Sie sind auf Seite 1von 18

Homerisch μνᾱ´ομαι

Author(s): Paul Thieme


Source: Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung, 94. Bd., 1./2. H. (1980), pp. 124-140
Published by: Vandenhoeck & Ruprecht (GmbH & Co. KG)
Stable URL: https://www.jstor.org/stable/40848623
Accessed: 16-10-2019 18:02 UTC

JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide
range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and
facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact support@jstor.org.

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at
https://about.jstor.org/terms

Vandenhoeck & Ruprecht (GmbH & Co. KG) is collaborating with JSTOR to digitize,
preserve and extend access to Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
124 Paul Thieme

Die spatere Bedeutung ,, S


terung5). Die Bezeichnung
Steines muß zur Bezeichnun
Feminines *pértrã ist Koll
gekehrt nérqã primar, so
wohin man durchkommt" u
(vgl. Schluß von Anm. 4).
instrumentalisiert .

Fondation Suisse CIUP Michael Meier-Brügger


7k, Bd. Jourdan
F-75690 Paris 14e

Homerisch (xväofxai

1. Der homerische Präsensstamm ¡xvaE-'¡ivao- fto woo for one's


bride, to court'1) ist erwiesen durch die (in der Odyssee) belegten,
teils unkontrahierten (a), teils kontrahierten (b) Formen:
a) #38 êpiváaa&e2) (zu interpretieren: -ftváea&e), a 39 ¡nváaa&ai
(jbiváeo&cu), n 431 ¡xváa (aus *fjLváe.cu)i A 288 fivcbovro (fjLvâovro),
b) | 91 ftvãa&ai; v 290 fiváaxero (fjiváaxero), nil, r 529 juvãrai,
n 391, y 161 ¡uváa&a) (¡uváa&co).
All dies fäolische9 Formen, denen sich die ao zu co kontrahieren-
den gegenüberstellen: X 117, v 378 /¿vœjbtevoi, co 125 fivcopeea, a 248,

lieh und morphologisch identisches uridg. *pér-u?/-un- „Stelle des Durch -


kommens" (zur Verbalwurzel *pér-) voraus. Will man die beiden Ansätze
vermitteln, so ist beim ersten Ansatz von einer Grundbedeutung ,, Stelle,
bis wohin man beim Graben durchkommt", „gewachsener Fels" auszugehen.
5) Vergleichbar ist lat. saxum „Fels", wenn zunächst Instrumentalbildung
zum Verbum secare „schneiden", vgl. A. Walde/J. B. Hofmann, LEW3, s.v.
6) So J. Wackernagel, Vorlesungen über Syntax II, Basel 1924, 14.
x) Ich gebe die Bedeutungen zunächst mehrfach in der Formulierung bei
LSJ (Greek-English Lexikon . . . by H. G. Liddell and R. Scott, revised by
H. S. Jones).
2) Die wohl allgemein rezipierte Lesung avrov de Çwovroç vnefivaaoire . . .
ist zu interpretieren vn êjuváaofte: vnó zu konstruieren mit dem Gen. avrov
. . . Çáovroç. Vgl. z.B. B 334 âvadvrœv vn Äxcuav 'when they shouted': LSJ
s.v. vnó II 4.

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Homerisch juváo/nai 125

£ 34, 284, n 125, r 133, q> 326 ¡xvûvxm, h. A


Diphthong ao wird im Äolischen ebenso wi
2. Bei den Formen mit co kann es sich aber auch nicht um kor-
rekte ionische Lautung handeln. Das Kontraktionsprodukt co aus
altem ão (wie r¡o) ist attisch; wo es im Homertext erscheint, ist es
spaterer, attisierender Redaktion zu verdanken. Es genügt, auf die
Entsprechungen anderer Präsensstamme auf -ã£-/-ão- (ion. att. -r¡e-¡
-T)o~) hinzuweisen:
äol. ôiipácov X 584, neivácov F 25, neiváovrai Z 162, nsiváovxe 77 758,
att. ôiipœ usw. (zu ôitpfjv),
ion. ôiipécov (Archilochos fr. 68B), wonach Herodot 1.133 nei-
vœvxaç als irrige Überlieferungsform zu neivécovxaç 'zu berichtigen
ist54).
Wir erwarten also statt /uvcojuevoc usw. /¿vedó /nevo ç (mit metrisch
einsilbig zu lesenden eco, vgl. z. B. %oecb[jLevo<; ( -^) W 834), und werden
diese Formen dem ursprünglichen Text vindizieren. Dies mit um so
größerer Zuversicht, als die postulierte Form in der Überlieferung
Herodots tatsächlich vorhanden ist:

[Ávecb[jLevoQ àq%r'vh) Hdt. 1.96.2 (so C und P, die anderen Hss.


juvcójLievoç), wonach ¡nvcójuevoc ßaadrjirjv Hdt. 1.205.1 fzu berichtigen
ist3, analog dem soeben erwähnten neivœvraç der Hdt. -Überlieferung.
Die Formenkategorie /uvecó/uevoc usw., die sich hinter dem im
Homertext überlieferten, attisierenden fivcbfievoc usw. verbirgt, ist
also ionisch.

Ionische Lautung zeigen auch sämtliche nominalen Ableitungen,


die durch ihr 'unetymologisches', 'sekundäres3 er6) als verhältnis-
mäßig jung gekennzeichnet sind: [xvr¡axr¡Q 'a wooer, suitor', /nvrjarvc
f. ra wooing, courting, asking in marriage', ¡xvr'axY' 'wooed and won,
wedded', ¡uvrjareveiv 'to woo, court, seek in marriage'.
3. Neben diesem ¡xvãe- 'to woo etc.', liegt ein ebenfalls medialer
Präsensstamm ¡xvãe-'ixvão- 'to be mindful of, der natürlich zu der
Wurzel ¡uva (att.-ion. juvrj) gehört, von der ¡xi¡ivr'oxio 'remind, put
in mind etc.0 i¿é[JivY¡[iai 'erinnere mich usw.5 gebildet sind. Es handelt
sich selbstverständlich um eine Erweiterung der idg. Wurzel men
'denken usw.' (skrt. man), die in skrt. mnã (mit Präp. ã 'erwähnen
usw.') eine genaue Entsprechung hat.

