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Gasturbinen und
Flugantriebe
Grundlagen, Betriebsverhalten
und Simulation
Gasturbinen und Flugantriebe
Hans Rick
Gasturbinen und
Flugantriebe
Grundlagen, Betriebsverhalten
und Simulation
Hans Rick
Institut für Luft- und Raumfahrt
Lehrstuhl für Flugantriebe
Technische Universität München (TUM)
Garching bei München, Deutschland
Springer Vieweg
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
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Vorwort (Konzept)
50 Jahre Lehrstuhl für Flugantriebe LFA (1964–2014) am Institut für Luft- und Raum-
fahrt der Technischen Universität München TUM sind Anlass, der Tradition des LFA
folgend, wiederum eine Publikation zur gemeinsamen Betrachtung von Gasturbinen und
Flugantriebe zu erstellen.
Wesentliche Abschnitte und Inhalte der vorliegenden Publikation basieren auf den
Arbeiten des Teams von Mitarbeitern, Diplomanden und Doktoranden der von Dr.
Kurzke (MTU) und dem Autor in den 1970er Jahren am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr.
H.G. Münzberg begründeten Arbeitsgruppe „Leistungs- und Betriebsverhalten, Regelung
und Versuch“ kurz „Performance Group“.
Besonders unterstützt von Herrn Prof. Dr. Dr.h.c. G. Kappler erweiterte die Gruppe ab
1982 ihre Aktivitäten verbunden mit der LFA-Prüfstandstechnik von Herrn Dr. W. Erhard.
In enger Kooperation mit der Industrie, den DLR-Forschungsinstituten und der Deutschen
Forschungsgemeinschaft DFG wurden zahlreiche Entwicklungen erfolgreich bearbeitet,
was sich in vielen Forschungsberichten, Dissertationen und Publikationen wiederspiegelt.
Die Leitung des LFA und besonders die beteiligten Doktoranden der „Performance Group“
sollen deshalb hier zum LFA-Jubiläum mit diesem Buch „Gasturbinen und Flugantriebe“
hervorgehoben mit besonderem Dank eine gemeinsame Würdigung, eine Hommage,
erfahren. Der Überblick zeigt den LFA mit Hochschullehrern und die beteiligten Wissen-
schaftlichen Mitarbeiter, das Jahr der Promotion sowie teilweise das berufliche Umfeld.
V
VI Vorwort (Konzept)
Zur Motivation, Gestaltung und zum Gelingen dieser Publikation der „Performance
Group“ trugen die umfangreiche Zusammenarbeit und der Erfahrungsaustausch mit
befreundeten Fachkollegen in Industrie, Instituten und Hochschulen in hohem Maße
bei. Dies betrifft zum Beispiel die Arbeitskreise wie AGTurbo sowie auch die Vorhaben
der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG mit den Sonderforschungsbereichen SFB.
Daneben erfolgte ebenso eine intensive Kooperation bei der gemeinsamen Betreuung von
Diplomanden und Doktoranden sowie bei Lehrveranstaltungen im Austausch von Erfah-
rungen und Lehrmaterial zu Vorlesungen und Praktika, zu Seminaren und Kolloquien. In
diesem Zusammenhang seien besonders die langjährigen freundschaftlichen Verbindungen
zu Technischen Universitäten, zum DLR und vor allem zur MTU Aero Engines genannt.
Allen diesen genannten Kollegen sei hier für das gemeinsame Engagement herzlich gedankt.
Abschnitte dieses Buches. Prof. Staudacher begann in der „Performance Group“ am LFA
seine berufliche Laufbahn als Diplomand und Doktorand. Ihm gebührt deshalb mit eini-
gen Mitarbeitern vom ILA-Stuttgart voran Frau Dr. Arago hier ein besonderer Dank.
Die langjährige enge Zusammenarbeit der LFA-Performance Group mit Herrn Dr.
Kurzke, dem Mitbegründer der Gruppe am LFA und ab 1976 bei der MTU, führte mit
dem Autor zu den ersten Aktionen einer gemeinsamen Publikation zu numerischen
Simulationsprogrammen des Betriebsverhaltens von Gasturbinen und Flugantrieben.
Daraus entwickelte sich das kommerziell weltweit verbreitete Programmsystem „Gas-
Turb“, das auch die vorliegende Publikation anschaulich und deutlich prägte. Mit der
Weiterentwicklung von „GasTurb“ in einer „GasTurb GmbH“ von Herrn Dr. Kurzke
und Herrn Prof. Dr. Jeschke, RWTH Aachen, findet das Zusammenspiel der gemein-
samen Aktivitäten der RWTH Aachen und der TU München wieder eine Fortset-
zung. Für die Kontinuität der gemeinsamen Arbeiten sei Herrn Dr. Kurzke vielmals
gedankt.
Herrn Dipl. Ing. A. Schäffler, ehemals leitender Mitarbeiter der MTU Aero Engines
und in internationalen Fachkreisen wohl bekannt für klare, anschauliche und fundierte
technische Darstellungen schwieriger Vorgänge, schuldet der Autor besonderen Dank.
Als stets engagierter Gesprächspartner unterstützte er mit vielen Hinweisen, wertvollen
Anregungen und Informationen das Zustandekommen dieses Buches.
Für die umfangreiche Unterstützung und freundliche Erlaubnis zur Verwendung
mancher Abbildungen und Texte gilt ein besonderer Dank den Firmen der Energietech-
nik und besonders der Luftfahrtbranche:
Airbus Airbus S.A.S., Blagnac Cedex, France
ALSTOM Alstom S.A., Schweiz
Boeing Boeing Commercial Airplanes, Washington, USA
CFM CFM International S. A., Melun, France
LH Deutsche Lufthansa AG, Köln, Hamburg, Germany
GE, GEAE GE Aviation, Cincinnati, Ohio, USA
IAE International Aero Engines, East Hartfort, Connecticut, USA
LH, LHT Lufthansa AG, Lufthansa Technik, Technical Training, Hamburg, Germany
MTU MTU Aero Engines AG, München, Germany
P&W Pratt&Whitney, East Hartfort, Connecticut, USA
RR, RRD Rolls-Royce International Ltd., London, UK, Dahlewitz, Germany
Siemens Siemens AG, München, Berlin, Germany
SNECMA Snecma S. A., Paris, France
Herrn Dr. F. Rick und Herrn Dipl. Ing. H. Schubert, MTU Aero Engines, gilt Dank
für die kritische Durchsicht mancher Kapitel mit ihren sehr wertvollen Hinweisen. In
besonderem Maße betrifft dies den Cheflektor Technik des Springer-Verlags Herr T.
Lehnert mit Frau U. Butz sowie Frau A. Stegner, die mit unermüdlicher Geduld und akti-
ver Unterstützung diese Publikation begleiteten. Vielen Dank an den Springer-Verlag.
1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Hans Rick
1.1 Vorstellung von Gasturbinen und Flugantrieben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Grundbegriffe und Hauptparameter der Arbeitsprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.3 Bauweisen von Gasturbinen und Flugantrieben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
1.4 Kenngrößen und Entwicklungstendenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1.4.1 Umwelt und Klimaschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
1.4.2 Sicherheit von Flugantrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
1.5 Multidisziplinäre Auslegung und Simulationstechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
1.6 Historie und Entwicklungstendenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Hans Rick
2.1 Elementare gasdynamische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.1.1 Erhaltungssätze der gasförmigen Fluide. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2.1.2 Isentrope, unter- und überkritische Strömung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
2.1.3 Wärmezufuhr im Strömungskanal. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
2.1.4 Senkrechter Verdichtungsstoß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
2.1.5 Schiefe und rotationssymmetrische Verdichtungsstöße. . . . . . . . . . . 75
2.1.6 Impulssatz und Netto-Schub bei Luftstrahltriebwerken. . . . . . . . . . . 79
2.1.7 Impulssatz und installierter Schub bei Flugtriebwerken. . . . . . . . . . . 81
2.2 Standard-Arbeitsprozesse ideal und real . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
2.2.1 Ideale und halbideale Gasturbinen-Arbeitsprozesse. . . . . . . . . . . . . . 85
2.2.2 Standard-Arbeitsprozesse von Turboshaft und Turbojet. . . . . . . . . . 96
2.3 Arbeitsprozess von Turboshaft und Turbojet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
2.3.1 Parameterstudie von Arbeitsprozessen und Vorgabewerte. . . . . . . . 105
2.3.2 Einlaufströmung (0-1-2). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
2.3.3 Turboverdichter (2-3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
2.3.4 Brennkammer (3-4). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
2.3.5 Hochdruckturbine gekühlt (4-44) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
IX
X Inhaltsverzeichnis
Die Gasturbine, eine thermische Turbomaschine, prägte vor etwa einem Jahrhundert
beginnend in der Energiewandlung und Energieübertragung entscheidend die ein-
drucksvollen Fortschritte der Energie- und Kraftwerkstechnik sowie des Verkehrswesens
als Antrieb von Flugzeugen aller Geschwindigkeitsbereiche, als Schiffsantrieb und als
Motor von Land- und Schwebefahrzeugen.
Gasturbinen mit ihren Hauptkomponenten Turboverdichter, Brennkammern und
Turbinen werden kontinuierlich durchströmt und zeichnen sich im Vergleich zu ande-
ren Antriebsmaschinen wie Kolbenmotoren mit hohen Leistungsdichten bezogen auf
Volumen und Masse aus. Das Leistungspektrum reicht von wenigen Kilowatt bis zu Leis-
tungen von über 200 bis 300 MW.
Bei den Flugantrieben beherrschen die Turbotriebwerke mit der Gasturbine als Basis
seit den 1950er Jahren beginnend den gesamten Luftverkehr. Diese Dominanz der Gas-
turbine als Flugtriebwerk beruht hauptsächlich auf der Leistungskonzentration und
der kompakten Bauweise. Es werden Vortriebskräfte bzw. Schübe erzielt von wenigen
Dekanewton bis über 400 Kilonewton. Die Einsatzbereiche betreffen die Wellenleis-
tungs- bzw. Turboshaft-Triebwerke der Hubschrauber und Propeller-Flugzeuge sowie
besonders die Turbofan- und Kombinationstriebwerke der Unterschall-, Überschall-
und Hyperschall-Flugzeuge, wobei der zivile Luftverkehr im Mittelpunkt steht.
Das Leistungs- und Betriebsverhalten der Gasturbinen und Flugantriebe, die Perfor-
mance, betrifft die abgegebene Leistung, die von solchen Anlagen mit einer bestimmten
Energiemenge bzw. einem Brennstoffstrom effizient umgesetzt wird unter Beachtung
von Emissionen, Masse und Abmessungen sowie Lebensdauer und Kosten. Die viel-
fältigen Anwendungen der Gasturbinen und Flugantrieben können prinzipiell in einer
gemeinsamen Betrachtungsweise dargestellt werden, wie dies in den umfassenden Fach-
büchern von Walch/Fletcher [Wal00B], von Lechner/Seume u. a. [Lec03B] sowie frü-
her von Münzberg, Kurzke u. a. behandelt wird [Mün72K, Mün77B]. Dazu im Vorwort
einige Informationen.
Die vorliegende Publikation verfolgt in Abstimmung mit derzeitigen Fachbüchern
besonders des deutschen Sprachraums das Ziel, als Lehr- und Fachbuch einen Leitfa-
den zur gemeinsamen Betrachtung von Gasturbinen und Flugantrieben zu bieten. Die
E-Book-Ausgabe entspricht dabei den Anforderungen der Medien- und Internet-Welt.
XVII
XVIII Einführung und Zielsetzung
Eine Neuauflage oder Erweiterung der genannten Bücher wurde in Abstimmung mit
dem Springer-Verlag nicht mehr in Erwägung gezogen. Stattdessen wurde eine Publi-
kation im Rahmen einer neuen Buchreihe zur Luft- und Raumfahrttechnik bei Munich
Aerospace mit VDI vorgezogen.
Der ersten Kapitel 1 bis 6 geben nach einem allgemeinen Überblick die Grundlagen
der Thermodynamik und Fluidmechanik sowie die vielfältigen Gasturbinen-Arbeitspro-
zesse wieder, gefolgt von den Darstellungen der Komponenten wie Turbomaschinen,
Brennräume, Einläufe und Düsen. Das Betriebsverhalten in allen stationären und transi-
enten Lastbereichen steht in den Kapiteln 7 bis 9 im Mittelpunkt. Die Basis bilden dabei
die modularen Leistungssynthesrechnungen und die numerischen universellen Aus-
legungsprogramme „Gasturbine-System-Simulation- and Design“ GTSSD. Beispielhaft
wird in zahlreichen Anwendungen dieser Publikation das Programmsystem „GasTurb“
von Dr. Kurzke herangezogen.
Die technologischen Entwicklungen und großen Erfolge in den vergangenen fünf Jahr-
zehnten auf dem Gebiet der Energie- und Kraftwerkstechnik sowie besonders der
Antriebe in der Luftfahrt und der Marine wurden von den mannigfaltigen Anwendun-
gen der Gasturbinen GT geprägt. Dabei steht die Fülle der verwendeten Ingenieursdis-
ziplinen in direkter Verbindung mit der Turbomaschinen- und Gasturbinentechnik, so
dass selbst bei Beschränkung auf die wichtigsten Gebiete eine große Zahl von zum Teil
weit auseinander liegenden Wissensgebieten in eine Betrachtung dieser Systeme mit ein-
bezogen werden muss [Kru60K, Gas67B, Mün72K, Wal98B, Gri04B] (Abb. 1.1-1, 1.1-2).
Diese Situation erschwert dem jungen Ingenieur in Industrie und Forschung sowie beson-
ders dem Studierenden den Überblick. Deshalb werden in den folgenden Abschnitten
und Kapiteln gemeinsame Gesichtspunkte und Zusammenhänge in der Energie- und
Antriebstechnik in Verbindung mit Gasturbinen GT und Flugantrieben FA der Luftfahrt
in den Vordergrund gestellt.
Mit den Disziplinen aller Antriebe der Luft- und Raumfahrttechnik ist die Mannig-
faltigkeit der Anwendungen der Gasturbinentechnologie noch wesentlich zu erweitern,
wie z. B. in [Mün72K, Mün77B] mit der umfangreichen gemeinsamen Betrachtung von
Systemen demonstriert wird. Dabei werden in [Mün72K] alle bedeutsamen Antriebsarten
der Luft- und Raumfahrt in vier Systemgruppen eingeordnet. Dies sind: Atmosphärische
Antriebe, chemische Raketen, nuklearthermische Raketen und elektrische Antriebe. Diese
damit weit gespannte Betrachtungsweise wird hier im Rahmen dieses Buches auf Luft
atmende Flugantriebe in Verbindung mit den Gasturbinen der Energie- und Antriebs-
technik stationärer und mobiler Anlagen und Triebwerke begrenzt und behandelt.
Da bei Kraftwerks-Gasturbinen und Flugzeug-Antrieben die Energiewandlung und
die Energieübertragung von dominanter Bedeutung sind, spielt die Thermo- und Fluid-
dynamik eine sehr wichtige Rolle.
Gasturbinen - Anwendungsbereiche
Energietechnik Marine
Wellenleistungs-Gasturbinen PGT bzw. Turboshaft TS
Kraftwerks-Gasturbinen KW-GT Marine-Antriebe MGT
Leistungsbereich
PNutz = PPT 1 bis 300 MW PNutz=PPT 1 bis 70 MW
Luftfahrt
Hubschrauber- und Rotor-Flugzeuge, Propeller- und Flächen-Flugzeuge
Rotor- und Propeller-Triebwerke Schubtriebwerke
Turboshaft TS Turbopro TP Turbojet TJ Turbofan TF Ramjet RJ
40
H0 [km]
Flughöhe
30
20 SR71
Concorde
10 Kombinations -Triebwerke
A340
Raketen
Turbo-Triebwerke Ramjet
0
0 1 2 3 4 5 6 7
Flug-Mach-Zahl M0
0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000
Flug-Geschwindigkeit (Cruise) c0 [km/h]
Gasturbinen-Antriebe
Energietechnik Marine-Schiffahrt
Luftfahrt-Triebwerke
GP7200
Eine solche Anlage verfügt als Luft atmende Maschine über die weiteren Teilkompo-
nenten Einlauf E (entry, intake) und gasdurchströmten Düsen N (nozzle) oder Austritts-
Diffusoren (diffusor) (Abb. 1.1-3). Die atmosphärischen Flugantriebe werden auch als
Durchströmtriebwerke bezeichnet und somit gegenüber den Raketenantrieben, den Aus-
strömtriebwerken, abgegrenzt.
Sowohl Flugtriebwerke als auch mobile, auf Gasturbinen basierende Antriebe zeich-
nen sich durch eine hohe massen- und volumenbezogene Leistungsdichte aus. Hierbei
ist jedoch zu beachten, dass auf Gasturbinen bezogene Antriebe anderen Antriebssyste-
men erst im dreistelligen Kilowattbereich überlegen sind. Bei kleineren Leistungen sind
Hubkolbenmotoren und bei sehr kleinen Leistungen oft auch elektrische Antriebe den
Gasturbinen vorzuziehen. Die hohen Leistungsdichten moderner Gasturbinen werden
einerseits durch eine extreme Leichtbauweise verbunden andererseits mit einer Steige-
rung der Betriebstemperaturen und -drücke erreicht. Damit spielen Werkstoffkunde,
Betriebsfestigkeit sowie die Mechanik und Dynamik bei der Entwicklung neuer Antriebe
eine wichtige Rolle. Die Abstimmung der Baugruppen untereinander und die Anpassung
des Gesamtsystems auf die Erfordernisse des Flugzustandes ist wiederum eine Aufgabe
4 1 Einleitung
2 3 4 44
Turboshaft TS Turbojet TJ
Wellenleistungsgasturbine (PGT) Turboluftstrahl-Triebwerk (TL)
Gasgenerator GG + Nutzleistungsturbine PT Gasgenerator GG + Schubdüse N
1 2 3 4 44 5 8 1 2 3 4 5 7 8/9
PPT
Abgabe von Turbinenleistung F
Schubkraft zum Vortrieb
Abb. 1.1-3 Gasgenerator GG, Basis und Kernteil (core) von Gasturbinen GT mit Abgabe von
Nutzleistung an der Abtriebswelle und Flugantrieben FA mit Erzeugung von Schub-Vortriebskräf-
ten wie bei Turbojet- und Turbofan-Triebwerken TJ und TF [GasTurb]
der Steuerungs- und Regelungstechnik. Die Bedeutung letzterer wird durch Fragestellun-
gen der Zustandsüberwachung der Antriebssysteme und durch die Entwicklung „intelli-
genter“ Triebwerke noch wesentlich verstärkt. Damit wird deutlich, wie ausgeprägt das
Zusammenspiel vieler Ingenieurwissenschaften in der Gasturbinen- und der Flugtrieb-
werkstechnik ist.
Die Gasturbine stellt also eine Verbrennungskraftmaschine dar und ist neben der
Dampfkraftmaschine dem Bereich der thermischen Wärmekraftmaschinen zuzuordnen,
bei denen die Energiezufuhr chemisch, thermisch oder auch nuklear erfolgen kann. Wie
bei einem Kolbenmotor erfolgt dabei die Energiezufuhr direkt in einem Brennraum über
eine interne Verbrennung. Die Umwandlung der Brennstoffenergie in mechanische bzw.
elektrische Energie verläuft dabei über verschiedene Zustandsänderungen des am Einlauf
aufgenommenen Arbeitsmediums Luft, dessen Zustand am Ende des Arbeitsprozesses
auf den Ausgangszustand der Umgebung wieder zurückgestellt wird. Für Gasturbinen ist
die kontinuierliche Durchströmung der Komponenten charakteristisch (Abb. 1.1-3).
Beim Kolbenmotor finden die Verdichtung, die Verbrennung und die Entspan-
nung der Heißgase in zeitlicher Aufeinanderfolge aber in demselben Bauelement, dem
1.1 Vorstellung von Gasturbinen und Flugantrieben 5
Zylinder, statt. Das gilt sowohl für das mit angenäherter Gleichdruckverbrennung
arbeitende Diesel-Verfahren als auch für das Otto-Verfahren mit Drucksteigerung bei
der Verbrennung. In der üblicherweise offenen, durchströmten Gasturbine finden die
einzelnen Zustandsänderungen in gesonderten Komponenten statt. Im Verdichter
C wird das Arbeitsmedium nur komprimiert, in der Brennkammer B nur einem Ver-
brennungsvorgang unterworfen und in der Turbine T nur entspannt. Trotzdem erfol-
gen innerhalb des Triebwerkes alle diese Zustandsänderungen gleichzeitig. Somit gibt
es grundsätzliche Unterschiede in den thermodynamischen Arbeitsverfahren gegenüber
dem Kolbenmotor.
Für den Kolbenmotor gilt, dass die zeitliche Aufeinanderfolge des Arbeitsspiels am
gleichen Ort in einem Zylinder stattfindet.
Bei der Gasturbine dagegen verlaufen die Zustandsänderungen gleichzeitig jeweils in
besonderen Komponenten wie Einlauf, Turboverdichter, Brennkammer und Turbine
bzw. Schubdüse beim Flugtriebwerk.
Im Sinne einer ersten Definition einer Basisstruktur von Gasturbinen oder Flugan-
trieben lässt sich ein Kerntriebwerk (core engine, core) bestehend aus Verdichter, Brenn-
kammer und Turbine definieren. Diese auch als „Heißteil“ der Maschine bezeichnete
Baugruppe ist den höchsten Betriebsdrücken und -temperaturen sowie den höchsten
Drehzahlen ausgesetzt.
Der Begriff des „Gasgenerators“ GG (gas generator) bezieht sich auf den Teil des
Triebwerks, der notwendig ist, um die Nutzleistung des Triebwerks zur Verfügung zu
stellen. Die vom Gasgenerator bereit gestellte Leistung kann in Form von Wellenleistung
bei der Turboshaft-Gasturbine TS oder von Strahlleistung beim Turbojet-Triebwerk TJ
zum Vortrieb oder zur Energiewandlung genutzt werden. Die in Abb. 1.1-3 dargestellte
einfache Konfiguration mit dem Einwellen-Kerntriebwerk als Gasgenerator ist somit
eine Besonderheit, da der Gasgenerator auch Baugruppen des Mittel- und Niederdruck-
teils bei komplexeren Gasturbinen umfassen kann.
Wärme-
Kompression Expansion
zufuhr QB
Turboverdichter C Turbinen T und PT
0 1 2 3 4 44 5 7 8
E C T PT G
nPT
PPT Getriebe
PEx nC = nT
PC+PEx= PT
Nutzleistungs-
turbine
Einlauf Verdichter Brennkammer Turbine PT Abgasrohr
E C B T A
0–1-2 2-3 3-4 4 - 44 44 - 5 5 – 7 - 8
0,6
1 2 3 4 5 8 Realer Joule-Prozess
th 45
Annahmen:
Cpol= Tpol =0.9
TMetall=const
Thermischer Wirkungsgrad
Prozess-Verluste const.
0,5 η th=0,5
Gesamtdruckverhältnis
OPR= ges= 50 40
30
0,4 ηth=0,4
10
1400 K 1600 K 1800 K 2000 K
Totaltemperatur Tt4
0,3
200 400 600 800
PPT kW
spez. Leistung kg/s
m2
Abb. 1.2-1 Turboshaft- bzw. Wellenleistungs-Gasturbine TS bzw. PGT mit Einstrom-Einwellen-
Gasgenerator GG als Kern (core) und Nutzleistungsturbine PT. Thermischer realer Wirkungsgrad
abhängig von Hauptparametern
1.2 Grundbegriffe und Hauptparameter der Arbeitsprozesse 7
mB g
F
kN s Totaltemperatur Tt4= 1800 K 5
Brennstoffverbrauch spez. SFC
50 pt 3
1600 K
pt 2
1400 K 10
1200 K 15
40 20
25
ṁB Brennstoffdurchsatz
SFCF = = · (1.2-5)
F Schub F
Zu den wichtigsten Einflussgrößen der Arbeitsprozesse und Parameterstudien zählen
Mit dem thermischen Wirkungsgrad ηth oder inneren Wirkungsgrad ηi einer Anlage
wird die Güte der Umsetzung von zugeführter spezifischer Wärmeenergie qzu bzw. Leis-
tung Q̇B = ṁ qzu in den Brennkammern in nutzbare spezifischen Energie wPT bzw. Leis-
tung PPT = ṁ wPT angegeben.
Damit ergibt sich für Wellenleistungs-bzw. Turboshaft-Gasturbinen
PPT Wellenleistung abgegeben
ηth = = (1.2-6)
Q̇B Wärmestrom durch Verbrennung zugeführt
oder mit den spezifischen Energien bzw. der spezifischen Arbeit wPT und der mit dem
Brennstoff zugeführten spezifischen Energie qzu. Wird im Rahmen einer vereinfachten
Betrachtung die Verbrennung und äußere Wärmezufuhr gleich gesetzt, so kann eine
Brennstoffleistung ṁB Hu eingeführt werden und es folgt
wPT PPT PPT
ηth = = = (1.2-7)
qzu ṁB Hu ṁB LCV
1.2 Grundbegriffe und Hauptparameter der Arbeitsprozesse 9
mit dem unteren Heizwert Hu bzw. LCV (lower calorific value) bei hier angenommen
vollständiger Verbrennung.
Turbojet-Triebwerke TJ (Turboluftstrahltriebwerke TL, Abb. 1.2-2) geben nicht wie
das Turboshaft-Triebwerk TS mechanische Leistung in Form von Wellenleistung ab.
Sinngemäß ist deshalb die vom Triebwerk erzeugte Strahlleistung PStrahl zur Definition
des thermischen Wirkungsgrades anzusetzen. Diese wird als Anstieg der kinetischen
Energie des Arbeitsmediums wie folgt definiert
c29 c2
PStrahl = PJet = ṁ9 − ṁ0 0 ·
2 2
Auf dieser Basis erfolgt die Definition des thermischen Wirkungsgrades wiederum mit
Hilfe der Brennstoffleistung
c29 c2
Strahlleistung ṁ9 − ṁ0 0
ηth = = 2 2 · (1.2-8)
Wärmestrom durch Verbrennung zugeführt ṁB Hu
Zur groben Orientierung bei den Bauweisen der Luftstrahltriebwerke vom Turboprop-
TP bis zum Turbofan-Triebwerk TF und ihren günstigen Einsatzbereichen kann auch
ein äußerer Wirkungsgrad beziehungsweise ein Vortriebswirkungsgrad (propulsion
efficiency) für Schub-Triebwerke definiert werden. Er lautet:
Vortriebsleistung F c0 2
ηP = = = c9
Strahlleistung c29 c20 1+ (1.2-9)
ṁ9 − ṁ0 c0
2 2
Die Vortriebsleistung wird im Inertialsystem definiert. Sie drückt die am Fluggerät durch
die Vorwärtsbewegung mit c0 vollbrachte Leistung aus. In Gl. (1.2-9) wird dabei nähe-
rungsweise gleicher Durchsatz angenommen sowie vollständige Entspannung der Strö-
mung in der Schubdüse auf Umgebungsdruck (Abschn. 2.1 und Kap. 6).
Auf Basis der Gl. (1.2-8) und (1.2-9) kann nun der Gesamtwirkungsgrad ηges bzw. η0
(overall efficiency) nach Gl. (1.2-10) definiert werden. Dieser beschreibt die Effizienz der
Wandlung von zugeführter Wärme in Vortriebsleistung und ist folglich ein Maß für die
Güte der Wärmekraftmaschine bzw. des Flugtriebwerks aus Sicht des Fluggerätes.
Vortriebsleistung
η0 = ηges = ηth ηP =
Wärmestrom zugeführt durch Verbrennung
(1.2-10)
F c0 c0
= = .
ṁB Hu SFC Hu
Es entsteht ein Parameter, der umgekehrt proportional zu dem auf den Schub bezoge-
nen spezifischen Brennstoffverbrauch SFCF ist. Somit sind der auf den Schub bezogene
spezifische Brennstoffverbrauch und der Gesamtwirkungsgrad beim Vergleich der Effizi-
enz von Antrieben als analog anzusehen, wenn Antriebe für Fluggeräte gleicher Flugge-
schwindigkeit bei gleichem Brennstofftyp verglichen werden sollen
10 1 Einleitung
ṁB c0 1
SFCF = = · · (1.2-11)
F Hu ηges
Wird ein Flug mit konstantem Auftrieb L (lift), konstantem Widerstand D (drag) und
konstanter Fluggeschwindigkeit c0 angenommen, so lässt sich ein Zusammenhang mit
der bekannten „Breguet-Formel“ für die Flugstrecke S herstellen [Hil92K, Gri04B,
Cum03B, Wal98B]
L F m1 1 CL m1
S= c0 ln = · c0 · · ln (1.2-12)
D ṁB m2 SFCF CD m2
mit dem Auftriebsbeiwert CL, dem Widerstandsbeiwert CD und den Start- und Endmas-
sen m1 und m2 des Flugzeugs.
Bei genauer Betrachtung der in Abschn. 1.3 vorgestellten Schaltungsarten und Bau-
gruppen von Gasturbinen für stationäre Anlagen und mobile Anwendungen wird
erkennbar, dass die Wellenleistung PW abgebende Turboshaft-Gasturbine TS mit Nutz-
turbine PT eine der einfachsten Schaltungsarten einer Gasturbinenanlage darstellt
(Abb. 1.1-3 und 1.2-1). Analog hierzu ist das Turbojet-Triebwerk TJ (Einstrom-Turbo-
luftstrahl-triebwerk TL) mit Einwellen-Gasgenerator GG und Schubdüse N (Abb. 1.2-2).
Die Darstellungen der prinzipiellen Bauweisen dieser Einstrom-Triebwerke werden in
Form von schematischen Blockschaltbildern ersichtlich. Der Arbeitsprozess (Kreispro-
zess, cycle) nur des Gasgenerators GG für die einfachen Gasturbinen-Triebwerke wird
in Abschn. 2.2 in (Abb. 2.1-2–2.1-7) im h-s-Diagramm mit den wesentlichen thermody-
namischen Zustandsgrößen gezeigt. Die den Arbeitsprozess abschließende Expansion
der Heißgase auf etwa Umgebungsdruck p0 in der Arbeits- bzw. Nutzleistungsturbine
PT beziehungsweise der Schubdüse N wird in Abschn. 2.2 und Abschn. 2.3 detailliert
behandelt.
Vom ungestörten Umgebungszustand (Ebene 0) aus wird durch den Einlauf E (Ebene
1 bis 2) der Luftmassenstrom ṁ0 = ṁ1 = ṁ2 dem von der Turbine angetriebenen Tur-
boverdichter C (Ebene 2 bis 3) zugeführt und in diesem auf den Arbeitsprozessdruck pt3
kontinuierlich verdichtet.
Zwischen Verdichter C und Gasgenerator-Turbine T wird das Arbeitsfluid in einer
Gleichdruckbrennkammer (Ebene 3 bis 4) auf die Arbeitsprozess-Spitzentemperatur Tt4
aufgeheizt und anschließend beim Wellenleistungs-Triebwerk von der Triebwerksebene
4 ausgehend in der Turbine T des Gasgenerators bis Ebene 44 expandiert. Diese Ebene
44 entspricht beim Turbojet-Triebwerk der Ebene 5 vor der Schubdüse N.
Nach Abschluss der inneren Energieabgabe von der Gasgenerator-Turbine T an den
auf gleicher Welle sitzenden Verdichter C kann die Nutzung der energiereichen Heiß-
gase durch die Expansion vom Totaldruck pt44 beziehungsweise beim Turbojet TJ von
pt5 aus im Sinne der jeweiligen Aufgabe des Triebwerks verschieden vorgenommen
werden.
Im Falle der Turboshaft-Gasturbine TS bzw. des Wellenleistungs-Triebwerks PGT
(Abb. 1.2-1) beaufschlagen die Heißgase in der Turbinensektion von 44 ausgehend die
1.2 Grundbegriffe und Hauptparameter der Arbeitsprozesse 11
Entspannung zur Verfügung stehende Nutzenergie ab Ebene 44 wird über die Entspan-
nung in der Düse in kinetische Energie der Heißgase umgesetzt.
Die durch die Expansion der Heißgase in einer konvergenten oder konvergent-
divergenten Unterschall- oder Überschall-Düse C- oder C-D-Düse (convergent nozzle,
convergent divergent nozzle) entstehende Strahlleistung ergibt gegenüber der Flugge-
schwindigkeit v∞ oder auf das Triebwerk bezogen c0 eine erhöhte Triebwerks-Aus-
trittsgeschwindigkeit c8 beziehungsweise c9. Die Beschleunigung dieser Heißgase in der
Schubdüse im Heckbereich des Flugantriebes liefert gemäß dem Impulssatz der Fluid-
mechanik (Abschn. 2.1.1.3) mit den Impuls- und Druckkräften den Bruttoschub (gross
thrust)
FG = ṁ8 c8 + A8 p8 − p0 · (1.2-13)
Mit dem Impulssatz angesetzt über die gesamte Durchströmung vom Einlauf E bis zur
Düse N lautet der Nettoschub (net thrust) (Abschn. 2.1.1 bis 2.1.3)
FN = ṁ8 c8 − ṁ0 c0 + A8 p8 − p0 · (1.2-14)
Wie bereits besonders in Abschn. 1.1 erläutert, stellt der Einwellen-Gasgenerator GG
einmal gasdynamisch gekoppelt mit der Nutzleistungsturbine PT zum anderen mit der
die Heißgase beschleunigende Schubdüse N das Basiskonzept zahlreicher Gasturbinen-
Schaltungen und Verbund-Turboluftstrahltriebwerke wie Turbojet und Turbofan dar
(Abschn. 1.3).
Bei den einerseits Vor- oder Auftrieb erzeugenden Propeller-Flugtriebwerken bzw.
Turboprop-Triebwerken TP, andererseits bei den Schub abgebenden Strahltriebwerken
bzw. Turbojet-Triebwerken TJ kann von einem kontinuierlichen Übergang vom Propel-
ler- oder Rotor-Triebwerk (turboprop) über das Prop-Fan und Turbofan-Triebwerk TF
(Gebläse-Triebwerk) bis zum reinen Bypass-Schubtriebwerk TF ohne und mit Mischung
M und Nachbrenner AB gesprochen werden. Basis dieser Triebwerksfamilien ist stets der
Gasgenerator GG bzw. das Kerntriebwerk (core engine, core).
Das Ergebnis einer Parameterstudie der wichtigsten Auslegungsgrößen von Tur-
bojet-Triebwerken ist ebenfalls in Abb. 1.2-2 zu sehen. Auch hier ist zu erkennen, wie
hohe Spitzentemperaturen am Turbinen-Eintritt TET (turbine entry temperature) bzw.
Tt4 und hohe Gesamtdruckverhältnisse OPR (overall pressure ratio) für gute thermische
Wirkungsgrade und damit für einen geringen spezifischen Brennstoffverbrauch SFC
maßgebend sind.
Dominante Auslegungsgrößen der Triebwerke sind einmal der die Reichweite und die
Nutzlast eines Flugzeuges bestimmende Brennstoffverbrauch bzw. der auf die Leistung
oder den Schub bezogene spezifische Brennstoffverbrauch SFC.
Weiterhin spielt die abgegebene Nutzleistung PPT bzw. der Schub F eines Triebwerks
und die Triebwerksmasse eine große Rolle, die für Flugleistungen vom Start über Steig-
und Reiseflug bis zu den Landemanövern einen wesentlichen Faktor darstellen. Schließ-
lich beeinflussen neben den Einbaumodalitäten die Lärm- und Schadstoff-Emissionen
sowie die Betriebs- und Wartungskosten, die Lebensdauer und schließlich die Gesamt-
konzeption den Erfolg eines Antriebssystems.
Wie bereits in Abschn. 1.2 vorgestellt wurde, stellt die Basis aller Gasturbinen-Anla-
gen und Turboluftstrahltriebwerke das Kerntriebwerk (core engine) dar. Ausgehend von
dieser Baugruppe (Abb. 1.1-3) sind mehrere Triebwerksarchitekturen und Gruppierun-
gen möglich, wobei die einzelnen Triebwerkstypen in Ein- oder Mehrwellen-Bauweise
ausgeführt werden können.
Die Einordnung von Luftfahrttriebwerken in einer Gruppe 1 stellen die Einstrom-
Gasturbinen mit 1- oder auch 2- Rotoren dar (Abb. 1.3-1). Erste Vertreter dieser Trieb-
werke waren in den 1940er Jahren die später in Abb. 1.6-3 dargestellten Triebwerke
Jumo004, BMW003 und ATAR 101V.
Turboshaft-Triebwerke mit nachgeschalteter Nutzleistungsturbine PT bilden die
Basisantriebe für Hubschrauber und Propellerflugzeuge oder auch für Kipprotor-Flug-
zeuge [Haf82B, Mug88]. Zur verbesserten Drehzahlanpassung von Nutzleistungsturbine
PT und Propeller Pr oder Rotor R ist es zweckmäßig, ein Untersetzungsgetriebe G (gear-
box) einzuschalten.
Bei den Propeller-Turboshaft-Mehrwellen-Triebwerken bzw. Turoprops (turbop-
rop) wird in der Turbinen-Sektion eine an die Fluggeschwindigkeit angepasste Leis-
tung zum Propellerantrieb entnommen, wobei die über eine Düse abströmenden
Heißgase noch etwas Restschub liefern. Dabei sollte mit steigender Fluggeschwindig-
keit eine optimale Aufteilung von Propellerschub und Düsenschub angestrebt werden
(Abschn. 2.6.1.1).
Bei den Turboshaft-Triebwerken von Hubschraubern und anderen Rotor-Flächen-
flugzeugen wird abhängig von der Fluggeschwindigkeit eine möglichst maximale Tur-
binenleistung den Heißgasen entnommen, wobei die Düsen-Auströmgeschwindigkeit
minimal bleiben sollte.
Ein Propeller- bzw. Turboprop-Triebwerk kann prinzipiell auch als Zweistrom- bzw.
Bypass-Triebwerk mit sehr großem Bypass-Verhältnis BPR betrachtet werden.
Beim Einstrom-Turbojet-Triebwerk TJ kann zwischen Ein- und Zweiwellen-Trieb-
werken ohne oder mit Nachbrenner AB unterschieden werden. Beim Nachbrenner-
Triebwerk kann wahlweise auch in dem der Schubdüse vorgeschalteten Brennraum der
Fluidstrom nochmals zur kurzzeitigen Schubverstärkung aufgeheizt werden.
In den frühen 1940er Jahren wurden mit den neuen Konzepten und Entwicklungen
von ersten Turbo-Flugantrieben die hier in der Gruppe 1 gezeigten Triebwerke wegen
ihrer einfachen und kompakten Bauweise und ihres relativ hohen Schubes bezogen auf
14 1 Einleitung
Turbojet TJ/TJA
ohne/mit Nachbrenner AB
Al C250
T64, T700
Olympus 593
Bypass-Turbofan-Triebwerke TF
Standard-Triebwerke (Beispiele)
Turbofan TF
BPR > 2 bis 3 Ring-Düse 2-Wellen-Turbofan TFMA
mit Mischung und Nachbrenner
BPR < 2
CF6-80
EJ200
Turbofan TFM mit Mischung F100
BPR < 2 bis 3
3-Wellen-Turbofan TFMA
Mischung mit Nachbrenner
BPR < 2
BR715
RB199
Turbofan-Triebwerk TF
22 H0=11km, M0 =0,80
[g/(kNs)]
21
spez. Brennstoffverbrauch SFC
20 5
19
18 10
Druckverhältnis
15
17 20 OPR
25
15
16
20
25
15 30
35
40
14
1,75 2,00 2,25 2,50 2,75 3,00 3,25 3,50 3,75
Fan-Durchmesser [m]
Abb. 1.3-3 Turbofan-Triebwerk TF mit hohem Bypass-Verhältnis BPR ohne Mischung. Spe-
zifischer Brennstoffverbrauch SFC abhängig von wesentlichen Auslegungsparametern wie dem
Bypass-Verhältnis BPR, dem Gesamtdruckverhältnis OPR und dem Fan-Durchmesser für den Rei-
seflug (cruise)
Über die Nutzleistungsturbine PT bzw. die Niederdruckturbine LPT wird dabei ein
Teil der Energie auf einen Fan F oder Niederdruckverdichter LPC übertragen, der den
Bypass-Luftstrom wie einen Mantelluftstrom um das Kerntriebwerk fördert. Bei höheren
Bypass-Verhältnissen kann der Bypass-Luftstrom in einer Ringdüse mit reduzierter Strahl-
geschwindigkeit zum Schub des zweiten äußeren Bypass-Massenstroms umgesetzt werden.
Bei den meisten Turbofan-Triebwerken liefert der verdichtete Bypass-oder Sekundär-
luftstrom über die Sekundärdüse den wesentlich höheren Schubanteil gegenüber dem
Schub des heißen Primärkreises über die Primär-Schubdüse. Dabei kann je nach Flug-
mission und Schubhebelstellung PLA (power lever angle) das Verhältnis beider Massen-
ströme zueinander variieren. Generell bewirkt bei Turbofan-Triebwerken eine Erhöhung
des Bypass-Verhältnisses über die Erhöhung des Vortriebswirkungsgrades eine Verrin-
gerung des SFC. Es ist jedoch zu beachten, dass auch hier ein Minimum erreicht wird
und somit eine Optimierung vorgenommen werden muss. Eine solche Optimierung
ohne Berücksichtigung der Triebwerksinstallation, wie sie (Abb. 1.3-3) dargestellt ist,
führt zu sehr hohen Werten für ein optimales Bypass-Verhältnis.
Die damit verbundenen, sehr großen Fan-Durchmesser erschweren wesentlich die Inte-
gration der Turbofan-Triebwerke in das gesamte Flugzeugsystem. Die Berücksichtigung
1.3 Bauweisen von Gasturbinen und Flugantrieben 17
36 Überschall-Höhenflug
BPR
2 H0=11000 m, M0=2
OPR ohne Nachbrenner
35
12 3
5
34
16
20 40
33
24 36
28
32
32 OPR
OPR
Gesamtdruckverhältnis [GasTurb]
31
0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2
Fan-Durchmesser [m]
Abb. 1.3-4 Turbofan-Triebwerk TFMA mit kleinem Bypass-Verhältnis BPR, mit Mischung M
und Nachbrenner AB. Spezifischer Brennstoffverbrauch SFC abhängig von wesentlichen Aus-
legungsparametern wie BPR, OPR und Fan-Durchmesser für Überschall-Reiseflug bei M0 = 2.
Nachbrenner nicht geschaltet
der Installationsverluste und der erhöhten Gewichte führt zu einem wesentlich kleineren
optimalen Bypass-Verhältnis. Nachteilig wirken sich mit steigenden hohen Bypass-Ver-
hältnissen die Erhöhung der Druckverhältnisse von Niederdruckturbinen aus und damit
die Steigerung der Stufen- und Schaufelzahlen sowie das ansteigende Gewicht der Nieder-
druckturbine. Hier kann das Turbofan-Triebwerk mit Getriebe GTF (geard turbofan) Ver-
besserungen bringen (Abschn. 2.6 und Kap. 8).
Bei besonders hohen, Umwelt bedingten Anforderungen an die Flugtriebwerke zum
Beispiel bei Regionalflugzeugen kann zur verstärkten Lärmreduzierung eine Mischung
des Bypass- und Primär-Fluidstromes vorgenommen werden, wie das Turbofan-Trieb-
werk mit Mischer TFM zeigt (Abb. 1.3-2).
Für den Überschallflug von Hochleistungsflugzeugen bis hin zum Hyperschallflug kön-
nen Turbojet- und vor allem Turbofan- und Kombinations-Triebwerke eingesetzt werden.
Hierbei können aus der Weiterentwicklung der Technologien der klassischen Einstrom-
Turbojet-Triebwerke ohne und mit Nachbrenner die Turbofan-Triebwerke mit kleinem
Bypass-Verhältnis und Mischung des Primär- und Sekundär-Fluidstromes sowie anschlie-
ßendem Betrieb ohne oder mit Nachbrenner eingesetzt werden (Abb. 1.3-4 und 1.3-5).
18 1 Einleitung
60
Überschall-Höhenflug
[g(kNs)] H0=11000 m, M0=2
1,50
59 Nettoschub FN=const
spez. Brennstoffverbrauch SFC
1,00
58 mit Nachbrenner
0,50
57
0,25
56
BPR 0,0
Bypass-Verhältnis 4
55
6
OPR 8 14
54 10
Gesamtdruckverhältnis
[GasTurb]
53
1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6 2,8 3,0 3,2
Fandruckverhältnis Fan
Die Auslegung und die Konzeption der Turbofan-Triebwerke ohne oder mit
Mischung und Nachbrenner TFMA mit der Fähigkeit von ökonomischen Unterschall-
und Überschallflügen für mehrere variable Flugmissionen werden durch ein weit gefass-
tes Spektrum an Leistungskonzentration und optimalem Brennstoffverbrauch geprägt.
Zusätzlich kann der Brennstoffverbrauch im kurzzeitigen Nachbrennerbetrieb die
Gesamtkonzeption wesentlich mitbestimmen.
Der subsonische Reiseflug (cruising) führt bei einer optimierten Auslegung zu hohen
Bypass-Verhältnissen bei ebenfalls hohen Gesamtdruckverhältnissen OPR, sodass hier
häufig ein Kompromiss in der Auslegung eingegangen werden muss. Dies wird bei der
Beurteilung der Parameterstudie in Abb. 1.3-5 deutlich, wie dies zum Beispiel bei dem
europäischen Turbofan-Nachbrenner-Triebwerk EJ200 mit einem Bypass-Verhältnis
BPR = 0,4 und einem Gesamtdruckverhältnis OPR = 25 der Fall ist.
Beim Überschallflug ohne Nachbrenner wäre das verbrauchsoptimale Bypass-Ver-
hältnis BPRopt ≈ 3. Um die Stirnfläche des Triebwerks wegen des Flugzeugwiderstandes
klein zu halten, ist ein Kompromiss zwischen Verbrauch und Bypass-Verhältnis BPR < 2
sinnvoll. Das entsprechende Gesamtdruckverhältnis OPR wurde z. B. beim Triebwerk
EJ200 mit etwa 28 festgelegt.
1.3 Bauweisen von Gasturbinen und Flugantrieben 19
0,90
P Turboprop TP
Turbofan TF
Vortriebswirkungsgrad
0,80
Turbofan (gemischt) TFM
BPR
6,0
0,70
3,0
Turbojet TJ
1,0
0,60
0,50
0 0,5 1,0 1,5
Flug-Mach-Zahl M 0
Kombinationstriebwerke
Turbojet – Turbofan - Ramjet
Abb. 1.3-7 Gruppe 3 von Gasturbinen und Flugtriebwerken mit erweiterten und modifizierten
Systemen wie Turboshaft- und Turbofan-Triebwerke ohne und mit Wärmetauschern und Kühlern
sowie Verstellgeometrien und variablen Arbeitsprozessen VCE (variable cycle engine) zur Verbes-
serung der Arbeitsprozess-Parameter. Darstellung nach [GasTurb]
supersonischen Flugbereich hinein wird das reine Turbojet-Triebwerk TJ ohne und mit
Nachbrenner AB die günstigste Wahl sein und schließlich gefolgt vom Ramjet-Trieb-
werk RJ (ramjet).
Die Entwicklung der Turbo-Flugtriebwerke in den letzten über fünf Jahrzehnten nach
den oben vorgestellten zwei Gruppierungen von Standard-Triebwerken war geprägt
durch eine stetige Verbesserung der wichtigsten Auslegungsparameter wie z. B. bei den
zivilen Antrieben die Gesamtdruckverhältnisse OPR bis über 45, die Turbinen-Eintritt-
stemperaturen TET bis über etwa 1600 °C und die Bypass-Verhältnisse BPR bis über 10
(Abschn. 2.5 bis 2.7).
Um die zukünftigen Anforderungen an die Flugantriebe aber auch an die gesteigerte
Effizienz der stationären Gasturbinen-Anlagen und mobilen Antrieben der Schiffs- und
Fahrzeug-Technik verwirklichen zu können, sind erhebliche Neuerungen bei den bisher
üblichen Konzeptionen vorzunehmen, die weltweit bereits in zahlreichen Entwicklungs-
und Forschungsprogrammen für zukünftige Projekte untersucht werden [Wal98B,
Eps11, Fro11, Gar11, Gou11, Grö11, Hen11, Lor11, Ros11].
Im Abb. 1.3-7 werden in einer Gruppe 3 Beispiele von erweiterten Gasturbinen und
modifizierten Flugantrieben vorgestellt.
1.3 Bauweisen von Gasturbinen und Flugantrieben 21
Dabei ist hervorzuheben, dass fast alle dargestellten Konzepte und Modifikationen
bereits in den vergangenen Jahrzehnten mehr oder weniger intensiv und umfangreich
untersucht, gebaut und als Prototypen getestet wurden. Die dauerhafte serienmäßige
Verwendung dieser Entwicklungen fand allerdings bisher nur begrenzt statt, da häu-
fig die Lebensdauer oder die optimale Steuerung und Regelung, die Sicherheit und vor
allem die geforderten Umweltaufgaben und ökonomischen Bedingungen nicht genügend
erfüllt werden konnten.
Als Beispiel seien hier die zahlreichen Triebwerksprojekte und Prototypen der 1960er
und 1970er Jahre aus der Fahrzeugtechnik vom kleinen PKW bis zum LKW und vom
Schwerfahrzeug bzw. von Panzerfahrzeugen genannt. Die angestrebte notwendige
Lebensdauer bei den häufigen Lastwechseln und die Massen der Regenerator- und Reku-
perator-Wärmetauscher dieser Gasturbinen waren mit den Technologien der damaligen
Zeit nur ungenügend oder nicht zu erreichen.
Mit dem inzwischen erreichten Technologieniveau und mit den zum Beispiel zur
Verfügung stehenden numerischen Rechen- und Simulationsmethoden können die in
Abb. 1.3-7 gezeigten Modifikationen realistischer als vor zwei bis drei Jahrzehnten ver-
wirklicht werden (Kap. 8).
Bei den Wellenleistungs-Gasturbinen und besonders den Turboshaft-und Turbofan-
Flugtriebwerken bieten sich Wärmetauscher- und Kühler-Bauweisen an, die zu erhebli-
chen Verbesserungen zumindest der Arbeitsprozesse führen, wie sie in Abschn. 2.9 und
Kap. 7 und 8 gezeigt werden.
Bei den Turboluftstrahltriebwerken wird zum Beispiel eine variable Geometrie bei
verschiedenen Komponenten zu seit langem angestrebten VCE-Triebwerken (varia-
ble cycle engine) mit variablem Arbeitsprozess führen. Damit könnten besonders flexi-
ble Systeme von Hochleistungs-Triebwerken für gemischte Flugmissionen auch mit
V/STOL-Anforderungen (vertical/short take off and landing) bereitgestellt werden.
Ein Trend allgemein der bisherigen Entwicklungen sowie Hinweise zu zukünftigen
Projekten wird in Abb. 1.3-8 im Überblick gegeben, der am Verlauf des spezifischen
Brennstoffverbrauchs SFC über der Zeit orientiert ist. Die technologische Entwicklung
der Turbofan-Triebwerke ist anhand von mehreren Generationen am Beispiel der zivi-
len Turbofan-Triebwerke mit hohem Bypass-Verhältnis dargestellt. Für jede Triebwerks-
generation wird ein typisches Triebwerk angeführt. Die Gruppierung in verschiedene
Generationen von Bypass-Triebwerken ist näherungsweise bis zur 3. Generation ange-
geben. Eine Zuordnung in eine definierbare 4. und 5. Generation zukünftiger Triebwerke
ist nach dem aktuellen Stand der Projekte noch unklar.
Durch beständige Erhöhung der Bypass-Verhältnisse BPR, der Gesamtdruckverhält-
nisse OPR und der Turbinen-Eintrittstemperaturen TET konnten sowohl Brennstoffver-
bräuche als auch Lärm- und CO2-Emissionen der Flugzeug-Triebwerke kontinuierlich
verbessert werden. Diese wichtigen Kriterien werden auch für zukünftige Antriebe neben
den Kosten vorrangige Bedeutung haben.
Aus der historisch gesehenen Entwicklung des Brennstoffverbrauchs von der zweiten
bis zur vierten Generation moderner „High-Bypass”-Turbofan-Triebwerke kann eine
22 1 Einleitung
Bypass-Turbofan-Triebwerke TF
Entwicklungsstufen
SFC 1. Gen.
+20% Spey, JT8D,
BPR<2
Verhältnis
Brennstoffverbrauch spez.
2. Gen.
BPR
CF6, PW2037, BPR<6
+10% RB211, V2500
3. Gen.
CFM56, Trent700,BPR=5-8
+0% Referenz
Referenz GE90, PW4000 4. Gen.
GP7000, Trent900 BPR>8
-10% 5. Gen. BPR>10
Trent1000,GEnx
BPR>>10
Geard-TF
IRA-TF
-20% ACARE-Ziel OpenRotor
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 2025
Jahr EIS (entry into service)
Geard-TF
Abb. 1.3-8 Zeitliche Entwicklung des relativen spez. Brennstoffverbrauchs SFC bei Turbofan-Trieb-
werken u. a. mit IRA-Turbofan (intercooled recuperated aero engine) während der vergangenen drei
Jahrzehnte mit Hinweisen zum Bypass-Verhältnis BPR und Kennzeichnung der Entwicklungsziele
nach ACARE-Vorgaben bis zum Jahr 2020. Darstellung nach GE Aviation, MTU Aero Engines,
Pratt&Whitney
1.3 Bauweisen von Gasturbinen und Flugantrieben 23
Abb. 1.3-9 Modifizierte, erweiterte Gasturbinen der Gruppe 4 als Ein- und Mehrwellen-Gasturbi-
nen-Anlagen mit Wärmetauschern und Kühlern sowie gestufter sequentieller Verbrennung. Dar-
stellung nach [GasTurb]
50
40
Dampfturbine DT
30
20
Gasturbine GT
10
Jahre
280 MW Gasturbine im
GuD-Kraftwerk Irsching
Kompressor
(Siemens SGT5-4000F)
Daten hier nach Angaben von BBC/Alstom zeigen eindrucksvoll die Bedeutung der Gas-
turbine besonders auch in der Kopplung mit Dampfturbinen für das erreichte hohe Wir-
kungsgradniveau von Kraftwerken mit Gesamtleistungen pro Anlage von 200 bis nahe
300 MW. Weitere Hinweise sind in Abschn. 2.8 enthalten.
Als hervorgehobenes Beispiel ist in Abb. 1.3-11 die um das Jahr 2009 in Betrieb
gegangene 280 MW Gasturbine im Kraftwerk Irsching (Bayern) dargestellt. Bei dieser
Gasturbine handelt es sich weltweit um eine der leistungsstärksten stationären Gastur-
binen. Sie besteht aus einer Einwellen-Gasturbine in Axialbauweise mit Ring-Brennkam-
mer [Lec03B].
Ebenso wie in der Energietechnik wurde in den 1960er und 1970er Jahren angenom-
men, dass die Gasturbine in Verbindung mit Rekuperator- oder Regenerator-Wärmetau-
schern als Fahrzeugmotor oder als Antrieb bei Schienenfahrzeugen eine umfangreiche
Anwendung finden könnte. Obwohl weltweit zahlreiche Projekte in dieser Zeit gestartet
und als Prototypen getestet wurden, kam es zu keinem Durchbruch. Die technologischen
Voraussetzungen waren damals noch nicht genügend gereift, um effiziente, ökonomi-
sche Antriebe mit genügend Lebensdauer serienreif auf den Markt zu bringen [Gas67B,
Mün77B, Wal91B, Wal98B].
Der inzwischen bekannteste realisierte Anwendungsfall einer Fahrzeug-Gasturbine ist
beispielsweise der Motor des Abrams M1-Panzers in den USA, der von einer Lycoming
1500 kW-Rekuperator-Gasturbine angetrieben wird. Diese hat den Vorteil einer höheren
Leistungsdichte gegenüber einem konventionellen Kolbenmotor, bedeutet aber einen größe-
ren Aufwand bei Wartung und Instandhaltung sowie höheren Brennstoffverbrauch (Kap. 8).
26 1 Einleitung
Die Parameterstudien von Gasturbinen und Flugantrieben auf der Basis von Arbeitspro-
zessrechnungen in den vorstehenden Abschnitten zeigten, dass die Güte und damit der
Brennstoffverbrauch der Turboluftstrahl-Triebwerke entscheidend von dem Gesamt-
druckverhältnis OPR und der Turbinen-Eintrittstemperaturen TET bestimmt wird.
Dabei sind die hohen Temperaturen nur mit hochwertigen Werkstoffen und aufwen-
digen Kühlungstechnologien der Turbinenschaufeln zu bewerkstelligen, da die Pro-
zesstemperaturen über der Schmelztemperatur der verwendeten Werkstoffe liegen. Als
weiterer wichtiger Auslegungsparameter bei den zivilen Turbofan-Triebwerken erweist
sich das Bypass-Verhältnis BPR. In Verbindung mit dem spezifischen Brennstoffver-
brauch SFC nach Abb. 1.3-3 wird in Abb. 1.4-1 deshalb der thermische Wirkungsgrad
ηth abhängig von den genannten Parametern für die verschiedenen Generationen von
Bypass-Turbofan-Triebwerken gezeigt. Dieser Wirkungsgrad stellt das Verhältnis der für
die Vortriebskräfte verfügbaren Energie bezogen auf die mit dem Brennstoff über eine
Verbrennung zugeführte Energie dar.
Der Gesamtwirkungsgrad ergibt sich aus der Multiplikation des thermischen Wir-
kungsgrades ηth mit dem Vortriebswirkungsgrad ηP.
Die Weiterentwicklung der Turbofan-Triebwerke in den verschiedenen Generationen
war mit erheblichen technologischen Verbesserungen der Turbomaschinen-Komponen-
ten Verdichter, Fan und Turbinen verbunden, wie in Abb. 1.4-2 und 1.4-3 zu sehen ist.
