Austrittsabkommens, in den die erzielten Ergebnisse und Kompromisse der
bisherigen Verhandlungen eingingen.
Trotz der erzielten Fortschritte der Verhandlungen ist der Ausgang weiterhin kaum vorher-
zusehen. Insbesondere diverse Pressemitteilungen und Artikel seitens der EU-Kommission
und der britischen Regierung zeigen häufig, wie weit die Positionen immer noch auseinan-
derliegen. Positiv zu bewerten ist die erwähnte Einigung – unter dem üblichen Vorbehalt,
dass nichts beschlossen ist, bis das finale Abkommen steht – im Hinblick auf eine Über-
gangsphase. Das UK erklärte sich mit der von der EU-Kommission vorgesehenen kürzeren
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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Übergangsfrist bis Ende 2020 einverstanden. In dieser Zeit bliebe das UK Mitglied der Zoll-
union und hätte weiterhin Zugang zum Binnenmarkt. Das UK würde während dieser Über-
gangsfrist auch die vereinbarten Zahlungen an die EU weiterhin leisten.
Datum
23.06.2016 Brexit-Referendum im UK
Übergabe des Austrittsantrags durch das UK an die EU
29.03.2017
Beginn der zweijährigen Verhandlungsphase
29.04.2017 Verabschiedung der politischen Leitlinien für die Verhandlungen durch den Europäischen Rat
19.06.2017 Erste Verhandlungsrunde EU-UK (Erste Phase, Organisation des Austritts)
17.07.2017-
Zweite Verhandlungsrunde EU-UK (Erste Phase, Organisation des Austritts)
20.07.2017
Beginn der Evaluierung der Bewerbungen um den zukünftigen Sitz der EU-Bankenaufsicht (EBA) und der
01.08.2017
Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) durch die EU
28.08.2017-
Dritte Verhandlungsrunde EU-UK (Erste Phase, Organisation des Austritts)
31.08.2017
25.09.2017-
Vierte Verhandlungsrunde EU-UK (Erste Phase, Organisation des Austritts)
28.09.2017
09.10.2017-
Fünfte Verhandlungsrunde EU-UK (Erste Phase, Organisation des Austritts)
12.10.2017
10.11.2017 Sechste Verhandlungsrunde EU-UK (Erste Phase, Organisation des Austritts)
20.11.2017 Entscheidung für Umzug der bisher in London ansässigen EBA nach Paris und der EMA nach Amsterdam
Gemäß den Ergebnissen des gemeinsamen Fortschrittsberichtes zu den Verhandlungen kommt der EU-Rat zu
15.12.2017 der Entscheidung, dass die zweite Phase der Verhandlungen, d.h. zu den künftigen Wirtschaftsbeziehungen,
aufgenommen werden kann
16.01.2018-
EU-UK Artikel 50 Verhandlungen (Verhandlungen auf technischer Ebene)
17.01.2018
06.02.2018-
EU-UK Artikel 50 Verhandlungen (Verhandlungen auf technischer Ebene / Koordinatoren-Ebene)
09.02.2018
19.02.2018-
EU-UK Artikel 50 Verhandlungen (Verhandlungen auf technischer Ebene / Koordinatoren-Ebene)
20.02.2018
26.02.2018-
EU-UK Artikel 50 Verhandlungen (Verhandlungen auf technischer Ebene / Koordinatoren-Ebene)
27.02.2018
28.02.2018 Veröffentlichung eines Vertragsentwurfs für das Ausscheiden des UK aus der EU durch die EU-Kommission
05.03.2018-
EU-UK Artikel 50 Verhandlungen (Verhandlungen auf technischer Ebene / Koordinatoren-Ebene)
07.03.2018
13.03.2018-
EU-UK Artikel 50 Verhandlungen (Verhandlungen auf technischer Ebene / Koordinatoren-Ebene)
15.03.2018
19.03.2018 Einigung zwischen UK und EU auf Übergangsfrist bis Ende 2020, sofern ein Austrittsabkommen vereinbart wird
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Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Der Brexit ist ein gesellschaftlich und politisch einschneidendes Ereignis, das – wie die Stu-
die der Hessen Agentur aus dem Jahr 2017 belegt – nicht nur auf das UK selbst, sondern
auch auf Hessen ökonomische Auswirkungen haben wird. Obwohl das Verhandlungser-
gebnis, wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, weiterhin unklar ist, wird bereits deut-
lich, dass sich viele Rahmenbedingungen ändern dürften. Potenziellen Herausforderungen,
wie etwa einer Einführung von tarifären und nicht-tarifären Handelsbarrieren, dem „Ausei-
nanderlaufen“ von Standards und Normen sowie Einschränkungen der Mobilität von Mitar-
beitern zwischen dem UK und der EU, stehen potenzielle Chancen wie etwa ein erhöhter
Zustrom von Direktinvestitionen durch eine verbesserte Positionierung Hessens als Brü-
ckenkopf in die EU für Unternehmen aus Drittstaaten gegenüber.
In Hessen wird der Brexit-Prozess daher bereits von Beginn an, d. h. seit sich ein potenzi-
eller EU-Austritt des UK abzeichnete, durch zahlreiche Maßnahmen der Landesregierung
und weiterer hessischer Akteure flankiert. Im Vordergrund stehen dabei Aktivitäten auf po-
litischer Ebene, um die Interessen Hessens im Verhandlungsprozess zu vertreten, Maß-
nahmen des Standortmarketings für mögliche Investoren aus dem UK und aus anderen
wichtigen Quellländern sowie Veranstaltungen und Informationen für hessische Unterneh-
men über die Herausforderungen, die sich durch den Austritt des UK aus dem gemeinsa-
men Binnenmarkt ergeben. Der Austausch mit der Politik und den Wirtschaftsvertretern im
UK ist von einem partnerschaftlichen Ansatz geprägt, d. h. es werden die Interessen der
hessischen Wirtschaft vertreten, aber auch nach gemeinsamen Lösungsmöglichkeiten ge-
sucht.
Die Aktivitäten der Hessischen Landesregierung zum Brexit werden in der Staatskanzlei
koordiniert, wo sich eine Stabsstelle dem Thema Brexit widmet. Bereits im Sommer 2016
wurden mit der Einberufung des Finanzplatzkabinetts, an dessen Sitzung der Präsident der
Bundesbank, Vertreter des Finanzplatzes, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Bun-
desregierung teilnahmen, die drei Themengruppen „Marketing und Realwirtschaft“,
„Rechtsrahmen“ und „Bund und Europa“ gebildet. Frühzeitig wurden auch gemeinsam mit
dem Präsidium der hessischen Unternehmerverbände Kabinettssitzungen abgehalten.
Nachfolgend werden beispielhaft Aktivitäten aus den drei Themengruppen dargestellt.
Die Themengruppe „Bund und Europa“ wird federführend in der Staatskanzlei betreut. Be-
deutende Aktivitäten im Hinblick auf den Brexit werden durch die Vertretung des Landes
Hessen bei der Europäischen Union initiiert. Hierunter fallen die Durchführung von Veran-
staltungen zum Brexit allgemein sowie zu spezifischen Themen, beispielsweise dem Euro-
clearing oder den Auswirkungen auf den Justizbereich, Expertengespräche mit Verbänden
sowie die Organisation von Austauschmöglichkeiten in Brüssel, um hessische Positionen
sowohl in den Verhandlungsprozess einzubringen als auch gegenüber EU-Institutionen wie
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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
der EU-Kommission und dem EU-Parlament deutlich zu machen. Dieses politische Lob-
bying entspricht den Ergebnissen der letztjährigen Unternehmensbefragung der Hessen
Agentur, in der das Eintreten für hessische Interessen als wichtigste Maßnahme von Seiten
des Landes eingeschätzt wurde. Mehr als 80 % der teilnehmenden Unternehmen messen
dem politischen Engagement des Landes auf EU- und Bundesebene im Sinne möglichst
guter Brexit-Verhandlungsergebnisse eine große Bedeutung bei. So hat Ministerpräsident
Volker Bouffier in Brüssel bereits direkt nach dem britischen Volksentscheid intensive Ge-
spräche mit den Fraktionen des Europäischen Parlaments, dem Präsidenten der Europäi-
schen Kommission und den Kommissaren der Europäischen Kommission, u.a. dem für den
Kapitalmarkt zuständigen Vizepräsidenten, geführt und für den Standort Hessen geworben.
Das Finanzplatzkabinett tagte im April 2017 in Brüssel zu den Themen Verhandlungsin-
halte, Strategie der EU sowie Auswirkungen des Brexit auf die EU-Finanzdienstleistungs-
politik und den Finanzplatz Frankfurt und tauschte sich dabei intensiv mit Funktionsträgern
der EU aus. Europaministerin Lucia Puttrich hat in den vergangenen Monaten eine Vielzahl
an Gesprächen mit Unternehmen geführt, die in Geschäftsbeziehungen mit dem UK stehen,
sowie sich in Brüssel in Gesprächen mit EU-Vertretern für die hessischen Positionen ein-
gesetzt. Hessen ist Mitglied in einer Bund-Länder-AG, in der u.a. über den Gesetzanpas-
sungsbedarf gesprochen wird. Der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir begleitete
den Ausschuss Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung des Hessischen Land-
tags im März 2018 nach London. Schwerpunkte waren die Information über den aktuellen
Stand des Brexit und dessen mögliche Konsequenzen für Hessen sowie die Themen
Finanzwirtschaft und Gründerförderung.
Rechtsrahmen
Das Hessische Ministerium der Finanzen bearbeitet innerhalb der Brexit-Arbeitsstruktur die
Themengruppe „Rechtsrahmen“. Deren Ziel ist es, den bestehenden Rechtsrahmen so zu
optimieren, dass Risiken für die wirtschaftlichen Beziehungen Hessens zum UK gemindert,
aber auch sinnvolle Änderungen angestoßen werden, sodass sich Chancen für den Stand-
ort Hessen ergeben. Im Fokus stehen dabei Fragen der Finanzmarktregulierung und des
Steuerrechts. Genauso gehören das Zivil- und Wirtschaftsrecht (einschließlich Insolvenz-
recht) dazu. Ein gutes Beispiel ist sicherlich das deutsche Kündigungsschutzrecht, das zu
Recht stark auf den durchschnittlichen Arbeitnehmer ausgerichtet ist. Spitzenverdiener in
der Finanzindustrie sind aber mit diesen Arbeitnehmern nicht vergleichbar; international ist
das deutsche Arbeitsrecht hier zu wenig flexibel. Insofern ist Handlungsbedarf entstanden,
den die neue Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vom März 2018 nunmehr aufge-
griffen hat. Ein weiteres Beispiel sind Verträge im Finanzdienstleistungssektor nach engli-
schem Recht. Welche Auswirkungen der Brexit auf diese Verträge hat und was das für die
Praxis bedeutet, ist ein weiterer Teil der Aufgabenstellungen der Themengruppe. Das Hes-
sische Finanzministerium engagiert sich in diesen und weiteren Problemfeldern für vernünf-
tige Lösungen.
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Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Darüber hinaus hat die Hessische Finanzverwaltung – ergänzend zu ihrem Angebot in der
„Servicestelle Finanzplatz Frankfurt“ im Ministerium – eine englischsprachige Webseite
nebst Hotline und Emailadresse (www.gofrankfurttax.de) mit Informationen zum deutschen
Steuerrecht eingerichtet. Sie richtet sich an Personen, die nach einem Umzug infolge des
Brexit erstmals mit dem deutschen Steuerrecht konfrontiert sind und Fragen zur eigenen
Besteuerung in Hessen haben. Insofern rundet diese Webseite das Angebot der Service-
stelle ab, den Unternehmen einen möglichst reibungslosen Übergang zu ermöglichen. Fi-
nanzminister Dr. Thomas Schäfer führte bislang unter anderem in London und Dublin zahl-
reiche Gespräche mit Unternehmen und Institutionen und warb für Hessen im Zuge des
Brexit.
Die Themengruppe „Marketing und Realwirtschaft“, in der sowohl Aktivitäten mit Blick auf
den Finanzplatz als auch Aktivitäten für das Verarbeitende Gewerbe koordiniert werden,
wird vom Hessischen Wirtschaftsministerium geleitet. Der Brexit eröffnet Chancen für den
Standort Hessen, da sich durch den Austritt des UK aus der EU die Möglichkeit ergibt, dass
Unternehmen bzw. Teilaktivitäten von Unternehmen aus dem UK an einen Standort inner-
halb der EU verlagert werden. Zudem dürfte für Unternehmen aus Drittstaaten, die sich in
Europa niederlassen wollen, die Attraktivität des Standorts UK gesunken sein, während
Standorte innerhalb der EU an Attraktivität gewonnen haben. Da dieser Effekt nicht nur für
Hessen zutrifft, sondern für die EU insgesamt gilt, steht Hessen hierbei im Standortwettbe-
werb um die Ansiedlung neuer Unternehmen.
Die Hessen Trade & Invest GmbH ist die koordinierende Stelle für Standortmarketingmaß-
nahmen des Landes. Durch eine enge Zusammenarbeit von Land, den Wirtschaftsförder-
gesellschaften Hessen Agentur und Hessen Trade & Invest gemeinsam mit den Partnern
FrankfurtRheinMain International Marketing of the Region (FRM), Wirtschaftsförderung
Frankfurt, der IHK Frankfurt, dem Auslandsbankenverband und – bei Maßnahmen für den
Finanzplatz Frankfurt Rhein/Main – der FrankfurtMainFinance wird das gemeinsame
Standortmarketing schlagkräftig umgesetzt. Unternehmen und Investoren erhalten aus ei-
ner Hand Informationen zum Standort Hessen. Die „Brexit Task Force“ der beteiligten Part-
ner dient der gemeinsamen Absprache und Entwicklung von Marketingprojekten sowie dem
Austausch von Informationen. Viele Aktivitäten wie etwa Delegationen, Messebeteiligungen
und Investmentseminare in Quellmärkten werden gemeinsam durchgeführt.
Bereits kurz nach dem Referendum – im August 2016 – führte Wirtschaftsminister Tarek
Al-Wazir bei einer Delegation nach London zielgerichtete Gespräche mit Entscheidungsträ-
gern von Banken und anderen Finanzdienstleistern. Die Standortvorteile Hessens werden
in der Broschüre „Welcome to Frankfurt, Welcome to Hessen“ der Hessen Trade & Invest
beworben, die im Oktober 2016 erstmals erschienen ist. In der aktuellen Auflage wird unter
anderem das Thema internationale Schulen am Standort Hessen neu aufgenommen, da
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HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
dies für die Mitarbeiter ausländischer Unternehmen als sogenannter „weicher“ Standortfak-
tor von hoher Bedeutung ist. Einen Tag nachdem das Referendum im UK knapp zu Gunsten
des Brexit ausgegangen ist, wurde die Webseite www.welcometofrm.com freigeschaltet.
Zudem wurde frühzeitig ein Ansprechpartner in London etabliert. Die Informationsplattform
für internationale Investoren www.invest-in-hessen.de der Hessen Trade & Invest wurde
um eine Vielzahl von Inhalten zum Thema Brexit erweitert, um zielgerichtet Informationen
zur Verfügung zu stellen und passende Ansprechpartner zu vermitteln.
In den Jahren 2016 und 2017 stand die Finanzwirtschaft im Fokus vieler Aktivitäten des
Landes, da in dieser Branche der Handlungsdruck aufgrund der weitreichenden Regulie-
rung sowie des benötigten längeren Vorlaufs für möglicherweise notwendige Umstrukturie-
rungen besonders groß ist. Zudem ist in Hessen mit dem Finanzplatz Frankfurt das Zentrum
der Finanzwirtschaft in Deutschland mit weltweiter Bedeutung angesiedelt, sodass das
Land Hessen in diesem Bereich seine Verantwortung wahrnimmt und die Führungsrolle
auch im Bund übernommen hat. Hierunter fiel das intensive Engagement im Bewerbungs-
prozess um den zukünftigen Standort der aus London abzuziehenden Europäischen Ban-
kenaufsicht (EBA), für den die Bundesregierung der EU schließlich Frankfurt am Main vor-
geschlagen hat. Die hierfür erstellten notwendigen Bewerbungsunterlagen enthielten de-
tailreiche Informationen zum Standort Frankfurt bis hin zu potenziell nutzbaren
Bürogebäuden. Zudem wurde im Zuge der Bewerbung ein Imagefilm für das Rhein-Main-
Gebiet als zentralen Finanzplatz mit hoher Lebensqualität erstellt. Ferner wurde die Bewer-
bung in einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem Bundesministerium der Finanzen in
Brüssel präsentiert. Zwar konnte sich Deutschland im Bewerbungsverfahren um die EBA
letztlich auf EU-Ebene knapp nicht durchsetzen, aber der Finanzplatz Frankfurt wird trotz-
dem durch die Ansiedlungen neuer Banken und die Ausweitung der Aktivitäten bestehender
Häuser gestärkt. Rund 20 Banken haben derzeit angekündigt, dass sie aufgrund des Brexit
eine Niederlassung am Finanzplatz Frankfurt gründen wollen bzw. ihre Beschäftigtenzahl
in Frankfurt ausweiten wollen. Wichtiges Thema des Landes im Bereich der Finanzwirt-
schaft und Bankenaufsicht ist das potenzielle Risiko, das für die EU-Finanzmarktstabilität
entsteht, wenn das Clearing von auf Euro lautenden Derivaten, das derzeit auf ein Clea-
ringhaus in London konzentriert ist, nach dem Brexit in signifikantem Ausmaß außerhalb
der EU stattfindet.
Zahlreiche Maßnahmen des Landes haben weitere Dienstleistungsbereiche und das Pro-
duzierende Gewerbe im Blick, um die hessische Wirtschaft auf die Folgen des Brexit vor-
zubereiten. Im November 2017 fand beispielsweise eine Unternehmerreise in das UK nach
Birmingham, Leeds und Manchester statt, um über den Standort Hessen zu informieren
und für den Standort Hessen zu werben. Im Rahmen dieser durch das Enterprise Europe
Network Hessen der Hessen Trade & Invest gemeinsam mit den nordenglischen Partnern
vor Ort organisierten Reise hatten hessische Unternehmer die Gelegenheit, die wirtschaft-
lich starken Städte Birmingham, Leeds und Manchester kennen zu lernen und dort Kontakte
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Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
zu knüpfen. Delegationen und Unternehmerreisen dienen somit stets sowohl der Internati-
onalisierung der hessischen Unternehmen als auch als Plattform für die Bewerbung des
Wirtschaftsstandorts Hessen. Es werden aber nicht nur Marketingmaßnahmen im UK
durchgeführt, sondern der Standort Hessen wird auch in Drittländern beworben. Die Ange-
bote und eingesetzten Instrumente umfassen Investmentseminare und Roadshows, Dele-
gationen sowie Anzeigen und Artikel in internationalen Medien. Zur Förderung des
Standortmarketings im Jahr 2018 werden Informationsmaterialien erstellt bzw. aktualisiert
sowie verschiedene Anzeigenkampagnen in relevanten Zielmärkten initiiert. In der Planung
sind FDI-Roadshow-Veranstaltungen in China, Singapur und Japan sowie Investment-
seminare in den USA und Indien. Auch Teilnahmen an Messeveranstaltungen wie der Au-
tomechanika 2018 sowie die Kooperation bei interessanten internationalen Brexit-Veran-
staltungen mit den Wirtschaftsförderungspartnern der „Brexit Task Force“ dienen dem
Standortmarketing Hessens.
Durch Community Events für bereits in Hessen ansässige Unternehmen – im Jahr 2017
wurden Veranstaltungen für die Communities aus dem UK, Indien und China ausgerichtet,
im Jahr 2018 sind weitere Veranstaltungen erneut für die indische und die britische Com-
munity geplant – werden sowohl Unternehmen am Standort Hessen unterstützt als auch
positive Signale an andere Investoren aus diesen Ländern gesendet.
Der Wunsch nach Information und Austausch zum Brexit ist ein zentrales Anliegen der hes-
sischen Unternehmen. Die Hessische Landesregierung hat gemeinsam mit den Industrie-
und Handelskammern Informationsveranstaltungen in Frankfurt, Kassel, Wetzlar und
Darmstadt zu den Auswirkungen des Brexit durchgeführt. Hessische Unternehmen werden
zudem regelmäßig über einen E-Mailverteiler durch das Brexit-Update der Hessen Trade &
Invest informiert. Die Unterstützung von Messeteilnahmen im Ausland sowie Delegationen
in das UK wie auch in andere Auslandsmärkte sind weitere Beispiele für die Unterstützung
der heimischen Wirtschaft zur Überwindung der Auswirkungen des Brexit. So fand im Mai
12
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
2017 eine Delegation des Wirtschaftsministers nach London mit den Schwerpunkten Krea-
tivwirtschaft und Finanzsektor statt. Und im November reisten Wirtschaftsdelegationen
nach Singapur und Hongkong.
Im Mai 2018 fand eine Veranstaltung mit Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir in Frankfurt
statt, weitere Informationsveranstaltungen zum Brexit sind in Nord-, Mittel- und Südhessen
geplant. Unter anderem werden bei diesen Veranstaltungen die zentralen Ergebnisse der
vorliegenden Studie präsentiert. Die dieser und der letztjährigen Studie zugrundeliegenden
Unternehmensbefragungen haben einen wichtigen Kanal zum Austausch mit der heimi-
schen Wirtschaft etabliert, der die Landesregierung und die beteiligten Wirtschaftsförder-
einrichtungen bei der Weiterentwicklung von zielgerichteten Maßnahmen zum Brexit unter-
stützen kann. Auch zukünftig werden das Land Hessen sowie die weiteren Institutionen und
Organisationen mit vielfältigen Maßnahmen den Brexit-Prozess begleiten. Innerhalb der
Hessen Agentur und der Hessen Trade & Invest werden grundsätzlich alle Aktivitäten The-
menfelder übergreifend daraufhin überprüft, inwieweit sie dazu beitragen können, durch
den Brexit auftretende Herausforderungen zu bewältigen bzw. Chancen zu nutzen und in-
wieweit umgekehrt Maßnahmen durch den Brexit beeinflusst werden könnten.
13
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Das UK trat 1973 gemeinsam mit Irland und Dänemark der EU bei, die zum damaligen
Zeitpunkt aus den Gründungsstaaten Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg
und Niederlande bestand. In den folgenden Jahrzehnten und in mehreren Erweiterungsrun-
den haben sich insgesamt 28 Staaten innerhalb der EU organisiert. Durch den Brexit wird
voraussichtlich erstmals in der Geschichte der EU ein Mitgliedsland diese wieder verlassen.
Beim Referendum zum EU-Austritt stimmten Mitte 2016 insgesamt 51,9 % der Wähler im
UK für den Brexit, wobei die Ergebnisse in den vier Landesteile unterschiedlich waren:
Während in Schottland und Nordirland die Mehrheit der Wähler (62,0 % bzw. 55,8 %) für
den Verbleib in der EU votierten, stimmte in England 53,4 % und in Wales 52,5 % die Mehr-
heit für den Brexit.
Das UK erreicht hinsichtlich der Größe etwa 70 % der Fläche und mit 66 Mio. Einwohnern
knapp 80 % der Einwohnerzahl Deutschlands (vgl. Tabelle 2). Die Einwohnerdichte liegt
mit 269 Personen pro Quadratkilometer über dem Wert Deutschlands (229) und weit über
dem Wert für die gesamte EU (117). An der Einwohnerzahl gemessen ist das UK nach
Frankreich und Deutschland das drittgrößte EU-Mitglied. Durch den Brexit nimmt die Ein-
wohnerzahl der EU entsprechend um etwa 13 % ab – eine beachtliche Größenordnung, die
die Zäsur in der Geschichte der EU durch den Brexit unterstreicht.
Aufgrund des relativ niedrigen Durchschnittsalters im UK – der Median liegt mit 40 Jahren
nicht nur unter dem Wert für Deutschland mit fast 46 Jahren, sondern auch unter dem EU-
Durchschnitt von knapp 43 Jahren – und des vergleichsweise hohen Anteils jüngerer Men-
schen wird für die Bevölkerung ein Wachstum vorhergesagt. Prognosen gehen von einer
Bevölkerungszunahme um annähernd 5 Mio. Personen bis zum Jahr 2030 aus, während
für Deutschland eine bestenfalls stagnierende Entwicklung erwartet wird. Die Bevölke-
rungsentwicklung der letzten Jahre wird jeweils durch die Zuwanderung – eines der The-
5 Insofern ist die Gleichsetzung des UK mit Großbritannien nicht korrekt, da sich die Bezeichnung Großbritannien nur auf die Haupt-
insel bezieht.
6 Die Kanalinseln und die Isle of Man sind nicht Teil des UK, sondern direkt der britischen Krone unterstellt.
14
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
men schlechthin im Kontext mit dem Brexit – beeinflusst. Im Gegensatz zur o.g. Langfrist-
prognose lag der Bevölkerungszuwachs hierdurch zuletzt für Deutschland mit 0,8 % sogar
geringfügig höher als für das UK (0,7 %).
15
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Vereinigtes Europäische
Deutschland
Königreich Union
Das UK zählt als Mitglied der G7 zu den wirtschaftlich bedeutendsten Staaten weltweit und
weist eine weit zurückreichende Wirtschaftsgeschichte auf. Es ist das Mutterland der In-
dustrialisierung und hat die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahrhunderten zeitweise ge-
prägt. Letztlich ist hierdurch die englische Sprache die weltweit bedeutendste Sprache im
internationalen Geschäftsverkehr, was einen wichtigen Standortvorteil des UK darstellt.
Das UK gilt als offene, intensiv in das weltwirtschaftliche Geschehen eingebundene Volks-
wirtschaft mit hohem Liberalisierungsgrad, die international traditionell für Marktwirtschaft
und Freihandel eintritt.