3) E. Schwvzer, Griech. Gramm. I, S. 250.


4) So Wilhelm Schulze, Kleine Schriften, S. 329.
5) Vgl. ibidem, von dem gleichen Mann: êQao&eiç TVQavvíôoç.
°) Schwyzer, Ur. Gr. 1, ». 503; 531.

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
126 Paul Thieme

Die belegten Formen diese


dehntes5 œo (für ursprüngli
[ÀvœofjLévco ò 106, ftvcoofievc
A 71, 77 771.

4. Sie sind durchweg in de


ja auch in dem Ansatz vo
kommt. Ich würde umschrei
sich an etwas zu erinnern'.

Von Odysseus spricht Menelaos zu Telemach: ô 105 ôç ré /noi


vnvov ajiex&aÍQei xal êôcoôrjv /uvcoo/névco 'der mir den Schlaf verhaßt
macht und das Essen, wenn ich dabei bleibe, an ihn mich zu er-
innern5 ~ 'wenn ich immer weiter an ihn denken muß' ; von seinem
Gast und sich selbst Eumaios: o 399 f. xrjôeaiv âXXrjXœv rsQnœ/xe&a
XevyaXéoiai fxvœojLiévco 'Laß uns uns sättigen an den gegenseitigen
traurigen Kümmernissen, indem wir fortfahren [im Gesprach] uns
zu erinnern [nicht an eine Einzelheit, sondern indem wir vom
Hundertsten ins Tausendste kommen]5.
Mit der Verneinung: ' fortfahren nicht an etwas zu denken, nicht
mehr an etwas denken5:
Nachdem Achilleus sich vom Kampf zurückgezogen hat, heißt
es von den Myrmidonen: B 686 àXX ol y ov no?¿¡uoio ôvarjxéoç
efivúovTo 'Aber diese fuhren fort (blieben dabei), nicht an schreck-
lichen Kampf zu denken5, von Troern und Achaeern im Kampf:
A 71 = II 771 . . . ovó5 ëreQOL juvœovr' ôXooïo (poßoio 'beide blieben
dabei, nicht an schmähliche Furcht zu denken5, 'dachten nicht mehr
an Furcht5.
Auch in 77 697, wo LSJ übersetzen würde: 'they turned their
mind to flight5, dürfen wir eine Art durativen Sinns suchen. Nach-
dem Patroklos mehrere trojanische Helden erschlagen hat, heißt es
hier: . . . ol ô5 aXkoi cpvyaôe [ivœovro, ëxaaroç 'die andern aber sannen
auf Flucht, ein jeglicher5, d. h. sie stellten sich nacheinander nicht
dem Gegner. Vom einzelnen würde gewiß im Aorist gesprochen
werden müssen; von allen nur dann, wenn sie es gemeinsam, auf
einmal, getan hätten.

5. Es erhebt sich die Frage, ob die für die synchronische Be-


trachtung der homerischen Sprache durch ihren Sinn deutlich ge-
schiedenen Präsensstämme jnväe- 1 'to woo etc.5 und juvãe- 2 'to be
mindful5 genetisch nicht doch zusammenhängen.
Früher hat man sie bejaht: Curtius, Grundzüge5, S. 311 will ¿uväE-
'freien5 auf 'denken an5 - unter Vergleich von deutsch minnen -

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Homerisch ¡uváo/xai 127

zurückführen. Nun ist in der Tat die Wurzel me


ein schon idg. mnã abgeleitet ist (o. § 3), häuf
nalen Konnotation begleitet: gr. fiévoç n. im Sin
passion etc.'; fiaivea&at '[wild] denken' = 'rase
'Zorn' - die Brücke zwischen ¡jLaiveo&ai und
horazische Diktum: ira furor brevis est (epis
Perfektstamm jue/na- 'to wish eagerly etc.', der
manya-, mehrfach im Sinn von 'mit Herz und S
(PW s.v. man 5ff.). Von der semantischen Se
triftiger Einwand kaum möglich.
6. Ernsthafte Schwierigkeit macht jedoch d
fxväe- 'to be mindful' wird, wenn mit einer No
mit (partitivem) Genetiv konstruiert (B 686 noX
(poßoio), einmal mit einem, verschwiegenen, Infi
[avojovxo, zu ergänzen etwa rqéneo&ai, rqanécrd
ren Formen der Wurzel ¡ivr' '[sich] erinnern'.
Der Akkusativ erscheint bei Homer nur, we
ausgeschlossen sein soll: co 122 juejuvrjiuai ráôe
mich an all dies'. Z 222 f. Tvôéa ó' ov ¡xé¡xvr'¡xai
êóvra xáXXine . . . (Diomedes:) 'An Tydeus (in se
erinnere ich mich nicht, da er mich, als ich n
Erden] zurückließ'. Ein Genetiv hätte besagt
auch keiner Einzelheit (z.B. des Namens, der
Vater ist, usw.) mehr erinnert. 7 527 f. iiéixvr'¡xai r
ov ri véov y e œç r'v 'Ich erinnere mich an dies
schehen] und keineswegs neuerlich - [in ihr
wie sie war'7).
7. Dagegen wird ¡iväe- 'to woo' immer wieder mit dem Akk. der
Person, um die man buhlt, die man zur Ehe gewinnen will, kon-
struiert. Verbindung mit dem Infinitiv fehlt. Wo man ihn erwarten
dürfte, erscheint ein Partizip, von dem dann ein solcher Infinitiv
abhängig sein könnte:
n 391, (p 161 [iváo&oj êéôvoioiv ôiÇtf/Lievoç 'er soll sie umwerben,
durch Geschenke sie [zu gewinnen] suchend'.
Eine Konstruktion wie ç? 72 ... è/uè íe¡xevoi yrjjuat êéa&ai re yvvaïxa,
in der man ïe/uevot durch /ue/nacòreç ersetzen könnte, begegnet bei
7) In gleicher Weise kann Vergessen', im allgemeinen mit dem Genetiv
verbunden, mit dem Akkusativ konstruiert werden, wenn es sich um Voll-
ständigkeit handelt. B 599 f. al ôè xoÀœoajLcevcu . . . exAeAaftov KiêaQiOTvv esie
aber (die Musen), in Zorn geraten, ließen [ihn] . . . das Zitherspiel (die Kunst
des Zitherspielens) [ganz und gar] vergessen'.

