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Depesche des State Department vom 31.

Juli 2009:
„Bericht erstattende Beamte sollten so viele Informatio-
nen wie möglich beifügen, die sich auf ihr Wissen der ge-
nannten Personengruppe beziehen: Bezeichnungen des
Amts und der Organisation; Namen, Positionen und andere
Informationen, die auf Visitenkarten enthalten sind; Tele-
fon-, Handy- und Fax-Nummern; Verzeichnisse von Kontak-
ten wie Telefonlisten (auf CD oder elektronisch, wenn mög-
lich) und E-Mail-Adressen sowie Internet-Zugangscodes;
Nummern von Kreditkarten und Vielflieger-Konten; Dienst-
Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York pläne und andere relevante biografische Informationen.“

von Kontaktinformationen wie etwa


Telefon- und E-Mail-Verzeichnisse;

Die Spione vom East River ‣ Kreditkarten- und Vielflieger-Kunden-


nummern, Dienstpläne und andere ver-
trauliche Informationen;
In vielen Fällen geht der Informations-
US-Diplomaten sollen die Uno ausspähen – auch hunger noch weiter, gesammelt werden:
Generalsekretär Ban Ki Moon und seine Mitarbeiter. ‣ biometrische Daten;
‣ Passwörter für Verschlüsselungen.

D
er Betreff des Dokuments klingt ßenpolitik. Die Nachrichtendienste infil- Ähnliche Aufforderungen zur Bespit-
harmlos: „Berichts- und Sammel- trieren und führen Quellen, alles mög- zelung gibt es für viele Staaten, etwa Pa-
anforderungen: Die Vereinten Na- lichst unsichtbar. Aber oft am Rande oder raguay und Palästina, acht westafrikani-
tionen“. Doch die geheime Depesche auch jenseits der Legalität. sche Staaten, wie Burkina Faso, Maure-
vom 31. Juli 2009, einer der brisantesten Folgt man dieser Unterteilung, dann tanien und Senegal, sowie diverse Staaten
der jetzt veröffentlichten Botschaftsbe- betreibt das State Department neben dem Osteuropas.
richte, hat es in sich: Auf 29 Seiten for- diplomatischen auch ein nachrichten- Die Themen, die das State Department
dert das Außenministerium der Vereinig- dienstliches Geschäft, dessen Leitlinien bei der Uno interessieren, sind breitgefä-
ten Staaten darin seine Diplomaten auf, in Clintons Beschaffungsplan festgeschrie- chert. Auf der „Prioritäten“-Liste vom
die Uno und ihre führenden Köpfe aus- ben sind. Selbst über Uno-Generalsekre- Juli 2009 steht „Darfur/Sudan“ an erster
zuspähen. tär Ban Ki Moon wollen die Amerikaner Stelle, noch vor „Afghanistan/Pakistan“,
Das Papier mit den Spionage-Anwei- alles wissen. Die Ergebnisse fließen of- Somalia, Iran und Nordkorea. Dazu kom-
sungen ging an die amerikanische Uno- fenkundig weiter an die CIA oder andere men acht „andauernde Schlüsselthemen“
Vertretung in New York sowie an 30 US- US-Nachrichtendienste. wie die Reform des Uno-Sicherheitsrates,
Botschaften weltweit, von Amman über Als Begründung für den Spionageauf- der Irak, der Friedensprozess im Nahen
Berlin, Paris und London bis nach Zagreb. trag legt Clinton offen, dass ein Großteil Osten, Menschenrechte und Kriegsver-
Außenministerin Hillary Clinton hat es der Informationen, mit denen die Ge- brechen.
abgezeichnet. Es ist der bislang streng un- heimdienste arbeiten, aus den weltweit Derartige Methoden verstoßen gegen
ter Verschluss gehaltene „Nationale Be- zusammengetragenen Berichten von Au- alle Regeln, die sich die Vereinten Natio-
schaffungsplan unter Einsatz mensch- ßenamtsmitarbeitern stamme. nen gegeben haben. In der „Konvention
licher Quellen“ („National Humint Col- Die Diplomaten sollten über ihre Kon- über die Privilegien und die Immunität
lection Directive“). takte so viel wie möglich in Erfahrung der Vereinten Nationen“ sowie im „Wie-
Der Grat zwischen der Arbeit der Di- bringen, darunter: ner Übereinkommen über diplomatische
plomaten und der Arbeit der Geheim- ‣ Büro- und Organisationsbezeichnun- Beziehungen“ ist festgeschrieben, dass
dienste ist von jeher schmal. Das diplo- gen, Namen, genaue Bezeichnung der keine Spionagemethoden angewandt wer-
matische Corps sammelt auf legalem Weg Stellung; den sollen. Zudem haben die USA mit
Informationen, bewertet sie und bereitet ‣ Nummern von Telefonen, Handys, Pa- den Vereinten Nationen 1947 ein direktes
damit die Grundlage für die eigene Au- gern und Faxen; Zusammenfassungen Abkommen geschlossen, das verdeckte
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Titel