Das UK erwirtschaftete im Jahr 2016 ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 2,65 Bill. US-Dol-
lar, was einem Anteil von 16,1 % am gesamten BIP der EU entspricht (vgl. Tabelle 3). Le-
diglich Deutschland hat mit 3,48 Bill. US-Dollar bzw. 21,1 % einen noch höheren Anteil.7
Sowohl das UK (40.400 US-Dollar) als auch Deutschland (42.200 US-Dollar) weisen ein
BIP je Einwohner auf, das klar über dem EU-Durchschnitt von 32.200 US-Dollar liegt. Für
das UK ist der mit 80,4 % äußerst hohe Beitrag des Dienstleistungssektors am BIP kenn-
zeichnend, der den entsprechenden Anteil in Deutschland (69,3 %) weit übersteigt.
7 Für diesen Vergleich wird die international übliche Vergleichseinheit US-Dollar herangezogen. Dabei ist zu beachten, dass die
jeweiligen Landeswährungen innerhalb der EU unterschiedliche Wechselkursentwicklungen aufweisen, wodurch sich der Anteil
eines Landes am gesamten BIP merklich verschieben kann.
16
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Vereinigtes Europäische
Deutschland
Königreich Union
Die differenziertere Gliederung der Wirtschaftsstruktur in Abbildung 3 zeigt, dass das Pro-
duzierende Gewerbe mit 14,0 % einen sehr geringen Anteil an der Bruttowertschöpfung
des Landes einnimmt. Zum Vergleich: In Deutschland ist der entsprechende Anteil mit
25,7 % annähernd doppelt so groß. Im Gegenzug fallen sämtliche dargestellte Dienstleis-
tungsbereiche zum Teil deutlich höher als in Deutschland aus. Ob man in diesem Kontext
den Niedergang der britischen Industrie beklagt, neutral vom Strukturwandel spricht oder
die große Bedeutung des britischen Finanzsektors hervorhebt, ist letztlich Ansichtssache.
Wie bereits erwähnt, liegt das nominale BIP des UK aktuell bei 2,65 Bill. US-Dollar. Seit der
Jahrtausendwende, als das BIP etwa 1,65 Bill. US-Dollar betrug, ist es damit um rund 60 %
angestiegen (vgl. Abbildung 4). Es ist damit nicht so stark gewachsen wie in Deutschland,
hier ist es im gleichen Zeitraum von 1,95 Bill. US-Dollar auf 3,48 Bill. US-Dollar, d. h. um
17
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
knapp 80 %, angestiegen. Für das UK ist eine deutliche Zunahme des nominalen BIP zwi-
schen 2001 und 2007 zu beobachten. Im Zuge der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise
ging das BIP in den Jahren 2008 und 2009 deutlich zurück. Nach der anschließenden Er-
holung sank das nominale BIP im Jahr 2015 und auch im Jahr 2016 wieder.
3.500
3.074 3.023
2.891 2.886
3.000 2.693 2.620 2.662 2.740 2.648
2.399 2.521 2.383 2.441
2.500
2.038
2.000 1.648 1.622 1.768
1.500
1.000
500
0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
Quelle: Weltbank, Darstellung der Hessen Agentur
Die Veränderungen des nominalen BIP in US-Dollar sind zu einem Teil Ergebnis von Wech-
selkurseffekten, d. h. auf die Schwankungen des Wechselkurses zwischen dem Britischen
Pfund und dem US-Dollar zurückzuführen (vgl. Abbildung 5). So wurde das kräftige Wachs-
tum ab 2001 durch den Wertzuwachs des Pfund Sterling gegenüber dem US-Dollar ge-
stützt. Die Ursache für den Rückgang in den Jahren 2008 und 2009 sowie am aktuellen
Rand des Untersuchungszeitraums liegt zu einem beträchtlichen Teil am Wertverlust des
Pfunds gegenüber dem US-Dollar.
Im Kontext des Brexit ist die Wechselkursentwicklung zwischen Euro und Britischem Pfund
von Interesse (vgl. ebenfalls Abbildung 5). Gegenüber dem Euro sank der Wert der briti-
schen Währung zwischen 2000 und 2009. Insbesondere in den Jahren 2003, 2008 und
2009 wertete das Britische Pfund kräftig gegenüber dem Euro ab. Während u.a. aufgrund
der Staatsschuldenkrise im Euroraum der Wert des Britischen Pfunds in den Jahren 2014
und 2015 stieg, nahm sein Wert im Vergleich zum Euro im Jahr 2016 auch als Folge der
Brexit-Entscheidung deutlich ab: Im Jahresdurchschnitt 2016 gegenüber 2015 hat das
Pfund um 11,4 % an Wert verloren. Die Abwertung hat sich 2017 (-6,9 %) fortgesetzt, so-
dass das Pfund Sterling zum Jahresende 2017 deutlich niedriger notiert als vor dem Refe-
rendum.
18
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Abbildung 5: Entwicklung des Wechselkurses von US-Dollar bzw. Euro pro Britisches Pfund
2000-2017
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
% Jährliche Änderung in % Wechselkurs Euro pro Britisches Pfund Euro pro
Britisches Pfund
20 2,0
11,1
10 7,0 5,4 1,5
3,9
2,0 0,3
0 1,0
-1,1 -0,8 -0,4 -1,2
-4,5
-10 -6,9 0,5
-9,1 -10,6 -11,4
-14,1
-20 0,0
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Quelle: Bank of England, Darstellung der Hessen Agentur
Ergänzend wird zur Beschreibung der wirtschaftlichen Entwicklung des UK das jährliche
Wachstum des realen BIP in Landeswährung herangezogen (vgl. Abbildung 6). Hierbei fin-
det keine Überlagerung durch Wechselkurseffekte statt und die Entwicklung wird preisberei-
nigt, d. h. die Inflationsrate berücksichtigt.
Das UK erlitt im Jahr 2009 im Zuge der weltweiten Krise einen starken Rückgang des realen
BIP von 4,2 %, der damit jedoch geringer ausfiel als etwa in Deutschland (-5,6 %). Dabei
ist zu berücksichtigen, dass im UK die weltweite Krise bereits im Jahr 2008 zu einem Rück-
gang von 0,5 % des BIP führte, während in Deutschland noch ein Zuwachs von 1,1 % er-
reicht wurde. Hierin dürfte sich sowohl die engere Verbindung vom UK zu den USA als auch
die höhere Bedeutung der Finanzwirtschaft im UK gegenüber Deutschland widerspiegeln,
sodass die vom Immobilien- und Finanzbereich in den USA ausgehende Krise das UK frü-
her erfasste. Im Hinblick auf die langfristige Entwicklung zeichnet sich die Wirtschaft des
UK durch ein stabiles und robustes Wachstum des realen BIP aus. Die jährlichen Zuwachs-
raten liegen seit Mitte der 1990er Jahre bis zur weltweiten Rezession jeweils um die 3 %.
19
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Diese Dynamik wurde in den letzten Jahren allerdings nicht mehr erreicht. Doch auch seit
2010 wird jedes Jahr ein BIP-Plus von rund 2 % ausgewiesen. Dies gilt auch für die Jahre
2016 (+1,9 %) und 2017 (+1,8%). Damit liegt das Wirtschaftswachstum im UK in den letzten
beiden Jahren in der gleichen Größenordnung wie in Deutschland, wo Wachstumsraten
von 1,9 % für 2016 und 2,2 % für 2017 zu Buche stehen. Der Wert für das jeweils letzte
Jahr ist allerdings erfahrungsgemäß noch etwas unsicher, da die Angaben vonseiten der
Statistik noch revidiert werden können. Von einem deutlichen Rückgang des BIP-Wachs-
tums infolge der Brexit-Entscheidung oder gar einem Einbruch der Wirtschaftsleistung kann
also bisher nicht die Rede sein. Die Auswirkungen auf das BIP dürften sich erst mittel- bis
langfristig zeigen.
5%
3,7% 3,3%
4% 3,1% 3,1%
3% 2,5% 2,5% 2,4% 2,5% 2,4% 2,3%
1,7% 1,5% 1,5% 2,1% 1,9% 1,8%
2%
1%
0%
-1% -0,5%
-2%
-3%
-4%
-5% -4,2%
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Quelle: Eurostat, Darstellung der Hessen Agentur
20
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
4.1 Außenhandel
2017 exportierte Hessen Güter im Wert von 4,1 Mrd. Euro in das UK. Dies entspricht einem
Anteil von 6,5 % an den hessischen Exporten weltweit. Das UK nimmt damit nach den USA,
Frankreich und den Niederlanden in der Rangliste der wichtigsten hessischen Exportmärkte
den vierten Rang ein.
Für Deutschland insgesamt lautet die Reihenfolge: VR China, Niederlande, USA, Frank-
reich und UK, d. h. Rang 5. Ergänzend sei ein Blick auf die Bedeutung des UK als Zielland
im Bundesländervergleich geworfen. Mit Abstand die größte Relevanz kommt dem UK im
Saarland zu, denn 13,7 % der saarländischen Exporte des Jahres 2017 fanden im UK einen
Abnehmer – gefolgt von der Hansestadt Bremen und Sachsen-Anhalt (jeweils 8,3 %). Am
anderen Ende der Rangliste liegt Brandenburg (3,4 %). Hessen rangiert im Bundesländer-
vergleich im Mittelfeld.
Die Produktgruppe der Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör stellt mit einem Wert von
annähernd 1,1 Mrd. Euro 26,7 % der gesamten hessischen Ausfuhr des Jahres 2017 in das
UK (vgl. Abbildung 7). Mehr als die Hälfte dieses Exports sind komplette Personenkraft-
wagen (640 Mio. Euro). Es ist davon auszugehen, dass es sich ganz überwiegend um Fahr-
21
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
zeuge von Opel8 handelt, die im UK unter dem Namen der Schwestermarke Vauxhall ver-
trieben werden. Somit wird ein beachtlicher Teil des hessischen Exports in das UK von
einem einzigen Unternehmen getätigt, was wiederum bedeutet, dass dort getroffene Unter-
nehmensentscheidungen auf den Export Hessens in das UK insgesamt „durchschlagen“
können. Darüber hinaus exportierte Hessen Kraftfahrzeugteile und -zubehör für 240 Mio.
Euro. Zudem traten 2017 Luftfahrzeuge bzw. -teile aus Hessen im Wert von 200 Mio. Euro
den Weg über den Ärmelkanal an. Die weiteren Positionen der Warengruppe Fahrzeuge,
Fahrzeugteile und -zubehör (z.B. Schienenfahrzeuge) sind in der Regel – so auch 2017 –
von untergeordneter Bedeutung. In einzelnen Jahren (Auslieferung von Großaufträgen)
kann es jedoch auch in diesen Segmenten zu beachtlichen Exportvolumina kommen.
Den zweiten Rang (19,5 %) nehmen chemische und pharmazeutische Erzeugnisse ein, die
2017 für 795 Mio. Euro in das UK geliefert wurden. Hiervon entfallen knapp zwei Drittel auf
Erzeugnisse der chemischen Industrie und knapp ein Drittel auf Pharmaprodukte. Wiede-
rum mit Abstand belegen elektrotechnische Erzeugnisse (479 Mio. Euro bzw. 11,7 %) Rang
drei der wichtigsten hessischen Exportgüter im Handel mit dem UK. Geräte der Elektrizi-
tätserzeugung und -verteilung stellen mit 192 Mio. Euro die größte Position dieser Ausfuh-
ren. Diese genannten drei wichtigsten Warengruppen vereinen 58,0 % aller Exporte Hes-
sens in das UK im Jahre 2017 auf sich.
8 Welche Auswirkungen der Eigentümerwechsel bei Opel auf die Export- wie auch auf die Importverflechtungen zwischen Hessen
und dem UK haben wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Hierbei wird auch die zukünftige Entwicklung der
Produktionsstandorte von Opel bzw. Vauxhall im UK in Ellesmere Port und Luton eine Rolle spielen. Für das Werk in Ellesmere
Port wurde Ende 2017 ein Stellenbau von 400 Arbeitsplätzen angekündigt, was einem Viertel der Belegschaft entspricht.
22
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Aufschlussreich ist auch der Vergleich der wichtigsten Exportgüter Hessens in das UK mit
den wichtigsten Exportgütern Hessens weltweit: Im Unterschied zum UK sind weltweit che-
mische und pharmazeutische Erzeugnisse die wichtigste Warengruppe – Ausdruck der
starken Stellung der hessischen Chemie- und Pharmabranche. 2017 stellten diese Erzeug-
nisse 27,7 % des hessischen Exports. Auf dem zweiten Rang folgen Maschinen aller Art
(11,3 %) vor Fahrzeugen, Fahrzeugteilen und -zubehör auf Platz drei (10,1 %).
Ein anderer Blickwinkel (vgl. Abbildung 8) unterstreicht die Rolle von Fahrzeugen. Über alle
Warengruppen hinweg entfallen – wie bereits angegeben – 6,5 % des hessischen Exports
2017 auf das UK. Betrachtet man den Anteil der UK-Exporte in den einzelnen Warengrup-
pen, so sind deutliche Unterschiede im Grad der Abhängigkeit mit dem UK festzustellen.
Die Warengruppe der Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör sticht hierbei deutlich her-
aus, denn 17,3 % des Exports dieser Güter haben UK als Abnehmermarkt. Die Bedeutung
des UK als Exportmarkt beträgt damit rund das Vierfache wie für chemische und pharma-
zeutische Erzeugnisse (4,5 %).
Abbildung 8: Hessischer Außenhandel mit dem UK: Bedeutung des UK für die TOP10-Exportgüter
2017
0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 10,0 12,0 14,0 16,0 18,0 20,0
Was zeigt der Blick auf die Bundesebene in der folgenden Abbildung 9? Auch beim Außen-
handel Deutschlands insgesamt mit dem UK liegt die Warengruppe der Fahrzeuge, Fahr-
zeugteile und -zubehör (36,1 %) mit klarem Vorsprung auf dem ersten Rang vor chemi-
schen und pharmazeutischen Erzeugnissen (12,5 %) sowie Maschinen aller Art (11,2 %).
Nicht nur für Opel ist das UK also ein bedeutender Markt, sondern ebenfalls für andere
deutsche Automobilhersteller und Zulieferer. Dies verdeutlicht die nach Bundesländern dif-
23
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
ferenzierte Betrachtung, denn bei der überwiegenden Mehrheit sind Fahrzeuge und Fahr-
zeugteile die wichtigste Exportwarengruppe im Handel mit dem UK. Nur für Berlin, Meck-
lenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein trifft dies nicht zu.
Abbildung 9: Außenhandel mit dem UK: Relative Bedeutung der wichtigsten Exportgüter 2017 (in %)
Hessen Deutschland
Insgesamt gesehen präsentiert sich der hessische Export in das UK – bezogen auf die drei
wichtigsten Warengruppen – damit ähnlich wie der deutsche Export in das UK, weicht aber
deutlich von der Exportgüterstruktur Hessens weltweit ab. Oder stark verkürzt formuliert:
Das Pendant zum hessischen „Exportschlager“ Chemie und Pharma im weltweiten Handel
sind im Warenaustausch mit dem UK Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör – mit Fokus
auf kompletten Fahrzeugen.
Abbildung 10 gibt die Entwicklung der hessischen Exporte in das UK in den letzten zehn
Jahren wieder, wobei die Betrachtung auf Besonderheiten und die letzten Jahre fokussiert.
Der globale Konjunktureinbruch 2008 / 2009 erfasste die britische Wirtschaft ebenso wie
die hessischen Unternehmen, die Exporte in das UK gingen massiv zurück. Sie belebten
sich allerdings schnell wieder, wozu der Aufwärtstrend des Pfunds über mehrere Jahre hin-
weg beigetragen haben dürfte. Die Jahre 2012 und 2013 verdeutlichen die große Bedeu-
tung des Automobilsektors für die Schwankungen der hessischen Exporte in das UK, denn
die Abnahme im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr ist weitestgehend auf dieses Segment
der hessischen Wirtschaft zurückzuführen. Umgekehrt dann im Jahr 2013: Der Export von
Personenkraftwagen über den Ärmelkanal hat sich mehr als verdoppelt, was wiederum auf
den gesamten hessischen Export dorthin durchschlägt.
24
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Die hessischen Exporte in das UK haben letztmalig 2014 kräftig zugenommen – das Plus
lag mit 14,2 % zudem deutlich über dem Anstieg der hessischen Exporte weltweit (+2,7 %).
Auf Bundesebene gilt dies auch noch für 2015 (+12,4 %). Aus hessischer Sicht verlief der
Export in Richtung UK in den Jahren 2015 und 2016 unbefriedigend: Es waren Rückgänge
um 5,3 % bzw. 10,1 % zu verzeichnen, womit sich die Entwicklung schwächer als bei den
hessischen Exporten insgesamt (+2,6 % bzw. -2,6 %) präsentiert. Für das Jahr 2017 steht
ein Mini-Plus von 0,8 % zu Buche – „besser als nichts“ könnte man angesichts der weiter
erfolgten Abwertung des Britischen Pfundes und dem entsprechenden Druck auf die preis-
liche Wettbewerbsfähigkeit der hessischen Produkte konstatieren. Die hessischen Exporte
weltweit haben 2017 ungeachtet der Euroaufwertung allerdings um 6,6 % zugenommen.
Im Bund stehen dem Rückgang der Exporte über den Ärmelkanal 2016 (-3,5 %) und 2017
(-1,8 %) Zuwächse um 0,9 % und 6,2 % des Exportes insgesamt gegenüber. Die ergän-
zende Betrachtung auf Bundesländerebene zeigt kein eindeutiges Bild: Bundesländer mit
Zuwächsen in der jüngsten Vergangenheit im Exportgeschäft mit dem UK stehen solchen
mit Rückgängen gegenüber.
Abbildung 10: Export zwischen Hessen / Deutschland und dem UK sowie insgesamt 2007-2017
Exportvolumen Hessens in das UK in Mrd. Euro Exportvolumen Deutschlands in das UK in Mrd. Euro
Jährliche Veränderung in % Jährliche Veränderung in %
6,0 100,0
4,7 4,5 79,2 89,0 85,984,4
3,6 3,7 3,9 4,2 4,0 4,1 69,8 64,2 65,6 70,8 71,3
4,0 3,1 3,5 3,5 53,2 58,7
50,0
2,0
0,0 0,0
in % 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 in % 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17
40,0 40,0
20,4 14,2
20,0 6,3 2,6 10,7 13,1 20,0 7,8 10,2 11,8 8,0 11,1 12,4
0,8 0,6
0,0 0,0
-20,0 -5,3 -10,1 -20,0 -8,0 -3,5 -1,8
-16,6 -11,7 -17,0
-40,0 -40,0
in % 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 in % 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17
40,0 40,0
19,2 18,5
20,0 9,7 3,8 8,1 6,6 20,0 8,1 2,0 11,5
3,0 2,7 2,6 3,0 3,3 6,2 0,9 6,2
0,0 0,0
-20,0 -0,2 -2,6 -20,0 -0,4
-15,6 -18,4
-40,0 -40,0
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur
25
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre ist das UK in der Rangliste der wichtigsten Ex-
portmärkte abgerutscht: Viele Jahre lang drittwichtigster Exportmarkt für die hessische Wirt-
schaft belegt das UK 2017 nur noch Rang 4. Aus Sicht Deutschlands insgesamt pendelte
das UK viele Jahre lang zwischen Rang 3 und 4 – 2017 ist es nur noch die Nummer 5.
Inwiefern dies bereits strategische Entscheidungen der hessischen Unternehmen im Hin-
blick auf den Brexit widerspiegelt – und damit auch langfristige Veränderungen in den Han-
delsbeziehungen einläutet – oder sich eher teils wirtschaftliche, teils rein statistische Effekte
der deutlichen Wechselkursänderung nach dem Brexit-Votum zeigen, ist noch nicht genau
zuzuordnen.
Es liegen zudem monatliche Angaben bis einschließlich Januar 2018 vor (vgl. Abbildung
11), d. h. auch Daten unmittelbar vor und nach der Entscheidung der britischen Bevölke-
rung für einen Brexit im Juni 2016 bzw. nach Einreichung des Austrittsantrags im März
2017. Diese unterjährigen Daten sollten jedoch nicht überbewertet werden – Zufallsschwan-
kungen spielen eine gewisse Rolle –, weshalb von einer detaillierten Interpretation einzel-
ner Monatswerte abgesehen werden sollte.
Abbildung 11: Export Hessens und Deutschlands in das UK Januar 2015 bis Januar 2018
(in Mio. Euro)
Mrz 16
Mrz 17
Jul 15
Jul 16
Jul 17
Jan 15
Mai 15
Jan 16
Mai 16
Jan 17
Mai 17
Jan 18
Sep 15
Sep 16
Sep 17
Nov 15
Nov 16
Nov 17
Mrz 16
Mrz 17
Jul 15
Jul 16
Jul 17
Jan 15
Mai 15
Jan 16
Mai 16
Jan 17
Mai 17
Jan 18
Sep 15
Sep 16
Sep 17
Nov 15
Nov 16
Nov 17
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur
26
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Die Handelsvolumina mit dem UK in den ersten Monaten nach dem Brexit-Votum wie auch
nach Einreichung des Austrittsantrags zeigen sowohl auf Hessen- als auch auf Bundes-
ebene insgesamt gesehen keine gravierenden Auffälligkeiten. So ist der Export weder stark
zurückgegangen oder etwa gar eingebrochen. In dieser kurzen Frist war dies jedoch auch
nicht zu erwarten. Zudem liegt die britische Wirtschaft keineswegs darnieder und auch der
Wert des Britischen Pfund ist nicht ins Bodenlose gefallen. Wechselkursschwankungen sind
im Übrigen kein neues Phänomen für die hessische Exportwirtschaft im Handel mit dem UK
– so manches größere Geschäft dürfte zudem gegen Währungsrisiken abgesichert sein.
Hinsichtlich der Entwicklung der Exporte auf Güterebene ist in den letzten drei Jahren –
hier dargestellt anhand der fünf wichtigsten Exportgütergruppen Hessens im UK-Handel
(vgl. Abbildung 12) – kein einheitliches Muster zu erkennen. So gingen 2016 die hessischen
Exporte dieser fünf Gütergruppen alle mehr oder weniger deutlich zurück, wobei die Band-
breite von einem verhältnismäßig geringen Rückgang um 2,9 % bei Eisen- und Metallwaren
bis zu einem kräftigen Minus von 14,5 % bei Fahrzeugen, Fahrzeugteilen und -zubehör
reicht. Es ist naheliegend, dies im Kontext der Brexit-Entscheidung zu sehen. Im Jahr 2017
hingegen waren jedoch zum Teil wieder kräftige Anstiege zu verzeichnen – wie etwa bei
elektrotechnischen Erzeugnissen (+16,5 %), was gegen negative Konsequenzen der Brexit-
Entscheidung zumindest in der kurzen Frist bei dieser Gütergruppe spricht. Für den Export
von Fahrzeugen, Fahrzeugteilen und -zubehör war jedoch auch 2017 ein schlechtes Jahr,
denn es steht erneut ein kräftiges Minus zu Buche (-14,9 %). Damit ist der Export dieser für
Hessen wichtigsten Warengruppe binnen zweier Jahre um mehr als ein Viertel (-27,2 %)
zurückgegangen. Zum Vergleich sei der Wert für Deutschland insgesamt angeführt: -8,3 %.
Abbildung 12: Export Hessens aus dem UK: Entwicklung der wichtigsten Exportgüter 2015-2017
-27,2
Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör -14,9
-14,5
-8,8
Chemische und pharmazeutische Erzeugnisse 0,5
-9,2
10,3
Elektrotechnische Erzeugnisse 16,5
-5,3
2,8
Maschinen 10,6
-7,1
11,1
Eisen- und Metallwaren 14,4
-2,9
-30 -20 -10 0 10 20
27
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Die hessische Wirtschaft importiert auch in beträchtlichem Ausmaß Güter aus dem UK. So
führte Hessen im Jahr 2017 Güter im Wert von insgesamt 3,7 Mrd. Euro aus dem UK ein,
was einem Anteil am gesamten hessischen Import von 3,9 % entspricht. Das UK nimmt
damit in der Rangliste der wichtigsten hessischen Bezugsländer den zehnten Rang ein.
Für Deutschland insgesamt ist es der elfte Rang. Wie stellt sich die Bedeutung des UK als
Bezugsland von Bundesland zu Bundesland dar? Am größten ist diese für Thüringen mit
einem Anteil an allen Importen des Landes von 9,1 %. Hessen rangiert im Mittelfeld, Sach-
sen-Anhalt bildet mit einem Anteil von 2,3 % das untere Ende der Rangliste.
Welche Güter bezieht Hessen in welchem Umfang aus dem UK? Klar an der Spitze stehen
chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, die im Jahr 2017 im Wert von 1,0 Mrd. Euro
– 605 Mio. Euro chemische Erzeugnisse und 401 Mio. Euro pharmazeutische Erzeugnisse
– aus dem UK bezogen wurden (vgl. Abbildung 13). Dies entspricht 27,8 % des gesamten
hessischen Imports aus dem UK. Rang zwei belegen Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zube-
hör (538 Mio. Euro bzw. Importanteil von 14,7 %). Hierunter stellen komplette Personen-
kraftwagen (330 Mio. Euro) vor Kraftfahrzeugteilen und -zubehör (73 Mio. Euro) den größ-
ten Anteil. Bei Personenkraftwagen ist aus hessischer Sicht in erster Linie an die Produkti-
onsstandorte von PSA / Opel in Ellesmere Port (zurzeit Astra) und Luton (zurzeit Vivaro) zu
denken. Aber auch bekannte britische Marken wie Jaguar, Land Rover und Mini sind anzu-
führen. Zwar nicht mehr eigenständig, produzieren diese jedoch zum Teil noch im UK. Den
dritten Platz im Ranking nehmen Maschinen aller Art ein (411 Mio. Euro bzw. 11,3 %).