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
128 Paul Thieme

[ivas- 'to woo' nicht. Sie ist o


dot 1.205. 1 ravrrjv ... o Kvqo
'diese umwarb Kyros, wün
sitzen', deutlich zu machen
8. Sich über beide Konstrukt
setzen, scheint mir schlechte
gesellt sich nun aber noch
Eigentümlichkeit, jnväe-, w
Konnotation des 'zur Ehe Be
Mann gesagt. Hätte es ursp
jmdn. zur Ehe begehren' g
Frauen gesagt werden könn
dessen lesen wir:

a 15 (von Kalypso), i 30 (von Kirke) ÀtÀcuo/biévr) nóow eivai. Auch


das zu /¿vas- 'to woo' gebildete p. p. p. wird nur als Femininum ge-
braucht (u. § 24).
9. Nicht mit Unrecht hat man also dem Vorschlag H. Osthoff s
(ZvS 26 [1883], S. 236), ¡uvãe- 'to woo' als ein Denominativ eines
voraussetzbaren Nominalstamms *¡iva 'Frau' (aus vorgriechisch
*bnã = ved. gnã 'Frau', idg. gunã) z'x analysieren, fast allgemein
Zustimmung erteilt. Die ursprüngliche Bedeutung wäre demnach
'ein Weib suchen, freien' (dies die Formulierung Osthoffs) gewesen.
Wenn auch nicht alle Gräzisten, denen ja das Operieren mit außer-
griechischem Sprachmaterial bei der Erklärung griechischer Wörter
nicht allzu leicht einleuchtet, so dürften doch alle indogermanistisch
geschulten Linguisten die Möglichkeit, jnväe-l und ¡xvãe-2 etymolo-
gisch zu trennen, mit Erleichterung begrüßt haben.
10. Es ist das Verdienst E. Benvenistes, darauf hingewiesen zu
haben, daß doch auch diesem Osthoff sehen Vorschlag Bedenken
entgegengestellt werden können: Festschrift A. Debrunner (1954),
S. 13f.
Erstens: Die homerischen Denominative auf -ae-, -ao- (aus -aie-,
-aio-) 'sont toujours construits sur un abstrait en -ã- désignant un
état, un procès, parfois une chose, mais jamais un être: âyogaco,
Tifiáco, neòácD (o.e. S. 14).
Zum zweiten: 'la valeur desiderative des présents en -yo- est
inconnu du grec'.
Beide Bedenken sind allerdings nicht gänzlich unüberwindlich:
Benveniste geht offensichtlich einen guten Schritt zu weit, wenn
er meint, eine denominative Ableitung von *mnã 'Frau' 'serait

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Homerisch [iváo/icu 129

l'unique exemple de -yo- ajouté à un nom d


ja ixaqrvQO[jiai (aus *martur-ie~) 'als Zeuge au
rufen' zu dem Nominalstamm jbiáQXVQ- 'Zeuge',
Innsvo) 'reiten' zu înnév- 'Reiter', xoigavéco 'h
'Herrscher' usw. usw.
Zum zweiten Bedenken : Ein Denominativ benennt ein Verhalten,
das in irgendeiner Beziehung steht zu dem Nominalstamm, von
dem es abgeleitet ist: ayoqáo¡xat 'to meet in assembly (âyoqá), sit
in debate', xc/táco 'to pay honour (xi/ãtjY, Tteôáco 'to shackle, Fesseln
(néôrj) anlegen'; ved. vrsãyá- 'sich verhalten wie ein Stier', russisch
zenit' s'a 'sich beweiben', skrt. janlyá- 'sich ein Weib (oder: Weiber)
wünschen'.
Daß der im letzten Beispiel faßbare desiderative Sinn, der im
Sanskrit häufig und charakteristisch erscheint (Panini 3.1.8), sich
bei Ableitungen von einem Nomen, das ein begehrenswertes Objekt
benennt, leicht einstellen kann, scheint gegeben und keineswegs
verwunderlich. Dem Diktum 'la valeur «desiderative» des présents
en -yo- est inconnu du grec' laßt sich zum mindesten ein sicheres,
zwar nachhomerisches, um dessentwillen aber nicht weniger beweis-
kräftiges, Beispiel entgegenhalten : oxQaxrjyiácD 'bin erpicht auf das
Strategenamt (oxQaxrjyíàf : Schwyzer, Gr. Gr., S. 731, wo auch Ver-
weis auf das diesem nachgebildete aQxovxiáco 'begehre Archon zu
werden'.

11. Ermangeln also Benvenistes Einreden endgültiger, zwingender


Schlüssigkeit, mahnen sie doch zur Vorsicht : es bleibt bestehn, daß
ein Denominativ von *mnã 'Frau' mit desiderativem Wert nicht
als banale Selbstverständlichkeit aufgefaßt werden kann, daß es
ernsterer Prüfung bedarf, als sie Osthoff für nötig hielt.
Eine solche Prüfung führt nun in der Tat auf weitere Schwierig-
keiten, die von Osthoff nicht bemerkt, geschweige denn beseitigt
worden sind. Selbst wenn man glauben sollte, ihrer doch irgendwie
Herr werden zu können, muß ihre Kumulation, die Notwendigkeit
bei der Erklärung von juvãe- 1 als einem einfachen Denominativ von
einem *mnä 'Frau' immer aufs neue zu Spezialannahmen greifen
zu müssen, stutzig machen und den Versuch, eine andere Analyse
zu finden, die solche Schwierigkeiten nicht bereitet, geboten er-
scheinen lassen.