Hier wird die zeitliche Entwicklung der Arbeitsprozess-Hauptparameter Turbinen-Ein-
tritts-temperatur TET bzw. Tt4 und Gesamtdruckverhältnis OPR gezeigt.
Mit den erzielten Verbesserungen der Brennstoffverbräuche verringerten sich auch
die CO2-Emisionen.
Mit den gesteigerten Bypass-Verhältnissen konnten auch die Lärmemissionen stark
gesenkt werden. Bei Turbojet- und Turbofan-Triebwerken mit Bypass-Verhältnissen
BPR < 3 bis 5 dominierten als Lärmquellen gegenüber den Turbomaschinen-Komponen-
ten die hohen Ausströmgeschwindigkeiten aus den Schubdüsen. Ab etwa BPR > 8 verur-
sachen die Komponenten bei insgesamt sinkendem Lärmpegel die Gesamtlärmemission.
RR Trent 900
50 TET
CFM56
th
[%] 2000 K
48
1900 K
thermischer Wirkungsgrad
GE CF6 1800 K
46
4. Gen. 1700 K
BPR>8
44
3. Gen.
BPR 5 8 1600 K
42
1500 K
Turbinen -
2. Gen. Eintrittstemperatur TET
40
BPR<6
38
15 20 25 30 35 40 45 50
)
1600 BPR
ni s( Trent800
Trent 900
lt
erhä RB211-535
1400 -V
ss JT9D
PW2037
pa
By RB211-524 CFM56
CF6-50C
1200 Boeing B 707 Spey
JT3D
1000 Tyne
Dart
800
BMW003
1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010
Jahr EIS (entry into service)
Abb. 1.4-2 Zeitliche Entwicklung der Turbinen-Eintrittstemperatur Tt4 bzw. TET von Gasturbi-
nen am Beispiel von Turbo-Flugtriebwerken [Rol05B u. a.]
28 1 Einleitung
OPR
40
Gesamtdruckverhältnis
30
20
Boeing B 707
10
BMW003
0
1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010
Jahr EIS (entry into service)
Abb. 1.4-3 Zeitliche Entwicklung des Verdichter- bzw. Geamtdruckverhältnisses OPR von Gas-
turbinen am Beispiel der Turboflugtriebwerke [Rol05B]
Schadstoffemission
Auf dem Gebiet des Klimaschutzes allgemein spielt die Schadstoffemission im Bereich
des Reisefluges der Flugzeuge in großen Höhen eine besondere Rolle. Dem gegenüber
stehen die Umweltbelastungen in Bodennähe in der Umgebung der Flugplätze meist
mehr im Fokus der Betrachtungen, wie bisher auch deutlich an den entsprechenden
Regularien und Kontrollen zu beobachten ist (Abb. 1.4-4).
Durch die unvollständige Verbrennung und Dissoziation bei hohen Brennraumtem-
peraturen entstehen in den Brennräumen neben CO2 und H2O die Schadstoffe Kohlen-
monoxid CO, die giftigen Stickoxide NOx und die unverbrannten Kohlenwasserstoffe
CHx, bzw. UHC (unburned hydrocarbons) sowie die zur Rauchbildung führenden unver-
brannten Kohlenstoffpartikel C.
Das Ziel einer sauberen Verbrennung ist bei den Triebwerken der Flugtechnik schwe-
rer zu erzielen als dies bei stationären Gasturbinen-Anlagen der Fall ist. Einmal muss die
Brennkammer eines Turbostrahltriebwerks nicht nur bei verschiedenen Lastzuständen
sondern auch in verschiedenen Flughöhen bei stark wechselnden Drücken und Tem-
peraturen einwandfrei arbeiten, wobei stets extreme Forderungen an die relativ kleine
Brennkammervolumen und Brennkammermassen zu erfüllen sind.
1.4 Kenngrößen und Entwicklungstendenzen 29
100
ICAO NOx -Emission
CAEP/4
CAEP/3
80
60
40
Ziel 2020
20
10 20 30 40 50
Gesamtdruckverhältnis OPR
Abb. 1.4-4 Entwicklungsstufen der NOx-Emissionen (ICAO) und der Grenzwertbereiche bei verschie-
denen Typen von Turbojet- und Turbofan-Triebwerken. Darstellung nach ACARE [Umw05B, Umw08B]
einen „Landing and Take-Off“-Zyklus kurz LTO-Zyklus werden zum Beispiel folgende
Betriebsbedingungen angenommen:
Lärmemission
Mit dem schnell ansteigenden zivilen Flugverkehr in den 1960er Jahren und der damit
verbundenen stark anwachsenden Lärmemission der Flugzeuge mit Luftstrahltriebwer-
ken wurden bereits Ende der 1960er besonders durch die FAA in den USA die ersten
Regularien zur Lärm-Begrenzung besonders in der Umgebung von Flughäfen vorge-
schlagen und durchgesetzt (Abb. 1.4-5). Die Federal Aviation Regulation FAR Part 36
und der damit verbundene Annex 16 des ICAO Committee on Aircraft Noise hatten
sehr schnell einen starken Einfluss besonders auf die Neu- und Weiterentwicklung ziviler
Flugzeug-Triebwerke.
Die entscheidenden Lärmquellen bei den Gasturbinen-Luftstrahltriebwerken sind auf
der Einströmseite die Verdichter und bei den Bypass-Turbofan-Triebwerken besonders
der Fan. Auf der Abströmseite stellen die Lärmquellen wiederum der Fan dar sowie die
1.4 Kenngrößen und Entwicklungstendenzen 31
6500 m
450 m Abflug-Messpunkt
EPNdB
Messlinie seitlich
Höhe 3°
120
120 m
Lärm-Pegel (Side Line)
Anflug-Messpunkt
20 db
B707
Turbojet 2000 m
110
Caravelle DC9 Lärmzertifizierung mit Schalldruck
B747-100 „Approach“, „Flyover“ , „Sideline“
100 1. Gen. BPR<2
A300 2. Gen. BPR<6
20 db
A320
B747-400 3. Gen. BPR<8
90
80
Abb. 1.4-5 Zeitliche Entwicklung der Lärmemissionen von Flugtriebwerken und Regularien zur
Lärmdämmung mit Beispielen von Flugzeugtypen [Umw05B, Umw08B]
Lärmemission konnte um über 30 dB im Zeitraum von etwa fünf Jahrzehnten vom Tur-
bojet der 1950er Jahre bis zum Hochbypass-Turbofan-Triebwerk der 2000er Jahre herab-
gesetzt werden.
Bei der Lärmabstrahlung nach hinten können beim Turbofan die das eigentliche
Basistriebwerk verlassenden Heißgase entweder mit dem kälteren Bypass-Luftstrom
gemischt werden oder die Abströmung verläuft durch zwei getrennte Düsen, die Primär-
und Sekundär-Ringdüse.
Der Mischungsprozess wird hauptsächlich bei Turbofan-Triebwerken mit klei-
nem Bypass-Verhältnis angewendet, da dadurch die Wiedererhitzung des gemischten
Gesamtmassenstroms im Nachbrenner erleichtert wird (Abb. 1.3-2, Abschn. 2.5 und
Kap. 8).
Der getrennt austretende Bypass-Massenstrom beim Turbofan ohne Mischung
umschließt mantelförmig den Heißgasstrahl der Primärdüse. Durch diesen “isolieren-
den” Ummantelungseffekt wegen des bei allen Bypass-Triebwerken stark reduzierten
Niveaus der Heißgasgeschwindigkeit wird die durch Schubdüsenstrahlen emittierte
akustische Energie relativ gering gehalten. Die Geschwindigkeitsverteilung im Flug-
zustand ist meist so abgestuft, dass die Primärgeschwindigkeit der Heißgase größer als
die Sekundärgeschwindigkeit der Bypassluft ist und diese wiederum höher als die Flug-
geschwindigkeit. Durch Reduktion der Strahlgeschwindigkeiten konnte so gegenüber
dem Einstromtriebwerk gleichen Startschubs bei Bypass-Triebwerken mit hohen Bypass-
Verhältnissen eine Herabsetzung des Lärmpegels um die in Abb. 1.4-5 gezeigten Größen
erreicht werden.
Bei den stationären Gasturbinen der Energietechnik und der mobilen Anlagen wie
Schiffe und Fahrzeuge können die Kanäle der Luftzuströmung und der Abgase lang
und lärmgedämmt ausgeführt werden, sodass beim Einbau von Schalldämpfern ein sehr
wirksamer Lärmschutz erreicht wird.
Wird hinter dem Turbosatz das Heißgas noch durch einen Wärmetauscher gelei-
tet, wie dies in modifizierten, erweiterten Triebwerken (Abschn. 2.9) und bei Fahr-
zeug-Gasturbinen der Fall ist, dann wird dadurch nur noch wenig von dem innerhalb
der Gasturbine erzeugten Lärm nach außen durchdringen. Das gleiche gilt für den
Einlaufkanal, bei dem in vielen Fällen eine zusätzlich dämpfende Luftfilterung einge-
setzt ist.
Bei Vergleichen der Lärmemission von Gasturbinen mit den Kolbenmotoren, wie sie
zum Beispiel auf dem Schiffssektor im Verbund mit Gasturbinen eingebaut werden, zei-
gen sich die Gasturbinen-Anlagen als wesentlich leiser und müssen deshalb nicht tief im
Schiffsrumpf wie die Dieselaggregate eingebaut werden (Abschn. 2.8).
0,8
0,6
Turbojet und
Turbofan-Triebwerke
0,4 (1950er und 1960er Jahre)
Damit verbunden sind aber auch die hohen Anforderungen an die Zuverlässigkeit
und Sicherheit S&R (safety and reliability) der Flugtriebwerke besonders in der kom-
merziellen Luftfahrt. Diese Anforderungen werden u. a. mit der ETOPS-Zulassung eines
Triebwerks gekennzeichnet. ETOPS (extendet range twin operations) definiert die Zeit
in Minuten, die bei Ausfall eines Triebwerks noch notwendig ist, um mit dem oder den
intakten Triebwerk/en einen Ausweichflughafen sicher zu erreichen. Damit sind die
erlaubten Flugstrecken und Flugrouten über Wasser außerhalb vom Festland für Flug-
zeuge mit 2, 3 oder 4 Triebwerken vorgegeben.
Für die ETOPS-Zulassungen werden aus der Flugpraxis die Triebwerksausfälle IFSD
(in flight shut downs) für verschiedene Flugzeugtypen herangezogen. Für die Zulassung
werden weniger als 0,02 Triebwerksausfälle im Flug (IFSD) pro 1000 Flugstunden von
der ICAO gefordert. Die zeitliche Entwickung der IFSD-Werte in Flugstunden von
Turbojet- und Turbofan-Triebwerken nach Daten der Firma Boeing abhängig von den
kumulierten Flugstunden in Millionen in den vergangenen Zeiträumen zeigt Abb. 1.4-6.
Diese beeindruckende Verbesserung der Flugsicherheit von Flugantrieben ist entschei-
dender Garant für die Effizienz des Luftverkehrs insgesamt.
High-Bypass-Turbofan
GE 90
F = 400 kN
BPR = 8,3
OPR = 40
EIS: 1995
3-D-CFD-Strömungssimulation
3-D-Druck-, Temperatur- und Geschwindigkeitsverteilungen
Multidisziplinäre Entwicklungsmethode für Triebwerks-Gesamtsimulation
NPSS Numerical Propulsion System and Simulation
NASA-Lewis Research / GE – Technologie
alitä t
latio nsqu Intera
ktion
Simu
Fachdisziplinen
Kosten
Integration
I
e
rg
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Aeromechank
Fluidmechanik
fe när
Komp ngstie tatio en
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Ve rd e n Rech
b in
Tur Düse
n
Abb. 1.5-2 Simulationsbereiche innerhalb einer Matrix von GTSSD bzw. PSSD (Gas Turbine resp.
Propulsion System Simulation and Design) [Cla92, Kop00, Sch01]
aber auch kritische Flugfälle bei Störungen des Systems simuliert werden. Insbeson-
dere für die Flugzeug-Simulatoren sind daher auch echtzeitfähige Simulationsmodelle
notwendig.
Die kontinuierliche Verkürzung der Entwicklungszeiten und die damit einherge-
hende Verdichtung der Arbeit im Ingenieursbereich haben die Art und Weise der
Zusammenarbeit stark verändert. Integrierte Projektteams greifen auf umfassende
Gesamtsystemsimulationen zu, die ein komplettes Antriebssystem auch im struktu-
rellen Aufbau sowie in der Akustik und im Emissionsverhalten vorhersagen können.
Hierbei wurden frühere voneinander unabhängige Programme wie z. B. Programme
der Disziplinen Aerothermodynamik, Wärmetechnik und Festigkeit gekoppelt
(Abb. 1.5-2).
Im Abschn. 8.1 wird im Zusammenhang mit den multidisziplinären numerischen
Simulationsverfahren detaillierter auf diese Verfahren eingegangen, die hier allgemein
als „Gasturbinen- bzw. Triebwerk-System-Simulation und-Auslegung“ (Gas Turbine
resp. Propulsion System Simulation and Design) „GTSSD“ bzw. „PSSD“ bezeichnet wer-
den sollen. Sie stellen matrixartig aufgebaute Entwurfsverfahren dar, die von der Vor-
auslegung ausgehend über das stationäre und instationäre Betriebsverhalten bis zur
Produktions- und Versuchstechnik ein wichtiges Werkzeug für die Entwicklung effizien-
ter Antriebssysteme reichen.
Mit den hier kurz angesprochenen Methoden wie z. B. das NPSS der NASA in den
USA oder die PSSD-Programme in [Kop00, Rup00, Wal00B] wird es möglich sein, die
36 1 Einleitung
Abb. 1.5-3 Technologieziele im Zeitraum 2000 bis 2020 zum Beispiel nach ACARE [Umw05B,
Umw08B]
Die Ingenieure werden also in Zukunft vor der Herausforderung stehen, immer kom-
plexere Fragestellungen in immer kürzerer Zeit lösen zu müssen. Moderne numerische
Methoden sind dabei sicherlich eine wichtige Grundlage, ersetzen jedoch nicht ein soli-
des Wissen über das Gesamtsystem Gasturbine oder Flugzeugtriebwerk.
+LVWRULH]XU(QWZLFNOXQJYRQ*DVWXUELQHQ *7 XQG)OXJDQWULHEHQ )$
1791 1. Patent von John Barber in England
1897 F. Stolze patentiert das Prinzip „Gasturbine“
ab etwa
1900 F. Stolze baut erste GT in Berlin ( th < 0)
1905 Zusammenarbeit Rateau und BBC mit erster Gasturbine zur Stro
merzeugung in Paris (Pel 6 – th = 2 - 3%)
1910 Holzwarth-GT bei BBC in Mannheim gebaut
1920 Steigerung der Wirkungsgrade auf th 10 – 15 % bei
C 4 – 5 und Tt4 550 – 750 °C, Mangel an effizienten
Turboverdichtern mit großen Luftdurchsätzen
Befriedigender Lauf einer Holzwarth-BBC-GT
1930 BBC baut ein Kraftwerksaggregat von 4 MW Leistung
1935 Beginn erster Gasturbinen-Entwicklungen zu Flugtriebwerken
$XJXVWHUVWHU)OXJPLW7XUERWULHEZHUN He S3B von Dr.
Pabst von Ohain mit Heinkel-Flugzeug
1940 In Deutschland, England und etwas später in den USA lief eine
intensive Entwicklung von Turbojet -Triebwerken an mit star -
ken Auswirkungen auf stationäre Gasturbinen aller Bereiche
1950 Mit Gasturbinen-Kraftwerken wird ein großer Prozentsatz der in
der Welt installierten Kraftwerksleistung produziert
1960 Erdgebundene GT-Entwicklung beginnt entscheidende Impulse
aus der Flugtechnik zu erhalten
Fahrzeug-Gasturbinen werden zahlreich weltweit entwickelt
1970 Modifizierte Turboluftstrahl triebwerke werden verst ärkt in Be
reichen außerhalb der Luftfahrt besonders in der Energie-, Bahn-
und Marine-Technik eingesetzt
Einsatz von kommerziellen LKW- GT wird erprobt
Gasturbinen-Flugtriebwerke decken über 90% der Transport-
kapazität in der Weltluftfahrt ab
1980 Bypass-Turbofan-Triebwerke ohne und mit Nachbrenner steigern
die ökonomischen und umweltfreundlichen Qualitäten des Luft-
verkehrs, sie erreichen nahe 100% der globalen Luftfahrt,
Gasturbinen-Antriebe bei Straßen - und Schienen -Fahrzeugen
werden wieder bedeutungslos
ab 1990 In der Energie - und Marine -Technik dominiert die Welle n
leistungs-Gasturbine mit Leistungen von 50 bis 300MW.
Turbofan-Triebwerke der 2. bis 4. Generation mit Schüben bis
etwa 400 kN beherrschen den Markt
Ursprünglich liefen die Aktivitäten zum Bau von Gasturbinen für die Luftfahrt und
für andere ortfesten und mobilen Anwendungen getrennt. Nur wenige der Gasturbinen-
und Kraftwerks-Produzenten waren gleichzeitig auf beiden Gebieten tätig. Die eindrucks-
vollen Erfolge der Entwicklungen der Luftfahrtantriebe in den 1940er Jahren führten
in den 1950er Jahren zu gemeinsamen Wegen, wobei die in der Luftfahrt entstandenen
Technologien den stationären Gasturbineneinsatz maßgeblich befruchteten. Dies betrifft
zum Beispiel die Unternehmen General Electric Co. (GE) und Rolls Royce Plc. (RR) mit
1.6 Historie und Entwicklungstendenzen 39
Gasturbinen, die inzwischen pro stationärer Anlage thermische Wirkungsgrade von über
40 % erreichen, kombiniert mit Dampfturbinen sogar Werte um 60 % (Abb. 1.3-10).
Entwicklung der Turbo-Flugtriebwerke bis 1945
In England begann bereits Anfang der 1930er Jahre Sir Frank Whittle nach dem
Konzept einer Gasturbine theoretische Studien zum Bau von Flugzeug-Strahltriebwer-
ken. 1932 erhielt er die Anerkennung entsprechender Patente. Das erste Whittle-Trieb-
werk mit einem Radialverdichter und einer Turbinenstufe wurde bei Rover in England
gebaut und hatte 1937 den ersten erfolgreichen Testlauf. Der Erstflug mit einem Flug-
zeug der Firma Gloster fand nach Kriegsbeginn 1941 statt (Abb. 1.6-2).
Priorität allerdings, den ersten Flug mit einem strahlgetriebenen Heinkel-Flugzeug
durchgeführt zu haben, hat der deutsche Luftfahrt-Pionier Dr. Hans Pabst von Ohain,
unterstützt von dem technisch weitsichtigen Unternehmer Prof. Heinkel.
Ab Mitte der 1930er Jahre hatte unabhängig von den Arbeiten in England Dr. Hans
Pabst von Ohain in Deutschland Arbeiten an einem, dem Whittle-Triebwerk ähnlichen
Gasturbinen-Flugtriebwerk begonnen, das als Prototyp ab 1936 in Verbindung mit den
Heinkel-Flugzeug-Werken gebaut wurde (Abb. 1.6-2). Ab 1936 bis 1945 war Dr. von
Ohain Entwicklungsleiter für Strahltriebwerke bei der Firma Heinkel in Rostock und
Zuffenhausen. Ein Triebwerk absolvierte die Erstläufe im Jahr 1937, wobei anfänglich
als Brennstoff Wasserstoff eingesetzt wurde. Dieses Heinkel-Triebwerk HeS3 mit einem
Schub von etwa 4,9 N (490 daN) flog anschließend im August 1939 im ersten „Düsen-
flugzeug“ der Welt, der Heinkel He 178.
Im Jahre 1936 hatte auch Herbert Wagner, der Leiter der Junkers Flugzeugentwick-
lung in Dessau mit solchen Arbeiten an Strahltriebwerken im Junkers-Werk in Magde-
burg begonnen. Während von Ohains und Whittles Triebwerke radiale Komponenten
hatten, war dieses Junkers-Triebwerk erstmals von axialer Bauweise.
Um 1939 bis 1941 wurden die bereits umfangreichen Projekte von Turbotriebwerken
in den verschiedenen deutschen Firmen und Instituten in gemeinsamer Abstimmung
mit dem Reichs-Luftfahrt-Ministerium RLM (H. Schelp) analysiert und die Schwer-
punkte der weiteren Entwicklungen vorgegeben. Nach den bisher gewonnenen Erfah-
rungen in Deutschland wurde nun besonders die mehrstufige axiale Bauweisen der
Verdichter und Turbinen von den Auftraggebern gewählt und vorgegeben. Dies war eine
für die Zukunft der Luftfahrt weltweit wichtigsten Entscheidungen und verschaffte den
deutschen Triebwerksprojekten einen Technologievorsprung.
Neben den weiteren Projekten bei Heinkel und Daimler-Benz (Prof. Karl Leist) mit
Mantelstrom- bzw. Bypass-Triebwerken standen bei Junkers und BMW die Einstrom-
Einwellen-Turbojet-Triebwerke Jumo 004 und BMW 003 in axialer Bauweise im
Mittelpunkt.
In den Junkers Flugzeugwerken in Dessau wurde ab 1939 unter der Leitung von
Dr. Anselm Franz mit der Entwicklung eines bald serienreifen Turbostrahltriebwerks,
dem Jumo 004 begonnen (Abb. 1.6-3). Der Prototyp wurde erstmals 1940 getestet und
bereits im Jahr 1942, eingebaut in ein Flugzeug von Messerschmitt, geflogen. Beson-
ders unterstützt wurden die Arbeiten am Jumo 004 durch die Zusammenarbeit mit
40 1 Einleitung
Erste Serien-Turbojet-Triebwerke
Ebene
0 1 2 3 4 5 6 7 8/9
Ebene
0 1 2 3 4 5 7 8/9
ATAR-101 V SNECMA Turbojet EIS 1949
Weiterentwicklung von Triebwerk BMW 003 FN = 22,2 kN
= 4,5
Tt4 = 1050 K
Ebene
0 1 2 3 4 5 7 8/9
Ebene
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
In seinem Aufbau hatte das Jumo 004-Triebwerk bereits große Ähnlichkeit mit
Strahltriebwerken der später folgenden Generationen (Abb. 1.3-1 und 1.3-2). Es besaß
einen achtstufigen Axialverdichter, Einzelbrennkammern, eine einstufige Axialturbine
und eine mit verschiebbarer Düsennadel verstellbare Schubdüse, welche für die Einfüh-
rung eines Nachbrenners konstruiert und später auch ausgestattet war.
Von Anfang an war in Deutschland für die Turbinen die Einführung luftgekühlter
Hohlschaufeln geplant und später bei den Serientriebwerken auch ausgeführt. Erfahrun-
gen mit der Schaufelkühlung von Turboladern lagen bei der DVL und BMW vor.
Für das zweistrahlige Flugzeug Messerschmitt Me 262 (Geschwindigkeit von über
850 km/h) wurden in Großserienproduktion bis zum Kriegsende 1945 über 1.400 Stück
hergestellt.
Das Junkers Jumo 004-Triebwerk war auch das erste in Großserie gefertigte und auf
breiter Basis angewandte Turboluftstrahltriebwerk der Welt. Es war als Axial-Turbojet-
Triebwerk in einer Konzeption, die später über Jahrzehnte ebenso wie das BMW 003
Vorbild als Standard-Kerntriebwerk (Gasgenerator) in der Entwicklung verschiedener
Bauweisen wurde.
Neben Dr. A. Franz ist auch Dr. Hermann Oestrich zu den Pionieren der Technik
von Turbostrahltriebwerken zu zählen. Er entwickelte in Deutschland mit seinem Inge-
nieurteam bei BMW das ab 1944 in Serie gebaute Strahltriebwerk BMW 003. Leitende
Ingenieure in der Entwicklungsmannschaft von Dr. Oestrich waren von Anfang an Dr.
Hermann Hagen als leitender Oberingenieur und Dr. H.G. Münzberg mit dem Bereich
von Vorprojekt und Thermodynamik.
Das Turbojet-Triebwerk BMW 003 hatte anfänglich einen siebenstufigen Axial-Tur-
boverdichter, eine Ring-Brennkammer, eine gekühlte Axial-Turbine und eine verstell-
bare Schubdüse. Erstlauf und Erstflug mit einem Standschub von 7,8 kN (etwa 800 kp)
auf einer Me 262 fand bereits erfolgreich 1941 statt. Der Schub wurde später auf etwa 8
bis 9 kN gesteigert und das Triebwerk ab 1944 in Serie gebaut und im „Volksjäger“ der
Heinkel He162 und der ARADO Ar234C eingesetzt.
Das Triebwerk HeS 011 unter der Regie von Dr. Papst von Ohain in der Firma Hein-
kel entwickelt, lief im Jahr 1945 bereits mit dem beachtlichen Schub von etwa 12,7 kN
(1300 kp) und war damals wohl das stärkste Turbojet-Triebwerk der Welt.
Weiterhin befanden sich bei Daimler Benz in Stuttgart, bei BMW und bei Hein-
kel auch die ersten Bypass- und Propeller-Turbotriebwerke in der Entwicklung und
Erprobung.
Hinweise zu den weiteren Triebwerks-Projekten in Deutschland sind in [Lei63B] dem
zusammenfassenden Werk von Gersdorff, Grassmann und Schubert [Ger95B] gegeben.
In Großbritannien wurde auf der Basis der ersten Whittle-Triebwerke das Trieb-
werk Rolls-Royce Welland entwickelt, das etwa 7.6 kN Schub abgab. Dieses Triebwerk
wurde anfangs in der Gloster Meteor verwendet. Eine weiter leistungsgesteigerte Vari-
ante war die Rolls-Royce Derwent, die ebenfalls im Strahlflugzeug Meteor ihren Einsatz
fand. Diese beiden Triebwerke waren die einzigen auf britischer Seite, die für Kampf-
flugzeuge eingesetzt wurden. Auf diesem Triebwerkskonzept mit 1- und 2-flutigem
1.6 Historie und Entwicklungstendenzen 43
Airbus A320neo
Gulfstream 550
Unter der Regie der russischen Verwaltung in Ostdeutschland wurden 1945 beson-
ders im Bereich von Staßfurt zahlreiche Triebwerksspezialisten von BMW und Junkers
in Dessau ohne besondere Arbeitsverträge versammelt. Sie mußten die Entwickungen
der BMW- und Junkers-Turbotriebwerke fortsetzen.
1.6 Historie und Entwicklungstendenzen 45
Während einer nächtliche Deportation im Oktober 1946 wurden damals etwa 600
deutsche Ingenieure und Techniker zusammen mit den ganzen Werkseinrichtungen
nach Russland verschleppt, um dort bis zu fast einem Jahrzehnt verbleibend am Aufbau
einer russischen Triebwerks-Industrie tätig zu werden. Das Triebwerk Jumo 004 zum
Beispiel wurde in Samara als RD-10 zur Serie entwickelt und in großen Stückzahlen im
Jäger Yak-15 geflogen. Das BMW003-Triebwerk wurde in Kazan gebaut und ab 1946 als
RD-20 im Jäger Mig-9 geflogen.
Große Beachtung fand in Fachkreisen das 8800 kW (12000 PS) starke russische
Turboprop-Triebwerk NK 12 mit gegenläufigen Propellern, das aus deutschen Vorent-
wicklungen stammend noch bis über das Jahr 2000 hinaus in zahlreichen zivilen und
militärischen russischen Großflugzeugen eingesetzt wurde (u. a. Tu-95, Tu-114, An-22).
Beim Vergleich der ersten Turboflugtriebwerke in der Gegenüberstellung von
Abb. 1.6-3 mit den Darstellungen der wichtigsten modernen Triebwerks-Gruppen nach
den Abb. 1.3-1, 1.3-2 und 1.3-3 wird deutlich, wie die Axial-Bauweise der ersten Turbo-
jet-Triebwerke der 1940er Jahre weltweit Vorbild und häufig auch Ausgangsbasis für die
Kerntriebwerke (core engine) fast aller späteren erfolgreichen Konfigurationen von Tur-
bojet- und Turbofan-Flugtriebwerken wurden.
In der Nachfolge der früheren deutschen Triebwerksindustrie mit hauptsächlich den
Firmen Junkers, BMW und Daimler-Benz gingen bis zur Jahrhundertwende um das
Jahr 2000 zwei Triebwerkshersteller hervor: Dies ist Firma MTU Aero Engines AG in
München als größter deutscher Triebwerksproduzent ausgehend von BMW, MAN und
Daimler-Benz (Abb. 1.6-4).
Ausgehend von der Automobilfirma BMW AG wurde 1990 unter der technischen
Leitung von Prof. Dr.-Ing. Günter Kappler mit der Firma Rolls-Royce plc die Firma
BMW Rolls-Royce gegründet. Ab dem Jahr 2000 wurde diese von Rolls-Royce plc allein
übernommen als Fa. Rolls-Royce Deutschland GmbH mit Sitz in Berlin-Dahlewitz.
Schwerpunkt dieser Firma ist die Turbofan-Triebwerksfamilie BR700, 715 und 725.
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Arbeitsprozesse von Gasturbinen
und Flugtriebwerken 2
In diesem Abschnitt wird die Strömung kompressibler Fluide mit und ohne Energie-
zufuhr auszugsweise behandelt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Beschreibung der
sub- und supersonischen kompressiblen Gasströmung. Diese Beschreibung kann im
Wesentlichen mit den Beziehungen des idealen Gases erfolgen [Sha53K, Zie76B, Alb78K,
And90B, Sig91B, And91B, And95B].
2.1.1.1 Kontinuitätsgleichung
Mittels der Kontinuitätsgleichung wird für eine Stromröhre der Erhaltungssatz der
Masse formuliert. Für einen von einem Fluid stationär kontinuierlich durchflossenen
Kontrollraum mit den Querschnittsflächen A1 und A2 gilt gemäß Abb. 2.1-1
ṁ = const = ρ c A = ρ V̇ (2.1-1b)
bzw. in differentieller Form
dρ dc dA
+ + = 0. (2.1-1c)
ρ c A
Hieraus leitet sich die in der Gasdynamik häufig verwendete Größe der Massenstrom-
dichte ab mit ṁ/A = ρ c. Sie bezeichnet die Masse, die pro Zeiteinheit durch die Quer-
schnittsfläche A strömt.
1 2
p2
p1
c1 c2
T 1 T 2
1 2
m1
m2
A 1
A 2
2.1.1.2 Energiesatz
Neben der Kontinuitätsgleichung und dem Impulssatz (Abschn. 2.1.1.3) besitzt in der
Thermogasdynamik der Energiesatz für offene Strömungssysteme eine besondere
Bedeutung. Der Kontrollraum nach Abb. 2.1-2, der schematisch zum Beispiel einer
beliebigen Wärmekraftmaschine entsprechen könnte, wird von einem Fluid durch-
strömt, dem in verschiedener Art Energie zu- oder abgeführt werden kann. In der Quer-
schnittsebene A1 fließt ein Massenstrom ṁ1 mit den dort angegebenen Zustandsgrößen
ein, dem anschließend durch die Kontrollraum-Mantelflächen pro Zeiteinheit eine Wär-
mestrom Q̇ und eine technische Arbeit pro Zeiteinheit Ẇ zu- oder abgeführt wird. In
Ebene A2 verläßt ein Massenstrom ṁ2 den Kontrollraum.
Mit dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik in der Form für stationär durchströmte
Systeme kann folgende Leistungsbilanz in allgemeiner Form aufgestellt werden
c2
d
ṁi u + p v + + gz + Q̇ + Ẇ = mi u + ekin + epot .
2 dt
(2.1-2)
Für eine stationäre Strömung, d. h. bei einem kontinuierlich durchströmten Kontroll-
raum mit konstantem Massenstrom
1 Q = mq
A1
E zu
c1
Kontrollraum Eab
m1
p1 PW
2
T1
1, v1, u1, A2
c2
m2
z1 p2
T2
2, v2, u2,
z2
Bei gasförmigen Fluiden kann die potentielle Energie epot = g z vernachlässigt werden,
sodass der Energiesatz für stationär betrachtete Systeme lautet
c21 c22
ṁ1 u1 + p1 v1 + + Q̇ + Ẇ = ṁ2 u2 + p2 v2 + . (2.1-3a)
2 2
Diese Bilanz schließt die reibungsbehaftete Strömung mit ein. Im Einzelnen bedeuten
als spezifische Größen u die innere Energie, p v (Produkt von Druck und spezifischem
Volumen) die sogenannte Volumen-Änderungsarbeit oder Verdrängungs- bzw. Ver-
schiebearbeit, c2/2 die kinetische Energie und g z die potentielle Energie, die hier bei
thermischen Turbomaschinen vernachlässigt werden kann.
Mit der spezifischen Enthalpie h = u + pv und der auf den Massenstrom
ṁ = ṁ1 = ṁ2 bezogenen spezifischen Leistung PW /ṁ, beziehungsweise spezifischen
Arbeit w = Ẇ/ṁ, sowie der spezifischen Wärmeenergie q = Q̇/ṁ, erhält der Energie-
satz die Form
c21 c2
h1 + + q + w = h2 + 2 . (2.1-3b)
2 2
Für einen differentiellen Abstand zwischen Zu- und Abströmquerschnitt gilt der Ener-
giesatz in der allgemeinen Form
dq + dw = dh + c dc· (2.1-3c)
56 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Impulssatz-Kontrollfläche AK Impulskraft
FI = ∫ c (c ⋅ dA ) = ∫ c dm = ∫ c c n dA
A A A
dA
p c
dA
dA
AK cn
c
dA
Skalar-Produkt
( c ⋅ dA ) = c cos dA
Mit dem Enthalpiedifferential dh = v dp + T ds ergibt sich daraus mit dem spezifischen
Volumen v = 1/ρ
1
dq + dw = c dc + dp + T ds· (2.1-3d)
ρ
2.1.1.3 Impulssatz
Nach dem Newtonschen Axiom gilt die Beziehung für den Kraft-Vektor
Nach dem Newtonschen Grundgesetz wird verlangt, dass zwischen der Impulsände-
rung des Fluids und der Summe aller angreifenden Kräfte Fi ein Gleichgewicht besteht
d�I
(2.1-5)
= F� I = F� .
dt
Das heißt, der durch die Öffnungen eines abgegrenzten Kontrollraumes pro Zeiteinheit ein-
und austretende Impulsstrom ist mit den auf den Strömungsraum wirkenden äußeren Kräften
F i im Gleichgewicht. Zu beachten ist dabei, dass der austretende Impuls negativ zu rechnen ist.
Für den Bereich A einer Kontrollfläche (Abb. 2.1-3) ist über eine Integration die auf-
tretende Impulskraft F I vektoriell zu bestimmen
� = �c dṁ = �c ρ cn dA,
F� I = �c ρ(�c · dA)
(2.1-6)
A A A
Zusammengefasst lässt sich für stationäre Fluidströme nach Festlegung einen Kontroll-
raums schreiben
F� I = �c ṁ = F� i = F� P + F� S + F� K · (2.1-7)
Die Stützkraft F s wirkt von der Mantelfläche O des Kontrollraumes auf das Fluid und
setzt sich aus Druck- und Schubkräften gemäß einem Spannungsvektor s zusammen
F� S = �s dO· (2.1-9)
O
Die Volumenkraft F K entsteht durch aufgeprägte Kraftfelder wie zum Beispiel das Erd-
Schwerefeld mit der Beschleunigung g. Bei den hier zu betrachtenden Fluidströmen von
Luft und Heißgasen kann diese Kraft vernachlässigt werden.
Die gesamte zeitliche Impulsänderung eines Fluids im Kontrollraum ergibt sich durch
Integration über den definierten Kontrollbereich. Diese Integration bei Fluiden entspricht
dem physikalischen Prinzip von „actio und reactio“, so dass sich die Kraftwirkungen inner-
halb des Kontrollraumes aufheben. Es verbleiben nur die Kraftwirkungen an der Ober-
flächenberandung des betrachteten Bereiches. Dabei wirken immer alle Kräfte auf den
Kontrollraum zu. Am Eintritt des Fluidstroms wirken Aktionskräfte und am Austritt Reak-
tionskräfte. Um das Kräftegleichgewicht zu erfüllen, müssen die auf den Kontrollraum
gerichteten Wandkräfte beachtet werden. Der Impulsstrom lässt sich allgemein darstellen
dm
F� I = �c = �c ṁ (2.1-11)
dt
und schließlich für den Impulssatz der Fluid-Mechanik
F� = F� I = (�c ṁ). (2.1-12)
Momente
1 ∑M = 0
A1 FR′ = FH
Kontrollraum
FI1 FP 1
2
c1
A2
p1
Impulssatz 1 FP 2
FI = Fa p2 c2
FP 2 = p 2 A1 2
FI 2
FR = − FR′
y FI 2 = m2 A 2
FR′ = FH
x FI1 = m1 A1 FP 1 = p1 A1
Abb. 2.1-4 Impulssatz der Fluidmechanik angewandt auf eine gekrümmte Stromröhre. Die resul-
tierende Kraft F′R = FH ist die von der Wandung auf das Fluid ausgeübte Kraft (Halte- oder Stütz-
kraft). Nach dem Prinzip „actio = reactio“ bewirkt das Fluid eine gleich große entgegengesetzte
Kraft FR auf die Wand aus
Der Impulssatz wird in diesem Zusammenhang nur auf eine stationäre Strömung
angewandt. Aus Gründen der Kontinuität muss die einströmende Masse ṁ1 genauso
groß sein wie die ausfließende Masse ṁ2.
Da es sich ferner bei dem hier betrachteten Fluid um ein inkompressibles Fluid han-
delt, lässt sich die Masse durch das Volumen und die Dichte ausdrücken.
Wird eine gerader, koaxialer Kontrollraum zwischen den Querschnittsflächen A1 und
A2 betrachtet bei dem F’R, die resultierende aller Kräfte in Strömungsrichtung kenn-
zeichnet, so lautet die Gleichung für den Impulssatz
c21 c2
h1 + = h2 + 2 = const. (2.1-17)
2 2
Der isentrope Strömungsvorgang des kompressiblen Fluids im h-s-Diagramm ist in
Abb. 2.1-6a dargestellt. Zu der Enthalpie h wird die kinetische Energie c2/2 addiert, so
dass ein Gesamtenergieniveau bzw. eine Totalenthalpie in der Ebene 1 und 2 gemäß
c21 c2
ht1 = h1 + = ht2 = h2 + 2 = const (2.1-18)
2 2
erreicht wird. Wegen der als adiabat angenommenen Strömung bleibt das Totalenergie-
niveau im Strömungskanal konstant, das heißt ht1 = ht2 = const.
Die lokal in der Strömung vorliegenden Zustandsgrößen (feststellbar durch in der
Strömung „itschwimmende“ Messgeräte) wie der Druck p und die Temperatur T sowie
die Enthalpie h werden gegenüber den Totalzustandsgrößen wie pt, Tt und ht als sta-
tische Zustandsgrößen bezeichnet. Ist die Geschwindigkeit c = 0, so sind demnach die
statischen Zustandsgrößen gleich den Totalzustandsgrößen, die früher auch als „Ruhe-
bzw. Kesselzustandsgrößen“ bezeichnet wurden.
Wie in Abb. 2.1-6b gezeigt ist, gilt allgemein in irgendeiner Strömungsquerschnittsebene für
die Totalenthalpie einer Strömung ht = h + c2/2, wobei die kinetische Energie c2/2 die Enthal-
piedifferenz zwischen der Totalenthalpie ht und der statischen Enthalpie h kennzeichnet.
Den Zusammenhang zwischen dem statischen Zustand und dem Totalzustand lässt
sich über die Isentropenbeziehungen finden
κ−1
Tt pt κ
= . (2.1-19)
T p
Für die Strömung eines kompressiblen Fluids ist die Schallgeschwindigkeit a eine wich-
tige Kenngröße. Sie kennzeichnet die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer schwachen Stö-
rung in Form von Druckwellen und lautet für ideale Gase
p √
dp
a= = κ = κ R T. (2.1-20)
dρ ρ
2.1 Elementare gasdynamische Grundlagen 61
(a) (b)
Strömungskanal adiabat
Strömung isentrop angenommen
1 2 *
c=0
pt T t
m c1>0 m c2>0 m c >0 m c*=a*
p1 T1 p2 T 2 p T p* T*
Zustand
kritisch *
Diffusor: Total- bzw. Ruhe-Zustand Düse:
Strömung verzögert c= 0 Strömung beschleunigt
c2< c1 c*=a*> c
Kompression: p2 > p1 Expansion: p*< p
c 22 c2
c12 2 2
(c *)2
2 2 p
p2
h
h2 M<1
T
T2
h h
h1 T1
h* T*
M=1=M*
p1
p* M>1
s s
Abb. 2.1-6 a, b Isentrope, eindimensionale Strömung, a für den Bereich zwischen den Strömungs-
ebenen 1 und 2 (Diffusorströmung), b für die Strömungsebene an einer beliebigen Stelle sowie an
der Stelle mit einer Strömungsgeschwindigkeit c*, die gleich der lokalen Schallgeschwindigkeit a* ist
In den folgenden Ableitungen wird vereinfacht ein ideales Gas mit konstanten spezifi-
schen Wärmekapazitäten cp und cv vorausgesetzt. Bei Rechnungen mit großen Tempera-
tur- oder Druckänderungen sollten allerdings cp, cv und der Isentropenexponent κ = cp/cv
als Mittelwerte zwischen den zu betrachtenden Zustandsänderungen verwendet werden.
Für einen lokalen Strömungszustand ergibt sich mit der kinetischen Energie
c2
T
wc = = cp (Tt − T) = cp Tt 1 − (2.1-22)
2 Tt
sowie der spezifischen Wärme cp = κ R/(κ − 1) und der Mach-Zahl-Beziehung M2 = c2/
(κ R T) das Temperaturverhältnis
Tt κ−1 2
= 1+ M , (2.1-23)
T 2
mit der Gl. (2.1-19) die Beziehung
κ−1
c2
κ p κ
wc = = R Tt 1 − (2.1-24)
2 κ−1 pt
κ
pt κ−1 2 κ−1
= 1+ M (2.1-25)
p 2
1
ρt κ−1 2 κ−1
= 1+ M . (2.1-26)
ρ 2
Für die Massenstromdichte (ṁ/A = ρ c) ergibt sich mit der Mach-Zahl und den
Gl. (2.1-23) und (2.1-25)
ṁ κ pt M
= √ κ+1 .
A R Tt κ−1 2
2(κ−1) (2.1-27)
1+ M
2
Mit den bisher gefundenen allgemeinen Beziehungen können nun zusammengefasst die
Beziehungen der jeweiligen Strömungsgrößen für zwei beliebige Kanalquerschnitte 1
und 2 direkt angeben, wie in Abb. 2.1-7 gezeigt wird.
Ein besonderer Zustand bei einem kompressiblen Strömungsvorgang ist dann gege-
ben, wenn die Mach-Zahl M = c/a = 1, die Strömungsgeschwindigkeit c also gleich der
Schallgeschwindigkeit a ist. Dieser Zustand wird als kritischer Zustand oder Laval-
Zustand bezeichnet. Seine Größen werden hier mit einem Stern * gekennzeichnet. Bei
vorgegebener Totaltemperatur Tt bleibt die Laval-Geschwindigkeit
2.1 Elementare gasdynamische Grundlagen 63
−1 2 T +1
T2 1 + 2 M1 =
= T* −1 2
T1 1 + − 1 M 2 21 + M
2 2
2
−1 2 −1 −1
p 2 1 + 2 M1 p +1
= =
p1 1 + − 1 M 2 p *
−1 2
2 2
1 + M
2 2
1 1
−1 2 2 2
c 2 M 2 1 + 2 M1 c +1
= = M
c1 M1 1 + − 1 M 2 c *
−1 2
2 2
1 + M
2 2
1 1
−1 2 −1 −1 2 -1
v2 1+ M2
v * 21 + 2 M
= 2
= 2 = =
v1 1+ −1 M2 v* +1
1 1
2
+1 +1
− 1 2 2( −1) − 1 2 2( -1)
21 + M
A 2 M1 1 + 2 M 2 A 1 2
= =
A1 M 2 1 + − 1 M 2 A* M +1
1
2
√
2κ
a* = κ R T*= R Tt (2.1-28a)
κ+1
konstant. Sie eignet sich deshalb als Bezugsgeschwindigkeit und wird in der Form der
kritischen Mach-Zahl M*- auch Laval-Zahl La genannt – oft verwendet
c a
M∗ = = M ∗. (2.1-28b)
a∗ a
Die Abhängigkeit der lokalen Mach-Zahl M und der kritischen Mach-Zahl M* vom
Druckverhältnis ist in Abb. 2.1-8 aufgetragen.
Werden die Gaszustände an einer beliebigen Stelle eines Strömungskanals auf die jeweili-
gen kritischen Zustandsgrößen bezogen, dann ergeben sich die in Abb. 2.1-7 aufgezeigten
Beziehungen. Abbildung 2.1-9 zeigt für die Isentropenexponenten κ = 1,4; 1,3 und 1,2 = const
einige Strömungsbeziehungen der isentropen eindimensionalen Strömung eines idealen Gases.
In wichtigen Strömungsebenen von Triebwerken liegen häufig aus Arbeitsprozess-
rechnungen die Totalzustände vor. Für die weitere Auslegung der Strömungskanäle,
64 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Abb. 2.1-8 Mach-Zahl M A
und kritische Mach-Zahl A*
M* in Abhängigkeit vom
Druckverhältnis p/pt (Ideales M c M* c=c*=a*
Gas, κ = 1,4) p p* T*
T
*
kritisch
M
M*3,0
Mach-Zahl
2,0
M*
1,0
0
0,1 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
Druckverhältnis p / pt
Abb. 2.1-9 Verhältnis A / A*
einiger Zustandsgrößen in 10,00
Abhängigkeit von der Mach- K=1,2...1,4
Zahl M bei eindimensionaler,
isentroper Strömung. Bereiche 4,00
für Turboverdichter κ = 1,4,
Turbinen κ = 1,3
1,00
0,40
T / Tt
0,10
K=1,2...1,4
0,04
K=1,2...1,4
0,01
0,1 0,2 0,4 1,0 2,0 4,0 10,0
Mach-Zahl M
Auch für Messungen am Triebwerk, bei denen es meist leichter ist die Totalzustände
aufzunehmen, sind die Beziehungen zwischen totalen und statischen Zustandsgrößen
wichtig. Über die Kontinuitäts- und die Zustandsgleichung für ideale Gase ergibt sich für
die Strömungsgeschwindigkeit
ṁ R T
c= . (2.1-29a)
A p
Für die gleiche Massenstromdichte ṁ/A wird analog zu der soeben angegebenen wirkli-
chen Geschwindigkeit c mit Hilfe der Gesamt- bzw. Totalzustandgrößen eine Gesamt-
bzw. Totalgeschwindigkeit cges = ct definiert. Dabei ist zu beachten ist, dass der
Totalzustand durch einen angenommenen isentropen Aufstau der Strömung vom stati-
schen Zustand mit c > 0 bis zum Zustand mit c = 0 gekennzeichnet ist.
Die „Gesamtgeschwindigkeit“ stellt also eine reine Rechenhilfsgröße dar und charak-
terisiert lediglich den Gesamt- bzw. Totalzustand. Es gilt also
ṁ R Tt
cges = ct = (2.1-29b)
A pt
und mit den Gl. (2.1-29a) und (2.1-29b) sowie Gl. (2.1-19)
1
cges ct Tt p p κ
= = = .
c c T pt pt
Die Energiezufuhr in einem Strömungskanal, wie sie zum Beispiel bei Wärmetau-
schern und Verbrennungsprozessen auftritt, kann in den meisten Fällen als reibungs-
freie Strömung nach den Grundbeziehungen der Gasdynamik berechnet werden. Wird
von reibungsfreier, stationärer, eindimensionaler Strömung ausgegangen, auf die keine
äußeren Kräfte wirken sollen, so können die Zustandsänderungen der Strömung nach
Abschn. 2.1.1 mit Hilfe der Kontinuitätsgleichung (Gl. 2.1-1a)
dc dρ dA
+ + = 0, (2.1-31a)
c dx ρ dx A dx
der Impulsgleichung (Gl. 2.1-16)
dc 1 dp
c + =0
dx ρ dx (2.1-31b)
66 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
κ − 1 2 1 dA 1 + κM2 1 dq
1 dM 1
= − 1+ M + , (2.1-33)
M dx 1 − M2 2 A dx 2 cp T dx
κM2
1 dp 1 dA 1 dq
= − , (2.1-34)
p dx 1 − M2 A dx cp T dx
M2 dA
1 dρ 1 1 dq
= − , (2.1-35)
ρ dx 1 − M2 A dx cp T dx
(κ − 1)M2 dA
1 dT 1 2 1 dq
= + 1 − κM . (2.1-36)
T dx 1 − M2 A dx cp T dx
Aus dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik sowie mit konstant angenommener spe-
zifischer Wärmekapazität cp ergibt sich die Total-druckänderung
1 dpt κ 1 dq T
=− 1− . (2.1-37)
pt dx κ−1 cp T dx Tt
2.1.3.1 Gleichdruckverbrennung
Den beiden Differentialgleichungen Gl. (2.1-32) und (2.1-34) kann entnommen werden,
dass bei der Bedingung p = const bzw. dp = 0 eine konstante Strömungsgeschwindigkeit
c = const bzw. dc = 0 folgt. Damit ist die Wärmezufuhr
2.1 Elementare gasdynamische Grundlagen 67
dq = cp dTt = cp T· (2.1-38)
Dies bedeutet weiterhin, dass sich eine Flächenänderung
dA dq
= (2.1-39)
A cp T
ergibt und mit Gl. (2.1-33) und (2.1-36) eine Flächen- bzw. Temperaturänderung
dA dT dM
= = −2 . (2.1-40)
A T M
Mit Gl. (2.1-37) und dem Temperaturverhältnis
Tt κ−1 2
=1+ M
T 2
wird für die Änderung des Gesamtdruckes erhalten
dpt κM
= dM.
pt κ−1 2 (2.1-41)
1+ M
2
Wird wieder eine konstante spezifische Wärmekapazität vorausgesetzt, so ergeben die
Integrationen der obigen Differentialgleichungen für den Bereich zwischen zwei Strö-
mungsquerschnitten aus den Gl. (2.1-39) und (2.1-40)
M1 M1
M2 = =
q
1+ κ−1 2 q (2.1-42a)
cp T1 1+ 1+ M1
2 cp Tt1
oder
2
M1 κ−1 2 q
=1+ 1+ M1 (2.1-42b)
M2 2 cp Tt1
und schließlich
2
A2 T2 M1
= = . (2.1-43)
A1 T1 M2
Bei einer Wärmezufuhr mit konstantem statischemn Druck sinkt die Mach-Zahl also stets
ab. Um bei Überschallströmung die Mach-Zahl M2 = 1 zu erreichen, wird die Wärmezufuhr
M21 − 1
q
= für M2 = 1
cp Tt1 κ−1 2 (2.1-44)
1+ M1
2
68 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
q κ−1κ q κ
κ−1
1+ 1+
pt2 cp Tt1 cp Tt1
= · (2.1-45)
pt1 1 + q
� �
κ−1 2
q
cp T1 1 + 1 + M 1 cp Tt1
2
Tt M2
= 1+(κ−1)
T 2
die Gesamtdruckänderung
1 − M2 M dM
dpt
= −κ . (2.1-48)
pt κ−1 2
1+κ M2 1+
M
2
Bei konstant angenommenem Isentropenexponent innerhalb des Integrationsbereiches
ergibt sich aus Gl. (2.1-46) durch Integration ein Verhältnis der statischen Temperaturen
durch Wärmezufuhr zwischen den Ebenen 1 und 2
2
M2 1+κ M21
T2
= . (2.1-49)
T1 M1 1+κ M22
Mit Gl. (2.1-23) lautet damit die Beziehung für die Totaltemperaturen vor und nach der
Wärmezufuhr (Tt1 und Tt2) in Abhängigkeit von den jeweiligen Mach-Zahlen (M1 und M2)
κ−1 2 κ−1 2
Tt2 T2 1+ 2 M2 1+ 2 M2 M2 1+κ M21
2
= =
κ−1 2 M1 1+κ M22
. (2.1-50)
Tt1 T1 κ−1 2
1+ M1 1+ M1
2 2
2.1 Elementare gasdynamische Grundlagen 69
Die Integration der Gl. (2.1-47) führt zum Verhältnis der statischen Drücke
p2 1+κ M21
= (2.1-51)
p1 1+κ M22
und mit der Beziehung
κ
pt κ−1 2 κ−1
= 1+ M
p 2
oder über die Integration der Gl. (2.1-48) ergibt sich das Totaldruckverhältnis
κ κ
κ − 1 2 κ−1
κ−1 2 κ−1
pt2 p 1+ M 2 2
1 + κ M1 1+ M 2
= 2 2 = 2 . (2.1-52)
pt1 p1 κ − 1 2
1 + κ M2 1+
κ−1
1+ M21 M21
2 2
M2 2 1+κ M21
c2
= . (2.1-53)
c1 M1 1+κ M22
Die Wärmezufuhr bezogen auf die Anfangstemperatur Tt1 ist
q Tt2
= −1 (2.1-54)
cp Tt1 Tt1
Mit dem Gesamttemperaturverhältnis nach Gl. (2.1-50) lautet die maximale Wärmezu-
fuhr bis zur End-Mach-Zahl M2 = 1
2
M21 −1
qmax
= .
(2.1-55)
cp Tt1 κ−1 2
2 (κ+1) M21 1+ M1
2
Wird der Verlauf der Zustandsgrößen nach den oben erhaltenen Beziehungen für eine
bestimmte Massenstromdichte ṁ/A = const in einem h-s-Diagramm aufgetragen, zeigt
sich für die statischen Zustandsgrößen ein typischer Kurvenverlauf, der allgemein als
Rayleigh-Linie bekannt ist. Diese kennzeichnet den Zustandsverlauf einer reibungs-
freien, zylindrischen Rohrströmung mit stetiger Wärmezu- oder -abfuhr und unverän-
dert bleibenden Zuströmbedingungen (Abb. 2.1-10).
Für praktische Rechnungen und übersichtliche Darstellungen ist es sinnvoll,
die Beziehungen für den Verlauf der Zustandsgrößen auf einen hervorgehobenen
70 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
2
är
pt2 pB 0,40
W
-q Tt2 TB B pA T / TA
0,20 T / TA
T p / pA
pt1 c 22 A A
2 MA=1 0,10 Tt / TtA
Tt1 T2
c12 p2 <1
1
M>
2 T1 ll M 0.04
ha
ll
ha
p1 r sc
sc
e =1,4
nt 0.02 K
er
h U
Üb
0.01
0,04 0,10 0,20 0,40 1,00 2,00
Rayleigh-Linie
s Mach-Zahl M
Strömungszustand zu beziehen. Hierzu eignet sich als Bezugswert, wie in der Gas-
dynamik häufig üblich, der Zustand mit der Mach-Zahl M = 1. Für ihn sind bei einer
bestimmten Massenstromdichte beziehungsweise einem gegebenen Anfangszustand die
Strömungsgrößen festgelegt. Sie entsprechen dem Punkt A auf der Rayleigh-Linie in
Abb. 2.1-10, der durch den maximalen Entropiewert charakterisiert ist.
In die Strömungsbeziehungen der Gl. (2.1-49) bis (2.1-53) kann nun der Index A für
den Punkt 2 eingeführt werden. Für den Punkt 1 vor der Zustandsänderung wird nun
kein Index mehr verwendet.
Für die statische Temperatur gilt
T (1+κ)2
= M2 2 , (2.1-56)
TA 1+κ M2
0,20
∆p t ∆p t = p t 1 − p t 2 0,22 M1=0,20 1,0
Tt = Tt 2 − Tt1 0,26 0,24 0,9 M2
p t1 0,30
0,28 0,8
K=1,3
0,34 0,7
Mach-Zahl
Druckabfall
0,15
0,40 0,18
0,6
M1=
0,50 0,16
0,10 0,5
0,14
0,4
0,12
0,05
0,10 0,3
0,08
0,2
Mach-Zahl M1
0
0 1 2 3 4 5 6
Wärmezufuhr bei A1=A2=const ( =const) Tt Tt 2 − Tt1
=
Tt1 T1
p (1+κ)
= , (2.1-58)
pA 1+κ M2
für den Totaldruck
� � κ
κ−1 2 κ−1
2 1+ M
pt 1+κ 2
= , (2.1-59)
ptA 1+κ M2 κ+1
Den Verlauf der Zustandsgrößen nach den Gl. (2.1-56) bis (2.70) zeigt Abb. 2.1-11.
Werden die Strömungszustände bei Unterschallgeschwindigkeiten (M < 1) betrachtet,
die dem oberen Ast der Rayleigh-Linie entsprechen, kann festgestellt werden, dass durch
Wärmezufuhr, das heißt durch steigende Totaltemperatur, die Mach-Zahl ebenfalls bis
zum Punkt A mit dem Wert M = MA = 1 ansteigen kann.
Für diesen Grenzwert gilt, dass die Strömungsgeschwindigkeit unmittelbar hinter dem Auf-
heizgebiet gleich der dortigen Schallgeschwindigkeit ist. Durch weitere Wärmezufuhr reagiert
die Strömung über einen instationären Vorgang wie bei einer Verengung des Strömungsquer-
schnitts. Diese thermische Drosselung oder Verstopfung bewirkt eine Änderung der Aus-
gangszustände, insbesondere eine Verringerung des Massenstroms ṁ. Mit der nun geänderten
72 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Massenstromdichte ist die ursprüngliche Rayleigh-Linie nicht mehr für den neuen Zustands-
verlauf gültig, sie entspricht einer neuen, im h-s-Diagramm verschobenen Rayleigh-Linie.
Die maximale statische Temperatur wird im Punkt B der Rayleigh-Linie erreicht. Die
√
Temperaturänderung in B ist dT = 0 und damit die Mach-Zahl MB = 1/ κ. Bei weite-
rer Wärmezufuhr über B hinaus fällt die statische Temperatur wieder ab, wogegen die
Gesamttemperatur steigt, bis für die vorliegende Rayleigh-Linie die maximale Wärmezu-
fuhr bei A mit MA = 1 erreicht ist.