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1.000 1.100 1.200
28
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Damit sind zwei der wichtigsten Warengruppen der hessischen Importe aus dem UK in
Relation zur Importstruktur Hessens im weltweiten Handel überproportional ausgeprägt:
Bezogen auf alle Importe Hessens 2017 belaufen sich die Anteile für chemische und phar-
mazeutische Erzeugnisse nämlich auf 13,5 % (Rang 2) und für Fahrzeuge, Fahrzeugteile
und -zubehör auf 10,8 % (Rang 3). Spitzenreiter bei den hessischen Einfuhren insgesamt
sind elektrotechnische Erzeugnisse (16,6 %), während dieser Anteil beim hessischen Im-
port aus dem UK nur bei 4,9 % liegt – elektrotechnische Erzeugnisse werden zum erhebli-
chen Teil aus Asien bezogen.
Eine alternative Darstellung bietet die Abbildung 14. Sie verdeutlicht, dass vor allem für die
chemischen und pharmazeutischen Erzeugnisse, aber auch für Fahrzeuge, Fahrzeugteile
und -zubehör der britische Markt ein sehr wichtiger Importmarkt ist. Über alle Warengrup-
pen hinweg wurden – wie bereits angeführt – 3,9 % aller hessischen Importe 2017 aus dem
UK bezogen. Für Chemie und Pharma ist der Anteil mit 8,0 % aber mehr als doppelt so
hoch, und auch für Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör (5,9 %) deutlich überdurch-
schnittlich.
Abbildung 14: Hessischer Außenhandel mit dem UK: Bedeutung des UK für die TOP10-Importgüter
2017
0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 6,0 7,0 8,0 9,0 10,0
Der Vergleich mit den Importen aus dem UK auf Bundesebene (vgl. Abbildung 15) zeigt,
dass für Deutschland insgesamt Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör die wichtigsten
Importgüter aus dem UK sind (24,3 %), während die chemischen und pharmazeutischen
Erzeugnisse (16,0 %) den zweiten Rang belegen, d. h. die Reihenfolge ist im Bund umge-
kehrt im Vergleich zu Hessen.
29
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Abbildung 15: Außenhandel mit dem UK: Relative Bedeutung der wichtigsten Importgüter 2017 (in %)
Hessen Deutschland
Abbildung 16 gibt die Entwicklung der hessischen Importe aus dem UK der letzten zehn
Jahre wieder, wobei die Betrachtung auf Besonderheiten und die letzten Jahre fokussiert.
Die Entwicklung des hessischen Importvolumens im Handel mit dem UK verlief bis 2012
weitgehend parallel zur Bundesebene. Während für Deutschland insgesamt in den Folge-
jahren die Importe aus dem UK sukzessive zurückgingen, fand für Hessen der Rückgang
schlagartig im Jahr 2013 statt. Der regelrechte Einbruch der hessischen Importe von 2012
auf 2013 ist wesentlich auf die Automobilindustrie zurückzuführen, denn die Einfuhren von
Fahrzeugen, Fahrzeugteilen und -zubehör haben sich mehr als halbiert. Hierbei dürfte es
sich sozusagen um das Gegenstück des weiter oben aufgezeigten massiven Exportan-
stiegs im gleichen Zeitraum handeln. Offenbar wurde die Produktion im UK, die Hessen
zum Teil importierte, zugunsten der Produktion in Hessen, die zum Teil in das UK exportiert
wird, zurückgefahren.
In den Jahren 2015 (+0,6 %) und 2016 (-1,8 %) veränderten sich die hessischen Importe
aus dem UK nur wenig. Für 2017 steht hingegen eine kräftige Zunahme der Importe
(+12,7 %) zu Buche – stärker als auf Bundesebene (+4,2 %) und auch stärker als die Zu-
nahme der hessischen Importe insgesamt (+8,5 %). Der zusätzliche Blick auf die Bundes-
länderebene zeigt kein eindeutiges Bild: Bundesländer mit einem Anstieg der Importe aus
dem UK in der jüngsten Vergangenheit stehen solchen mit Rückgängen gegenüber. Dies
spricht gegen eine große Bedeutung der Abwertung des Pfunds für diese Entwicklung.
30
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Abbildung 16: Import zwischen Hessen / Deutschland und dem UK sowie insgesamt 2007-2017
Importvolumen Hessens aus dem UK in Mrd. Euro Importvolumen Deutschlands aus dem UK in Mrd. Euro
Jährliche Veränderung in % Jährliche Veränderung in %
6,0 60,0
4,5 4,4 4,7 4,6 44,7 41,5
4,0 42,0 41,6 39,5 38,5 38,4
3,5 3,4 3,3 3,3 3,3 3,7 37,9 35,737,1
4,0 40,0 32,5
2,0 20,0
0,0 0,0
in % 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 in % 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17
40,0 40,0
15,5 17,8 12,7 16,9 18,0
20,0 20,0 2,8 4,2
0,6
0,0 0,0
-0,9 -2,1 -1,8 -0,8 -0,3
-20,0 -2,7 -4,6 -20,0 -7,3 -4,8 -2,3 -7,2
-40,0 -21,8 -24,9 -40,0 -22,1
in % 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 in % 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17
40,0 40,0
16,8 13,2 19,9
8,5 13,2
20,0 4,6 1,9 1,5 1,2 1,9 3,7 3,5 20,0 4,9 4,7 2,2 4,3 0,6 8,3
0,0 0,0
-20,0 -20,0 -0,3 -1,0
-15,0 -17,5
-40,0 -40,0
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur
Ungeachtet dieses kräftigen Importzuwachses im Jahr 2017 ist die Bedeutung des UK als
Bezugsland für die hessische Wirtschaft weiter gesunken. 2015 belegte das UK noch Rang
9, 2017 ist es nur noch Rang 10. Dies gilt auch aus Sicht des Bundes (2015: Rang 9, 2017:
Rang 11). Der Blick weiter zurück macht jedoch deutlich, dass damit lediglich ein bereits
seit vielen Jahren bestehender Trend seine Fortsetzung erfahren hat. Vor zehn Jahren wur-
den noch 6,8 % (Rang 6) der gesamten hessischen Importe (Deutschland: 5,5 %, ebenfalls
Rang 6) aus dem UK bezogen. 2017 beläuft sich der Anteil für Hessen nur noch auf 3,9 %,
für Deutschland auf noch 3,6 %.
Abbildung 17 bildet die monatliche Entwicklung der Importe aus dem UK von Januar 2015
bis Januar 2018 ab. Wie bereits bei der Betrachtung der Monatszahlen für den Export, so
lassen sich auch beim Import keine Auffälligkeiten – etwa ein regelrechter Einbruch oder
ein kontinuierlicher Rückgang – im Hinblick auf den Zeitpunkt des Brexit-Votums im Juni
2016 oder die Abgabe des Austrittsantrags im März 2017 feststellen. Dies gilt für die hes-
sischen Importe wie auch für die Importe Deutschlands insgesamt aus dem UK.
31
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Abbildung 17: Import Hessens und Deutschlands aus dem UK Januar 2016 bis Januar 2018
(in Mio. Euro)
300
200
100
0
Mrz 15
Mrz 16
Mrz 17
Jul 15
Jul 16
Jul 17
Jan 15
Mai 15
Jan 16
Mai 16
Jan 17
Mai 17
Jan 18
Sep 15
Sep 16
Sep 17
Nov 15
Nov 16
Nov 17
Import aus dem UK in Deutschland
4.000
3.000
2.000
1.000
0
Mrz 15
Mrz 16
Mrz 17
Jul 15
Jul 16
Jul 17
Jan 15
Mai 15
Jan 16
Mai 16
Jan 17
Mai 17
Jan 18
Sep 15
Sep 16
Sep 17
Nov 15
Nov 16
Nov 17
Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Statistisches Bundesamt, Darstellung der Hessen Agentur
Auf der Ebene der wichtigsten hessischen Importgüter im Handel mit dem UK liegt der Ent-
wicklung der letzten drei Jahre ein ausgesprochen heterogenes Bild zugrunde, wie aus Ab-
bildung 18 hervorgeht. Dies macht es unmöglich, etwa die Abwertung des Britischen Pfunds
– und damit den Brexit – als Ursache der insgesamt gesehen gestiegenen Importe Hessens
aus dem UK ins Feld zu führen. Es dürfte sich vielmehr um eine Mischung unterschiedlichs-
ter branchen- bzw. güterspezifischer Bestimmungsgründe handeln. Hervorzuheben ist die
Warengruppe der Halbwaren. Unter dieser Bezeichnung wird eine Vielzahl unterschied-
lichster Güter zusammengefasst, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie in punkto
Bearbeitungsgrad zwischen Rohstoffen einerseits und Fertigwaren andererseits anzusie-
deln sind. Die massive Zunahme des Importes derartiger Halbwaren aus dem UK nach
Hessen 2017 gegenüber 2016 (+156,4 %) ist maßgeblich auf die Einfuhr von Gold für ge-
werbliche Zwecke zurückzuführen.
32
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Abbildung 18: Import Hessen aus UK: Entwicklung der wichtigsten Importgüter 2015-2017
10,4
Chemische und pharmazeutische Erzeugnisse 21,9
-9,4
-2,5
Fahrzeuge, Fahrzeugteile und -zubehör -12,4
11,3
-14,7
Maschinen -1,7
-13,2
27,6
Halbwaren 156,4
-50,2
-6,8
Feinmechanische und optische Erzeugnisse -6,1
-0,7
-100 -50 0 50 100 150 200
4.2 Direktinvestitionen
Datengrundlage ist die Statistik der Bestandserhebung über Direktinvestitionen (FDI) der
Deutschen Bundesbank. Als Direktinvestitionen gelten dabei gemäß internationaler Kon-
33
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Aus der Definition kann zudem abgeleitet werden, dass diese das Verständnis von Direkt-
investitionen als Schaffung von Realkapital – idealtypisch die Errichtung einer Produktions-
stätte auf der sprichwörtlichen grünen Wiese („greenfield investment“) – zwar einschließt,
aber deutlich weiter angelegt ist. Wird etwa ein hessisches Unternehmen von einem briti-
schen Investor übernommen oder investiert ein Unternehmen aus Hessen in Finanzanla-
gen im UK, so handelt es sich um eine Direktinvestition, ohne dass Realkapital geschaffen
wurde. Auch können Direktinvestitionen durch so genannte „reverse investments“ negative
Werte annehmen. Dies kann zum Beispiel dann geschehen, wenn ein im UK ansässiges
Tochterunternehmen der Mutter in Hessen einen Kredit gewährt. Schließlich ist zu beach-
ten, dass etwa das asiatische Unternehmen in Frankfurt, das zur in London ansässigen
Europazentrale des Unternehmens gehört, in der Statistik als Direktinvestition aus dem UK
ausgewiesen wird.
34
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Hessen
Deutschland
35
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
des Bankensektors. So entfallen 18,8 Mrd. des 20,9 Mrd. Euro umfassenden Direktinvesti-
tionsbestands Ende 2015 im UK auf den hessischen Bankensektor. Mit großem Abstand
folgen die Beteiligungsgesellschaften ohne Managementfunktion (1,2 Mrd. Euro). Diese
könnte man durchaus auch dem Finanzbereich im weiteren Sinne zuordnen, womit dieser
nochmals an Relevanz gewönne. Alle weiteren Teile der hessischen Wirtschaft sind von
klar nachgeordneter Bedeutung.
Die Fokussierung auf den Finanz- und Versicherungssektor hat auch hinsichtlich der Inves-
titionsobjekte der hessischen Investoren im UK Gültigkeit, denn 19,3 Mrd. entfallen auf den
dortigen Finanz- und Versicherungsbereich – davon 16,2 Mrd. Euro auf Banken. Weitere
1,9 Mrd. Euro sind dem Finanzsegment „Treuhand- und sonstige Fonds und ähnliche Fi-
nanzinstitutionen; Sonstige Finanzierungsinstitutionen“ zuzuordnen.
Die Bedeutung des Finanzplatzes Frankfurt Rhein / Main schlägt sich naturgemäß auch in
den Direktinvestitionen Hessens insgesamt nieder. So zeichnet der hessische Finanzsektor
für 100,1 Mrd. Euro bzw. knapp 60 % des 169,7 Mrd. Euro umfassenden Direktinvestitions-
bestands Hessens weltweit verantwortlich. Die Gegenüberstellung von UK und der Welt
verdeutlicht aber auch, dass der hessische Finanzsektor keineswegs nur im UK investiert:
Auf das UK entfallen „nur“ rund 20 % der Direktinvestitionen dieses Teils der hessischen
Wirtschaft. Noch vor dem UK sind hier die USA zu nennen.
Was für die britischen Direktinvestitionen in Hessen insgesamt gilt, trifft auch für die UK-
Investitionen in den hessischen Finanz- und Versicherungsbereich zu: Mit insgesamt
4,2 Mrd. Euro – darunter: 2,4 Mrd. in Beteiligungsgesellschaften ohne Managementfunk-
tion, 1,8 Mrd. Euro in den Bankensektor – fallen diese niedriger aus als die entsprechenden
Direktinvestitionen Hessens im UK. Doch nicht nur dem Finanz- und Versicherungsbereich,
sondern auch einer Branche der sogenannten Realwirtschaft – und zwar dem Handel
(940 Mio. Euro) – kommt eine wichtige Rolle als hessische Investitionsobjekte für britische
Investoren zu. Somit sind die britischen Investitionen in Hessen breiter aufgestellt als um-
gekehrt die hessischen Investitionen im UK. Nur gut 10 % der Direktinvestitionen in den
hessischen Finanzsektor wurden von dem UK getätigt – ein Anteil, der sich im Zuge des
Brexit und daraus resultierender Verlagerungen von Unternehmensaktivitäten in Richtung
Finanzplatz Frankfurt Rhein / Main durchaus ändern könnte.
36
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Tabelle 5: FDI aus Hessen im UK und aus dem UK in Hessen nach ausgewählten Wirtschafts-
zweigen* 2015 (Bestände zum Jahresende)
in Mio. Euro
* Auswahl gemäß der Bedeutung für die Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Hessen und dem UK
x Angaben aufgrund der Geheimhaltung von Einzelangaben nicht veröffentlicht
Quelle: Deutsche Bundesbank (vorläufige Angaben)
Zur Abrundung der Betrachtung sei ein Blick auf die Bundesebene (vgl. Tabelle 6) gewor-
fen. Der Vergleich mit Hessen zeigt, dass die Struktur der Direktinvestitionen nach Wirt-
schaftszweigen deutlich von der in Hessen abweicht: Zwar kommt auf Bundesebene dem
Finanzbereich ebenfalls eine wesentliche Rolle als Investor bzw. als Investitionsobjekt zu,
doch die so genannte Realwirtschaft ist im Vergleich zu Hessen wesentlich bedeutender.
Als Beispiel ist der Sektor Information und Kommunikation anzuführen, der für die britischen
37
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Direktinvestitionen in Deutschland mit 9,8 Mrd. Euro bedeutender als der Bankensektor
(4,0 Mrd. Euro) ist, oder das Verarbeitende Gewerbe, deren Direktinvestitionen im UK in
Höhe von 21,5 Mrd. Euro denen des Bankensektors (21,7 Mrd. Euro) entsprechen.
Tabelle 6: FDI aus Deutschland im UK und aus dem UK in Deutschland nach ausgewählten
Wirtschaftszweigen* 2015 (Bestände zum Jahresende)
in Mio. Euro
* Auswahl gemäß der Bedeutung für die Direktinvestitionsverflechtungen zwischen Hessen und dem UK
Quelle: Deutsche Bundesbank (vorläufige Angaben)
38
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Die Tragweite des Brexit und die Dimension dieser Entwicklung für die EU ziehen eine
intensive Beschäftigung mit diesem Thema auf vielen Ebenen nach sich. Experten aus Po-
litik, Wirtschaft und Wissenschaft widmen sich dem Brexit und nehmen seine Auswirkungen
aus verschiedenen Blickwinkeln unter die Lupe. In diesem Kapitel wird ein Ausschnitt der
weitläufigen Untersuchungen und Positionen präsentiert. Dabei erfolgt eine Fokussierung
auf die bedeutendsten Beiträge im Hinblick auf die Auswirkungen des Brexit auf die hessi-
sche Wirtschaft.
Die Auswirkungen des Brexit lassen sich zeitlich in zwei Bereiche trennen. Kurzfristige Aus-
wirkungen treten noch vor dem eigentlichen Brexit – d. h. seit dem Referendum bzw. wäh-
rend der Verhandlungsphase – auf. Zur Größenordnung dieser Auswirkungen wurden kurz
nach dem Brexit-Referendum erste spezifische Berechnungen veröffentlicht bzw. gängige
Konjunkturprognosen angepasst. Die OECD prognostizierte in einer Studie, dass das reale
BIP – kumuliert ab dem Referendum bis 2018 – in der EU um 1,1 % unter dem Wert liegt,
9 Sowohl die Zusammenstellung der ökonomischen Studien als auch der Befragungen führt die Ergebnisse der letztjährigen Unter-
suchung fort.
10 Vgl. Busch, Matthes (2016).
39
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
der bei einer Entscheidung zum Verbleib in der EU erreicht worden wäre.11 Die kurzfristigen
Auswirkungen treten in der aktuellen Diskussion allerdings immer mehr in den Hintergrund
und man konzentriert sich stattdessen in noch höherem Maß auf die potenziellen langfristi-
gen Folgen, d. h. nach dem vollzogenen Brexit. Im Vergleich zu den kurzfristigen Auswir-
kungen während der Verhandlungsphase sind die in verschiedenen Studien berechneten
langfristigen Folgen naturgemäß deutlich höher. Aufgrund der Ungewissheit über das Er-
gebnis der Brexit-Verhandlungen werden in langfristigen Prognosen oft verschiedene
Brexit-Szenarien – von einem harten Brexit ohne Abkommen bis hin zu einer Mitgliedschaft
des UK im EWR – betrachtet. In den gängigen ökonometrischen Modellen sind die negati-
ven Auswirkungen umso größer, je stärker sich das UK von der EU entfernt, d. h. je härter
der Brexit ist. Tabelle 7 enthält einen Überblick zu ausgewählten Analysen der ökonomi-
schen Konsequenzen des Brexit. Die Zusammenstellung konzentriert sich auf Untersu-
chungen, die Ergebnisse für Auswirkungen auf Deutschland bzw. auf regionaler Ebene in-
nerhalb Deutschlands beinhalten.
Drei der aufgeführten Studien sind kurz vor dem Brexit-Referendum veröffentlicht worden.
Den Studien der Bertelsmann Stiftung und von Euler Hermes liegen Simulationsanalysen
makroökonomischer Modelle zugrunde. Dabei werden die potenziellen Auswirkungen des
Brexit für verschiedene Szenarien berechnet. Die Studie der Bertelsmann Stiftung kommt
in der langfristigen Betrachtung zu dem Ergebnis, dass das reale BIP pro Einwohner in
Deutschland im Jahr 2030 gegenüber dem Referenzszenario ohne Brexit um 0,1 % bis
0,3 % (statische Betrachtung) bzw. um 0,3 % bis 2 % (dynamische Betrachtung) niedriger
liegt.12 In der Untersuchung von Euler Hermes liegt das reale BIP-Wachstum Deutschlands
um 0,2 bis 0,4 % niedriger. Die Effekte beziehen sich ebenfalls auf das Jahr 2030, da in
Simulationsstudien von einer Anpassungszeit von 10 bis 12 Jahren ausgegangen wird.13
Die Studie von Standard & Poor‘s beruht auf der Bildung eines Index der derzeitigen wirt-
schaftlichen Beziehungen (z.B. Export, FDI) zwischen dem UK und anderen Ländern und
leitet daraus den Grad der Betroffenheit ab. Die Daten werden zu diesem Zweck zu einem
Index-Wert zusammengefasst. Deutschland liegt hiernach unter den 20 durch den Brexit
am stärksten betroffenen Ländern im Mittelfeld, da in einer relativen Betrachtung andere
Staaten noch deutlich enger mit dem UK verflochten sind.14
Mitte 2017 erschien eine Untersuchung des ifo-Instituts im Auftrag des Bundeswirtschafts-
ministeriums zu den Brexit-Effekten. Durch den Einsatz eines Gravitationsmodells wird in
der Studie der handelsschaffende Effekt der verschiedenen Integrationsschritte der EU,
d. h. die Mitgliedschaft in der EU, in der Europäischen Zollunion, im Schengenraum und in
der EURO-Zone, berechnet. Diese gehen in ein allgemeines Gleichgewichtsmodell zur Si-
mulation der Wachstumseffekte für acht verschiedene Brexit-Szenarien ein. Das reale BIP
40
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Im Dezember 2017 veröffentlichten Chen et al. eine Analyse zum Brexit nicht nur auf nati-
onaler, sondern auf regionaler Ebene. Die Autoren legen die europäischen NUTS-2-Regi-
onen16 zu Grunde, sodass Ergebnisse für die drei hessischen Regierungsbezirke vorliegen.
Allerdings werden nicht die direkten Auswirkungen betrachtet, sondern über internationale
Input-Output-Beziehungen lediglich der Anteil der regionalen Bruttowertschöpfung ermittelt,
der von wirtschaftlichen Austauschbeziehungen mit dem UK abhängig ist. Die Anteile dür-
fen daher nicht als tatsächlicher BIP-Rückgang im Falle eines Brexit interpretiert werden.
Der Anteil dieser potenziell gegenüber Brexit-Effekten anfälligen Bruttowertschöpfung liegt
für Deutschland insgesamt bei 5,5 %. Nach dem UK (12,2 %) und Irland (10,1 %) ist dies
der höchste Wert unter den betrachteten EU-Ländern. Der Regierungsbezirk Darmstadt
liegt mit 5,7 % geringfügig über dem Bundesdurchschnitt, während der Regierungsbezirk
Kassel mit 5,5 % genau im und der Regierungsbezirk Gießen mit 5,4 % knapp unter dem
Bundesdurchschnitt liegen. Der größte Anteil der betroffenen Bruttowertschöpfung entfällt
auf das Produzierende Gewerbe (RB Darmstadt: 16,2 %, RB Kassel: 14,0 %, RB Gießen:
13,5 %). Die jeweils betroffenen BWS-Anteile liegen in den hessischen Regierungsbezirken
für den primären Sektor zwischen 4,6 % und 5,5 %, im Baugewerbe zwischen 0,6 % und
1,8 % und im Dienstleistungssektor zwischen 2,8 % und 3,6 %.17
Eine weitere regionale Analyse wurde Ende März 2018 durch den Europäischen Ausschuss
der Regionen veröffentlicht. Die Untersuchung beinhaltet eine statistische Analyse der Han-
delsströme mit dem UK bezogen auf den Handel der einzelnen Staaten nach Gütergruppen
weltweit. Regionalisierte Ergebnisse werden ermittelt, indem die Beschäftigtenanteile der
Regionen in den am stärksten durch den Brexit betroffenen Branchen berechnet werden.
Damit wird der „Brexit Regional Exposure Index“ (BREI) gebildet, um den Grad der Betrof-
fenheit einzelner Regionen insgesamt und in verschiedenen Branchen zu ermitteln. Der
BREI nimmt Werte von 0 bis 3 an, wobei die Regionen umso stärker betroffen sind, je höher
der Wert ist. Deutschland ist insgesamt relativ stark den Brexit-Folgen ausgesetzt, was ins-
besondere auf die Bedeutung des UK für die deutsche Automobilindustrie zurückzuführen
ist. Die höchsten Indexwerte erreichen einige süddeutsche Regionen mit starkem Fokus
auf den Fahrzeugbau wie Stuttgart und Niederbayern. In Hessen erreichen die Regierungs-
bezirke Darmstadt und Gießen den Index-Wert 1 und der Regierungsbezirk Kassel den
Indexwert 2. Der Fahrzeugbau hat für Nordhessen ein relativ hohes Gewicht, wodurch sich
41
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
der höhere BREI-Wert erklärt. Auf Branchenebene sind in der Studie Daten für den Fahr-
zeugbau und den Maschinenbau für Hessen verfügbar. Im Maschinenbau ist der Regie-
rungsbezirk Gießen demnach vergleichsweise anfällig für potenzielle Brexit-Folgen.18
The continental divide? Eco- Ökonomische Effekte eines Assessing the impact of the
nomic exposure to Brexit in Brexit auf die deutsche und UK’s withdrawal from the EU
Titel der Veröffentlichung
regions and countries on both europäische Wirtschaft on regions and cities in EU27
sides of The Channel
Mit Hilfe von Input-Output- Bestimmung der handelsschaf- Anhand der derzeitigen Export-
Daten wird die Exposition der fenden Effekte des EU-Binnen- beziehungen mit dem UK auf
Länder/Regionen gegenüber marktes, woraus für verschie- nationaler Ebene und den Be-
Brexit-Effekten bestimmt. dene Brexit-Szenarien Effekte schäftigtenanteilen in verschie-
Methodik Hierzu wird der vom Export auf das reale BIP berechnet denen Branchen auf regionaler
in das UK abhängige Wert- werden. Ebene wird der Brexit Regional
schöpfungsanteil einer Exposure Index gebildet.
Region auf das regionale
BIP bezogen.
5,5 % des BIP Deutschlands Freihandelsabkommen nach Deutschland ist relativ großen
können Brexit-Folgen ausge- dem Modell des EWR zwi- Risiken durch den Brexit aus-
setzt sein, Deutschland ist schen EU und UK: gesetzt. Die hessischen Regie-
nach Irland (10,1 %) und dem UK: -0,4% BIP rungsbezirke liegen dabei im
UK (12,2 %) in der EU am Deutschland: -0,06% BIP Mittelfeld. Für den Regierungs-
stärksten durch den Brexit WTO-Szenario, harter Brexit: bezirk Kassel liegen die Risi-
betroffen. UK: -1,73% BIP ken vor allem im Fahrzeugbau,
In Hessen liegt der Regie- Deutschland: -0,23% BIP für den Regierungsbezirk Gie-
rungsbezirk Darmstadt mit Die Auswirkungen in den übri- ßen im Bereich Maschinenbau.
5,7 % über und die Regie- gen Szenarien liegen zwischen
rungsbezirke Gießen und diesen beiden Extrempunkten.