12. Die erste Schwierigkeit: ¡nvãe-1 wird bei Homer stets von
einem Mann gesagt, dessen Ehewunsch sich auf eine bestimmte
weibliche Person richtet. Das von jani- f. 'Eheweib' mit denomina-
9 Zeitschr. f. vgl. Sprachf., Bd. 94, Heft 1/2

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
130 Paul Thieme

tivem -ya~ (aus idg. -ie-) ab


Sinn von 'eine bestimmte F
sondern heißt unzweideutig
suchen5. Der Gedanke an W
Frau oder ihren Vater rich
wendet sich an eine Gottheit, die helfen soll, eine oder mehrere
Frauen im Kampf zu erobern:
RV 4. 17. 16 gavyánta Indram sakhydya víprã
aêvãyánto vr$ánam vãjáyantah
janlyánto janidám áksitotim
d cyãvayãmo 'vate ná kóéam
'Rinder begehrend, Rosse begehrend, Kraft zeigend [rufen] die
Dichter Indra (den Gott des Sieges) zur Freundschaft; Weiber be-
gehrend bewegen wir ihn heran, den Weiberschenker, den von un-
erschöpflichen Hilfen, wie einen Schöpfeimer im Brunnen'.
RV 7. 96. 4 janlyánto nv ágravah
putrlyántah suddnavah
sárasvantam havãmahe

eAls Unbeweibte Weiber begehrend, als Potente (Von guter/starker


[Samen-]Feuchtigkeit9) Söhne begehrend, rufen wir jetzt den Saras-
vant (wie Sarasvati f. Name eines vergöttlichten Stromes8))'.
Der Aufgabe, die beiden Verse, die einzigen des RV, die janlyá-
enthalten, in homerisches Griechisch zu übersetzen, ware ich natür-
lich nicht gewachsen. Eines aber ist sicher: ich dürfte janly antas
ganz gewiß nicht durch ¡biveájbievoi ersetzen. Die von OsthofF postu-
lierte Ähnlichkeit von ¡uvãe-1 und janly á- hinkt stärker, als Ver-
gleiche an und für sich zu tun pflegen. Wäre ¡uvãe-1 ein simples
Denominativ von *¡u,va 'Frau', würden wir eine Bedeutung cnach
irgendeiner Frau begehren, geil sein' erwarten.
13. Naher stünde dem homerischen ¡xvaz-X ein - zwar nicht be-
legtes, aber doch ohne weiteres bildbares - ved. Denominativ
*vadhüyá-, das heißen müßte 'eine Braut/junge Ehefrau (vadhu-)
begehren, heiratslustig sein', wie die belegte Ableitung vadhüyú-
reine Braut/junge Ehefrau begehrend, heiratslustig' zeigt. Es ist
natürlich, daß die Idee des Werbens und des legitimen Ehelichens
in enge Nachbarschaft hierzu rücken können. Ein wesentlicher
8) Glückliche Stromüberschreitungen sind Vorbedingung erfolgreicher
Kriegs- und Beutezüge. Vgl. auch Vers 5 'Welches deine, Sarasvant, honig-
reichen, Butterschmalz triefenden (erquickungsreichen) Wogen sind, mit
denen sei uns Helfer!'

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Homerisch juváo/uai 131

Unterschied bleibt bestehen. Entsteht bei d


nannten Verhalten der Wunsch zu ehelichen aus dem Gedanken
an ein ganz bestimmtes Mädchen oder eine ganz bestimmte Frau,
so ist es bei dem vadhüyú- umgekehrt : er ist heiratslustig und erst
dann heftet sich sein Wunsch an ein bestimmtes Mädchen:

RV 3. 52. 3 cd josáyãse giras ca nah


vadhüyúr iva yósanãm

'. . . und du sollst an unsern Liedern Gefallen finden, wie ein Hei-
ratslustiger an einer jungen Frau3.
- RV3.62.8

Die eigentliche Werbung erfolgt durch andere:


RV 10. 85. 9 ab sómo vadhüyúr abhavad
aêvínãstãm ubhá vara

'Soma war der, der eine Braut begehrte (der zu heiraten wünschte),
die zwei Asvin waren die beiden [Braut-] Werber3.
Der Heiratslustige kann sich natürlich auch an das Mädchen
selbst wenden, aber kaum als offizieller Bewerber, sondern in der
Absicht, ihre Zuneigung für sich zu gewinnen, also als ' Umwerber3 :

RV 10.27. 12 ab Jcíyati yósã maryató vadhüyóh


párijyritã pányasã váryena
'Wie manche junge Frau wird von Seiten eines heiratslustigen jun-
gen Mannes durch sehr wertvolle Kostbarkeit erfreut!3
Ganz nahe scheinen wir hier einer homerischen Ausdrucksweise
wie A 119 juv(e)d)juevoL . . . ëôva òiòóvreç 'umwerbend . . . Geschenke
gebend3 (vgl. hierzu noch unten § 19).
Das darf aber nicht die Tatsache verschleiern, daß die Aus-
drücke juv(€)cí)jU6voi und ein mögliches vadhüyántas (noch näher ver-
gleichbar wäre ein ebenfalls bildbares patnïyantas 'eine Gattin wün-
schend3) an und für sich doch recht Verschiedenes beinhalten: ein-
mal das Umwerben einer bestimmten Frau, die noch dazu die Gattin
eines anderen sein kann (A 116f.), und einmal Heiratslust, die sich
gewissermaßen zufällig auf eine bestimmte heiratsfähige junge Frau
fixiert (RV 10.27.12).
14. Die zweite Schwierigkeit: Die griechischen Denominativa auf
-ae- zeigen durchweg kurzes ä. Dieses beruht auf ursprünglichem
langen ã, wie aufgrund des Zeugnisses verwandter Sprachen (ved.
prtanãyá- 'kämpfen3 zu pftanã 'Kampf3 ; lit. dovanóju 'schenke3 zu
dovanà f. 'Gabe3, lat. lacrimare 'Tränen vergießen3 zu lacrima f.
9*