Im Falle der Wärmezufuhr bei einer Überschallströmung (M > 1) ist der untere Ast
der Rayleigh-Linie maßgebend. Dem Verlauf der Zustandsgrößen ist zu entnehmen, dass
mit Wärmezufuhr d. h. bei steigender Totaltemperatur die Mach-Zahl M fällt, bis der
Punkt A mit MA = 1 beziehungsweise maximaler Entropie erreicht ist. Bei gleichbleiben-
der Massenstromdichte ṁ/A, die für eine Rayleigh-Linie vorausgesetzt ist, wird damit
auch die maximale Wärmezufuhr erzielt.
Wird weiter Wärme zugeführt, so bildet sich ein Verdichtungsstoß vor der Auf-
heizzone aus. Die Strömungsgeschwindigkeit wird auf Unterschallgeschwindigkeit
gebracht (entsprechend einem Punkt auf dem Unterschallast der Rayleigh-Linie), die
dann für den Bereich der Wärmezufuhr maßgebend ist. Der Verdichtungsstoß wird
stromaufwärts abgedrängt und verursacht schließlich im gesamten Strömungskanal
Unterschallströmung beziehungsweise geänderte Anfangswerte, so dass die betreffende
Rayleigh-Linie mit ṁ/A keine Gültigkeit mehr besitzt. Bemerkenswert für Unterschall-
und Überschallwärmezufuhr ist der jeweilige Abfall des Gesamtdruckes.
Treten bei einer Überschallströmung starke Störungen als Rand- oder Anfangsbedingungen
auf, so bilden sich Unstetigkeitsfronten aus, die durch sprungartige Änderungen der Strö-
mungsgrößen gekennzeichnet sind. Liegt eine ebene Unstetigkeitsfront vor, die senkrecht
zu den sie passierenden Stromlinien steht, wird von einem senkrechten Verdichtungsstoß
gesprochen (später in Abb. 2.1-14 und 2.1-15). Schiefe, ebene und rotationssymmetrische
Stoßfronten werden in Abschn. 2.1.5 dargestellt und erläutert. Zur Ableitung der gasdy-
namischen Beziehungen des senkrechten Verdichtungsstoßes kann von einer Stromröhre
konstanten Querschnitts ausgegangen werden, in der durch eine stationäre Stoßfront die
Überschallgeschwindigkeit in Unterschallgeschwindigkeit überführt wird (Abb. 2.1-12).
Die Erhaltungssätze der Fluidmechanik liefern die Ausgangsbeziehungen der Stoßbe-
rechnung. Es gilt neben der Impulsgleichung die Energiegleichung
c21 c2
h1 + = h2 + 2
2 2
und die Kontinuitätsgleichung
ṁ c1 c2
= ρ1 c1 = ρ2 c2 bzw. = .
A v1 v2
2.1 Elementare gasdynamische Grundlagen 73
1 2
pt1 pt2
ht1 Tt1 Tt2 ht2=ht1
c1 M1 c2 M2<M1 c 22
p2
p1 T1 p2 T2 2 T2
1 2 h2
p*
Stoßfront
sstoß
c12 T*
h*
Zustandsgrößen 2 M=1
htung
ht1 Tt1 ht2 Tt2 M*=1
ic
pt1 T2
Verd
T1 pt2 h M >1
c1 p2
h1 T1 p1
p1
c2
Fanno-Linie
Wird zunächst nur die Energie- und Kontinuitätsgleichung unter Berücksichtigung der
Zustandsgleichung für ideale Gase betrachtet
p2 ρ2 T2
= ,
p1 ρ1 T1
so führt dies für eine bestimmte Massenstromdichte ṁ/A und den bekannten Strö-
mungsdaten vor der Stoßfront zu einem Kurvenverlauf der statischen Zustandsgrö-
ßen im h-s-Diagramm, der in der Gasdynamik als sogenannte Fanno-Linie bekannt ist
(Abb. 2.1-12, rechts). Dieser Kurvenverlauf entspricht demnach auch den Zustandsän-
derungen, die bei einer reibungsbehafteten Strömung im zylindrischen Kanal auftreten,
wobei die Reibung als eine Art innere Wärmezufuhr aufgefasst werden kann.
Deshalb kann die Fanno-Linie immer nur in Richtung steigender Entropie durchlau-
fen werden.
Die Tendenz der Fanno-Kurve ist mit der Rayleigh-Linie (Abschn. 2.1.3.2) vergleich-
bar. Es treten ein Unterschallast (M < 1), ein kritischer Punkt (Index * M = M*= 1)
und ein Überschallast (M > 1) auf. Die Totalenthalpie bleibt dagegen konstant
(ht1 = ht2 = ht = const).
Wie bei der Rayleigh-Linie werden die Zustandswerte wieder auf die Daten des kriti-
schen Punktes bezogen, sodass folgende Beziehungen erhalten werden (Tab. 2.1-1)
1
2
p 1 κ+1
(2.1-61a)
= � ,
�
∗
p M κ−1
2 1+ M2
2
74 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
κ−1 2
T2 1+ M1
(κ − 1)M21 + 2 2κ M21 + 1 − κ
= 2 =
T1 κ−1 2 (κ + 1)2 M21
1+ M2
2
1
κ−1
pt 2 p p p 1
= 2 t2 1 =
� �κ � �
pt 1 p1 p2 pt 1 κ−1 2 2κ κ−1
+ 2 M21 −
κ + 1 (κ + 1)M1 κ+1 κ+1
2
M21 +
M22 = κ−1
2κ
M2 − 1
κ−1 1
1
s2 − s 1 2 κ−1 2κ κ − 1 κ
= In + M21 −
cp (κ + 1)M21 κ+1 κ+1 κ+1
T κ+1
= ,
T* κ−1 2 (2.1-61b)
2 1+ M
2
κ+1
pt 1 2 κ−1 2 2(κ−1)
= 1+ M . (2.1-61c)
pt ∗ M κ+1 2
Stoßfront
nt
fro
oß
St
c2
c2
-
c1 c2t c1n c2t
c2n
c1t c2n
c1n c1t
c1
Verdichtungsstöße
M = const Eben (Keil)
(a)
=
M M2
=0
M1
(b)
M
Konisch (Kegel)
(c)
M
M2
M1
(d)
M
dem Totaldruckverhältnis
1
κ−1
pt2 1
= �
�κ �
� (2.1-64)
pt1 κ−1 2 2κ 2 2 κ−1
+ M sin ϕ−
κ+1 (κ+1)M21 sin2 ϕ κ+1 1 κ+1
Verdichtungsstöße
Winkel- oder Zustandsgrößen sind verschieden. Insbesondere ist bei gleichem Keil- oder
Kegelwinkel δ der Neigungswinkel der Kegelstoßfront ϕ kleiner als der des Keilstoßes,
die Intensität des Kegelstoßes also geringer als die des Keilstoßes. Das Gas hat im Strö-
mungsfeld um einen Störkegel gegenüber der Keilströmung in gewissem Sinne eine
Ausweichmöglichkeit.
Die Bestimmung des konischen Strömungsfeldes hinter dem Verdichtungsstoß kann
numerisch in der Art der Charakteristikenverfahren [Osw76, Sha53K, Sau55] oder nach
grafischen Methoden aus entsprechenden Stoß-Diagrammen (Abb. 2.1-16) erfolgen. Mit
2.1 Elementare gasdynamische Grundlagen 79
mit F P den Kräften infolge des Druckes auf die Kontrollfläche, F H ist die Halte- oder
Stützkraft, die mit den Kräften im Kontrollvolumen Gleichgewicht hält. Dabei gilt für
den zu bestimmenden Nettoschub F N = F H .
Für die Impulskräfte bei stationärer Strömung (dc/dt = 0) gilt
F� I = F� I Austritt − F� I Eintritt . (2.1-67)
Mit dem Impulssatz, hier angewandt koaxial nur in x-Richtung, ergibt sich für die äuße-
ren Kräfte F a und die Impulskräfte F I der Innenströmung
F� a = p0 A0 − p9 A9 + FH (2.1-68)
x
F� I = (ṁ0 + ṁB ) c9 − ṁ0 c0 (2.1-69)
x
80 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
A A
c0 A 0 p0 A 9 p9 c9
m0 Innenströmung
m9
c0 p0
p′0 c ′0
y p0 m Ab
p0
0 1 9
x
zusammen wegen F� a = F� I
x x
p0 A0 − p9 A9 + FH = (ṁ0 + ṁB ) c9 − ṁ0 c0 (2.1-70)
und der Außenströmung
F� a = p0 (A − A0 ) − p′0 (A − A9 ) (2.1-71)
x
F� I = ṁ′0 (c′0 − c0 ) (2.1-72)
x
Beim Anbau oder Einbau bzw. Integration der Flugtriebwerke am Flugzeug oder im Flug-
zeugrumpf werden abhängig von der Flugsituation und dem Betriebszustand des Antriebs-
systems von der Durchströmung und der Umströmung des Antriebssystems Vortriebs- und
Widerstandskräfte bewirkt, die nach dem Impulssatz mit der allgemeinen, einfachen Glei-
chung des Nettoschubes nach Gl. (2.1-76) nicht eindeutig erfasst werden können.
Für den einfachen Fall des Flügeleinbaus eines Turbojet-Triebwerks in einer Gon-
del (nacelle) zeigt Abb. 2.1-17 schematisch das durch- bzw. umströmte Triebwerk für
den hohen Unterschallflug mit M0 > M2 ≈ 0,5. Der Impulssatz-Kontrollraum zwischen
Einström- und Ausströmebene (E) und (A) soll hier das komplette Triebwerk umfas-
sen. Es werden dabei nicht die einzelnen Komponenten wie Verdichter oder Turbinen
unterschieden.
Wird hier das gesamte Turbojet-Triebwerk vom Lufteinlauf E bis zur Schubdüse N
aufgeteilt in Komponenten wie Verdichter C, Brennkammer B und Turbine T betrachtet
sowie deren Kräfte in axialer Richtung bestimmt, dann ergeben sich die in Abb. 2.1-18
dargestellten Kräfte der Einzelkomponenten. Die gezeigten Kraftkomponenten beinhal-
ten hier allerdings lediglich die Strömungskräfte der von Luft oder vom Heißgas durch-
strömten Komponentenkanäle. Die Kräfteverteilung innerhalb der Komponenten führt
dazu, dass z. B. Einlauf und Verdichter im Sinne der Vortriebskraft positiv wirken, Tur-
bine und Düse entgegengesetzt.
Mit diesem kurzen Hinweis sollte deutlich werden, dass bei der mechanischen und
dynamischen Auslegung und Gestaltung von z. B. Triebwerksrotoren, Lagerungen usw.
sorgfältig auch in Verbindung mit dem internen Luft- und Kühlsystem alle wirksamen
Kräfte beachtet werden müssen. Abbildung 2.1-19 zeigt dazu beispielhaft eine schemati-
sche Kräftebilanz für ein Turbofan-Triebwerk zur Illustration der Kräfte zum Axialschu-
bausgleich am Rotor mit entsprechenden Lagerungen.
82 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Nettoschub
FN = m9 c 9 + A 9 (p9 − p0 ) − m0 c 0
Nettoschub installiert
FN, inst = m9 c 9 + A 9 (p9 − p0 ) − m0 c 0 − Dadd − DLip − DNac
Nettoschub
FN = −FH
FH
E L A
0 DLip DNac= DNac,p+ DNac,R
9
Dadd
c0 c9
p0 Kontroll-Volumen p9
m0 m9
A0 A1 A9
Einlauf Verdichter Brenn- Turbine Schub-
E C kammer T Düse N
B
Bei Überschall- und Hyperschallflugzeugen (Abschn. 2.5 und 2.7 sowie 8.3 bis 8.5)
ist durch den hohen Grad an Integration von Triebwerk und Flugzeugrumpf eine klare
Abgrenzung aller am System angreifenden Kräfte und Momente notwendig. Zu diesem
Zweck muss eine umfangreiche Kräfte- und Momentenbilanz bzw. „Bookkeeping“ des
Antriebssystems in Verbindung mit dem Flugzeug definiert werden (Abb. 2.1-20).
Die Kontrollgrenzen sind danach so zu wählen, dass alle primär durch das Antriebs-
system beeinflussten Oberflächen- und Impulskräfte zum Triebwerk gezählt werden.
Außer der Vorverdichtung am Flugzeugrumpf im Strömungsfeld des Flugzeugs kommt
hier dem Flugzeug-Heckbereich bei einer einseitig expandierenden Rampendüse beson-
dere Bedeutung zu. In Abschn. 2.5.3, Abb. 2.5-19, wird dazu eine typische Kräftebilanz
gezeigt. Die große Rumpfoberfläche im Zuström- und Abströmbereich wird dabei zum
Triebwerk gezählt, da die Oberflächen-Druckverteilung wesentlich vom Düsendruckver-
hältnis, der Heißgastemperatur und dem Triebwerksmassenstrom abhängt. Neben Ein-
lauframpen und Grenzschichtabscheider werden auch die Einlauflippe sowie die durch
die Triebwerksregelung verstellbare Düsenheckklappe zum Antriebssystem gerechnet
(Abschn. 2.5) [Bau94, Hol97, Kop00, Ric05].
2.1 Elementare gasdynamische Grundlagen 83
Turbojet-Triebwerk
Kräfte der Komponenten und resultierende Kraft FN,axial= ±Fi,Komponenten
0 1 2 3 31 4 5 6 7 8/9
c0 c9
Zusammengefasst kann nach Abb. 2.1-17 und 2.1-20 allgemein für ein installiertes
und/oder integriertes Antriebssystems für den installierten Nettoschub definiert werden
FN,inst = ṁ9 c9 + A9 p9 − p0 − ṁ0 c0
(2.1-80)
−DAdd − DLip − DNac .
Turbofan-Triebwerk TF (Rolls-Royce)
Rotor-Schubausgleich
Axial-Schubkraft Axial-Schubkraft
Fan und Verdichter Turbine
Axial-Schubkraft
Dichtung
Rotor-Lager
Internes Luftsystem
Druck-
Ausgleichsdichtung
Abb. 2.1-19 Kräftebilanzierung zum Rotor-Axialschubausgleich. Beispiel: Turbofan-Triebwerk RR
[Rol05B]
A
DNac,p = p − p0 dA, (2.1-83)
E
wobei dabei ein Anteil als Heck-Widerstand DBase (base drag) bezeichnet wird.
Abhängig vom Flug- oder Lastzustand des Triebwerks verändert sich die Einlauf-
Stromröhre von 0 bis E und von E bis L im Zusammenhang mit dem Überlauf der Strö-
mung bei nicht angepasstem Schluckverhalten des Einlauf-Triebwerk-Systems erheblich.
Beispiel dazu wird in Abschn. 3.2 und 3.3 gezeigt.
Damit ist es ggf. zweckmäßig, auch einen Überlaufwiderstand (spillage drag) zu definieren
L E L
p − p0 dA. (2.1-84)
DSpill = Dadd + p − p0 dA = p − p0 dA +
E 0 E
2.1 Elementare gasdynamische Grundlagen 85
Kombinations-Triebwerk Raumtransporter-Hyperschallflugzeug
Integration
Turbojet-Ramjet-Triebwerk
mit Unterschall-Verbrennung
c0 Rampendüse
w0 . DDiv
mBL
FI .
m0 DBl
FI c9 w9
DLip DBase FG
DAdd DNac FBleed FG
Kräftebilanz
(Bookkkeeping) FD Gondelwiderstand
FN
FI Einlaufwiderstand
Nettoschub
FG Bruttoschub
Der Basis-Arbeitsprozess der Gasturbine und damit auch des Turbojet-Triebwerkes ist der
als Joule- oder auch als Brayton-Prozess bekannte Isentropen-Isobaren-Arbeitsprozess.
Er besteht im verlustlosen Fall aus isentroper Verdichtung, isobarer Wärmezufuhr, isen-
troper Entspannung und isobarer Rückführung zum Ausgangszustand. Wie noch gezeigt
wird, lassen sich die anderen Verfahren, die bei den atmosphärischen Antrieben der Luft-
fahrt eine Rolle spielen, hiervon ableiten. Von einer gewissen Bedeutung sind nur der eben
zitierte Isentropen-Isobaren-Prozess, auch der mit Wärmetausch und der Isentropen-Iso-
baren-Prozess mit Zwischenkühlungen, Zwischenerwärmungen und Wärmetausch.
Joule-Brayton-Prozess. Da die innere Energie eines arbeitenden Gases beim Durch-
laufen eines Arbeitsprozesses nicht geändert wird, muss der Wärmewert der nach außen
abgegebenen Energie gleich dem der Differenz von zu- und abgeführter Wärme sein.
Dem hier betrachteten reversiblen Vergleichsprozess liegt ideales Gas zugrunde
(cp(T, p) = const), ferner gibt es keine Druck- bzw. Reibungsverluste (Δp = 0). Letztere
Feststellung besagt auch, dass Verdichtung (compression) und Entspannung (expansion)
mit den Wirkungsgraden ηComp = ηExp = 1 verlaufen.
86 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Joule-Brayton-Prozess ideal 4
h isentrope Kompression 2 3
isobare Wärmezufuhr 3 4
qzu 5
p3=p4
3 p2=p5
qab
2
Entropie s
Im T- bzw. h-s-Diagramm des Abb. 2.2-1 stellen die Strecke 2–3 die isentrope Kom-
pression, die Fläche unter 3–4 die dem Gas von außen zugeführte Wärme (Verbren-
nung) und die Strecke 4–5 die isentrope Expansion dar. Der Ladungswechsel mit dem
Abströmen des Heißgases und Zuströmen der Frischluft (Strecke 5–2) wird bei einem
geschlossenen Prozess durch die Wärmeabgabe nach außen ersetzt.
Zur Vermeidung von Missverständnissen wird hier darauf hingewiesen, dass die Bezeich-
nung der Prozess-Eckpunkte mit 2 -3–4- 5 dem internationalen üblichen Standard der Kenn-
zeichnung von Gasturbinen und Luftstrahltriebwerken der Flugtechnik entspricht [SAE97].
Werden, wie dies in Abb. 2.2-1 dargestellt, die statischen Temperaturen den Total-
temperaturen praktisch gleichgesetzt und dasselbe für die Drücke vorgenommen, somit
T ≈ Tt und p ≈ pt zugrunde gelegt, dann wird angenommen, dass das Geschwindigkeits-
niveau der kontinuierlich durchströmten Maschinen sehr niedrig ist, also cax → 0. Erläu-
terungen aus der Gasdynamik dazu sind in Abschn. 2.1 enthalten.
Der thermodynamische Wirkungsgrad dieses idealisierten Prozesses lautet somit
qzu − qab cp (T4 − T3 ) − cp (T5 − T2 ) T5 − T2
ηth id = = =1− (2.2-1a)
qzu cp (T4 − T3 ) T4 − T3
In einem T-s-Diagramm eines Idealgases können die Isobaren durch Parallelverschiebung
längs der Entropieachse miteinander zur Deckung gebracht werden, was auch besagt, dass
T3 T4 T5 T4
= bzw. = (2.2-1b)
T2 T5 T2 T3
ist. Damit ergibt sich in Fortführung des letzten Ausdrucks aus Gl. (2.2-1a):
κ−1
(T5 /T2 − 1) T2 T2 p2 κ
ηth id = 1 − =1− =1− . (2.2-1c)
(T4 /T3 − 1) T3 T3 p3
2.2 Standard-Arbeitsprozesse ideal und real 87
Enthalpie Wärmezufuhr B
31 => 4 isobar
5
Wärmezufuhr EX 31 T5
3 => 31 isobar
p3= p4
3 Wärmeübertragung EX
T3 51 5 => 51 isobar
qab
2 p2 = p5
T2
Wärmeabgabe 51 => 2
Entropie s
pt3/pt2 = ΠC ist hier das Druckverhältnis des Verdichters C. Der Wirkungsgrad des idea-
len Joule-Prozesses wird also umso besser, je größer das Druckverhältnis des Verdichters
bzw. das Gesamtdruckverhältnis OPR ist. Weder die maximale Temperatur des Prozes-
ses (Verbrennungs-Endtemperatur) noch das Verhältnis von maximaler und minimaler
Temperatur T4/T2 spielen dabei eine besondere Rolle (Abb. 2.2-14).
Isentropen-Isobaren-Prozess mit Wärmetausch. Herrscht durch einen Wärme-
tauscher EX (heat exchanger) vollkommener Wärmetausch (heat exchange), wie dies in
Abb. 2.2-2 vorausgesetzt ist, dann wird diejenige Wärmemenge, die durch die Tempera-
turdifferenz T5−T3 gekennzeichnet wird, von der Heißgasseite auf die Kaltluftseite über-
tragen. Dies würde in der Praxis allerdings eine unendlich große Wärmetauscherfläche
voraussetzen. Von außen ist dann, unter Zugrundelegung der sonstigen Bedingungen, im
Abb. 2.2-2 nur noch zwischen T4 und T31 die geringere Wärmemenge qzu zuzuführen.
Dies ergibt für den thermodynamischen idealen Wirkungsgrad
qzu − qab q T3 − T2 T3 T2 T3
ηth id = = 1 − ab = 1 − =1− =1−
qzu qzu T4 − T 5 T4 T4 T2
κ−1 κ−1 (2.2-2)
T2 p3 κ κ
=1 − =1− .
T4 p2 τ
Dabei ist das Verhältnis von maximaler und minimaler Temperatur des Prozesses
Tmax T4
= = τ.
Tmin T2
Gleichung (2.2-2) enthält sowohl das Druckverhältnis Π = ΠC = OPR als auch das
Temperaturverhältnis τ. Bei gegebenem τ nimmt der Wirkungsgrad mit abnehmendem
Druckverhältnis zu. Es ergibt sich somit die umgekehrte Tendenz des Joule-Prozesses.
88 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Die für ein bestimmtes Druckverhältnis gewinnbare Expansionsarbeit ist bei isothermer
Entspannung (d. h. Wärmezufuhr während der Expansion) größer als bei isentroper
Expansion. Es ist
wExp, isoth > wExp, isentrop .
Die Größe der Einsparung beziehungsweise des Gewinns hängt von dem jeweiligen Druck-
verhältnis ab. Da in der Flugtechnik hohe Strömungsgeschwindigkeiten in den hier inter-
essierenden Komponenten Verdichter und Turbine üblich sind, ist es praktisch zwecklos,
geeignete Kühl- bzw. Heizelemente in diese Maschinen einzubauen, um isotherme Vor-
gänge zu verwirklichen. Als Ersatzlösung bietet sich an, statt isotherm zu komprimieren, das
Druckverhältnis in mehreren kleinen Schritten zu erreichen, die selbst isentrop sind, zwi-
schen welchen jedoch jeweils auf die Ausgangstemperatur zurückgekühlt wird (Abb. 2.2-3).
Analog wird die Expansion in Teilstücke zerlegt und dazwischen jeweils aufgeheizt.
In Abb. 2.2-3 ist der betreffende Arbeitsprozess diesmal durch ein h-s-Diagramm dar-
gestellt. Die Arbeiten beziehungsweise Wärmemengen sind demnach als Strecken und
nicht als Flächen ablesbar.
Die Kompression erfolgt in n Schritten, wobei die Teildruckverhältnisse von (2) über
(A) und (B) bis (3) jeweils gleich sind. Von der Temperatur T3 wird (n-1) -mal auf die
Ausgangstemperatur T2 rückgekühlt. Wegen
pA p p
= B = 3
p2 pA pB
Isentropen-Isobaren-Prozess
Zwischenkühlung
Wärmetausch Zwischenerhitzung qzu
h Zwischenerhitzung 4 T4
wB wExp
Enthalpie
5
T5
Wärmetausch
Kaltseite
p3=p4
Wärmetausch
Heißgasseite
3 B A p2=p5
T3
wComp
T2
2
Zwischenkühlung qab
Entropie s
Der thermodynamische ideale Wirkungsgrad ist gleich dem Quotienten von geleiste-
ter Arbeit wExp – wComp und von außen zugeführter Wärme wB. Wegen des vollständigen
Wärmetausches ist die Wärmezufuhr nur durch die kleine Temperaturdifferenz T4 – T5
bestimmt. Die Aufheizung erfolgt n-mal; einmal in der Hauptbrennkammer und dann
noch (n 1) -mal in Zwischenbrennkammern. Da alle interessierenden Größen wie wComp,
wExp und wB n-mal vorkommen, genügt es, sie für den Wirkungsgrad nur einmal anzu-
schreiben. Außerdem ist wB = wExp
Ericson-Prozess Carnot-Prozess
ideal
qzu,Exp qzu,Exp
h
Enthalpieh 4‘ 5‘ 4 5
Carnot-Prozess Ericson-Prozess
p3
p2
3 2
qab,Comp
Entropie s
κ−1
1 nκ − 1
ηth id =1− , (2.2-4b)
τ 1−κ
1 − nκ
also auch hier eine Abhängigkeit vom Druck- und Temperaturverhältnis Π bzw. τ.
Würden die einzelnen Schritte ständig verkleinert, führt dies schließlich zu n = ∞,
das heißt zu einer isothermen Kompression und Expansion mit
1
ηth id = 1 − . (2.2-4c)
τ
Beim Übergang von Gl. (2.2-4b) zu Gl. (2.2-4c) führt dies zum Ericson-Prozess. Sein
Wirkungsgrad hängt nur vom Temperaturverhältnis ab und stellt theoretisch den für
Gasturbinen-Prozesse vorteilhaftesten Fall dar. Der letzte Quotient in Gl. (2.2-4b) ist
eine Art Korrekturwert gegenüber dem Ericson-Prozess.
Erinnert sei hier daran, dass der günstigste aller thermodynamischen Arbeitsprozess-
Wirkungsgrade gleichfalls lautet:
Tmin 1
η=1− =1− .
Tmax τ
Dieser Ausdruck wird auch als Carnot-Faktor bezeichnet. Wird in einem T-s-Diagramm
der Ericson- und Carnot-Prozess zusammen eingetragen, dann ist ihre Gleichwertigkeit
zu erkennen (Abb. 2.2-4).
2.2 Standard-Arbeitsprozesse ideal und real 91
1,0
th id
Isentropen-Isobaren-
therm. Wirkungsgrad, ideal 0,8 n=3 Prozess mit Zwischen-
kühlung und Zwischen-
n=2 Erhitzung, ideal
Gl. 2.1-5a und Gl. 2.1-5b
0,6 Joule-Brayton-Prozess,
ideal
Gl. 2.1-1a
Isentropen-Isobaren-
0,4 Prozess mit
Wärmetausch, ideal
Gl. 2.1-3
0,2
0 10 20 30
Druckverhältnis
4
Tt4
h pt B
= wExp is
Enthalpie
5
wB
Tt5
pt3
3
Tt3
wComp is pt2
2
Tt2
Entropie s
WComp is
WExp is ηExp _
ηComp (2.2-5)
ηth = .
WB /ηB
Bei der Entwicklung eines neuen Flugtriebwerkes kann vorausgesetzt werden, dass
außer der Eintrittstemperatur Tt2 auch die durch den technologischen Entwicklungs-
stand der hochhitzebeständigen Werkstoffe erreichbare Temperatur Tt4 bekannt und
vorgegeben ist. Auch für die Teilwirkungsgrade des Prozesses werden bei Festlegung
auf ein gewisses Triebwerkskonzept Anhaltswerte vorhanden sein. Damit kann die Auf-
gabe bearbeitet werden, welche isentrope Kompressionsarbeit zum thermodynamischen
Wirkungsgradoptimum führt.
Wird Gl. (2.2-5) so umgeformt, dass außer dem gesuchten wComp is nur noch
bekannte Werte vorkommen, führt dies zu
k Tt4 1
wComp is ηExp −
Tt2 + wComp is /cp ηComp
ηth = . (2.2-6)
wComp is 1
cp (Tt4 − Tt2 ) −
ηComp ηB
Der Wert k < 1 drückt aus, dass die Expansion nicht im Schnittpunkt von pt3 und Tt4
beginnt, sondern weiter rechts im Schnittpunkt von pt4 und Tt4. Je nach der Größe des
Druckverlustes Δpt B ist die zwischen pt4, Tt4 und pt2 verlaufende Isentrope mehr oder
weniger kleiner als die zwischen pt3 Tt4 und pt2. Das Verhältnis dieser beiden Strecken ist
k. Nach Differentiation gemäß
∂ ηth
= 0. (2.2-7)
∂ wComp is
wird die optimale spezifische Verdichtungs1eistung erhalten.
Eine ähnliche Betrachtung könnte vorgenommen werden, wenn diejenige spezifische Ver-
dichtungsleistung wComp is gesucht würde, die zu der größten nach außen abgebbaren Leistung
pro Durchsatzmasseneinheit führt (Abb. 2.2-7 und 2.2-8). Untersuchungen solcher Art sind
stets erforderlich, wenn die Auslegungsgesichtspunkte eines Antriebes fixiert werden sollen.
Der spezifische Brennstoffverbrauch ist aus dem ηth-Wert der Gl. (2.2-6) direkt
bestimmbar. Da Wirkungsgrade normalerweise Leistungen ins Verhältnis setzen, bezieht
sich der so erhaltene spezifische Brennstoffverbrauch daher zunächst auf die nach außen
abgebbare Wellenleistung PW.
Die in der Brennkammer umgesetzte Leistung kann geschrieben werden als
PB = wB ṁ ≈ Hu ṁB ηB . (2.2-8)
Dabei bedeuten wB die Enthalpiedifferenz gemäß der Brennkammer-Temperaturdiffe-
renz (Tt4 − Tt3) und Hu den unteren Heizwert des Brennstoffes.
Der so genannte Wellen-Wirkungsgrad ηPW ist definiert mit der mechanisch an der
Welle nach außen abgegebenen Leistung und ist bei den einfachen Gasturbinen-Triebwerken
94 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
0,4
spez. Brennstoffverbrauch
0,3
1200 K
1400 K
1600 K
0,2
0 5 10 15 20
Druckverhältnis p t3/pt2
Abb. 2.2-8 Spezifische 400
PW Tt4=1600 K
Wellenleistung (pro ·2 [kJ/kg]
m
Durchsatzmasse) von
Turboprop-Triebwerken
300
1400 K
spez. Wellenleistung
200
1200 K
100 1000 K
800 K
0
0 5 10 15 20
Druckverhältnis p t3/pt2
Somit ist der spezifische Brennstoffverbrauch SFC gleich dem Reziprokwert des Produk-
tes von ηth und einer Brennstoff abhängigen Konstanten, dem unteren Heizwert:
ṁB 1
SFC = = . (2.2-10)
PW ηth Hu
Den Verlauf der spezifischen Verbräuche SFC eines Turboshaft-Flugtriebwerks zum Beispiel
eines Turboprop-Triebwerks zeigt Abb. 2.2-7. Als Abszissenmaßstab wurde das Verdichtungs-
druckverhältnis pt3/pt2 = ΠC = OPR gewählt, ebensogut hätte die spezifische Verdichterleis-
tung wComp, is oder die bezogene Verdichtungsleistung wComp,is/Tt2 genommen werden können.
Im praktischen Joule-Brayton-Prozess spielen also Druckverhältnis ΠC = pt3/pt2 und
Temperaturverhältnis τ = Tt4/Tt2 eine Rolle.
Mit steigender Verbrennungstemperatur muss auch das Druckverhältnis gesteigert
werden, um zu dem jeweiligen Verbrauchsminimum zu kommen. Bei niedrigen Verbren-
nungstemperaturen wirkt sich ein Vergrößern des Druckverhältnisses allerdings schnell
schädlich aus. Die sinnvollen Auslegungsbereiche werden sich stets links von dem jeweili-
gen Minimum befinden. Es ist demnach nicht sinnvoll, die Komponenten Verdichter und
Turbine schwer zu machen, da hohe Druckverhältnisse große Stufenzahlen erfordern.
Abbildung 2.2-8 enthält die Leistungen PW pro Durchsatzeinheit ṁ2, also die Leis-
tungskonzentration. Es ist deutlich erkennbar, dass hier die Maxima bei kleineren
Druckverhältnissen liegen als die entsprechenden Minima des Abb. 2.2-7.
Wird zum Beispiel ein Turboprop-Triebwerk, also ein Turboshaft-Triebwerk, im
Fluge betrachtet, dann kann auch der Strahlschub einen Leistungsanteil ergeben. Es wird
dann zweckmäßigerweise alles auf die Schubleistung umgerechnet. Hier soll nur kurz
gezeigt werden, wie der bei Strahltriebwerken übliche schubspezifische Brennstoffver-
brauch SFCF aus dem eben berechneten spezifischen Verbrauch abgeleitet werden kann.
Aus Abschn. 2.4 (Gl. 2.4-22ff.) mit dem Produkt der Wellenleistung PW und dem
Propellerwirkungsgrad ηProp ergibt sich die Vortriebsleistung PP (propulsion power) all-
gemein gleich dem Produkt von Schub F und Fluggeschwindigkeit c0 also PP = F c0 bzw.
beim Propellerantrieb
PP = PW ηProp = FProp c0 (2.2-11a)
und damit der Propellerschub FProp über die Wellenleistung PW ausgedrückt zu
PW ηProp
FProp = . (2.2-11b)
c0
Der schubspezifische Verbrauch SFCF stellt den auf die Zeiteinheit bezogenen Verbrauch
dividiert durch den Schub F dar. Daraus ergibt sich nach Erweiterung mit Gl. (2.2-10)
ṁB ṁB c0 c0 c0
SFCF = = = = SFC . (2.2-12)
F PW ηProp ηth Hu ηProp ηProp
Gleichung (2.2-12) zeigt, dass der schubspezifische Verbrauch SFCF aus dem spezifischen
Verbrauch bezogen auf die Wellenleistung abgeleitet werden kann. Der Propeller-Wir-
kungsgrad ηProp steht deshalb in der Gleichung, weil die Wellenleistung PW zum Beispiel
96 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Mit Hilfe der in Kap. 1 vorgestellten verschiedenen Schaltungsarten und Bauweisen von
Gasturbinen für stationäre Anlagen und mobile Anwendungen der Verkehrstechnik von
Land- und Luftfahrzeugen wurde erkennbar, dass die einfachste Schaltungsart einer Gas-
turbinenanlage die Turboshaft-Gasturbine TS (turboshaft) bzw. die Wellenleistungsgastur-
bine PGT mit Nutzturbine PT (power turbine) oder das Turbojet-Triebwerk TJ (turbojet)
mit Einwellen-Gasgenerator GG (gasgenerator) darstellt. In Abb. 2.2-9a und b wird die
prinzipielle Bauweise dieser Einstromtriebwerke in Blockschaltbildern dargestellt.
Der Arbeitsprozess nur des Gasgenerators GG für die in Abb. 2.2-9a, b dargestellte
einfache Turboshaft-Gasturbine bzw. das Turbojet-Triebwerk ist in Abb. 2.2-10 im
h-s-Diagramm mit den wesentlichen statischen und Totalzustandsgrößen schematisch
gezeigt. Die den Arbeitsprozess abschließende Expansion der Heißgase auf etwa Umge-
bungsdruck p0 in der Arbeits- oder Nutzleistungsturbine PT beziehungsweise der Schub-
düse N wird in Abb. 2.2-11 detaillierter vorgestellt.
Vom ungestörten Umgebungszustand (Ebene 0) aus wird durch den Einlauf E (Ebene 1
bis 2) der Luftmassenstrom ṁ0 = ṁ1 = ṁ2 dem von der Turbine angetriebenen Turbover-
dichter C (Ebene 2 bis 3) zugeführt und in diesem auf den Arbeitsprozessdruck pt3 kontinu-
ierlich verdichtet. Zwischen Verdichter C und Gasgenerator-Turbine T wird das Arbeitsfluid
2.2 Standard-Arbeitsprozesse ideal und real 97
(a)
Gasgenerator GG mit Nutzleistungsturbine PT oder Schubdüse N
Kompression Wärme- Expansion
Turboverdichter C zufuhr QB Turbinen T, PT / Schubdüse N
0 1 2 3 4 44 5 7 8
E C T PT G
nPT
PPT Getriebe
PEx nC = nT
PC+PEx= PT Nutzleistungs-
Turbine
PT
Einlauf Verdichter Brennkammer Turbine Abgasrohr
E C B T A
0-1-2 2-3 3-4 4 - 44 44 - 5 5 - 7 - 8
(b)
Turbojet-Triebwerk TJ (Turboluftstrahltriebwerk TL)
B
m0 m9
c0 nC = nT c9 Strahlleistung
E C T
A0 PEx p9
PEx A9
B
PC+PEx= PT
0 1 2 3 4 5 6 7 89
Bruttoschub FG = m9 c 9 + A 9 (p9 − p0 )
Nettoschub FN = FG − m0 c 0 = m9 c 9 − m0 c 0 − A 9 (p9 − p0 )
1 2 3 4 44 (5 7 8)
B Nutzenergie
pt4
htPid= wPid
T 4
E C Tt4
Pex
Wärme-Zufuhr wTid
qB pt44
Gas-Generator GG 44
für Turboshaft oder Turbojet Tt44
Nutzenergie
c 24 pt4
Realer 2 4
Arbeitsprozess Tt4 p4
Joule-Prozess T4
Druck- und Temperaturverhältnis wTis
wie beim Ideal-Prozess wT
qB
pt44
44 Tt44
T44
p44
wPTis
pt3
p5is
T5is
Tt3 3
c 32
2
h wC
wCis
0 2 pt2
T0 Tt0 Tt2
p0 pt0
p2 2 T2
c 2
s 2
Ausström-
nPT Diffusor nT c9
nT PT T N
PT T PT
PT PPT
Heißgase durch die Expansion vom Totaldruck pt44 beziehungsweise beim Turbojet
von pt5 aus im Sinne der jeweiligen Aufgabe des Triebwerks verschieden vorgenommen
werden.
Im Falle der Turboshaft-Gasturbine TS nach der in Abb. 2.2-9a und später in
Abb. 2.2-12 gezeigten Bauweise beaufschlagen die Heißgase in der Turbinensektion
von 44 ausgehend die freilaufende Arbeitsturbine (free power turbine), die als Nutzleis-
tungsturbine PT meist über ein Getriebe G die nutzbare Wellenleistung der gesamten
Gasturbinenanlage PW nach außen abgibt. Die Heißgase verlassen als Abgase mit noch
relativ hohem Energieinhalt etwa auf Umgebungsdruck p8 ≈ p0 entspannt durch das der
PT nach geschaltete diffusorartige Austrittsrohr (Ebene 5 bis 8) die Anlage.
Zur Vermeidung von Verlusten durch zu hohe Abgasgeschwindigkeiten c8 sowie
gegebenenfalls zur Erhöhung der spezifischen Leistungsabgabe der Nutzleistungsturbine
PT ist es häufig zweckmäßig, das Austrittsrohr als Diffusor Dif zu gestalten. Damit kann
die Expansion der Heißgase in der PT bis zum statischen Druck p5 ≈ p7 kleiner als der
100 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Turboshaft-Gasturbine TS
1 2 3 4 44 5 7 8
pt4
B 4 41
Tt4
E C T PT PPT
PC= PT isentrope
isobare
PEx Wärmezufuhr Expansion T
Gas-Generator GG Nutzleistungs- QBid pt44 wTid
Turbine PT 44
Tt44
Idealer isentrope
Isentropen-Isobaren-Prozess Expansion PT
Joule-Prozess wPTid
pt5 pt8
58
Tt5 Tt8
3
Tt3
pt3 p0
isentrope
h Kompression
wCid
2
Tt0 Tt2
pt0 pt2
s
pt4
4 41
Realer p4 Tt4
c 24
Arbeitsprozess T4
2
Joule-Prozess
wTis
Druck- und Temperaturverhältnis wT
wie beim Ideal-Prozess qB
pt44
44 Tt44
wPT
pt3 58
Tt5
pt5
Tt3 3 p5<p0
c 32
p0
wC 2
h wCis
pt2
02 Tt2
T0 Tt0 p0 pt0
p2 T2 c 22
s 2
Turbojet-Triebwerk TJ pt4
0 1 23 4 5 67 89 4 41
B Tt4
c0 nC = nT c9 isentrope
E CT T
PC= PT pt9 Expansion T
isobare wT
PEx
B 5 9
Wärmezufuhr Tt5 Tt9
qB pt5
Gas-Generator GG Schubdüse N
Idealer isentrope
Isentropen-Isobaren-Prozess Expansion
Joule-Prozess Düse N
Flugzustand M0 > 1 c 92
2
pt3
3
Tt3
isentrope
Kompression
h wCid 0 2 pt2
2 pt0 Tt0 Tt2
c
Aufstau 0
2 T0
p0
s
pt4
Realer 4 41
p4 Tt4
Arbeitsprozess c 24
Joule-Prozess T4
2
Flugzustand M0 > 1 wTis wT
Druck- und Temperaturverhältnis qB
wie beim Ideal-Prozess 5 7 9pt9
Tt9
T5is
p 2
c
pt5 p5 9
7
2
pt3 p9
T9
3
Tt3
c 32
2
w
C
wCis
h
02 pt2
T
c 2
0
pt0 p2 Tt0 t2
2 T0
p0
s
0,8
Idealer Joule-Prozess
Cpol= Tpol= 1,0, = f(T)
th, id
Druckverhältnis OPR= th id=0,7
C
0,7
100
80
therm. Wirkungsgrad
60
0,6 50
40
30
th id=0,5
0,5 20
1200 K 1400 K 10
1600 K 1800 K 2000 K
0,4 Temperatur T t4
0,3
200 400 600 800 1000
0,6
th
Turboshaft TS
Joule-Prozesse
halb ideal
Verdichter-
Cpol= Tpol= 0,9 Druckverhältnis
therm. Wirkungsgrad
C
50 th=0,5
0,5 40
30
25
20
0,4 15
10
K
K
K
K
K
K
K
00
00
00
00
K
K
00
00
00
16
00
18
17
15
00
19
14
20
13
12
Temperatur T t4
0,3
200 300 400 500 600 700 800
spez. Leistung PPT m2 [kW (kg / s)]
Abb. 2.2-15 Halbidealer Joule-Arbeitsprozess wie in Abb. 2.2-14, hier aber mit konstanten poly-
tropen Wirkungsgraden für Kompression und Expansion in Verdichter C und Turbine T halbideal
104 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
In Abschn. 2.2.2 wurde bereits auf einige Grundsätze der Wirkungsgrad- und Verlust-
definitionen bei gasdynamischen Basisvorgängen und Arbeitsprozessen besonders
eingegangen.
Im gesamten Betriebsbereich einer Turboshaft-Gasturbine TS oder eines Turbo-
jet-Triebwerks TJ wird in jedem Betriebspunkt Bi vom Auslegungspunkt A bzw. BA
bzw. DS (z. B. bei Max Climb oder Max Take Off) ausgehend bis zum Leerlauf BI
(idle) der Zustand des Triebwerks durch den jeweiligen gasdynamischen Arbeits-
prozess charakterisiert. Ein solcher realer Arbeitsprozess wurde bereits beispielhaft
in Abb. 2.2-12 für die Turboshaft-Gasturbine und in Abb. 2.2-13 für das Turbojet-
Triebwerk wiedergegeben.
Im Vergleich zum idealen oder vereinfachten Arbeitsprozess nach Abschn. 2.2.1
müssen hier bei den realen Prozessen in allen Strömungsebenen die statischen und
totalen Zustandsgrößen beachtet werden. Um einen Betriebspunkt der Gasturbine mit
den jeweiligen Zustandspunkten im h-s-Diagramm festzulegen, genügen für die Total-
Zustandspunkte zwei Zustandsgrößen wie Druck pt und Temperatur Tt. Zur Bestim-
mung der statischen Zustandsgrößen ist neben T und p oder der Enthalpie h noch die
jeweilige örtliche Geschwindigkeit c in den einzelnen Strömungsebenen am Eintritt
und Austritt der Triebwerkskomponenten zu berücksichtigen. Dies wurde bereits in
Abschn. 2.2.2 mit einbezogen.
Zur Bestimmung beliebiger Arbeitsprozesse von Gasturbinen im gesamten Vollast-
und Teillastbetriebsbereich außerhalb des Punktes A wird nachfolgend in Kap. 7 bis 9
auf das stationäre und instationäre Betriebsverhalten der Turboshaft-Gasturbine und des
Turbojet-Triebwerks sowie der wichtigsten weiteren Antriebs– und Gasturbinen-Anla-
gen ausführlich eingegangen.
Für einen Auslegungspunkt A entsprechend einem Betriebspunkt BA, sind zur ersten
Vorausberechnung wesentliche Triebwerkgrößen bereits bekannt oder vorzugeben und
weitere Annahmen zu treffen, die später nach genaueren Berechnungen der einzelnen
Komponenten zu bestätigen sind. Erste Vorgaben und Annahmen können auch durch
iterative Prozess- und Komponentenberechnungen bis zu einer gewünschten Genauig-
keit mit Hilfe einer Leistungssyntheserechnung wie z. B. [GasTurb] bestimmt werden.
Mit der iterativ zuletzt erhaltenen Arbeitsprozessrechnung sind schließlich alle wichtigen
Zustandsgrößen, Eckwerte und Leistungsgrößen des Triebwerks für den betrachteten
Arbeitspunkt A bekannt. Damit ist die Ausgangsbasis zur Berechnung z. B. der Leis-
tungs- und Schub-Kennfelder nach Kap. 7 bis 9 gegeben.
In einer zusammenfassenden Darstellung sind in Abb. 2.3-1 die Ergebnisse der Ausle-
gungs-Parameterstudien aus Abschn. 2.2.2 von Turboshaft- und Turbojet-Triebwerken
bei idealem und vereinfacht realem Joule-Prozess dem realen Prozess gegenübergestellt.
Der Verlauf der Berechnungen für den realen Arbeitsprozess kann z. B. mit [GasTurb]
106 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
durchgeführt werden. In den folgenden Abschn. 2.3.2 bis 2.3.7 wird darauf genauer
eingegangen.
Eindrucksvoll wird damit beim Vergleich der Ergebnisse zum thermischen Wir-
kungsgrad deutlich, dass Parameterstudien auf der Basis idealer oder halbidealer Arbeits-
prozesse für die Praxis eigentlich wenig Aussagekraft haben.
Übliche Vorgabewerte für einen Auslegungspunkt A bzw. DS (design point) sind in
nachstehender Übersicht zusammengestellt. Bei der Auswahl dieser Werte ist auf die ein-
deutige Festlegung des Arbeitsprozesses zu achten. Eine Überbestimmung des Arbeits-
prozesses sollte vermieden werden.
Geometrie und Bauweise von Einlauf- und Abgas- bzw. Austrittskanal sowie beim Flug-
triebwerk die Bauweisen der Schubdüsen:
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für den Schnellflug (Abb. 2.3-3 und 2.3-4) mit der Anström-Machzahl M0 > M2
erleichtert das Verständnis zu den Strömungsarten der weiteren davon abgeleite-
ten Vorgänge des Langsamfluges (Düsenströmung) und des Standfalles am Boden
(Senkenströmung).
Schnellflug mit c0 > c2 und M0 > M2 Die Einlauf-Stromröhre für den Schnell-
flug mit M0 ≥ M2 stellt für den Auslegungspunkt A den Standardfall dar, für den
mit dem 1. Hauptsatz nach Abschn. 2.1 der Verlauf der verlustbehafteten, adiabaten
110 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Einlauf 0 – 1 - 2
Flugzustand M0 > M2
2
0 1 Lippe
Diffusor-Stromröhre adiabat
für den Schnellflug
c0 c2
A1 A0 Ath
A2 Fan- oder
Verdichter-
Eintrittsebene
Einlauf-Stromröhre mit A0
Fangstromfläche A 1=AC
Hals-Querschnitt Ath Einlauf-Haube (Cowl)
pt0 pt2
Einlauf ht0 0 1 2 ht2
h-s-Diagramm Tt0 Tt2
c 22
p2 2
h2
T2
c 02
2
Verdichtung
Druck p2 > p0
h
h0
T0
p0
c0 c0 c0
Ebene 0 mit Hilfe der Isentropen-Beziehungen zwischen dem statischen und dem totalen
Zustandspunkt folgende Beziehungen:
Totalenthalpie
c20
ht0 = h0 + mit c0 = a0 M0 , (2.3-1)
2
Totaltemperatur
c20
κ−1 2
Tt0 = T0 1+ M0 = T0 + , (2.3-2)
2 2 cp
und Totaldruck
κ κ
Tt0 κ−1 κ−1 2 κ−1
pt0 = p0 = p0 1+ M0 . (2.3-3)
T0 2
Diese Größen werden häufig auch als Ruhe- oder als Staupunktgrößen bezeichnet
(Abschn. 2.1.2). Beim hohen Überschallflug können Temperatur und Druck abhängig
112 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
von der Flughöhe und der Flug-Mach-Zahl schnell Werte im technologisch machbaren
Grenzbereich erreichen. Dies wird detaillierter im Zusammenhang mit dem Flugkorri-
dor in Abschn. 3.1 und Abschn. 8.3 bis 8.6 behandelt.
Wesentliche Aufgabe eines Einlauf-Diffusors im Schnellflug bei hohen Unterschall-
oder Überschallflügen ist es, die Strömung auf eine, dem nachfolgenden Verdichter
angepasste Mach-Zahl zu verzögern und somit den Druck in der Strömung von p0 auf p2
bei möglichst gutem Diffusionswirkungsgrad zu erhöhen, wobei die Einlauf-Totaldruck-
verluste Δpt E = pt0 – pt2 möglichst klein gehalten werden sollen.
Die Güte des Einlaufs kann über entsprechende Wirkungsgraddefinitionen oder mit
Hilfe von Totaldruckverlusten angegeben werden. Als energetischen Einlauf-Gesamt-
wirkungsgrad kann angelehnt an Wirkungsgraddefinitionen von Verdichtergittern das
Verhältnis der isentropen Enthalpiedifferenz zur realen, verlustbehafteten Enthalpiedif-
ferenz definiert werden:
ht2 is − h0
ηE is = . (2.3-4)
ht2 − h0
Um den sehr verschiedenen Strömungsarten zum Beispiel von der düsenähnlichen
Expansionsströmung im Langsamflug M0 < M2 nach Abb. 2.3-4b bis zur Diffusorströ-
mung mit statischer Druckerhöhung p2 > p0 nach Abb. 2.3-4a besser gerecht zu werden,
empfiehlt sich meist, die Einlaufgüte mit Hilfe der Totaldruckverluste zu beschreiben.
Dies ist einmal der relative Einlauf-Totaldruckverlust
pt p − pt2
= t0 , (2.3-5)
pt0 E pt0
und zum anderen das Einlauf-Totaldruckverhältnis
pt2
E = · (2.3-6)
pt0
Langsamflug c0 < c2 und M0 < M2 Beim Langsamflug mit M0 ≈ 0,2 bis 0,5 < M2
wird der Einlauf-Luftmassenstrom ṁ0 = ṁ2 auf c1 beschleunigt, die Strömung expan-
diert vom statischen Druck p0 über p1 auf p2, so dass hier nach den Gesichtspunkten
der Fluidmechanik von einer Düsenströmung gesprochen werden kann (Abb. 2.3-4).
Anschließend wird die Strömung auf die Machzahl M2 verzögert. Diese Stromröhre ist in
Abb. 2.3-4b skizziert und im h-s-Diagramm energetisch dargestellt.
Standfall mit c0 = 0 und M0 = 0 Bei Flugzeugantrieben im Standfall oder beim Start-
vorgang sowie bei stationären Gasturbinenanlagen ist die Zuströmgeschwindigkeit weit
vor dem Einlauf näherungsweise c0 = 0, der Luftmassenstrom wird aus der Umgebung
angesaugt und auf c2 beschleunigt, wobei der statische Druck p2 < p0 ist. Im Innern des
Einlaufs liegt demnach ein Unterdruck gegenüber außen vor, was bei der Konstruktion
des Einlaufkanals sowie aus Sicherheitsgründen zu beachten ist. Es besteht gegebenen-
falls die Gefahr des Ansaugens von Fremdkörpern.
Im Standfall entspricht fluiddynamisch gesehen die Einlauf-Stromröhre einer Senkenströ-
mung. Da hier c0 = 0 ist, fallen im h-s-Diagramm die statischen und Total-Zustandsgrößen
zusammen, es gilt für den Totaldruck und die Totaltemperatur
pt0 = p0 = pISA und Tt0 = T0 = TISA . (2.3-8)
Strömungszustände am Austritt des Einlaufes (Ebene 2) Mit dem Totaldruckverhältnis
ΠE = pt2/pt0 nach Gl. (2.3-6) ergeben sich zum Beispiel für die adiabate, verlustbehaftete
Stromröhre von Ebene 0 bis 2 am Einlauf-Austritt 2 vor dem Verdichter folgende Größen:
Totalenthalpie
c20
ht2 = ht0 = h0 + , (2.3-9)
2
Totaltemperatur
κ−1 2
Tt2 = T0 1 + M0 , (2.3-10)
2
Totaldruck
κ κ
Tt0 κ−1 κ−1 2 κ−1
pt2 = pt0 E = p0 E = p 0 E 1+ M0 . (2.3-11)
T0 2
Die Änderung der Totalzustandsgrößen der Ebenen 0-1-2 im adiabaten Einlauf werden
durch Isenthalpen wiedergegeben. Die statischen Zustandsgrößen h2, T2 und p2 können
mit der Machzahl M2 nach den Darstellungen in Abschn. 2.1.5 berechnet werden:
Temperatur statisch
Tt2
T2 = ,
κ−1 2 (2.3-12)
1+ M2
2
114 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Druck statisch
κ
Tt2 κ−1
p2 = pt2 , (2.3-13)
T2
Geschwindigkeit
c2 = a2 M2 = κ R T2 M2 = 2 cp (Tt2 − T2 ). (2.3-14)
Mit der Kontinuitätsgleichung Gl. 2.1-1a und den statischen Zustandsgrößen ist mit
dem Durchsatz ṁ2 = ṁ1 = ṁ0 die notwendige Ringquerschnittsfläche der Ebene 2
bestimmbar
R T2
A2 = ṁ2 . (2.3-15)
c2 p2
Weitere Hinweise zur Bauweise, zur Funktion und zum Betriebsverhalten der Einläufe
von Gasturbinen und Flugtriebwerken werden in Kap. 3 gegeben.
Dem Lufteinlauf zwischen den Strömungsebenen 1 und 2 folgt der meist mehrstufige
Turboverdichter C mit der Eintrittsebene 2 und der Austrittsebene 3 (Abb. 2.3-5).
Abhängig von den Auslegungsdaten besonders vom Durchsatz ṁ2, dem Druck-
verhältnis ΠC = pt3/pt2 und dem Aufbau der gesamten Gasturbinenanlage werden
Turboverdichter als Axial-, Radial- oder Kombinationsverdichter ausgeführt. Eine aus-
führliche Darstellung der thermischen Turbomaschine Verdichter wird in Abschn. 4.2
gegeben.
Die genaue gasdynamische Berechnung der dreidimensional sehr komplexen Strö-
mungsvorgänge in den einzelnen Verdichterstufen mit Rotor- und Stator-Diffusorgittern
(Leitrad, Laufrad) mit Hilfe von CFD-Verfahren ist schwierig und aufwendig. Im Rah-
men erster Auslegungsrechnungen kann mit eindimensionaler Stromröhrentheorie und
entsprechenden Integralwerten im Mittelschnitt der Ringflächen A2 und A3 gearbeitet
werden.
Für eine erste Vorauslegungsrechnung wird hier als idealer Vergleichsprozess zuerst
eine adiabate, verlustlose, das heißt isentrope Verdichtung des Massenstromes ṁ2
von Ebene 2 bis Ebene 3 angenommen. Zur genauen Verdichtungsrechnung wird auf
Abschn. 4.2 verwiesen.
Mit dem meist vorgegebenen Verdichterdruckverhältnis �C = pt3 /pt2 ergibt sich der
Totaldruck am Verdichteraustritt
pt3 = C pt2 ·
2.3 Arbeitsprozess von Turboshaft und Turbojet 115
pt3
Verdichter C
(2→3) ht3 3 Tt3
c 32
Tt3is T3
1 2 3 4 44 2
p3
wC
wCis
h pt2
ht0 ht2 2 Tt2
c 22
T2
2
p2
s
Mit einer geschätzten mittleren spezifischen Wärmekapazität cpC oder mit geschätztem
κC lautet die isentrope, auf den Durchsatz bezogene spezifische Verdichtungsleistung
� � κC −1
κ Pt3 κC
wC is = ht C is = ht3 is − ht2 = R Tt2 − 1. (2.3-16)
κ−1 Pt2
�ht C is
wC = �ht C = = ht 3 − ht 2 = cp C (Tt 3 − Tt 2 )
ηC is
κC
. (2.3-17)
= R (Tt 3 − Tt 2 )
κC −1
Die isentropen Wirkungsgrade des Verdichters C liegen abhängig von der Baugröße,
dem Technologieniveau, dem Druckverhältnis und der Stufenzahl bei Werten von
0,82 < ηCis < 0,92, wobei bei gleicher aerodynamischer Auslegung Verdichter mit gro-
ßem Durchsatz höhere Werte haben. Die Wirkungsgrade der Radialverdichter liegen im
Durchschnitt um 1 bis 5 % tiefer als die Werte von Axialverdichtern.
Mit Gl. 2.3-17 ergibt sich für die Totaltemperatur am Verdichteraustritt
ht C
Tt 3 = T t 2 + .
κC
R (2.3-18)
κC −1
116 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
wobei wegen der Luftstromanteile für die Enteisung von Einlaufteilen auch der Durch-
satz in der Ebene 2 gegebenenfalls nachkorrigiert werden muss
ṁ2 = ṁ1 − ṁE i . (2.3-21)
i
Bei der endgültigen Berechnung des Arbeitsprozesses müssen neben den Massenstrom-
korrekturen besonders zur Bestimmung der Kühlluftdaten im Bereich des Luftsystems
weitere Detailrechnungen zu den Energieströmen und den Druckverlusten vorgenom-
men werden.