Kassel mit 5,4 % bzw. 5,5 % Deutschland liegt etwa im
knapp unter bzw. im Bundes- Schnitt der EU-Länder.
Zentrale Aussagen und durchschnitt. In Deutschland sind die
ausgewählte Ergebnisse Insb. das Produzierende Ge- Pharma-, Kfz-, und Maschinen-
werbe ist gegenüber Brexit- bausektoren mit Wertschöp-
Folgen anfällig (RB DA fungsverlusten von jeweils bis
16,2 %, RB GI 13,5%, RB KS zu 3 % am stärksten betroffen.
14,0%). Im Dienstleistungs- Der Finanzsektor kann dage-
sektor (RB DA 3,6 %, RB GI gen bis zu 0,7 % Zuwachs er-
2,8%, RB KS 2,9 %), im Bau- reichen.
gewerbe (RB DA 1,8 %, RB
GI 0,7%, RB KS 0,6 %) und
im primären Sektor (RB DA
5,5 %, RB GI 5,0%, RB KS
4,6 %) sind die für Brexit-
Folgen anfälligen Wertschöp-
fungsanteile niedriger.
42
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Fortsetzung Tabelle 7: Studien zu den Auswirkungen des Brexit auf Deutschland im Überblick
Who Has The Most To Brexit: What does it mean for Brexit – Mögliche wirtschaftliche
Lose From Brexit? Introduc- Europe? Folgen eines britischen EU-Aus-
Titel der Veröffentlichung
ing The Brexit Sensitivity In- tritts
dex
Unter den zwanzig am Nach den Niederlanden, Irland Deutschland: Reales BIP pro
stärksten für potenzielle und Belgien ist Deutschland am Einwohner im Jahr 2030 um
Brexit-Folgen anfälligen stärksten betroffen. Im weichen -0,1 % bis -0,3 % niedriger
Ländern rangiert Deutsch- (harten) Szenario wird ein Rück- (statische Betrachtung) bzw. um
land im Mittelfeld. Am gang des realen BIP-Wachs- -0,3 % bis -2 % niedriger (dyna-
stärksten betroffen sind tums um -0,2 Prozentpunkte mische Betrachtung). Am
Irland, Malta, Luxemburg, (-0,4 Prozentpunkte) erwartet. stärksten betroffen ist der Fahr-
Zypern und Schweiz. Die Warenexporte gehen kumu- zeugbau, daneben auch die
Zentrale Aussagen und liert von 2017-19 um 5,2 Mrd. Elektronikbranche, die Metaller-
ausgewählte Ergebnisse Euro (6,8 Mrd. Euro) zurück. zeugung und die Lebensmittel-
Besonders betroffen sind Fahr- branche.
zeugbau, Maschinenbau und
chemische Industrie. Im Modell
werden zudem Rückgänge von
Dienstleistungsexporten, FDI
und ein Anstieg von Unterneh-
mensinsolvenzen durch den
Brexit prognostiziert.
Zudem werden in der Studie ausgewählte Regionen als qualitative Fallbeispiele ausgewer-
tet. Hessen ist eine von sieben europäischen Regionen, die explizit betrachtet werden.
Grundlage dieses Abschnitts sind die Ergebnisse der letztjährigen Studie der Hessen Agen-
tur. Weitere betrachtete Regionen sind die vergleichsweise stark auf das UK ausgerichteten
Küstenregionen in Frankreich (Bretagne und Hauts-de-France) und in Belgien (Flandern),
zwei stark durch Emigration in Richtung des UK geprägte polnische Regionen (Malopolskie
43
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
und Lubelskie) sowie die durch die Grenze zu Gibraltar betroffene spanische Region La
Línea de la Concepción.
Neben den Aufwendungen für Zollanmeldungen kommen auch Zollzahlungen und andere
nicht-tarifäre Handelsbarrieren wie etwa doppelte Zulassungsverfahren beim Brexit auf die
Unternehmen zu. Die Beratungsunternehmen Clifford Chance und Oliver Wyman berech-
nen in einer Studie hierfür Kosten von 32 Mrd. Euro jährlich für die Unternehmen im UK –
auf Grundlage des WTO-Szenarios. Für die Unternehmen aus der EU 27 belaufen sich
diese Kosten auf etwa 37 Mrd. Euro jährlich, wovon auf deutsche Unternehmen mit 9 Mrd.
Euro der größte Anteil entfällt. Die Belastung ist für einzelne Branchen unterschiedlich.
Stark betroffen sind der Automobilsektor, Chemie und Kunststoff, Konsumgüter und Ma-
schinenbauprodukte sowie landwirtschaftliche Produkte und Nahrungsmittel.20
Für den Finanzplatz Frankfurt sind insbesondere Betrachtungen zu den Brexit-Effekten der
Finanzwirtschaft interessant. Aufgrund gesetzlicher, aufsichtsrechtlicher Vorgaben sind
viele Tätigkeiten in diesem Sektor an einen Sitz in der EU gebunden, sodass Finanzdienst-
leister, die bisher vom Finanzplatz London aus die gesamte EU bedient haben, nach dem
Brexit möglicherweise ein Tochterunternehmen in der EU 27 gründen bzw. bestehende Nie-
derlassungen erweitern müssen. In verschiedenen Analysen wird der Effekt für den Finanz-
platz Frankfurt durch potenzielle Verlagerungen berechnet. Nach dem Brexit-Referendum
veröffentlichte die Hessische Landesbank (Helaba) Analysen, nach der über einen Zeitraum
von mehreren Jahren in Frankfurt rund 8.000 zusätzliche Arbeitsplätze durch den Brexit
entstehen. Der Brexit-Effekt wirkt damit den Effekten der Konsolidierung entgegen, in der
44
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
sich die Branche derzeit befindet. Für das Jahr 2019 prognostiziert die Helaba einen Net-
tozuwachs von rund 2.600 Stellen bzw. 4 % auf 65.000.22
Der hohen Zahl von Analysen und Modellrechnungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen
des Brexit stehen eine Reihe von Unternehmensbefragungen zur Seite.24 Die nachfolgende
Übersicht in Tabelle 8 zeigt eine chronologisch geordnete Auswahl von Unternehmensbe-
fragungen in Deutschland, die sich schwerpunktmäßig mit dem Brexit befassen.25 Es sind
zum einen Befragungen aufgenommen, die entweder kurz vor oder nach dem Referendum
45
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
durchgeführt wurden. Zum anderen fokussiert die Synopse auf Untersuchungen aus
Deutschland, d. h. der Blickwinkel von Unternehmen in Deutschland steht im Vordergrund.
Es gibt nur vereinzelte Unternehmensbefragungen, die sich dem Brexit in einer größeren
thematischen Breite widmen. Zum Teil handelt es sich um Branchenbefragungen. So be-
schränken sich zwei Untersuchungen mit dem Bankensektor bzw. der Immobilienwirtschaft
auf einen vergleichsweise kleinen Ausschnitt der Wirtschaft. Eine weitere Befragung richtet
sich an Unternehmen, die elektromedizinische Geräte herstellen. Außer der letztjährigen
Befragung der Hessen Agentur26 hat keine Befragung zum Brexit den Fokus auf ein Bun-
desland gelegt. Für die drei bundesweiten Umfragen des DIHK aus 2016, 2017 und 2018
wurden zum Teil regionale Ergebnisse auf Bundesländerebene veröffentlicht.
Die Befragung durch den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Unterneh-
mensberatung Deloitte wurde noch vor dem Brexit-Referendum durchgeführt. Die befragten
Unternehmen waren vor dem Referendum verunsichert aufgrund des potenziellen Brexit-
Votums. 30 % der Unternehmen erwarteten negative Auswirkungen auf ihre Geschäftsent-
wicklung. Nahezu die Hälfte der Unternehmen sah Chancen für Deutschland durch zusätz-
liche Direktinvestitionen aus Drittländern.27 Auch die Befragung der Boston Consulting
Group unter Entscheidern im Bankensektor fand noch vor dem Referendum im UK statt.
Die Befragten rechneten mit einem deutlich eingeschränkten Zugang vom Standort London
zum EU-Markt und gaben an, dass rund 20 % der Stellen im Bereich der Finanzdienstleis-
tungen in London von Verlagerungen in andere globale Finanzzentren betroffen sein könn-
ten.28
Kurz nach dem Brexit Votum wurden Unternehmen der Immobilienwirtschaft nach ihrer Ein-
schätzung befragt. Sie prognostizierten kurzfristig eine weitere Verstärkung des Immobi-
lienbooms in Deutschland.29 Ebenfalls direkt nach dem Brexit-Referendum bat der DIHK
seine Mitgliedsunternehmen um eine Ersteinschätzung zum Brexit. Bei der an 5.600 Unter-
nehmen gerichteten Befragung wurde vor allem vor einer Zunahme von Handelshemmnis-
sen durch den britischen EU-Austritt gewarnt. Auch die politische und rechtliche Unsicher-
heit wurde als ein hohes Risiko genannt. Die Unternehmen erwarteten im Außenhandel mit
dem UK bereits kurzfristig Rückgänge, die sich mittelfristig aufgrund des beschlossenen
Austritts aus der EU noch ausweiten würden. Zudem wurde erwartet, dass Investitionen
und Beschäftigtenzahlen deutscher Unternehmen im UK sinken werden.30
46
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Der Brexit belastet bereits in Das UK hat keine zentrale Be- Die Einschätzung zur aktuellen
der Verhandlungsphase die deutung als Absatzmarkt und Geschäftslage mit dem UK wird
Unternehmen: Für 2018 wird ist nur in Ausnahmefällen ein von 29 % der Unternehmen als
eine Verminderung des UK-Ge- wichtiger Produktionsstandort, gut und von 26 % als schlecht
schäfts erwartet, jedes zwölfte sodass die direkten Auswirkun- betrachtet, womit die Einschät-
Unternehmen plant eine Verla- gen als gering eingeschätzt zung zwar noch solide ist, aber
gerung der UK-Investitionen werden. im Vergleich mit anderen wich-
auf andere Märkte. Hoher Informationsbedarf be- tigen Wirtschaftsräumen am
Aufgrund fehlender Verhand- steht im Hinblick auf die zu- schwächsten ist. Die Ge-
lungsfortschritte bleiben die künftigen Zollregelungen, ob schäftsperspektiven schätzen
Konsequenzen des Brexit un- das UK die CE-Kennzeichnung 9 % als besser, aber 40 % als
Zentrale Aussagen und
klar. Große Unsicherheit be- durch ein nationales System er- schlechter ein.
ausgewählte Ergebnisse
steht über die zukünftigen Be- setzt und in Hinblick auf die Von größter Bedeutung für die
ziehungen zwischen EU und Neuregistrierung von Medizin- Brexit-Verhandlungen sind der
UK. produkten. Erhalt des freien Warenver-
Priorität hat die Sicherung des kehrs zwischen EU und UK so-
freien Warenverkehrs sowie wie geringe bürokratische Hür-
geringe Bürokratie bei den den bei den wechselseitigen
Wirtschaftsbeziehungen zwi- Wirtschaftsbeziehungen.
schen EU und UK. Jedes zehnte Unternehmen mit
Investitionsbeständen im UK
plant eine Verlagerung auf an-
dere Märkte.
47
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
„Mehr als 90 Prozent der be- Anmerkung: Es wurde im „Der Außenhandel mit dem
fragten Unternehmen sehen Rahmen der turnusmäßigen Vereinigten Königreich erhält
keine starken Auswirkungen Herbstbefragung lediglich eine eine spürbare Delle, mittelfristig
des Brexit auf die genannten explizite Frage zum Brexit ge- dürfte er aufgrund des be-
Geschäftstätigkeiten [Exporte, stellt. schlossenen Austritts aus der
Investitionen, Beschäftigung, „Internationaler deutscher Mit- EU sogar noch stärker sinken.
Personalplanung und Ge- telstand sieht Schaden für die Investitionen und Beschäfti-
schäftsprozesse].“ EU“: Knapp die Hälfte der Be- gung deutscher Unternehmen
„Am stärksten betroffen sind fragten gibt an, Brexit schadet im Vereinigten Königreich wer-
Zentrale Aussagen und
die Exportperspektiven in das der EU, jeder siebte sieht einen den sinken.
ausgewählte Ergebnisse
UK. Knapp 10 Prozent der be- Vorteil für die EU, gut ein Drittel Unternehmen befürchten vor
fragten Firmen erwarten hier kann / will sich nicht festlegen.“ allem eine Zunahme von Han-
mittelfristig (ab 2018) starke delshemmnissen durch den bri-
Beeinträchtigungen aufgrund tischen EU-Austritt. Politische
der Abwertung des Britischen und rechtliche Unsicherheit,
Pfunds.“ wie z.B. hinsichtlich der Stabili-
tät des EU-Binnenmarkts, wer-
den ebenfalls als hohes Risiko
genannt.“
48
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Snapshot Immobilienwirtschaft Brexit – Banker, quo vadis? EU Referendum: Brexit und die
Titel der Veröffentlichung – Brexit und die Folgen Folgen für deutsche Unterneh-
men
Ernst & Young Real Estate Boston Consulting Group BDI und Deloitte
Herausgeber
www.ey.com www.bcg.de www.bdi.eu
29.06. bis 04.07.2016 Juni 2016 (zwei Wochen vor 17.05 bis 19.05.2016
Zeitraum der Befragung
dem EU-Referendum)
„Die Folgen des Brexits sind für „Entscheider denken nach über „Möglicher Brexit verunsichert
die Immobilienwirtschaft noch Alternativen zum Standort Lon- deutsche Unternehmen.
nicht absehbar. don“. „Rund 20 Prozent der 30 Prozent rechnen fest mit
Ein Drittel der Befragten geht Finanzdienstleistungs-Jobs in negativen Auswirkungen auf
davon aus, dass der Brexit London könnten an andere glo- das eigene Geschäft.
doch nicht kommt. bale Finanzplätze verlagert Nur ein Viertel der Unterneh-
Die Entwicklung des Immobi- werden“. „Zwei Drittel der men ist auf den Brexit vorberei-
lien- und Finanzierungsmarktes Finanzunternehmen haben tet.“
wird für Deutschland sehr posi- noch keine genauen Pläne für 46 % der Unternehmen sehen
tiv gesehen. eine mögliche Standortverlage- die Chance, dass ausländische
Zentrale Aussagen und Kurzfristig wird eine Verstär- rung nach dem Brexit.“ Direktinvestitionen aus dem UK
ausgewählte Ergebnisse kung des deutschen Immobili- „Hohes Maß an Unsicherheit nach Deutschland oder Konti-
enbooms erwartet, langfristig über die weiteren Entwicklun- nentaleuropa umgelenkt wer-
eine Abschwächung der Fol- gen“. „Fast 60 Prozent rechnen den.
gen. mit dauerhaften Einschränkun-
Der Standort Frankfurt am Main gen beim Zugang zum EU-
wird als großer Gewinner des Markt oder langanhaltender
Brexits eingeschätzt, Dublin Unsicherheit, bis die EU und
folgt auf Platz 2. Großbritannien entsprechende
Ein Großteil der Unternehmen Vereinbarungen als Konse-
weiß nicht, wie sich ihr UK-Ge- quenz aus dem Brexit treffen
schäft entwickeln wird.“ werden.“
Noch bevor das UK offiziell den Austrittsantrag eingereicht hat, wurden drei weitere Befra-
gungen durchgeführt. In einer Befragung mittelständischer Unternehmen schätzt eine
Mehrheit der Unternehmen den Brexit als schädlich für die EU ein.31 Das IW Köln kommt
zu dem Ergebnis, dass die deutsche Wirtschaft dem Brexit gelassen gegenübersteht. Von
2.700 befragten Unternehmen in Deutschland erwarten 90 % keine starken Auswirkungen
auf ihre Exporte, Investitionen, Beschäftigung, Personalplanung und Geschäftsprozesse.32
49
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Bei einer Sonderauswertung der jährlichen „going international“-Umfrage des DIHK Anfang
2017 wurden 1.300 Unternehmen mit Wirtschaftsbeziehungen in das UK berücksichtigt.
Diese Unternehmen schätzten ihre damalige Geschäftssituation zwar als solide ein, d. h.
positive und negative Einschätzungen gleichen sich aus. Damit war die Einschätzung aber
weniger positiv als im Hinblick auf andere wichtige Länder bzw. Wirtschaftsräume. Zudem
waren die Zukunftsaussichten deutlich eingetrübt, d. h. der Anteil der Unternehmen mit ne-
gativen Geschäftsperspektiven lag mit 40 % deutlich über dem Anteil der Unternehmen, die
die zukünftige Geschäftslage besser als die aktuelle Lage einschätzen (9 %).33
Aufgrund der Tragweite der potenziellen Auswirkungen des EU-Austritts des UK auf die
deutsche Wirtschaft haben zahlreiche Verbände und Organisationen zum Brexit und des-
sen Folgen für die von ihnen vertretenen Unternehmen und Arbeitnehmer Position bezogen
und auf die mit dem Brexit verbundenen zahlreichen Herausforderungen hingewiesen. All-
gemein wird in den Papieren betont, dass nach wie vor die konkreten Auswirkungen des
Brexit nur schwer abzuschätzen seien, da diese vom konkreten Ausgang der Verhandlun-
gen des Austrittsabkommens und den zukünftigen Beziehungen zwischen dem UK und der
EU abhängen. Unternehmen bräuchten jedoch dringend Planungssicherheit, d. h. eine bal-
dige Klarheit über den Brexit und die Ausgestaltung der zukünftigen Wirtschaftsbeziehun-
gen zwischen der EU und dem UK, um notwendige und adäquate geschäftspolitische Maß-
nahmen ergreifen zu können.
Gemeinsam ist den Positionspapieren die Forderung, dass dem politischen und wirtschaft-
lichen Zusammenhalt der verbleibenden 27 EU-Staaten und dem Schutz des gemeinsamen
Marktes hohe Priorität eingeräumt werden soll. So dürfe es nicht zu einer Aufweichung der
vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes kommen. Es wird von den Interessensvertretern
gefordert, dass aufgrund der intensiven wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen der EU
bzw. Deutschland und dem UK die künftigen Beziehungen zwischen dem UK und dem Rest
der EU möglichst eng bleiben und ein harter Brexit vermieden wird. Der freie Warenverkehr
habe für die Unternehmen oberste Priorität. Als Anforderungen an das zu verhandelnde
50
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Austrittsabkommen werden die Vermeidung von Zöllen und von anderen nicht-tarifären
Handelsbarrieren, die gegenseitige Anerkennung von Produktstandards, eine Angleichung
von Regulierungen, ein einfacher Marktzugang sowie der Bestandsschutz von bestehen-
den Verträgen genannt. Mit der Vereinbarung einer Übergangsphase bis zum 31. Dezem-
ber 2020 durch die beiden Chefunterhändler Michel Barnier und David Davis am 19. März
2018 wurde einer weiteren wichtigen Forderung der Wirtschaft Rechnung getragen. Diese
21-monatige Übergangsperiode gibt – sofern sie tatsächlich zustande kommt – Zeit für die
Aushandlung der künftigen Beziehungen zwischen der EU und dem UK. In der Übergangs-
phase sollen die bestehenden Regelungen weiterhin gelten, d. h. das UK behält bis Ende
2020 den Zugang zum Binnenmarkt, was britischen und europäischen bzw. deutschen wie
auch hessischen Unternehmen Planungssicherheit gewährt. Allerdings tritt diese Über-
gangsphase nur nach Abschluss eines Austrittsabkommens in Kraft. Nach wie vor ist also
ein harter Brexit mit einem Rückfall auf WTO-Regelungen im Handelsverkehr zwischen der
EU und dem UK möglich.
Der BDI hat in Presseerklärungen, Interviews sowie Arbeits- und Positionspapieren vielfach
Stellung zum Brexit bezogen. Mitte 2017 wurde gemeinsam mit verschiedenen Partneror-
ganisationen eine Task Force Brexit gegründet, die in insgesamt zehn Projektgruppen wich-
tige Fragestellungen zum Brexit bearbeitet, um potenzielle Risiken durch den Brexit aufzu-
decken und konstruktive Lösungsvorschläge für die Verhandlungen zu entwickeln. Fol-
gende Themenbereiche werden analysiert:
Warenhandel
51
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Steuern
Marktzugang
Arbeitnehmerfreizügigkeit
Ende Februar 2018 wurden mehrere Ergebnispapiere39 veröffentlicht, die neben Analysen
zu potenziellen Konsequenzen unterschiedlicher Brexit-Szenarien die vom BDI präferierten
Verhandlungsergebnisse für die Themen Handel, Marktzugang, Verkehr, Steuern und Fi-
nanzdienstleistungen umfassen. Festgehalten wird, dass ein harter Brexit aufgrund des zu
erwartenden steigenden bürokratischen Aufwands und den einschneidenden Auswirkun-
gen auf die Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem UK mit den damit voraussicht-
lich verbundenen hohen Kosten für die Unternehmen unbedingt vermieden werden müsse.
Präferiert wird eine möglichst tiefe Verbindung zwischen dem UK und der EU, beispiels-
weise in Form einer Fortführung des Binnenmarktes mit Zollunion. Ein umfassendes Frei-
handelsabkommen wäre aus Sicht des BDI nicht ausreichend, um einen friktionslosen Han-
del zu garantieren. Zur Gewährleistung eines einfachen Grenzübertritts und einer effizien-
ten Zollabfertigung seien sowohl von Seiten der EU als auch von Seiten des UK
Investitionen erforderlich. Dies betreffe sowohl die Bereitstellung des entsprechenden Per-
sonals als auch der notwendigen Infrastruktur. Die EU solle zudem darauf hinwirken, dass
das UK Mitglied bei der Common Transit Convention werde, sodass die allgemeinen Han-
delsprozeduren zwischen der EU und verschiedenen Nachbarstaaten einschließlich des
New Computerised Transit System (NCTS) Anwendung finden könnten. Bezüglich des
künftigen Marktzugangs seien die Errungenschaften des Binnenmarktes im Hinblick auf
Regulierungen, Produktstandards und Zulassungen zu schützen. Für die Bereiche Auto-
mobilindustrie und Luftverkehr sowie für die Chemie- und Pharmabranche werden dabei
konkrete Vorschläge im Hinblick auf den Marktzugang unterbreitet.
Die Empfehlungen des BDI für den Transport- und Logistiksektor umfassen den Luftverkehr
und den Automobilsektor, die Schifffahrt, die Bahn sowie den Frachtverkehr auf der Straße.
Bei einem harten Brexit mit Zollkontrollen werden für die Unternehmen Kosten und ein Zeit-
verlust zwischen 24 und 72 Stunden je Lieferung erwartet. Insbesondere für die just-in-time-
Produktion der Automobilindustrie lägen hier hohe Risiken. Entsprechend wird die Sicher-
stellung von Lieferketten bei Komponenten gefordert. Da nach dem Brexit das UK die Eu-
52
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
ropean Common Aviation Area verlasse, sei im Luftverkehrsbereich ein Abkommen not-
wendig, das den wechselseitigen Marktzugang sichere und die gegenseitige Anerkennung
von Zertifizierungen und Streitschlichtungsmechanismen beinhalte. Aufgrund der engen
Verknüpfung sollte das UK zudem als Mitglied in den entsprechenden EU-Agenturen im
Luftfahrtbereich und im Bahnbereich (European Aviation Safety Agency, European Union
Agency for Railways) verbleiben. Im Hinblick auf den Marktzugang und die Wettbewerbs-
fähigkeit der Verkehrsunternehmen wird beispielsweise Chancengleichheit in Bezug auf die
EU-Emissionsverordnungen eingefordert.
Die größten Herausforderungen im Hinblick auf Steuerfragen werden bei der Mehrwert-
steuer und der Körperschaftsteuer erwartet. Um der Wirtschaft Sicherheit in Steuerfragen
zu geben, werden ein formelles Brexit-Steuergesetz oder zumindest eine Verordnung ge-
fordert, in der die steuerlichen Veränderungen, die durch den Brexit hervorgerufen werden,
aufgeführt sind. Im Themenbereich der rechtlichen Konsequenzen des Brexit stehen die
Regelungen zum Schutz des Wettbewerbs im Vordergrund, wie beispielsweise Kartellauf-
sicht, staatliche Beihilfen und öffentliche Beschaffung, aber auch Unternehmensrecht, In-
solvenzrecht, Zivilrecht und Konsumentenschutz. Es wird gefordert, dass die künftigen Re-
geln möglichst nah an den bestehenden EU-Regeln liegen. Bezüglich der Finanzdienstleis-
tungen wird seitens des BDI insbesondere der Bestandsschutz für bestehende Verträge
sowie ausreichend Zeit gefordert, damit sich die Finanzinstitute an die regulatorischen Än-
derungen durch den Brexit anpassen können.
53
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Als Spitzenverband der Kammern und Verbände der Freien Berufe vertritt der BFB die be-
rufsübergreifenden Interessen der Freien Berufe und hat auch zum Brexit Stellung genom-
men.41 Im Hinblick auf die anstehenden Verhandlungen zum Brexit sollten danach insbe-
sondere folgende Aspekte berücksichtigt werden:
Erhalt der vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes unter Beachtung des Prinzips der
Gegenseitigkeit
Der DGB, der betont, dass er vom europäischen Projekt überzeugt sei, stellt fest, dass den
EU-Bürgern der Wert sowie die Errungenschaften der EU nähergebracht werden müssen.
Er verweist auf seine langjährige Forderung nach einem sozialen Fortschrittsprotokoll,
durch das sichergestellt würde, dass die kollektiven und individuellen sozialen Rechte wie
Mitbestimmung, Streikrecht, Tarifvertragsbindung und Sozialversicherungsrecht nicht im
Rahmen des vom EuGH entwickelten Dreistufentests an den Binnenmarktfreiheiten zu
messen sind. Zu vermeiden sei, dass das UK künftig Investoren mit niedrigen Steuern und
niedrigen Arbeits-, Sozialrechts- sowie Umweltschutzstandards anlockt. Aus Sicht des DGB
sollten daher folgende drei Schwerpunkte bei den Verhandlungen im Vordergrund stehen:
Die EU sollte klar kommunizieren, dass die Tür für einen Verbleib des UK weit offen-
stehe. Dies sei nach Art. 50 EU-Vertrag möglich.