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
132 Paul Thieme

* Träne9) angenommen werde


verführen, ein langes ä, wen
Formationen nun doch begeg
Osthoff 1. c. angesetzten vorgrie
selbstverständlicher Weg zu /
Dehnung etwa kann es sich ni
( < juvr)o-)-J?OTmen (o. § 2) u
Gelegentliche, seltene Präse
men mit langem ã (ion.-att.
(Schwyzer, Gr. Gr. I, S. 730)
lichkeiten zu sein, wofür Schw
nicht zu kühn sein . . .', votie
Auffassung nach: sehr viel wa
lehnung an das, sekundär e
digma, in dem ã/rj herrsch
Anm. 3).
Auf ganz anderm Blatt stehen die Präsentien mit schon homerisch
durchstehendem -aß-, also juevoiváco cdesire eagerly' (von ¡xevolvy'
'eager desire5, erst nachhomerisch belegt), ßaco cto be in the prime
of youth' (zu rjßrj ryouth'), ôiipaœ 'to thirst' (zu òíxpa 'thirst'),
Tzeiváco fto be hungry' (zu neivrj 'Hunger'). Warum sollte sich gerade
in diesen Verben eine Altertümlichkeit konsequent erhalten haben
oder Restitutionen konsequent hergestellt worden sein, die sonst
nur sporadisch und nachhomerisch - in den soeben genannten
Formen n/uavri usw. - auftreten? Sind wir nicht vor die Aufgabe
gestellt zu untersuchen, ob hier nicht eine ganz andere Bildung
vorliegt?
15. Nun hat W. Schulze für ôiipáco und neiváco längst eine Analyse
vorgeschlagen, die sie ebenso überraschend wie schlagend von den
9) Schwyzer, Gr. Gr. I, S. 730: 'auf [älteres] -âjœ weisen die verwandten
Sprachen.' Die Erklärung von -ãe- < -de- ist umstritten. Ohne mich auf
notwendigerweise langwierige Diskussionen einzulassen, bemerke ich nur,
daß mir Analogieeinwirkungen, sei es durch den Typ noièoì, sei es durch
einen unbelegten Typ *rifxãjbi£v (als gleichfalls analogisch nach primärem
-ã/Ài : -ã/Lcev - rekonstruiert von Schwyzer 1. c.) durchaus nicht einleuchtend
scheinen. Mir ist lautgesetzliche Kürzung : langer Vokal > kurzem Vokal vor
Vokal nach Schwund einfachen, ursprünglich trennenden Konsonanten,
wahrscheinlich. Feminine Genetive auf -ãcov (< ãsõm), Genetive auf -cto
(< -ãso) usw. können die Länge durch paradigmatischen Zwang restituiert
haben. Ein solcher fehlte bei den denominativen Präsentien auf -ae-, da
Aoriste, Futura, Perfekta mit langem ã (ion. att. r¡), also Paradigmatypen
wie Tinaco, ion. att. M/xrjaa, rifxr¡aoi usw., verhältnismäßig späte Neubildun-
gen sind.

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Homerisch ¡xváo¡iai 133

-as-Denominativen trennt (ZvS 29 [1888]


S. 328f.)10): es sind -^-/-¿o-Denominative
(idg. äs 'glühen' : lat. ãrêre 'glühen', skrt.
als Hinterglied gebildeten Nominalstämm
glühend', *7ieiváa- 'von Hunger glühend'.
Zu diesen denominativen Präsensstämme
gesetzlich ihr langes ã vor später geschwu
lÔQœco < õsiõ zeigt (W. Schulze I.e.)11), ste
weiteres, wie - mir fast erstaunlich - wed
zer bemerkt zu haben scheinen, als möglich
gen ^menoniã-ãsie- 'von Begierde glühen* (¡u
'durch Jugend glühen' (>rjßae-) und schl
^bnã-ãsie- 'durch eine Frau glühen' (>fx
16. Bleibt zu untersuchen, ob und wie sich
gebrauch, das heißt Konstruktion und Si
fjLväe- und der davon abgeleiteten Formen
aus der angenommenen Grundbedeutung en
Ein Denominativ ist ursprünglich per de
transitiv. Gerade im Griechischen aber herr
minative in Transitiva zu überführen, wofü
S. 73 eine Reihe, teilweise auffälliger, Be
'Konstruktionswechsel kann mit oder ohn
(lies: '-Verschiebung') stattfinden': Schwy
Ein einfaches Beispiel: rijuáa) 'Ehre erweise
persönlichem Objekt im Sinn von 'ehren
riva).
Ganz analog muß sich ¡uvas- 'durch eine Frau glühen' entwickelt
haben zu 'jmdn13) (eine weibliche Person) heiß begehren'. Deutlich
nachweisbar ist solche Entwicklung bei juvrjarsveiv 'jmdn. (eine
10) Erwähnt von Schwvzer. Gr. Gr. I. S. 724.
n) Der alte s-Stamm iÔQcóa- m. 'Schweiß' läßt sich nicht als suffixale
Ableitung von *suid ' schwitzen' (skrt. svid usw.) begreifen. Es dürfte ein
vorgeschichtliches Kompositum aus *suid- f. 'Schweiß9 und *rõs rTau' (lat.
rõs m.) darstellen: *suid-rõs- 'Schweißtau'. Auch die deutsche Sprache ver-
bindet die Erscheinungsformen des Taus und des Schweißes: Tauperlen,
Schweißperlen. Gen. s. *íôqóoç (íôqovç) < *-õsos gemäß der o. Anm. 9 befür-
worteten Regel.
12 ) Die vorgriechische Lautung von rjßa rekonstruiere ich nicht. Ist die
bei Schwyzer Gr. Gr. I, S. 303 verzeichnete, mir allerdings höchst wahrschein-
lich dünkende, Zusammenstellung mit lit. jègà 'Kraft' richtig, wäre ein *iêbã
(idg. *ièguã) anzusetzen.
13) Wo fxvãe- 1 ohne ausdrückliches Akkusativ-Objekt erscheint, ist dies
dem Zusammenhang zu entnehmen und hinzuzudenken.