Abhängig vom Zielort im Turbinenbereich und dem dortigen Druckniveau wird an
verschiedenen Stellen des Verdichters Kühlluft abgezweigt. Bei bekannten Stufendruck-
verhältnissen eines z-stufigen Verdichters können zum Beispiel mit den Beziehungen
der polytropen Verdichtung (Abschn. 2.1.2) die Zustandsgrößen der einzelnen Kühlluft-
ströme bestimmt werden. Entsprechend der Auslegung des internen Luftsystems sind
gegebenenfalls Temperaturänderungen und Druckverluste der jeweiligen Kühlluftströme
für die einzelnen Turbinenstufen zu berücksichtigen.
Die endgültige, korrigierte Antriebsleistung des Verdichters ergibt sich damit zu
PC = (ṁCl i �htC Cl i ) + ṁ2 (1 − ηCl i �ht C ) (2.3-22)
i
2.3 Arbeitsprozess von Turboshaft und Turbojet 117
Diese besteht aus dem Anteil, der von den jeweiligen Kühlluftströmen aufgenommen
wird und der Verdichterleistung des Hauptluftstromes.
Es sei hier betont, dass mit Hilfe genau zu definierenden Kontrollraumgrenzen sorg-
fältige Bilanzen der jeweiligen Energie- und Massenströme zu erstellen sind. Der Anteil
der Massenströme in Verbindung mit dem Luftsystem kann bei modernen Triebwerken
über 20 % des Hauptluftstromes umfassen.
Die Aufgabe der Brennkammer B besteht darin, die vom Verdichter C austretende,
komprimierte Luft ṁ3 beziehungsweise ṁ31 durch kontinuierliche Verbrennung eines
Brennstoffstromes ṁB von der Verdichteraustrittstemperatur Tt3 auf die Turbinenein-
tritts-Temperatur TET = Tt4 näherungsweise isobar aufzuheizen und damit die Enthal-
pie des Fluid-Hauptstromes zu erhöhen (Abb. 2.3-6 und 2.3-7).
Dabei können zur Beurteilung der Qualität einer Brennkammer die Strömungs- und
die Verbrennungsvorgänge zuerst einmal getrennt voneinander betrachtet und bewer-
tet werden. Um eine stabile Verbrennung zu gewährleisten ist wegen der relativ hohen
mittleren Strömungs-Mach-Zahl am Verdichteraustritt M3, nach dem Verdichter als
Brennnkammereinlauf (Ebene 31) ein Diffusor erforderlich, um eine Brennraum-Ein-
tritts-Mach-Zahl von M32 ≈ 0,1 bis 0,2 zu erzielen.
Der gesamte Totaldruckverlust der Brennkammer ΔptB = pt4 − pt3 kann in einen
strömungsmechanischen und einen thermogasdynamischen Anteil unterteilt werden.
Die strömungsmechanischen Verluste, auch „kalte“ Verluste genannt, treten hauptsäch-
lich durch die für eine Flammenstabilisierung wichtige Verzögerung der Strömung mit
Turbulenzerzeugung und durch die Mischungsvorgänge des Luftstromes mit Brenn-
stoff auf. Die gasdynamischen Totaldruckverluste werden durch die Aufheizung des
Fluidstromes in einem Flammrohr von näherungsweise konstantem Querschnittsver-
lauf durch Volumenvergrößerung des Massenstromes bewirkt. Dieser gasdynamisch
bedingte Vorgang lässt sich gut mit den Gesetzen der Aufheizung eines kompressiblen
Fluids im Rohr konstanten Querschnitts gemäss den Beziehungen der sogenannten
„Rayleigh-Linien“ (Abschn. 2.1.3) beschreiben.
Aus praktischen, vereinfachenden Gründen wird der Totaldruckverlust als spezifische
Größe für die gesamte Brennkammersektion zusammengefasst dargestellt mit
pt B p − pt 4
= εB = t 3 · (2.3-23)
pt 3 pt 3
Übliche Werte liegen bei εB ≈ 0,02 bis 0,05. Infolge der Druckverluste ergibt sich damit
für den mittleren Totaldruck am Brennkammeraustritt
pt B
pt 4 = pt 3 1 − . (2.3-24)
pt 3
118 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Brennkammer B ( 3 → 4 )
pt4
3 4 ht4 4 41
mB c 24
p4 Tt4
T4
2
m4
m3 qB
Energiebilanz
m3 h t 3 + mB (hB − B Hu ) = m4 ht 4
pt3
h 3 ht3
Tt3
c 32
T3
p3 2
s
wT
wTis
44
h pt44 ht44
Tt44
p44
ht44is 44is T44
Leistungsbilanz Rotor PC+ PEx= PT
s
Abb. 2.3-7 Turbine bzw. hier gekühlte Hochdruckturbine T mit Energie- bzw. Leistungsbilanz
und mit dem Zustandsverlauf der Heißgase im h-s-Diagramm
Mit Hilfe einer Energiestrom-Bilanz für die Brennkammer zwischen Ebene 3 und 4 wird
der für die Aufheizung des Luftstromes ṁ3 auf die Arbeitsprozess-Spitzentemperatur Tt4
notwendige Brennstoffstrom ṁB bestimmbar. Der mit den Totalgrößen der Enthalpie
2.3 Arbeitsprozess von Turboshaft und Turbojet 119
Mit Hilfe von geeigneten cp- oder κ-Diagrammen, Tabellenwerten oder Rechenpro-
grammen können durch entsprechende Iterationen die Enthalpiewerte, Tempera-
turen und das Brennstoff-Luft-Verhältnis FAR auf eine gewünschte Genauigkeit
bestimmt werden.
Die Totaltemperatur am Brennkammeraustritt bzw. die Turbinen-Eintrittstemperatur
TET stellt auch die maximale Temperatur Tt max des Gasturbinen-Arbeitsprozesses dar
und wird meistens aufgrund von technologischen Gesichtspunkten vorgegeben.
Der Verdichter C mit der mechanisch verbundenen Turbine T bilden zusammen den
Gasgenerator GG der 2-welligen Gasturbinen-Anlage. Die Entspannung der Heißgase
beginnt mit der maximalen Prozesstemperatur Tt4 am Eintritt der Turbine bzw. hier der
Hochdruckturbine und liefert die zum Antrieb des Verdichters und gegebenenfalls eini-
ger externer Hilfsgeräte PEx benötigte Wellenleistung PT. Die Expansion der Gase in der
gekühlten Turbine findet zwischen den Ebenen 4 bis 44 statt.
Für jeden stationären Betriebspunkt muss das Leistungsgleichgewicht am Rotor mit
Verdichter und Turbine erfüllt sein, das sich für den Gasgenerator also folgendermaßen
ergibt
PT ηm = PC + PEx (2.3-33)
bzw. mit den jeweiligen Massenströmen im Verdichter ṁC und der Turbine ṁT sowie
den spezifischen Leistungen ht = cp Tt
ṁT ht T ηm = ṁC ht C + PEx . (2.3-34)
Die Leistung der Hilfsgeräte PEx liegt bei etwa 1 bis 3 % der Turbinenleistung.
Die Anforderungen moderner ziviler Transportflugzeuge führen zu einem weiteren
Anstieg der für die Hilfsgeräte notwendigen Leistung. Der mechanische Rotor-Wir-
kungsgrad ηm berücksichtigt im wesentlichen Lager- und Dichtungsverluste.
Das hohe Niveau der Prozess-Spitzentemperatur Tt4 erreicht im Volllastbetriebs-
bereich häufig Werte über 1700 K bis etwa 1900 K und erfordert besondere Kühlmaß-
nahmen. Auf Details spezieller Kühlmethoden wird in Abschn. 4.3 eingegangen. Für
die in diesem Abschn. 2.3.5 vorgestellte Leistungsrechnung der Heißgasentspannung
in den gekühlten Turbinengittern wird die Absenkung der Totalenthalpie in der Tur-
bine wT = htT = ht4 − ht 44 unter Berücksichtigung der im Detail komplizierten
Zuführung einzelner, vom Verdichter kommender Kühlungsströme in drei Abschnitten
berechnet.
Hierzu wird die Summe aller Kühlluftströme in zwei Gruppen aufgeteilt. Dabei
wird angenommen, dass ein Kühlluftanteil in der Turbine Arbeit leistet während der
zweite Anteil an der Expansion in der Turbine nicht teilnimmt und somit einen Druck-
abfall über eine reine Drosselung erfährt. Die Zumischung des Kühlluftanteils, der in
2.3 Arbeitsprozess von Turboshaft und Turbojet 121
der Turbine Arbeit leistet, erfolgt vor dem Turbinenrotor (Ebene 41). Der nicht Arbeit
leistende Anteil wird nach dem Turbinenrotor (Ebene 43) zugemischt. Zwischen den
Zuständen 41 und 43 wird eine adiabate, verlustbehaftete Expansion des Heißgases
wie in einer ungekühlten Turbine durchgeführt. Die Enthalpiedifferenz ht41 − ht43 ent-
spricht somit der spezifischen Turbinenleistung PT /ṁ41 = �htT = wT und ist in der
Leistungsbilanz nach Gl. 2.3-34 zu verwenden. Die modellhafte Abbildung der Kühlluft
hat somit großen Einfluss auf die Enthalpiedifferenz und damit auf den angegebenen
Turbinenwirkungsgrad (Abschn. 4.3).
Die Basis der Mischungsrechnungen von Kühlluft und Heißgas stellen die Erhal-
tungssätze von Masse und Energie dar (Abschn. 2.1.1). Hierbei wird angenommen,
dass die Sekundärluft bei der Einmischung den gleichen Totaldruck wie die Hauptströ-
mung besitzt. Für die Sekundärluft werden dabei vereinfacht die thermodynamischen
Zustandsgrößen an der Entnahmestelle angenommen.
Für die erste Kühlluftzumischung von ṁC1 in die Hauptströmung gemäß den Darstel-
lungen in Abschn. 4.3.7 ergibt sich für den Massenstrom
ṁ41 = ṁ4 + ṁC1 1 (2.3-35)
und für die Energiebilanz (4-41)
ṁ41 ht 41 = ṁ4 ht4 + ṁC1 1 hC11 . (2.3-36)
Hieraus ergibt sich durch Auflösung der Gl. 2.3-36 und mit Beachtung der Darstellung
des halbidealen Gases die gesamte spezifische Total-Energie nach der Mischung
1 κT κT
ht41 = ṁ4 R Tt4 + ṁCl 1 R Tt3 (2.3-37)
ṁ41 κT − 1 κT − 1
und damit für die Total-Temperatur
κT
Tt41 = ht41 R . (2.3-38)
κT − 1
Die durch die Mischung aerodynamisch bedingten Verluste können zum Beispiel über
ein Mischungs-Druckverhältnis ΠMCl 1 berücksichtigt werden. Somit ist der Totaldruck
pt 41 = pt4 M Cl 1 . (2.3-39)
Die weitere Expansion der Heißgase in der nun vereinfacht angenommen adiabat
arbeitenden Turbine erfolgt nach den Gesichtspunkten einer ungekühlten Turbine.
Aus der Leistungsbilanz am GG-Rotor gemäß Gl. 2.3-34 ergibt sich die spezifische
Turbinenleistung
und mit dem isentropen Turbinenwirkungsgrad folgt die spezifische isentrope Expansi-
onsleistung der Turbine
�htT cpT (Tt41 − Tt 43 is )
�ht T is = = (2.3-41)
ηT is ηT is
Aus der Enthalpiedifferenz der Gl. 2.3-40 kann die Temperatur
ht T
Tt 43 = Tt 41 − κT
R (2.3-42)
κT − 1
sowie aus Gl. 2.3-41 über die Isentropen-Beziehung zwischen Zustand 41 und 43 ist der
Totaldruck
κT
κT −1
ht T is
pt 43 = pt 41 1 − κT · (2.3-43)
κT −1 R Tt 41
Mit dem Durchsatz ṁT = ṁ41 = ṁ43 ist die von der Turbine abgegebene Wellenleistung
bestimmbar
PT = ṁT ht T . (2.3-44)
Mit den bekannten Totalzustandsgrössen Tt43 und pt 43 sowie dem Durchsatz ṁ43 und
dem Kühlluftstrom ṁCl 2 können wiederum über eine Mischungsrechnung zwischen den
Positionen 43 und 44 die endgültigen Zustandsgrößen am Austritt der gekühlten Hoch-
druckturbine berechnet werden. Dies ergibt gemäß der vereinfachten Mischungsrech-
nung von Zustand 4 auf 41 nun analog für 43 auf 44 die Total-Zustandsgrößen für die
Enthalpie, die Temperatur und den Druck
1
ht 44 = (ṁ43 ht 43 + ṁCl 2 ht 3 ) (2.3-45)
ṁ44
mit ṁ44 = ṁ43 + ṁCl 2,
κT
Tt44 = ht44 R (2.3-46)
κT −1
und
pt 44 = pt 43 M Cl 2 (2.3-47)
mit dem Mischungs-Druckverhältnis �M Cl 2 = pt 44 /pt 43 entsprechend den aerody-
namischen Mischungsverlusten. Damit sind die Ausgangsgrößen für die Expansion
der Heißgase in der Nutzleistungsturbine PT gegeben, wobei der Übergang der Strö-
mung von der GG-Turbine T auf die hier betrachtete ungekühlte Niederdruckturbine
LPT bzw. PT vereinfacht über eine adiabate Rohrströmung gegebenenfalls mit geringen
Totaldruckverlusten berücksichtigt werden kann.
2.3 Arbeitsprozess von Turboshaft und Turbojet 123
Nach dem Abschluss des inneren Energieaustausches im Gasgenerator kann die verblei-
bende Nutzenergie entsprechend dem Energiepotential der Heißgase in der Strömungs-
ebene 44 gegenüber der Umgebung in der Nutzleistungsturbine PT abgebaut werden
(Abb. 2.3-8). Am Austritt aus der Nutzturbine (Ebene 5) liegen bei gut ausgelegten
Turbinenstufen mittlere Austrittgeschwindigkeiten c5 von weit über 100 m/s vor. Es ist
deshalb zweckmäßig, die Nutzleistungsturbine und den anschließenden Abgaskanal so
auszulegen, dass einerseits eine große spezifische Leistung wPT = �ht PT = PPT / ṁPT
der Nutzleistungsturbine erzielt wird, andererseits die kinetische Energie der Abgase
c82/2 nicht zu hoch ist. Dies würde einen Energieverlust für den Arbeitsprozess einer
Turboshaft-Gasturbine bedeuten.
Bei stationären Gasturbinen-Anlagen sowie bei Gasturbinen zum Beispiel für langsam
fliegende Hubschrauber ist es deshalb im Sinne der Aufgabe des Triebwerks angebracht,
die Wellenleistungsturbine PT (44-5) mit einem Austrittsdiffusor Div (6-8) gekoppelt zu
betrachten. Der Diffusor hat dabei die Aufgabe, die relativ hohe Geschwindigkeit c5 auf
c8 < 100 m/s herabzusetzen, wobei der Strömungsdruck p5 kleiner als p8 und damit auch
kleiner als der Umgebungsdruck p0 sein kann.
Die optimale Anpassung im Auslegungsfall der Sektion (5) bis (8), also Nutzleis-
tungsturbine PT und Austrittsdiffusor Dif, erfolgt durch Iterationsrechnungen, da c8
und die spezifische Wellenleistung wPT voneinander abhängen.
Mit einer angenommenen Geschwindigkeit c5 bzw. mit der kinetischen Energie c25 /2
sowie der vorläufigen Annahme für die statischen Drücke p5 ≈ p8 ≈ p0 kann eine isen-
trope Enthalpiedifferenz zwischen Zustand 44 und 8 näherungsweise berechnet werden
� � κPT −1
p5 κPT
hEx is = ht 44 − h5 is = cp PT Tt 44 1 −
pt 44
. (2.3-48)
c25
≈ ht PT is +
2
Damit ergibt sich eine isentrope spezifische Leistung der PT, mit der das Turbinen-
Totaldruckverhältnis �PT = pt 44 /pt 5 zusammenhängt
� � κPT −1
pt5 κPT
wPT is = ht PT is = cp PT Tt 44 1 − . (2.3-49)
pt 44
Turboshaft-Triebwerk TS pt44
Nutzleistungsturbine PT 44 ht44 Tt44
( 44 → 5 ) ungekühlt c 24
2
44 5 8 wPT
wPTis
FN = ṁ8 c8 + A8 p8 − p0 , (2.3-55)
wobei der Schubanteil A8 p8 − p0 bei angepasster Düse mit p8 ≈ p0 meist unbedeu-
tend ist.
Mit den Totaldruckverlusten zwischen den Ebenen 5 bis 8 pt59 = pt5 − pt8 kann das
Druckverhältnis pt8 /p8 mit p8 ≈ p0 berechnet werden. Mit konstanter Totaltempera-
tur Tt8 = Tt5 (angenommen adiabate Stromröhre 5-8) ist die Abströmgeschwindigkeit c8
aus der kinetischen Energie zu bestimmen
� � κ8 −1
c28 p 8
κ8
= cp8 Tt8 1 − . (2.3-56)
2 pt8
κ2 κ2
pt2 Tt2 κ2 −1 κ2 − 1 2 κ2 −1
= = 1+ M2 (2.3-62)
p2 T2 2
berechnet werden.
Die mittlere Strömungsgeschwindigkeit ist
c2 = M2 a2 = M2 κ2 R T2 · (2.3-63)
Der Außen- und Innenradius ra und ri des Strömungskanals wird entsprechend der
Geometrie des Ringkanals
Die von Abschn. 2.3.1 bis 2.3.5 erläuterte vereinfachte Berechnung des Arbeitsprozesses
einer typischen Turboshaft-Gasturbine mit Gasgenerator GG und Nutzleistungsturbine
PT ist im Anhang A 1 formelmäßig aufgelistet und als einführendes Übungsbeispiel für
„Handrechnungen“ neben der numerischen Leistungsrechnung mit z. B. dem Programm
[GasTurb] vorgesehen. Die Zahlenwerte betreffen typische Auslegungen von Gasturbi-
nen und Flugantrieben sowie für stationäre Kraftanlagen.
Wird der Gasgenerator bzw. das Kerntriebwerk (core engine) mit Turboverdichter,
Brennkammer und Hochdruckturbine anstelle der Nutzleistungsturbine PT mit einer
Schubdüse N gekoppelt betrieben, so entsteht ein Turbojet-Triebwerk TJ (Turboluft-
strahltriebwerk TL) als Schubtriebwerk (Abb. 2.3-1b und Abb. 2.3-9). Das Potential der
nach der Turbine T zur Verfügung stehenden Nutzenergie entsprechend der isentropen
Enthalpiedifferenz hEx is zwischen Turbinenaustritt (Ebene 44) und Umgebungsdruck
p0 kann im Fall des Luftstrahltriebwerks zur Erzeugung von Strahlleistung PJ (jet power)
der abströmenden Heißgase und damit in Schubkraft eines Luftstrahltriebwerks umge-
setzt werden.
Die Beschleunigung der Heißgase vom Turbinenaustritt (Ebene 5) bis zum Trieb-
werksaustritt (Ebene 8/9) erfolgt über eine Schubdüse N. Diese kann bei Unterschall- und
kleinen Überschall-Flug-Mach-Zahlen bis etwa M0 = 1,5 bis 1,7 als konvergente Düse
(C-Düse) und bei großen Machzahlen M0 bis in den hohen Überschallflug als Überschall-
düse (Laval-Düse) bzw. Konvergent-Divergent-Düse (C-D-Düse) ausgeführt werden
2.3 Arbeitsprozess von Turboshaft und Turbojet 127
Turbojet-Triebwerk TJ
Schubdüse N 5 7 8/9
ht5=ht7 pt7 pt9 h =h
( 7 → 8/9 ) t7 t9
Tt7 Tt9
c 72
p7
2 T
7
c 92
5 7 8 9 c 92is 2
2
p9 h9
T9
p0<p9
p0
Nettoschub h
FN = m9 c 9 − m0 c 0 + A 9 (p9 − p0 )
s
(Abschn. 2.1.2 und Kap. 6). Diese Düse steht gleichsam anstelle einer Nutzleistungsturbine
PT und einem Abgasrohr.
Der jeweiligen Flugaufgabe angepasst sollte die Schubdüse einen maximalen Netto-
schub bieten, wobei zu berücksichtigen ist, dass eine angepasste vollständige Expansion
der Heißgase von Zustand 7 bis 8 oder 9 abhängig von den Düsenverlusten nicht unbe-
dingt den maximalen Nettoschub nach Gl. (2.1-76) ergibt
FN = FG − FE = ṁ8 c8 + A8 p8 − p0 − ṁ0 c0 . (2.3-66)
Zur Berechnung des Nettoschubs FN müssen die Abströmgeschwindigkeit c8, der stati-
sche Druck p8 sowie die Düsenaustrittsfläche A8 bestimmt werden. In Abb. 2.3-9 wird
schematisch die unvollständige Expansion der Heißgase in der Düse im h-s-Diagramm
gezeigt. Entsprechend den Hinweisen in Abschn. 2.1.2 und Kap. 6 zur Expansionsströ-
mung in Düsen wird hier nur eine einfache C-Düse betrachtet.
Durch den konvergenten Querschnittsverlauf der Düsenkontur können die Heißgase
maximal bis zum engsten
Querschnitt A8 auf Schallgeschwindigkeit a8 beschleunigt werden
√
c8 = a8 = κN R T8 , wobei die statischen Zustandsgrössen p8 < p7 und T8 < T7 mit
wachsender Beschleunigung der Strömung von c7 aufc8 kontinuierlich fallen. Bei verlustlo-
ser, isentroper Strömung liegt die Schalldurchgangslinie genau im engsten Querschnitt A8 krit
. Mit wachsenden Verlusten verschiebt sich die Iso-Machlinie M8 = 1 stromabwärts hinter
den engsten Kanalquerschnitt, was bei C-D-Düsen besonders ausgeprägt sein kann (Kap. 6).
Zur Definition von Düsen-Wirkungsgraden wird hier auf Kap. 6 verwiesen. Im
einfachsten Fall können die Verluste in der realen, nicht isentropen, adiabat ange-
nommenen Düsenströmung mit Hilfe von gut zu messenden Totaldruckverlusten
angegeben werden. Die entsprechenden Druckverhältnisse sind für das Übergangsrohr
128 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
�5, 6, 7 = pt7 /pt5 sowie für den konvergenten Düsenkanal �7, 9 = pt8 /pt7. Der Total-
druck am Düsenende ergibt sich damit zu
pt8 = pt5 5, 6, 7 7, 8 · (2.3-67)
Mit den verlustbedingten Totaldruckdifferenzen
pt5, 8 p − pt8
= t5 (2.3-68)
pt5 pt5
lässt sich der Totaldruck am Düsenaustritt pt8 ebenfalls berechnen. Ist das an der Düse
anliegende Druckverhältnis pt8 /p0 größer als das kritische Druckverhältnis pt8 /p8) krit,
dann liegt bei C-Düsen im Bereich des engsten Querschnitts A8 Schallgeschwindigkeit vor
M8 = 1 = Mkrit.
Das kritische Temperaturverhältnis hierzu wird aus der Beziehung nach Gl. (2.1-23)
bestimmt
Tt8 κN + 1
= = f(κN ) (2.3-69)
T8 krit 2
Das kritische Druckverhältnis lässt sich analog über die Isentropenbeziehung (Gl. 2.1-25)
zwischen den statischen und den Totalzustandsgrössen berechnen
κN
pt8 κN + 1 κN −1
= = f(κN ) (2.3-70)
p8 krit 2
mit dem Brennstoff-Luftverhältnis FAR = µB = ṁB /ṁ0 bestimmt werden kann, wobei
vereinfacht angenommen wird ṁ3 ≈ ṁ2 = ṁ0 .
Nach den einführenden Abschn. 2.2 und 2.3 zu den Arbeitsprozessen der einfachen Bau-
weisen von Turboshaft- und Turbojet-Triebwerken können nun wichtige, allgemeine
Parametergrößen zur Bestimmung des Auslegungspunktes A bzw. DS (design point)
definiert werden. Gezielte Parameterstudien verbunden mit entsprechenden Optimie-
rungs-Strategien stellen die Schlüsselaufgaben bei der Vorauslegung von einfachen hin
bis zu komplexen Hochleistungstriebwerken dar, wie sie mit Leistungssynthesepro-
grammen nach z. B. [GasTurb] durchgeführt werden können. Zum Teillastverhalten in
allen Lastbereichen wird in Kap. 7 bis 9 näher eingegangen [Mün60, Mün72K, Mün77B,
Haf82B, DGL00, Wal00B, Brä00Ba, Gri04B].
Bei den stationären Gasturbinenanlagen in der Energietechnik stellt neben der Tur-
binen-Eintrittstemperatur TET (turbine entry temperature) beziehungsweise Tt4 in
Verbindung z. B. mit der gesamten Wärmetechnik eines Kraftwerkes auch die Tur-
binen-Austrittstemperatur EGT (exhaust gas temperature) bzw. Tt5 eine wesentliche
Kenngröße dar. Diese Temperatur ist besonders bei den GuD-Kombinations-Kraft-
werken wegen der intensiveren Wärmenutzung ein wichtiger Prozessparameter im
Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der gesamten Gasturbinen-Anlage.
Bei den Turboshaft-Gasturbinen TS z. B. mit Nutzleistung-Turbine PT bzw. Wellenleis-
tungs-Gasturbinen ist die spezifische Leistung PS bzw. SPW (specific power) die auf den
Durchsatz ṁ0 bezogene nutzbare Leistung PW (Absolutbetrag). Dieser Prozess-Hauptpara-
meter entspricht dem spezifischen Schub FS bei den Luftstrahl-Triebwerken nach Gl. (2.3-73).
|PW | |PPT |
SPW = PS = = . (2.4-1)
ṁ0 ṁ0
Der thermische Wirkungsgrad ηth wird allgemeingültig mit dem Verhältnis der nach
außen abgebbaren Nutzleistung PW bzw. PWSD (output shaft power) bezogen auf den
zugeführten Wärmestrom bzw. dem Verhältnis der Nutzarbeit zur dem Prozess zuge-
führten Wärme definiert. Beim idealen Joule-Brayton-Prozess ergibt sich somit in
Abschn. 2.2.1 die Gl. 2.2-1a
|PW |
ηth = bzw. im Idealfall Gl. (2.97)
Q̇zu
(2.4-2)
qzu − qab T5 − T2
ηth id = =1− .
qzu T4 − T3
130 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
In der Energietechnik besonders bei den Kompaktanlagen, die häufig ihre Nutzleistung
an der Gasturbinen-Abtriebswelle über den angekoppelten Generator als elektrische
Leistung Pel = Pnet in das Stromnetz liefern, wird ein die zusätzlichen Verluste berück-
sichtigender thermischer Netto-Wirkungsgrad [Lec03B] definiert
|Pnet | |Pnet |
ηth net = ηth el = = . (2.4-3)
Q̇zu ṁB (Hu + hB )
Dabei stellt Hu den unteren Heizwert und hB die Wärme pro Masse des Brennstoffes dar.
Bei einem GuD-Kombikraftwerk mit der Wellenleistung der Gasturbine PW GT und
der Dampfturbine PW DT ergibt sich eine spezifische Leistung
|PWGT + PWDT |
PS Kombi bzw. PS GuD = (2.4-4)
ṁGT
und sinngemäß ein thermischer Wirkungsgrad der GuD-Kombianlage
|PWGT + PWDT |
ηth Kombi bzw. ηth GuD = (2.4-5)
Q̇zu
Der Wärmestrom Q̇zu entspricht dabei der in der Gasturbinen-Brennkammer mit dem
Brennstoffstrom zugeführten Energie.
Bei Gasturbinen-Schaltungen mit Wärmetausch, Zwischenerhitzungen und Zwi-
schenkühlungen ist bei der Definition von Kenngrößen sinngemäß wie in den oben
stehenden Darstellungen vorzugehen (Abschn. 2.2.1). Zu den realen Prozessen wer-
den detaillierte Hinweise über stationäre Gasturbinen-Anlagen zum Beispiel in
Lechner/Seume u. a. [Lec03B] gegeben.
Mit Abb. 2.4-1 wird für stationären Gasturbinen-Anlagen (Abschn. 2.8 und 2.9). in
Ergänzung zu Abb. 2.2-13, 2.2-14 und 2.2-15 sowie 2.3-1 ein Überblick über den Zusam-
menhang wichtiger Auslegungs-Parameter gegeben Es zeigt sich, dass im Vergleich der
Arbeitsprozesse ohne und mit Zwischenerhitzung RP (reheat prozess) durch RP wesent-
lich bessere thermische Wirkungsgrade erzielt werden können.
Schub-Kennwerte
Der spezifische Schub FS bzw. SFN (specific thrust) eines Flugtriebwerks kann gemäß
Abschn. 2.1.6 z. B. beim Vergleich von Luftstrahltriebwerken wie Turbojet, Turbop-
rop-, Turbofan- hin bis zu Ramjet-Triebwerken als wichtige Kenngröße definiert wer-
den, indem der Schub F bzw. der Nettoschub FN bezogen wird auf den vom Triebwerk
über den Einlauf aufgenommenen Massenstrom
SFN = FS = F/ṁ0 in kN/(kg/s). (2.4-6)
2.4 Ähnlichkeit, Leistung, Schub und Kenngrößen 131
8
0,30
6
1400 °C
0,25 1200 °C
Tt4=1000 °C
0,20
100 200 300 400 500 600
spez. Nutzarbeit w PT [kJ/kg]
Reheat-Joule-Prozess RP (halbideal)
(b) 0,50 ΠT 2 = pt44/pt5 Turbine 2
30
η th RP
1 Zwischenerhitzung zwischen 20
0,45 Turbine 1 und 2 15
κ = 1,35 = const
thermischer Wirkungsgrad
10
0,40
8
6
0,35 1400 °C
1200 °C
Tt4=Tt44=1000 °C
0,30
Annahmen:
Wirkungsgrade Verdichter und Turbinen const.
Turbinen-Eintrittstemperatur T t4 =Tt44=Tt4 RP
0,25
Druckverhältnis Turbine 1 ΠT1 = pt4/pt44 = 2 = const
Druckverhältnis Turbine 2 ΠT2 = pt44/pt5 variiert
0,20
100 200 300 400 500 600
spez. Nutzarbeit w PT [kJ/kg]
Mit der vereinfachenden Annahme für den Durchsatz ṁ0 = ṁ1 = ṁ2 in der allgemei-
nen Beziehung für den Schub nach Gl. (2.1-76) und dem Brennstoff-Luftverhältnis (fuel
air ratio) FAR = ṁB /ṁ0 lautet der spezifische Schub
F A9 p 9 − p 0
FS = = (1 + FAR)c9 − c0 + . (2.4-7a)
ṁ0 ṁ0
Bei vollständiger Entspannung der Heißgase in einer angepassten Düsenströmung mit
p9 = p0 ergibt sich
132 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
F
FS = = (1 + FAR)c9 − c0 im Standfall FS 0/ 0 = (1 + FAR)c9 . (2.4-7b)
ṁ0
Diese auf den Massenstrom bezogene Schubkenngröße FS stellt ein gutes Kriterium zur
Beurteilung des Volumens und der Masse bzw. des Gewichts eines Triebwerkes dar. FS
kennzeichnet quasi die Kompaktheit eines Flugtriebwerks. Damit verbunden ist weiter-
hin die Größe der Frontfläche A1 in Verbindung mit dem Stirnflächenschub F/A1, der
besonders eine wichtige Kenngröße für die Eignung eines Triebwerks zum Schnellflug
bzw. besonders für den Überschallflug darstellt.
Über den spezifischen Schub FS kann zum Beispiel der Luftdurchsatz und damit die
Dimensionierung eines Triebwerks abgeschätzt werden, wenn z. B. nach Auslegungsstu-
dien für ein bestimmtes Triebwerk die Größe des spezifischen Schubes FS vorgegeben ist.
In der allgemeinen Fachliteratur zur Beschreibung und zum Vergleich der Leis-
tungsfähigkeit von Schubtriebwerken wie Luft atmende Strahltriebwerke und Rake-
tentriebwerke wurde ehemals die Kenngröße spezifischer Impuls IS verwendet. Diese
Größe wurde lange Zeit leider auch zur Charakterisierung von Schubtriebwerken und
deren Brenn- bzw. Treibstoffen herangezogen. Er stellt sinngemäß das gleiche dar wie
der spezifische Schub FS nach Gl. 2.4-6. Es wird hier nur das alte, technische Maßsystem
verwendet mit Gewicht/Zeit als Bezugsgröße für den Durchsatz an Stelle des Massen-
stromes ṁ. Diese Dimension des spezifischen Impulses lautet
F c9
IS = = Dimension in [s], (2.4-8)
Ġ g0
also mit der Dimension Sekunden. Da g0 die erdgebundene Fallbeschleunigung ist, stellt IS
eine irdische Größe dar, was in der Raumfahrt nicht angebracht ist. So wird dazu beispiel-
haft in Abschn. 8.4 mit Abb. 8.4-1 ein Überblick zum Verlauf des spezifischen Impuls IS in
[s] abhängig von der Flug-Mach-Zahl der verschiedenen Antriebsarten gegeben.
Ähnliche Bedeutung wie der spezifische Schub hat bei den Turboshaft- und Turbo-
prop-Triebwerken von z. B. Hubschraubern und Propellerflugzeugen die spezifische
Wellenleistung PW,S bzw. SPW (specific power) wie vorstehend in Abschn. 2.4.1 bereits
ausgeführt wurde
PW
SPW = PW S = . (2.4-9)
ṁ0
Der auf den Schub F bezogene spezifische Brennstoffverbrauch SFC (specific fuel
consumption) lautet
SFCF = ṁB /F in kg/(kNs) oder kg/(Nh) (2.4-10)
und mit dem spezifischen Schub bei vollständiger Entspannung der Heißgase in der
Schubdüse (p9 = p0) sowie mit dem Brennstoff-Luftverhältnis FAR (fuel air ratio) gemäß
Gl. (2.4-8) ergibt dies
ṁB FAR
SFCF = = .
F (1 + FAR) c9 − c0 (2.4-11)
2.4 Ähnlichkeit, Leistung, Schub und Kenngrößen 133
Für diesen sehr wichtigen Auslegungsparameter SFC ist bei allen Flugaufgaben stets ein
Minimum anzustreben.
c29 c2
ṁ9 − ṁ0 0
ηth TJ bzw. ηth TFM = 2 2
ṁB ηB Hu
. (2.4-13a)
c29 c20
(ṁ0 + ṁB ) − ṁ0
= 2 2
ṁB ηB Hu
Mit der Vernachlässigung des Brennstoffanteils am Gesamtdurchsatz (ṁB => 0) wird
weiterhin vereinfachend angenommen, dass der Durchsatz gleich bleibt ṁ9 = ṁ0, der
Ausbrand ηB = 1 ist und der Schub damit nur durch
F = ṁ9 c9 − ṁ0 c0 ≈ ṁ0 (c9 − c0 )
erfasst wird.
Dann lautet der vereinfachte innere bzw. thermische Wirkungsgrad nach Gl. 2.4-13a
mit dem SFC
0 2 3 4 5 7 8/9
· c2 · c2
m9 9 − m0 0
ηth TJ = ηi TJ = 2 2
· η H
m
c0 c9 B B u
· m9
m0
h0 h8/9 4
· · η H
h QB = mB B u
·
QB 5 8/9
Enthalpie
3 c 92 2
c 02 2
0 2
2
c 2
0
Entropie s
Damit ergibt sich für ein Turbofan-Triebwerk TF z. B. mit hohem Bypassverhältnis BPR
nach Abb. 2.4-3 ein thermischer Wirkungsgrad
c29 eq c20
(ṁ0 + ṁB ) − ṁ0
2 2 . (2.4-15)
ηth TF =
ṁB ηB Hu
Bei Turbofan-Triebwerken ist die Leistungsfähigkeit und Effizienz des Kerntriebwerks
(core engine) wichtig. Dies betrifft besonders auf Triebwerksfamilien zu sowie auf deren
Weiterentwicklungen auf der Basis bewährter Triebwerke.
Am Austritt des Kerntriebwerks (core exit) steht zwischen dem dort vorliegenden
Druck und dem Umgebungsdruck p0 isentrop gesehen eine spezifische Nutzenergie
wcore,is zur Weiterverwendung zur Verfügung. Diese könnte bei einem Kerntriebwerk
sinngemäß als einfaches Turbojet-Triebwerk betrachtet nach Abb. 2.4-2 einer Geschwin-
2
digkeitsenergie c9 /2 der Abströmung entsprechen. Mit dieser Energie am Austritt
des Kerntriebwerks kann nun beim Turbofan-Triebwerk TF nach Abb. 2.4-3 in einer
Niederdruckturbine LPT und dem angekoppelten Fan F unter Berücksichtigung ent-
sprechender Verluste eine kinetische Energie für die Abströmung aus der Sekundär-
2
Schubdüse c19 /2 bewirkt werden.
2.4 Ähnlichkeit, Leistung, Schub und Kenngrößen 135
0
c19 . c 02
c0 mcore w core −
c9
is 2
ηcore = .
mB ηB Hu
c19
. .
QB = mB ηB Hu 4
5/8/9
wcore is-c02/2
3 p8
2 wcore
c 2
0
p0 is
21 25
13 19
0 2
c 02 2 p0
Entropie s
Mit einer solchen inneren Energieübertragung ergibt sich die Definition eines thermi-
schen Wirkungsgrades ηCore für das Kerntriebwerk
c2
ṁCore wCore is − 0
2 (2.4-16)
ηCore = .
ṁB ηB Hu
Um nun die Qualität der Energieübertragung vom Kerntriebwerk auf die Energie der
den Schub bestimmenden Abströmung der Bypass-Strömung über eine Kenngröße zu
erfassen, kann ein sogenannter Transfer-Wirkungsgrad für Turbofan-Triebwerke defi-
niert werden
ηth TF
ηTrans = bzw. ηth TF = ηTrans ηCore . (2.4-17)
ηCore
Dieser Transfer-Wirkungsgrad für Turbofan-Triebwerke beinhaltet also die Wirkungs-
grade von der Niederdruckturbine LPT und dem Fan F sowie Druckverluste im Bypass-
Kanal und in der Sekundärdüse sowie gegebenenfalls auch Verluste im Getriebe und
Mischer bei Getriebe-Turbofan-Triebwerken GTF.
Für den spezifischen Brennstoffverbrauch SFC eines Turbofan-Schubtriebwerkes wird
wie beim TJ der Brennstoffstrom ṁB auf den gesamten Schub F bezogen
SFCF = ṁB /F in kg/(kN s). (2.4-18)
136 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Bei modifizierten Turboshaft-Triebwerken mit Abgabe von Schub und vor allem von
Wellenleistung PW ggf. an verschiedene Abnehmer sollten sinngemäß zu den vorstehen-
den Definitionen entsprechende Kenngrößen analog angesetzt werden
SFCP = ṁB /PW in kg/(kW h). (2.4-19)
Schubleistung und Vortriebswirkungsgrad Wirkungsgrade werden bei Luftstrahltrieb-
werken wie allgemein definiert als der Quotient von Nutzeffekt und Aufwand, sie stellen
also das Verhältnis von zwei Energien bzw. zwei Leistungen dar.
Spezifische Strahlleistung. Die Technik der Luftstrahltriebwerke vom Turbojet
TJ bis Ramjet RJ beruht auf der Impulsübertragung. Es ist jedoch vorteilhaft, zunächst
Energien und Leistungen zu betrachten. Wird die Energie auf die Masseneinheit m und
die Leistung auf die Einheit des Massenstromes ṁ bezogen, dann wird von spezifischer
Energie bzw. spezifischer Leistung gesprochen. Bei Massenströmen ergibt sich für die
spezifische Strahlleistung PStrahl S bzw. SPJ (jet)
(c9 − c0 ) c0 2
ηP ≈ 2 =
c9 − c20 /2 c9 . (2.4-23b)
1+
c0
Mit der in Abb. 2.4-4 dargestellten Beziehung ist zu sehen, dass der Vortriebswir-
kungsgrad ηP mit der Zunahme von c9/c0 abnimmt. Bei Turbojet-Triebwerken bewirkt
also eine Verbesserung des Arbeitsprozesses, die zum Beispiel durch eine Steigerung
eines Komponentenwirkungsgrades erzielt wird, eine Zunahme des Wertes c9/c0.
Damit fällt aber der Vortriebswirkungsgrad ab. Günstiger werden die Verhältnisse
bei den Bypasstriebwerken, bei denen sich mit steigenden Bypassverhältnissen BPR
der Vortriebswirkungsgrad erheblich verbessert, wie zusammengefasst in Abb. 2.4-5
tendenzmäßig die Bereiche vom Turboprop, Turbofan bis Turbojet abhängig von der
Flug-Mach-Zahl zeigen.
0 2 8/9
Vortriebswirkungsgrad
(PropulsiveEfficiency) c0 c9
ηP
1,0
Vortriebswirkungsgrad
F c0 2
ηP = ⇒
0,8 c 92 c 02 c9
m9 − m0 1 +
2 2 c0
0,6
0,4
0,2
0,0
1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0
Geschwindigkeitsverhältnis c9 /c0
0,90
ηP Turboprop TP
Turbofan TF
Vortriebswirkungsgrad
0,80
0 2 8/9
Turbofan TFM
c0 c9
0,70
BPR
6,0
0,60 3,0
1,0
0,50
0 0,5 1,0 1,5
Flug-Mach-Zahl M0
Mit den bereits oben angeführten Vereinfachungen wie ηB = 1, ṁ9 = ṁ0 und Schub
F = ṁ0 (c9−c0) lautet mit ṁB = SFC F der Gesamtwirkungsgrad nach Gl. 2.4-24a
vereinfacht
c0
ηO = bzw. nach einigen Umstellungen
SFC Hu
2.4 Ähnlichkeit, Leistung, Schub und Kenngrößen 139
(c9 + c0 ) c0 (c9 − c0 ) 2
ηO = · 2 = ηth · ηP · (2.4-24b)
c9 − c20
2 SFC Hu
Dies entspricht nach Gl. 2.4-13b und 2.4-23a dem Produkt des thermischen Wirkungs-
grad ηth bzw. inneren Wirkungsgrades ηi mit dem Vortriebswirkungsgrad ηP. Mit
ηth = ηCore ηTrans nach Gl. (2.4-17) ergibt sich schließlich für den Gesamtwirkungsgrad
c0
ηO = = ηth ηP = ηCore ηTrans ηP . (2.4-24c)
SFC Hu
Es zeigt sich somit, dass der Gesamtwirkungsgrad ηO das Produkt des thermischen und
des Vortriebswirkungsgrades beziehungsweise das Produkt aus ηCore mal ηTrans mal ηP
ist. Der auf den Schub bezogene spezifische Verbrauch SFCF = ṁB /F sagt praktisch das
gleiche aus, wenn dazu die Fluggeschwindigkeit angegeben wird
ṁB c0 c0 c0
SFCF = = = = . (2.4-25)
F ηO Hu ηth ηP Hu ηCore ηTrans ηP Hu
Das bedeutet, dass bei einer Fluggeschwindigkeit c0 der spezifische Brennstoffverbrauch
SFCF umgekehrt proportional dem Gesamtwirkungsgrad ηO bzw. dem thermischen Wir-
kungsgrad ηth und Vortriebswirkungsgrad ηP ist. Eine Steigerung dieser Wirkungsgrade
führt zur Verbesserung des Brennstoffverbrauchs.
sowie die Gruppe der korrigierten Größen (corrected or referred) wie der Massenstrom
korrigiert
140 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
√ Tt
ṁ 288,15 K
ṁ θ kg
ṁcorr = = in z. B. (2.4-27)
δ pt s
101,325 kPa
ṁB ṁB
ṁB red = √ bzw. ṁB corr = √ , (2.4-31)
pt Tt δ θ
Leistung reduziert bzw. korrigiert
P P
Pred = √ bzw. Pcorr = √ , (2.4-32)
pt Tt δ θ
Schub reduziert bzw. korrigiert
F F
Fred = bzw. Fcorr = , (2.4-33)
p0 δ
Drehzahl reduziert bzw. korrigiert
n n
nred = √ bzw. ncorr = √ , (2.4-34)
Tt θ
Geschwindigkeit reduziert bzw. korrigiert
c c
cred = √ bzw. ccorr = √ ,
Tt θ (2.4-35)
2.4 Ähnlichkeit, Leistung, Schub und Kenngrößen 141
√
Mach-Zahl mit der Schallgeschwindigkeit a = κRT
c c
M= =√ , (2.4-36)
a κRT
Laval-Zahl bzw. Mach-Zahl kritisch
c 2 κ R Tt
La = M∗ = mit ccrit = , (2.4-37)
ccrit (κ + 1)
ṁB ṁB
(SFCP )red = bzw. (SFCP )corr = , (2.4-38)
P P
spezifischer Brennstoffverbrauch schubbezogen,
reduziert bzw. korrigiert
Verdichter C Turbine T
Einlauf E Brenn- Schubdüse N
kammerB C-Düse
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
T-s-Diagramm
Stand ISA / SL
H0=0 km M0=0
8/9
c 92
2
p0
[GasTurb]
Druck Temp.
pt , p Tt , T Geschwindigkeit c
[bar][K] [m/sec] 1 2 3 4 5 6 7 8
8 1600 800
Die Arbeitsprozessrechnung, wie sie in Abschn. 2.3 gezeigt wurde, stellt die Ver-
knüpfung der thermodynamischen und strömungsmechanischen Teilprozesse dar, die
schließlich eine Bestimmung des Brutto- und Nettoschubes FG und FN und anderer
Leistungsgrößen, wie zum Beispiel des spezifischen Brennstoffverbrauches SFC, ermög-
licht. Bei der Ausführung der Prozessrechnung für zum Beispiel Parameterstudien
können, abhängig von der jeweiligen Aufgabenstellung, gegebenenfalls vereinfachende
Annahmen getroffen werden.
Energiefluss-Diagramm Turbojet-Triebwerk
Brennstoffenergie c 02 2
.
q B = 100%
WC
Verd.
Brennkammer
Verluste Ausbrand
Turbine
Düse WT
Verluste Abstrahlung
c 92 2 c 02 2
wN
Abgaswärme
qab
FN
(c 9 − c 0)2 . c0
Strahl- m2
Verlustenergie 2 Vortriebsenergie
ist der Balken, dessen Breite durch die mechanische Verdichtung gegeben ist, in sich
geschlossen. Das die Turbine verlassende Heißgas wird schließlich auf die letzte Kompo-
nente des Turbojet, die Schubdüse, geleitet.
Da das Bezugssystem das bewegte Flugtriebwerk ist, muss zunächst diejenige Strah-
lenergie abgezogen werden, die der Energie der Zuströmung aus der Stauverdichtung
entspricht. Dies ist deshalb erforderlich, weil am Anfang der Bilanzierung die Energie
der Zuströmung als additives Glied behandelt wurde. Die Deckung dieser Stauenergie
ist auf diese Weise wie eine innere Energieübertragung zu behandeln und der entspre-
chende Energiebalken ist gleichfalls in sich geschlossen.
Um den Energieanteil zu bestimmen, der für den Vortrieb genutzt werden kann,
muss zunächst die resultierende Austrittsgeschwindigkeit aus der Schubdüse c9 bekannt
sein. Da diese resultierende Austrittsgeschwindigkeit c9 größer als die Fluggeschwindig-
keit c0 ist, entsteht ein Verlust. Der größte Energieverlust liegt bei diesem Beispiel in der
Wärme der Abgase, deren Temperatur bei einem Flugtriebwerk besonders hoch ist.
Prinzipiell ist es auch möglich, einen Teil der Abgaswärme in einem Wärmetauscher
zurückzugewinnen, wie es bei Gasturbinen der stationären Energietechnik häufiger der
Fall ist (Abschn. 2.9). Diese Art der Wärmerückgewinnung bei Flugtriebwerken wurde
bisher nur bei einigen Prototypen versuchsweise getestet, sollte aber bei zukünftigen
Triebwerksprojekten wieder mehr an Bedeutung erlangen (ACARE-Programm der
EU). Nur bei sehr langen Betriebszeiten lohnt es sich damit den spezifischen Brenn-
stoffverbrauch zu vermindern, da Wärmetauscher wegen der hohen Durchsätze
aufwendig an Volumen und Masse werden und außerdem zum Teil beträchtliche
Druckverluste verursachen.
Zusammenfassend zum Energiefluss-Diagramm kann festgestellt werden, dass damit
eine einfache, übersichtliche Darstellung der Energie- und Wärmeströme möglich ist
durch Gegenüberstellung zum Beispiel der prozentualen einzelnen Energieanteile, wie
es besonders in der Energie- und Kraftwerkstechnik bei komplexen Anlagen und deren
Energiebilanzen zweckmäßig sein kann.
[ kNg s ]
Druckverhältnis
SFCF Temperatur Tt4= 1800 K 5 OPR
50 pt 3
1600 K pt 2
spez. Brennstoffverbrauch
1400 K 10
1200 K 15
40
20
25
30
Weiterhin sind die Auswirkungen der Abgabe von verdichteter Abzapfluft bzw.
Bleed-Luft (bleed air) und die externe Entnahme von Wellen-Leistungen PEx,i als Ein-
flussgrößen zu nennen.
Die Berechnung der Triebwerksleistungen wird abhängig von den Umgebungsbedingun-
gen durchgeführt und auf Normzustände umgerechnet. Dies betrifft den mit der Flughöhe
abnehmenden Luftdruck, wobei die Umgebungstemperatur bis zur Höhe von 11000 m sinkt.
Die Temperaturabhängigkeit der Triebwerke an kalten und heißen Tagen ist ebenfalls gegen-
über den Normbedingungen zu korrigieren. Die Leistungsgrößen bei Gasturbinen und Flug-
triebwerken ändern sich damit gegebenenfalls erheblich mit dem Eintrittsdruck p0 bzw. p1
und mit der Eintrittstemperatur T0 bzw. T1. Davon abhängig ändert sich mit den Kompo-
nenten-Wirkungsgraden auch der spezifische Brennstoffverbrauch SFC der Triebwerke. Wei-
terhin sind Grenzwerte für unzulässige oder instabile Betriebsbereiche zu berücksichtigen. In
größeren Flughöhen sind die Verschlechterung der Wirkungsgrade und der Stabilitätsberei-
che in Abhängigkeit von den Reynolds-Zahlen besonders zu beachten (Abschn. 4.2.6).
Auch der Einfluss der Flug-Mach-Zahl und damit die Vorverdichtung durch den
Luftaufstau verändert den Massenstrom und damit das Leistungsverhalten erheblich.
Bei der Vorprojektierung eines Triebwerks werden unter Berücksichtigung der
beabsichtigten Auslegungsgrößen realistische Komponenten-Wirkungsgrade für einen
Auslegungspunkt DS (design point) angenommen. Dazu wird der Arbeitsprozess für
den geplanten Flugbereich mit vorgegebenen Verdichter-Druckverhältnissen und
2.5 Turbojet- und Ramjet-Triebwerke 147
Turbojet TJ Flughöhe
g H0= 9000 m
SFCF
kN s pt 3
50 Druckverhältnis OPR
pt 2
5
spez. Brennstoffverbrauch
M0 2,0
1,5 1,2 0,8
OPR Höhe
10 5 H0 = 0 m
40 M0 = 0
15
20
25 10
15
20
30 25
Zum Vergleich ist in Abb. 2.5-5 für den Start in Seehöhe (SL, STD) die Abhängigkeit
des spezifischen Schubs und des spezifischen Verbrauchs für die gleichen Auslegungspa-
rameter dargestellt. Beide Werte sind für den Standfall günstiger als im Flugfall.
Für den Startfall in Seehöhe ist der verschiedene Einfluss der Komponenten-
Wirkungsgrade zu beachten. Zu erkennen ist dabei die stärkere Auswirkung einer Wir-
kungsgradänderung beim Verdichter gegenüber derjenigen bei der Turbine. Das steht
im Gegensatz zum Turboshaft-Triebwerk. Zusammengefasst kann festgestellt werden,
dass sich beim Turbostrahltriebwerk eine Wirkungsgradänderung des Verdichters
erheblich stärker auswirkt als eine solche bei der Turbine.
Mit wachsender FlugMachZahl wird eine steigende Turbinen-Eintrittstemperatur
immer vorteilhafter für die Wirtschaftlichkeit eines einfachen Turbojets. So gesehen ist
die Turbinen-Schaufelkühlung trotz der damit verbundenen Verluste von Bedeutung.
Beispielsweise wird für ein Geschäftsreiseflugzeug ein relativ einfach gebautes und preis-
wertes Triebwerk gewünscht sein. Eine Schaufelkühlung der Turbine sollte dabei nicht
so intensiv ausgeführt werden. Das Verdichterdruckverhältnis muß dann folgerichtig
niedriger sein als bei einem Triebwerk mit wirksamerer Turbinen-Schaufelkühlung und
hohem Wirkungsgradniveau.
Bei der endgültigen Wahl der Auslegungsparameter sind noch weitere Bewertungspa-
rameter wie die Triebwerksmasse, der Durchmesser, die Stirnfläche des Triebwerks, das
Einbauvolumen und von den Betriebseigenschaften z. B. die Startzeit sowie die Beschleu-
nigungszeit von Leerlauf auf Volllast zu beachten.
Erfahrungsgemäß sind die erreichbaren Leistungskenngrößen wie der spezifische
Schub FS bei Turbojet bzw. die spezifische Leistung PS bei Turboshaft-Triebwerken und
der spezifische Brennstoffverbrauch SFC, aber auch das Verhältnis Schub/Masse bzw.
Leistung/Masse von der Triebwerksgröße stark abhängig.
Durch die Abgabe von Bleed-Luft oder die Entnahme von Wellenleistung kann sich
das Triebwerksverhalten beträchtlich verändern. Bei Bleed-Luftentnahme oder bei
Abgabe von Leistungen an Nebengeräte verändert sich die Betriebslinie im Verdichter-
kennfeld (Kap. 7, 8 und 9). Es kann daher, ähnlich wie bei instationären Betriebszustän-
den, zum Pumpen oder zur Triebwerksüberhitzung kommen. In großer Flughöhe ist
dieser Gefahr besondere Beachtung zu schenken (Abschn. 4.2.6 und 4.2.7).
Beim Einbau eines Triebwerks in die Flugzeugzelle ergeben sich, abhängig von der
Einlauf- und Schubdüsenauslegung und deren Integration mit der Zelle Auswirkungen
auf die installierten Schübe und auf die Brennstoffverbräuche des Triebwerks, die im all-
gemeinen bei der Flugleistungsrechnung dem Triebwerk zur Last gelegt werden. Sie soll-
ten bei der Optimierung des Arbeitsprozesses berücksichtigt werden.
Die vom Hersteller der Flugzeug-Zelle spezifizierten Luft- und Leistungsentnah-
men sind in der Regel bekannt und können bei einer Optimierung des Arbeitsprozesses
berücksichtigt werden. Im Laufe der Entwicklung eines Triebwerks auftretende Abwei-
chungen von diesen Auslegungszuständen sind zudem mit Syntheserechnungen wie
[GasTurb] gut simulierbar und in ihrer Wirkung abzuschätzen. In Kap. 7 wird bei der
Darstellung der numerischen Leistungs-Syntheserechnung darauf genauer eingegangen.
2.5 Turbojet- und Ramjet-Triebwerke 149
1,
FN
1,
55
[%] 1,
50
4 3000
FN DS 0
1,
1,10
1,2
1,2
30
5
6000
0
Nettschub rel.
9000
H
50 11000
12000
15000
18000
0
0 1,0 2,0
Flug-Mach-Zahl M0
Es wird sich dabei zeigen, dass das Betriebsverhalten eines Turbojet-Triebwerkes bei
variablen Betriebsbedingungen im Teillastbetrieb ausgehend vom Auslegungspunkt A
bzw. DS mit numerischen Triebwerks-Synheseprogrammen GTSSD iterativ gut bestim-
men lässt. Dabei können zum Beispiel die charakteristischen Leistungs- und Schubkenn-
felder mit Hilfe numerischer Iterationstechnik für beliebige Arbeitsprozesse abhängig
von der Flugmission umfassend erstellt werden. Dazu werden in Kap. 7 ausführlich
numerische Verfahren zur Bestimmung der Triebwerkskennfelder erläutert und Bei-
spiele für typische Flugantriebe vorgestellt. Aus diesen Syntheserechnungen wird vorab
aus Kap. 7 hier in Abb. 2.5-6 das Schub- und Verbrauchskennfeld eines Turbojet TJ
ermittelt mit dem Syntheseprogramm [GasTurb] gezeigt.
Der charakteristische Schubverlauf eines Turbojet-Triebwerkes wurde in dieser Darstel-
lung bezogen auf den Nettoschub des Auslegungspunktes DS (design point) im Standfall
(ISA, SL) aufgetragen in Abhängigkeit von der Flug-Mach-Zahl M0 mit den Werten des
spezifischen Brennstoffverbrauchs SFCF bei den erreichbaren Flughöhen H0 bis zu 18 km.
Bei kleinen Fluggeschwindigkeiten c0 hat eine Schubkurve wegen des Ansteigens des
Eintrittsimpulses und des noch geringen Einfluss des Vorstaues eine abfallende Ten-
denz. Mit größer werdender Fluggeschwindigkeit wirkt sich der Luftaufstau stärker
aus, die Dichte der vom Triebwerk aufgenommenen Luft wächst merklich und führt zu
einer Durchsatz- und damit Schubsteigerung. Bei sehr großen Flug-Mach-Zahlen steigt
jedoch das Temperaturniveau im Verdichter derart an, dass bei konstant zu haltender
150 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
pt7 pt9
Tt7 7 9 Tt9
C-D-Düse
Nachbrenner
QAB c 92
2
p9
pt4 p0
Tt4 4
T
Brennkammer 5 6
QB
pt3
h Tt3 3
Verdichter
Einlauf 0 2
c 02
T0 p0
2
s
Das schubstärkste Einwellen-Turbojet dieser Bauweise, das GE-4 wurde in den 1960er
entwickelte und war für das Mach-3+-Überschall-Verkehrsflugzeugs Boeing SST ausge-
legt mit einem Standschub von nahe 250 kN (Abb. 8.5-1 und 8.5-2). Die Entwicklung
dieses Projektes wurde nach dem Flugzeug-Roll-Out wegen zu hoher Umweltbelastun-
gen und ungenügenden ökonomischen Werten um 1972 aufgegeben.