Aktivitäten ausschließt. Aber diese Ab- les über die Telekommunikationssysteme


machungen sind schon Jahrzehnte alt, der Organisation, sondern auch eine Fülle
und an den fragwürdigen Nebenjobs der digitaler Details über „geplante Upgrades,
Diplomaten scheint sich noch kaum je- Sicherheitsmaßnahmen, Passwörter, per-
mand gestört zu haben. Abhören inner- sönliche Codes für die Verschlüsselung“.
halb der Uno sei „eine Art Tradition“, Die Intention scheint klar: Mit diesen
sagte der frühere Uno-Generalsekretär Informationen kann der Abhörgeheim-
Boutros Boutros-Ghali. dienst NSA anschließend leichter Tele-
Erstmals liegt mit dem Nationalen Be- fone, Computer und E-Mail-Konten atta-
schaffungsplan nun ein offizielles Re- ckieren.
gierungsdokument vor, das den Einsatz Angriffe mit Hilfe moderner Technik
dunkler Methoden durch die US-Admi- sind in der Geschichte der Uno immer
nistration formal belegt. Angesichts des wieder vorgekommen. 2004 entfachte die
nun enthüllten Dokuments wird es den ehemalige britische Ministerin Clare
amerikanischen Diplomaten schwerfal- Short einen Skandal, als sie in einem In-
len, ihre Aktivitäten zu dementieren. Zu terview zugab, Spione würden regelmä-
detailliert, zu umfassend ist dargelegt, ßig die Kommunikation hochrangiger
was die amerikanische Außenpolitik in- Uno-Vertreter mitschneiden, auch die des
teressiert. Generalsekretärs. Sie habe selbst Tran-
Beim Thema Iran etwa stehen „die Plä- skripte von überwachten Gesprächen
ne und Absichten des Uno-Generalsekre- Kofi Annans gesehen.
tärs und seiner direkten Mitarbeiter“ Legendär ist auch der Lauschangriff
ganz oben auf der Wunschliste, dicht ge- der Briten im Vorfeld des Irak-Kriegs. Auf
folgt von den „spezifischen Absichten dringende Bitten der NSA hin klinkten
von Großbritannien, Frankreich, Deutsch- sie sich wohl bei mehreren Mitgliedern
land und Russland“. des Uno-Sicherheitsrates ein, um deren
Wie Ban Ki Moon und seine Mitar- Abstimmungsverhalten bei der Resolu-
beiter im Generalsekretariat der Verein- tion gegen das Regime von Saddam Hus-
ten Nationen zum Libanon, dem irani- sein herauszufinden. Der Skandal wurde
schen Atomprogramm und zu Haiti ste- öffentlich, weil eine junge Übersetzerin
hen, sollen die amerikanischen Hilfs- des britischen Geheimdienstes die Anwei-
spione ebenso in Erfahrung bringen wie sung ausdruckte und einer Zeitung zu-
ihre Haltung zu Einzelfragen, etwa zum spielte.
Umgang mit terroristischen Gruppie- Gleich mehrmals fanden Techniker
rungen. Wanzen in der Uno. Im April 2006 stie-
Die Anforderungen gehen weit über ßen Arbeiter bei einer Wartung auf elek-
das normale Maß diplomatischen Interes- tronische Bauteile, die im Genfer Palais
ses hinaus. des Nations, Salon C 108 versteckt waren.
So wünscht sich Clinton etwa „biogra- Wert der Anlage: um die 65 000 Euro.
fische und biometrische Informationen Ähnliche Geräte hatten Spezialisten be-
zu den permanenten Re- reits 2004 ausgemacht.
präsentanten des Uno-Si-
SINTESI / VISUM (L.); SHEN HONG/XINHUA/GAMMA/EYEDEA PRESSE/LAIF (O.)

Eines eint allerdings das


cherheitsrates und Infor- diplomatische wie das ge-
mationen über deren heimdienstliche Gewer-
Verhältnis zu ihren Re- be: Man lässt sich nicht
gierungen“, inklusive erwischen. Weder bei
möglicher „Differenzen dem Lauschangriff auf
zwischen den Uno-Mis- Kofi Annan noch bei den
sionen und ihren Haupt- versteckten Wanzen in
städten“. Fingerabdrücke Genf ließ sich ein Nach-
französischer Diploma- weis für die Herkunft der
ten, Körpermaße bei Chi- Geräte führen. Das ist
nesen und Iris-Scans bei diesmal anders.
den Russen? Und doch: Ernsthafte
Ähnliche Wünsche Konsequenzen muss Au-
gibt es dem Dokument ßenministerin Clinton
zufolge für die ständigen wohl nicht fürchten, zu
Vertreter der „Gruppe Uno-Zentrale in New York sehr sind alle Beteiligten
der 77“, also der Ent- Fragwürdige Nebenjobs darauf bedacht, das Ge-
wicklungs- und Schwel- sicht zu wahren. Selbst
lenländer, und der blockfreien Mitglied- der Uno-Generalsekretär blieb bislang
staaten, „speziell China, Kuba, Ägypten, immer diplomatisch.
Indien, Indonesien, Malaysia, Pakistan, 2004 telefonierte Annan nach Bekannt-
Südafrika, Sudan, Uganda, Senegal und werden der Spionageaffäre mit dem bri-
Syrien“. tischen Uno-Botschafter Emyr Jones Par-
Besonders interessiert ist das Außen- ry. Wenn die Vorwürfe zuträfen, ließ An-
ministerium auch an internen Kommuni- nan in der schwächsten aller denkbaren
kationseinrichtungen der Uno. Clinton Empörungsformen mitteilen, sei er „ent-
fordert in ihrer Wunschliste nicht nur al- täuscht“. M����� R��������, H����� S����
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