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
134 Paul Thieme

weibliche Person) umwerben


muß 'sich als Umwerber (/¿
/¿vrjorv- f. ' Umwerbung') ver
' Reiter' : inneveiv 'reiten').'
Die Entstehung der transitive
maßen noch greifen in einer A
riva . . . ¡Liváa&a) èéòvoioiv ôiÇ
mit öi^rjfjLsvoQ oder dem daz
(o. § 7) konstruiert werden k
ein Partizip wie iéjusvoç (<p 72
dgl. hinzugedacht oder auch
17. Eine Jungfrau, Witwe
'heiß begehren', das heißt: si
sitzen, mit ihr die Ehe einge
sittlichen Beurteilung 'schändl
co 126), erscheinen. Der Wun
werben, zu umbuhlen', mögl
auch dazu '[bei ihrem Vater]
Wir werden Homer genaue
wenn wir uns von dem trad
lösen, der allzu sehr in die Sph
und die Situation des 'Um-d
LSJ's Ansatz 'to woo for on
'heiß [zur Ehe] begehren; umw
Penelope sind nicht ihre 'Freie
ist keine 'Freite', sondern eine
sondern 'umbuhlt' Klytaimn
18. Die Götter haben den Ai
¡irfCE ¡Liváaaêai äxoniv 'weder
seine Ehefrau zu umbuhlen' (a
hat einen guten Sinn : die erst
ist es, den Herrscher, wenn
Platz einzunehmen. Das 'Um
dem Tod Agamemnons zur Hei
Mittel zum Zweck der Befest
tötet nicht Agamemnon, weil
dern er heiratet sie, um die
Legalität zu genießen: sie ist
19. Die 'Umwerber' (/ÄvrjarfJ
Abwesenheit des Odysseus (

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Homerisch juváojucu 135

Jahre: v 377) seinen Tod voraussetzen zu g


aber (die ¡uvrjorfJQeç) wissen etwas (was w
hörten ja [gewißlich] die Stimme eines Go
(des Odysseus) traurigen Untergang' (f 89
möglicherweise: gespielter, Naivität - , 'w
mäßiger Weise (ôixaiœç) die Penelope umwer
sagen würde, daß sie nach Haus gehn (véec
und von dort her ihr Geschenke schicken, wi
(n 390 f. akX ex juey ágoio exaaroç [Âváo&ay èéòvo
lope selbst schildert, was 'früher5, das heißt v
rechtmäßige Art (ôíxrj) von 'Umwerbern5 (juv
Versen a 276 ff.:

ol x* àya&rjv re yvvaïxa xai âcpveioïo âvyaxga


jLivrjarevetv è&éXcocn xai âXXrjXoiç èqiacoaiv
avrol roi y' âjiáyovoi ßoac xai ï(pia jbífjXa
xovQtjç ôaïra (píXotai xai àyXaà ôœqa òiòovaiv

'[die,] die eine edle Frau (also eine Witwe) und [auch die, die] die
Tochter eines wohlhabenden Mannes (also eine Jungfrau, die noch
unter der Botmäßigkeit ihres Vaters steht) umwerben und mitein-
ander [um sie] streiten wollen, die treiben selbst [von sich zu
Hause] Rinder und fette Schafe fort, als Schmaus für die Anver-
wandten der Jungfrau, und geben (der Witwe wie der Jungfrau, die
sie umwerben wollen) glänzende Geschenke5.
Die Umwerber der Penelope umwerben sie nicht èx fjteyáqoio
(n 390), sondern im Haus der gegen ihren Willen (âexaÇojbiévr] r 133)
Umworbenen (evi ¡leyáqoioiv nil), womit ihre Umwerbung zu einer
Erpressung wird : indem sie als Gäste Vieh und Gut der Besitzerin
aufzehren (z.B. X 116) und ruinieren (z.B. n 125), wollen sie ihre
Entscheidung erzwingen. Zwar geben auch sie Geschenke - offen-
bar aber nur, um sich gegenseitig auszustechen (vgl. n 77, cp 162,
v 289 f.). Doch ihre Geschenke wiegen den Schaden nicht auf, den
sie tun:

A 116f. . . . ol xoi ßiorov xaréôovat [xv(e)d)fievoi avnêérjv akoypv xai


ëôva ÔLÔóvreç
'die deine (des Odysseus) gottähnliche Ehefrau umwerbend deinen
lebenden Besitz aufzehren, wenn sie auch Geschenke geben5 (~
v 377f.).
Auch sie sind nicht entbrannt in gefühlvoller Zuneigung oder
erotischer Leidenschaft : die Ehe mit Penelope soll ihnen das Erbe
des Odysseus einbringen. Voraussetzung dieses Wunsches ist logi-

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
136 Paul Thieme

scherweise die Beseitigung


mach, die sie ohne jegliche
20. Im Traum verkündet Athene der Nausikaa :

C 33 . . . ov rot ert ôtjv naç&évoç ëaaeai


rjôrj yág ae f/,v(e)œvTai âQiorfjeç xará ôrj/uov

rgewiß, nicht mehr lange wirst du Jungfrau bleiben. Schon begehren


dich heiß die Edelsten im Volk'.
Um offizielles ' freien5 - aber auch noch nicht um ' umwerben5 -
kann es sich hier nicht handeln. Das hätte keine Göttin der Nausi-
kaa im Traum zu verkünden brauchen. Wie bei Homer üblich, be-
stätigt die Gottheit im Traum, was der Mensch bereits ahnt, aber
keineswegs gewiß weiß.
Danach zu beurteilen Ç 284 fiv(s)œvraL 'begehren zur Ehe5.
Vom (rechtmäßigen) ' Umwerben5 einer Jungfrau ist die Rede
X 288, h. Aphrodite 24.
21. Es würde überflüssig sein, auf diese als wohlbekannt voraus-
setzbaren Dinge mit dieser Dringlichkeit hinzuweisen - ich hätte
geglaubt, daß auch ein Übersetzer, der juvãe-1 konsequent mit
'freien5 überträgt, wie es z.B. W. Schadewaldt tut, dies doch je
nach der Situation richtig versteht, nämlich als gebraucht im Sinn
von 'zur Ehefrau begehren, umwerben, umbuhlen5, und es so vom
aufmerksamen Leser verstanden wissen will - , wenn sie nicht von
einem so hoch angesehenen Sprachforscher wie E. Benveniste, der
der Wissenschaft zu früh und zum Kummer aller Fachgenossen auf
besonders traurige Weise entrissen wurde, in seiner schon o. § 10
zitierten Behandlung der Wortsippe juváoftai ignoriert worden wären.
Benveniste, der ¡uváo/uai 'to woo etc.5 verknüpfen will mit /nváojuai
'sich erinnern5, geht nämlich davon aus, 'juvão&ai yvvaïxa' besitze
eine 'valeur formulaire5 und bedeute: 'avec la discrétion et la pru-
dence que demandent ces premières approches «mentionner une
femme (en vue de mariage)»5, wie es das plautinische, von Benve-
niste zu Unrecht verglichene, Idiom 'mentionem faceré de puella5
tatsächlich tut.
Wenn im Homer ¡xvao¡xai mit dem Akkusativ eines Wortes für
'Ehefrau5 konstruiert wird (yvvaïxa n 431, axoixiv a 39, cp 325, ako%ov
À 117, v 378, òáfjLaqrav 290, co 125), handelt es sich stets um die Ehe-
frau eines andern als des Umwerbers14), also um eine Situation,
14) Das gleiche gilt von yvvaïxa als Objekt von fivrjaréveiv (a 276 f., o.
§ 18). - Über fivrjarij äXoxoc, das Benveniste möglicherweise vorgeschwebt,
das er aber mit LSJ mißverstanden haben muß, siehe u. § 24.