Beim TJA werden die für eine weitere Verbrennung noch genügend Sauerstoff ent-
haltenden Heißgase hinter der Turbine von einer Mach-Zahl M5 ≈ 0,4 bis 0,65 in einem
Diffusor auf eine Geschwindigkeit entsprechend M6 ≈ 0,2 bis 0,3 verzögert, damit eine
einwandfreie Verbrennung im Nachbrennerrohr möglich ist. Zur Stabilisierung der
Flammen im anschließenden zylindrischen Flammrohr ist nach dem Diffusor ein Flam-
menhalter notwendig. Vor dem Flammenhalter liegt das Brennstoff-Einspritzsystem.
152 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
2 3 4 5 6 7 8/9
Druck Temp. Geschwindigkeit
pt [bar] Tt [K] [m/sec]
10 2000 1000
6 1200 200
Druck pt
4 800 200 Geschwindigkeit c
2 400 200
0 0 0
2 3 4 5 6 7 8/9
ATAR-9K SNECMA
1,0 Totaldruck-
M7 verluste
0,9 Eintritts- ∆pt t7 p t 61 p
Machzahl p t 61 p t 61
Austritts-Machzahl 0,8 M61 12%
11%
0
0,7
0,5
10%
40
0,
40 9%
0,6 0,
5 8%
0,3
7%
0,5
0,30 6%
5%
0,4
0,25 4%
3%
0,3 2% 0,20
1%
0,2
1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4
Totaltemperaturverhältnis Tt7/Tt61
Bis zum Beginn der Wärmezufuhr in der Flammenfront (Ebene 61) nach dem Brenn-
schirm bleibt die Gesamtenthalpie der Strömung konstant (ht61 = ht6 = ht5). Die Ver-
luste im Diffusorkanal (Ebene 5–6) und am Brennschirm (6–61), gekennzeichnet durch
einen Gesamtdruckabfall, betragen etwa 1 bis 3 % des jeweiligen Eintrittsdruckes pt5 bzw.
pt6. Die Wärmezufuhr in dem annähernd zylindrischen Nachbrennerrohr (Ebene 61-7)
wird analog der bereits erwähnten Energiezufuhr in der Primärbrennkammer des Tur-
bojet-Triebwerkes berechnet (Kap. 5).
Bei vorliegender Nachbrenner-Endtemperatur Tt7 kann über eine Energiestrombilanz
das Brennstoff-Luft-Verhältnis FARAB = ṁBAB /ṁ61 und damit der benötigte Brenn-
stoffmassenstrom ṁBABbestimmt werden. Es ist zu beachten, dass im Unterschied zur
Primärbrennkammer nicht Luft, sondern ein Heißgasgemisch für die Verbrennung zur
Verfügung steht und dass der Ausbrand bei etwa ηB AB = 0,85 bis 0,98 liegt.
Bei dieser Wärmezufuhr im Nachbrennerrohr wie es in Abschn. 2.1.3 beschrieben
wurde (Rayleigh-Linie) ergeben sich strömungsmechanische Reibungs- und Turbu-
lenzverluste und damit entsprechende Totaldruckverluste Δpt,Ström = (pt61−pt7)/pt7
im Bereich von 1 bis 4 % (Abb. 2.5-9). Hinzu kommen die Gesamtdruckverluste ther-
mischer Art ΔptAB,Therm, die durch die Aufheizung eines reibungsfrei angenommenen,
strömenden Mediums im Nachbrennerrohr zustande kommen. Diese Druckverluste
sowie die weiteren Zustandsgrößen, Geschwindigkeiten und Mach-Zahlen lassen sich
154 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
7,0
FN AB
FN 6,0
OPR= 5
Tt4 = 1200 K
Schubsteigerung
5,0
H0 = 11 km ,2 5
4,0 =2 00
/ T t61 2,
T t7 5
3,0 1 ,7
0
1, 5
2,0 1,25
1,0
2,0
SFC AB OPR = 5
SFC Tt4 = 1200 K
Tt7 /
Tt6
= 2,
H0 = 11 km
Brennstoffverbrauch
1
25
1,5 2,00
spezifisch rel.
1,75
1,50
1,25
1,0
1,0 1,5 2,0 2,5 3,0
Flug-Mach-Zahl M0
1,4
Eintritts-
FNAB/FN
Mach-Zahl M61 0,20
0,25
Nettoschub-Verhältnis
1,3
0,30
0,35
1,2
0,40 nt
sta itt
n tr
1,1 ko us
tr e n-A
we ine
0,50 nz rb
re T u
G
am
1,0
1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4
Gesamttemperatur-Verhältnis Tt7/Tt61
2,35
9000 m
150
2,30
2,25 11000 m
2,20
12000 m
100
2,15
15000 m
50
2,15 18000 m
0
0 1,0 2,0 3,0
Mach-Zahl M0
dem Betrieb ohne Nachbrenner (Abb. 2.5-6) allerdings bei entsprechend hohem Brenn-
stoffverbrauch. Dieses Betriebsverhalten bei verschiedenen Betriebsbedingungen wurde
wie für das Kennfeld in Abb. 2.5-6 mit dem numerischen Triebwerks-Syntheseprogramm
nach [GasTurb] bestimmt, wie dies in Kap. 7 demonstriert wird.
0 1 2/6 7 8 9
Unterschall-
M p t, p T t, T verbrennung
[bar] [K] pt
Tt
4 4 2000
M T
3 3 1500
pt
pt
2 2 1000 p
Tt Tt M
1 1 500 T
T M p
0 0 0 p
pt7 pt9
Tt7 Tt9
c 72
T7 2
qB c 92
2
p9
T9
Tt0 Tt2 0 2
pt2 c 22
h c 02 p2 T2
2
2
T0
p0
Nettoschub spez.
Darstellung
2-Stoß-Einlauf 6
4,0 2,
A 2,5
3,5 5
2, 2 ,4
3,0
2,0
2,5 2, 3
2,0
2, 4
h
2,5 g/da
N
1,5 ,6 k
)=2
m
1,5
11 k
/ T t2,
(T t2
1,0 /
SFC
0,30
,40
0,35
0,25
0,5
2t 0
0,20
M =
0,0 0,15
0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0
Flächenverhältnis A9/AB
als der Brennraumquerschnitt AB sein. Dies zieht eine divergente Außenkontur des
Triebwerks nach sich, die sich aber auf die gesamte Schubbilanz nicht ungünstig aus-
wirken muss, da der Flugkörper selbst eine nach rückwärts schlank auslaufende Form
haben kann.
Für die Darstellung eines Auslegungsdiagrammes nach Abb. 2.5-15 in Ähnlich-
keitskenngrößen wird der Schub nach Abschn. 2.4.2 meist auf den Umgebungsdruck
p0 und ebenfalls auf die Brennraumquerschnittsfläche AB bezogen, also FN/(AB p0).
Der Abszissenmaßstab A9/AB stellt bereits einen Verhältniswert dar. Die Verbren-
nungstemperatur Tt7 wird wie beim Turbojet-Triebwerk auf die Einlauf-Totaltem-
peratur Tt2 bezogen. Die Geschwindigkeit c2 bezogen auf eine Schallgeschwindigkeit
gebildet mit der Gesamttemperatur Tt2 ergibt eine Mach-Zahl mit Totalzustandsgrößen
√
M2 t = c2 / κ R Tt2 als Diagrammparameter. Für den spezifischen Brennstoffverbrauch
√
wird die schon beim Turboluftstrahl-Triebwerk benutzte Form SFCF / Tt2 verwendet.
Wie für den Druck gilt auch hier analog, dass sowohl auf die Temperatur vor der Ver-
brennung Tt2, als auch auf die mit der Stau- oder Umgebungstemperatur (zum Beispiel
T0 = 216,5 K
fürH0 = 11 km) dimensionslos gemachten Werte bezogen werden kann,
√
also SFCF / Tt2 Tt2,11km oder SFCF / Tt2 /T0 .
M0
MB<1 MN>1
0 1 2/6 7 8 9
9
Ramjet RJ 9
7
.
Unterschallverbrennung
Unterschall-Verbrennung QB
c2
9
2
c 2 gleit.
9
0 2/6 c 2 2
9
c 22 2 eingefr.
2
p9
c 02
2
h
p0
M0
M9>>1
MB>1
0 1 2/6 7/8 9
7 9
Scramjet SCRJ .
c 72
Überschall-Verbrennung
Überschallverbrennung QB
2
c 92
2
0 2/6
c 22
2 p9
c 02
2
h
p0
Boeing X-43A
Hypersonic Test Drone Scramjet
Vorverdichtung
Scramjet
Rampen-Düse
CFD-Modellierung
Hyperschall-Scramjet in Betrieb
Flug-Mach-Zahl M0=7
mit der Rakete auf eine Höhe von 30000 m gebracht, in welcher der Testflug absolviert
wurde. In Abb. 2.5-18 ist die NASA-Testflug-Drone im Flug zu sehen. Daneben wird
eine CFD-Modellrechnung des Scramjet-Triebwerks für Mach 7 gezeigt.
Fundierte Informationen aus den Testflügen zum Beispiel über einen definierbaren,
erreichten Nettoschub oder Triebwerks-Wirkungsgrade mit dem Waverider X-51A sind
bisher nachvollziehbar nicht bekannt.
Die Aktivitäten und bisherigen Ergebnisse zur Entwicklung von Ramjet- und beson-
ders von Scramjet-Triebwerken zeigen nach über 5 Jahrzehnten weltweit intensiver
Anstrengungen, dass diese Antriebstechnik für Flugkörper und besonders für ein- oder
zweistufige Hyperschall-Raumtransporter-Flugzeuge sich immer noch im praktischen
Betriebsverhalten als sehr komplex und sensibel erweist. Die Attraktivität dieser luftat-
menden Triebwerke ist jedoch sehr groß, sodass zumindest bei zukünftigen Kombina-
tions-Antriebssystemen die Scramjet-Technik erfolgreich Anwendung finden könnte
[Hol97, Kop00, Ric05, SFB05B, Fuh10].
Auslegungen von Hyperschallflugzeugen zeigen, dass eine Integration von Antrieb,
Rumpf und Flügel erhebliche Vorteile bieten kann [Kuc10]. Gemäß den aerodynamischen
Forderungen des Hyperschallfluges wurden in den vergangenen Jahrzehnten (Abb. 2.1-20)
Flugkörper entworfen, die zum Beispiel auf der Basis der bekannten Keil- oder Kegelüber-
schallströmung aufbauend, günstige dreidimensionale Hyperschallflugkörper ergeben.
Das Strömungsfeld dieser Flugzeuge enthält kombinierte Auf- und Vortrieb erzeu-
gende Gebiete, wobei die Energiezufuhr mit Ramjet- oder Scramjet-Triebwerken in halb-
offenen Rampendüsen stattfinden soll [Küc65, SFB05B, Kuc11B].
Im Abschn. 8.4 werden bei der Vorstellung von Über- und Hyperschall-Antriebssys-
temen über den Einsatz von Ramjet-Triebwerken bei Kombinationstriebwerken weitere
Informationen gegeben.
Als Beispiel eines kombinierten Turbojet-Ramjet-Triebwerks für Hyperschall-Flug-
zeuge wird in Abb. 2.1-20 der prinzipielle Aufbau eines mit dem Rumpf intgrierten
2-stufigen Antriebssystems vorgestellt [SFB05B, Kop00, Ric05]. An diesem Beispiel wird
auch deutlich, welche Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Nettoschubes im Rahmen
eines aufwendigen „Bookkeeping“ (Bilanzierung aller Kräfte und Momente am Flugge-
rät) von integrierten Triebwerken in einem Hyperschall-Flugzeug auftreten können.
Das Nettoschub-Kennfeld des Turbojet-Ramjet-Kombinations-Triebwerks der
genannten Auslegungsstudie in [SFB05B, Ric05] eines Raumtransporter-Hyperschall-
flugzeugs ist in Abb. 2.5-19 zu sehen.
In diesem Diagramm ist der maximale Nettoschub abhängig von der Flug-Mach-Zahl
bei konstantem Anstellwinkel des Flugzeugs von 6° dargestellt. Weiterhin sind typische
Vollast-Betriebspunkte während der Aufstiegs-Flugbahn bis zur Flughöhe von etwa 32 km
eingetragen. Besonders bemerkenswert ist die erhebliche Änderung des Winkels des Net-
toschub-Vektors. Damit verbunden können sich schwierige Aufgaben in der Flugmechanik
des gesamten Hyperschallflugzeuges ergeben. Dies kann besonders in Notsituationen auf-
treten, wenn zum Beispiel bereits bei kleineren Störungen im Triebwerksbetrieb große Aus-
wirkungen auf die Kräfte- und Momentenbilanz des Flugzeugs entstehen können [SFB05B].
166 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
500
FNet,max 20 km 22 km 24 km Anstellwinkel Flugzeug
Höhe=18 km konstant 6°
[kN] 26 km
400 10
90 00
Staudru 80 0 k kPa 28 km
ck q=7
0 kPa 70 0 k Pa
Nettoschub
0k P
300 Pa a
30 km
Staudruck q=30
200 kPa 32 km
34 km
36 km
100
18°
19°
38 km
20°
21°
Nettoschub-
23 °
24°
28°
27°
26°
25°
22°
Vektorwinkel β
Die Basis der Turboprop- und Turbofan-Triebwerke TP und TF wird von einem Gas-
generator GG gebildet, der in 1- oder 2-Wellenbauweise aus einer Einheit von Turbo-
verdichter, Turbine und dazwischen liegender Brennkammer besteht (Abb. 2.6-1 und
2.6-2). Ein wesentlicher Unterschied dieses Triebwerktyps gegenüber zum Beispiel dem
reinen 1-Wellen-Turbojet-Triebwerk (Abschn. 1.3, 2.3 und 2.5) besteht darin, dass die
gesamte abgegebene Turbinenleistung größer als die aufgenommene Verdichterleistung
ist. Es ist also ein Überschuss an mechanischer Wellenleistung PW vorhanden. Diese
freie Wellenleistung kann in einem normalen Propeller Pr (Luftschraube) ähnlich wie
beim Kolben-Flugzeugmotor, in einer Mantelschraube oder einem Fan F (Gebläse) bzw.
einem Niederdruck-Verdichter LPC oder durch Zwischenschaltung eines mehrstufigen
Axialverdichters in Vortriebsleistung gewandelt werden.
Zum Überblick über die Entwicklungstendenzen bei Turboprop-, Propfan- bzw. Q-Fan
(quiet fan) und Turbofan-Triebwerke TF wird in Abb. 2.6-1 die Abhängigkeit des Vor-
triebswirkungsgrades ηP (Gl. 2.4-23a) vom Fan-Druckverhältnis und der Flug-Mach-Zahl
M0 gezeigt. Gegenüber dem konventionellen Turboprop TP ist quasi als Weiterentwick-
lung das Propfan PF entstanden, dessen Bypass-Verhältnisse BPR bei 20 bis 30 liegen. Das
2.6 Propeller, Turboprop und Turbofan mit hohem Bypass 167
Turboprop-Triebwerke
100
ηP [%]
90 Flug-Mach-Zahl M0
Vortriebswirkungsgrad
0,8
80
0,6
70
0,4
60
0,2
50
Prop-Fan 0,1
40
Propeller Q-Fan Turbo-Fan
30
1,01 1,02 1,03 1,05 1,10 1,20 1,30 1,60
Fan-Druckverhältnis
[GasTurb]
Propeller-Triebwerk TP erreicht BPR-Werte von 50 bis 100 und eignet sich gut auch für
den Langsam- oder Schwebeflug bei Kurz- und Senkrechtstart-Flugzeugen bzw. V/STOL-
Flugzeugen (Kap. 6).
Beim einfachen Turboprop TP, also dem konventionellen Propeller-Turboshaft-
Triebwerk (Abb. 2.6-2) wird von der Turbinenwelle über ein Getriebe G eine Luft-
schraube angetrieben, die einen großen Luftmassenstrom erfasst. Dieser sekundäre
Luftmassenstrom kann, je nachdem, ob der Startfall oder zum Beispiel eine Flug-
Mach-Zahl von M0 ≈ 0,6 angenommen wird, 30 bis 100mal so groß sein wie der das
eigentliche Basistriebwerk passierende Primärluftstrom.
Neben der schematischen Schnittdarstellung eines Zweiwellen-Turboprop-Trieb-
werks in Abb. 2.6-2 ist in Abb. 2.6-3 für den Standfall der Arbeitsprozess im h-s-Dia-
gramm gezeigt, wie er zum Beispiel aus einer Syntheserechnung nach [GasTurb] erstellt
wurde. In Kap. 7 wird ausführlich auf das Teillast-Betriebsverhalten der Mehrwellen-
Turboshaft-Triebwerke eingegangen, die wegen ihres anpassungsfähigen Betriebsverhal-
tens die Basis der Propeller-, Propfan- und Hubschrauber-Triebwerke bilden.
Bei den Zweistrom- bzw. Bypass-Turbofan-Triebwerken TF (Abschn. 2.6.2 und 8.1
und 8.2) ist das Verhältnis der Sekundär- und Primärfluidströme bzw. das Bypassver-
hältnis BPR geringer im Vergleich zum offenen Turboprop TP. Es liegt bei großen Trieb-
werken von Hochleistungsflugzeugen bei Niedrig-Bypass-Turbofan-Triebwerken LTF
(low bypass turbofan) etwa zwischen BPR = 0,3 bis 4 und bei Hoch-Bypass-Triebwerken
HTF (high bypass turbofan) für den Unterschallflug bei etwa 4 bis über 10.
2.6 Propeller, Turboprop und Turbofan mit hohem Bypass 169
1600
1400
h [kJ/kg] 4
1200
1000 43
44 45
Enthalpy
800
49
600 5 8
s8
Pa
0k a
400 3 1200 kP
1000 kPa
80 kPa
600 a
kP
200 400
a
kPa 01 kP
200 t) = 1
mbien
Pso (a
0 1 2
0 .2 .4 .6 .8 1 1.2 1.4
Entropy s [kJ/kg K]
Abb. 2.6-3 Arbeitsprozess im h-s-Diagramm des Turboprop-Triebwerks TP (Abb. 2.6-3) darge-
stellt nach [GasTurb]
Wird die Vielfalt der bereits existierenden, einfachen Turbojet-Triebwerken mit und
ohne Nachbrenner beachtet (Abschn. 1.3 und 2.5), dann liegt die Folgerung nahe, dass
sich durch das Hinzukommen von weiteren wesentlichen Auslegungsparametern eine
große Mannigfaltigkeit innerhalb der Familie der Bypass-Triebwerke ergeben wird. Die
zusätzlichen Auslegungsparameter neben dem Bypass-Verhältnis BPR sind die Leis-
tungsaufteilung auf die Erzeugung von Propeller- bzw. Fan-Schub und Düsen-Schub, die
eventuelle Aufheizung des Sekundärluftstromes und die Mischung der Heiß- und Kalt-
luftströme [Mün60, Mün72K, Mün77B, Haf82B, DGL00, Wal00B, Brä04B, Gri04B].
Abb. 2.6-4 Leistungsaufteilung pt4
der Expansion der Heißgase ht4 4 Tt4
im h-s-Diagramm bei einem
Turboprop TP mit der
gesamten nutzbaren Energie
wto = wT,II + wN und dem
Anteil für den Propeller Pr wT wTI
II und für die Schubdüse N
wN = c28/2 pt45
45 Tt45
wTIIis wTII
pt5 pt8
Tt5 5 Tt8
8
wtotis
wN wNis
T 8 p8
T8is
p0
Kreis erheblich kleiner sein als im Falle des gleichen Basisprozesses für ein reines Turbojet-
Triebwerk. Dies bedeutet, dass bei mittleren Unterschall-Fluggeschwindigkeiten der Tur-
boprop, bei größeren Fluggeschwindigkeiten das Hoch-Bypass-Turbofan-Triebwerk HTF
(high bypass turbofan) und bei Überschallflug-Mach-Zahlen das Turbofan-Triebwerk von
mittlerem und kleinem Bypass-Verhältniss LTF (low bypass turbofan) mit gegebenenfalls
Nachbrenner und Aufheizung im Bypass-Luftstrom günstigere Konzepte darstellen.
Die Verbesserung des Vortriebswirkungsgrades ηP bei Turboprop und Turbofan
gegenüber demjenigen beim Turbojet bewirkt auch eine Umkehrung des Einflusses der
Verbrennungstemperatur Tt4 auf den spezifischen Brennstoffverbrauch SFC. Während
beim Turbojet mit ansteigendem Tt4 der Schub F wächst, der Verbrauch jedoch mit Aus-
nahme des Gebietes sehr hoher Fluggeschwindigkeit verschlechtert wird, bewirkt beim
Turboprop und Turbofan eine Tt4-Erhöhung außer einer Leistungserhöhung auch eine
Verminderung des spezifischen Brenstoffverbrauchs SFC.
Um die Art der Leistungsaufteilung zu erläutern, wird bei der anschließenden
Betrachtung von einem Basisprozess ausgegangen und versucht, das vorliegende isen-
trope Enthalpie-Nutzgefälle wtot,is möglichst günstig auf Primär- und Sekundärkreis zu
übertragen, so dass die gesamte Triebwerkscharakteristik zu optimalen Werten für den
Schub und den spezifischen Verbrauch führt. In Abb. 2.6-4 ist schematisch der Entspan-
nungsvorgang der Heißgase im h-s-Diagramm dargestellt. Zunächst wird der klassische
Fall des Turboprop TP betrachtet. Die Vorgehensweise kann sinngemäß auf das Prop-
fan- und Turbofan-Triebwerk übertragen werden.
Die Entspannung der Heißgase vom Zustandspunkt 4 nach der Brennkammer bis
45 gemäß dem I. Turbinen-Enthalpiegefälle wT I deckt den inneren Leistungsbedarf zur
172 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
PW Pr
Drehmomentenbegrenzung
Propeller-Wellenleistung H 0=0
Flughöhe H0
Turboprop-Leistungskennfeld
Fluggeschwindigkeit c0
2.6.1.2 Ideale Propeller-Theorie
Die klassische, aus der Stromfadentheorie stammende Betrachtung von Propellern geht
vereinfacht von reibungsfreier, drallfreier Strömung aus, bei der weder die Propellerform
noch die Zahl der Propeller-Blätter Berücksichtigung finden. Dazu die schematischen
Darstellungen der Propellerströmung in den Abb. 2.6-6 und 2.6-7 und nach Zimmerman
in [LTH94B, Sig91B] u. a.
Es wird nach Abb. 2.6-7 angenommen, dass unmittelbar vor bzw. nach der Propel-
ler-Kreisfläche eine statische Druckänderung erzeugt wird und dass die Strömungsge-
schwindigkeit unmittelbar vor bzw. hinter der Schraubenebene durch dieses Druckfeld
beeinflusst wird. Hierbei sind durch die „Absaugwirkung“ die statischen Drücke p1 < p0
und p2 > p0. Der Propeller beschleunigt also nach dem Ansaugen den Luftstrom von der
Zuströmgeschwindigkeit c0 auf die höhere Abströmgeschwindigkeit c3, die als Strahlge-
schwindigkeit (jet velocity) cJ = c3 bezeichnet wird [And91B, Sig91B].
Wegen der Kontinuitätsbedingung ṁ3 = ṁPr = ṁ0 wird die Stromröhre einge-
schnürt A3 < APr < A0. Gleichzeitig erfährt der Fluidstrom einen Drall (Abb. 2.6-6), der
hier anschließend für die weiteren einfachen Betrachtungen vernachlässigt wird.
Vereinfacht wird angenommen, dass der durch die Propeller-Ebene passierende Luft-
strom in allen Bereichen die gleiche Druckerhöhung erfährt. Für die nabennahen Zonen
und an den Propeller-Blattspitzen trifft diese Annahme nicht zu. Bei genaueren Betrach-
tungen besteht jedoch die Möglichkeit, die wirksame
Propeller-Kreisfläche durch entsprechende Verminderung der geometrischen Fläche
zu erhalten. Die Druckerhöhung gleicht sich kurz hinter der Propeller-Kreisebene wieder
aus und gemäß Abb. 2.6-7 entsteht mit der Strahlgeschwindigkeit (jet velocity) cJ = c3 ein
Gebiet erhöhter Geschwindigkeit.
Für die Schubkraft des Propellers gilt allgemein (Abschn. 2.4)
III
Aufgerollter Randwirbel II
von Blatt I (3 Umdrehungen)
Blatt I
IV
IV
Blatt I
Abb. 2.6-6 Freilaufender, realer 4-Blatt-Propeller (Blatt I, II, III, IV) als mathematisches Modell
mit einhüllender Stromröhre, Wirbelschleppe und Randwirbel [LTH94B]
Abb. 2.6-7 Stromröhrenverlauf c0 0 1 2 3
Pr
für einen Standard-Flugfall M0 < 1
zur allgemeinen, vereinfachten
Propeller-Theorie mit Verlauf der cPr
c1 c2 DPr
Strömungsgeschwindigkeit c und c0 FPr PPr c3
des statischen Druckes p
p1 p2 c0+∆c
c0
Geschwindigkeit
c [m/s]
cPr c3
c0 c1 c2 c0+∆c
Druck p2
p [bar]
+
p0 p0
p1
176 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Werden die Beziehungen für den Schub nach Gl. (2.6-8) und (2.6-12) gleich gesetzt,
ergibt sich daraus
c3 − c0 c J − c0
cPr = = .
2 2
Dieser Ausdruck ist dabei identisch mit Gl. (2.4-23b) für den Vortriebswirkungsgrad ηP, da
cJ = c3 = c0 + Δc die Abströmgeschwindigkeit und c0 die Flug- oder Zuströmgeschwindig-
keit darstellt. Daher wird der wirkliche Propeller-Wirkungsgrad ηPr < ηPr id sein. Für einen
guten Wirkungsgrad ηPrid muss die Zusatzgeschwindigkeit Δc im Verhältnis zur Flugge-
schwindigkeit klein sein, was eine große Luftmasse bzw. Propeller-Kreisfläche zur Errei-
chung eines bestimmten Schubes erforderlich macht.
Mit dem Belastungsgrad nach Gl. (2.6-13) lautet der ideale Propeller-Wirkungsgrad
2
ηPr id = √ . (2.6-16c)
1 + CF id + 1
Mit der Strahlgeschwindigkeit cJ = c3 = c0 + c ergibt sich schließlich der ideale
Vortriebswirkungsgrad
2 1
ηPr id = = .
c0 + c 1 c (2.6-17)
1+ 1+
c0 2 c0
2.6.1.3 Standschub für freilaufenden Propeller und Propfan
Für den Standfall mit der Zuströmgeschwindigkeit zu einem Propeller oder Propfan von
c0 = 0 ist in Abb. 2.6-8 der Verlauf der Geschwindigkeits- und Druckverteilung schema-
tisch dargestellt. Analog zu den Betrachtungen nach Abb. 2.6-7 ist zu erkennen, dass mit
c0 = 0 die Geschwindigkeit cPr = cJ/2 = c3/2 ist.
Wie in Gl. (2.6-8) ergibt sich aus dem Impulssatz der Standschub des freilaufenden
Propellers
c3 π 2 c3
FPr 0/0 = ṁPr c3 = ρ APr =ρ D . (2.6-18)
2 4 Pr 2
Mit dem Leistungskoeffizient nach Gl. (2.6-15b), mit dem Drehmoment und daraus
der Umfangskraft bezogen auf die Blattspitze sowie mit dem Schubkoeffizienten nach
Gl. (2.6-13) ergibt sich der Propeller-Standschub [Wai87]
CF PW Pr CF PW Pr
FPr 0/0 = ⇒ · (2.6-19a)
CPW uPr CPW nPr DPr
Ebenso ergibt sich für den Propeller-Wirkungsgrad im Standfall
2 C3/ 2
F
ηPr 0/0 = (2.6-19b)
π CPW
Werden nach Abb. 2.6-8 und 2.6-9 die verschiedenen am Flügelprofil auftretenden
Kräfte betrachtet, so ist zu erkennen, dass ein günstiges Wirkungsgradverhalten bei star-
ker Änderung der Fluggeschwindigkeit, welche eine Änderung von cPr nach sich zieht,
178 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Propeller Pr Prop-FanPF
c0=0
c0=0
FPr FPF>FPr
c3=cJ c3=cJ
APr=APF
cPr=cJ/2 cPF=cJ
Geschwindigkeit
c [m/s]
c [m/s]
cJ cJ
cPF=cJ
cPr=cJ/2
Druck
p [bar]
p [bar]
p0 p0
∆p
∆p
Abb. 2.6-8 Propeller-Theorie für den Standfall für freilaufenden Propeller Pr und für Propfan-
Mantelpropeller PF
L Auftrieb
γ D Widerstand
FPr
R resultierende Kraft
R L α
FPr Schub in Flugrichtung
w T Tangentialkraft (T~PW)
β c0
ϕ α Anstellwinkel
T
β Einstellwinkel
D u ϕ Winkel zwischen der rel. Anströmrichtung
und der Drehrichtung (Fortschrittswinkel)
γ Gleitwinkel
c0 Fluggeschwindigkeit
Propeller-Profil-Element u Umfangsgeschwindigkeit
nur dann erwartet werden kann, wenn ein Verstellpropeller mit veränderlicher Flügel-
steigung (Blattsteigungswinkel) verwendet wird. Bei kleinem c0 und somit cPr wird eine
flache Flügelsteigung zweckmäßig, bei Schnellflug dagegen ein großer Steigungswinkel.
Die Resultierende aus Auftrieb L (lift) und Widerstand D (drag) kann auch in eine
Komponente in Richtung der Fluggeschwindigkeit FPr und in eine der Umfangsge-
schwindigkeit entgegengesetzte Komponente T zerlegt werden. Die normalen Kompo-
nenten aller Profilelemente erzeugen den Schub.
2.6 Propeller, Turboprop und Turbofan mit hohem Bypass 179
FPr FPr
CF = ρ ⇒ .
u2Pr APr ρ n2Pr D4Pr (2.6-23)
2
Bei der Vorauslegung von Flugzeugen ist eine weitere dimensionslose Kennziffer in Ver-
bindung mit der Vortriebsleistung von Interesse. Es wird deshalb die Propeller-Wellens-
leistung bezogen auf den Staudruck multipliziert mit der Umfangsgeschwindigkeit und
der Propeller-Kreisfläche angesetzt. Daraus ergibt sich der reale Propeller-Leistungsko-
effizient (propeller power coefficient)
PPrW PPrW
CPrW = ρ ⇒ .
u2Pr uPR APr ρ n3Pr D5Pr (2.6-24)
2
180 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Es bedeuten b die Blatt-Profiltiefe, r der Radius längs dem Blatt und RPr der Radius am
Blattende. Der Activity-Factor stellt ein Maß für die Leistungsaufnahme eines Propel-
lerblattes dar mit dem Integral über der örtlichen Blatt-Tiefe von 20 % Radius bis zur
Blattspitze. So werden die äußeren Blattelemente infolge der quadratisch zunehmenden
Umfangsgeschwindigkeit und des linear zunehmenden Hebelarms entsprechend stärker
berücksichtigt. Propellerblätter mit einem AF von unter 90 können als „schmal“ bezeich-
net werden, sie haben eine entsprechend geringe mögliche Leistungsbelastung. Soge-
nannte Propfan-Blätter haben einen AF von zum Teil über 200 und können als „breit“
bezeichnet werden mit einer entsprechend großen Leistungsbelastung.
Der Activity Factor AF allein ist zur Charakterisierung eines Propellerblattes nicht
ausreichend, da sehr verschiedene Blattgrundrisse bei gleichem AF möglich sind, wobei
die Blattfläche ebenfalls sehr verschieden sein kann. In [LTH94B] wird auf die aerodyna-
mischen Auswirkungen verschiedener Modifikationen näher eingegangen.
Neben dem AF ist deshalb der integrierte Entwurfs-Auftriebsbeiwert (integrated
design lift coefficient) CLD wichtig. Er stellt den für die Leistungsaufnahme des Entwurfs-
punktes gebildeten mittleren Auftriebsbeiwert des Propeller-Blattes dar. Er lautet
1,0
r 3
r
CLD = CLr d (2.6-27)
RPr RPr
0,2
Ohne hier näher auf die Theorie einzugehen, sei bemerkt, dass der Kontrakti-
onseffekt des freilaufenden Propellers (Kontraktion A3/APr (Abb. 2.6-8) durch eine
geeignete Ummantelung abgeschwächt bzw. aufgehoben wird. Dies hat zur Folge,
dass zum Beispiel bereits in der Propeller-Kreisebene die Zusatzgeschwindigkeit Δc
erreicht wird. Dies gegenüber Δc/2 bei dem frei laufenden Propeller, was zusammen
mit der Verbesserung des Gütegrades eine Steigerung des Schubes ergibt. Beim Start
können gegenüber dem Propeller Schuberhöhungen von 25 bis 35 % erreicht wer-
den. Die Ummantelung nimmt einen Teil der Schubkräfte auf und entlastet so die
Rotorblätter. Wird die Anzahl der Blätter vergrößert, so führt dies zu einem Nieder-
druckgebläse oder Fan. Hier wird zunächst das statische Druckniveau um ein Gerin-
ges erhöht, die Luft in einen mehr oder minder langen Kanal geführt, worauf die
Expansion ins Freie erfolgt.
Für Propeller und Propfan ist charakteristisch, dass die erfasste Luftmenge (Sekun-
därluft) groß ist (ein Vielfaches des Durchsatzes des Basistriebwerks bzw. der Primär-
luftmenge) und die Druckerhöhung selbst klein ist. Wenn für die Sekundärluft eine
gesonderte Strömungsführung vorhanden ist, für welche die Begriffe Druckerhöhung
und Expansion eine Bedeutung zu haben beginnen, ist der Übergang zum Bypass- bzw.
Turbofan-Triebwerk gegeben (Abschn. 2.6.2 bis 2.6.4).
über dem Fortschrittsgrad J mit den Parametern Blatt-Winkel β0,75 bei ¾ der Blattlänge
und dem Propeller-Wirkungsgrad ηPr.
Das Beispiel gilt für eine Vielzahl von Propellertypen, gekennzeichnet durch die
Blattzahl, den Activity Factor AF und den integrierten Entwurfs-Auftriebsbeiwert CLD.
Bei einem gegebenen Fortschrittsgrad J kann für den betrachteten Leistungsbeiwert der
Propeller-Wirkungsgrad und damit der Schub sowie der Blattwinkel β bei 75 % relativer
Schaufelhöhe ermittelt werden.
Gegenüber Abb. 2.6-10 wird mit der Abb. 2.6-11 ein typisches Propfan-Kennfeld
nach [LTH94B] für den Flugfall mit M0 = 0,8 vorgestellt. Der konventionelle Propel-
ler nach Abb. 2.6-10. kann bei kleiner Leistungsbelastung einen Vortriebswirkungsgrad
ηP von bis zu 0,91 erreichen. Mit dem Propfan ist nach Abb. 2.6-11 für eine wesentlich
höhere Leistungsbelastung bei M0 = 0,8 ein Vortriebswirkungsgrad ηPF von etwas über
0,8 möglich.
182 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
5
4 5°
0,12
0,5
70
β 0,75
0
50
60
0
ηP =
0,20
0,4
80
0 ,3
0,
0,
0,
40° 0, 85
0,4 0, 5
35° 0,8
0,3 30° 0
0,9
25° η P=
0,2
20° 0,80
0,1 15° 0,70
10°
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6 2,8 3,0
Propeller-Fortschrittsgrad (Advance Ratio) J
1,2
CP
2,8 Propfan
Flug-Mach-Zahl M0=0,8 1,1
2,4 77% Mach-Za
78% hl Blattsp
79% itze 1,0
2,0 Mach-Zahl Blattspitze
Leistungsbeiwert
ηPF=80%
0,9
79%
1,6 78%
75%
1,2 70%
60%
0,8 50°
0°
0,4
63,3° 64,7°
58,3° 59,3° 60,5° 62,3°
Blatt-Winkel β0,75=57,3°
0,2
2,8 3,0 3,2 3,4 3,6 3,8 4,0 4,2 4,4 4,6 4,8
Fortschrittsgrad J
Abb. 2.6-11 Kennfeld eines Propfans im Flugbetrieb bei M0 = 0,8. Die Leistungs-Belastung (FPF/
APF) ist sehr viel größer als bei konventionellen, freilaufenden Propellern [LTH94B]
Dabei arbeiten unterhalb des Fortschrittsgrades von etwa 4,2 die Blattspitzen örtlich
in Überschallströmung bei Mach-Zahlen von 0,95 bis 1,20.
Die Kennfeldbestimmung erfolgt entweder mit verschieden aufwendigen numeri-
schen Rechenverfahren oder sie basieren auf Prüfstands-Messungen, bei denen häufig
auch Modellpropeller verwendet werden.
2.6 Propeller, Turboprop und Turbofan mit hohem Bypass 183
80
konventionell fortschrittlich
70 Turbofan
60
konventionell
50
40
0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0
Reiseflug-Mach-Zahl M0
Bypass-Verhältnis BPR dieser Anordnung liegt etwa bei 36 im Vergleich zu BPR = 5 bis
über 10 von später entwickelten großen Turbofans und Hoch-Bypass-Turbofan-Trieb-
werke (UHB) wie zum Beispiel das P&W –Triebwerk Advanced Ducted Prop (ADP).
Im Vergleich dazu erzeugt das ADP-Demonstrator-Triebwerk mit einem Fan-
Durchmesser von 3.0 m bei 18 Blättern und einer Fan-Leistung von etwa 30000 kW, die
über ein Planetengetriebe im Drehzahlverhältnis 4:1 übertragen wird, einen Standschub
von etwa 236 kN. Im Rahmen des UDF-Projektes wurden eine Version mit 8 + 8 und
eine mit 10 + 8 Blättern untersucht. Die letztere Version erzeugte etwa 3dB weniger
Lärm. Nach über 200 Stunden Erfahrung im Flugversuch auf einer Boeing 727 (40 Std.)
und einer McDonnell Douglas 80 (160 Std.) konnte festgestellt werden, dass die Vorher-
sagen eines über 20 % geringeren Brennstoffverbrauchs im Flugbereich bis M0 = 0.86
und H0 = 11000 m erreicht oder übertroffen wurden. Ferner wurde eine geringere Lär-
mentwicklung als bei modernen Turbofans festgestellt.
Ein zusammenfassender Überblick zum Vergleich der Triebwerke kann nach
Abb. 2.6-13 erfolgen, in dem der Vortriebswirkungsgrad ηP in Abhängigkeit von der
Flug-Mach-Zahl M0 für verschiedenen Typen dargestellt ist.
Der Abfall des Vortriebswirkungsgrades der Einzelpropeller-Anordnungen mit
zunehmender Mach-Zahl, ist hieraus deutlich zu ersehen. Das angegebene Band ist die
Einhüllende der Wirkungsgradkurven möglicher Propeller-Entwürfe. Diese sehen für
jede Entwurfs-Mach-Zahl anders aus. Eine Tendenz ist zu erkennen, dass die für anstei-
gende Entwurfs-Mach-Zahlen entworfenen optimalen Propeller immer mehr Blätter
haben und auch zunehmend breiter werden sowie eine zunehmende Blattspitzenpfei-
lung aufweisen. Der Vortriebswirkungsgrad fällt mit steigender Mach-Zahl langsam
ab, was auf zunehmende umströmte Blattflächen und den einsetzenden transsonischen
2.6 Propeller, Turboprop und Turbofan mit hohem Bypass 185
Das Turbofan-Triebwerk TF mit mittlerem und hohem Bypass-Verhältnis BPR ist als
klassisches Bypass-Turbofan-Triebwerk (Zweistrom-Turboluftstrahl-Triebwerk ZTL)
seiner Funktion nach zwischen das reine Turbojet-Triebwerk TJ und das Turboprop-
Triebwerk TP einzureihen (Abschn. 1.3 und 1.4). Ein Teil der vom Triebwerkseinlauf
insgesamt erfassten Luftmasse wird beim Turbofan-Triebwerk nach dem Niederdruck-
verdichter abgezweigt und umströmt das innen liegende Basistriebwerk bzw. Kern-
Triebwerk (core engine) mit dem Gasgenerator GG.
Beim klassischen Front-Turbofan kurz Turbofan TF nach Abb. 2.6-14 haben der Pri-
mär- und Sekundärluftstrom, ṁI und ṁII, einen gemeinsamen Lufteinlauf. Die Sekun-
därluft wird zusammen mit dem Innenluftstrom im Gebläse verdichtet und um den
Hochdruck-Verdichter HPC, die Brennkammer B und den Turbinenteil mit HPT und
LPT mantelartig geführt. Im Gegensatz zu einem Front-Turbofan-Triebwerk FTF (front
turbofan) haben die beiden Luftströme bei einem Heck-Turbofan-Triebwerk ATF (aft-
turbofan) keinen gemeinsamen Lufteinlauf.
Der äußere Luftstrom expandiert beim Turbofan TF in einer eigenen Ringdüse
(Abb. 1.3-8 und 2.6-14) oder mit dem inneren Primärluftstrom zusammengeführt
in einer gemeinsamen Schubdüse. Es liegt dann ein Turbofan mit Mischung TFM vor
(Abschn. 2.6.4).
Der Energietransport vom Primär- auf den Sekundärkreis kann nach verschiedenen
Methoden erfolgen (Abb. 2.6-14 bis 2.6-16): Bei Ein- und Mehrwellen-Bauweise kann
der Niederdruckverdichter LPC mit verlängerten Schaufelblättern in den ersten Stufen
ausgeführt werden. Möglich sind so Turbofan-Triebwerke mit offenem und geschlos-
senem Bypass-Strom. Ein Teil des Gesamtluftstromes fließt hinter dem Niederdruck-
verdichter in den zweiten Kreis ein. Ebenso können den Niederdruck-Turbinenstufen
Verdichterschaufeln aufgesetzt werden, die den Bypass-Luftstrom fördern. Weiterhin
kann durch Zusammenführen des Innen- und Außenluftstromes im Abströmteil des
Turbofan-Triebwerks eine zusätzliche strömungsmechanische Energieübertragung über
eine Strahlmischung erfolgen.
Das Abb. 2.6-14 zeigt zu dem klassischen TF-Triebwerk den Arbeitsprozess im h-s-
Diagramm für den Flugfall mit höherer Unterschall-Flug-Mach-Zahl M0 > M2 ≈ 0,5.
Die Einlaufströmung entspricht in der Darstellung fluidmechanisch gesehen einer
Unterschall-Diffusorströmung (Abschn. 2.3.2 und Kap. 3). Der Prozessverlauf wie auch
186 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
0 1 2 13 16 18
21 25 5 6 8
3 4 44
pt4
Tt4 4
HP-Turbine
44
Brennkammer QB
LP-Turbine
5 8
2
Düse primär c 8
2
3
Tt3
pt3
HP-Verdichter
h 2 13 Fan
Einlauf 18
Tt0 0
2
c18
c 02 Düse sekundär
T 2
2 0
p0
Die Entwicklung der Flugtechnik in den vergangenen fünf Jahrzehnten stellte beson-
ders auf dem zivilen Sektor an den Triebwerksbau erhöhte Anforderungen nach
schubstärkeren Antrieben mit den Eigenschaften eines kleinen spezifischen Brennstoff-
verbrauches SFC, relativ leichter und einfacher Bauweise, großer Zuverlässigkeit, hoher
Lebensdauer, leichter Wartbarkeit sowie geringer Lärmerzeugung und Abgas-Emission.
Zudem wird eine weitgehende Anpassungsfähigkeit an die jeweilige Flugaufgabe gefor-
dert. Obwohl mit dem Einstrom-Turboluftstrahl-Triebwerk bzw. Turbojet-Triebwerk
bereits ab den 1940er Jahren und besonders in den 1950er-Jahren in mancher Hin-
sicht erhebliche Fortschritte erzielt werden konnten, so waren damals doch nicht alle
gestellten Anforderungen befriedigend zu erfüllen. Die Verdichterdruckverhältnisse
und damit der thermische Wirkungsgrad konnten nur noch mit besonderem Auf-
wand gesteigert werden und die hohen Düsen-Austrittsgeschwindigkeiten wirkten sich
ungünstig auf den Vortriebswirkungsgrad aus. Die intensive Entwicklung von Bypass-
Triebwerken bzw. Turbofan-Triebwerke war die Folge. Dies trifft sowohl für den zivilen
Flugverkehr zu als auch für die militärischen Hochleistungsflugzeuge besonders für den
Überschallflug.
Durch die Gestaltung der Niederdruck-Verdichterstufen in Fan- bzw. Gebläse-
Bauart verschiedener Variationen entstanden in den 1960er und 1970er Jahren die
Mitteldruck-Turbofan-Triebwerke mit Bypass-Verhältnissen BPR zwischen etwa 2 bis
über 6. Der ““uflade-Effekt””führte zu Verdichter- bzw. Gesamtdruck-Verhältnissen
OPR = ΠC ≈ 10 bis über 20. Die Turbinen-Eintrittstemperaturen erreichten Werte von
188 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
B
Brennkammer
2-Wellen-Turbofan-Triebwerk
Für den Überschallflug eignen sich die bisher hier erwähnten Hochdruck-Turbofan-
Triebwerke nicht, da die hohen aerodynamischen Widerstände bei Überschallflugzeugen
neben einerseits großen Schüben andrerseits geringe Stirn-Widerstände der Antriebe
erfordern.
Neben der Reiseflug-Mach-Zahl ist die gesamte Flugmission für die Wahl eines Trieb-
werks besonders zu beachten. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Brennstoffzuladung
190 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Fan F
B LPT
Brennkammer Niederdruck-
turbine
3-Wellen-Turbofan-Triebwerk
eines Flugzeuges wird beim Start sowie im Steig- und Landeanflug verbraucht. Da nor-
malerweise ein Triebwerkstyp während des gesamten Fluges den jeweils notwendigen
Schub liefern muss, fordert man für dieses sowohl einen günstigen Brennstoffverbrauch
in allen Flugzuständen als auch zur Verkürzung der Start- und Steigzeit bis zur Reiseflug-
höhe große Schubreserven.
2.6 Propeller, Turboprop und Turbofan mit hohem Bypass 191
6
DF m NK12
TP400
5
AN70 rs
C130PW150 Rot o
en
4 Op
UDF VHB-Turbofan
Fan-Durchmer
(BPR>6) GE90
fan
op GP7000
3 d- Pr GEnx
n
o fa ucte Trent500
rb D
Tu F
- G - GT
2 B
VH Turbofan
MRJ (BPR<6)
1
Schub-Kennfeld
250 Turbofan TF ohne Mischung
FN [kN] FSL Std =235 kN
225 BPR=4,3, OPR=30,
SFC g/(kN s) TET=1650 K
200 14 Durchsatz = 662 kg/s
Flughöhe
16 H0 = 0 m
175 18
Nettosscnach
H0=3273 m 1091 m
150 2182 m
4364 20
125
5455
100 6545
7636 22
75 8727
9818
10909
50 12000
25
0 .2 .4 .6 .8 1
Flug-Mach-Zahl M0
Turbofan
mit Mischung TFM
Turbofan
ohne Mischung TF
Nettoschub FN [kN]
Bei Bypass-Triebwerken mit großem Bypassverhältnis und Mischung der Primär- und
Sekundärluft TFM (dargestellt nach dem Programm [GasTurb] in Abb. 2.6-20) wer-
den der äußere, kältere Sekundär-Luftstrom (Ebene 16) und der innere Primär-Heiß-
luftstrom (Ebene 6) bei etwa gleichem Totaldruck und gleichem statischen Druck (d. h.
bei etwa gleichen Mach-Zahlen) beider Fluidströme durch den Mischer bis zur Ebene
64 zusammengeführt. Dies liegt prinzipiell auch bei den Turbofan-Triebwerken mit klei-
nem Bypassverhältnis mit Mischung und Nachbrenner TFMA vor, wie sie in Abschn. 1.3
und besonders anschließend in Abschn. 2.7 dargestellt werden. Dabei gilt es größere
Verluste an Totaldruck im Zusammenhang mit der Mischung zu vermeiden. Nach der
Mischung werden abschließend die gemischten Ströme durch eine gemeinsame Düse
beschleunigt und entspannt.
Bei Turbofan-Triebwerken mit hohem Bypassverhältnis kann durch die Mischung
außer einer Reduzierung der Lärmemission auch eine Erhöhung der Schubwerte erzielt
werden (Abb. 2.6-19). Dies bedarf allerdings einer guten Abstimmung der Zustands-
größen der beiden Fluidströme, die über eine Optimierung der Arbeitsprozesse vorge-
nommen werden kann. Weiterhin ist bei Bypass-Turbofan-Triebwerken mit kleinem
Bypassverhältnis (Abschn. 2.7) mit zusätzlicher Brennstoff-Einspritzung und Düsenrege-
lung eine getrennte Aufheizung der beiden Ströme primär- und sekundärseitig möglich,
194 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Abb. 2.6-20 Turbofan-Triebwerk mit Mischung TFM (häufig bei Regionalflugzeugen) nach [Gas-
Turb]. Beispiele: V2500 (EAE) und RR-BR700-Familie
wie es zum Beispiel auch bei VCE-Triebwerken mit variablem Arbeitsprozess (variable
cycle engine) der Fall sein kann (Abschn. 8.5).
Die numerische Bestimmung der Mischungscharakteristiken über entsprechende
Simulationsmodelle wie sie in [GasTurb] angewandt werden können mit Vernachlässi-
gung einer vollständigen Mischung über den Impulssatz, den Energiesatz und die Kon-
tinuitätsgleichung berechnet werden. Dabei werden gleiche Totaldrücke im Haupt- und
Nebenstrom und konstante Totaltemperaturen über dem Mischer-Austrittsquerschnitt
angenommen. Ideale Verhältnisse mit verlustloser Mischung dieser Art lassen sich in
Wirklichkeit nicht herstellen. Die auftretenden Mischungsverluste sind abhängig vom
Unterschied der Geschwindigkeiten an der Trennstelle zwischen Primär- und Sekundär-
strom und hängen bei angenommen konstantem Gesamtdruck am Mischereintritt vom
Verhältnis der Totaltemperaturen beider Ströme primär aus Ebene 6 und sekundär aus
Ebene 13 bzw. 16 ab. Abhängig vom Bypass-Verhältnis stellt sich nach der Mischung
in der Ebene 64 eine Totaltemperatur Tt64 zwischen den Totaltemperaturen Tt6 und
Tt13 ein, wie in Abb. 2.6-21 bei einem Arbeitsprozess eines Turbofan-Triebwerks mit
Mischung TFM im h-s-Diagramm dargestellt zu sehen ist.
pt4
Tt4 4
Turbofan mit Mischung TFM Tt41
41
BPR 4 - 5 Brennkammer Expansion
Status: M0=0 B
HPT
Standfall SL, STD
43
44
LPT
pt3
6 5
3 p0
Tt3
HPC
Verdichtung Mischung
21 64 8
LPC
h Fan 13
c 82 Schubdüse N
Einlauf T0 0 2 p0
2
p0
Mischer Simulationsmodell
16
∆ptk 161
163
∆A A=const
pt=const 64
Mischung 8
6 61
∆pth 63
Bypass-Kaltluft
Querschnitts mit A64 = A6 + A16 gemischt. Für beide Ströme sind vor der Mischung
neben den Flächen die Durchsätze, die Totaltemperaturen und die Totaldrücke bekannt.
Zu bestimmen sind die Zustände in der gemischten Strömung in der Ebene 64, also
Tt64 , pt64 , p64 und ṁ64.
196 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Der Gesamtmassenstrom ṁ64 sowie das Brennstoff-Luftverhältnis FAR (fuel air ratio)
und der Luftmassenstrom ṁA lassen sich nach der Addition der Teilströme bestimmen mit
ṁ64 = ṁ6 + ṁ16 und ṁA 64 = ṁA 6 + ṁA 16 (2.6-28)
sowie durch die Mischung des Heißgasstromes mit dem Bypasstrom das Brennstoff-
Luftverhältnis FAR
FAR = (ṁ64 − ṁA 64 )/ṁ64 (2.6-29)
Aus dem Energieerhaltungssatz ergibt sich die Totalenthalpie des Gemisches aus
ht64 = (ṁ6 ht6 + ṁ16 ht16 )/ṁ64 (2.6-30)
und daraus die Totaltemperatur Tt64 der gemischten Strömung
Tt64 = T(ht64 , FAR64 ) (2.6-31)
Die isentropen Zustandsgrößen nach der Mischung müssen über den Gesamtdruck pt6
berechnet werden. Da dieser aber selbst eine gesuchte Größe ist, muss die Berechnung
mittels einer Iterationsrechnung und einem vorgeschätzten Totaldruck pt64 mit Hilfe des
Impulssatzes für die Mischung durchgeführt werden.
Der Impulssatz lautet hier
ṁ64 c64 + A64 p64 = ṁ6 c6 + A6 p6 + ṁ16 c16 + A16 p16 . (2.6-32)
Nach der Iteration ergibt sich mit einer vorgegebenen Genauigkeit der Totaldruck pt64
und die Geschwindigkeit c64 bei bekanntem A64. Damit ist mit ṁ64 = A64 c64 ρ die stati-
sche Temperatur bestimmbar
p64 c64
T64 = A64 (2.6-33)
R ṁ64
und schließlich im Rahmen der Iterationsschleifen neben der Geschwindigkeit c64 auch
alle andern endgültigen statischen Zustandsgrößen.
Die statischen Drücke p6 und p16 sind gleich, wenn die Strömung am Eintritt in den
Mischer parallel verläuft. Die Geschwindigkeiten c6 und c16 können aus dem Durchsatz,
der Fläche und den Totalzuständen am Eintritt in den Mischer bestimmt werden.
Der Schubgewinn, der bei Turbofan-Triebwerken durch Mischung der beiden Ströme
erzielen werden kann, ist in Abb. 2.6-23 für das Beispiel eines Triebwerks von mittle-
rem Bypass-Verhältnis BPR ≈ 5 mit dem Verhältnis des Schubes der gemischten Strö-
mung zu dem der ungemischten Ströme aufgetragen. Das Diagramm gilt für konstante
Eintritts-Machzahlen M6 = M16 = 0.35 und mit der Temperatur Tt16 = 400 K und bei
konstantem BPR.
Ein Schubgewinn stellt sich mit diesem Ergebnis nur dann ein, wenn die Temperatur
beider Ströme verschieden ist. Durch ungeschickte Wahl der Totaldrücke am Eintritt in
den Mischer kann der Schubgewinn absinken.
2.6 Propeller, Turboprop und Turbofan mit hohem Bypass 197
1200K
1,02
1000K
1,01
800K
1,00
600K
0,99 400K
0,98
0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8
Geschwindigkeitsverhältnis c163/c161
Mit steigendem Bypassverhältnis nimmt der maximale Schubgewinn ab, wie in der Dar-
stellung von Abb. 2.6-24 nach [Gri04B, Wal00B] gezeigt wird. Das Verhältnis der Brut-
toschübe mit Mischung zu den Bruttoschüben ohne Mischung ist umso größer, je höher
das Druckverhältnis und das Temperaturverhältnis Tt41 zu Tt2 ist bzw. das Verhältnis von
Heißgastemperatur zur Kaltlufttemperatur vor der Mischung Tt61 zu Tt161. Weitere detail-
lierte Hinweise zu Mischungsvorgängen sind in [Gri04B, Wal00B, Kur08] enthalten.
1,04
Bruttoschub relativ
1,03
C
Tt41/Tt2
1,02 40 6,5
35 5,5
1,01 30 4,5
1,00
0 2 4 6 8 10
Bypassverhältnis BPR
Mischung wirklich erzielten Bruttoschub dar und FGM opt den bei idealer vollständiger
Durchmischung optimal erreichbaren Bruttoschub.
Eine genaue numerische Modellierung der Mischungsvorgänge ist exakt kaum mög-
lich, so dass die oben dargestellten Angaben zum Schubgewinn als rein empirisch zu
verstehen sind. Der praktische Einsatz von Mischern bei Turbofan-Triebwerken mit
hohem Bypassverhältnis ist demnach im Detail sehr sorgfältig zu prüfen. Ebenso ist bei
Turbofan-Triebwerken mit Mischung und Nachbrenner unter anderen aber ähnlichen
Gesichtspunkten der optimale Betrieb mit Mischung kritisch zu analysieren und zu
beurteilen (Abschn. 2.7 und 8.3) [Gri04B, Kur05].
Turbofan-Triebwerk TFM
mit kleinem Bypass BPR und mit Mischung M
Die große Zahl der Parameter, die eine Auslegung von Bypass-Turbofan-Triebwerken
in 1-, 2- und 3-Wellenbauweise beeinflussen, erfordern abhängig von der Flugaufgabe
meist umfangreiche Parameterstudien. Anschließend werden deshalb in diesem Abschnitt
an ausgewählten Beispielen wesentliche Gesichtspunkte zur Auslegung dieser Triebwerke
dargestellt. Grundlage der Betrachtungen ist der teilweise vereinfacht betrachtete Arbeits-
prozess, wie er in den vorstehenden Abschn. 2.2 bis 2.6 bereits vorgestellt wurde. Die
Rechnungen wurden mit Syntheserechnungen wie mit [GasTurb] durchgeführt.
Wie bei Turbofan-Triebwerken mit hohem Bypassverhältnis ohne oder mit Mischung
(Abschn. 2.6) deutlich wurde, ergeben sich auch bei Turbofan mit kleinem Bypassver-
hältnissen wesentlich bessere Gesamtwirkungsgrade ηO = ηth ηP als bei den einfachen
Turbojet-Triebwerken (Abschn. 2.4.2). In Abb. 2.7-2 wird schematisch solch ein typi-
sches 2-Wellen-Turbofan-Triebwerk mit Mischung TFM gezeigt zusammen mit dem
Verlauf der Zustandsgrößen im h-s-Diagramm. Eine 3-Wellen-Bauweise ist prinzipiell
ebenso auf der Basis eines 2-Wellen-Gasgenerators möglich, wie in Abb. 1.3-1 zu sehen
ist [GasTurb, Mün72K, Hag82B, Gri04B, Wal00B].