54
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Der Verband der chemischen Industrie e.V. (VCI) hat Ende 2017 ein Positionspapier zur
Betroffenheit der chemisch-pharmazeutischen Industrie durch den Brexit vorgelegt.42 Er
spricht sich darin dafür aus, dass die Verhandlungspartner ein umfassendes Partner-
schafts-, Investitions- und Handelsabkommen abschließen, ohne dass die Grundfreiheiten
und der Zusammenhalt der EU gefährdet werden dürfen. Der VCI erläutert verschiedene
Aspekte des wirtschaftlichen Austauschs zwischen Deutschland und dem UK und leitet da-
raus jeweils spezifische Anforderungen an das Verhandlungsergebnis ab.
Eine direkte finanzielle Belastung der Unternehmen entstehe bei der Einführung von Zöllen.
Jährlich könnten für die deutsche chemische und pharmazeutische Industrie nach Berech-
nungen des VCI 200 Mio. Euro Zollzahlungen anfallen. Dieser Berechnung liegt ein harter
Brexit mit Anwendung derzeitiger EU-Außenzölle durch das UK zu Grunde. Zudem steige
der administrative Aufwand durch zusätzliche Zollkontrollen. Der VCI formuliert im Hinblick
auf das Verhandlungsergebnis daher den Wunsch nach Vermeidung von Zöllen bzw. von
tragfähigen Übergangsregelungen, die die langfristigen Regelungen antizipieren, um einen
mehrfachen Systemwechsel zu vermeiden. Sollten Zollkontrollen erforderlich werden, sei
die gegenseitige Anerkennung der AOE43-Programme, eine Übernahme des Unified
Customs Code (UCC) seitens des UK sowie eine entsprechende technische und personelle
Ausstattung der Behörden für die zügige Abwicklung der Grenzformalitäten beiderseitig si-
cherzustellen. Die Zielstellung des VCI liegt im Abschluss eines umfassenden Handelsab-
kommens mit Regelungen zu sanitären und phytosanitären Maßnahmen, nicht-tarifären
Handelshemmnissen, zur regulatorischen Zusammenarbeit, zu Exportbarrieren, zum
Schutz geistigen Eigentums, zur nachhaltigen Entwicklung sowie zur Streitschlichtung. Da-
neben solle auch ein bilaterales Investitionsabkommen zwischen der EU und dem UK ab-
geschlossen werden.
Die größte potenzielle Belastung bildet aus Sicht des VCI ein zukünftiges Auseinanderdrif-
ten im Bereich der Regulierung zwischen der EU und dem UK. Er formuliert daher den
Anspruch, dass die bestehenden hohen Standards im Hinblick auf Produkt- und Chemika-
liensicherheit sowie Arbeitssicherheit und Umweltschutz in der EU und im UK weiterhin
harmonisiert erhalten bleiben. Im Hinblick auf gewerbliche Schutzrechte weist der VCI da-
rauf hin, dass derzeitig gemeinschaftsweit geltende Schutzrechte im UK ihre Gültigkeit ver-
lieren könnten. Auch die zukünftige Teilnahme des UK am europaweiten Einheitspatent-
system sei noch unklar. Aus Sicht des VCI sei es wünschenswert, wenn das UK EU-Schutz-
rechte in nationales Recht überführen würde und wenn das UK auch nach dem Brexit an
dem einheitlichen Patentgerichtssystem teilnehmen könnte.
55
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Im Hinblick auf das Kartellrecht stellt der VCI fest, dass die EU-Kommission Kartellverstöße
im UK nicht mehr verfolgen könnte. Die Durchsetzung von Schadensersatz durch „kartell-
geschädigte“ Unternehmen könnte erschwert werden. Bei geplanten Fusionen, die auch
Unternehmen mit Sitz im UK betreffen, genüge dann nicht mehr die Entscheidung durch
die EU-Kommission, sondern ein zusätzliches Verfahren im UK werde notwendig. Weitere
Befürchtungen des VCI beziehen sich auf die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der europä-
ischen Unternehmen gegenüber dem UK, beispielsweise falls das UK aus dem Emissions-
handel aussteige oder Unternehmen umfangreiche Beihilfen bei Strompreisen gewähre.
Auch ein Steuerwettbewerb etwa durch eine deutliche Absenkung der Unternehmensbe-
steuerung im UK könnte zu wettbewerblichen Verzerrungen führen. Damit deutsche Unter-
nehmen keinen Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt werden, sei daher eine Senkung der
Unternehmensteuer, die auch eine Reform der Gewerbesteuer erfordert, sowie verbindliche
und effektive zwischenstaatliche Mechanismen zur Streitbeilegung in Doppelbesteuerungs-
abkommen notwendig. Zudem weist der VCI darauf hin, dass infolge des Brexit gesell-
schafts- und kapitalmarktrechtliche Veränderungen für mit dem UK verflochtene Unterneh-
men wahrscheinlich seien.
Auch die pharmazeutische Industrie ist besorgt über den Austritt des UK aus der EU. Der
europäische Pharmaverband EFPIA44 weist daraufhin, dass die Unternehmen sich frühzei-
tig auf den Brexit einstellen müssten.45 Jeden Monat würden 45 Millionen Packungen Me-
dikamente aus Großbritannien in die EU transportiert, 35 Millionen gingen von der EU nach
Großbritannien. Zudem sei die Qualitätskontrolle im Arzneimittelsektor größtenteils in Groß-
britannien angesiedelt, ebenso wie die Firmen, die dafür rechtlich zuständig sind. Gefordert
werden die Vermeidung von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen, die Sicherung
bestehender Lieferketten, eine enge Kooperation bei Regulierungen und die gegenseitige
Anerkennung von Standards bei Tests und der Überwachung von Medikamenten, die Bei-
behaltung von Forschungskooperationen sowie die Freizügigkeit von hochqualifizierten Ar-
beitskräften.
44 Präsident des Verbands ist der Vorsitzende der Geschäftsleitung von Merck.
45 Vgl. EFPIA (2017).
46 Vgl. BAH (2017).
56
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
den Zulassungen sollten noch laufende Verfahren, an denen das UK beteiligt ist, möglichst
noch vor dem Brexit abgeschlossen werden. Starke Beeinträchtigungen könnten im Bereich
der Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln entstehen, da bei der Einfuhr von Wirkstoffen
und Arzneimitteln zusätzliche Zertifikate und Unterlagen benötigt und ggf. Zollzahlungen
anfallen werden. Dies habe negativen Einfluss auf bestehende Lieferketten und in der Ab-
wicklung seien Verzögerungen zu erwarten. Zudem würden laufende klinische Prüfungen
möglicherweise ihre Genehmigung verlieren. Wichtiges Ziel in den Brexit-Verhandlungen
sei es daher, zu einer gegenseitigen Anerkennung von Zertifikaten (MRA-Mutual Recogni-
tion Agreement) zu kommen. Weiterhin seien Auswirkungen auf Patent-, Marken- und Haf-
tungsrecht möglich.
Für die europäische Kosmetikindustrie hat der Branchenverband Cosmetics Europe ein Po-
sitionspapier zum Brexit veröffentlicht, in dem die Verhinderung von tarifären und nicht-
tarifären Handelshürden, die gegenseitige Anerkennung von Standards sowie eine weiter-
hin enge regulatorische Zusammenarbeit als wichtige Forderungen benannt sind, um eine
Gefährdung von Arbeitsplätzen und Wachstum sowie Preissteigerungen bei den Produkten
zu verhindern.47 Ebenfalls von hoher Bedeutung seien die Absicherung von Patenten und
Schutzrechten sowie der freie Zugang von hoch qualifizierten Fachkräften in die EU und
das UK. Es wird befürwortet, dass das bestehende Handelsregime so weit wie möglich in
das Abkommen zwischen der EU und dem UK übertragen wird.
Maschinenbau
Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) hat im Juni 2017 ein
umfangreiches Positionspapier48 zum Austritt des UK aus der EU veröffentlicht, in dem er
sich für eine schnelle Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen und den Abschluss ei-
nes umfassenden Partnerschafts- und Freihandelsabkommens nach dem Austritt aus-
spricht. Er formuliert vielfältige und sehr konkrete Vorschläge für zukünftige Regelungen
zum wirtschaftlichen Austausch zwischen dem UK und der EU. Gefordert werden insbe-
sondere eine einfache Handhabung der Zollabwicklung und eine Vermeidung von Zollzah-
lungen, die Verhinderung der Auseinanderentwicklung des technischen Regelwerkes sowie
von Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Eingriffe sowie der Erhalt der Freizügigkeit
von Mitarbeitern. Hierzu wird eine Vielzahl von detaillierten Regelungsvorschlägen in den
Bereichen Handel mit Produkten und Dienstleistungen, Produktionsstandort UK – Wettbe-
werbssituation, UK als integraler Bestandteil der Wertschöpfungsketten und Freizügigkeit
von Personen benannt. Damit die Auswirkungen des Brexit auf den Handel mit Waren und
Dienstleistungen des Maschinenbaus möglichst gering bleiben, wird die Zulassung von Ei-
genkontrollen der Unternehmen zur einfachen Zollabwicklung und eine Orientierung an den
vereinfachten Exportkontrollverfahren wie etwa für die Schweiz, Norwegen, USA und Japan
vorgeschlagen. Um den Herkunftsnachweis EU beim Export in Drittländer zukünftig nicht
57
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Im Hinblick auf die Wettbewerbssituation fordert der VDMA insbesondere die Vermeidung
von Nachteilen durch beispielsweise Steuermaßnahmen oder Subventionen seitens des
UK. Im Abkommen zwischen der EU und dem UK sollten Bestimmungen zum Beihilferecht,
steuerlichen Erleichterungen und Subventionen enthalten sein, um faire Wettbewerbsbe-
dingungen zwischen der EU und dem UK zu gewährleisten. Dagegen erscheint der zusätz-
liche Regelungsbedarf bei betrieblichem Umweltschutz und Arbeitsschutz gering, da das
UK hier bereits entsprechende eigene Vorschriften habe, die ein vergleichbares Niveau zur
EU sicherstellen. In Bezug auf unterschiedliche Regelungen und Normen im Bereich Da-
tenschutz und Industrie 4.0 sei zwar ein potenziell bedeutendes Risiko für den wechselsei-
tigen Austausch zu erkennen, aber nach den derzeitigen Verlautbarungen erscheinen die
Zielsetzungen von EU und UK sehr ähnlich. Entscheidend sei, dass das Datenschutzniveau
im UK weiterhin dem EU-Standard entspreche, um einen problemlosen Datenaustausch
gewährleisten zu können.
58
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Elektroindustrie
Verkehrssektor
Die Automobilindustrie ist in besonderem Maße durch den Brexit betroffen, da die beste-
henden Produktionsketten auf einem äußerst intensiven Austausch zwischen dem UK und
Deutschland basieren und tagtäglich Produktionsteile die Grenze überschreiten. Zölle und
andere nicht-tarifäre Handelshemmnisse werden nicht nur zu Kostenbelastungen, sondern
auch zu immensen Zeitverzögerungen führen. So sieht auch der VDA Verband der Auto-
mobilindustrie eine breite Betroffenheit der deutschen Automobilhersteller und Automobil-
zulieferer durch den Brexit.50 Bei einem harten Brexit würde das UK zu einem Drittland mit
einem EU-Außenzoll von 10 % für Personenkraftwagen. Eine einfache Überschlagsrech-
nung zeige die enormen Kostenbelastungen, die den Handel stark belasten würden: Im
Jahr 2016 wurden neue Personenkraftwagen im Wert von über 20 Milliarden Euro aus
Deutschland nach Großbritannien exportiert. Nach grober Rechnung würden damit jährlich
rund 2 Mrd. Euro Zollkosten bei den Automobilherstellern entstehen. Hinzu kämen Zölle auf
Kfz-Teile und Zubehör, für die ein EU-Zollsatz zwischen 2 und 5 Prozent gilt. Eine weitere
Herausforderung für die Unternehmen sei es, die Lieferkette in das und aus dem UK sicher-
zustellen. Nach Einschätzung des VDA reicht die Zeit bis zum offiziellen Austritt kaum aus,
um die entstehenden komplexen Probleme einer Zollabwicklung zu lösen. Neue Formalitä-
ten wie zum Beispiel Ein- und Ausfuhranmeldungen für den bilateralen Warenverkehr be-
deuteten einen hohen zeitlichen und organisatorischen Aufwand für die Unternehmen. Der
VDA fordert daher ein vereinfachtes Verfahren zur Zollabwicklung, das einen reibungslosen
59
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Warenverkehr ohne (bzw. mit nur geringem) zusätzlichen administrativen Aufwand für Un-
ternehmen und Zollbehörden in der EU und im UK garantiert. Aufgrund der zu erwartenden
hohen Kostenbelastungen im grenzüberschreitenden Verkehr macht sich der VDA dafür
stark, dass die Partnerschaft und die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem UK so eng wie
möglich verbleiben. Das gilt für die Bereiche Handel, Investitionen und regulatorische Zu-
sammenarbeit. Eine Übergangslösung wird als notwendig erachtet, um Rechtssicherheit in
allen Regulierungsfragen sicherzustellen. Generell habe aber auch für den VDA der Zu-
sammenhalt der verbleibenden 27 Mitgliedstaaten wirtschaftliche und politische Priorität.
Als Dachverband der deutschen Speditionen und Logistikdienstleister spricht sich auch der
Deutsche Speditions- und Logistikverband e. V. (DSLV) für ein weitreichendes Partner-
schafts- und Freihandelsabkommen aus.51 Dabei dürfe es jedoch keine Sonderregelungen
für das UK in dem Sinne geben, dass das UK vom EU-Austritt profitiere, ohne die entspre-
chenden Pflichten des Binnenmarktes zu erfüllen. Für deutsche Speditionen und Logistik-
unternehmen werden durch Grenzkontrollen und damit verbundenen Wartezeiten zusätzli-
che Kosten und Nachweispflichten erwartet. Bei einem harten Brexit käme es zu Zöllen
sowie zu unterschiedlichen Normen und Standards. Die Folgen werden insbesondere für
den Straßengüterverkehr spürbar sein, da dieser den höchsten Anteil am Verkehrsaufkom-
men zwischen der EU und dem UK hat. Rund 17.000 Lastkraftwagen passieren täglich die
Grenze Calais-Dover. Die konkreten Folgen des Brexit seien bislang schwer abschätzbar,
da die rechtlichen Rahmenbedingungen noch unklar sind. Generell solle der Brexit mög-
lichst zügig verhandelt werden, um Rechtssicherheit für die Unternehmen zu schaffen.
Der Flughafenverband ADV betont, dass der britische Luftverkehrssektor der größte in Eu-
ropa und unabhängig von anderen Handelsabkommen bzw. den Regelungen der WTO
ist.52 Fast die Hälfte des britischen Passagieraufkommens werde dabei durch Verbindun-
gen von und zu Ländern der EU generiert. Auch für die EU sei ein wechselseitiger offener
Zugang zum Luftverkehrsmarkt des UK und der EU von großer Bedeutung, nach Schätzun-
gen von ACI EUROPE profitieren davon 285.000 Arbeitsplätze in der EU-27. Mit dem Aus-
tritt des UK aus der EU wird es zu einem Drittstaat und eine Teilnahme am gemeinsamen
europäischen Luftraum ist nicht mehr möglich, solange keine entsprechenden Vereinbarun-
gen auf EU-Ebene bestehen. Gemäß Absichtserklärung werde das UK nach dem Austritt
das geltende Recht der EU, den „acquis communautaire“, in britisches Recht überführen.
Damit würde es auch die europäischen Luftverkehrsvorschriften übernehmen. Unter dieser
Voraussetzung spricht sich der Verband dafür aus, dass ein zukünftiges Abkommen zwi-
schen der EU und dem UK auf den heute geltenden Regelungen aufsetzt und so nah wie
möglich am aktuellen Rahmen der vollständigen Integration der Luftverkehrsmärkte ausge-
richtet ist. Abgelehnt werden die Errichtung protektionistischer Hürden beim Marktzugang.
60
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Auch die europäische Luftverkehrsindustrie hat Stellung zum Brexit bezogen.53 Sie fordert
die vollständige regulatorische Konvergenz, einen fairen Wettbewerb, einen Streitbeile-
gungsmechanismus sowie die Zuständigkeit des Europäischen Gerichthofes und die Frei-
zügigkeit von Personen im Luftverkehrssektor. Falls das UK die vollständige regulatorische
Konvergenz sowie die Grundfreiheiten des Binnenmarktes nicht akzeptiert, sei ein umfas-
sendes Luftverkehrsabkommen anzustreben. Hierbei wird die Notwendigkeit fairer Markt-
zugangsregelungen sowie klarer Regelungen zu Verkehrs- und Beförderungsrechten be-
tont, zum Beispiel die Beibehaltung der unbegrenzten dritten und vierten Luftfreiheits-
rechte54 für Luftfahrtunternehmen der EU und des UK, die Gewährung von
Kabotagerechten bei innereuropäischen Flügen nur für EU-Luftverkehrsgesellschaften, die
gegenseitige Anerkennung von Zertifizierungen und Lizensierungen und die weitere Mit-
gliedschaft des UK bei der EASA (European Aviation Safety Agency) und der Flugsicherung
Eurocontrol.
Finanzwirtschaft
Der Finanzplatz Frankfurt ist nicht nur für die hessische Wirtschaft von hoher Bedeutung,
er nimmt auch innerhalb Deutschlands und Europas eine herausragende Stellung ein. Über
200 Banken, davon 162 Auslandsbanken mit 63.000 Beschäftigten haben in Frankfurt ihren
Sitz. Hinzu kommen 33 Repräsentanzen ausländischer Banken in Frankfurt. In regionaler
Perspektive sind im Rhein-Main-Gebiet55 insgesamt 121.000 Arbeitskräfte im Bereich der
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Bei
der Diskussion um die Auswirkungen des Brexit auf den Bankensektor und den Finanzplatz
Frankfurt steht der sogenannte Europäische Pass im Mittelpunkt. Mit diesem EU-Pass ist
es bislang möglich, auf Grundlage der Zulassung in einem Mitgliedsland der EU Finanz-
Produkte und Dienstleistungen in anderen EU-Mitgliedsstaaten ohne weitere Zulassungs-
verfahren anzubieten. Es stellt sich die Frage, wie nach dem EU-Austritt des UK Banken
mit Sitz im UK, die bislang mittels einer Zweigniederlassung unter dem EU-Pass in Hessen
bzw. Deutschland tätig sind, eine Bankenlizenz für Deutschland erhalten. Dass diese Frage
von Relevanz ist, zeigt folgende Zahl: Nach Angaben des Verbandes der Auslandsbanken
in Deutschland haben von den Ende 2016 in Deutschland ansässigen 91 Zweigniederlas-
sungen von Kreditinstituten mit Sitz in der EU 30 das UK als Herkunftsland und sind damit
durch den Brexit unmittelbar betroffen.56 Um den Geschäftsbetrieb der Zweigniederlassung
fortführen zu können, sind gesellschaftsrechtliche Veränderungen vorzunehmen. Mögliche
Niederlassungsformen sind gemäß dem Positionspapier des Auslandsbankenverbands die
als Kreditinstitut lizensierte Tochtergesellschaft oder eine rechtlich-unselbständige Zweig-
61
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
stelle mit eigener Banklizenz nach dem Kreditwesengesetz. Die Zuständigkeiten für die Er-
laubniserteilung liegen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Da die jeweiligen Abläufe und Fristen für die Lizen-
sierungen mit den entsprechenden Vorbereitungen mehrere Monate dauern, fordert der
Auslandsbankenverband die Vereinbarung von Übergangsfristen, da bis zum 31. März
2019 ein rechtssicherer und reibungsloser Übergang kaum erfolgen könne. Die Rechtssi-
cherheit sowohl zur Niederlassung als auch für Produkte und Dienstleistungen sei für die
Finanzstabilität erforderlich.
Im Hinblick auf den Kapitalmarkt ist ein weiteres wichtiges Thema das bislang hauptsächlich
in London durchgeführte Euro-Derivate-Clearing. Das Clearing ist wichtig, weil standardi-
sierte Derivateprodukte gemäß der europäischen Marktinfrastruktur-Verordnung (EMIR)
seit 2012 über eine zentrale Gegenpartei abzuwickeln sind. Diskutiert wird eine Verlagerung
des auf Euro denominierten Clearing in die Eurozone.57 Der BVI Bundesverband Invest-
ment und Asset Management e.V. hat in seinem Positionspapier zum Brexit58 beispiels-
weise dargelegt, dass die Stärkung aufsichtlicher Kompetenzen im Hinblick auf das Euro-
Clearing von Derivaten und anderen Finanzinstrumenten innerhalb der EU sinnvoll sei und
sich als zentraler Standort für das künftige Euro-Clearing Frankfurt anbieten würde. Auch
der VÖB Verband Öffentlicher Banken59 befürwortet aus ordnungspolitischer Sicht eine
Verlagerung des Euro-Derivate-Clearings in die EU. Darüber hinaus tritt der VÖB für ein
faires Verhandlungsergebnis für die EU und für das UK, die Stärkung des Finanzplatzes
Frankfurt sowie die Anerkennung der Leistungsfähigkeit dezentraler Strukturen ein. Wichtig
seien die politische Einigkeit der verbleibenden 27 EU-Mitgliedstaaten sowie die Untrenn-
barkeit der vier Grundfreiheiten des EU-Binnenmarktes. Aus Sicht des Deutschen Sparkas-
sen- und Giroverbands60 ist darauf zu achten, dass aus Risikogründen die Zahl der Clea-
ring-Anbieter nicht weiter abnehme und dass keine zusätzlichen regulatorischen Kosten
und Wettbewerbsnachteile für Banken und Sparkassen in der EU entstünden. Zudem
müsse Rechtsklarheit für Börsen, Finanzprodukte, Geschäfte und Transaktionen mit dem
UK erhalten bleiben.
Wichtige Anliegen des Bundesverbands deutscher Banken e.V. BdB61 sind neben der Auf-
rechterhaltung weiterhin enger Beziehungen zum UK und der Sicherstellung des Fortbe-
stands der Geschäftsbeziehungen der Bestandsschutz bestehender Verträge. Neben bran-
chenübergreifenden Problemen im Bereich Datenschutz sowie Rechtsunsicherheiten im
Zivil- und Zivilprozessrecht werden als wichtige bankenspezifische Rechtsprobleme bei-
spielsweise der bankenaufsichtliche und wertpapierrechtliche Marktzugang, bankenauf-
sichtliche Eigenkapitalanforderungen, Sanierungs- und Abwicklungsanforderungen sowie
57 Für eine Analyse vorliegender Kostenschätzungen einer Verlagerung des Euro-Derivate-Clearings vgl. Brühl (2018a, b).
58 Vgl. BVI (2017).
59 Vgl. VÖB (2018).
60 Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband (2017).
61 Bankenverband (2018).
62
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
In einem Positionspapier des Deutschen Aktieninstituts e.V.62 setzt sich dieses für die Ein-
richtung von Übergangsregelungen ein, um den Verhandlungsteilnehmern genügend Zeit
für den Abschluss der endgültigen Regelungen zu geben. Es weist darauf hin, dass die
Übergangsregelungen frühzeitig feststehen und kommuniziert werden müssten. Als Vorbild
für Übergangsregelungen könnten im Finanzmarktbereich die Bestimmungen im MiFIR63
herangezogen werden, das eine Übergangsregelung vorsieht, nach der Drittstaatenunter-
nehmen noch bis zu drei Jahre nach einer negativen Äquivalenz-Entscheidung in Überein-
stimmung mit nationalen Regelungen Wertpapierdienstleistungen oder Anlagetätigkeiten in
den Mitgliedstaaten erbringen dürfen. Zudem betont auch das Aktieninstitut, dass ein harter
Brexit die schlechteste Variante für alle Betroffenen sei. Drittstaatenregelungen der EU
seien aufgrund der Intensität, Bedeutung und des Volumens der Verflechtungen zwischen
der EU und dem UK im Bereich des Finanzmarktes nicht ausreichend. Ausgehend von die-
sen Regelungen sei ein für die EU und das UK geeignetes Abkommen zu entwickeln.
63
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Im März 2018 führte die Hessen Agentur eine Befragung unter hessischen Unternehmen
zum Thema Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag durch. Ziel der
Unternehmensbefragung ist es, ein aktuelles Meinungsbild hessischer Unternehmen zum
Brexit zu erhalten. Methodisch lehnt sich die Untersuchung eng an die Vorjahresbefragung
zum Jahreswechsel 2016 / 2017 an und greift viele inhaltliche Punkte wieder auf.64
Es handelt sich aufgrund der vorgenommenen Anonymisierung der Antworten der Unter-
nehmen nicht um eine so genannte Panelerhebung, bei der die Antworten einzelnen Unter-
nehmen zugeordnet und im Zeitverlauf miteinander verglichen werden könnten. Aber trotz-
dem lassen sich die Befragungsergebnisse insgesamt miteinander vergleichen, da der glei-
che Ansatz zur Auswahl der zu befragenden Unternehmen angewendet wurde. In beiden
Befragungen liegt der Fokus auf hessischen Unternehmen, die direkte Wirtschaftsbezie-
hungen zum UK aufweisen. Aufgrund dieser direkten Beziehungen – zum Beispiel Export,
Import, Tochtergesellschaft oder Muttergesellschaft mit Sitz im UK – liegt die Annahme
nahe, dass gerade diese Unternehmen von den Folgen des Brexit betroffen sein dürften.
Diese Annahme lässt sich durch die Vorjahresergebnisse bestätigen. Durch diesen Fokus
bei der Unternehmensselektion wird eine hohe Zahl betroffener Unternehmen angespro-
chen, wodurch detaillierte, konkrete Fragestellungen möglich und gleichzeitig die Ergeb-
nisse gut fundiert sind. Allerdings ist es aufgrund dieser Vorgehensweise weder Ziel, Aus-
sagen für die gesamte hessische Wirtschaft zu treffen, noch dürfen die Ergebnisse in einer
solchen Weise interpretiert werden.