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Homerisch /uváojuai 137

in der von 'discrétion' und "prudence5 oder


gemäßen (schüchternen) Werben nun wirkl
kann - noch auch von einer Valeur formu
davon, daß die Konstruktion mit dem Akk. di
keiten macht, wie bei dem Vorschlag von C
der Präsensstamm juväe-2 deutlich durative
sich zu erinnern') zeigt (o. § 4), von wo kein W
führt.

22. Allenfalls könnte man die Vorstellung c


'Umwerber' in einen Vers wie Sophokles, T
¡LívrjarrjQ yàq ?¡v ¡noi norafióç, Ä%eÄcoov Xéyœ
ÔÇ ¡l h TQIOÌV IXOQCpaÏGlV èÇfjTEl 7ZCLTQÓÇ,
aber cUmwerber' bleibt durchaus möglich (vgl.
rfjga TtQoaôeôeyjuévrj . . .).
Deutlicher ist die spätere Entwicklung von f
ziell] werben, um die Hand anhalten' bei juv
ripides, Helene 1514f. : ... ãtârjç êxnóvei ¡ivY'a
f bemüh dich um die Gewinnung einer an
yvvouxóç nicht die Ehefrau eines andren m
der Fall wäre.

Lukas 2. 5 avv Maçià/u rf¡ /ue/uvr]arev¡Liévrj avrcò fmit Maria, die ihm
verheiratet war'.

23. In der Bedeutungsentwicklung von ¡uvas- selbst tritt das Ele-


ment des fheiß Begehrens', das sich nun nicht mehr nur auf eine
Frau zu beziehen braucht, in den Vordergrund. Dies beginnt bei
Herodot: 1.96.2 fiveœjuevoç àgxvv (°- §2). Den Übergang bildet
eine Wendung wie: Hdt. 1.205.1 r' ôè . . . ovvieïaa ovx avrr¡v ¡iiv
fjLv(e)éfxevovlb) ãXXà xr'v Maaaayeréœv ßaadrjirjv . . . "Sie (die Königin
der Massageten) aber, da sie begriff, daß er (Kyros) nicht sie selbst,
sondern die Königsherrschaft über die Massageten begehrte/um-
warb . . .'. In der Sprache Herodots könnten Klytaimnestre und
Penelope das Gleiche oder Ähnliches von Aigisthos und den r Um-
werbern' gesagt haben.
24. Einer besonderen Bemerkung bedarf das zu /j,vãs-l gebildete
Partizip fjLvr¡arr¡. Der Ansatz bei LSJ 'wooed and won, wedded' ist
nicht zu halten, da juväe-1 bei Homer niemals f [offiziell] werben',
geschweige denn cdurch Werbung zur Ehe gewinnen' heißt. Wir er-
warten entweder fheiß begehrt, umworben' oder ^umworben, um-
buhlt' oder beides.

15) O. § 2.

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
138 Paul Thieme

Der Ausdruck ¡xvr'axr' aXoyp


bezeichnet ãXo%oç die eigene,
Ehefrau' und im Zusammenh
'Beiliegen5 :
/ 556 xelxo naqà jLtvrjaxfj âXo%œ, xaXfj KXeonáxgrj 'er lag bei seiner
heiß begehrten/geliebten (sozusagen immer aufs neue 'umworbenen')
Lagergenossin, der schönen Kleopatre'.
Z 246 xoi/Liœvro . . . naqà fzvrjaxfjç àXóypiow
A 241 ff. ... xot¡ir'oaxo %áXxeov vtzvov oIxxqoç, ojzò juvrjaxrjç àXóypv
. . . xovQiôírjç

'er legte sich nieder in den ehernen ('nicht zu brechenden') Schlum-


mer (den Todesschlaf), bejammernswert, fern von der geliebten
Lagergenossin [zu der er sich nie mehr niederlegen würde], die er
als Jungfrau gewonnen17)'.
Wird hier das attributive Beiwort ¡xvr'axr] 'geliebt' dem prädika-
tiven xovqiôltj 'rechtlich geehelicht' gegenübergestellt, so die Ehe-
frau als /uvrjoxrj äXo%oc 'geliebte Lagergenossin' der êixvïa ãxoixiç,
der nach (Stand und Herkunft) 'passenden Gattin' in / 399. juvrjaxrj
gehört in die Sphäre des Gefühls, xovgiôírj und êixvïa in die Sphäre
des Rechts und der Sitte.
Nach dem, was seine 'geliebte Lagergenossin' plant und sinnt,
erkundigt sich Odysseus bei seiner verstorbenen Mutter an den
Pforten der Unterwelt (A 177). Er spricht hier mit ungewohnter
Warme. Er spricht eben nicht zu einem rauhen Kampfgenossen
oder ihm gleichgültigen Menschen, sondern zu seiner Mutter, von
der er weiß, daß sie als Frau von ihm hören möchte, daß er seine
Gattin, die Mutter ihres Enkels, nicht nur nicht vergessen hat, son-
dern liebt und sich nach ihr sehnt.
An einer einzigen Stelle erscheint der Ausdruck àXoyòv fjivr¡axr¡v
mit nachgestelltem, also prädikativem, Adjektiv:
a 35 c5ç xal vvv Aïyicr&oç vnèq fxaqov Axçeíôao
yfjfjL àXoypv ¡ivr'oxr'v xòv á' ëxxave vooxrjoavxa.