Durch eine Aufteilung der Nutzenergie auf einen Primär- und Sekundärkreis mit
anschließender Mischung und gemeinsamer Schubdüse wird ein Energieanteil über eine
Niederdruckturbine LPT einem 3-stufigen Niederdruckverdichter LPC (oder Fan F)
zugeführt. Die vom LPC abgezweigte, komprimierte Luft umströmt als Bypassluft hier
den 1-welligen Gasgenerator GG und gelangt als Sekundärluftstrom nach der Mischung
mit dem Primärheißgasstrom zur Schubdüse. Ein 2-welliger Gasgeneratoren GG wäre
ebenfalls möglich. Im Gegensatz zu den Turbofan-Triebwerken mit hohem Bypassver-
hältnis ergibt sich hier bei kleinen Bypassverhältnissen im Abströmkanal ein höheres
Temperaturniveau vor der gemeinsamen Schubdüse.
200 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
44
Flugzustand Brennkammer
M0 > M2 LPT
QB 5 6
63 64 8 9 Düse
Mischung
pt3 c 92
3
Tt3 2
HPC p0
25
LPC 13
h Fan 182
Einlauf Tt0 0 2 c18
c 02 pt0 2
2
s
25
34 ISA, SL
30
32 0
BPR=0 A 10
30 reines TJ
0,5 15 p
28 OPR t 3
20 pt2
1,0 25
26 30
2,0 BPR
24 0
22 Stand, Start
M0=0 ISA, SL
20 0,5
18 B
1,0 Angenommen:
Wirkungsgrade const,
16 BPR Tt4, DS =1800 K
2,0
14
0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0
spez. Nettoschub FN m2 [kN/(kg/s)]
Für den Standfall und den bodennahen Flug wird deutlich, wie stark der spezifische
Brennstoffverbrauch SFC und der spezifische Schub FN /ṁ2 mit zunehmenden Bypass-
verhältnis BPR abnimmt. Weiterhin ist zu erkennen, dass die Erhöhung des Gesamt-
druckverhältnisses OPR von 10 bis nahe 30 zu etwas besseren SFC-Werten führt, wobei
der Einfluss auf den spezifischen Schub gering bleibt.
Besonders zu beachten ist, dass die Schubwerte jeweils auf den Gesamtdurchsatz
bezogen sind. Der Primärdurchsatz des Basistriebwerks ist jedoch umso höher, je grö-
ßer die Aufladung durch den vorgeschalteten Niederdruckverdichter LPC ist. Dies
bedeutet, dass die Schubsteigerung durch das Vorschalten eines Fan oder LPC vor ein
Turbojet-Triebwerk wesentlich größer sein kann, als etwa entsprechend dem Anstieg der
auf den Primärdurchsatz bezogenen Schubwerte vermutet werden kann. Wenn es sich
auch in der Darstellung der Abb. 2.7-3 um eine Vielzahl möglicher Auslegungen han-
delt, so sind jedoch beispielhaft zwei Auslegungspunkte (A) und (B) eingetragen, anhand
derer gezeigt werden kann, welche Veränderungen das Schub- und Verbrauchsverhalten
erfahren, wenn ein Turbojet-Triebwerk TJ (Punkt A) in ein Bypass-Turbofan-Triebwerk
TFM (Punkt B) verwandelt wird.
Der Betriebspunkt (A) im Abb. 2.7-3 stellt ein reines Turbojet TJ mit einem Druck-
verhältnis von 10 und einer Brennkammertemperatur von 1800 K dar. Wird diese Tem-
peratur beibehalten und vor das TJ-Basistriebwerk ein Niederdruckverdichter LPC für
ein Bypassverhältnis von zum Beispiel BPR = 1 angeordnet, dann wird so der Punkt (B)
in Abb. 2.7-3 erreicht. Ein LPC-Druckverhältnis von etwa 3,2 ergibt zusammen mit dem
nunmehr reduzierten Druckverhältnis des Hochdruckverdichters HPC von etwa 7,8 ein
Gesamtdruckverhältnis von OPR = 25 (Abb. 2.7-4).
Ergänzend zu den Auslegungen sind in Abb. 2.7-4b nach Abb. 2.7-3 für den boden-
nahen Flug mit M0 = 0,9 die entsprechenden Druckverhältnisse der Komponenten LPC
und HPC sowie die Gesamtdruckverhältnisse OPR aufgetragen, wie sie sich abhängig
vom Bypassverhältnis durch die oben erwähnte Mischbedingung ergeben haben.
Infolge der Vorverdichtung ist der Primärdurchsatz angestiegen, so dass mit dem
Anstieg des spezifischen Schubes eine wirkliche Schuberhöhung erzielt wird. Dabei geht
der Brennstoffverbrauch erheblich zurück. Beträgt der zusätzliche konstruktive Aufwand
für den Niederdruckverdichter, dessen Antriebsturbine, den Bypasskanal und die etwa
nötige Verstärkung des Basistriebwerkes weniger als das ursprüngliche Masse des Basis-
triebwerks, so wird das Gesamttriebwerk spezifisch leichter. Außerdem wird die Schu-
berhöhung eines Bypass-Triebwerks gegenüber dem Turbojet-Triebwerk mit steigender
Brennkammertemperatur relativ größer.
Für den Flug in Bodennähe kann, wie bereits tendenziell beim Turbojet-Triebwerk TJ
(Abschn. 2.5) zu sehen ist, festgestellt werden, dass der spezifische Schub und der spezifische
Brennstoffverbrauch SFC im Standfall günstiger sind als beim Reiseflug. Durch die mit stei-
gender Flughöhe sinkenden Temperaturen am Triebwerkseintritt verbessert sich der SFC.
Für den Unterschallflug mit hohem Bypassverhältnis werden, wie bereits im
Abschn. 2.6 gezeigt wurde, besonders im zivilen Luftverkehr aus ökonomischen Gründen
Bypass-Triebwerke mit BPR von 4 bis über 10 entwickelt und geflogen. Damit verbunden
sind, wie bei militärischen Triebwerken, steigende Turbinen-Eintrittstemperaturen.
204 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Gesamtdruckverhältnis
OPR
p3 t
12 = 30
p2 t
Hochdruckverdichter
10 25
HPC
Verdichter-Druckverhältnisse
∏
HPC
8 20
B
15
6
Niederdruckverdichter
10
4
∏ LPC B 20 30
LPC 10
2
0,5 1,0 1,5 2,0
Bypassverhältnis BPR
Abb.2.7-4 Druckverhältnisse der Hoch- und Niederdruckverdichter HPC und LPC sowie das
Gesamtdruckverhältnis OPR von Turbofan-Triebwerken TFM mit Mischung ohne Nachbrenner
nach Abb. 2.7-3a abhängig vom Bypassverhältnis BPR für den Flug in Bodennähe mit M0 = 0,9
(ISA SL). Berechnet nach [GasTurb, Mün72K, Hag82B]
Gesamtdruckverhältnis
36
2
Bypassverhältnis
spez. Brennstoffverbrauch
BPR
35
3 Überschall-Höhenflug
12
4 5 H0=11000 m, M0=2
34 Schub FN= const.
16
20 40
33
24
36
28
32
32
31
0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 1,2
Fan Durchmesser [m]
13 16
0 1 2 21 3 4 44 5 6 64 7 8 9
7 89
Tt7 pt7
Düse
Arbeitsprozess pt4 Nachbrenner c 92
Tt4 4 qAB
2
Flugzustand HPT p0
M0 > M2
44
Brennkammer
LPT
qB 5 6
64
63
pt3 Mischung
3
Tt3
HPC
24
h LPC 13 2
Fan 18 c18
T
Einlauf t0 0 2 2
c 02 pt0 p0
2
s
spezifische Schub erheblich gesteigert. Weiterhin ist zu sehen, dass der SFC gegenüber
dem „Trockenbetrieb“ ohne AB ebenfalls stark ansteigt. Eine Flugmission mit lang
andauerndem Nachbrennerbetrieb ist demnach möglichst zu meiden.
Bei einer Flug-Mach-Zahl von M0 = 2,2 im Höhenflug bei H0 = 11000 m zeigen sich
tendenzmäßig in verstärktem Maße ähnliche Zustände wie beim bodennahen Flug. Das
im Bild angegebene OPR hier im Höhenflug stellt nicht das Auslegungs-OPR der jewei-
ligen Triebwerke dar, sondern die Druckverhältnisse im Teillastbetrieb. Das Gesamt-
druckverhältnis OPRA der Auslegung A kann etwa doppelt so hoch sein wie die im Bild
angegebenen Werte, die eigentlich Teillast-Betriebspunkten Bi entsprechen. Dazu werden
2.7 Turbofan mit kleinem Bypass und Nachbrenner 207
SFC Nachbrenner
75 AB
BPR=2,0 BPR=2,0
[g/(kN s)]
OPR 1,0
5 - 15 Überschallflug M0=2,2
0,5 BPR=1,0
Unterschallflug M0=0,9
70 BPR=0,0
spez. Brennstoffverbrauch
(reines TJ)
BPR=1,0
Überschallflug
H0=11000 m, M0=2,2
ISA
65
BPR=0,5
OPR=10, 15 bis 25
Unterschallflug
H0=0 m, M0=0,9
60 ISA, SL
BPR=0,0
(reines TJ)
bei der Darstellung des Betriebs- und Teillastverhaltens von TFMA in Abschn. 8.3 nähere
Details gegeben.
Der erhebliche Anstieg des spezifischen Brennstoffverbrauchs SFB bei kleiner Flug-
Mach-Zahl (hier bei M0 = 0,9) mit zunehmendem Bypass-verhältnis BPR ist beachtlich.
Beim Höhenflug mit der Mach-Zahl M0 = 2,2 ist der SFB-Anstieg wesentlich geringer.
Bei der optimierten Auslegung von TFMA-Triebwerken ist deshalb dem Bypassver-
hältnis BPR abhängig von der Flugmission besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Zusammengefasst zeigt sich, dass Auslegungs-Parameterstudien mit flexiblen nume-
rischen Syntheseprogrammen wie [GasTurb] gekoppelt mit entsprechenden Optimie-
rungsstrategien zu bearbeiten sind, um mit der großen Zahl von Auslegungsparametern
schließlich eine effiziente Lösung zu erzielen.
Analog zur Darstellung der Parameterstudie in Abb. 2.7-7 wird für den Nachbren-
nerbetrieb in Abb. 2.7-8 für konstanten Nettoschub die Abhängigkeit vom Fan-Druck-
verhältnis vorgestellt. Das optimale Gesamtdruckverhältnis liegt bei OPR = 8 bis 14 bei
sehr kleinen BPR kleiner 0,5. Für eine ökonomische Flugmission sollten höhere BPR und
OPR angestrebt werden bei möglichst langen Flugphasen im Unterschall sowie minima-
len Einsatz des Nachbrenners.
Mit den beiden Abb. 2.7-9 und 2.7-10 werden zwei typische, erfolgreiche Turbofan-
Serientriebwerke TFMA mit kleinem BPR, mit Mischung und stufenlos einstellbarem
Nachbrennerbetrieb vorgestellt.
208 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
58
0,50
57 Überschall-Höhenflug
H0=11000 m, M0=2
0,25 Schub FN=const.
56 Bypassverhältnis
BPR 0,0
4
55
6
Gesamtdruckverhältnis 8
54 OPR 10 14
53
1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6 2,8 3,0 3,2
Fan-Druckverhältnis Fan
integrierter Schubumkehr der europäischen Firmen RR, MTU, Fiat u. a. sind beson-
ders gut geeignet für Unterschall- und Überschallflüge bei vielfältigen militärischen
Flugmissionen.
Turboshaft-Gasturbinen TS Standardversionen
Wellenleistungs-Gasturbine mit 1- bzw. 2-Wellen-Gasgenerator GG
stationär mobil
Konventionelle GT Aero-Derivative Turboshaft-Flugantriebe
Energietechnik Schiffstechnik Flugtechnik
0,6 Joule-Prozesse
halb ideal
η th
ηCpol=ηTpol= 0,9
therm. Wirkungsgrad
2000 K
1800 K
0,5 1600 K
1500 K
1400 K
1300 K
0,4
Temperatur Tt4 =1200 K
0,3
0 10 20 30 40 50 60
Verdichter-bzw. Gesamtdruckverhältnis ΠC bzw. OPR
Einer bestimmten Turbinen-Eintrittstemperatur Tt4 ist jeweils ein Optimum des ther-
mischen Wirkungsgrades ηth und/oder der spezifischen Leistung bei unterschiedlichen
Druckverhältnissen OPR zugeordnet. Für den thermischen Wirkungsgrad liegt das opti-
male Druckverhältnis für eine konstante Turbinen-Eintrittstemperatur TET höher als
bei der spezifischen Leistung. Bei detaillierten, erweiterten Triebwerksauslegungen ist
zusätzlich eine sorgfältig abgestimmte Erfassung des internen Kühl- und Luftsystems
vorzunehmen, da dies erheblichen Einfluss auf die Lebensdauer des Triebwerks und des-
sen Folgekosten hat.
Dazu wird anschließend für ein typisches Turboshaft-Triebwerk der 1000 kW-Klasse
wie sie zum Beispiel für Hubschrauber-Triebwerke ausgelegt werden, in Abb. 2.8-3 eine
Auslegungs-Parameterstudie gezeigt. Dabei wurde der Durchsatz am Triebwerks-Eintritt
ṁ konstant gehalten und als Prozessparameter das Gesamtdruckverhältnis OPR = pt3/
pt2 und die Turbinen-Eintrittstemperatur TET = Tt4 verwendet.
Ausgehend von einer konventionellen Auslegung nach Punkt (A1) soll bei gleich blei-
bendem ṁ2 eine fortschrittliche Auslegung nach Punkt (A2) mit Steigerung der maxi-
male Turbinen-Eintrittstemperatur TET und Erhöhung des OPR erreicht werden. Dabei
ist das Druckverhältnis der 1-stufigen HPT pt4/pt45 = 4 zu halten und die Eintrittstem-
peratur der LPT Tt45 = 1300 K soll nicht überschritten werden, damit die LPT weiterhin
ungekühlt betrieben werden kann. Das Ergebnis der Parameterstudie zeigt, dass mit den
212 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
1 2 3 4 5 8
Turboshaft-Gasturbine TS 45
1000 kW – Klasse
Parameterstudie PPT
350
7,5
300
10
A1
15
A2
250 20
25
30
400 600 800 1000 1200 1400 1600
Wellenleistung PPT [kW]
Leistungskennfeld Turboshaft-GT
1200
PPT A = 1100 kW A
PPW [kW] SFC = 280 g/(kW h)
100%
1000 290
Wellenleistung
95%
800 300
0
60 70 80 90 100 110 120
Abtriebsdrehzahl nPT [%]
Abb. 2.8-4 Leistungskennfeld eines 1100 kW-Turboshaft-Triebwerks TS vom Typ GE T700
bestimmt mit Synthese-Teillastrechnung nach [GasTurb, Ric82]
2.8 Turboshaft-Gasturbinen in Luftfahrt-, Energie- und Marine-Technik 213
TurboshaftGE T700
vorgegebenen Werten eine Auslegung (A2) mit TET = 1730 K und einem OPR = 18 der
spezifische Brennstoffverbrauch SFC erheblich gesenkt werden kann und die Nutzleis-
tung an der Abtriebswelle nahezu 1400 kW erreicht.
Das typische Leistungskennfeld eines 1100 kW-Turboshaft-Triebwerks wird in
Abb. 2.8-4 gezeigt. Mit diesem Kennfeld für das stationäre Leistungs- und Betriebsver-
halten wird deutlich, dass abhängig von den Drehzahlen des Gasgenerators nGG und der
Nutzleistungsturbine nPT verbrauchsoptimale Betriebsbereiche bei verschiedenem Leis-
tungsniveau möglich sind. Zur Bestimmung des stationären und instationären Betriebs-
verhaltens im Volllast- und Teillastbetrieb mit Hilfe numerischer Syntheserechnung wie
[GasTurb] wird in Abschn. 7.3 näher eingegangen.
In Abb. 2.8-5 wird ergänzend zu Abb. 2.8-4 als Beispiel ein typisches sehr erfolg-
reiches Serientriebwerk der Leistungsklasse um 1100 bis 1700 kW gezeigt, das Hub-
schrauber-Turboshaft-Triebwerk GE T700, das auch als Propeller-Triebwerk (GE CT7)
eingesetzt wird. In Verbindung mit den Hubschrauber-Turboshaft-Triebwerken werden
mit Abb. 2.8-10 weitere Hinweise zum Turboshaft T700 gegeben.
mit Ein-Wellen-Gasgenerator
mit Zwei-Wellen-Gasgenerator
Bauweise her gesehen setzen sich diese Turboshaft-Triebwerke aus 1- oder 2-Wellen-
Gasgeneratoren GG bzw. Kerntriebwerke (core engine) zusammen sowie mit oder
ohne einer freilaufenden Nutzleistungsturbine PT. Abbildung 2.8-6 gibt ergänzend zu
Abb. 1.3-1 einen Überblick zu diesen Schaltungen.
Wie bei allen Gasturbinen und Turbotriebwerken sind abhängig vom Einsatzbereich
und der Flugaufgabe das Leistungsniveau und der Durchsatz für die Auslegung und die
Auswahl der Ein- oder Mehrwellen-Verdichterbauweisen maßgebend. Bis zu einem
Durchsatz von etwa 2 bis 4 kg/s dominiert der 1-stufige Radialverdichter, der bis zu
einem Druckverhältnis von über 6 bis 7 ausgelegt werden kann.
Bei höheren Durchsätzen bis zu 10 kg/s werden Axial-Radial-Kombinationsverdichter
ausgeführt. Bei noch größeren Durchsätzen sind hauptsächlich mehrstufige, mehrwellige
Axialverdichter im Einsatz, wobei allerdings für sehr hohe Gesamtdruckverhältnisse die
letzte Verdichtersektion wieder mit einer Radial-Endstufe abgeschlossen werden kann.
Damit verbunden ergeben sich höhere Werte für die pezifischen Leistungen und die Ver-
besserung der spezifischen Brennstoffverbräuche SFC.
Einwellen-Gasturbinen mit Abgabe der Nutzleistung direkt von der Gasgenerator-
Welle sind auch bei starker Leistungsänderung bei Energieanlagen zum Antrieb von
Elektro-Generatoren günstig einsetzbar.
Turboshaft-Gasturbinen mit 1- oder 2-Wellen-Gasgenerator und frei laufender Nutz-
leistungs-Turbine ergeben einen erhöhten Verlauf der Drehmomente an der Abtriebs-
welle, was für mobile Anlagen bei Fahrzeug- und Schiffsantrieben wichtig ist.
2.8 Turboshaft-Gasturbinen in Luftfahrt-, Energie- und Marine-Technik 215
Hilfsgasturbine APU
im Heck eines
Großflugzeugs
Abb. 2.8-7 Turboshaft-Kleingasturbine als APU integriert im Heck eines Flugzeugs Airbus A 380.
Darstellung nach Fa. Airbus
Umkehr-
Brennkammer B
Luft
Axial-Radial-
Verdichter C
HP-Turbine LP -Turbine
PW=300 kW Abgase
Getriebe G
Hubschrauber-
Turboshaft-Gasturbine
mit Wärmetauscher
2 Regenerator-
Wärmetauscher
Beim T700 besteht der Gasgenerator aus einem Kombinationsverdichter mit fünf
Axial- und einer Radialverdichterstufe, die von zwei gekühlten Turbinenstufen angetrie-
ben werden Die zweistufige Arbeitsturbine treibt das Hubschraubergetriebe durch die
Hohlwelle des Gaserzeugers an.
Die Axialverdichterstufen wurden in Blisk-Bauweise gefertigt. Die Einlassleitschau-
feln und die ersten zwei Statorstufen sind verstellbar ausgeführt. Der ringförmigen
Brennkammer mit zentraler Kraftstoffeinspritzung folgt eine zweistufige axiale Nutzleis-
tungsturbine PT. Das Turboshaft-Triebwerk wurde mit FADEC auf hohe Zuverlässigkeit
für den Betrieb besonders bei schwierigen Umgebungsbedingungen ausgelegt.
Am Lufteintritt ist ein Filter platziert, der Schmutz, Sand- und Staub abscheidet.
Zum aktiven Ausscheiden von Fremdkörpern kann bei Sonderbauweisen der T700 ein
Gebläse mit Dralleinrichtung geschaltet werden, worauf in Abschn. 3.2, Abb. 3.2-11,
bei Lufteinläufen nochmals näher eingegangen wird. Die CT7 ist eine Turboprop-Ver-
sion mit gleichem Basistriebwerk wie das Turboshaft-Triebwerk T700, aber mit einem
Getriebe zum Antrieb eines Propellers ausgerüstet.
2.8 Turboshaft-Gasturbinen in Luftfahrt-, Energie- und Marine-Technik 219
Turbofan-Flugtriebwerk
CF6-50 GE
Schub 240 kN
A300, B747 1-Wellen-
Gasgenerator
CF6-50
1 Fan+3 LPC 4 LPT
Gasgenerator
14 HPC+B+2 HPT
5 LPC 1 IPT 3 PT
Turboshaft-Gasturbine 2-Wellen-
Aeroderivat Gasgenerator
LM 5000 GE
Leistung
34500 kW
46 Gasturbinen-Anlagen
η th [%] einfach (simple cycle)
44
Aero-Derivate
Trent RR
therm. Wirkungsgrad
SGT58000H Sie
42
(ηthGuD 60%)
LM6000 GE SGT54000F Sie
40
RB211 RR
V94.3A Sie
FT8Pac PW GT26 Als
38 FT8 PW GTX100 Als
PGT9351FA GE
V64.3A Sie
36 LM2500 GE GT13E2 Als
6FA GE
L20A KHI V94.2 Sie
34 PG9171E GE
GT8C2 Als PG9231EC GE
32 Heavy-Duty-Gasturbinen
Mobil- und Industrie-Gasturbinen
30
0 50 100 150 200 250 300 350
Nutzleistung el. Pel [MW]
Bei den Aeroderivaten wird gegenüber den Flugtriebwerken meistens die Heißgas-
temperatur und die Gasgenerator-Drehzahl etwas zurückgenommen, um die Lebens-
dauer weiter zu steigern. Wahlweise werden hoch verdichtete Gasturbinen-Anlagen
ohne Wärmetauscher und niedrig verdichtete Anlagen mit Rekuperator-Wärmetau-
schern verwendet (Abschn. 2.9 und 7.3).
Auf die umfangreichen Anwendungen und die vielfältigen Schaltungsmöglichkei-
ten stationärer Gasturbinen in der Energie- und Kraftwerkstechnik besonders auch in
Verbindung mit Aeroderavativen sei hier auf die umfassenden Werke von Münzberg
und Kurzke [Mün77B], Lechner, Seume u. a. [Lec03B] sowie von Walsh und Fletcher
[Wal00B] hingewiesen.
Mit Abb. 2.8-12 wird ein Überblick zu Turboshaft-Gasturbinen gegeben, wie sie in
verschiedenen Leistungsbereichen bis über 300 MW eingesetzt werden. Aufgetragen ist
der thermische Wirkungsgrad zahlreicher Wellenleistungs-Gasturbinen, wobei im Leis-
tungsbereich unter 100 kW die Aeroderivative mit Wirkungsgraden über 40 % dominant
sind [Lec03B].
Bei Kombinations-Antriebsanlagen für Schiffe aus Diesel-Motor und Gasturbine
können die Leistungen zum Beispiel über Fluidkupplungen auf die Propellerwelle über-
tragen werden, wobei bei der Gasturbine wegen ihrer hohen Drehzahl noch ein Zwi-
schengetriebe angeordnet werden muss.
Da die Gasturbine in der Lage ist, außer Wellenleistung über zusätzliche Kompresso-
ren auch Druckluft abzugeben oder ein Gebläse zusätzlichanzutreiben, stellt sie auch das
ideale Antriebsaggregat für Luftkissenboote (hovercraft) dar.
2.8 Turboshaft-Gasturbinen in Luftfahrt-, Energie- und Marine-Technik 221
(a)
GuD Gasturbinen- und Dampfturbinen-KW
Gasturbine GT (2-Wellen-Turboshaft TS)
Brennstoff
Trafo
Luft 3 Heißgas
BK 44 PEl, GT+PEl,DT
4 PGT
C T PT EG E-Generator GT
1 2 5
Luft Abgase
Abhitze- 6 Dampf
Dampfturbine
Kessel
D3 D4 PDT
AK
DT EG E-Generator DT
Wasser D5
Kondensator
7 Kond
P D6
Abgase D2 D1
(b) Pumpe Kühlwasser
1400
Tt °C 4
1200 Gasturbinen-Arbeitsprozess
1000 T
Temperatur total
44
800
PT
5
600 BK
3 AK D4
400 Gasturbine
200 C AK DT
2 Dampfturbine
Kond
D2 P D5
0
D1
Dampfturbinen-Arbeitsprozess
Vergleichsprozess dieser Art stellt den erstmals von Clausius und Rankine um 1854
angegebenen Prozess dar, wie er in Abb. 2.8-13b vereinfacht verlustbehaftet im T-s-Dia-
gramm gezeigt wird.
Einem Speisewasserbehälter wird Kreislaufwasser entnommen und über der Pumpe
P unter Druckerhöhung in den Abhitze-Kessel AK gefördert. Dort wird das Wasser
erwärmt, verdampft und in der Regel überhitzt.
Vom Kessel strömt der Dampf über Sicherheits- und Regelventilen der Dampfturbine
DT zu. Hier expandiert das Arbeitsfluid Dampf unter Abgabe der Wellenleistung PDT
bis auf den Druck im Kondensator und der Dampf wird gekühlt und verflüssigt. Das als
Kondensat bezeichnete Kreislaufwasser wird schließlich mittels der Kondensatpumpe in
den Speisewasserbehälter zurückgefördert.
Für grundlegende Auslegungsstudien genügt es, den Wärmeschaltplan vereinfacht zu
betrachten, wobei Ventile, Kondensatpumpe und Speisewasserbehälter wegelassen wer-
den. Die relativ geringe Arbeit der Kondensatpumpe wird dann der Speisepumpenarbeit
zugerechnet.
Es bedeuten in Abb. 2.8-13 gekürzt dargestellt: D1 – D2 Förderung des Kondensats
auf Kesseldruck, D2 – D4 Erwärmung des Kesselwassers auf Verdampfungstempera-
tur, Verdampfung und Überhitzung bis zur Spitzen-Temperatur bei D4, Expansion des
Dampfes von D4 bis D5 sowie Verflüssigung des Dampfes im Kondensator von D5 bis
D1. Die den Maschinenkomponenten zuzuordnenden Zustandsänderungen in der
Pumpe bzw. Dampfturbine wurden adiabat, die in den Wärmetauschern bzw. im Kessel
und Kondensator gegebenen Zustandsänderungen wurden vereinfacht isobar betrachtet.
Wie in den vorstehenden Abschnitten zu sehen war, ist das Temperaturniveau bei
den Turboshaft-, Turbojet- und Turbofan-Triebwerken wesentlich höher als bei Dampf-
turbinen-Arbeitsprozessen. Der thermische Wirkungsgrad der Dampfkraftanlagen liegt
dennoch wegen der niedrigeren mittleren Temperatur der Wärmeabfuhr im Gegensatz
zur nicht isothermen Wärmeabfuhr beim Gasturbinenprozess höher als dies durch die
isotherm-isobar verlaufende Kondensation des Arbeitsfluids möglich wird. Es liegt also
nahe, beide Prozesse so miteinander zu verknüpfen, dass die Wärmezufuhr teilweise
oder ganz in der Gasturbine erfolgt, während die Wärmeabfuhr möglichst nur im Kon-
densator der Dampfkraftanlage stattfindet. Die Abgaswärme der Gasturbine muß dann
dem Dampfturbinenprozess zugeführt werden. Am einfachsten lässt sich dies durch
Einleiten des Gasturbinenabgases in den Abhitzekessel der nachgeschalteten Dampf-
kraftanlage erreichen (Abb. 2.8-13a). Da die heißen Abgase der Gasturbine noch einen
hohen Luftgehalt haben und somit sauerstoffreich sind, können sie als Verbrennungs-
luft für eine zusätzliche Verbrennung herangezogen werden. Dadurch kann die Leistung
des Dampfturbinenprozesses auf ein mehrfaches gegenüber dem Prozess der Gasturbine
erhöht werden, sodass die Gesamtleistung des Kombiprozesses noch wesentlich gestei-
gert werden kann.
Der thermische Wirkungsgrad der GuD-Anlage wird wie üblich mit den Teilleistun-
gen der Gasturbine und der Dampfturbine gebildet bezogen auf den in der Brennkam-
mer zugeführten Energiestrom.
224 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
PGT + PGT
ηth GuD = . (2.8-1)
Q̇B
Da in beiden Teilprozessen verschiedene Arbeitsstoffe mit verschieden großen Massen-
strömen umlaufen, ist es nicht sinnvoll, Wirkungsgrade mit auf die Masseneinheit des
Arbeitsmediums bezogenen Wärmemengen oder Arbeiten zu bilden. Stattdessen sind
Wärmeströme und Leistungen hier die zweckmäßigeren Größen.
In Kap. 1, Abb. 1.3-10, wurden bereits bei der einführenden Vorstellung der stationä-
ren Gasturbinen die thermischen Wirkungsgrade von Gasturbinen, Dampfturbinen und
GuD-Anlagen in ihrer zeitlichen Entwicklung dargestellt.
Wie in Abschn. 1.3 und 2.8.1 bereits erwähnt, spielen seit den 1980er Jahren verstärkt
besonders auch bei den Gasturbinen-Dampfturbinen-Kraftwerken (GuD-Kraftwerke)
die modifizierten Turbojet- und Turbofan-Flugtriebwerke mit ihren Hochtechnologien
2.8 Turboshaft-Gasturbinen in Luftfahrt-, Energie- und Marine-Technik 225
als Aeroderivate eine wesentliche Rolle. Mit ausgewählten Beispielen wird anschließend
der Einsatz von Aeroderivativen bei einigen typischen Anwendungen erläutert.
Die Entwicklungen neuer Kraftwerkstechnologien zur Reduzierung von Brennstoffver-
brauch und Emissionen sowie mit hoher Energieeffizienz optimiert führte weltweit in den
führenden Firmen der Energie- und Kraftwerkstechnik zu neuen Generationen von stati-
onären Gasturbinen auf der Basis bewährter Konzepte. Die Entwicklungsziele der klassi-
schen Industrie- und Kraftwerks-Gasturbinen werden ebenfalls zunehmend geprägt durch
eine zuverlässige und wartungsfreundliche sowie preisgünstige und umweltfreundliche
Stromerzeugung, möglichst verbunden mit umfassender Abwärmenutzung. Als Beispiele
dazu werden in Abschn. 2.8.4.2 neuere Entwicklungen aus dem oberen bisher erreich-
ten Leistungsbereich um 300 MW pro Einheit vorgestellt. Dies sind die SGT5-8000H der
Firmen Siemens Power Generation und die GT24/GT2.6- von ALSTOM, mit denen sehr
hohe Effizienz bei geringen Lebenszykluskosten und günstiger Betriebsflexibilität erzielt
werden konnten. Dabei werden thermische Wirkungsgrade um 40 %, im Kombinationsbe-
trieb als GuD-Kraftwerk um 60 % erreicht (Abb. 2.8-1 und 2.8-12) [Wal00B, Lec03B].
• Die gute Eignung für die offene Gasturbinen-Anlage mit geringer Abgastemperatur
ist allerdings für den Kombibetrieb der GuD-Kraftwerksanlagen mit der Nutzung von
Abwärme ungünstig,
226 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Turbofan-Schubtriebwerk
GE CF6-6
CF6-50
CF6-80
FTO = 178 kN
= 240 kN
= 334 kN
Jahre 1967 bis 2009
Aero-Derivat
GE-LM2500
22.000 kWe
Leistung gesteigert
GE-LM2500+
30.500 kWe
40 000
LM2500+4G
Aero Derivate GE PPT [kW]
30 000 LM2500+
Leistung
LM2500
20 000
10 000
0 -10° 0° 10° 20° 30° 40°
Umgebungstemperatur T [°C]
Power Pack
LM2500+4G GE
35.300 kWe
Von der Turbofan-Familie GE-CF6-6, CF6-50 und CF6-80 wurden von der Firma Gene-
ral Electric die Turboshaft-Gasturbinen GE-LM2500, -LM5000 und -LM6000 als Aero-
derivat-Familie für Industrie- und Schiffs-Turboshaft-Gasturbinen abgeleitet.
Die Standard-Versionen des LM2500 liefern 25,1 MW bei einem thermischen
Wirkungsgrad von 37 %. Diese Turboshaft-Gasturbine wurde bei Schiffen (US Navy
u. a.) eingesetzt sowie in großen Stückzahlen bei Yachten und Schnellbooten, bei
Luftkissen-Fahrzeugen (hovercraft) und bei schnellen Fähren. Die meisten Anlagen
sind in kompakten Containern integriert, gut transportfähig und mit nur geringen
Einbaumaßnahmen für die Zu- und Abluft relativ leicht auf einem Schiffskörper zu
installieren.
Das Anwendungs-Spektrum der LM2500 reicht zusammengefasst von den Energie-
erzeugern über Marineanwendungen bis hin zu Betreibern von Erdölplattformen und
Kompressor-Stationen und dies für On- und Offshore-Betrieb.
Im Gegensatz zu den Baumustern LM5000 und LM6000 weist die LM2500 einen Gas-
generator GG mit einem Rotor und einer freilaufenden, aerodynamisch gekoppelten
Nutzturbine PT auf. Sie besteht aus einem 16-stufigen Verdichter, einer Ringbrennkam-
mer, einer zweistufigen Hochdruckturbine und der Nutzturbine. Die LM2500 ist die am
weitesten verbreitete Gasturbine in der Leistungsklasse von 20 bis 25 MW. Die Gastur-
bine LM2500+ ist eine leistungsgesteigerte Version der LM2500 mit 30,5 MW.
228 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
3000 Passagiere
Kombi-Maschinenanlage
CODLAG-Antrieb
Turbodiesel-Elektrisch
(COmbined DieseleLectric And Gas)
2 x LM2500+ GE (2 x 30 000 kW)
4 x 16 Zyl.-Diesel (4 x 16 800 kW)
4 x Propellergondeln RR/Alstom (4 x 21 500 kW)
Gasturbinen die Generatoren an, die das Schiff und seine Schiffspropeller-Gondeln mit
elektrischer Energie versorgen. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von ca. 24 bis 26 Knoten
arbeiten nur die Dieselmotoren. Um die Höchstgeschwindigkeit von mehr als 30 Knoten
zu erreichen, werden die Gasturbinen hinzugeschaltet.
Die vier 16-Zylinder-Dieselmotoren sind u. a. aufgrund ihres hohen Gewichts im
tief liegenden Maschinenraum des Schiffes installiert. Jeder Motor ist 12,5 m lang, 4,4 m
breit und 5,5 m hoch und entwickelt eine Leistung von 16.800 kW. Sie erzeugen insge-
samt etwa 57 % der gesamten Vortriebsleistung.
Aufgrund des hohen Luftdurchsatze sind die Gasturbinen unmittelbar unterhalb des
Schornsteins in einem schallgedämmten Raum eingebaut. Bei einer Drehzahl von 3600/
min entwickelt jeder der beiden Turbogeneratoren eine elektrische Leistung von ca.
25 MW. Jeder Turbinensatz hat eine Masse von ca. 95 Tonnen.
Im Falle, dass die Schiffs-Gasturbine in der Kombination mit einer Dampfturbine
betrieben wird, kann diese entweder durch einen separaten Dampferzeuger mit Dampf
versorgt werden oder über einen Abhitzekessel die Energie aus dem Abgas der Gastur-
bine nutzen. Das Arbeitsprinzip entspricht dem in einem GuD-Kraftwerk.
1400
M701F (56%)
1300
1200
M701D (52%)
1100
1000
in Produktion
900 in Entwicklung
entwickelt
800 skaliert
GuD-Prozessfür
optimalen Kundennutzen und Vierstufige Turbine mit fortschrittlicher
niedrige Emissionen Beschaufelung und thermischer Schutzschicht
Siemens SGT5-8000 von 340 MW Abgaszustände ausgelegt
> 60% GuD-Wirkungsgrad für optimalen GuD-Prozess
thGuD
Weiterentwickeltes Ultra Low
NOx Verbrennungssystem
Abb. 2.8-20 Rotor der 1-Wellen Gasturbine SGT5-8000H mit Blick zum mehrstufigen Axialver-
dichter fortschrittlicher Bauweise. Darstellung nach Fa. Siemens AG
232 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
GuD-Prozessen bewegen sich um 550 bis 600 °C, die Gesamtdruckverhältnisse OPR lie-
gen dabei im Bereich um 20 bis 30.
In der Kopplung mit einer Dampfturbine als GuD-Kraftwerk erreicht die SGT5-
8000H im GuD-Kraftwerk Irsching (Bayern) bei etwa 530 MW Gesamtleistung einen
thermischen Wirkungsgrad über 60 %. Im Abb. 2.8-19 wird ein Überblick zu der im Jahr
2009 leistungsstärksten Gasturbine der Welt gegeben. Mit dem Blick auf den Rotor der
340 kW-Einwellen-Gasturbine ist zu erkennen, dass zum Beispiel die 3D-Auslegung des
vielstufigen Axialverdichters Auslegungsmerkmale wie sie Hochleistungsverdichter von
Flugtriebwerken aufweisen (Abschn. 4.2.9 und 4.2.10).
(a) Turboshaft-Gasturbine TS
ohne Wärmetauscher
5
1 2 4 44
3 B 7 8
PW
E C T PT G
nC = n T nPT
PC + PEx = PT
5
1 2 31 4 44 6 8
3 7
B
PW
E C T PT G
nC = nT nPT
PC + PEx = PT
Leistungsklasse von 1000 bis etwa 1500 kW vorgestellt. Die Auslegungsleistung der hier
betrachteten Turboshaft-Gasturbine TS soll beispielhaft 1100 kW betragen. Ein Ver-
gleich wird mit einer gleichartigen 1100 kW-Turboshaft-Gasturbine mit Rekuperator
TSRec vorgenommen.
Eine erste Vergleichsstudie zwischen der Turboshaft-Gasturbine ohne TS und mit Reku-
perator-Wärmetauscher TSRec kann im Wesentlichen über Arbeitsprozess-Parameter-
studien von Auslegungspunkten A bzw. DS mit z. B. der Programmtechnik [GasTurb]
vorgenommen werden, wobei mit den Eingabedaten technologische, konstruktive und
wirtschaftliche Gesichtspunkte bereits mit beachtet werden. [Mün77B, Ric82, Hag82B,
Brä01Ba, Lec03B, Gri04B, Wal00B].
Das Ergebnis einer solchen Vorstudie ist in im Abb. 2.9-4 dargestellt.
Zur Verbesserung der Arbeitsprozesse bzw. der Brennstoffverbräuche auch im Teil-
lastverhalten wird in Abschn. 7.3 die Anlage mit Rekuperator TSRec mit variabler Geo-
metrie im Turbinenbereich durch Verstellung der Leiträder der Nutzleistungsturbine PT
genauer untersucht. Wie die Ergebnisse einer Vergleichsstudie in Abschn. 7.3 im zeigen
234 2 Arbeitsprozesse von Gasturbinen und Flugtriebwerken
(a) 0 1 2 3 4 44 5 6 7 8
Diffusor Dif
Einlauf E
31
4
(b)
HP-Turbine
Brennkammer
qB 44
45
LP-Turbine
5
6
31
Rekuperator
Rekuperator heißseitig
kaltseitig QRek
qRek 7
8
3 Diffusor
mit c8<c5
Verdichter
h 2 0
Einlauf
werden, ist diese Erweiterung mit variabler Geometrie der einfachen Standard-Turbo-
shaft-Gasturbine ohne Verstellgitter gegenüber besonders effizient.
Abbildung 2.9-4 gibt in Gegenüberstellung der beiden Turboshaft-Gasturbinen die
Abhängigkeit des spezifischen Brennstoffverbrauchs SFC von der auf den Luftdurchsatz
bezogenen spezifischen Rotor-Leistung PW, vom Gesamt- bzw. Verdichtungsdruckver-
hältnis OPR = ΠC = pt3/pt2 und der maximalen Prozesstemperatur bzw. Turbinen-Ein-
trittstemperatur Ttmax bzw. TET = Tt4. Bei solchen vergleichenden Vorprojektstudien
2.9 Turboshaft-Gasturbine mit Wärmetauscher 235
1600
5 4
4
Tt4 [K] 1 2 35 4 44
3 B 6 7 8
1400 PPW
E C T PT 4343
n PT
Temperatur
1200 44
4445 45
4949
1000 55 66
35
800
8
s8
600 3 7/8
10
300
A 12
16 14
Tt4 [K] 1450 1500
1550
C=16
250 14
12 Turboshaft mit
A 10 Rekuperator TSRec
8
6
200
200 250 300 350
P kW
spez. Wellenleistung ⋅W
m1 kg / s
(Abb. 2.9-5) ist auch eine Abschätzung der zu erwartenden Baugröße für das jeweilige
Druck- und Temperaturniveau bereits zu berücksichtigen, da abhängig von diesen Grö-
ßen die Wirkungsgrade der Komponenten erhebliche Veränderungen wichtiger Parame-
ter hervorrufen können, wie in Abb. 2.9-6 und abschließend in Abb. 2.9-9 zu sehen ist.
Mit Hilfe der in Kap. 7 und 8 beschriebenen Syntheserechnung z. B. nach [GasTurb]
sind umfangreiche Parameterstudien gut durchführbar. Dazu können wesentliche Hin-
weise und Abschätzungen zu den Komponenten-Wirkungsgraden der einschlägigen
Fachliteratur entnommen werden [Kay73B, Mün77B, Ric82, Gri04B, Wal00B u. a.]. Für
den Leistungsbereich von 1000 bis 1300 kW wurde bei der hier betrachteten Studie dem
Stand der Kühltechnologie entsprechend eine maximale Temperatur am Eintritt der
gekühlten Hochdruckturbine von 1400 bis 1500 K angesetzt. Zusammenfassend kann
nach dieser Parameterstudie für eine fortschrittliche Triebwerksauslegung folgendes der
Darstellung in Abb. 2.9-4 entnommen werden:
Bei Arbeitsprozessen ohne Wärmetauscher erhöht sich mit steigendem Druckver-
hältnis OPR und steigender Temperatur Tt4 die spezifische Leistung bis zu einem Opti-
mum. Der günstigste spezifische Brennstoffverbrauch liegt besonders wegen der mit
steigendem Druckverhältnis fallenden Wirkungsgrade der Turbomaschinen-Kom-
ponenten bei kleineren Druckverhältnissen als dies bei Rechnungen mit konstanten
2.9 Turboshaft-Gasturbine mit Wärmetauscher 237
Turboshaft-Gasturbine TSRec
mit Rekuperator-Wärmetauscher
PW=1100 kW
PW
Einlauf E Verdichter C
Brennkammer B
Turbine HPT Rekuperator Rec
Nutzleistugs-Turbine
LPT = PT
500 mm
Mit
k A Ċmin
ηRec =f , . (2.9-7)
Ċmin Ċmax
Die Wärmeübertragungsgröße k A/Ċmin ist bekannt mit der Bezeichnung NTU (Number
of Heat TranferUnit). Wie zum Beispiel in [Hau78, Kay76] ausführlich gezeigt wird, lässt
sich der Wirkungsgrad ηRec wie folgt mit C∗ = Ċmin /Ċmax ermitteln.
∗
1 − e−NTU (1−C )
ηRec = ∗ (2.9-8)
1 − C∗ e−NTU (1−C )
Für den Grenzfall, dass C∗ = Ċmin /Ċmax → 1 geht, ergibt sich über eine Potenzreihen-
entwicklung die Beziehung
NTU
ηRec = (2.9-9)
1 + NTU
Für Gasturbinenanlagen ist nur der Bereich 0,8 < ηRec < 1,0 von Bedeutung. Abbil-
dung 2.9-7 zeigt den Verlauf des Wirkungsgrades ηRec abhängig von der Wärmeüber-
tragungsgröße NTU und Ċmin /Ċmax. Als weiterer Parameter ist die Übertragungsgröße
k A/Ċmax dargestellt, die sich durch Erweiterung von NTU finden lässt.
Außer den thermischen Eigenschaften des Wärmetauschers im Hinblick zum Beispiel
auf die Wärmeübertragung sind für kompakte Hochleistungs-wärmetauscher auch die
strömungsmechanischen Eigenschaften von hervorgehobener Bedeutung. Die Druckver-
luste in den kalt- und heißgasseitigen Strömungskanälen beeinflussen erheblich die Güte
des thermischen Arbeitsprozesses der gesamten Gasturbinenanlage. In Anlehnung an
[Kay76] kann für den Druckverlust folgende Beziehung angewandt werden
2
ṁ
p = f , ρ , KE ,KB , KV , KA . (2.9-10)
AFK
Dabei ist ṁder Durchsatz, AFK der freie Strömungsquerschnitt, ρ die Dichte der Luft
bzw. des Heißgases. KE, KB, KV sowie KA sind Terme für Einflüsse am Kanaleintritt, der
Strömungsbeschleunigung und der Strömungsverluste sowie Störeffekte am Kanalaus-
tritt. Die Summe der Druckverluste im Wärmetauscher kalt- und heißgasseitig erreichen
Werte von zusammengefasst etwa 5 bis 10 %. Dies spielt bei der vergleichenden Beurtei-
lung von Gasturbinen mit und ohne Wärmetauscher eine wesentliche Rolle.
Für das Bauvolumen und die Baumasse des Wärmetauschers ist die Flächendichte
α = A/VEX maßgebend, das heißt das Verhältnis von Wärme übertragender Oberfläche
kalt- oder heißseitig zum Volumen der Wärmetauscher-Matrix. Bei Hochleistungs-Wär-
metauschern der Fahrzeug- und Flugtechnik sind α-Werte von etwa 1000 bis 3000 m2/
m3 erreichbar.
Im EDV-Programm [GasTurb] wird für die Simulation von Rekuperator-Wär-
metauschern eine Methode nach [Fle05] verwendet. Ausgehend vom bekannten
2.9 Turboshaft-Gasturbine mit Wärmetauscher 241
ṁ1 2 T1,55
t2
T0,55
pt1 − pt2 pt1 − pt2 pt1 t1
= 2 , (2.9-12a)
pt1 pt1 A ṁ1 T1,55
t2A
pt1 A T0,55
t1A
ṁ2 T
pt1 − pt2 pt1 − pt2
= 21 t1 . (2.9-12b)
pt1 pt1 A ṁ1 Tt1 A
Turboshaft-Gasturbine TSRec
mit Rekuperator Rec Verdichter-
1200
SFC 235 [g/kWh] drehzahl
PW [kW] nC 100%
A
1000 240
Wellenleistung
95%
245
800 250
90%
260
600
270
85%
400
300
325 80%
200
0
60 70 80 90 100 110 120
Drehzahl Abtriebswelle nPT [%]
mTSRec 400
mTS [kg]
Gesamtmasse
Turboshaft-GT
Masse Turboshaft-GTohne/mit Rekuperator
A
mit Rekuperator TSRec
300
PW=1100 [kW]
mRec
Masse
A Turboshaft-GT TS
Masse RekuperatorRec
200
ohne Rekuperator Rec
Masse
A RekuperatorRec
100
60 70 80 90
Rekuperator-Wirkungsgrad Rec [%]
vom Rekuperator-Wirkungsgrad erhöht sich durch die Masse des Rekuperators die
Gesamtmasse des Antriebssystems erheblich.
Eine Bewertung der Massenerhöhung durch den Wärmetauscher muss durch
weitere vergleichende Analysen von Kraftwerksanforderungen oder ggf. von Flug-
missionen, also Reichweite, Brennstoffkosten und weiteren Einflussgrößen beurteilt
werden.
Weiterhin sind bei mobilen und flugtechnischen Anwendungen auch das Volu-
men und der Stirnquerschnitt des Triebwerks bei der Gesamtbewertung z. B. beim
Einsatz als Hubschrauber-Triebwerk von Bedeutung, sowie das Verhalten bei insta-
tionärem, dynamischem Betrieb, wie dies in Abschn. 7.3 und Kap. 9 ausführlich
behandelt wird.
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Einläufe für verschiedene Flugbereiche
3
Die kinetische Energie der einem luftatmenden Triebwerk mit der Fluggeschwindig-
keit c0 zuströmenden Luft kann besonders bei höheren Flug-Mach-Zahlen M0 für den
Arbeitsprozess des gesamten Antriebes einen beachtlichen Gewinn bedeuten. Hierzu
wird die mit der Geschwindigkeit c0 anströmende Luft in einem Diffusor verzögert,
woraus sich ein Anstieg des statischen Drucks p2 ergibt, wie bereits im Abschn. 3.3 in
Abb. 2.3-3 und 2.3-4 zu sehen ist. Dies geschieht im Lufteinlauf, der außerdem in allen
Flug- und Lastzuständen dem Basistriebwerk die erforderliche Luftmenge in stabiler,
gleichmäßiger Strömung zuzuführen hat (Abb. 3.1-1). Darüber hinaus ist bei der Ausle-
gung des Einlaufs stets auf eine geringe Störung der Außenströmung zu achten [Her56B,
Car58, Car64, Hes64K, Mün72K, Hil92K, Brä00B, Gri04B, Wal00B, Ric05].
In Abschn. 2.3 wurde bereits zur Bestimmung der Standard-Arbeitsprozesse von
Turbojet-Triebwerken und Turboshaft-Gasturbinen die thermodynamische Erfassung
der Einlaufströmung im Verbund mit den drei wichtigsten Sektionen einer Gasturbine,
Verdichter, Brennkammer und Turbine, vorgestellt. In einfacher Form wurden die Ein-
laufzustände für den Standfall sowie für den Langsamflug und den Flug mit höherer
Fluggeschwindigkeit M0 > M2 in Abb. 2.3-4 gezeigt.
Mit der Kenntnis der einzelnen Komponenten für Verdichter (Abschn. 4.2) und Turbinen
(Abschn. 4.3) wird in Kap. 7 und 8 das gesamte aero-thermodynamische Zusammenwirken
aller Komponenten im Gesamttriebwerk mit Hilfe der numerischen Syntheseprogramme wie
z. B. [GasTurb] betrachtet. In den hier nachfolgenden Abschnitten dieses Kapitels soll ledig-
lich die Zusammenarbeit des Basistriebwerks mit seinem Lufteinlauf, der Komponente in der
die Luftzuströmung erfolgt, behandelt werden. Zur Luft- oder Heißgasabströmung wird auf
Kap. 6 verwiesen.
Die drei Betriebs- oder Flugbereiche Unterschall-, Überschall- und Hyperschallflug
(subsonischer, supersonischer und hypersonischer Flug) nach Abb. 3.1-1 zeichnen sich
durch die grundsätzlich verschiedenartigen Bau- und Arbeitsweisen der Einlaufarten
(SR-71)
c0
20
(a) Unterschall-Pitot-Einlauf
Subsonischer Schnellflug M0 > M1 > M2 ; c0 > c1 > c2
Turbofan-Triebwerk
A1 A2
A0
M0
m 0 = m1 = m2
Diffusor-Stromröhre
Gondelverkleidung
Einlauflippe Einlaufhaube
(inlet lip) (inlet cowl)
Schub-
A1 A0 At Komponente
Staupunkt
Einlauf-Stromröhre A0 Staupunkt-Stromlinie
Fangstromfläche A1=AC Eintrittsebene A2 Einlaufströmung hier kritisch
Halsquerschnitt At
Antriebssystems dar. Beim Überschallflug liegt etwa die gleiche Größenordnung vor.
Beim Hyperschallflug beträgt die Dimension von Einlauf und Schubdüse ein Vielfaches
von der des Basistriebwerkes (z. B. Abb. 2.5-17).
3.1.1 Unterschalleinlauf
Gondelumströmung Staupunktstromlinie
Gondelumströmung
A0 At
0 1 2
A1 At A1
A2 A2
0 1 2 0 1 2
Abb. 3.1-2 (Fortsetzung)
Diese Forderung ist im Stand und Langsamflug (c0 ≈ 0) notwendig, da in diesen Fäl-
len die vom Triebwerkseinlauf aufzunehmende Luft beschleunigt werden muss, zum
andern soll in allen Flugbereichen auch bei seitlicher Zuströmung sowie im Steigflug
noch eine gute Qualität der Einlaufströmung vor der Verdichtersektion bewirkt werden.
3.1.2 Überschall-Einlauf-Diffusoren
M2 = c2/a2 ≈ 0,4 bis 0,7, bei Ramjet-Triebwerken vor der Brennkammer M2 ≈ 0,1 bis
0,3. Die Form des Lufteinlaufes ist damit konstruktiv so zu gestalten, dass das im Über-
schallteil erzeugte Verdichtungsströmungsfeld die aufgenommene Luft bei geringen
Stoß- bzw. Totaldruckverlusten auf Unterschallgeschwindigkeit verzögert. Ein idealer,
also isentroper Überschall-Diffusor ohne jegliche Verdichtungsstöße, der strömungs-
technisch einer „umgekehrten“ Laval-Düse entspricht, ist praktisch nicht zu verwirkli-
chen (Abb. 3.1-3a–c).
Demgegenüber wird für Hyperschallflüge über M0 = 5 bis 7 hinaus bei den Ramjet-
Antriebskonzepten mit Überschallverbrennung (Scramjet, Abschn. 2.5.3 und 8.4) eine
Einlaufaustritts-Mach-Zahl von etwa M2 > 2 angesetzt.
256 3 Einläufe für verschiedene Flugbereiche
3.1.3 Einlaufkenngrößen
Die Güte und das Betriebsverhalten des Lufteinlaufs, dem ersten Hauptteil einer Flug-
triebwerksanlage, können durch mehrere Kenngrößen charakterisiert werden. Als
Beispiel sei hier der Einlaufbeiwert kD angeführt. Er stellt einen Zusammenhang dar zwi-
schen dem thermodynamischen Einlauf-Wirkungsgrad (Abb. 3.1-3a)
ht2 − h02 ht0 − h02
ηE = = (3.1-1)
ht0 − h0 ht0 − h0
und dem statischen Enthalpieaufbau (Druckaufbau) des Einlaufs
2
c20
2
c2 c2
ηE − ηE −
2 2 c0
kE = 2 2 = 2 . (3.1-2)
c0 c2 c2
− 1−
2 2 c0
Rampen-Einlauf
Betriebsweise kritisch m =m
0 2
A0/A1=(A0/A1)krit < 1
Stöße schräg
Bypass
Spill
A1=AC
M0>>1 m 0 = m2 M <1 Diffusor m 2= m0
A01 M >1
A0
Bleed-Luft
0 1 2
Diffusor supersonisch Diffusor subsonisch
Die Größen ΠSt1…n geben die Totaldruckverhältnisse der einzelnen Stöße an, der Total-
druckverlust des Unterschalleinlaufteils wird mit ΠD beschrieben.
Beim dem hier betrachteten Einlauf nach Abb. 3.1-4 mit Außen-Verdichtung wird
der Druckrückgewinn in Erweiterung zu obiger Definition sowohl durch zusätzliche
Stoßverluste als auch durch Reibungsverluste bestimmt. Im Wesentlichen verändern
Grenzschichteinflüsse die berechnete Stoßkonfiguration derart, dass eine endgültige
exakte Berechnung von ΠE meist nur in Sonderfällen mit Hilfe von CFD-Rechenverfah-
ren möglich ist.
Die Güte des Strömungsfeldes am Ende des Einlaufs kann die Leistungsfähigkeit des
nachgeschalteten Triebwerks stark beeinflussen. Als Kennzahl für die Qualität des Strö-
mungsprofils wird häufig eine Kenngröße für die Ungleichförmigkeit der Strömung, der
Distortion-Koeffizient, DC (distortion coefficient) verwendet. Für die Strömungsebene
am Verdichter-Eintritt (2) gilt demnach
pt2 max − pt2 min
DC2 = , (3.1-5a)
pt2 m
wobei pt2max − pt2min die Differenz von maximalem und minimalem Totaldruck des
Strömungsprofils darstellt und pt2m, den Mittelwert der Totaldrücke repräsentiert.
Statt dieses Distortion-Koeffizienten der Druckverteilung wird unter Beachtung sek-
toraler Bereiche (Abb. 3.1-5) häufig der Wert
⌊pt − pt min 60◦ ⌋
DC60p = (3.1-5b)
qm
verwendet. Der Wert ptmin60° ist der Mittelwert des Gesamtdruckes in demjenigen 60°
Sektor, in dem pt minimal ist. Der Wert qm ist der mittlere Zuström-Staudruck des
gesamten Einlaufquerschnittes.
258 3 Einläufe für verschiedene Flugbereiche
pt 0°
360°
60
°
pt
270° 90°
pt,min,60°
pt,min
180°
0 2
S 1=C
c2
M0
c0
A0 AS AC A2
Kegel-Verdichtungsstöße
Der Widerstandsanteil bis zur Einlauflippe C bzw. (1) stellt den Auffangwiderstand DC
dar, der sich zusammensetzt aus den Kräften in der Stromröhreneintrittsfläche A0 und
dem Zusatzwiderstand
C
DZ = p dA, (3.1-8a)
0
dem Integral zwischen den achsnormalen Flächen A0 beziehungsweise AS und AC. Das
Integralglied zwischen AC und A2 außen wird als Verkleidungswiderstand DC bezeichnet
2
DC = p dA. (3.1-8b)
C
µkrit
30° αK=40° 25,0°
,5°
αK= 32
0,25 0,25
35°
0 0
1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0
M0 M0
(c) 1,50 (d) 1,50
1,00 1,00
ϑ=30°
0,75 K DZ = 0,75
K DZ = ϑ=20° αK 50°…30°
c DZ ϑ=30°
c DZ 0,50 0,50
1− krit
1− krit αK 50°…20°
0,25 0,25
ϑ=20°
0 0
1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5
M0 M0
Die Lage der ersten Stoßfront und damit der Wert μE bzw. μEcrit ändert sich mit der
Anström-Mach-Zahl M0 und der axialen Position αK sowie der Neigung δ des Einlauf-
Zentralkörpers (Abb. 3.3-1). Auf das damit zusammenhängende Stabilitätsverhalten von
Überschall-Einlaufdiffusoren wird in Abschn. 3.3 hingewiesen.