64
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Die Befragung wurde im März 2018 durchgeführt. Sie erfolgte schriftlich-postalisch mit der
Option, den Fragebogen online auszufüllen. Rund ein Viertel der antwortenden Unterneh-
men machte hiervon Gebrauch.
Tabelle 9: Charakteristika der Unternehmensbefragung „Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem
Austrittsantrag“ im Überblick
518 Unternehmen nahmen an der Unternehmensbefragung teil. Damit wurde eine Rück-
laufquote von 13,3 % erzielt. Diese liegt damit leicht niedriger als bei der letztjährigen Be-
fragung, an der mit 672 Unternehmen 16,4 % der angeschriebenen Unternehmen teilnah-
men.
65 Der Rücklauf der einzelnen Gruppen wurde gemeinsam erfasst. Eine Auswertung anhand der Zielgruppen erfolgt ausschließlich
auf der Grundlage der eigenen Angaben der Unternehmen in der Unternehmensbefragung selbst.
65
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Die Struktur der antwortenden Unternehmen im Hinblick auf Beschäftigtenzahl und Bran-
chenzuordnung weist keine relevanten Abweichungen zwischen der aktuellen und der letzt-
jährigen Befragung auf. Dies ermöglicht im weiteren Verlauf einen Vergleich der aktuellen
mit den letztjährigen Befragungsergebnissen, obwohl aufgrund des Untersuchungsdesigns
nicht bekannt ist, welche Unternehmen an beiden Befragungen teilgenommen haben. Mit
55 % ist die größte Zahl der Unternehmen der Gruppe mit mehr als 50 bis 250 Beschäftigten
zuzuordnen (vgl. Abbildung 19). 17 % der Unternehmen haben bis zu 50 Beschäftigte. Ent-
sprechend des Befragungsdesigns sind hierunter überwiegend Unternehmen zu finden, de-
ren Konzernmutter im UK ansässig ist oder die ein Tochterunternehmen im UK haben. Etwa
27 % der Unternehmen sind Großunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Hierunter
fallen auch 40 Großunternehmen (8 %), die mehr als 1.000 Beschäftigte haben.
Im Hinblick auf den Umsatz haben 28 % der antwortenden Unternehmen einen Umsatz von
bis zu 10 Mio. Euro. Mit 40 % bewegt sich der Großteil der Unternehmen in einem Umsatz-
bereich von 10 bis 50 Mio. Euro. 20 % der Unternehmen erwirtschaften mehr als 50 Mio.
aber unter 250 Mio. Euro. Einen Umsatz von mehr als 250 Mio. Euro im Jahr erzielen rund
13 % der Unternehmen. Unter diesen Unternehmen erreicht rund ein Drittel mehr als 1 Mrd.
Euro Umsatz.
Abbildung 19: Größenstruktur der befragten Unternehmen nach Beschäftigten und Umsatz
Wie viele Beschäftigte hat Ihr Unternehmen? Wie hoch war der Umsatz Ihres Unternehmens im
(n=498) letzten Geschäftsjahr?
(n=481)
Die befragten Unternehmen lassen sich gemäß ihrer Branchenangabe dem Verarbeitenden
Gewerbe und dem Dienstleistungssektor zuordnen (vgl. Abbildung 20). 247 der Unterneh-
men gehören zum Verarbeitenden Gewerbe. Im Einzelnen zählen dazu 54 Maschinenbau-
unternehmen, 45 Unternehmen aus dem Metallbereich, 33 Unternehmen der Chemie- und
Pharmabranche, 23 Unternehmen der Elektrotechnik und 19 Unternehmen der Gummi-
und Kunststoffindustrie. Weitere Branchen des Verarbeitenden Gewerbes sind dagegen
66
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
nur durch relativ wenige Rückmeldungen gekennzeichnet. Unter den Unternehmen, die
dem sonstigem Verarbeitenden Gewerbe zugeordnet wurden, sind insbesondere Unterneh-
men, die mehrere Branchen ausgewählt und sich nicht eindeutig einer der genannten Bran-
chen zugeordnet haben.
67
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Obwohl der Austrittsantrag des UK aus der EU bereits vor rund einem Jahr – am 27. März
2017 – gestellt wurde, ist noch nicht sicher, wie der Austritt und die zukünftigen wirtschaft-
lichen Beziehungen zwischen dem UK und der EU geregelt werden. Zwar wurde im De-
zember 2017 der Fortschritt in der ersten Verhandlungsphase zu den Austrittsbedingungen
als soweit ausreichend beurteilt, um die zweite Verhandlungsphase zu den zukünftigen Be-
ziehungen zu beginnen. Doch es sind vielfältige abweichende Positionen weiterhin erkenn-
bar und es gilt für die Verhandlungen das Prinzip, dass auch Punkte, in denen Einigkeit
zwischen den Verhandlungspartnern besteht, erst Gültigkeit erlangen, wenn auch insge-
samt eine Einigung erreicht wurde.66 Daher wurden die hessischen Unternehmen sowohl
in der letztjährigen als auch in der aktuellen Befragung nach ihrer Erwartung befragt, wie
weit sich das UK nach dem Brexit von der EU „entfernen“ wird.
Im Vergleich zum Vorjahr, als die Befragung noch vor dem offiziellen Austrittsgesuch durch-
geführt wurde, bewegt sich die Einschätzung der Unternehmen hinsichtlich der zukünftigen
Beziehungen deutlich in Richtung eines härteren Brexits. Während im letzten Jahr noch
53 % der Unternehmen erwartet haben, dass sich das UK eher leicht bis unwesentlich von
der EU entfernen wird, rechnen aktuell nur noch 28 % der Unternehmen mit diesem Aus-
gang der Brexit-Verhandlungen. Demgegenüber erwarten 72 % der Unternehmen aktuell
eine eher bis sehr starke Auseinanderbewegung des UK und der EU. Insbesondere der
Anteil der Unternehmen, welche die zweitweiteste Entfernung wählen, ist mit 32 % gegen-
über dem Vorjahr mit 14 % deutlich angestiegen (vgl. Abbildung 21).67
Die überwiegende Zahl der Unternehmen wünscht sich dagegen eine möglichst weitge-
hende Integration der Märkte der EU und des UK. 65 % der Unternehmen wählen auf die
Frage, welches Brexit-Verhandlungsergebnis wünschenswert ist, die beiden Kategorien mit
der geringsten Entfernung zwischen der EU und dem UK. Trotzdem geben auch etwa 18 %
der Unternehmen an, dass sich das UK eher stark bis sehr stark von der EU entfernen
66 „The negotiations will be based on the principle that nothing is agreed until everything is agreed.“ (EU-Kommission 2017a, S. 3).
67 Werden nur Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK ausgewertet, ändern sich die Erwartungen kaum: 1 = sehr stark: 4 %,
2: 33 %, 3: 37 %, 4: 19 %, 5: 6 %, 6 = unwesentlich: 1 %.
68
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
sollte.68 Hierunter sind überproportional viele Unternehmen, die den Brexit für sich eher
positiv bewerten. Eine zweite Erklärung für dieses Votum ist möglicherweise die häufig ge-
äußerte Befürchtung, dass eine enge Anbindung des UK an den EU-Binnenmarkt als Ro-
sinenpickerei wahrgenommen wird und dadurch dem Zusammenhalt der verbleibenden
27 EU-Staaten schaden könnte. Festzuhalten ist, dass Unternehmen, die Geschäftsbezie-
hungen zum UK unterhalten, einen höheren Grad der Nähe zwischen der EU und dem UK
erhoffen als Unternehmen ohne Geschäftsbeziehungen. Dagegen ist die Einschätzung bei-
der Unternehmensgruppen im Hinblick auf das erwartete Verhandlungsergebnis relativ
ähnlich.
4% 1 = sehr stark 3%
1 = sehr stark 1%
32% 2 6%
2 14%
36% 3 9%
3 32%
20% 4 15%
4 26%
6% 5 25%
5 22%
2% 6 = unwesentlich 40%
6 = unwesentlich 5%
Quelle: Unternehmensbefragungen der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017 und März 2018
Die Auswirkungen des Brexit auf hessische Unternehmen können über verschiedene
Transmissionskanäle erfolgen. Naheliegend ist, dass Geschäftsbeziehungen von hessi-
schen Unternehmen mit dem UK durch neue Regelungen direkt beeinflusst werden. Zudem
wirken indirekte Effekte auf die Geschäftsbeziehungen zwischen hessischen Unternehmen
und dem UK. Beide Kanäle betreffen nur Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen mit dem
68 Diese Frage wurde nur in der diesjährigen Untersuchung gestellt, sodass ein Vorjahresvergleich nicht möglich ist.
69
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
UK haben. Ein weiterer potenzieller Wirkungskanal des Brexit ist dagegen für alle hessi-
schen Unternehmen relevant, da der Brexit indirekte Effekte auf die gesamte Geschäftstä-
tigkeit der Unternehmen haben kann.
Abbildung 22: Auswirkungen des Brexit auf die Unternehmen und den Wirtschaftsstandort Hessen
1% 3%
eindeutig positiv +2 eindeutig positiv +2
1% 1%
8% 38%
eher positiv +1 eher positiv +1
5% 38%
26% 37%
eher negativ -1 eher negativ -1
29% 33%
6% 6%
eindeutig negativ -2 eindeutig negativ -2
4% 7%
Quelle: Unternehmensbefragungen der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017 und März 2018
70
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Bei den Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort ist das Antwortbild stärker polarisiert.
Einem Anteil von 41 % der Unternehmen, die positive Auswirkungen des Brexit für den
Wirtschaftsstandort Hessen erwarten, steht ein Anteil von 43 % mit negativen Erwartungen
gegenüber. Nur rund 16 % der Unternehmen erwarten neutrale bzw. keine Effekte auf Hes-
sen als Wirtschaftsstandort.
Die Einschätzungen zur Auswirkung des Brexit auf die Unternehmen weisen deutliche
Branchenunterschiede auf (vgl. Abbildung 23). Während 40 % der Unternehmen des Ver-
arbeitenden Gewerbes erwarten, dass der Brexit sich eher negativ oder eindeutig negativ
auf ihre Gesamtsituation auswirken wird, liegt dieser Anteil im Dienstleistungssektor ledig-
lich bei 25 %. Zudem erwarten unter den Dienstleistungsunternehmen immerhin 14 % ei-
nen eher oder eindeutig positiven Effekt, während sich im Verarbeitenden Gewerbe ledig-
lich 3 % der Unternehmen eher positive Effekte des Brexit auf ihr Unternehmen vorstellen
können. Diese Ergebnisse stimmen weitgehend mit den branchenstrukturellen Ergebnissen
der letztjährigen Untersuchung überein.
Abbildung 23: Auswirkungen des Brexit auf die Unternehmen nach Branchen
Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexit insgesamt gesehen auf Ihr Unternehmen ein?
eindeutig positiv +2
eher positiv +1
neutral / ohne Auswirkungen +0
eher negativ -1
eindeutig negativ -2
71
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Eine Erklärung für das pessimistischere Meinungsbild des Verarbeitenden Gewerbes ge-
genüber dem Dienstleistungssektor besteht in dem höherem Anteil von Unternehmen mit
Geschäftsbeziehungen zum UK und dem damit verbundenen höheren Betroffenheitsgrad
durch den Brexit, auf den im nächsten Abschnitt eingegangen wird. Zudem können sich im
Dienstleistungsbereich für mehr Unternehmen Chancen ergeben, beispielsweise wenn sie
Kunden Leistungen anbieten, die dazu dienen, die neuen Herausforderungen durch einen
Brexit zu überwinden. Hierbei ist beispielsweise an die unternehmensnahen Dienstleistun-
gen der Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatung und der Wirtschaftsprüfung zu den-
ken. Auch Handelsunternehmen können ihre Expertise in der Abwicklung des internationa-
len Warenverkehrs mit Märkten außerhalb der EU einbringen. Für Finanz- und Versiche-
rungsdienstleister besteht die Möglichkeit, insbesondere Tätigkeiten, die an einen Standort
innerhalb der EU gebunden sind, aus dem Finanzzentrum London zu übernehmen.
Die Zielgruppe der Unternehmensbefragung sind vor allem Unternehmen mit Geschäftsbe-
ziehungen zum UK, denn es ist eine plausible Annahme – die auch durch die letztjährige
Befragung bestätigt wurde –, dass insbesondere Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen
zum UK vom Brexit betroffen sein werden.69 Dementsprechend wurde die Auswahl der an-
geschriebenen Unternehmen darauf ausgerichtet, möglichst viele hessische Unternehmen
mit Geschäftsbeziehungen zum UK zu erreichen (vgl. Tabelle 9).
Wie in der Vorjahresuntersuchung hat eine deutliche Mehrheit der befragten Unternehmen
Geschäftsbeziehungen mit dem UK (vgl. Abbildung 24). Rund 61 % der befragten Unter-
nehmen weisen Geschäftsbeziehungen mit dem UK auf (Vorjahr: 59 %). Unter den Unter-
nehmen ohne Geschäftsbeziehungen mit dem UK erwirtschaften mehr als die Hälfte (53 %)
der Unternehmen auch einen gewissen Anteil ihres Umsatzes im Ausland – womit insge-
samt mehr als 71 % der antwortenden Unternehmen internationale Geschäftsbeziehungen
aufweisen. Diese Ergebnisse stützen das Design des Befragungssamples, mit dem dieje-
nigen hessischen Unternehmen in den Fokus genommen werden sollten, die aufgrund ihrer
Größe und ihres Tätigkeitsspektrums, d. h. der Branchenzugehörigkeit, eine hohe Wahr-
scheinlichkeit für internationale Aktivitäten und potenzielle Geschäftsbeziehungen mit dem
UK aufweisen.
69 Unternehmen ohne direkte Geschäftsbeziehungen zum UK können indirekt betroffen sein. Beispielsweise können Kunden des
Unternehmens vom Absatzmarkt im UK abhängig sein oder Konkurrenten des Unternehmens stammen aus dem UK. Zur Entlastung
der Befragten wurden dieser Gruppe von Unternehmen nicht alle Fragen zur Beantwortung vorgelegt. Trotzdem liefert eine Aus-
wertung der Antworten dieser Unternehmen wie in den Abschnitten 6.3 und 6.8 wertvolle Erkenntnisse über die Einstellungen der
nicht in direkten Wirtschaftsbeziehungen mit dem UK stehenden hessischen Unternehmen. Allerdings ist hervorzuheben, dass
aufgrund der Auswahlkriterien die Ergebnisse dieser Unternehmen nicht als repräsentativ für die gesamte hessische Wirtschaft
ohne Geschäftsbeziehungen zum UK herangezogen werden können.
72
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
(n=518)
Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017 und März 2018
Ja
Nein
Bei den Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes liegt der Anteil der Unternehmen mit
Geschäftsbeziehungen zum UK mit 73 % deutlich über dem Anteil unter den Dienstleis-
tungsunternehmen mit 50 % (vgl. Abbildung 25). Im Verarbeitenden Gewerbe weisen ins-
besondere die Unternehmen der Chemie- und Pharmabranche, des Maschinenbaus und
des Fahrzeugbaus hohe Anteile mit Geschäftsbeziehungen zum UK auf. Unter den Dienst-
leistungsbranchen zeichnen sich insbesondere die unternehmensnahen Dienstleistungen,
73
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Frankfurt und London sind Finanzzentren von weltweiter Bedeutung. So sind jeweils rund
7 % der befragten Unternehmen im Export bzw. Import von Finanzdienstleistungen mit dem
UK tätig, worunter die meisten Unternehmen Finanzdienstleistungen sowohl exportieren als
auch importieren. Neben diesen Unternehmen weisen auch andere Unternehmen sonstige
finanzwirtschaftliche Verflechtungen auf (24 %), sodass insgesamt 26 % der Unternehmen
finanzwirtschaftliche Verflechtungen mit dem UK haben (grün). In der Vorjahresbefragung
lag dieser Anteil mit 13 % deutlich niedriger, was sicherlich auf die in diesem Bereich stärker
veränderte Fragestellung zurückzuführen ist.71
Eine besonders enge Anbindung besteht bei institutionellen Verflechtungen, d. h. wenn das
Unternehmen eigene Standorte im UK hat. Hierbei ist zu unterscheiden, wie die Konzern-
struktur aufgebaut ist. Bei 13 % der Unternehmen befindet sich im UK der Sitz der Mutter-
gesellschaft. 7 % der Unternehmen geben an, dass die Europazentrale ihres Unterneh-
70 Im Vorjahr wurden die Unternehmen innerhalb einer Frage gebeten, alle auf sie zutreffenden Geschäftsbeziehungen aus einem Set
von Möglichkeiten anzukreuzen. In der aktuellen Umfrage wurde dagegen in mehreren Teilfragen nach den Geschäftsbeziehungen
gefragt sowie einige Formulierungen angepasst.
71 In der Vorjahresuntersuchung wurde nicht allgemein nach sonstigen finanzwirtschaftlichen Verflechtungen, sondern gezielt nach
Kapitalanlagen im UK, Finanzierungen am Finanzmarkt im UK und Aktivitäten am Geldmarkt im UK gefragt.
74
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
mens im UK angesiedelt ist. Damit sind 17 % der hessischen Unternehmen mit Geschäfts-
beziehungen zum UK in der Konzernhierarchie den Standorten im UK untergeordnet
(orange). Umgekehrt betreiben rund 35 % der Unternehmen Tochtergesellschaften im UK
– entweder zur Produktion bzw. Dienstleistungserbringung oder als Vertriebsunterstützung
(gelb). Bei diesen Verflechtungen sind auch Überkreuzbeziehungen anzutreffen, da viele
Unternehmen sowohl Produktion als auch Vertrieb durch Tochtergesellschaften im UK ab-
wickeln. Unternehmen mit Standorten im UK wurden als besonders vom Brexit betroffene
Zielgruppe innerhalb der hessischen Wirtschaft gezielt angeschrieben, d. h. es erfolgte eine
Vollerhebung auf Basis der zugrundeliegenden Unternehmensdatenbank, wodurch ein re-
lativ hoher Anteil der Unternehmen auf diese Art der Geschäftsbeziehung entfällt. In der
Vorjahresuntersuchung lag der Anteil der Unternehmen mit Mutter (17 %) bzw. Europazent-
rale (9 %) im UK mit zusammen 24 % über den diesjährigen Anteilen, während der Anteil
von Unternehmen mit Produktionsstätte / Dienstleistungseinrichtung im UK (17 %) bzw. mit
Einrichtung zur Vertriebsunterstützung (21 %) gemeinsam mit 33 % geringfügig niedriger
war.
Mutterunternehmen im UK 13%
Mutter/Europazentrale im UK
17%
Europazentrale im UK 7%
75
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Abbildung 27: Auswirkungen des Brexit auf Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK und
den Wirtschaftsstandort Hessen
0% 1%
eindeutig positiv +2 eindeutig positiv +2
1% 2%
8% 35%
eher positiv +1 eher positiv +1
3% 36%
38% 41%
eher negativ -1 eher negativ -1
40% 32%
10% 9%
eindeutig negativ -2 eindeutig negativ -2
6% 7%
Quelle: Unternehmensbefragungen der Hessen Agentur Dezember 2016 / Januar 2017 und März 2018
72 Dementsprechend ergeben sich noch deutlichere Unterschiede, wenn man die Einschätzungen der Unternehmen mit Geschäfts-
beziehungen denen der Unternehmen ohne Geschäftsbeziehungen gegenüberstellt.
76
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Unter den Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen haben sich die Einschätzungen zu den
Auswirkungen des Brexit auf den Wirtschaftsstandort Hessen gegenüber dem Vorjahr ver-
schlechtert. Während sich im Vorjahr negative und positive Einschätzungen mit Anteilen
von 39 % und 38 % nahezu die Waage hielten, geben dieses Jahr 50 % der Unternehmen
negative und 36 % der Unternehmen positive Einschätzungen ab. Diese Änderung ist nur
bei den Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu beobachten, während die Anteile über
alle Unternehmen bei beiden Befragungen relativ ähnlich sind (vgl. Abbildung 22).
Abbildung 28: Auswirkungen des Brexit auf Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK
Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexit insgesamt gesehen auf Ihr Unternehmen ein?
eindeutig positiv +2
eher positiv +1
neutral / ohne Auswirkungen +0
eher negativ -1
eindeutig negativ -2
Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexit insgesamt gesehen auf den Wirtschaftsstandort Hessen ein?
eindeutig positiv +2
eher positiv +1
neutral / ohne Auswirkungen +0
eher negativ -1
eindeutig negativ -2
Die Einschätzungen zu den Auswirkungen des Brexit auf das jeweilige Unternehmen und
den Wirtschaftsstandort Hessen unterscheiden sich nach den verschiedenen Geschäftsbe-
ziehungen der Unternehmen mit dem UK (vgl. Abbildung 28). Auffällig ist der geringere
Anteil von positiven Erwartungen bei Unternehmen mit realwirtschaftlichen Verflechtungen
77
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Der Blick auf die Einschätzung zu den Effekten auf den Wirtschaftsstandort Hessen zeigt
ebenfalls deutliche Unterschiede nach Art der Geschäftsbeziehung mit dem UK. Bei Unter-
nehmen mit Mutter bzw. Europazentrale im UK sowie bei Unternehmen mit finanzwirtschaft-
lichen Verflechtungen überwiegen die positiven Einschätzungen für den Wirtschaftsstand-
ort Hessen mit 50 % bzw. 55 % die negativen mit 28 % bzw. 31 %. Diese Unterschiede
zwischen den eher negativen Einschätzungen der Effekte des Brexit auf das Unternehmen
selbst und den positiveren Einschätzungen auf den Standort Hessen stützen die These,
dass es zu Standortverlagerungen aus dem UK nach Hessen bzw. einem Ausbau des
Standorts Hessens kommen kann. Diese mit Aufwand und Kosten verbundenen Umstruk-
turierungen der Unternehmen wirken sich auf das einzelne Unternehmen negativ aus, der
Standort Hessen kann aber durch erhöhte Investitionen und durch eine Ausweitung der
Beschäftigung profitieren. Die Diskrepanz in der Einschätzung der Brexit-Folgen für das
Unternehmen (negativ) und den Standort Hessen (positiv) könnte auch darauf beruhen,
dass sich durch eine Ansiedlung von Unternehmen bzw. die Ausweitung der Tätigkeiten in
Hessen der Konkurrenzdruck in Hinblick auf Absatz-, Beschaffungs- und Arbeitsmarkt für
die einzelnen Unternehmen verstärkt, was aber für den Standort Hessen volkswirtschaftlich
günstig ist. Hessische Unternehmen, die eine Tochtergesellschaft im UK haben oder real-
wirtschaftliche Beziehungen zum UK unterhalten, sind im Vergleich pessimistischer in ihrer
Einschätzung zum Standort Hessen insgesamt. Von diesen beiden Unternehmensgruppen
erwarten jeweils 33 % der Unternehmen positive und 52 % bzw. 54 % negative Auswirkun-
gen des Brexit auf den Standort Hessen. Tendenziell scheinen die eigenen Erwartungen
der Unternehmen bis zu einem gewissen Grad ihre Erwartungen für den Standort Hessen
insgesamt zu beeinflussen. Trotzdem ist hervorzuheben, dass die Einschätzungen für den
Standort Hessen insgesamt deutlich günstiger sind als für das einzelne Unternehmen und
die Unternehmen demnach weitgehend zwischen ihrer eigenen Situation und den Auswir-
kungen auf Hessen insgesamt trennen.
Die unterschiedlichen Einschätzungen der Unternehmen je nach der Art der Geschäftsbe-
ziehungen legen die Vermutung nahe, dass die Unternehmen vor unterschiedlichen Her-
ausforderungen stehen, jeweils spezifische Aspekte des Brexit im Fokus liegen und ent-
sprechend individuelle Konsequenzen gezogen werden. Daher erhielten die Unternehmen
in der aktuellen Befragung in Abhängigkeit ihrer Angaben zu den Geschäftsbeziehungen
spezifische Fragestellungen und die nachfolgende Auswertung gliedert sich in den weiteren
Abschnitten hiernach.
78
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Unternehmen mit engen Beziehungen zum UK sind besonders vom Brexit betroffen. Von
einer besonders engen Beziehung ist auszugehen, wenn ein Unternehmen institutionelle
Verflechtungen zwischen Hessen und dem UK aufweist, d. h. Standorte sowohl in Hessen
als auch im UK unterhält (vgl. Abbildung 29). 35 % der hessischen Unternehmen mit Ge-
schäftsbeziehungen betreiben eine Produktionsstätte bzw. ein Büro zur Dienstleistungser-
bringung (19 %) oder eine Repräsentanz bzw. Vertriebseinrichtung (22 %) im UK. In der
umgekehrten Richtung geben 13 % bzw. 7 % der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen
zum UK an, dass sich dort ihr Mutterunternehmen bzw. die Europazentrale ihres Unterneh-
mens befindet. Zusammen sind dies 17 % der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen
zum UK. Dabei gibt es Unternehmen, die mehrere Standorte im UK haben bzw. Standorte
mit unterschiedlichen Funktionen im UK betreiben, sodass Mehrfachnennungen auftreten.
Mutterunternehmen im UK 13%
Mutter/Europazentrale im UK
17%
Europazentrale im UK 7%
Im vorangegangenen Abschnitt (vgl. Abbildung 28) wurde gezeigt, dass die Unternehmen
mit Muttergesellschaft bzw. Europazentrale im UK insgesamt die Auswirkungen des Brexit
etwas positiver bewerten als die hessischen Unternehmen mit Tochtergesellschaften im
UK. Entsprechend zeigen sich auch bei den nachfolgenden Auswertungen Unterschiede
zwischen diesen beiden Gruppen.