Es wäre schon ein wenig merkwürdig, wenn der hier sprechende


Zeus die Klytaimnestre als 'die Lagergenossin des Agamemnon, die
er heiß geliebt hatte' charakterisiert hatte. Die Nachstellung des
Adjektivs, die seine prädikative Funktion hervorhebt, erscheint
sinnvoller, wenn wir verstehn: 'So hat auch jetzt Aigisthos die
16) O. § 21.
17) D. h.: 'die seine rechtliche Ehefrau war'. Vgl. Thieme, ZvS 78 (1963),
S. 161-248, insbes. 216ff. = Kl. Schriften II, S. 226ff., insbes. 481 ff.

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
Homerisch fjLváofxai 139

Lagergenossin des Agamemnon, nachdem er


worben/umbuhlt hatte (vgl. auch a 39, o. § 18
überschreitend geheiratet, den nach Haus zur
memnon aber ermordet'.

Die Erwartung, daß ¡ivr)axr' entweder 'heiß begehrt' oder 'um-


worben, umbuhlt' heißen kann, hat sich also voll bestätigt.
25. Für Osthoff I.e. ist schon das 'Denken' an eine Frau, für
Ben veniste (o.e. 8. 14) der 'Wunsch' nach einer Frau in die Sphäre
der 'Sentimentalität' zu verweisen und deshalb aus dem Homer zu
verbannen Mir scheint auch das vedische janlyá- (o. § 12) 'Weiber
begehrend', auf einer Ebene stehend und zusammen genannt mit
'Rinder begehrend', 'Rosse begehrend' (RV 4. 17. 16, o. § 12), keines-
wegs auf einen 'état sentimental', sondern einen sehr praktischen
Wunsch hinzuweisen. Aber auch warme Zuneigung, wie sie nach
unsrer Interpretation Homer auch Ehemännern gegenüber ihren
Frauen zutraut (o. § 24), ist mehr als bloße 'Sentimentalität'. Bei
dem heißen Wunsch nach einer bestimmten Frau, 'dem Glühen
durch eine Frau', kann es sich um sehr reale Leidenschaft mit sehr
realistischen Motiven handeln.
Der Menschenkenner Homer differenziert : man kann ein Mädchen
'von besonderer Schönheit' (neQixaAfajc) eben wegen ihrer Schönheit
(ôía xáXXoç) 'heiß begehren': X 28 Iff.; man kann es tun, weil ihr
Besitz Ansehen, Macht, Reichtum bringt: Aigisthos, die Umwerber
der Penelope. Die Glut des Begehrens wird angefacht durch den
Wunsch, über Rivalen zu triumphieren (o 277, o. § 19): die ¡uvrjorfj-
Qeç einer Frau treten bei Homer stets im Plural auf, nie im Singular
wie bei Sophokles (o. § 22). Auch Nausikaa wird von vielen juvtj-
arrjgeç begehrt (o. § 20). Sicher denkt Homer nicht nur an ihre,
gewiß eindrucksvollen, persönlichen Vorzüge, sondern auch daran,
daß sie die Tochter eines Fürsten, eines überaus 'wohlhabenden
Mannes' (vgl. a 276, o. § 19) ist.
26. Die Denominative auf -äe- ( < -ãsie-) entstammen vorgriechi-
scher Zeit: das Element äs 'glühen', das sie enthalten, ist im ge-
schichtlichen Griechisch nicht mehr lebendig. Offensichtlich sind es
Prägungen vorhomerischer Dichter : der Alltag schafft nicht derart
starke Wörter in solcher Häufung. Es muß eine leidenschaftliche
Dichtung gewesen sein: in ihrer Sprache 'glüht' der Mensch nicht
nur in den Qualen des Durstes (ôiipãe-) und des Hungers (neiväe-),
sondern in jeglicher Begierde (¡nevo was-), insbesondere der Begierde
nach einer besonderen Frau (fxväe-) und schließlich in der Brunst
der Jugend (fißäe-).

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms
140 J. T. Hooker

Es ist diese vorgeschichtli


das wundervolle Instrument
roische, von großem, kühne
tobte, von Leidenschaften d
erzählerisch gestaltet hat.
Auch die Welt des Rig ved
auch - sehr gelegentlich -
scheinen schablonenhafte Ausdrücke wie janlyá (o. § 12) und
vadhuyú- (o. § 13), wenn man sie dem vorgriechischen juväe- 'durch
eine Frau glühen' gegenüberstellt.
Der Rigveda ist fyrische Dichtung : hier spricht der Mensch von
seinen starken Gefühlen und ihren körperlichen Symptomen, wie
es Sappho Ç . . . Xénrov ô5 avrixa xQcoi tzvq vTtadsÔQÓ/Lirjxev') oder Goethe
fes brennt mein Eingeweide9) tut. cKehre zurück! Das Herz steht
mir in Glut5 (nivartasva hfdayam tapyate me RV 10.95. 17) sagt der
unglückliche Purüravas zu der himmlischen Nymphe, die ihn ver-
lassen hat. Daß jemand so spricht, wäre bei Homer nicht möglich,
der etymologische Wortsinn von ¡uvãe-1 kann ihm gar nicht mehr
gegenwärtig gewesen sein. War die vorgriechische Dichtung, die ein
fjLvãe- "durch eine Frau glühen9 geformt hat, lyrische Dichtung?

Spemannstr. 14 Paul Thieme

7400 Tübingen

The meaning of ëxXoov at Ç 185 x)

The famous speech which Odysseus addresses to Nausicaa


(C 149-185) is constructed with great cunning. Its principal aim
is to flatter and reassure the young princess; and, in her reply,
Nausicaa shows that this aim has been achieved. But the themes
of courtship and harmonious marriage, which Odysseus introduces
at 158 and resumes at 180, have a significance which transcends
the immediate needs of the present passage. At least by her own
account (f 283-284), Nausicaa holds her suitors in slight regard,
many and well-born though they are, and hopes for the appearance
of a worthier candidate. As that is a faithful reflexion of the con-

x) I am very grateful to my colleague Dr. P. Considine for suggesting a


number of improvements.

This content downloaded from 37.201.211.29 on Wed, 16 Oct 2019 18:02:07 UTC
All use subject to https://about.jstor.org/terms

Das könnte Ihnen auch gefallen