Die Auslegung eines Überschalleinlaufes wird bestimmt durch die Flugaufgabe, also das
Flugprofil mit Flug-Mach-Zahlen und Flughöhen, die Größe und Charakteristik des
Triebwerkssystems, die Anforderungen an Regelbarkeit und Wirtschaftlichkeit sowie
die Lage des Einlaufs im oder am Flugzeug. Mit den Gesetzen der Gasdynamik, insbe-
sondere denen der Verdichtungsstöße und der kontinuierlichen Verdichtung einerseits
sowie unter Beachtung von Grenzschichten und instationären Strömungsvorgängen
bzw. Instabilitäten andererseits, ist es möglich, die der Einlaufaufgabe angemessenen
Auslegung zu bestimmen (Abb. 3.1-8).
Wird die Vielzahl von Einlauftypen aufgeteilt in Arten mit äußerer oder innerer
Überschallverdichtung, so treten sehr deutlich die unterschiedlichen Merkmale und Pro-
bleme auf. Überschalleinläufe werden nach gasdynamischen Gesichtspunkten als Ver-
dichtungssysteme mit einem und mehreren Verdichtungsstößen, mit kontinuierlicher
sog. isentroper Verdichtung sowie als Kombinationen der genannten Arten ausgeführt.
Einstoß-Verdichtung
Innenverdichtung Außenverdichtung
Mehrstoß-Verdichtung
IsentropeVerdichtung
(mit einem Geradstoß)
Gemischte Verdichtung
außen-innen
(a) (b)
M0 M0
Keil Kegel
1,0 M0 4
E 1,5
2,0 M0
Einlauf-Druckverhältnis total
0,8
3
Anström-Mach-Zahl
2,5 Keil
0,6
3,0 Kegel
2
3,5
0,4
4,0
1
0,2
Keil Kegel
0 0
0° 10° 20° 30° 40° 0° 10° 20° 30°
Keil- bzw. Kegelwinkel optimale Keil- bzw. Kegelwinkel opt
Abb. 3.1-9 Keil- und Kegel-Einlauf mit zwei Verdichtungsstößen (Schrägstoß und Geradstoß). a
Einlauf-Gesamtdruckverhältnis ΠE abhängig vom Keil- bzw. Kegelwinkel δ. b optimale Keil- bzw.
Kegelwinkel bei verschiedenen Anström-Mach-Zahlen [Mün72K]
Abb. 3.1-10 Maximale 1,0
pt,n/pt0 Druckverhältnis
Druckverhältnisse bei n ebenen
total
Verdichtungsstößen nach
[Osw56K, Mün72K, And91B] 0,8
Zahl der Stöße n
0,6
4
pn/p0
Druckverhältnis
3
0,4
2
Druckverhältnis
statisch
0,2 1
0
1 2 3 4
Mach-Zahl M0
264 3 Einläufe für verschiedene Flugbereiche
Einläufe mit gemischter Verdichtung Bei der gemischten Verdichtung, einer Kom-
bination von äußerer und innerer Kompression, können die grundsätzlichen Vor-
teile der beiden Systeme zu einer optimalen Kombination führen. Hierbei werden
das Anfahrverhalten, die Einlaufwiderstände, die Verdichtungsgrenzwerte sowie das
Regelverhalten im Sinne einer praktischen Kompromissauslegung von Einfluss sein
(Abb. 3.1-8).
3.2 Betriebsverhalten von Unterschalleinläufen 265
A2
2
A0 A1
A2
0
0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6
Flug-Mach-Zahl M0
Langsamflug Start c0 =0
(c2 / c0) >1
Schnellflug
(c2 / c0) <1 Nasenausrundung
AC At
pt 0 − pt 0 0,6
( ρ 2 ) c 22
0,4
Verlustbeiwert
ohne Ausrundung
0,2
Einlauf-
mit Ausrundung
0
0 0,5 1,0 1,5 2,0
Geschwindigkeitsverhältnis c2 /c0
vom Anstellwinkel α0. Einläufe mit dickeren Lippen sind auch im Flugfall unempfind-
licher gegen Änderungen von Anstell- und Schiebewinkel oder bei Störungen durch
Seitenwind.
Als Auslegungspunkt für die Auslegung der Einlaufaußenkontur wird ein Flugzu-
stand mit der Drosselung A0/AC < 1 im Reiseflug (cruise flight) im Teillastbetrieb bei der
Flugmachzahl M0 gewählt. Die Ablösung der äußeren Strömung kann durch eine spezi-
elle Formgebung der Einlauflippe verhindert werden.
3.2 Betriebsverhalten von Unterschalleinläufen 267
Anstellwinkel
1,00 α0=0°
pt2
pt0 α0=4°
0,98 α0=0°
α0=8°
Einlauf-Druckverhältnis
A0
Drosselgrad =0,9
AC
0,96
A0 AC
At
α0
0,94 α0=12°
Lippendicke
0,92
1,00 1,08 1,16 1,24
AC
Lippen-Flächenverhältnis At
Zu beachten ist, dass beim Betrieb bei Mach-Zahlen nahe 1 durch örtliches Auftreten
von Überschallgeschwindigkeiten an der Außenkontur Stoß induzierte Ablösungen auf-
treten. Mit geeigneter Formgebung kann dieser Zustand zu höheren Flug-Mach-Zahlen
hin verschoben werden.
Mit sogenannten Gleichdruckprofilen aus der Flugzeug-Aerodynamik lassen sich hohe
kritische Flug-Mach-Zahlen erreichen ohne zu starke Abweichungen vom Auslegungs-
punkt zu bewirken. Optimale Auslegungen der Außenkontur orientieren sich dabei am
maximal zulässigen Gesamtdurchmesser einer Triebwerksgondel oder am Einbauort im
Zellenbereich. Das führt häufig dazu, dass die Ergebnisse der Außen- und Innenkontur-
auslegung nicht harmonieren. Eine realistische Einlaufauslegung stellt also einen Kompro-
miss für die gesamte Flugmission dar. Zur Verbesserung einer Kompromisslösung können
Bypass-Hilfseinrichtungen beim Start oder beim Langsamflug wirksame Maßnahmen zur
Erhöhung der Leistungsfähigkeit eines für den Schnellflug ausgelegten Einlaufs sein.
Abbildung 3.2-4 zeigt für den Start- oder Standfall, wie durch einen zusätzlichen
Bypass-Einlauf (Schlitze oder Klappen variabler Breite) die auf den Staudruck vor dem
Verdichter bezogenen Verluste heruntergesetzt werden können.
Bei einer Schlitzbreite gleich dem halben Einlaufradius sinken die Verluste unter die
Hälfte des Falles ohne Zusatzeinlauf. Trotz dieses Vorteils findet der Zusatzeinlauf, der
geregelt werden muss und auch konstruktiv nicht leicht zu verwirklichen ist, bei Unter-
schall-Flugzeugen nur wenig Anwendung.
268 3 Einläufe für verschiedene Flugbereiche
Abb. 3.2-4 Einlaufhaube
s
(cowl) mit Bypass-Öffnungen
R
p t 0 − p t 2 1,0
( ρ 2 ) c 22 0,8
0,6
Verlustbeiwert
Start c0/c2 =0
0,4
Einlauf-
0,2
1,00
p t2
e
ie n
is
hl pe
ff
p t0
ru
O
ße
sc lap
C
ke
K
0,98
Ta
Druckverhältnis
d
an
Bypass-Klappen
St
0,96
0,94
0 0,2 0,4 0,6 0,8
Flug-Mach-Zahl M0
Abb. 3.2-5 Einlaufhaube (cowl) mit Bypass-Klappen an der Triebwerks-Gondel und der Verlauf
des Einlauf-Totaldruckverhältnis ΠE abhängig von der Flug-Mach-Zahl M0. Darstellung nach
Pratt&Whitney, Lockheed Martin Corp
Höhen oder bodennahe Flüge mit schnell wechselnden Flughöhen und bei extremen
Witterungsbedingungen. Bei Spezialeinsätzen werden gegebenenfalls Start und Landun-
gen auch auf unpräparierten Pisten und bei Wasser-Flugzeugen auf unruhigen Wasser-
oberflächen gefordert. Die daraus resultierende Vielfalt von Einlaufbauweisen soll hier
nur kurz angesprochen werden. Ziel ist stets, in allen Flugsituationen der meist mehrwel-
ligen Turboshaft-Gasturbine die für alle Lastbereiche notwendige Luft störungsfrei ohne
erhöhte Strömungsverluste stabil dem Turbotriebwerk zuzuführen.
Wie in Abb. 3.2-6 dargestellt, besteht das Turboprop-Antriebssystem aus dem Tur-
boshaft-Triebwerk TS, dem Untersetzungs-Getriebe G und dem Propeller Pr, der
gegebenenfalls verstellbar ist. Damit wird die Gestaltung der Einlaufkanäle vor dem Ver-
dichter mit einer vom Propeller beeinflussten Luftzufuhr erheblich durch die Anord-
nung des Getriebes bestimmt.
In Abb. 3.2-6 werden dazu zwei Standard-Beispiele gezeigt, die sich aus der Konzep-
tion der Anordnung von Turboshaft-Triebwerk und Getriebe ergeben. Bei dem rotations-
ymmetrischen, ringförmigen Einlauf im Abströmfeld des Propellers (Abb. 3.2-6, links) liegen
die Achsen aller Turbokomponenten koaxial, sodass sich eine günstige Form der gesam-
ten integrierten Gondel mit ähnlichem Antrieb ergibt.
Wird besonders bei kleineren Triebwerken eine betont kompakte Bauweise eines
Turboshaft mit nicht fluchtenden Komponenten-Achsen gefordert, dann werden meist
270 3 Einläufe für verschiedene Flugbereiche
Einlauf
Turboprop
Getriebe Turboshaft
Abb. 3.2-6 Typische Turboprop-Einläufe bei koaxialer Bauweise (links) und nicht koaxialer Bauweise
mit gekrümmter von unten kommender Kanalführung (rechts). Darstellung nach Dornier GmbH
Der stabile und sichere Betrieb von Hubschrauber-Triebwerken wird erheblich von
den Umgebungsbedingungen beeinflusst. Dies gilt besonders bei bodennahen Flug-
manövern. Bei diesen Manövern kann die Zu- und Abströmung der Luft bzw. der
3.2 Betriebsverhalten von Unterschalleinläufen 271
Getriebe
2
0 1
Turboprop -Gondel
Ausschnitt
Abs
cheid
Schaufel er
Koaxial-Schnitt Verdichter
Getriebe
2
0 1
Abs
chei
Schaufel der
Abb. 3.2-7 Turboprop-Triebwerk (TP400 des Airbus A400 M) mit Gondeleinbau und mit unter-
halb vom Getriebe geführtem, gekrümmten Einlaufkanal sowie Partikel-Abscheider nach außen
unten geführt. Darstellung nach MTU Aero Engines, Airbus S. A. S
heißen Abgase im Umfeld der Triebwerke durch das vom Rotor und von Windböen
bewirkte Strömungsfeld die Leistungsfähigkeit des Hubschraubers empfindlich stö-
ren. Der Integration von Antriebssystem und Hubschrauberzelle kommt deshalb eine
beachtliche Bedeutung zu. Wichtig sind hierbei neben den Komponenten zur Übertra-
gung der Wellenleistung an den Hauptrotor die damit gekoppelte Lage des Triebwerks
in der Zelle sowie die Gestaltung und Strömungsführung von Lufteinlauf und Abgas-
rohr (Abb. 3.2-8, 3.2-9 und 3.2-10). In den nachfolgenden Abschnitten werden deshalb
kurz einige grundsätzliche Fragen der äußeren Betriebsbedingungen bei Hubschrauber-
Triebwerken behandelt sowie deren Auswirkung auf das Betriebsverhalten der Turbos-
haft-Gasturbine diskutiert.
272 3 Einläufe für verschiedene Flugbereiche
DC60p [-]
0,3
Druck-Distortion-Parameter
Anströmwinkel αE=90°
Schräg-Einlauf
0,2
αE=45°
0,1 Front-Einlauf
αE=0°
0
0 100 200 300 400
Fluggeschwindigkeit c 0 [km/h]
Abb. 3.2-8 Anordnung von Einlaufkanälen der Triebwerksanlagen von Hubschraubern mit Dis-
tortion-Parameter DC60p bei verschiedenen Anströmwinkeln αE abhängig von der Anström- bzw.
Fluggeschwindigkeit c0 [Ric82, AGA68]
e
enz
pgr
Verdichterdruckverhältnis
um
.P A
bzw
en Volllast
e nz
sgr linie
lität bs
bi trie
a Be
St re
o nä
ati
St
Leerlauf nred
Verdichterdurchsatz red.
Transporthubschrauber
2 Turboshaft-Triebwerke
(Turbomeca-Makila 1400 kW)
Lufteinlauf-
Partikel-Separatoren
(IPS)
frontal und seitlich
Turboshaft-Triebwerk
GE T700 1300 kW
Einlauf-Separator mit
Gebläse und Drallgitter
Fremdkörper-
Abscheider-Gebläse
In Abb. 3.2-11 ist ein weiteres Beispiel mit einer kombinerten passsiven und aktiven
Einlauf-Schutzvorrichtung abgebildet (Turboshaft GE T700). Der Luftstrom passiert
im ringförmigen Einlauf ein drallerzeugendes Leitrad-Gitter, sodass Fremdkörper nach
außen zentrifugiert werden. Im Bypass-Abscheiderkanal werden dann die Fremdstoffe
nach außen geleitet. Dies kann gegebenenfalls durch ein zusätzliches Gebläse unterstützt
werden. Dem so gereinigten Luftstrom wird über weitere Leitgitter die drallbehaftete
Strömung vor dem Verdichter wieder normal ausgerichtet zugeführt. Gegebenenfalls
sind bei tiefen Temperaturen der den Einlauf passierenden Luft besondere Einrichtun-
gen zur Enteisung des Einlaufes vorzusehen.
Die angesprochenen Maßnahmen zum Schutz der Triebwerke führen einerseits zwar
zu Leistungsverlusten, andererseits ergeben sich durch die Schutzeinrichtungen und
auch die Separatoren eine verbesserte Betriebssicherheit und vor allem wegen zum Bei-
spiel verringerter Erosion im Triebwerk eine erhebliche Steigerung der Überholungszei-
ten und der Lebensdauer.
3.2 Betriebsverhalten von Unterschalleinläufen 277
V/STOL Transportflugzeug
Dornier Do31 1962 - 1972
Heißgasfontänen
Bodennaher Betrieb mit
Strahlinterferenzeinflüssen
der Schubdüsen-Heißgasstrahlen
V/STOL-Flugzeug
Harrier, Hawker P.1127 STOL- / VTOL-Flugzeug F-35
Joint Strike Fighter- JSF, USA
Abb. 3.2-13 V/STOL-Flugzeuge: Harrier (GB) und F-35 JSF (USA). Darstellung nach Rolls-
Royce Plc., Lockheed Martin AE
Auf dem Gebiet der V/STOL-Flugzeuge besteht häufig die Problematik, senkrecht
zur Flugrichtung eingebaute Hubtriebwerke oder Hubgebläse mit Luft zu versorgen
(Abb. 3.2-12, 3.2-13). Diese Triebwerke sind dabei normalerweise bis zu Flug-Mach-
Zahlen von etwa M0 = 0,4 in Betrieb. Beispiele dazu sind die typischen Einläufe für
Hubtriebwerke, wie sie bei dem deutschen V/STOL-Transporters Do31 in Betrieb
278 3 Einläufe für verschiedene Flugbereiche
waren [DGL00B, Mün72K, Haf82B, Gri04B]. Auch bei den vertikal gerichteten Ein-
läufen der Hubgebläse des V/STOL-Flugzeugs F35 JSF (Joint Strike Fighter) zeigen
sich häufig Schwierigkeiten bei der Lufteinströmung zum Triebwerk. Da wegen gerin-
gen Einbauraumes meistens kein ausreichend langer Diffusor zwischen Einlauflippe
und Triebwerkseintritt verwirklicht werden kann, kommt der Konturierung der Lippe
in Flugrichtung (Sogseite) eine besondere Bedeutung zu, um Ablösungen und damit
Druck-Ungleichförmigkeiten zu vermeiden.
(a) (b)
u f
Überla Überla
uf
AC AC
M0 A0 A0
E AC A
Instabil Stabil 0
pt2
2
pt0 (c)
3
1
Einlauf-Druckverhältnis total
ACA
0
(d)
µE,krit µ =1
E
Einlauf-Drosselgrad µE= A0/AC
Kennfeld eines 1 2
0
Verstell-Überschalleinlaufes
M0=1,5 2,5
A0=A1
M0=2,5 1,5
Verschiebung des Zentralkörpers zur
pt2 Anpassung der Einlauf-Stromröhre
pt0 unterkritischer
Betrieb
Ma Auslegungsbereich
ch-
Einlauf-Druckverhältnis total
überkritischer
Betrieb
µE,krit
Einlauf-Drosselgrad µE= A0/AC
Abb. 3.3-2 Kennfeld (Schema) eines Überschalleinlaufes mit verstellbarer Geometrie durch Ver-
schiebung des Zentralkörpers bei verschiedenen Betriebszuständen und Anström-Mach-Zahlen
M0 [Mün72K, Gri04B]
kann (Zustand (4)). Der einsetzende Auffüllvorgang lässt den letzten Verdichtungsstoß
in Richtung des Zustandes gemäß Punkt (3) nach vorn wandern. Nach weiterem Abdrän-
gen des Stoßes stromaufwärts (in Abb. 3.3-1 zum Zustand (2) hin) beginnt der periodi-
sche Druckwechselvorgang von neuem. Diese instationären Druckschwankungen bzw.
die pulsierende Strömung können Verdichterpumpen, ein Verlöschen der Brennkammer
beim Ramjet-Triebwerk oder sogar eine Zerstörung des Einlaufs hervorrufen. Die insta-
bile Diffusorströmung wird des Geräusches wegen mit Diffusor-Brummen (diffusor buzz)
bezeichnet. Mit steigender Flug-Mach-Zahl wird der Bereich vom Betriebspunkt bei
μE,crit bis zum Diffusorbrummen kleiner, die Gefahr einer Instabilität somit größer.
Fällt der Gegendruck am Einlaufende, dann liegt der überkritische Zustand mit
μE = μE,crit vor (Abb. 3.3-1, Bereich (3) bis (4)). Die Aufnahmefähigkeit des Triebwerks
ist größer als der vom Einlauf gelieferte Luftmassenstrom, der gleich dem Durchsatz bei
kritischem Betrieb ist
(ṁüberkrit = ṁkrit > ṁunterkrit ). Der die Überschallströmung abschließende gerade
Innenstoß läuft weiter in den Diffusor hinein, die Geschwindigkeit vor dem letzten Stoß
steigt, so dass dessen Intensität und damit die Verluste zunehmen. Der Totaldruckrück-
gewinn ΠE fällt stark ab.
Die Anpassung der Einlaufströmung an den jeweiligen Flugzustand und die
Abstimmung des Durchsatz- und Schluckverhaltens von Einlauf und nachgeschalte-
tem Triebwerk erfolgt vornehmlich durch eine Änderung der Einlauf- bzw. Diffusor-
geometrie. Bei Mehrstoß- und Isentropic-Diffusoren (Abb. 3.1-8) erweisen sich ebene
3.3 Betriebsverhalten von Überschalleinläufen 281
Verdichtungssysteme allen anderen meist überlegen, da sich ihre Schneiden und Ober-
flächen leichter als rotationssymmetrische oder andere Strömungskanäle verstellen
lassen.
Die Anpassung des Einlaufes an die jeweilige Flug-Mach-Zahl außerhalb des Ausle-
gungspunktes erfolgt am Beispiel eines einfachen 2-Stoß-Einlaufes nach Abb. 3.3-2 durch
Verschiebung des Zentralkörpers. Das Überschallströmungsfeld mit Verdichtungsstößen
kann dabei derart gestaltet werden, dass bei wechselnden Anström-Mach-Zahlen M0 und
geringen Druckverlusten das Durchsatzverhalten Einlauf – Triebwerk gut abgestimmt
und geregelt werden kann.
Bei abrupt auftretenden, nicht angepassten intensiven Druckdifferenzen zwischen
Einlauf und nachgeschaltetem Basis-Turbotriebwerk besteht intensiver als der Diffusor-
Buzz die Gefahr des „Hammershock“, auf den in Abschn. 3.3.5 kurz eingegangen wird.
Treten Flugzustände auf, bei denen der Einlauf nicht mehr entsprechend der Auslegung
angeströmt wird, so kann die damit verbundene Ungleichförmigkeit des Geschwindig-
keits- und Druckverlaufs am Diffusoraustritt erhebliche Störungen im nachgeschalteten
Turboverdichter von Turbostrahltriebwerken oder im Brennraum von Ramjet-Triebwer-
ken hervorrufen (Abb. 3.3-3).
Im Gegensatz zu Unterschalleinläufen mit abgerundeten Einlauflippen führen superso-
nische Einlaufdiffusoren mit ihren scharfen Schneiden sowohl im Stand als auch bei sub-
sonischer Anströmung (M0 < 1) zu Strömungsablösungen und damit verbunden zu starken
Druckverlusten entsprechend einem Einlauf-Totaldruckruckverhältnis ΠE ≈ 0,8 bis 0,9.
Mit der Erweiterung des Flugbereichs, also bei größeren Flug-Mach-Zahlen und Flug-
höhen, wachsen die störenden Einflüsse der Grenzschicht stark an. Die Grenzschicht
selbst, laminar oder turbulent sowie ihr Verhalten wird einmal bestimmt durch die Rey-
nolds-Zahl, die Form und die Beschaffenheit der Oberflächen und durch den in Strö-
mungsrichtung auftretenden Druckgradienten, zum anderen durch die Einwirkung von
Verdichtungsstößen und bei Hochgeschwindigkeits- bzw. Hyperschall-Flugantrieben
eventuell durch den Wärmefluss in die Einlaufwände. Besonders gefährdet sind die Stel-
len des Strömungskanals, an denen Verdichtungsstöße auf die Grenzschicht treffen. Der
durch den Stoß induzierte Drucksprung kann zum Abheben und Ablösen der Grenz-
schicht führen, wobei eine energieärmere, laminare Grenzschicht eine geringere Stabili-
tät aufweist als eine turbulente Schicht.
Die durch den Verdichtungsstoß hervorgerufene Verformung der Grenzschichtkon-
tur verursacht nun ihrerseits ein geändertes Stoßsystem, so dass schließlich die Inter-
ferenz von Stoß und Grenzschicht eine bis dahin gute Einlaufcharakteristik abwertet.
Einläufe mit Innenverdichtung reagieren besonders empfindlich auf Grenzschicht-
störungen, da im Diffusor-Hals, in der Nähe des Geradstoßes, der Kanalquerschnitt
282 3 Einläufe für verschiedene Flugbereiche
Anstellwinkel α = 0° α = 15°
pt2 / pt0
( pt max − pt min )
ptm 0,4
Druckverhältnis total
0,3
0,2
0,1
0
0° 2° 4° 6° 8° 10 ° 12 ° 14 ° 16 °
Einlauf-Anstellwinkel α
Abb. 3.3-3 Einlaufströmung bei nicht koaxialer, ungleichförmiger Anströmung (ptm ist der Mit-
telwert des Totaldruckes) [Mün72K, Aul74, AGA74B]
pt
Einlauf- =1,00
0,96
∆ pt pt
Strömungsfeld =18 %
ungleichförmig pt 1,04
1,08 0,94
instationär
Relative 1,10
Druckabweichung % 0,92
1,08
p∆ t 30
instationär 1,04
pt 25
20 1,00 0,96
15 pt
schnell =1,00
10 pt
stationär Druckgeber langsam stationär
5
0
Zeit [mmsec]
0,98
1,00
∆p t
=3 %
pt
0,98
Rotationssymmetrischer
Überschalleinlauf mit
Grenzschichtabführung
Einlauftyp für Mach 3+ Flugzeug M<1
(NASA-SR-71) M0
Ebener Mehrstoß-Überschalleinlauf
mit Verstelleinrichtungen für Bypass-
und Grenzschichtabführung
Einlauftyp für Mach 2+ Flugzeug
(Concorde)
M0>1 M2≈0,5
M<1
E
Seiteneinlaufes. Anström- µB, max
0,85
Einlauf-Totaldruckverhältnis
Mach-Zahl M0 = 1,88;
Instabiler
Grenzschichtdicke δ bzw. Bereich
δ/R = 0,093, ΠE,Stöße = 0,94, 0,80
Bypass-Massenverhältnis µB=0,7
µB = ṁB /ṁB,max [Mün72K,
0,75
AGA74B]
µB=0,5
0,70
µB=0
0
0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2
(Wandabstand h) / (Grenzschichtdicke
es ist, alle erwähnten Eigenschaften von Einläufen gut aufeinander abzustimmen, so dass die
praktische Einlaufauslegung stets eine ralisierbare Kompromisslösung darstellt.
Je nach den Einbaumöglichkeiten des Einlaufs unter oder auf dem Tragflügel, in der
Flügelwurzel und im oder am Rumpf sowie je nach dem Verwendungszweck und den
regeltechnischen Gegebenheiten werden ebene, kastenähnliche oder oft auch rotations-
symmetrische Einlaufkanäle ausgeführt.
M0 > 1 M<1
l
Kege
Totaldruckverhältnis
0,6
M>1
ϑ = 30° AIA MIL M<1
0,4 engster Quer-
M0 schnitt
Geradstoß
0,2 1 Kegel- und
1 Geradstoß
M0
0 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0
Anström-Mach-Zahl M0
definiert werden. In Abb. 3.3-7 sind Beispiele solcher Verläufe dargestellt. Die Kurven in
Abb. 3.3-7 werden durch folgende Beziehungen repräsentiert:
AIA (Aircraft Industries Association)
pt2
= 1 − 0,1(M0 − 1)1,5 1 für M0 >; 1,5 (3.3-1)
pt0
pt2 800
bzw. fur
¨ M0 > 5 = 4 . (3.3-3)
pt0 M0 + 935
A1 At A0 A1 At
A0
Stoß stark
(b) Einlauf-Schluckverhalten M0
konstante Geometrie (A 1/At)=const A1 At
A0
5
A0 Überschall-Diffusor con.-div.
A * is (e‘)
4
A1
At A0 A0
3 A * is A * is
A0
At
(a) A1 A0
2 A = const
A
t (f) t
A
(e)
1 (b) (d)
(c)
MA M0
0
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5
Mach-Zahl M
F Einlauf-Schluckverhalten
geregelt, variable Geometrie M0 A1 At
5
A0 A0 A0
A * is A *
is A * is
4
A1
At
3 A
A0 Einlauf geregelt 1
At A t A A
(f)
(a)
A
2 At öffnen
1 schließen A0
A
(d) t
1 (b)
(c)
MA
0
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5
Mach-Zahl M
Abb. 3.3-8 (Fortsetzung)
Das damit besonders verbundene Anlass- und Startproblem von supersonischen Ein-
läufen soll deshalb am einfachen Beispiel eines rotationsförmigen Überschalldiffusors
erläutert werden.
Vorausgesetzt für diese vereinfachte Betrachtung wird ein reibungsfreier adiaba-
ter, konvergent-divergenter Strömungskanal allerdings mit Berücksichtigung von Ver-
lusten durch Verdichtungsstöße. Die Kurve (A0 /A∗ )is = f (M0 ) (A0/A*)is = f(M0) in
Abb. 3.3-8b stellt das Flächenverhältnis der konvergenten-divergenten Düsenströmung
(Abschn. 2.1) dar und damit auch das des idealen konvergenten-divergenten Überschall-
diffusors ohne Verdichtungsstöße.
Wird ein Überschalleinlauf nach Abb. 3.3-8a (Zustand (a) bis (e)) mit fester Geomet-
rie, also konstantem Flächenverhältnis,
AC A
= ∗ (3.3-4)
Amin A A MoA
von einem Strömungsfeld mit M0 < 1 über M0 = 1 bis zur Auslegungs-Mach-Zahl
M0 A angeströmt, so arbeitet der Diffusor ab einer gewissen Unterschall-Mach-Zahl
mit einem Durchsatzkoeffizienten μE = (A0/AC) < 1 und an der engsten Stelle Amin,
dem Diffusor-Hals, stellt sich im verlustlosen Fall Schallgeschwindigkeit gemäß
MA,min = 1 ein.
288 3 Einläufe für verschiedene Flugbereiche
Vor dem Einlauf entsteht ab M0 > 1 ein Geradstoß (Zustand (c)), und im divergenten
Diffusorteil kann je nach der Größe des Gegendruckes am Diffusorende ein zweiter Stoß
entstehen (Zustand (e)).
Bei anliegendem Geradstoß und μE = 1 (Zustand (e)) gilt als Strömungsbedingung
für das Flächenverhältnis kurz nach dem Geradstoß (Abschn. 2.1)
κ+1
A1′ A 1 2 κ−1 2 2(κ−1)
= = 1+ M1′ . (3.3-5)
Amin A∗ 1′ M1′ κ + 1 2
Mit der Mach-Zahl M1′ = f (M0 )nach dem Geradstoß ergibt sich eine Kurve A0/Amin,
die die Bedingung angibt, ab welcher Mach-Zahl A0,S der vor dem Einlauf stehende
Stoß geschluckt werden kann (Zustand (e′)). Ist die Anström-Mach-Zahl M0 > M0,S
erreicht (gestrichelte Linie in Abb. 3.3-8b), so läuft der Stoß sprungartig in den Einlauf
und bleibt im divergenten Diffusorteil stehen. Der Strömungszustand im konvergenten
Teil erfüllt nun die Bedingung der Kurve (A0/A*)is.
Durch eine Zurücknahme von M0 > M0,S bis M0,A wandert der Stoß stabil in die
Nähe der engsten Stelle Amin und führt so zu einem minimalen Gesamtdruckverlust.
Zum Starten bzw. Anlassen eines nicht verstellbaren Einlaufdiffusors ist allerdings
eine Übergeschwindigkeit im gezeigten Ausmaß nicht realistisch, da im Fluge ein
M0 > M0,A im Falle des noch nicht korrekt arbeitenden Diffusors wegen der ungünstigen
Schubbilanz gar nicht erreicht werden kann.
Wird ein Einlauf-Überschalldiffusor mit variabler Geometrie im engsten Querschnitt
ausgestattet, so kann beim Anfahren, reibungsfrei betrachtet, ein Flächenverhältnis
AC AC
< (3.3-6)
Amin Start Amin A
eingestellt werden und damit bei geöffnetem Halsquerschnitt der Stoß geschluckt
werden (strichpunktierte Linie in Abb. 3.3-8c). Durch anschließendes Verkleinern von
Amin wird der Stoß im divergenten Teil in die günstige Position nahe der engsten Stelle
geführt und damit die Stoßverluste klein gehalten.
Die technisch anspruchsvolle Verstelleinrichtung der Diffusorkontur kann zum Bei-
spiel durch axiales Verschieben eines Zentralkörpers, einer teilweise offenen Seitenfläche
oder durch eine flexible Konturwand erfolgen. Weitere Maßnahmen zur Verringerung
des Startproblems sind perforierte, luftdurchlässige Wände, der „Offene“ Diffusor sowie
Einläufe mit Bypassöffnungen (Abb. 3.3-9).
Neben den erwähnten Regelschwierigkeiten zeigen sich Einläufe mit Innenver-
dichtung besonders empfindlich bei Schräganblasung. Sie bieten aber gegenüber den
Einläufen mit äußerer Verdichtung den Vorteil von geringen Außenwiderständen.
3.3 Betriebsverhalten von Überschalleinläufen 289
Stall-
0,14 Abrupter Hammershock
Distortion -Parameter rel.
Verdichter-Stall
0,12
kritische Grenze
0,10
0,08
0,06
0,04
0,02
0
0 10 20 30 40 50
Zeit msec
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292 3 Einläufe für verschiedene Flugbereiche
Turboverdichter C Turbine T
Energiezufuhr an der Welle Energieabgabe an der Welle
Strömung in Rotor- und Stator-Schaufelgittern
Diffusorströmung w2 < w1 Düsenströmung w2 > w1
verzögerte Strömung beschleunigte Strömung
Fluid-Kompression Fluid-Expansion
Druck pt , p Druck pt , p
Temperatur Tt , T Temperatur Tt , T
Enthalpie ht , h Enthalpie ht , h
w1 w1
1 1
u u
2 2
w2 w2
Abb. 4.1-1 Verdichter C und Turbine T mit Gitterbauweisen zur Verzögerung und Beschleuni-
gung bzw. Kompression und Expansion der Strömung mit Ablenkung
Verdichter C Turbine T
Energiezufuhr Energieabgabe
h-s-Diagramm 0 pt0
pt3 ht0
3
ht3
∆htT
∆htC ∆htTis
∆htCis 2 pt2
ht2
1
ht1
pt1
Strömungskanal
1 2 3 1 2
Stufe 0
Stator S (Leitrad)
u2>u1 u1>u2
Rotor R (Laufrad)
Abb. 4.1-2 Gemeinsame Betrachtung einer Stufe von Verdichter C und Turbine T mit Strömungs-
kanal, Rotoren und Statoren sowie Geschwindigkeitsdreiecken
296 4 Turbomaschinen-Komponenten
Turboverdichter Turbinen
w1 c1 c1
u1 u1 w1
1 1
u Rotor R
(Laufrad) u
2 2
w2 c2
c2 w2
u2 u2
Darstellung I
nach Norm, LTH [LTH00]
c1
w1 c1 c2 c2 w2
w2 w1
β2 α1 α2 α1 β1 α2 β2
β1 c1 u1 u1
u2 u2
Darstellung II
nach Norm, LTH [LTH00]
u1 u1
α2 u2 β1 u2 α1 α2
α1 β2 β1 β2
c2 w1 c2
c1 c1
w2 w2
w1
Darstellung III
nach Traupel, Münzberg u.a. [Tra58/88, Mün72]
c2 c1 w2
w1 c1 w1 c2
w2 β1
β2 α1 α2 α1 β2
α2
β1 u2 u1
u1 u2
Darstellung IV
nach Horlock, Cumpsty, NASA SP290 [Hor58/67, Cum89]
β1 α2 c1 α1 β2
β2 c2 w2
w1 w2 c1 w1
β1 c2
α1 α2
u2 u1
u1 u2
Den Impuls- oder Drehmomentensatz auf die in den Schaufelplänen des Verdichter-
bzw. Turbinen-Rotors eingetragene Kontrollfläche angewendet, ergibt bei konstantem
Massenstrom ṁ (bezogen auf die Rotorachse) das Eintrittsmoment
M1 = (ṁ cu1 ) r1 (4.1-1a)
und das Austrittsmoment
M2 = (ṁ cu2 ) r2 . (4.1-1b)
Es ist dabei zu beachten, dass den Massenstrom durch das gesamte Gitter darstellt.
Das an der Rotorwelle auftretende Drehmoment MC ist demnach beim Verdichter als
Aktionsmoment auf das Fluid wirkend
ṁ ṁ
MC = M2 − M1 = ṁ (cu2 r2 − cu1 r1 ) = (Ŵ2 − Ŵ1 ) = Ŵ (4.1-2)
2π 2π
und bei der Turbine als Reaktionsmoment auf das Arbeitsmedium wirkend
MT = M1 − M2 = ṁ (cu1 r1 − cu2 r2 ), (4.1-3)
wobei sich in Gl. (4.1-2) die Darstellung mit der Zirkulation über den Radumfang ergibt
zu Γ = cu 2 π r, wie dies in Gl. 4.1-18 dargestellt wird.
Die an einer Welle übertragene Leistung P ergibt sich allgemein mit der Winkelge-
schwindigkeit ω = u/r zu
P = M ω. (4.1-4)
Damit lautet die auf den Massenstrom ṁ bezogene effektive spezifische Leistung der
Verdichterstufe (Ebene 1 und 3)
PC
wC = �ht C = (ht 3 − ht 1 ) = . (4.1-5)
ṁ
Damit ergibt sich für Verdichter C und Turbine T die als Eulersche Turbomaschinen-
gleichung bekannte Form
wC = �ht C bzw. wT = �ht T = ±(u2 cu2 − u1 cu1 ) (4.1-6)
mit dem positiven Vorzeichen für den Verdichter und dem negativen Vorzeichen für die
Turbine. Im anschließenden Abschn. 4.1.2 wird diese Gleichung ausführlicher dargestellt.
w1 c1 FS= – FWand
u1
1 Fp2
Fp1
l
2 Fl2
t
Fl1
w2 c2
u2 Kräfteplan
Geschwindigkeitsdreiecke
FSax FS
w1 u2 c1 c2
w2
cu1 FSu
u1
cu2
Schaufelkraft-
Komponenten
Spezifische Leistung der Stufe
„Euler“-Gleichung: PC St
w C St = ∆ h t C St = u2 c 2 − u1 c u2 =
mC
Abb. 4.1-4 Anwendung des Impulssatzes auf ein Schaufelgitter. Beispiel: Rotorgitter eines Axial-
verdichters C mit Relativgeschwindigkeiten w 2 , Druckkräften F P = p A
1, w , Impulskräften F� I = ṁ w
�
Die Energieübertragung zwischen dem Rotor-Schaufelgitter und dem Fluid kann mit
Hilfe der Erhaltungssätze der Fluidmechanik in verschiedener Form beschrieben werden.
Die Hauptgleichung der Turbomaschinen, nach Leonhard Euler (1754) als Euler’sche
Tubomaschinengleichung benannt, lässt sich anhand des Impulssatzes bzw. Impulsmo-
mentensatzes oder Drallsatzes ableiten, wie dies bei Gl. 4.1-6 ausgeführt wurde. Die so
ermittelte technische Arbeit w ist Teil der Energiebilanz eines stationär
durchströmten
Systems. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Zirkulation Ŵ = �c d �s, das Linien-
integral der Geschwindigkeit entlang einer geschlossenen Wegstrecke, auf Turbomaschi-
nen-Gitter anzuwenden [Eck61K, Tra82K, Gri09B].
Mit Hilfe des Impulssatzes der Fluidmechanik entsprechend der Darstellung in
Abb. 4.1-4 kann die Euler-Gleichung ebenfalls anschaulich hergeleitet werden. Am Bei-
spiel des Verdichter-Rotorgitters (Laufrad) für einen Kontrollraum im Relativsystem
„Rotor“ wird dies anschließend gezeigt. Eine weitere Darstellung über eine energeti-
sche Betrachtungsweise wird in den Abschn. 4.2 Turboverdichter und 4.3 Turbinen zur
Erläuterung der Euler-Gleichung vorgestellt.
Der differentielle Massenstrom ist dṁ = ρ (�c · dA), � mit dem skalaren Produkt des
Vektors c und dem Flächenvektor dA.
Der Flächenvektor A ist vom Kontrollraum her gesehen nach außen gerichtet. Die an
der Oberfläche des Kontrollraums wirkenden Druckkräfte F P,i, die resultierenden Druck-
kräfte längs der Schaufelkanalwände F S sowie die Druckkräfte am Ein- und Austritt der
Kontrollflächen des Gitters ergeben für Gl. (4.1-7) folgende Kräftebilanz
F� S + F� P 1 + F� P 2 = F� I i = (�c dṁAus ) − (�c dṁEin ). (4.1-8)
O O
Die Druckkräfte stehen normal auf der jeweiligen Fläche und sind dem nach außen zei-
genden Flächenvektor A entgegengerichtet.
Zusammengefasst ergibt sich allgemein (ohne besondere Kennzeichnung für Vekto-
ren) für ein Gitter im Absolutsystem mit den Geschwindigkeitsvektoren c1 und c2 die auf
den Fluidstrom wirkende resultierende Schaufelkraft
FS = FP 1 − Fi1 + Fi2 + FP 2 = p1 A1 − ṁ1 c1 + ṁ2 c2 + p2 A2 . (4.1-9)
Analog wird mit den Relativgeschwindigkeiten w1 und w2 die gleiche Schaufelkraft FS
erhalten, wie dies in Abb. 4.1-4 dargestellt ist.
Bei der Anwendung des Impulssatzes auf das Rotorgitter ergeben sich mit der
Schaufelkraft FS entsprechend Gl. (4.1-9) die Kraftkomponenten in Axial- und
Umfangsrichtung. Die Komponenten der Schaufelkräfte in axialer Richtung führen
zu den Lagerkräften am Verdichterrotor. Die resultierenden Kraftkomponenten in
Umfangsrichtung bewirken über die entsprechenden Drehmomente die Energieüber-
tragung zwischen Rotor und Fluid. In Umfangsrichtung ist dies dargestellt mit den
Absolut-geschwindigkeiten
FI u = FI1 u − FI2 u = ṁ1 cu1 − ṁ2 cu2 . (4.1-10)
Der Impulsmomentensatz oder Drallsatz nach den Gesetzen der Fluidmechanik besagt,
dass die Summe der Momente aller Kräfte, die auf eine Fluidmasse in einem stationär
durchströmten Kontrollraum wirken, gleich ist der zeitlichen Änderung der Impulsmo-
mente aller durch die Kontrollfläche zu- und abströmenden Massen. Demnach ergeben
sich für das Rotorgitter in den Ebenen 1 und 2 mit den Kraftkomponenten in Umfangs-
richtung die Momente
300 4 Turbomaschinen-Komponenten
(w2 = c2 + u2 − 2 cu cos α = c2 + u2 − 2 cu u
aus der Gl. (4.1-14) die zweite Form der Euler-Gleichung mit kinetischen Energien erhalten
2
c2 − c21
2
w2 − w21
2
u2 − u21
wC St = ht C St = + + . (4.1-16)
2 2 2
Wird der Fluidstrom in einem mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden Schaufel-
kanal, dem Relativsystem R, vom Radius r1 auf einen größeren Radius r2 bewegt, dann
verursacht das der Strömung im rotierenden Schaufelkanal aufgeprägte Zentrifugalkraft-
feld eine Erhöhung der spezifischen Energie des Fluidelementes dm zwischen Aus- und
Eintrittsebene entsprechend d Z = dm r ω2. Wegen dieser Zentrifugalkräfte erhöht sich
die spezifische Energie in einer Stufe um
2
u2 − u21
� hZ = (r ω2 ) dr = 2 . (4.1-17)
1 2
4.1 Gemeinsame Grundlagen zu Turbomaschinen 301
Bei diagonal oder radial durchströmten Turboverdichtern mit u2 > u1 bewirkt das im
Rotor wirkende Zentrifugalkraftfeld den wesentlichen Anteil des Energieaustausches
zwischen Rotorschaufeln und Fluid. Radialverdichter-Stufen erreichen deshalb 3 bis 4
mal größere Druckverhältnisse als Axialverdichter-Stufen (Abschn. 4.2.5.3).
Die Erhöhung der kinetischen Energie im Rotor (Laufrad) entsprechend dem Anteil
der Absolutgeschwindigkeiten (c22 − c21 )/2 kann im anschließenden Stator-Diffusor
(Leitrad) in höheren statischen Druck umgesetzt werden.
Mit dem aus der Fluidmechanik bekannten Begriff der Zirkulation ist weiterhin
eine dritte Form der Euler’schen-Hauptgleichung möglich (s. a. Gl. (4.1-2)). Für das
Schaufelgitter in einem Ringkanal mit dem Umfang 2 π r, den Zirkulationsgrößen
Ŵ1 = cu1 2 π r1 und Ŵ2 = cu2 2 π r2 ergibt sich allgemein mit der Gitter-Zirkulation
ŴGitter = Ŵ2 − Ŵ1 = 2 π (cu2 r2 − cu1 r1 )
das resultierende Moment der Stufe
ṁ
MC St = M2 − M1 = (Ŵ2 − Ŵ1 )
2π
sowie schließlich analog zu Gl. (4.1-15) und (4.1-16) die spezifische Stufenleistung bzw.
Arbeit
PC St ω
wC St = = � ht C ,St = ŴGitter . (4.1-18)
ṁ 2π
Die Umsetzung der kinetischen Energie im Rotor-Diffusor gemäß (w21 − w22 )/2 führt
ebenfalls zu einer Steigerung des statischen Drucks.
Die Euler-Gleichung in den verschiedenen Formen nach Gl. (4.1-14) bis (4.1-17)
gilt prinzipiell für alle Fluidströmungsmaschinen [Eck61K, Tra00Ka, Sig91B, Boh04B,
Gri09B].
Bei turbinenartigen Strömungsmaschinen liegt eine Energieübertragung vom Fluid auf den
Rotor vor, die positiven Vorzeichen der Euler-Gleichung wechseln auf negative Vorzeichen.
Wie in der klassischen Fachliteratur und der internationalen Praxis bewährt und
üblich (Zitat nach Traupel [Tra00Ka]), „ist es bei Turbinen, den Expansionsmaschinen,
naheliegend, die abgegebene Arbeit positiv zu rechnen, wobei die Energiegleichung die
Form annimmt“
wT = ht, Eintritt − −ht, Austritt
Demnach lautet die Euler’sche Turbomaschinengleichung für die Stufe einer Turbine T
PT St
ht T St = wT St = = cu1 u1 − cu2 u2 . (4.1-19)
ṁT
Bei gekühlten Turbinenstufen (Abschn. 4.3.7) ist die Turbomaschinen-Hauptgleichung
mit Beachtung der verschiedenen Fluidströme und ihrer Energien sinngemäß zu modifi-
zieren. Dabei muss der Kontrollraum zur Anwendung der Erhaltungssätze der Fluidme-
chanik besonders sorgfältig abgestimmt und definiert werden.
302 4 Turbomaschinen-Komponenten
Die reale Strömung in Turbomaschinen ist instationär, bei stationärem Betrieb zumin-
dest periodisch instationär durch vorauslaufende Schaufelreihen, weiterhin dreidimensi-
onal, kompressibel, reibungsbehaftet sowie mit turbulenten Grenzschicht-, Wirbel- und
Mischungsbereichen durchsetzt. Die Strömungsfelder umfassen häufig komplexe in einan-
der übergehende subsonische, transsonische und supersonische Gebiete mit ihren jeweiligen
Phänomenen (Abb. 4.1-5) [Eck61K, Cor63K, Tra00Ka, Cum89B, And90B, Sig91B, Gri09B].
Diese gasdynamischen Strömungserscheinungen stehen in Wechselwirkung mit
werkstoffabhängigen Festigkeits- und Schwingungsproblemen, wie sie in Abschn. 4.2.10
nochmals kurz erläutet werden.
Mit unterschiedlichen Rechenverfahren kann die hochkomplexe Turbomaschi-
nenströmung je nach Aufwand und Bedarf mit verschieden aufwendigen numerischen
Methoden teilweise ideal oder angenähert realistisch bestimmt werden. Grundsätzlich
werden dabei drei verschiedene Hauptberechnungsverfahren unterschieden, wobei zur
Orientierung über die mathematischen Verfahren und ihre Koordinatensysteme die
Darstellungen in Abb. 4.1-6, 4.1-7 zu beachten sind.
Bei der eindimensionalen Rechnung (1-D) gemäß der Stromfadentheorie werden
kongruente Stromlinien im Profilschnitt vorausgesetzt, d. h. unendlich viele Schaufeln
der Dicke „null“ erbringen die Umlenkung. Weiterhin werden kongruente Stromlinien
im Meridianschnitt angenommen, d. h. eine Mittelung über der Schaufelhöhe.
Bei den zweidimensionalen Verfahren (2-D) werden quasi-dreidimensionale Lösun-
gen angestrebt. Rein mathematisch kann ein dreidimensionales Problem durch zwei
gekoppelte zweidimensionale Problemstellungen beschrieben werden, wobei zwei soge-
nannte Stromflächen S1 und S2 jeweils eine zweidimensionale Betrachtung nach der
Methode von Wu [WuC52, Tra00Ka, Cum89B, Gri09B] zulassen (Abb. 4.1-6).
Es wird dabei eine Hub-to-Tip- oder S2-Fläche definiert, die sich von der Nabe bis
zum Gehäuse erstreckt und eine Blade-to-Blade oder Sl-Fläche, die zwischen zwei Schau-
feln liegt. Es wird dabei angenommen, dass die Strömung in Stromröhren unabhängig
von den benachbarten Strömungsbereichen ist, was aber ungeeignet ist für 3D-Effekte
wie Verdichtungsstoßflächen, Strömungsablösungen und Wirbel- und Eckenströ-
mungen. Für beide Flächen S1 und S2 gilt die Bedingung, dass sie in allen Punkten der
Schnittkanten vom Vektor der Relativströmung tangiert werden.
Bei den vollen dreidimensionalen Lösungsverfahren ist die realistische Betrachtung
der Strömungsverhältnisse erheblich komplizierter als sie in den 1D- und 2D-Methoden
vereinfacht angenommen wurden.
Neben den bekannten Schwierigkeiten bei Lösungsverfahren in der Fluidmechanik
zu reibungsbehafter, turbulenter und kompressibler Strömung soll hier betont auf zwei
Punkte der Turbomaschinenströmung hingewiesen werden.
Bei der vollen 3D-Strömung sind im Meridianschnitt alle Stromfäden von Nabe
bis Gehäuse unterschiedlich infolge der nicht-zylindrischen sondern verwundenen
4.1 Gemeinsame Grundlagen zu Turbomaschinen 303
Verdichtungsstoß
Stoß-Wirbel
Spaltwirbel Interaktion
Kanalwirbel
SS DS
t
hich SS DS
zsc Hinterkanten-
n
re wirbel
ilg
of
Na Pr
ch
la
uf
Strömungs-
ablösung Kanalwirbel
Ecke
Hufeisenwirbel
ω
Stromfläche
Relativgeschwindigkeit w Stromfläche S2
tangiert Schnittkante S1
der Stromflächen
z z
Abb. 4.1-6 Definition von S1-Flächen (blade to blade) in Umfangsrichtung und S2-Flächen (hub
to tip) in Meridianrichtung [WuC52, Tra00Ka]
304 4 Turbomaschinen-Komponenten
Koordiantensystem Strömungsorientiertes
im Meridianschnitt Koordinatensystem
t t Stromlinie
s
m Meridianebene
Rt t s
n m
t r
ms
n
Meridianschnitt he
fläc
r S trom
r ω
s
Ac hse
Blick auf
Tangentialebene
n s-Richtung tangential
an die Stromlinie
Rn
u
Schaufeln. Mit dem Radius ändern sich die Geometrie sowie die Teilung und die Ver-
windung und damit die Geschwindigkeitsverhältnisse. Im Gitterschnitt sind alle Strom-
fäden unterschiedlich infolge der unterschiedlichen Anströmung vom Vorgitter mit
Strömungsdellen und wegen des Druckgradienten von der Druck- und Saugseite.
Weiterhin ist bei angenommen stationärem Betrieb durch den gegenseitigen Einfluss
der Schaufelreihen untereinander mit ihrem jeweiligen Nachlauf die Strömung zumin-
dest periodisch instationär. Meistens wird jedoch bei den verschiedenen Rechenverfah-
ren die Strömung vereinfacht durch eine stationäre Beschreibung im Sinne zeitlicher
4.1 Gemeinsame Grundlagen zu Turbomaschinen 305
Mittelwerte behandelt. Damit können die Relativströmung in den Rotoren und die
Absolutströmung in den Statoren quasi-stationär betrachtet werden.
Bei der Aufstellung der gesamten Gleichungssysteme zur räumlichen Turbomaschinen-
strömung zur vollständigen Erfassung der 3-dimensionalen, stationären Strömung eines
zähen, kompressiblen Fluids sind mit der Definition verschiedener Koordinatensysteme
die Erhaltungssätze der Fluidmechanik zu erfüllen und spezielle Randbedingungen einzu-
halten. Häufig wird dabei das mitrotierende, strömungsorientierte n-s-t-Koordinatensys-
tem gewählt (Abb. 4.1-7).
Die abgeleiteten Gleichungen gelten für den allgemeinen Fall des rotierenden Gitters.
Der Übergang zum feststehenden Gitter ergibt sich sinngemäß mit den entsprechenden
Absolutgeschwindigkeiten.
∂c dc ∂c
dm c grad c + = dm + = ∑ Fp + ∑ FR + ∑ FF
∂t dt ∂t
konvekt. + lokale ∑ Drück- ∑Reibungs- ∑ Feld-
Beschleunigung kräfte kräfte kräfte
Mit den getroffenen Vereinfachungen für
stationäre ∂ c reibungsfreie keine
= 0
Strömung ∂t Strömung ∑ FR = 0 Feldkräfte ∑ FF = 0
ergibt sich im
dc
Absolutsystem dm = ∑ Fp
dt
Absolutbeschl. b abs ∑ Druckkräfte
Trägheitkraft
Relativsystem dm ( b rel − bZ + b C) = Σ Fp
4.2 Turboverdichter
Kombinationsverdichter mit
3 Axial - und 1 Radialstufe
Fan:
Booster
wide-cord
swept fan blades Hochdruck-
verdichter
Turbofan-Triebwerk
GP 7200
Startschub 311 kN
OPR 43,9 BPR 8,7
c22 c2
ht 2 = h2 + = h3 + 3 = ht 3 . (4.2-1)
2 2
Im Relativsystem des Rotors R kann für das adiabate Laufrad einer reinen axialen Stufe
mit u1 = u2 wie oben für das Statorgitter angesetzt werden
w22 w2
ht2 R = h2 + = h1 + 1 = ht1 R . (4.2-2)
2 2
310 4 Turbomaschinen-Komponenten
1 2 3
c3
c1
Dm1 Dm3
Dm2
Schaufelpläne Geschwindigkeitsdreiecke
w1 c1
u1 Eintritt Austritt
1
1
Abb. 4.2-5 Axial-Verdichterstufe mit Rotor R (Laufrad La) und Stator S (Leitrad Le) im Meridi-
anschnitt sowie Schaufelplan und Geschwindigkeitsdreiecke (c1 , w
1 , u 1 ), (c2 , w
2 , u 2 )
dwZ = bZ dr = r ω2 dr
Axial-Verdichterstufe 1→ 2 → 3
Rotor R 1 → 2 Stator S 2 → 3
u 22 − u12
u2 > u 1 ∆ hZ = ht2
2t 3t pt3
2 ht3
c 32
2 p 2tR pt2R 2
ht2Ris tRis t2Ris ht2R c 22
∆h Z pt1R 2 T3 p 3
h3
ht1R 3
w 22
2
w 12 p2
T2 2 2 p2
2 h2 T2 h2
2
h2is
hr
h h1 p1 h
T1
h1
s s
Stufenverband: Rotor+Stator 1 → 2 →3
Abb. 4.2-6 Verdichterstufe dargestellt im h-s-Diagramm für Rotor R (Laufrad) mit u2 > u1 und
Stator S (Leitrad) sowie für den gesamten Stufenverband Rotor-Stator
312 4 Turbomaschinen-Komponenten
Mit den Energien bzw. Enthalpien im Absolutsystem nach Gl. (4.2-1) und im Relativsys-
tem nach Gl. (4.1-10) folgt zusammengefasst für die spezifische Stufenarbeit wC St oder für
die spezifische Energiezufuhr von der Verdichterstufe an das Fluid folgende Beziehung
PC St
= wC St = ht 3 − ht 1 = �htC St
ṁC
(4.2-5)
1
= (c22 − c21 + w21 − w22 + u22 − u21 ).
2
Diese Gleichung kann mit den trigonometrischen Beziehungen der Geschwindigkeits-
dreiecke in die Euler-Gleichung nach Gl. (4.1-15) übergeführt werden.
• Adiabate Strömung, d. h. es findet kein Wärmetausch zwischen Fluid und Material statt.
• Konstanter Durchsatz ṁ1 = ṁ2 = ṁ3 = ṁC.
• Die Geschwindigkeiten bestehen nur aus Axial- und Umfangskomponenten.
• Strömungs- und Zustandsgrößen werden nur in den Ebenen zwischen den Schaufelgit-
tern betrachtet, das heißt, es wird die sogenannte „Duct-Flow“-Methode (Abschn. 4.1.2)
angewandt.
Der Aufbau und die Arbeitsweise der Axial-Verdichterstufe mit den wichtigsten Kenn-
zeichnungen sind in Abb. 4.2-5 und 4.2-6 schematisch gezeigt.
Bei einer mittleren Stufe eines ein- oder mehrstufigen Turboverdichters bestehend
aus Rotor R (Laufrad) und Stator S (Leitrad) sind beide Gitterkanäle als diffusorähnliche
Strömungskanäle ausgelegt, in denen eine Verzögerung der Strömung und somit eine
Erhöhung des statischen Druckes in der Strömung erfolgt. Die Geschwindigkeitsdreiecke
am Rotor-Eintritt und -Austritt ergeben sich aus der vektoriellen Addition
�c1 = u� 1 + w
� 1 und �c2 = u� 2 + w
� 2.
4.2 Turboverdichter 313
Hierbei sind die Komponenten der Geschwindigkeiten in Umfangsrichtung cu1 und cu2
nach Gl. (4.1-8) besonders für die Turbomaschinen-Hauptgleichung von Bedeutung. Die
Komponenten in axialer Richtung sind für die Durchsätze und die Gestaltung des Ring-
raumes wesentlich.