Der Brexit wird unterschiedliche Auswirkungen auf die Standorte der Unternehmen im UK
und in Hessen haben (vgl. Abbildung 30). Die Erwartungen für die Standorte in Hessen sind
dabei deutlich günstiger als für das UK. Zwar erwarten jeweils die Mehrheit der Unterneh-
men, dass die Unternehmensstandorte in Hessen und im UK unverändert bleiben, jedoch
liegt der Anteil für die hessischen Standorte mit 79 % deutlich höher als im UK mit 62 %.
Zudem erwarten mehr Unternehmen, dass der Standort in Hessen erweitert wird (14 %) als
79
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
dass der Standort verkleinert wird (7 %). Konträr ist die Einschätzung der Unternehmen für
die Standorte im UK. Für diese Standorte rechnen nur 5 % der Unternehmen mit einer Er-
weiterung, während 30 % von einer Verkleinerung ausgehen. Vereinzelt steht der Standort
im UK insgesamt in Frage. Für hessische Unternehmen mit Mutter bzw. Europazentrale im
UK zeigen sich deutlich stärkere Auswirkungen. 30 % dieser Unternehmen gehen davon
aus, dass der Standort in Hessen nach dem Brexit erweitert wird, und sogar 44 % der Un-
ternehmen rechnen mit einer Verkleinerung des Standortes im UK.
Abbildung 30: Auswirkungen des Brexit für Unternehmen mit Standorten in Hessen und im UK
Welche Auswirkung bzw. Konsequenz auf Ihre Unternehmensstandorte im UK und in Hessen erwarten Sie nach dem Brexit?
Hessen UK
Mutter/Europazentrale Mutter/Europazentrale
im UK (n=47) im UK (n=43)
Tochterunternehmen Tochterunternehmen
im UK (n=107) im UK (n=104)
0% 20% 40% 60% 80% 100% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
73 Zur besseren Vergleichbarkeit wurden für 2017 entsprechend der aktuellen Untersuchung lediglich Unternehmen ausgewertet, die
explizit angegeben hatten, Standorte im UK betreiben. Dadurch gibt es leichte Abweichung zur Vorjahresauswertung (vgl. Hessen
Agentur 2017a: S. 56-57).
80
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Abbildung 31: Beschäftigungsentwicklung durch den Brexit für Unternehmen mit Standorten in
Hessen und im UK
Welche Beschäftigungsentwicklung erwarten Sie für Welche Beschäftigungsentwicklung erwarten Sie für
Ihr Unternehmen am Standort Hessen aufgrund des Ihr Unternehmen am Standort UK aufgrund des
Brexit? Brexit?
Tochterunternehmen Tochterunternehmen
im UK (n=107) im UK (n=106)
0% 20% 40% 60% 80% 100% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
steigend steigend
unverändert unverändert
sinkend sinkend
Die aktuelle Einschätzung für die Beschäftigungssituation am Standort Hessen unter den
Unternehmen, die sowohl Standorte im UK als auch in Hessen haben, ist deutlich günstiger.
79 % der Unternehmen erwarten eine stabile Beschäftigungssituation in Hessen und der
Anteil der Unternehmen, die steigende Beschäftigtenzahlen erwarten, liegt mit 14 % über
dem Anteil an Unternehmen mit sinkenden Beschäftigtenzahlen (8 %). Die Frage nach der
Entwicklung der Beschäftigung am Standort in Hessen wurde allen Unternehmen gestellt,
unabhängig davon, ob sie Standorte im UK haben oder anderweitige Geschäftsbeziehun-
gen mit dem UK unterhalten. Über alle befragten Unternehmen (n = 503) liegen die Anteile
bei 9 % für die Erwartung steigender Beschäftigung, bei 86 % für gleichbleibende Beschäf-
tigung und bei 5 % für zurückgehende Beschäftigung am Standort Hessen. Die entspre-
chenden Anteile liegen für alle Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK (n = 311)
bei 9 % (steigend), 83 % (unverändert) und 7 % (sinkend), also sehr ähnlich. Obwohl die
Unternehmen zu einem großen Teil mit negativen Auswirkungen auf ihr Unternehmen nach
dem Brexit rechnen, reagiert der Unternehmensstandort in Hessen hierauf daher robust.
Die Ergebnisse verschiedener volkswirtschaftlicher Analysen, die mit deutlich negativeren
Auswirkungen für das UK als für die EU bzw. Deutschland rechnen, werden durch die Be-
fragungsergebnisse der hessischen Unternehmen daher gestützt.
81
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Abbildung 32: Auswirkungen des Brexit für Unternehmen mit Standorten in Hessen und im UK
Welche möglichen Auswirkungen bzw. Konsequenzen auf Ihr Unternehmen nach dem Brexit
schätzen Sie als wahrscheinlich ein?
36%
Die Mobilität der Beschäftigten zwischen 31%
den Standorten wird eingeschränkt 36%
13%
Die Eigenständigkeit des Standortes in 27%
Hessen wird zunehmen 12%
11%
Die Eigenständigkeit des Standortes im 18%
UK wird zunehmen 9%
7%
Die Rechtsform des Unternehmens in 17%
Hessen wird geändert 2%
7%
Die Rechtsform des Unternehmens im UK 7%
wird geändert 5%
Anm.: Die Angaben der antwortenden Unternehmen (n) variieren leicht zwischen den einzelnen Teilfragen.
Aufgrund von Mehrfachnennungen liegt die Zahl der Unternehmen insgesamt über den jeweiligen Teilmengen.
Bei verschiedenen Teilfragen hat das Antwortverhalten der Gruppe der Unternehmen, die sowohl Mutter bzw. Europazentrale
als auch Tochterunternehmen im UK haben (n=15), ein relativ hohes Gewicht.
Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur März 2018
82
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Die häufigste Art der Geschäftsbeziehung zwischen hessischen Unternehmen und dem UK
ist die realwirtschaftliche Verflechtung, die aus dem Export und Import von Gütern und
Dienstleistungen (ohne Finanzdienstleistungen) besteht (vgl. Abbildung 33). Dabei liegt die
Zahl der Exporteure deutlich höher, insgesamt exportieren 56 % der Unternehmen Güter
und 16 % Dienstleistungen. 29 % der Unternehmen importieren Güter und 8 % Dienstleis-
tungen. Jeweils 7 % der Unternehmen geben an, dass sie Finanzdienstleistungen expor-
tieren bzw. importieren. Um auch zu dieser spezifischen Form der grenzüberschreitenden
Dienstleistungserbringung zwischen dem UK und Hessen Erkenntnisse zu gewinnen, wur-
den diesen Unternehmen die Fragen zu Entwicklung und Auswirkungen des Brexit auf ihren
Export bzw. Import ebenfalls gestellt.
Für rund ein Drittel der Exporteure gehört das UK zu den fünf wichtigsten Exportmärkten,
worunter auch einige Unternehmen fallen, die das UK als ihren wichtigsten Auslandsmarkt
einschätzen (vgl. Abbildung 34). Zu erkennen ist, dass dieser Anteil für Unternehmen im
Dienstleistungsbereich, insbesondere bei den Finanzdienstleistungen, deutlich höher liegt
als für Unternehmen, die Güter in das UK liefern.
83
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
16% Realwirtschaftliche
Export von sonstigen Dienstleistungen in das UK
Verflechtungen mit dem UK
29% 81%
Import von Gütern aus dem UK
7% Finanzwirtschaftliche
Export von Finanzdienstleistungen in das UK
Verflechtungen mit dem UK
7% 26%
Import von Finanzdienstleistungen aus dem UK
Ein wichtiger Aspekt bei der Analyse der Auswirkungen des Brexit besteht in der zeitlichen
Dimension. Nach dem Votum für den Brexit ist eine beträchtliche Verunsicherung entstan-
den, die sich beispielsweise in einem deutlichen Wertverlust des Britischen Pfunds gegen-
über dem Euro geäußert hat. Daher sind bereits aktuell Auswirkungen auf die Geschäfts-
beziehungen der Unternehmen zu beobachten, obwohl der Rechtsrahmen noch keine Ver-
änderungen erfahren hat. Hierfür kann beispielsweise ein langer Planungshorizont für
Investitionsentscheidungen eine Ursache sein. Von der Analyse der bisherigen Entwicklung
ist die langfristige Einschätzung der Unternehmen – also nach dem Vollzug des Brexit – zu
unterscheiden.
Der Export in das UK blieb für 72 % der Unternehmen seit dem Brexit-Referendum im Som-
mer 2016 weitgehend konstant (vgl. Abbildung 35, Diagramm oben links). Etwa 11 % der
Unternehmen mit steigenden Exporten stehen rund 17 % der Unternehmen mit sinkenden
Exporten in das UK gegenüber, sodass die Exportentwicklung tendenziell eher im negati-
ven Bereich liegt. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Exporteuren – Güter, Dienst-
leistungen und Finanzdienstleistungen – sind relativ gering. Unter den mit 176 Nennungen
größte Gruppe der Güter exportierenden Unternehmen geben 13 % steigende und 20 %
fallende Exporte seit dem Referendum an. Die Ergebnisse liegen damit in etwa in dem
Bereich der letztjährig abgefragten Erwartungen zu den kurzfristigen, d. h. während der
Verhandlungsphase auftretenden Effekten des Brexit. In der kurzen Frist rechneten von
den Exporteuren von Gütern und Dienstleistungen (ohne Finanzdienstleistungen) jeweils
rund 80 % der Unternehmen nicht mit einer Veränderung ihrer Geschäftsbeziehungen zum
UK, jeweils 15 % bis 20 % gingen von einer Verringerung des Exports ihrer Güter bzw.
Dienstleistungen aus. Es lässt sich daher bestätigen, dass sich der Brexit bereits vor dem
eigentlichen Austritt des UK bemerkbar macht.
84
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Abbildung 34: Bedeutung des UK als Exportmarkt / Importmarkt der hessischen Unternehmen
Güter (n=174)
Finanzdienstleistungen (n=20)
wichtigster Auslandsmarkt
TOP5 Auslandsmarkt
nicht unter den TOP5
Güter (n=91)
Finanzdienstleistungen (n=21)
Die Unternehmen geben diverse Gründe für die bislang zu beobachtende Entwicklung ihrer
Exporte in das UK an (vgl. Abbildung 35). 6 % der Antwortenden geben an, dass Kunden
im UK Käufe oder Investitionen vorziehen. Eine zurückgehende oder zumindest lediglich
stabile Entwicklung des Exports in das UK wird von 14 % der Unternehmen durch Kauf-
bzw. Investitionszurückhaltung der Kunden im UK aufgrund der unsicheren Zukunftsaus-
sichten begründet. Rund 13 % der Antwortenden verweisen im Hinblick auf den zurückge-
henden Absatz im UK auf die Wechselkursentwicklung. 23 % der Unternehmen geben an-
derweitige Gründe für ihre Exportentwicklung an. Unter den Unternehmen, die steigende
Exporte im UK verzeichneten, wird mehrfach angegeben, dass dies auf neue Unterneh-
mensstrukturen vor Ort bzw. besondere individuelle Leistungen vor Ort zurückzuführen ist.
Auch eine günstige Branchenentwicklung bzw. ein positives konjunkturelles Umfeld werden
85
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
genannt, sodass die günstige Exportentwicklung eher trotz statt wegen des Brexit-Votums
eingetreten ist.
Unternehmen, die bisher einen unveränderten Export in das UK aufweisen, geben als
Grund hierfür häufig an, dass bisher noch keine Brexit-Effekte eingetreten seien. Ebenfalls
mehrfach genannt wurde, dass das Exportvolumen ohnehin nur sehr klein sei oder dass
das Unternehmen eine Nischenbranche besetze. Zudem geben Unternehmen an, dass der
Export innerhalb der eigenen Konzernstrukturen verläuft und das Exportvolumen nicht aus-
schließlich Marktmechanismen unterworfen sei.
Abbildung 35: Entwicklung des UK als Exportmarkt / Importmarkt seit dem Brexit-Referendum
Wie entwickelt sich der Export Ihres Unternehmens Wie entwickelt sich der Import Ihres Unternehmens
in das UK seit dem Brexit-Referendum? aus dem UK seit dem Brexit-Referendum?
Exportierende Importierende
Unternehmen insgesamt Unternehmen insgesamt
(n=228) (n=128)
Güter (n=176) Güter (n=91)
Finanzdienstleistungen Finanzdienstleistungen
(n=19) (n=21)
sonstige sonstige
Dienstleistungen (n=48) Dienstleistungen (n=22)
0% 20% 40% 60% 80% 100% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
steigend steigend
unverändert unverändert
sinkend sinkend
Welche Ursachen hat die Exportentwicklung seit dem Welche Ursachen hat die Importentwicklung aus dem UK seit
Brexit-Referendum? dem Brexit-Referendum?
(n=221, Mehrfachangaben möglich) (n=128, Mehrfachangaben möglich)
Sonstiges 23%
Sonstiges 22%
86
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Die Unternehmen, die Rückgänge beim Export seit dem Referendum erlebt haben, nennen
mehrfach – wie auch bei steigenden Exporten –, dass die Gründe unabhängig vom Brexit
seien (z.B. allgemeiner Branchentrend). In einigen Fällen wechselten britische Kunden hes-
sischer Unternehmen aber auch zu neuen Lieferanten, die ebenso im UK sitzen.
In noch höherem Maß als der Export erweist sich der Import hessischer Unternehmen aus
dem UK seit dem Brexit-Referendum als stabil. Rund 81 % der Unternehmen geben an,
dass der Import unverändert ist. 6 % der Unternehmen erhöhten den Import, während 13 %
den Import verringerten (vgl. Abbildung 35, Diagramm oben rechts). Dabei ist auffällig, dass
die Steigerungen ausschließlich durch Importeure von Gütern erzielt wurden, während
Dienstleistungsimporte meist stabil blieben. Unter den Importeuren von Gütern haben 9 %
ihren Import aus dem UK seit dem Referendum gesteigert und 13 % verringert.
Einige Unternehmen (5 %) äußerten, dass die Beschaffung aus dem UK aufgrund der
Wechselkursentwicklung – das englische Pfund verlor gegenüber dem Euro seit dem Re-
ferendum deutlich an Wert, wodurch Importe günstiger werden – gestiegen sei. Für stei-
gende Importe wurden zudem insbesondere vom Brexit-Referendum unabhängige Ursa-
chen genannt, wie etwa die Etablierung einer neuen Geschäftsbeziehung oder eine allge-
mein gute Entwicklung der Nachfrage. 16 % der Unternehmen gaben an, dass sie ihre
Beschaffung im UK aufgrund von Unsicherheit verringert haben. Weitere genannte Gründe
für einen Rückgang der Importe beziehen sich auf die Marktsituation im Allgemeinen. Un-
ternehmen mit bislang unveränderten Importvolumen betonen zum Teil explizit, dass sich
bisher noch keine Markteinschränkungen ergeben haben.
Die Ergebnisse bestätigen weitgehend die Erwartungen der Unternehmen zur Importent-
wicklung während der Verhandlungsphase aus der Vorjahresuntersuchung, die ebenfalls
durch einen hohen Anteil von stabilen Importerwartungen geprägt waren. Allerdings lag der
Anteil der Unternehmen mit sinkenden Importerwartungen mit 15 % bis 20 % (Güter bzw.
sonstige Dienstleistungen) geringfügig höher.
87
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
gen der hessischen Exporteure von Gütern damit verschlechtert, da der Anteil der Unter-
nehmen mit sinkenden Exporterwartungen um 9 %-Punkte höher liegt. Für die sonstigen
Dienstleistungen sind die Ergebnisse weitgehend identisch mit den Vorjahresergebnissen,
für hessische Erbringer von Finanzdienstleistungen im UK lagen im Vorjahr keine Ergeb-
nisse vor.
In der aktuellen Befragung wurden die Gründe für die Einschätzungen der Unternehmen
bzw. die Konsequenzen, die sie aus den Zukunftserwartungen ziehen werden, in Form von
Hypothesen abgefragt. 41 % der Unternehmen sehen es als wahrscheinlich an, dass sich
die Wettbewerbsposition des Unternehmens gegenüber Konkurrenten aus Drittländern
oder dem UK selbst verschlechtern wird. Unternehmen, die erwarten, dass ihr Absatz auch
nach dem Brexit unverändert bleibt, geben häufig dafür an, dass eine geringe Preissensiti-
vität besteht. Zudem werde sich die Marktsituation kaum ändern, da ihre Wettbewerber
überwiegend aus der EU stammen. Allerdings kommen zu dieser Markteinschätzung auch
viele Unternehmen mit steigender bzw. sinkender Exportentwicklung. Positiv hervorzuhe-
ben ist, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen davon ausgeht, Rückgänge beim UK-
Absatz in anderen Märkten ausgleichen zu können. Insbesondere angesichts der derzeiti-
gen weltweiten wirtschaftspolitischen Lage – zunehmender Protektionismus und Diskussi-
onen um Einführung von Zöllen, Strafzöllen und die Gefahr von Handelskriegen – ist dieses
Ergebnis hervorzuheben. Lediglich vereinzelt gehen Unternehmen davon aus, zukünftig ein
Tochterunternehmen im UK gründen zu müssen, um weiterhin erfolgreich in das Land ex-
portieren zu können. Bei der Interpretation dieser relativ geringen Zahl der Unternehmen
ist aber zu berücksichtigen, dass einige der befragten Unternehmen bereits einen Standort
im UK haben, der die Vertriebsaktivitäten im UK übernimmt.
Ähnlich wie die Erwartung zur Exportentwicklung nach dem Brexit verschlechtert sich auch
die Einschätzung zur Importentwicklung gegenüber den bisher zu beobachteten Effekten
deutlich. Nach dem Brexit geht zwar noch immer mit knapp 61 % die Mehrheit der Impor-
teure von unveränderten Importen aus, jedoch liegt der Anteil der Unternehmen mit sinken-
den Importerwartungen (35 %) deutlich über dem Anteil mit steigenden Importerwartungen
(4 %). Im Gegensatz zu den kurzfristigen Importentwicklungen gibt es bei den langfristigen
Importentwicklungen kaum nennenswerte Unterschiede zwischen Güterimporteuren (stei-
gend: 4 %, unverändert: 60 %, sinkend: 36 %) und den Beziehern von Dienstleistungen.
Werden die Ergebnisse der Vorjahresuntersuchung als Vergleich herangezogen, so zeigt
sich, dass die Güterimporteure und die Importeure von sonstigen Dienstleistungen aktuell
etwas optimistischer in die Zeit nach dem Brexit schauen als zuvor, da sich der Anteil der
Unternehmen mit sinkenden Importerwartungen jeweils um 10 %-Punkte verringert hat. Für
Finanzdienstleister liegen im Vorjahr keine Importerwartungen vor, und auch die diesjähri-
gen Ergebnisse sind aufgrund der geringen Zahl von Rückmeldungen (n=19) nur mit Vor-
sicht zu interpretieren. Knapp die Hälfte der Importeure von Finanzdienstleistungen gehen
von sinkenden Importen nach dem Brexit aus.
88
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Abbildung 36: Entwicklung des UK als Exportmarkt / Importmarkt nach dem Brexit
Welche Exportentwicklung nach UK erwartet Ihr Welche Importentwicklung erwartet Ihr Unternehmen
Unternehmen nach dem Brexit? nach dem Brexit?
Exportierende Importierende
Unternehmen insgesamt Unternehmen insgesamt
(n=225) (n=127)
Güter (n=174) Güter (n=90)
Finanzdienstleistungen Finanzdienstleistungen
(n=19) (n=19)
sonstige sonstige
Dienstleistungen (n=47) Dienstleistungen (n=24)
0% 20% 40% 60% 80% 100% 0% 20% 40% 60% 80% 100%
steigend steigend
unverändert unverändert
sinkend sinkend
Welche möglichen Auswirkungen bzw. Konsequenzen Welche möglichen Auswirkungen bzw. Konsequenzen
hinsichtlich Ihres Exports im UK nach dem Brexit hinsichtlich Ihres Imports aus dem UK nach dem Brexit
schätzen Sie als wahrscheinlich ein? (Mehrfachnennungen schätzen Sie als wahrscheinlich ein? (Mehrfachnennungen
möglich) möglich)
89
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Für rund 61 % der Importeure erscheint es wahrscheinlich, dass nach dem Brexit ihre Her-
stellungskosten aufgrund von Zöllen und damit teurerer Beschaffung ansteigen. Ebenfalls
knapp 59 % der Unternehmen gehen davon aus, dass sie nach dem Brexit vermehrt Im-
porte aus dem UK durch Beschaffung in Deutschland oder einem EU-Land ersetzen. Rund
14 % der betroffenen Unternehmen halten es für wahrscheinlich, dass sie zukünftig nicht
mehr den Herkunftsnachweis EU führen können, da der Import aus dem UK ein wesentli-
cher Bestandteil ihres Produktes ist.
Von den Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK geben 26 % an, dass sie finanz-
wirtschaftliche Verflechtungen mit dem UK aufweisen. Hierunter fallen alle Unternehmen,
die Finanzdienstleistungen exportieren oder importieren, sowie Unternehmen, die explizit
die entsprechende Frage nach finanzwirtschaftlichen Verflechtungen bejaht haben.
Finanzwirtschaftliche
7% Verflechtungen mit dem UK
Import von Finanzdienstleistungen aus dem UK
26%
90
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Mehr als die Hälfte der antwortenden Unternehmen mit finanzwirtschaftlichen Verflechtun-
gen hält es für wahrscheinlich, dass nach einem Brexit – wenn kein Datenschutzabkommen
zwischen der EU und dem UK vereinbart wird – der Austausch firmeninterner Kunden- bzw.
Mitarbeiterdaten nicht mehr möglich ist. Für 53 % der Unternehmen ist es wahrscheinlich,
dass sich nach dem Brexit ihre finanzwirtschaftlichen Verflechtungen mit dem UK nicht än-
dern, da EU-Richtlinien im UK in nationales Recht umgesetzt sind. Dies erleichtert eine
wechselseitige Anerkennung und die zukünftige Integration der Märkte auch nach dem
Brexit. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass sich Regularien mit dem Brexit
auseinanderentwickeln könnten. Nahezu die Hälfte der Unternehmen geht davon aus, dass
strukturelle Änderungen wie beispielsweise die Einrichtung einer Tochtergesellschaft oder
zusätzliche Zulassungsbeantragungen erforderlich sein werden, um bestimmte finanzwirt-
schaftliche Aktivitäten aufrecht erhalten zu können. Jeweils knapp 20 % der Unternehmen
gaben an, dass sie wahrscheinlich zukünftig in Hessen eine eigene Zulassung benötigen
und sich nicht mehr auf den EU-Pass berufen können, bzw. dass sie ihre Eigenkapitalstruk-
tur aufgrund von geänderten Risikobewertungen anpassen müssen.
Dagegen gaben nur wenige Unternehmen an davon auszugehen, nach dem Brexit eine
neue Niederlassung im UK gründen zu müssen. Nur wenige Unternehmen machten Anga-
ben zu sonstigen zukünftigen Entwicklungen. Darunter wurde die Unsicherheit hinsichtlich
der zukünftigen Behandlung der britischen Limited (Ltd.) geäußert sowie eine Umsiedlung
des Unternehmens – etwa nach Luxemburg – als wahrscheinliches Szenario genannt.
91
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Dienstleistungsgewerbe (n=53)
steigende Intensität 3%
Finanz- und
Versicherungsdienstleistungen
(n=27)
unverändert 63% Verarbeitendes Gewerbe (n=17)
0% 40% 80%
92
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
In den vorangegangenen Abschnitten wurde dargestellt, inwieweit und auf welche Weise
die befragten hessischen Unternehmen – getrennt nach institutionellen Verflechtungen
(Mutterunternehmen, Europazentrale oder Tochter mit Sitz im UK), Export- und Importtä-
tigkeiten (Güter, Finanzdienstleistungen und sonstige Dienstleistungen) sowie finanzwirt-
schaftlichen Verflechtungen – betroffen sind. Bei allen Tätigkeitsarten zeigt sich ein hoher
Anteil von Unternehmen, die mit Rückgängen der Geschäftstätigkeit in den jeweiligen Be-
reichen nach dem Brexit rechnen. Daher ist der Vorbereitungsstand der Unternehmen mit
Geschäftsbeziehungen zum UK besonders relevant. Doch auch Unternehmen, die nicht
selbst im UK aktiv sind, können durch den Brexit mittelbar betroffen sein. Beispielsweise
können die Kunden von hessischen Zulieferern enge Geschäftsbeziehungen mit dem UK
aufweisen. Daher wurden auch Unternehmen, die angegeben haben, keine Geschäftsbe-
ziehungen mit dem UK zu haben, nach ihrem Vorbereitungsstand befragt.
Unter den Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK hat ein deutlich höherer Anteil
Vorbereitungen im Hinblick auf den Brexit eingeleitet. Trotzdem liegen auch für diese Un-
ternehmen die Anteile relativ hoch, die keine Vorbereitung treffen, da sie nicht in nennens-
wertem Umfang vom Brexit betroffen sind (56 %) bzw. da noch eine zu große Unsicherheit
hinsichtlich des Brexit-Verhandlungsergebnisses besteht (40 %). Allerdings haben bereits
68 % bzw. 63 % der Unternehmen ihre direkte bzw. indirekte Abhängigkeit vom UK analy-
siert. Rund 44 % der Unternehmen beachten zudem bei allen wichtigen Unternehmensent-
scheidungen potenzielle Auswirkungen des Brexit. Die Unsicherheit des Ausgangs der
Brexit-Verhandlungen ist für 38 % der Unternehmen ein Grund, wichtige Geschäftsent-
scheidungen zunächst zurückzustellen. Den höchsten (abgefragten) Grad der Vorberei-
tung, nämlich die Entwicklung von Strategien, Maßnahmenplänen und Handlungsabläufen
93
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Anm.: Die Anzahl der antwortenden Unternehmen (n) variiert leicht zwischen den einzelnen Teilfragen.
Quelle: Unternehmensbefragung der Hessen Agentur März 2018
94
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexit Wie schätzen Sie die Auswirkungen des Brexit
insgesamt gesehen auf Ihr Unternehmen ein? insgesamt gesehen auf Ihr Unternehmen ein?
1% 1%
eindeutig positiv +2 eindeutig positiv +2
0% 1%
5% 2%
eher positiv +1 eher positiv +1
8% 8%
47% 18%
eher negativ -1 eher negativ -1
38% 8%
17% 1%
eindeutig negativ -2 eindeutig negativ -2
10% 0%
95
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Unter den Unternehmen ohne Geschäftsbeziehungen zum UK bleibt mit 77 % beim harten
Brexit der Anteil der Unternehmen, die keine bzw. neutrale Auswirkungen erwarten, sehr
groß. Allerdings steigt auch bei diesen Unternehmen der Anteil der eher negativen Erwar-
tungen von 8 % auf 18 % deutlich an.
Der Brexit wird zu einer Neuordnung der rechtlichen Verhältnisse zwischen der EU und
dem UK führen – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen. Der
Vergleich zwischen den erwarteten Auswirkungen bei einem Brexit bzw. bei einem harten
Brexit unterstreicht die Aussage in Abbildung 21, dass sich die Unternehmen tendenziell
eher einen „weichen“ Brexit, d. h. enge wirtschaftliche Beziehungen zwischen dem UK und
der EU wünschen. Die Unternehmen wurden daher befragt, welche Vereinbarungen bei
einem weichen Brexit für sie am wichtigsten wären, d. h. wie der zukünftige Rahmen des
wirtschaftlichen Austausches zwischen der EU und dem UK gestaltet werden soll. Dabei
galt die Einschränkung, dass höchstens drei der angegebenen Kategorien gewählt werden
sollen (vgl. Abbildung 41).74
Die Erhebung von Zöllen ist ein Schritt Richtung Protektionismus und gegen Freihandel.
Die Hälfte der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK formulieren daher an ein
Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem UK als eine der drei wichtigsten Anfor-
derungen, dass tarifäre Handelshemmnisse beim Export vermieden werden sollen. Zudem
wünschen sich 37 % der Unternehmen die Vermeidung von nicht-tarifären Handelshemm-
nissen. Hierunter fallen Formalitäten wie Zollanmeldung und Warenverkehrsbescheinigun-
gen sowie ggf. Wartezeiten an der Grenze, Kennzeichnungsregeln und Verpackungsvor-
schriften. Die beiden entsprechenden Kategorien – Vermeidung tarifärer und nicht-tarifärer
Handelshemmnisse – werden für den Import mit 17 % bzw. 9 % von deutlich weniger Un-
ternehmen als wichtige Anforderung genannt. Dies liegt sicherlich auch an der geringeren
Zahl der Importeure gegenüber den Exporteuren in der Befragung. Eventuell spielt auch
eine Rolle, dass die Belastungen die Kunden – in diesem Fall die hessischen Unternehmen
als Käufer britischer Vorprodukte – gegenüber den Exporteuren eher indirekt treffen. Trotz-
dem kann ein in Hessen ansässiges Unternehmen, das aus dem UK Vorprodukte importiert
und diese in Hessen weiterverarbeitet, von Zöllen im Rahmen des Brexit betroffen sein.
Für den Handel in beide Richtungen – sowohl für Exporteure als auch Importeure – ist die
Vermeidung von unterschiedlichen Standards und Normen relevant. 44 % der Unterneh-
men wählen dies als eine der drei wichtigsten Anforderungen an ein Abkommen zur zu-
künftigen Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und dem UK. Während
74 Die Ergebnisse sind weitgehend robust gegenüber der Aufnahme von Unternehmensantworten mit mehr als drei Anforderungen an
ein zukünftiges Freihandelsabkommen. In der Unternehmensbefragung des Vorjahres wurden die Unternehmen nach den größten
Risiken auf ihre Geschäftsbeziehungen zum UK durch den Brexit gefragt. Die dabei ermittelten Ergebnisse spiegeln qualitativ in
hohem Maße die hier vorgestellten Anforderungen an ein zukünftiges Abkommen. Ein Vergleich der quantitativen Ergebnisse ist
aber aufgrund deutlicher methodischer Unterschiede der Fragestellung wie die Begrenzung auf drei Antwortmöglichkeiten nicht
möglich.
96
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse eher für den Export bzw. Import von Gütern re-
levant sind, treffen unterschiedliche Standards und Normen auch Dienstleistungsunterneh-
men. Insbesondere für diese Unternehmen ist zudem die freie grenzüberschreitende
Dienstleistungserbringung wichtig, sodass 26 % der befragten Unternehmen dies als einen
der drei wichtigsten Verhandlungsbausteine für ein zukünftiges Abkommen betrachten.
Abbildung 41: Regelungen bei einem Abkommen zur Gestaltung der zukünftigen Beziehungen
zwischen der EU und dem UK
Im Falle eines Brexit mit bilateralen Vereinbarungen zwischen der EU und dem UK zu den
Zukunftsbeziehungen („weicher“ Brexit): Welche Regelungen wären für Ihr Unternehmen am wichtigsten?
44%
Vermeidung unterschiedlicher Standards / Normen 25%
26%
Gewährleistung von freier Dienstleistungserbringung 20%
17%
Gewährleistung von Arbeitnehmerfreizügigkeit 19%
10%
Gewährleistung eines freien Zugangs zum Kapitalmarkt 11%
3%
Sonstige 4%
Mit einem Anteil von 25 % nennt jedes vierte befragte Unternehmen mit Geschäftsbezie-
hungen zum UK als wichtiges Verhandlungsziel, dass Wettbewerbsnachteile der Unterneh-
men innerhalb der EU durch Steuersenkungen im UK vermieden werden müssen. Diese
97
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Befürchtung ist sicherlich durch einige Aussagen in dieser Richtung von britischer Seite
insbesondere zum Beginn der Verhandlungen verstärkt worden.75 Hervorzuheben ist, dass
für die Unternehmen ohne Geschäftsbeziehungen zum UK dieser Aspekt mit 22 % knapp
nach der Vermeidung unterschiedlicher Standards und Normen (25 %) die zweitwichtigste
Anforderung an ein zukünftiges Abkommen darstellt. Die Vermeidung von Standortnachtei-
len in der EU durch Arbeitsrechtsänderungen im UK wird von 10 % der Unternehmen mit
Geschäftsbeziehungen zum UK bzw. 13 % der Unternehmen ohne Geschäftsbeziehungen
als eine der drei wichtigsten Regelungen in einem zukünftigen Abkommen betrachtet. Ent-
sprechend zum deutlich geringeren Betroffenheitsgrad der Unternehmen ohne Geschäfts-
beziehungen mit dem UK formulieren diese ansonsten in geringerem Maße Anforderungen
an ein Abkommen zwischen dem UK und der EU.
Der freie Zugang zum Kapitalmarkt ist nur für rund 10 % der Unternehmen mit Geschäfts-
beziehungen einer der wichtigsten Bestandteile eines zukünftigen Abkommens. Dies beruht
aber auf dem geringeren Anteil von finanzwirtschaftlich mit dem UK verflochtene Unterneh-
men in der Befragung (vgl. Abbildung 26). Unter diesen Unternehmen ist diese Anforderung
jedoch mit einem Anteil von 30 % deutlich wichtiger. Separate Ergebnisse der Anforderun-
gen für die einzelnen Arten der Geschäftsbeziehungen mit dem UK sind Anhang 2 zu ent-
nehmen.
75 Vgl. zum Beispiel Enriques (2017), der diese Drohung von britischer Seite aber als leere Drohung bezeichnet, da sich das UK
derzeit nicht als „glaubwürdige Steueroase“ international positionieren kann. Unter anderem sei der Schaden auf die öffentliche
Haushaltslage bei einer großen Volkswirtschaft wie dem UK bei entsprechenden Steuersätzen zu groß. Zudem habe durch die
Unsicherheit über den politischen Kurs und über die weitere wirtschaftliche Entwicklung des UK das Land zu stark an Attraktivität
für ausländische Investoren verloren.
98
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Der Austrittsantrag des UK wurde am 29. März 2017 gestellt, womit die im EU-Vertrag vor-
gesehene zweijährige Verhandlungsphase begann. Mehr als die Hälfte der Zeit ist mittler-
weile vorbei und noch immer herrscht große Ungewissheit über das Ergebnis der Verhand-
lungen. In einigen Bereichen hat es Annäherungen gegeben – so sind sich die Verhand-
lungsparteien über eine Übergangsfrist bis zum Ende des Jahres 2020 einig. Allerdings
stehen sämtliche Vereinbarungen stets unter dem Vorbehalt, dass sie erst dann beschlos-
sen sind, wenn man sich insgesamt in einem Austrittsabkommen geeinigt hat. In manchen
Bereichen wie etwa der Lösung der Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland – einerseits
handelt es sich nach dem Brexit um eine EU-Außengrenze zum UK, andererseits ist die
offene Grenze ein integraler Bestandteil des Friedensprozesses in Nordirland – scheint je-
doch eine Lösung noch in weiter Ferne. Unabhängig vom konkreten Verhandlungsergebnis
zum Austritt wird der Brexit neben den politischen Konsequenzen insbesondere auch wirt-
schaftliche Auswirkungen auf die verbliebenen 27 Staaten der EU haben. Im Fokus der
vorliegenden Studie stehen die Auswirkungen des Brexit auf die hessische Wirtschaft.
Mit dem Ausscheiden des UK wird eine der größten Volkswirtschaften der EU aller Voraus-
sicht nach den gemeinsamen Binnenmarkt verlassen. Das UK ist eine der am höchsten
entwickelten Volkswirtschaften der Welt (Bruttoinlandsprodukt pro Kopf: 40.400 US-Dollar).
Das UK erwirtschaftet nach Deutschland das zweithöchste BIP in der EU und weist zudem
die drittgrößte Bevölkerungszahl aller EU-Staaten auf. Die britische Wirtschaft ist durch ei-
nen ausgesprochen hohen Dienstleistungsanteil (80 %) bzw. – anders gewendet – durch
einen sehr niedrigen Anteil des Produzierenden Gewerbes (19 %) gekennzeichnet.
99
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Zuwächse in anderen Warengruppen gegenüber. Werden die letzten zwei Jahre nicht iso-
liert betrachtet, sondern in den Kontext der längerfristigen Entwicklung gesetzt, so scheint
sich beim Import eher der langfristige Trend abnehmender Bedeutung des UK als Her-
kunftsland hessischer Importe fortzusetzen. Der Brexit dürfte weder geeignet sein, diesen
Trend abzuschwächen oder gar umzukehren noch dem hessischen Export in das UK neue
Impulse zu verleihen.
Über die Handelsbeziehungen hinaus bestehen zwischen dem UK und Hessen intensive
Investitionsbeziehungen. So weist die hessische Wirtschaft im UK einen Direktinvestitions-
bestand in Höhe von 20,9 Mrd. Euro auf (Stand: Ende 2015), was einem Anteil von 12 %
an den FDI Hessens im Ausland insgesamt entspricht (Rang 3 unter den Zielländern). Die
Investitionen werden durch den Finanzsektor geprägt. In der umgekehrten Richtung belegt
das UK mit 6,3 Mrd. Euro bzw. 9 % an allen FDI in Hessen ebenfalls Rang 3 unter den
Herkunftsländern. Obgleich auch bei den Investitionsobjekten dem Finanzsektor die Haupt-
rolle zukommt, fallen die FDI des UK in Hessen doch diversifizierter aus als in umgekehrter
Richtung. Insgesamt gesehen bestimmen jedoch die wechselseitigen Beziehungen zwi-
schen dem Finanzplatz Frankfurt und dem Finanzplatz London die Direktinvestitionen.
Die Hessen Agentur unterstützt den Dialog der Hessischen Landesregierung mit der hes-
sischen Wirtschaft zum Thema Brexit mit der Durchführung weit gefasster Unternehmens-
befragungen. Ziel ist es, aus erster Hand Einschätzungen zu den Auswirkungen des Brexit
zu erhalten. Dabei wird kein Querschnitt der hessischen Wirtschaft gebildet, sondern gezielt
Unternehmen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für Geschäftsbeziehungen zum UK be-
fragt. In der diesjährigen Befragung wurden rund 3.900 Unternehmen mit Sitz in Hessen
100
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
angeschrieben, von denen mehr als 500 Unternehmen (13,3 %) antworteten. Die Befra-
gung lehnt sich methodisch eng an die letztjährige Untersuchung an, die zum Jahreswech-
sel 2016 / 2017 und damit nach dem Referendum, aber noch vor dem Austrittsantrag des
UK durchgeführt wurde. Um eine hohe Übereinstimmung mit der Zielgruppe zu erreichen,
wurden in beiden Befragungen alle hessischen Unternehmen mit einer Tochtergesellschaft
im UK befragt. Für hessische Unternehmen mit einer Konzernzentrale im UK wurde eben-
falls eine Vollerhebung durchgeführt. Zusätzlich wurden alle Unternehmen mit Sitz in Hes-
sen und mehr als 50 Beschäftigten in exportintensiven Branchen einbezogen. Die struktu-
rellen Daten der teilnehmenden Unternehmen stimmen zwischen beiden Unternehmensbe-
fragungen weitgehend überein, sodass die Antworten miteinander verglichen werden
können, Hinweise auf Änderungen im Zeitablauf liefern und das letztjährige Bild weiter
schärfen.
Sorgen bereitet den Unternehmen insbesondere ein harter Brexit, bei dem das UK gegen-
über der EU auf den Status eines Drittlandes zurückfallen und für die zukünftigen wirtschaft-
lichen Beziehungen das WTO-Regularium gelten würde. Der Anteil der Unternehmen mit
eher negativen oder sehr negativen Einschätzungen der Auswirkungen auf ihr Unterneh-
men steigt bei einem harten Brexit von 48 % auf 64 %. Diese Einschätzung spiegelt sich
auch in den Wünschen der Unternehmen wider, die sich mit großer Mehrheit weiterhin eine
enge Anbindung des UK an den europäischen Binnenmarkt wünschen. Voraussetzung
hierfür ist ein möglichst umfassendes Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem
UK. Als einen der wichtigsten Inhalte eines solchen Abkommens bezeichnen 50 % der Un-
ternehmen die Vermeidung tarifärer Handelshemmnisse beim Export und 44 % die Vermei-
dung unterschiedlicher Standards und Normen. Ebenfalls häufig genannt wurden die Ver-
meidung nicht-tarifärer Handelshemmnisse beim Export sowie die Gewährleistung von
freier Dienstleistungserbringung. Die Vermeidung von Standortnachteilen in der EU durch
Steuerrechtsänderungen im UK sollte nach Ansicht von einem Viertel der Unternehmen
ebenfalls eine Priorität im Abkommen darstellen. Den Hoffnungen auf ein tiefgreifendes
Freihandelsabkommen steht die Unsicherheit im Hinblick auf das Verhandlungsergebnis
101
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Die Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zum UK sind auf vielfältige Weise mit dem
Land wirtschaftlich verbunden. Die klassische Form der internationalen Geschäftsbezie-
hungen von Unternehmen bilden der Export und der Import von Gütern. Exporte und Im-
porte erreichen zwischen Hessen und dem UK ein hohes Volumen. Zudem kommt der
grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung gerade zwischen hochentwickelten
Volkswirtschaften eine große Bedeutung zu, für deren Volumen auf Bundesländerebene
aber keine Datengrundlage verfügbar ist. Unter den befragten Unternehmen mit Geschäfts-
beziehungen zum UK unterhalten 81 % entsprechende realwirtschaftliche Verflechtungen
– Export und Import von Gütern und Dienstleistungen (ohne Finanzdienstleistungen). 35 %
der Unternehmen besitzen eigene Tochtergesellschaften im UK als Produktionsstätte bzw.
zur Dienstleistungserbringung oder als Vertriebsunterstützung. In der umgekehrten Rich-
tung ist das UK für 17 % der hessischen Unternehmen der Sitz der Konzernmutter bzw. der
Europazentrale. Und schließlich verfügen 26 % der befragten Unternehmen über finanz-
wirtschaftliche Verflechtungen mit dem UK. Je nach Art der Geschäftsbeziehung mit dem
UK sind die Unternehmen mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Eine beson-
ders enge Bindung an das UK besteht, wenn die Unternehmen mit Sitz in Hessen Standorte
im UK haben. Dies können übergeordnete Einheiten (z.B. Konzernmutter) oder Tochterge-
sellschaften im UK sein. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Unternehmen überwiegend
stabile Beschäftigungserwartungen sowohl im UK als auch in Hessen haben. Allerdings ist
der Anteil der Unternehmen mit negativen Beschäftigungserwartungen für die Standorte im
UK mit 37 % ebenfalls relativ hoch, während für die hessischen Standorte sogar mehr Un-
ternehmen von steigender (14 %) als fallender Beschäftigung (8 %) ausgehen. Diese Un-
terschiede korrespondieren damit, dass knapp 20 % der Unternehmen es für wahrschein-
lich erachten, nach dem Brexit Aufgaben des Standortes im UK auf den Standort in Hessen
zu verlagern. Nahezu jedes zweite Unternehmen geht davon aus, dass unternehmensin-
terne Lieferketten zwischen Hessen und dem UK umstrukturiert werden müssen.
Für Güter exportierende bzw. importierende Unternehmen sind trotz der durch das Brexit-
Referendum induzierten Unsicherheit und den Folgen zum Beispiel auf den Wechselkurs
von Euro und Britischem Pfund die Auswirkungen bisher relativ gering. Auf die Zeit nach
dem vollzogenen Brexit blicken die Unternehmen dagegen deutlich pessimistischer. Zwar
erwartet auch hierbei die Mehrheit der Unternehmen eine Konstanz ihres Warenhandels,
aber auch 44 % der Güter exportierenden Unternehmen und 36 % der importierenden Un-
ternehmen erwarten Rückgänge bei Export bzw. Import. Von Steigerungen gehen dagegen
jeweils nur wenige Unternehmen aus.
Hessische Unternehmen sind auf vielfältige Weise finanzwirtschaftlich mit dem UK verfloch-
ten. Hierzu zählen beispielsweise der Import und der Export von Finanzdienstleistungen,
Kapitalanlagen oder die Finanzierung am britischen Finanzmarkt sowie Tätigkeiten auf dem
102
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Geldmarkt im UK. Für die Zeit nach dem Brexit gehen 63 % der Unternehmen mit finanz-
wirtschaftlichen Verflechtungen zum UK von einer unveränderten Intensität dieser Verflech-
tungen aus, allerdings übersteigt die Zahl der sinkenden Erwartungen (34 %) die der stei-
genden (3 %) deutlich. Nahezu die Hälfte dieser Unternehmen (44 %) hält es für wahr-
scheinlich, auf den Brexit mit strukturellen Änderungen (z.B. Gründung einer
Tochtergesellschaft, Beantragung neuer Zulassungen) reagieren zu müssen, um (Teile ih-
rer) finanzwirtschaftlichen Aktivitäten aufrecht erhalten zu können.
Blicken die Befragten über ihr eigenes Unternehmen hinaus und bewerten die Auswirkun-
gen des Brexit auf den Wirtschaftsstandort Hessen, zeigt sich ein ähnliches Bild wie letztes
Jahr. Die Einschätzungen für den Wirtschaftsstandort Hessen sind insgesamt deutlich
günstiger als für die einzelnen Unternehmen, da sich positive (41 %) und negative Einschät-
zungen (43 %) weitgehend die Waage halten. Relativ wenige Unternehmen (16 %) erwar-
ten neutrale bzw. keine Auswirkungen. Das zunächst überraschende Resultat – ein relativ
hoher Anteil negativer Einschätzungen zu den Auswirkungen des Brexit auf das Unterneh-
men bei gleichzeitig relativ vielen positiven Einschätzungen im Hinblick auf den Wirtschafts-
standort Hessen – lässt sich erklären. So können Brexit-Folgen negativ oder neutral für das
Unternehmen sein, während sie in Summe für den Wirtschaftsstandort Hessen eine Chance
bedeuten. Hierunter fallen zum Beispiel Standortverlagerungen aus dem UK nach Hessen.
Insbesondere in der Finanzbranche, in der diverse Tätigkeiten und Dienstleistungen an ei-
nen Sitz innerhalb der EU gekoppelt sind, wird dies bereits konkreter. So haben aktuell rund
20 Banken angekündigt, aufgrund des Brexit Tochterunternehmen am Finanzplatz Rhein-
Main zu gründen bzw. die Beschäftigung in bestehenden Niederlassungen auszuweiten.
Die Studie gibt einen ausführlichen Überblick zu den Aktivitäten der Hessischen Landesre-
gierung im Hinblick auf den Brexit. Der Brexit-Prozess – als einschneidendes Ereignis, aus
dem sich sowohl Herausforderungen als auch Chancen für den Standort Hessen ergeben
– wird von Beginn an durch eine Vielzahl von Maßnahmen der hessischen Landesregierung
begleitet. Dabei werden die Aktivitäten in den drei ressortübergreifenden Themengruppen
„Bund und Europa“, „Rechtsrahmen“ und „Marketing und Realwirtschaft“ durch die Staats-
kanzlei koordiniert. In der Themengruppe „Bund und Europa“ werden beispielsweise die
hessischen Interessen bei der EU vertreten und in den Verhandlungsprozess eingebracht.
Die Themengruppe „Rechtsrahmen“ setzt sich mit rechtlichen Änderungen im künftigen
Verhältnis zwischen EU und dem UK auseinander und erarbeitet Anpassungsstrategien. In
der Themengruppe „Marketing und Realwirtschaft“ werden Maßnahmen für das Standort-
marketing Hessens sowie zur Unterstützung hessischer Unternehmen ergriffen. Federfüh-
rend ist das Hessische Wirtschaftsministerium, in dessen Auftrag die Hessen Trade & In-
vest als landeseigene Wirtschaftsförderung die Standortmarketingaktivitäten des Landes
koordiniert.
103
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Abbildungsverzeichnis
Abbildung Seite
5 Entwicklung des Wechselkurses von US-Dollar bzw. Euro pro Britisches Pfund
2000-2017 19
9 Außenhandel mit dem UK: Relative Bedeutung der wichtigsten Exportgüter 2017 24
11 Export Hessens und Deutschlands in das UK Januar 2015 bis Januar 2018 26
15 Außenhandel mit dem UK: Relative Bedeutung der wichtigsten Importgüter 2017 30
17 Import Hessens und Deutschlands aus dem UK Januar 2016 bis Januar 2018 32
104
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
105
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Tabellenverzeichnis
Tabelle Seite
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111
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
112
HA Hessen Agentur GmbH – Wirtschaftsforschung und Landesentwicklung
Anhang
68%
80%
Unser Unternehmen hat den Grad der direkten Abhängigkeit 85%
(z.B. Lieferketten, Umsatzanteil etc.) vom UK analysiert 65%
84%
63%
73%
Unser Unternehmen hat den Grad der indirekten Abhängigkeit 79%
(z.B. Umsatzanteil UK bei Kunden etc.) vom UK analysiert 60%
79%
56%
Unser Unternehmen ergreift keine Schritte zur Vorbereitung, 30%
da wir nicht in nennenswertem Umfang vom Brexit betroffen 38%
sind 59%
31%
44%
Unser Unternehmen beachtet bei allen wichtigen 72%
Unternehmensentscheidungen potenzielle Auswirkungen des 58%
Brexit 39%
68%
40%
20%
Unser Unternehmen ergreift aufgrund der Unsicherheit des 30%
Verhandlungsergebnisses keine Schritte zur Vorbereitung 42%
27%
38%
Unser Unternehmen stellt Entscheidungen zurück, bis mehr 38%
Klarheit hinsichtlich der Brexit-Verhandlungsergebnisse 50%
gegeben ist 39%
49%
30%
Unser Unternehmen hat Strategien / Maßnahmenpläne / 58%
Handlungsabläufe für verschiedene Brexit-Szenarien 44%
entwickelt 24%
63%
113
Hessen und der Brexit – Ein Jahr nach dem Austrittsantrag
Anhang 2: Regelungen bei einem Abkommen zur Gestaltung der zukünftigen Beziehungen zwischen
der EU und dem UK
Im Falle eines Brexit mit bilateralen Vereinbarungen zwischen der EU und dem UK zu den
Zukunftsbeziehungen („weicher“ Brexit): Welche Regelungen wären für Ihr Unternehmen am wichtigsten?
50%
Vermeidung tarifärer Handelshemmnisse (z.B. Zoll) beim Export von 16%
65%
Waren in das UK 58%
27%
44%
37%
Vermeidung unterschiedlicher Standards / Normen 42%
44%
34%
37%
Vermeidung nicht-tarifären Handelshemmnisse (z.B. Zollanmeldungen, 8%
39%
Warenverkehrsbescheinigungen etc.) beim Export 43%
16%
26%
55%
Gewährleistung von freier Dienstleistungserbringung 25%
18%
54%
25%
Vermeidung von Standortnachteilen in der EU durch 26%
26%
Steuerrechtsänderungen im UK 25%
25%
17%
40%
Gewährleistung von Arbeitnehmerfreizügigkeit 18%
15%
34%
17%
Vermeidung tarifärer Handelshemmnisse (z.B. Zoll) beim Import von 26%
22%
Waren aus dem UK 19%
16%
10%
Vermeidung von Standortnachteilen in der EU durch 10%
12%
Arbeitsrechtsänderungen im UK 7%
16%
10%
21%
Gewährleistung eines freien Zugangs zum Kapitalmarkt 8%
5%
30%
10%
Vermeidung nicht-tarifärer Handelshemmnisse (z.B. Zollanmeldungen, 16%
9%
Warenverkehrsbescheinigungen etc.) beim Import 10%
6%
3%
3%
Sonstige 4%
2%
8%
114
Hessisches Ministerium für Wirtschaft,
Energie, Verkehr und Landesentwicklung
Wirtschaftsbeziehungen zwischen
Hessen und Österreich
Herausgeber:
Kaiser-Friedrich-Ring 75
65185 Wiesbaden
www.wirtschaft.hessen.de