Das Fluid strömt dem Gitter mit der Absolutgeschwindigkeit c1 und der spezifischen
Enthalpie h1 zu, woraus sich folgende Totalenthalpie vor dem Rotor-Eintritt ergibt
c21
ht 1 = h1 + . (4.2-6)
2
Hierbei ist zu beachten, dass die statischen Zustandsgrößen p und T in der Strömung
beim Übergang der Strömung vom Absolutsystem zum Relativsystem unverändert blei-
ben, sodass im Relativsystem bzw. Rotor R folgende Totalenthalpie vorliegt
w21
ht1 R = h1 + . (4.2-7)
2
Wenn die Strömung radial vom Radius r1 auf den Radius r2 > r1 geleitet wird und damit
die Umfangsgeschwindigkeit von u1 auf u2 > u1 ansteigt, muss das der Relativströmung
aufgeprägte Zentrifugal-Kraftfeld mit �hZ = (u22 − u21 )/2 nach Gl. (4.1-3) zur Bestim-
mung der Gesamtenergie am Rotor-Austritt berücksichtigt werden
w22 u2 − u21
ht2 R = h2 + = ht1 R + 2 . (4.2-8)
2 2
Im Absolutsystem ergibt sich am Rotor-Austritt bei adiabat angenommener Schaufelka-
nalströmung für die über den Stator konstant bleibende spezifische Totalenthalpie
c22 c2
ht2 = h2 + = ht3 + 3 . (4.2-9)
2 2
Auch das Stator-Gitter arbeitet in der Regel fluiddynamisch als Diffusor, um die kineti-
sche Energie in eine Steigerung des statischen Druckes von p2 auf p3 umzusetzen. Weiter-
hin wird im Stator die drallbehaftete Abströmung des Rotors (�c2 = �cax2 + �cu2 ) möglichst
wieder in koaxialer Richtung auf c3 umgeleitet und verzögert (c3 < c2 ). Es ist zweckmäßig,
die Umlenkung und die Verzögerung des Fluids derart vorzunehmen, dass die Zu- und die
Abströmung einer Stufe etwa gleiche Geschwindigkeitsvektoren haben. Die Auslegung der
einzelnen Stufen eines mehrstufigen Verdichters kann damit in gleichartiger Bauweise aus-
geführt werden. Weiterhin kann vor dem Rotor der ersten Stufe eines Verdichters ein Vor-
leitrad nützlich sein, das auch verstellbar ausgeführt werden kann.
wobei der Isentropenexponent κ einen mittleren Wert zwischen Anfangs- und Endzu-
stand der Verdichtung darstellt.
Der polytrope Stufen-Wirkungsgrad ist nach Gl. (2.1-1b)
R ln(pt3 /pt1 )
ηC pol = . (4.2-11)
cp ln(Tt3 /Tt1 )
Um Missverständnisse bei den zahlreich möglichen Wirkungsgraddefinitionen zu ver-
meiden, ist es zweckmäßig, möglichst Totalzustandsgrößen heranzuziehen.
Für Rotor- und Stator-Gitter werden mit den statischen Größen für eine Diffusorströ-
mung in Anlehnung allgemein an strömungsmechanische Wirkungsgrade folgende Defi-
nitionen angesetzt:
Rotor-(Laufrad)-Wirkungsgrad
h2 is − h1
ηCR = ,
h2 − h1 (4.2-12)
Stator-(Leitrad)-Wirkungsgrad
h3 is − h2
ηCS = . (4.2-13)
h3 − h2
Eine weitere Definition von Gitterkanal-Wirkungsgraden ist üblicher Weise mit den
Geschwindigkeiten bzw. den kinetischen Energien an die Definition von Verlustkoeffizi-
enten in Strömungskanälen angelehnt
Es ergeben sich damit folgende Wirkungsgrade der Beschaufelung:
w22 /2
Rotor (Laufrad) η′C R = (4.2-14)
w22 is /2
c23 /2
Stator(Leitrad) η′C S = : (4.2-15)
c23 is /2
Damit sind auch die Verlustkoeffizienten ζ für die Gitterströmung festgelegt. Es gilt fol-
gender Zusammenhang
η′C = 1 − ζ. (4.2-16)
4.2 Turboverdichter 315
M1M=1.3
= 1,3
M1M=1.0
= 1,0
M1M=0.8
= 0,8
Rotor
Rotor Stator
Verlusterfassung an
flächengleichen Schnitten
4.2.2.4 Verluste am Verdichtergitter
Der Gesamtverlust einer Gitterströmung setzt sich aus den Profilverlusten ζP und einem Rest-
verlust zusammen, der allerdings bei Hochdruckverdichtern sehr groß sein kann (Abb. 4.2-7).
Dieser wird durch Reibungsvorgänge an den Wänden sowie eine durch die Sekundärwirbel
bzw. Sekundärverluste entstehende Energiedissipation verursacht (Abb. 4.1-5).
Die Profilverluste ζP bestehen aus einem Basiswert ζPO und aus Korrekturfaktoren für
Mach-Zahl- und Reynolds-Zahl-Einflüsse χM und χRe sowie einem Anteil für Zusatzver-
luste bei endlicher Schaufelhinterkante χδ und für Carnot’sche Stoßverluste ζc
ζP = ζPO χM χRe χδ ζc . (4.2-17)
Weitere Hinweise zu Verlusten im Teillast-Betriebsverhalten von Verdichtern werden
in Abschn. 4.2.4 und 4.2.9 gegeben oder sind der Fachliteratur zu entnehmen[Cum89B,
Tra00Ka, Gri09B].
Eine in der Praxis bewährte Form der Erfassung von Verlusten stellt der Gitterver-
lustbeiwert ω dar. Dieser Beiwert wird mit dem Totaldruckverlust pt Gitter bezogen auf
den sogenannten „dynamischen Druck“ am Gitter-Eintritt ptE − pE definiert. Für einen
Schaufel-Gitterkanal mit Eintrittsebene E und Austrittsebene A gilt
pt E ideal − pt A p − pt A
ωGitter = = t E is . (4.2-18)
pt E − pE pt E − pE
Bei einer Verdichterstufe (Abb. 4.2-6) mit nicht rein koaxialer Durchströmung (u2 � = u1 )
ergeben sich damit unter Beachtung der von den Zentrifugalkräften abhängigen spezi-
fischen Energie �hZ = (u22 − u21 )/2 die Totaldruckverluste mit folgenden Beziehungen:
Verlustbeiwert Rotor (Laufrad)
pt 2 R is − pt 2 R
ωR = . (4.2-19)
pt 1 R − p1
316 4 Turbomaschinen-Komponenten
V̇ ṁ R T
Aax = = . (4.2-22)
cax p cax
AG
BlG = . (4.2-24)
Ageom
Die Flächenänderungen ΔA sind dabei die aus den Verdrängungsdicken resultierenden
Querschnittsverkleinerungen an Nabe N und Gehäuse G, bezogen auf die geometrischen
Ringraumflächen. Für die konstruktive Auslegung des Verdichters sind die geometri-
schen Flächen maßgebend, für die gasdynamische Berechnung die mit dem Blockage-
Faktor korrigierten Flächen.
Für mehrstufige Verdichter sind bei einer Mittelschnittsrechnung sinngemäß die
Hinweise zur Auslegung der Einzelstufen zu übernehmen. Es ist dabei zu beachten, dass
die Abströmgeschwindigkeit c3 einer Stufe näherungsweise gleich der Zuströmungsge-
schwindigkeit c1 der folgenden Stufe ist.
4.2.3.1 Reaktionsgrad r
Der Reaktionsgrad r, dessen Entwicklung historisch im Rahmen allgemein der Strö-
mungsmaschinentechnik besonders interessant ist [Eck61K, Kal89B, Sig91B, Tra00Ka,
Gri09B], charakterisiert die prinzipielle Auslegung der normalerweise aus zwei Schaufel-
gittern bestehenden Turbomaschinenstufe. Diese Kenngröße beschreibt die Aufteilung
der Umsetzung von Strömungsenergie im Rotor und im Stator einer Stufe.
Bei schwach belasteten Turboverdichtern mit kleinem Mach-Zahl-Niveau und gerin-
gen Druckänderungen wird häufig nur eine inkompressible Betrachtungsweise der Strö-
mung angesetzt. Der Reaktionsgrad r der Stufe wurde deshalb ursprünglich allgemein
mit dem Verhältnis der statischen Druckerhöhung im Rotor zur Totaldruckerhöhung
der gesamten Stufe definiert. Es ist dabei zweckmäßig hier die Stufen-Druckerhöhung
mit Totaldrücken anzugeben.
Der Reaktionsgrad bei inkompressibler Betrachtung der Strömung in einer Verdich-
terstufe lautet
statische Drucker höhung im Rotor p − p1
rink = = 2 . (4.2-27)
Totaldrucker höhung der Stufe pt3 − pt1
Zur Einordnung des Stufentyps ist es jedoch bei hochbelasteten Turboverdichtern zum bes-
seren Verständnis der Energieumsetzung einer Stufe angebracht, die Enthalpiedifferenzen
einer Stufe zu verwenden. Üblicherweise wird deshalb folgender Reaktionsgrad definiert
statische Enthalpiedifferenz isentrop im Rotor
r=
Totalenthalpiedifferenz isentrop der Stufe
. (4.2-28)
hr h2 is − h1
= =
ht C is ht3 is − ht1
Bei dieser Formulierung wurde zur Definition des Reaktionsgrades der isentrope Vergleichs-
prozess herangezogen. Anstelle der isentropen können auch die realen Enthalpiedifferenzen
verwendet werden, sodass sich damit der sogenannte kinematische Reaktionsgrad ergibt
h21 h2 − h1
rh = = .
h23 + h21 h3 − h1
Der kinematische Reaktionsgrad mit kinetischen Energien lautet
(w21 − w22 ) + (u22 − u21 )
rh = . (4.2-29)
(c22 − c23 ) + (w21 − w22 ) + (u22 − u21 )
Liegt ein rein koaxial durchströmter Verdichter vor mit u1 = u2 und wird der Sonder-
fall mit konstanter Axialgeschwindigkeit cax 1 = cax 2 betrachtet sowie inkompressible
4.2 Turboverdichter 319
Strömung mit konstanter Fluiddichte ρ vorausgesetzt, dann ergibt sich mit der vektoriell
mittleren Relativgeschwindigkeit w∞ der vereinfachte kinematische Reaktionsgrad
w∞ u
rh = . (4.2-30)
u
Dieser kinematische Reaktionsgrad wird bei Vorauslegungen in Verdichtern, die nicht
den genannten Vereinfachungen genügen, in folgender Form verwendet
w∞ u
rh = . (4.2-31)
(u1 + u2 )/2
Für eine aerodynamische Verdichterauslegung kann der Reaktionsgrad ebenso wie die
Stufen-Enthalpieerhöhung vorgegeben werden, sodass mit rh und der Euler-Gleichung
Gl. (4.1-9) bzw. (4.2-5) die Geschwindigkeitskomponenten an Rotor-Eintritt und -Aus-
tritt berechnet werden können. Hierzu wird zunächst die Gl. (4.2-31) mit den Geschwin-
digkeitskomponenten cu1 und cu2 umgeformt
cu1 + cu2
rh = 1 − . (4.2-32)
u1 + u2
Mit der Euler-Gleichung ergibt sich nun für die Drall-Komponenten
�ht C St
cu1 = u2 (1 − rh ) − , (4.2-33)
u1 + u2
�ht C St
cu2 = u1 (1 − rh ) − . (4.2-34)
u1 + u2
Typische Beispiele zu Verdichterauslegungen mit verschiedenen Reaktionsgraden werden
in Abb. 4.2-8 vorgestellt. Die Zahlenwerte üblicher Stufen liegen bei r ≈ 0,6 bis 0,9. Für
vergleichbare Bauweisen und bei gleichen Umfangsgeschwindigkeiten haben die Verdich-
ter mit höheren Mittelschnitts-Reaktionsgraden auch größere Stufen-Druckverhältnisse.
Bei kleineren Reaktionsgraden und damit ausgeglichener Aufteilung der Druckumsetzung
in Rotor und Stator können gute Wirkungsgrade bei höheren Umfangsgeschwindigkeiten
erzielt werden. Weiterhin beeinflusst die Wahl des mittleren Reaktionsgrades mit der dar-
aus resultierenden Bauweise auch die Stabilität der Strömung, was beim Betrieb in verschie-
denen Lastbereichen auch in Verbindung mit dem Achsschub von Bedeutung sein kann.
4.2.3.2 Kinematische Ähnlichkeitskenngrößen
Bei thermischen Turbomaschinen wie Verdichter und Turbinen sind zur Charakte-
risierung der Bauweise und des Betriebsverhaltens der Durchsatz ṁ bzw. der Mas-
√
senstromparameter ṁ R Tt /pt, das Druckverhältnis , die Energieumsetzung
entsprechend den Totalenthalpiedifferenzen ht bzw. Δht/Tt und der Drehzahl n
√
bzw. n/ R Tt von Bedeutung. Diese Größen stellen Hauptparameter für das Betriebs-
verhalten der Maschine dar und werden neben den Wirkungsgraden zum Beispiel zur
Kennfelddarstellung herangezogen. Da diese Parameter besonders von der Drehzahl n
320 4 Turbomaschinen-Komponenten
u u
r = 0,5
r=0 r = 0,85
w1 c2
c1
w2
u1 u2
c2
w1
w1 c2
c1 =c 3
w2 w2 c1
u1 u2 u1 u2
Leistungsziffer
1,5
1,0
Axialverdichter
AC
0,5
0
0 0,5 1,0 1,5
Durchsatzziffer ϕ
Druckzahl. Diese Kenngröße spiegelt das Druckverhältnis und damit die Leistung einer
Stufe wieder. Sie lautet
hC is
ψis = (4.2-37)
u22 /2
oder mit der isentropen Totalenthalpiedifferenz der Stufe
ht C is
ψt is = . (4.2-38)
u22 /2
Die Druckzahl stellt also ein relatives Maß für das den isentropen Enthalpiedifferenzen
entsprechende statische Totaldruckverhältnis dar. Die spezifische, isentrope Leistung
nach Abschn. 2.1.2 ist dafür sinngemäß anzusetzen.
Leistungszahl. Mit der Leistungsziffer wird die spezifische Leistung der Verdichterstufe
charakterisiert
�hC
ψh = . (4.2-39)
u22 /2
Anstelle der statischen, effektiven Enthalpiedifferenzen wird diese Kennzahl häufig mit der
realen Totalenthalpiedifferenz gemäß der Euler-Gleichung definiert. Es ergibt sich damit
�ht C wC
ψht = 2 = 2 . (4.2-40)
u2 /2 u2 /2
Mit der hier definierten Leistungszahl ψh sowie der oben erwähnten Durchsatzzahl ϕ
lassen sich die Auslegungsbereiche von Verdichterstufen in verschiedener Bauweise
vom Axial- bis zum Radialverdichter vergleichend darstellen. Nach dem ψ − ϕ− Dia-
gramm in Abb. 4.2-9 ist deutlich zu erkennen, dass die dimensionslosen Leistungs- und
322 4 Turbomaschinen-Komponenten
Ψis ηis
Drosselzahl µ Ψis,A µ ηis, A
Druckverhältnis
1,0 1,0
hl nn
reehhzzaahl
Dr
D
Volumenstrom V 1,0 ϕis 1,0 ϕΦ
ΦisAP
ϕis,A ϕis,A
Durchsatzkennzahlen eine wichtige Hilfe bei der Vorauswahl und Bewertung von Ver-
dichtertypen für entsprechende Aufgaben bieten können.
(a)
Auftrieb cL
Widerstand cD
cL
cD
ite
e
w
eit
se
ks
ug
uc
Sa
1 w2
Dr
sl
Druckseite
t
sl w2
Abb. 4.2-11 a Umströmung eines Profils mit Auftrieb L (lift) und Widerstand D (drag) analog
zur Umströmung eines Flugzeug-Tragflügels. b Umströmung eines Gitter-Profils mit Strömungs-
verzögerung analog Bild oben sowie Geschwindigkeitsverteilung entlang den Profil-Konturen
(Druckseite PS, Saugseite SS) bei 2 Profil-Anstellwinkeln α = 5° und 12° [And91B, Boh04B]
Transonic-Gitter-Anströmung
Unterschall M<1 (a)
M=0,75
M>1 M<1
(b) (c)
M=0,80 M=0,90
M>1 M<1
M>1 M<1 M>1 M<1
Unterschall M<1
(d) (e)
M=1,15 M=1,30 M>1
M>1 M<1 M>1 M<1
Maßgebend ist hier das Teilungsverhältnis t/s (solidity). Bei üblichen Teilungsverhältnis-
sen erreicht man die erwünschten bleibenden Strömungsumlenkungen, wobei noch die soge-
nannte Winkelübertreibung zu berücksichtigen ist. Würden Werte von t/s → ∞ zugelassen,
dann könnte das Schaufelprofil quasi einem Tragflügel ähnlich als Einzelprofil ohne Strö-
mungsumlenkung wirken. Geht t/s → 0, dann wird von einem idealen Gitter gesprochen.
Das Verhalten von Verzögerungsgittern, das stark von der Anström-Mach-Zahl M1
beziehungsweise axial M1ax und von der Strömungsablenkung β = β2 − β1 beeinflusst
wird, ist in Abb. 4.2-13 gezeigt.
Für zwei Anström-Mach-Zahlen M1 = 0,3 und 0,8 im unteren und oberen Geschwin-
digkeitsbereich sind abhängig von der Umlenkung β die auf den Staudruck q1 bezogene
statische Druckerhöhung p = p2 − p1 und der Totaldruckverlust der adiabaten Gitter-
strömung pt = pt1 − pt2 aufgetragen. Der günstige Anströmwinkelbereich mit geringen
Verlusten liegt für subsonische Strömung M1 < 1 bei β1 ≈ 15◦, bei hoher Machzahl M1
mit lokalen Überschall-Strömungsverhältnissen M > 1 bei � β < 5◦. Dies zeigt, dass bei
Verzögerungsgittern mit steigendem Geschwindigkeitsniveau besonders im transsonischen
Bereich die Sensibilität der Strömung bezüglich Anströmwinkeländerungen zunimmt,
bzw. der Winkelbereich mit einer effizienten stabilen Strömung erheblich abnimmt.
326 4 Turbomaschinen-Komponenten
M1
Dies sind:
Diese Größe kennzeichnet die Verzögerung der Strömung auf der Profilsaugseite vom
Geschwindigkeitsmaximum wmax auf die Austrittsgeschwindigkeit w2 und dies bezogen
auf die Anströmgeschwindigkeit w1. Für bestimmte NASA-Profilreihen konnte über
Grenzschichtbetrachtungen halbempirisch die Diffusionszahl D in der heute meistens
verwendeten Form definiert werden
w2 �wu
D= 1− + .
w1 2 w1 s/t (4.2-45)
4.2 Turboverdichter 329
Rotor-Totaldruckverlust
0,3
M=1.3
M=1.0
Rand- und
Totaldruckverlust
0,2
Spaltverluste
M=0.8
Rotor Stator
0,1
0,06 w1 s
Re = 1 = 4 ⋅ 10 5 d 0,15
v
0,05 sl
0,10
s
0,04
Hinterkanten-
Impulsverlust
0,03 0,05
0,02
0,00
0,01
0,00
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
w − w2
Diffusionszahl D = max
w1
Expansionswellen
Mach-Zahl M1 Kompressionswellen
Verdichtungsstoß
M>1,0
M<1,0 M<1,0
1 Wand w∞ 2
ωWand = . (4.2-52)
2 H/s w1
Die Rohr-Reibungszahl Wand liegt dabei bei Werten um 0,02. Die mittlere geometrische
Schaufelhöhe H ist auf die Länge s der Schaufelsehne im Meridianschnitt bezogen.
w∞ 2
cŴ 1
ωsec = Ksec . (4.2-53)
t/s sinβ∞ w2
4.2 Turboverdichter 333
w∞ 2
wu
ωsec = 4Ksec , (4.2-54)
wax1 + wax2 w2
wobei im Falle der Randverluste der Faktor Ksec = KR nach Messungen an zahlreichen
Verdichtern bei Werten um etwa 0,01 bis 0,025 liegt.
W1 W1 W1
Rotor (Laufrad)
Stator (Leitrad)
1 2
Überschall- 3
Verdichterstufe
Dm3
Dm1
Mc1<1
Stoß-Rotor Mc3<1
Impuls-Rotor
Mc2<1 Mc3<1
Mw1>1 Mw1>1
Mw2<1
Mu2 Mu1
Stoß
Mc1<1 Mw2>1 Mc2>1
Mu1 Stoß
(a) (b)
Mu2
Historie Transsonik-Verdichter
Computer- Profile optimiert
CFD-Kontur-Optimierung
Keilprofil, Mehrfachkreisbogen
Doppelkreisbogen
Keilform
Platte
u
NASA, Triebwerksindustrie
NACA
M1 = 1,1 - 1,25 M1 = 1,3 - 1,7
ua = 300 - 350 m/s ua = 350 - 520 m/s
Entwicklungsversuche
Überschallverdichter
ηpol [%]
90
polytroper Wirkungsgrad
88
1980 0,9
86
1970
84
1960
0,8 – 1,0
Jahr 1950
1 1,2 1,4 1, 6 1 ,8
Stufe
0,85 1,1 1,4 1,6
M1
Die logische Entwicklung war vom Unterschallprofil zum Doppelkreisbogengitter mit gerin-
ger relativer Profildicke und kleinerer Teilung. Von da führte der Weg direkt zum Mehrfach-
kreisbogen- oder Keilschaufelgitter mit verschwindender Überschallexpansion. Diese Gitter
verlegen die gesamte Umlenkung in den hinteren Profilteil und arbeiten je nach Gegendruck
entweder mit einem senkrechten Verdichtungsstoß oder auch mit mehrfach reflektierten
schrägen, also schwachen Stößen bei Überschallabströmung. Die hohen Stufendruckverhält-
nisse späterer Transsonikverdichter sind einerseits die Folge der hohen Umfangsgeschwin-
digkeiten und damit Mach-Zahlen und andererseits die Folge der erheblich höheren
Gitterbelastungen. Innerhalb von 20 Jahren ist damals die Druckziffer um 60 % gestiegen.
Durch das Zusammenspiel der lokalen Überschall- und Unterschall-Strömungs-
bereiche am Transsonik-Gitter und die damit verbundenen Verdichtungsstöße wird
der Arbeitsbereich eines Gitters bei wechselnden Anströmwinkeln β1 mit steigender
Anström-Mach-Zahl Mw1 erheblich eingeschränkt. In der schematischen Darstellung in
Abb. 4.2-22 ist deutlich zu erkennen, dass bei kleinen Winkeln β1 die Abreißgrenze und
bei höheren Werten die Sperrgrenze den Arbeitsbereich Δβ1 einengt [Böl86B]. Damit
bestimmt bereits die Auslegung eines Transsonik-Gitters entscheidend das Betriebsver-
halten des gesamten Verdichters bei verschiedenen Lastzuständen und Drehzahlen.
4.2 Turboverdichter 339
28 MW1
β1 [°] Sperrgrenze β1
Kopfwelle
M1>1
MF 1,4 1,5
24
1,6 1,7 F
M1<1
Abreißgrenze
20
1,0 1,2 1,4 1,6
Mw1
Angestrebte Merkmale bei der Entwicklung effizienter Profile und Profil-Familien sind:
Stoß-Bereich
ω
Konv. Profil
Konv. Profil Konv. Profil
Anstellwinkelbereiche
Auslegungspunkt Teillastpunkte
• Eingeschränkter Gitterarbeitsbereich,
4.2 Turboverdichter 341
M1
ω Sperrgrenze
1,1
0,9
0.9
Verlustbeiwert
0,7
0.7
0,4
Abreißen
2-4°
10-12°
Winkelübertreibung i
Die starke Abhängigkeit des optimalen Zuströmwinkels von der Mach-Zahl und die
Verringerung des nutzbaren Gitterarbeitsbereichs auf wenige Grade verengen die Stu-
fencharakteristiken so sehr, dass eine Anpassung der einzelnen Stufen in mehrstufigen
Verdichtern nicht nur stufenweise sondern auch radial zu einer Herausforderung wird.
Transsonik-Gitter haben ihre Verlustminima unmittelbar vor der Gittersperrgrenze. Hat
nun eine nachfolgende Stufe ein zu großes Schluckvermögen, so sinkt das Druckverhält-
nis entlang des senkrechten Astes der Stufencharakteristik der betrachteten Stufe durch
Änderung des Stoßsystems und seiner Intensität solange, bis die Kontinuitätsbedingung
für die nachfolgende Stufe erfüllt ist. Dies geht allerdings auf Kosten des Wirkungsgrades
und der Gesamtdrucksteigerung des Verdichters.
342 4 Turbomaschinen-Komponenten
i ss 1,0
ηs
0,8
60
80
100
0,6
1,6
0,3
1,2
ω 0,2
M1
0,8 0,1
0,4 0,0
-8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10 -8 -6 -4 -2 0 2 4 6 8 10
Inzidenzwinkel, Saugseite [°] Inzidenzwinkel, Saugseite [°]
Interessante und durchaus erhebliche Probleme ergeben sich bei Verdichtern, die nur
schwach transsonisch sind und in wichtigen Teillastgebieten eine reine Unterschallzu-
strömung aufweisen. Um bei Volllast den verlangten Durchsatz schlucken zu können,
benötigt die erste Stufe eine entsprechend hohe positive Winkelübertreibung von 3° bis
4°, was aufgrund der unmittelbar nach dem abgehobenen Verdichtungsstoß einsetzen-
den Überschallexpansion keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Wird dieses Gitter jedoch
mit unterkritischer Mach-Zahl angeströmt, so ergibt sich bei Teillast in der Nähe der
Abreißgrenze eine sehr hohe Anstellung mit einer Winkelübertreibung von i = 15° bis
17° auf ein schwach gewölbtes Profil, das einem ebenen Plattengitter ähnlich ist.
Die Lage des Wirkungsgradoptimums unmittelbar vor Erreichen der Sperrgrenze
ist eine für die Abstimmung mehrstufiger Transsonik-Verdichter unangenehme Eigen-
schaft, da nur geringfügige Änderungen sofort Wirkungsgradeinbußen kosten, wie zum
Beispiel aus Abb. 4.2-26 deutlich wird.
Die zusammenfassende Beurteilung der Güte von einer Verdichterstufe im Verbund
mit mehreren anderen Stufen hängt wesentlich auch von der Verhaltensweise des Gitters
in verschiedenen Lastzuständen und Umgebungsbedingungen eines im Triebwerk und
im Flugzeug integrierten Verdichtersystems ab. Hierzu werden ergänzende Hinweise in
Abschn. 4.2.7 gegeben.
Der Fortschritt im Bau von Transsonik-Verdichtern wurde aus historischer techni-
scher Sicht bereits in Abb. 4.2-20 bis 4.2-24 gezeigt. In Abb. 4.2-23 sind die bisher übli-
cherweise eingesetzten Verdichter-Schaufelprofile mit einigen der wichtigsten Bauarten
und Kenngrößen zusammengestellt. So werden zum Beispiel bei Bypass-Fan-Triebwerken
4.2 Turboverdichter 343
MehrstufigerAxialverdichter
Transsonik Transsonik-Wide Chord
M1<0,8 M1 >1,2 M1 >1,5
p t3
p t2 50
GE90 Trent
Gesamtdruckverhältnis Triebwerk
PW4098
PW4084
40 Zivil
0,50
V2500
30
J90 0,45
CF6
RB211
20 Militärisch 0,40
SPEY
J79
0,30
10
BMW003
Stufendruckverhältnisse über 1,8 bei Wirkungsgraden über 86 % und maximalen Umfangs-
geschwindigkeiten um 450 bis 500 m/s erreicht. Die Steigerung der Leistungskonzentration
von mehrstufigen Turboverdichtern war die Folge, wie in Abb. 4.2-27 zu sehen ist.
Durch den Einsatz leistungsfähiger CFD-Rechenverfahren mit Hilfe von Finiten-Dif-
ferenzen, Finiten-Elementen oder Finiten-Volumen-Berechnungen sowie durch aufwen-
dige experimentelle Analysemethoden wie die Laser-Strömungsmesstechnik sind in den
einzelnen Auslegungsschritten von Verdichtergittern auch weiterhin noch Verbesserun-
gen möglich. Dies betrifft einerseits die Berechnung der sehr komplexen 3-D-Unterschall-
Überschallströmungsfelder sowie andererseits die Verbesserung der Schaufelprofilierung,
der Berechnung und Analyse von verlustbehafteten Ecken- Rand- und Spalteffekte.
Zusammengefasst werden die Entwicklungsstufen der Axial-Turboverdichter im Ver-
lauf der vergangenen 6 Jahrzehnte für Flugantriebe und stationäre Gasturbinenanlagen
in Abb. 4.2-27 [Ste00] vorgestellt.
344 4 Turbomaschinen-Komponenten
Vom reinen mehrstufigen Unterschallverdichter bis Mitte der sechziger Jahre mit
Gesamtdruckverhältnissen um etwa 10 bis 20 über Generationen von Transsonik-Ver-
dichtern bis zu den neueren Hochleistungsverdichtern zum Beispiel in „Wide Chord“-
Bauarten mit Druckverhältnissen um 40 bis 50 konnte die Basis für Gasturbinen und
Flugzeugantrieben mit hohen thermischen Wirkungsgraden nahe 50 % geschaffen werden.
Diese Wirkungsgrade, definiert mit der über eine Turbine oder eine Schubdüse
umsetzbaren, isentropen Nutzenergie bzw. Nutzleistung, wurden von Größen um 20 bis
30 % nahezu verdoppelt auf Größen über 50 %.
Über mehrere Generationen von Verdichterbauweisen wurde die pro Verdichterstufe
zugeführte spezifische Energie ΔhtStufe durch den Einsatz von Transsonik- und Über-
schallverdichter von Werten zwischen 20 bis 40 kJ/kg auf Werte für „Wide Chord“-Ver-
dichter von 60 bis 70 kJ/kg gesteigert, was auf die Erhöhung der Umfangs-Machzahl und
die stärkere Umlenkung der Strömung im Rotor zurückzuführen ist.
So wurden Umfangsgeschwindigkeiten über 500 m/s erreicht und Leistungsziffern
� = �ht Stufe /(u2 /2) > 0,9 [Ste00].
1 2 3
R (La) S (Le) dm bZ
p+dp
dA
dr cu
r p
r
Kräftebilanz am
d
Fluidelementbei r
bzw. daraus die Gleichgewichtsbedingung mit dem Gradienten des statischen Druckes
über dem Radius
1 dp c2
= u. (4.2-55)
ρ dr r
In dieser differentiellen Kräftebilanz kann der Totaldruck pt über die Energiegleichung
für inkompressible Fluide, also die Bernoulli-Gleichung, eingeführt werden mit
c2 ρ 2
pt = p + ρ = p + (cax + cu2 ).
2 2
Mit einer Differentiation nach dem Radius r eingesetzt in Gl. (4.2-55) ergibt sich damit
folgende grundlegende Differentialgleichung der Strömungsmaschinen
dp dp dcax dcu
= t − ρcax − ρ cu . (4.2-56)
dr dr dr dr
Mit Gl. (4.2-55) ergibt (4.2-56) zusammengefasst für inkompressible, reibungsfreie,
koaxiale Strömung die vereinfachte Differentialgleichung des radialen Gleichgewichts
der Turbomaschinenströmung
1 dpt dcax dcu c2
= cax + cu + u. (4.2-57a)
ρ dr dr dr r
Damit wird ein Zusammenhang zwischen der Totaldruck- und der Geschwindigkeitsver-
teilung abhängig vom Radius r erfasst.
Wird davon ausgegangen, dass bei einer Verdichterstufe näherungsweise ein kons-
tanter Totaldruck über der Schaufelhöhe angestrebt wird, so folgt pt = const, und damit
346 4 Turbomaschinen-Komponenten
dpt/dr = 0. Die Werte cax und cu können nicht beliebig gewählt werden. Die Wahl von
cax = f(r) bestimmt cu = f(r) und umgekehrt. Es ergibt sich nach Gl. (4.2-57a)
dcax dcu c2
0 = cax + cu + u. (4.2-57b)
dr dr r
Analog zur Hauptgleichung für den Totaldruck nach Gl. (4.2-57a) kann mit Hilfe der Tota-
lenthalpie ht = h + c2 /2 = h + c2u /2 + c2ax /2., der Enthalpie dh = du + p dv + v dp
und der Gibb’schen Gleichung dh = v dp + T ds die Differentialgleichung Gl. (4.2-57c)
ermittelt werden
dcax
cax (r) = const bzw. = 0.
dr
Der Totaldruck in Schaufelhöhe soll ebenfalls konstant bleiben, das bedeutet
pt (r) = const sodass damit sich aus der vereinfachten Differentialgleichung für Turbo-
maschinen Gl. (4.2-57b) ergibt
dcu c2 dcu dr
cu =− u oder =− (4.2-58)
dr r cu r
4.2 Turboverdichter 347
Drallgesetz
cu1= const. n = 0
außen mitte
innen
und mit der Integration ln cu + ln r = const das Drallgesetz für die drehungsfreie Strö-
mung, das Potential- oder Freiwirbel-Gesetz
cu r = const. (4.2-59a)
Dieses Gesetz für drehungsfreie Strömung verlangt immer eine konstante Axialge-
schwindigkeit über dem Radius cax = const, gleichgültig, ob es bei kompressiblen oder
inkompressiblen Fluiden angewandt wird. Gl. (4.2-59a) als allgemeines Drallgesetz for-
muliert lautet
cu = k rn . (4.2-59b)
Der radiale Verlauf des Strömungswinkels α = f(r) über der Schaufelhöhe, also die
Ablenkung der Strömung, ergibt sich aus Gl. (4.2-59a), (4.2-59b) mit dem Index m
für die Daten des Mittelschnitts rm cu m = r cu = const und mit tan α = cax /cu der
Zusammenhang
rm r
cu = cum bzw. tan α = tan αm . (4.2-60)
r rm
S Meridian-
R stromlinie
cm
cr Mittelschnitt
cax
bax
rM1 rM2
Schaufelverwindung nach dem Drallgesetz cu = const Bei diesem Drallgesetz wird als
Bedingung dpt/dr = 0 vorgegeben sowie dcu/dr = 0 (Abb. 4.2-29, oben rechts). Hierbei
führt Gl. (4.2-57a) zu
dcax c2
cax + u =0 (4.2-61)
dr r
Da c2u/r immer positiv ist, wird d(c2ax/r) immer negativ und somit gilt für die Axialge-
schwindigkeiten im Außen- und Innenschnitt cax a < cax i.
Gleichung (4.2-61) wird integriert und zur Bestimmung der Integrationskonstanten
auf den Mittelschnitt bezogen, so dass die Tendenz des cax-Verlaufes abgelesen werden
kann (Abb. 4.2-29)
r Potential- Fest-
wirbel körper
ra n = -1 -0,5 0 +0,5 +1
1
rm 2
3
ri
cuM cu
Abb. 4.2-31 Radiale Drallverteilung von Schaufelnabe bis Gehäuse bzw. cu = f (r) für verschie-
dene Drall-Gesetze n = −1, −0,5, 0, +0,5, +1
Für die vorstehend dargestellten Verwindungsgesetze ergeben sich mit Hilfe der
bereits bekannten Bezugsgrößen und Geschwindigkeitsdreiecken bezogen auf den Mit-
telschnitt (Index m)
n n
r rm r rm
c1 u = A −B und c2 u = A +B .
rm r rm r
Das Potential- oder Freiwirbelgesetz (free vortex) folgt daraus
n = −1, B = 0, A = cu m rm
cu (r) r = A = const
und das Gesetz „Fester Wirbel“ (solid body)
cu (r)
n = +1, B = 0 und = const.
r
Für das Gesetz mit konstantem Drall cu = const folgt
n = 0, B = 0 und cu = A = const.
Zusammengefaßt ist in Abb. 4.2-31 schematisch die radiale Drallverteilung bzw.
cu = f(r) für verschiedene Drall-Gesetze dargestellt.
Neben den genannten Drallgesetzen sind Kombinationen von Verwindungsgesetzen
mit beliebigen Exponenten durchführbar. Auf dieser Basis ist es auch bei mehrstufigen
Turboverdichtern möglich, mit entsprechenden Optimierungsverfahren günstige Strö-
mungszustände in allen Lastzuständen zu erreichen [Gri09B]. Zusammenfassend ist die
Geschwindigkeitsverteilung längs der Schaufel für verschiedene typische Drallgesetze in
Abhängigkeit von dem Exponenten n in Abb. 4.2-31 dargestellt.
Die radiale Aufteilung des Reaktionsgrades und damit der radiale Verlauf der
Energieumsetzung in einer Stufe beeinflusst erheblich die Auslegung des gesamten
4.2 Turboverdichter 351
mittlere Stufe
Stator S
Leitrad
Rotor R
Laufrad
1, 2, 3 Berechnungsebenen in den Axialspalten
d Abstandslinien der Stromlinien
ms Mehrschnitt-Meridianstromlinien
Rm Krümmungshalbmesser der Meridianstromlinien
γ Neigungswinkel zwischen d und ms
4.2.5.2 Stromlinienkrümmungsmethoden
Im vorstehenden Abschn. 2.5.1 wurde bisher zylinderförmige Strömung vorausgesetzt
und betont, dass die radiale Verschiebung der Stromlinien ausgeglichen ist und verein-
facht eine rein koaxiale Strömung vorherrscht.
Die Umlenkung der Strömung eines kompressiblen Fluids führt entsprechend dem
Verlauf der cu-Komponente zu Druckgradienten in radialer Richtung. Diese bewirken
eine Krümmung der Stromlinien in den einzelnen Schaufelschnitten, wie in Abb. 4.2-32
und 4.2-33 schematisch gezeigt wird.
352 4 Turbomaschinen-Komponenten
Abb. 4.2-33 Strömungsverhältnisse -R m
schematisch im Meridianschnitt Rotor R
mit Stromlinienbahn und (Laufrad)
Radialversetzung
+Rm
dr
p
dγ cm dγ
cr = cm sinγ sowie cm = R ω = R ⇒ =
dt R dt
Die Beschleunigung der Fluidelemente radial nach außen oder nach innen ist demnach
dcr dcm dγ
= sinγ + cm cosγ , (4.2-66)
dt dt dt
wobei dγ/dt durch cm /R ersetzt werden kann. Das einfache radiale Kräftegleichgewicht
nach Abschn. 4.2.5.1 Gl. (4.2-58) muss bei Beachtung der Stromlinien-Schwingung um
den Anteil dm (dcr /dt) erweitert werden. Damit ergibt sich gegenüber Gl. 4.2-58 das
erweiterte radiale Kräftgleichgewicht in folgender Form:
1 ∂p c2 d cr c2 dcm cm
· = u+ = u+ sinγ + cm cosγ . (4.2-67)
ρ ∂r r dt r dt Rm
Da der Winkel γ näherungsweise in den betrachteten schaufelfreien Ebenen gegen 0 geht
und cm etwa gleich cax ist, wird für den Axialverdichter die Differentialgleichung für das
erweiterte radiale Gleichgewicht erhalten
1 ∂p c2 c2
· = u + ax für γ = 0 (t ⇒ r). (4.2-68)
ρ ∂r r Rm
Wird die Stromlinienschwingung nicht berücksichtigt, dann geht Rm → ∞ und es ergibt
sich für eine koaxiale Stromlinie mit cm = cax = 0 und γ = 0 wieder das radiale Kräft-
gleichgewicht nach Gl. (4.2-58) (Abb. 4.2-34).
Die Stromlinienkrümmung ist an denjenigen Stellen besonders bedeutungsvoll, wo
die Richtungen von cm, und cax, zusammenfallen (bei γ = 0). Damit werden die zwi-
schen den Beschaufelungen liegenden Maxima und Minima der in die Meridianebene
geklappten Fluidteilchenbahn erfasst.
Wie bei der Differentialgleichung des einfachen radialen Gleichgewichts in
Abschn. 4.2.5.1 kann vereinfacht mit der Energiegleichung (Bernoulligleichung) bei
inkompressibler Strömung und cax = f(r) und cu = f(r) die erweiterte Differentialglei-
chung der Turbomaschinenströmung abgeleitet werden [Eck61K, Tra00Ka, Gri09B u. a.].
1 ∂pt c2 c2 ∂cax ∂cu
= u + ax + cax + cu . (4.2-69a)
ρ ∂r r R ∂r ∂r
Mit der Totalenthalpie
1 2
cax + c2u + c2r
ht = h + differenziert
2
∂ht ∂h ∂cax ∂cu ∂cr
⇒ = + cax + cu + cr
∂r ∂r ∂r ∂r ∂r
354 4 Turbomaschinen-Komponenten
Axial-Verdichterstufe AC
Durchmesser R R S R S
D1a D1a D1a
Daußen= const
D1a = D2a
Druckverhältnis
Schluckfähigkeit
Nabenverhältnis D i / Da
Durchmesser S S S
Daußen= const
D2a > D1a R
R R
D1a
D1a
D1a
Druckverhältnis
Schluckfähigkeit
Radialverdichter-Rotor R 3D-Geschwindigkeitsdreieck
Position (2)
3 c2r
Diffusor c2m
c2m
c2u
2 c2z
Impeller
1 c2
c2m
r2
c1m w2
u2
c2 u2
c2m
β2
w1 c1m
w2
β1 c1
r2
u1
r1
2D-Geschwindigkeitsdreiecke
Eintritts-Ebene (1)
ω
Austritts-Ebene (2)
Abb. 4.2-36 Radialverdichter RC in offener Bauweise mit Impeller (Rotor, Laufrad), hier mit rück-
wärts gekrümmten Schaufeln und den Geschwindigkeitsdreiecken am Rotor-Eintritt und -Austritt
Radialverdichter (Impeller)
Art der
Rotor-Beschaufelung
Geschwindigkeitsdreiecke
ω
radial endend β 2 =90°
ω
ω
rückwärts gekrümmt β2 > 90° vorwärts gekrümmt β 2 < 90°
Das Fluid strömt dem Radialverdichter etwa koaxial mit der Einlaufgeschwindig-
keit c0 zu, wird am Impellereintritt (1) in radialer Richtung umgelenkt und tritt mit
der Absolutgeschwindigkeit c1 in das rotierende Schaufelgitter ein. Mit dem Vektor der
Umfangsgeschwindigkeit u1 ergibt sich vektoriell die relative Eintrittsgeschwindigkeit
w1. Nach Durchströmen der Schaufelkanäle verlässt das Fluid das Laufrad mit der relati-
ven Austrittsgeschwindigkeit w2, woraus sich durch vektorielle Addition der Umfangsge-
schwindigkeit u2 die absolute Austrittsgeschwindigkeit c2 ergibt.
Zur Erhöhung des Strömungsdruckes wird die Absolutgeschwindigkeit c2 durch
eine Verzögerung im anschließenden Stator-Diffusor (Leitrad) bis auf die Absolutge-
schwindigkeit c3 gebracht. Abhängig von den konstruktiven Gegebenheiten und den
Anforderungen an die Strömungsqualität der Abströmung sind sehr verschiedene Diffu-
sorbauweisen möglich [Eck61K, Tra00Ka, Gri09B].
Ein Radialverdichter leistet pro Stufe eine größere spezifische Arbeit als eine Axial-
verdichterstufe, benötigt also für höhere Druckverhältnisse wesentlich weniger Stufen als
der Axialverdichter und ist in seinem Betriebsverhalten besonders unempfindlich. Wer-
den zum Beispiel bei Industrieanlagen Arbeitsprozesse mit Zwischenkühler ausgelegt,
dann bietet besonders der mehrstufige Radialverdichter vom Gehäuse her gesehen kons-
truktive Vorteile.
Im Niveau der Wirkungsgrade sind die Axialverdichter den Radialverdichtern überle-
gen. Die Effizienz und Stabilität der Verdichter hängt wie bei der Axialbauweise von den
358 4 Turbomaschinen-Komponenten
schwindigkeiten mit u2 ≫ u1 der über die Zentrifugalkraft bewirkte Anteil der spezifi-
Axialverdichter AC ist wegen dem größeren Unterschied zwischen den Umfangsge-
schen Arbeit beim Radialverdichter RC sehr viel größer als beim Axialverdichter
u22 − u21
wRC = �ht RC = >> �ht AC . (4.2-70b)
2
4.2.5.4 Impeller-Beschaufelung und Leistungscharakteristik
Die anschließende Erläuterung der Tendenz des Leistungsverhaltens von Radialverdich-
tern abhängig von der Krümmung der Schaufeln folgt der ursprünglichen Darstellung in
dem Fachbuch-Klassiker von Eckert/Schnell [Eck61K].
Die mit der Relativgeschwindigkeit w1 unter einem Winkel β1 von optimal etwa 30°
dem Impellereintritt (Ebene 1) zuströmende Luft kann durch die Beschaufelungsform
des Impellers mit rückwärts gekrümmten (β2 > 90°), radial endigenden (β2 = 90°) und
vorwärts gekrümmten Laufschaufeln (β2 < 90°) am Impelleraustritt (Ebene 2) ausgeführt
werden (Abb. 4.2-36, 4.2-37).
Der Einfluss tendenziell des Austrittswinkels ß2 der Relativgeschwindigkeit w2 auf die
Strömung im Impeller und damit auf die umgesetzte Energie im Rotor kann über die
Euler-Gleichung (Gl. 4.2-70a) bestimmt werden.
Mit der vereinfachenden Voraussetzung einer angenommen unendlichen Schaufel-
zahl für den Impeller folgt daraus, dass die Schaufelkonturen mit der Form der Stromfä-
den identisch sind und die Strömung vor Eintritt in den Impeller bzw. nach Austritt aus
dem Laufrad über dem Umfang gleichmäßig verläuft. Weiterhin soll der Reibungsein-
fluss vorerst unberücksichtigt bleiben.
Bei angenommen drallfreier Zuströmung mit cu1 = 0 lautet die Euler-Gleichung
ht C cu2
ht C = u2 cu2 bzw. 2 = , (4.2-70c)
u2 u2
was mit cot β2 = (cu2 – u2)/cm2 und der Lieferzahl ϕ = cm/u die Druckzahl ergibt
ht RC cu2 cm2
RC = 2 = =1+ cotβ2 = 1 + ϕ2 cotβ2 . (4.2-71)
u2 u2 u2
4.2 Turboverdichter 359
c2+
ω ω
Leistungs-Charakteristik bei Erhöhung des Durchsatzes mC
Annahme: Schaufelwinkel βS ≈β 2 = const cu1= 0
spez. Leistung ∆htC = u2 cu2
mC mC
cm2 w2 cu2 cm2 w2 cu2
cu2+< cu2 cu2+> cu2
Schaufelkrümmung
2
Ψ2 vorwärts
Wirkungsgrad ηC β2 < 90°
∆ h tC
u2 60°
radial
Leistungsziffer
90° β2 = 90°
1
120°
rückwärts
β2 > 90°
Wirkungsgrad ηC
c m2
0 Durchsatzziffer ϕ 2 =
u2
Mit einer vorausgesetzten optimalen Zuströmung von β1 ≈ 30° und der Abströmung mit
β2 etwa gleich dem Schaufel-Austrittswinkel ergeben sich die in Abb. 4.2-38 grundsätzli-
chen Tendenzen im Leistungsverhalten von Radialverdichtern.
Vorwärts gekrümmte Schaufeln mit β2 < 90° führen bei gleicher Umfangsgeschwin-
digkeit u und steigendem Durchsatz ṁ bzw. Lieferzahl ϕ zu einem Anstieg von cu2 und
360 4 Turbomaschinen-Komponenten
Radialverdichter (Impeller)
r n
Kräfte am Fluidelement
Stro s dZ1
rotierender Strömungskanal mlin wp
ie + dZ2
Relativsystem dp
u
r n p
R
s ds
dn
Strom
linie β u dC r
ω
dn
ds
r
R
ω Druckkräfte
r2
r1
Kräfte senkrecht zur Strömungsrichtung (s) Da der Fluidstrom gezwungen ist, inner-
halb des Schaufelkanals mit dem Laufrad zu rotieren, ergibt sich aus der Rotationsbewe-
gung des Impellers eine Zentrifugalkraft von der Größe
dZ1 = dm r ω2 . (4.2-72)
Mit dem Krümmungsradius R der Strombahn und der Relativgeschwindigkeit w wirkt
die Zentrifugalkraft
w2
dZ2 = dm . (4.2-73)
R
Durch die Bewegung des Fluidteilchens mit der Relativgeschwindigkeit w entlang einer
rotierenden Bahn tritt neben den beiden Zentrifugalkräften eine Führungskraft, die aus
der Mechanik bekannte Coriolis-Kraft auf
dC = dm (2 ω w). (4.2-74)
Die Resultierende der 3 Kräfte steht im Gleichgewicht mit der am Fluidelement wirken-
den Druckkraft normal zur Strömungsrichtung Richtung (n)
∂p
dFp n = dn ds db = −dZ1 cosβ + dZ2 − dC (4.2-75a)
∂n
362 4 Turbomaschinen-Komponenten
bzw. mit der Masse des Elements dm = ρ(dn ds db) lautet der Gradient des statischen
Drucks
w2
∂p 2
= ρ −r ω cosβ + − 2ωw . (4.2-75b)
∂n R
Kräfte in Strömungsrichtung (s) Von der Zentrifugalkraft dZ1 wirkt in Strömungsrich-
tung (s) die Komponente
dw
dm = dZ1 sinβ − dFps (4.2-78)
dt
Daraus ergibt sich mit dm = ρ (ds du db)
dw ∂p
ρ = ρ r ω2 sinβ − . (4.2-79)
dt ∂s
Mit dem Ansatz
dw ∂w ds ∂w
= = w (4.2-80)
dt ∂s dt ∂s
folgt daraus die Diffentialgleichung in Strömungsrichtung s
dw dr dp
ρ w = ρ r ω2 − . (4.2-81)
ds ds ds
dp
bzw. wdw = ω2 r dr − . (4.2-82)
ρ
Durch Integration ergibt sich daraus die Energiegleichung der rotierenden Relativströmung
w2 u2 p
− + = const mit u = r ω. (4.2-83)
2 2 ρ
Angenommen reibungsfreie Strömung, keine „Schubkräfte“ in der Strömung und kon-
stante gleiche Energie in einzelnen Stromfäden bzw. gleiche Energie in benachbarten
Stromfäden ergibt die Differentiation von Gl. (4.2-83) normal n zur Strömungsrichtung
dp dw du
+w −u =0 (4.2-84)
ρ dn dn dn
4.2 Turboverdichter 363
c u2th
Radialverdichter-Stufe
c u2 ∆c u
spez. Arbeit (reibungsfreie Strömung)
∆htC= u2 cu2 – u 1 cu1 c2 c 2th
∆w u β 2th u2
theoretisch bei z ==>∞ w 2th
∆h tCth = u 2 c u2th – u 1 c u1 β2
w2
β 2S
Minderleistung
∆wu ==> ∆cu
wm
Slip-Geschwindigkeit
ax
cSL = cu2th – c u2
wm
Slip-Faktor
u − c SL c 2ω
σ = 2 = 1 − SL
u2 u2 Kanal-Wirbel
h
Minderleistungsfaktor (reibungsfreie Strömung)
wC ∆h tC u 2c u 2 − u 1c u 1 ω
µ= = =
wCth ∆h tC th u 2 c u 2 th − u 1c u 1
dr
und mit u = rω und d n =
cosβ
dp dw
2
= ρ r ω cosβ − w . (4.2-85)
dn dn
dw w
= 2ω − . (4.2-86a)
dn R
Für vorwärts gekrümmte Schaufeln mit β2 < 90°
dw w
= 2ω + . (4.2-86b)
dn R
Durch diese Beziehungen wird die Verteilung der Relativgeschwindigkeiten im rotieren-
den Schaufelkanal nach Abb. 4.2-39 und 4.2-41 bestätigt.
dw
= 2 ω. (4.2-86c)
dn
Die resultierende Geschwindigkeitsverteilung w(n) normal zur Stromlinie s setzt sich aus
einer über die Kanalbreite konstanten Durchflussströmung mit der Geschwindigkeit w0
und einer mit 2ω kreisenden Bewegung zusammen.
Diese kreisende Bewegung ist dem Rotationssinn des Laufrades entgegengerich-
tet (Relativwirbel) und erzeugt am Ende des Schaufelkanals eine Komponente Δwu zur
Relativgeschwindigkeit w2 entgegen der Umfangsrichtung (Abb. 4.2-41). Die mittlere
lineare Geschwindigkeit der kreisenden Bewegung ergibt sich aus
h h
wm + 2 ω = wmax = wm + (2 ω) .
2 2
Wird entsprechend den Überlegungen von Stodola [Sto27K, Eck61K] angenommen,
dass der Mittelwert der Geschwindigkeitskomponente Δwu dieser mittleren Geschwin-
digkeit der kreisenden Bewegung entspricht, dann ist
h
wu ≈ ω .
2
Die Kanalbreite h lässt sich mit den Bezeichnungen in Abb. 4.2-41 ersetzen durch
2 π r2
h≈ sinβ2 .
z
Weiterhin ergibt sich aus den Geschwindigkeitsdreiecken
h
cu = cu2 − cu2+ ≈ wu = ω ,
2
Δcu ist dabei ein Maß für die Minderleistung als Folge des durch die endliche Schaufel-
zahl hervorgerufenen Relativwirbels. Hiermit wird
π r2 π
cu = sinβ2 ω = u2 sinβ2
z z
Das Verhältnis der spezifischen Arbeit bei endlicher Schaufelzahl Δht C (ohne Reibung)
zur spezifischen theoretischen Arbeit bei unendlicher Schaufelzahl Δht C th wird als Min-
derleistungsfaktor μ bezeichnet.
4.2 Turboverdichter 365
Abb. 4.2-42 Minderleistungsfaktor 1,0
Rückwärts gekrümmte Schaufeln
bei Nullförderung nach Eckert µ Schaufelwinkel
[Eck61K] β2S 160°
Minderungsfaktor
0,9
140°
0,8
cu1 = 0
120°
100° 90°
0,7
10 15 30 ∞
Schaufelzahl z
Experimenten können auch vereinfachte Ansätze z. B. für die Slipgeschwindigkeit cSL
oder den Slipfaktor σ ermittelt werden
u2 − cSL cSL
σ = =1− .
u2 u2
Mit dem Slipfaktor oder dem Minderleistungsfaktor sind zwei Kenngrößen gegeben, mit
denen die realen und die ideal theoretischen Strömungen praxisnah für die Vielzahl von
möglichen Auslegungen und Bauweisen der Radialverdichter analysiert und beurteilt
werden. Für Sonderfälle können Zusammenhänge zwischen den beiden Definitionen
σ = f(μ) hergestellt werden.
Neben der erstmals von Stodola angegebenen Defnition wurden weitere Minderleis-
tungsfaktoren bekannt. Zu nennen sind die Faktoren von Busemann, Eck, Pfleiderer und
vor allem von Stanitz und Wiesner [Eck61K, Gri09B, Cum89B].
4.2.6.1 Verdichter-Ähnlichkeitskennfeld
In den vorangegangenen Kapiteln und Abschnitten wurden Grundlagen zur Ausle-
gung von Verdichtern behandelt, wobei ein möglichst optimales Verhalten im Bereich
des Auslegungspunktes A bzw. DS (design point) im Mittelpunkt stand. Darüber hinaus
4.2 Turboverdichter 367
cu2th
cu2
Geschwindigkeitsdreiecke
u2 Geschwindigkeitsdreiecke
real mit c2 u2 w 2
theoretisch mit c2th u2 w2th
mit Grenzschichteffekt
w2 u2 c2 ohne Grenzschichteffekt
w2th
c2th
A geom
hgeo Strömungsablösung
A eff
heff
+ Grenzschicht
+ abgedrängt
+ von Druckseite
+ zur Saugseite
s +
+
+
+ n
+
+
+
+
muss ein Verdichter jedoch nicht nur im Auslegungspunkt arbeiten, sondern auch über
einen weiten Arbeitsbereich stationärer und instationärer Betriebszustände vom Leerlauf
bis zu Überlasten sicher laufen und stabil funktionieren [Eck61K, Gri09B].
Hierzu wird das Betriebsverhalten eines Verdichters mit Hilfe von Ähnlichkeitskenn-
feldern über den gesamten stabilen Betriebsbereich bei allen Drehzahlen und Drosselzu-
ständen beschrieben (Abb. 4.2-44). Obwohl die Berechnung von Verdichterkennfeldern
mit verschiedenen Rechenverfahren erfolgen kann, ist es notwendig, Vorausberechnun-
gen auf einem Verdichterprüfstand auch experimentell zu überprüfen.
Dabei wird für eine Reihe von konstanten Drehzahlparametern der Gegendruck am
Verdichteraustritt mit Hilfe einer verstellbaren Drossel variiert. Pro Drehzahlparame-
ter werden etwa 6 bis 8 Messpunkte aufgenommen. Dabei ist der Betrieb besonders im
368 4 Turbomaschinen-Komponenten
B1 Drosseln
C
Instabiler
Betrieb Bi
e)
p t3 A
nz
riß gre
p t2 Auslegungspunkt
ab p
B1
gs um A
un (P
m e
Druckverhältnis
r ö nz
St gre
B2
s
ät
ilit
ab
100%
St
n%
Sperrgrenze B2 Entdrosseln
Massendurchsatz m 2 [kg / s]
Abb. 4.2-44 Verdichterkennfeld allgemein mit ΠC = f(ṁ2, nrel, ηCis) sowie den Drosselstellungen
A, B1, B2 und instabil Bi bei Auslegungsdrehzahl nA = 100 %
Bereich der Stabilitätsgrenze sehr sorgfältig zu bestimmen. In Abb. 4.2-44 ist dazu das
Kennfeld eines typischen, einstufigen Transonic-Turboverdichters schematisch dargestellt.
Darüber hinaus sind in Abb. 4.2-44 vier Betriebszustände mit den entsprechenden
schematischen Darstellungen der Gitter-Profilanströmung für den Auslegungspunkt A,
die Drosselzustände B1 und B2 sowie den instabilen Betrieb Bi dargestellt.
In einem ersten Schritt kann der Massenstrom ṁ beziehungsweise der entsprechende
Volumendurchsatz V̇ als Abszissenmaßstab verwendet werden. Des weiteren kann das
Totaldruckverhältnis �C = pt3 /pt2 oder die spezifische Leistung ht C is als Ordinaten-
maßstab angesetzt werden. Als weitere Kennfeldparameter bieten sich die Drehzahl und
der durch Isolinien dargestellte Wirkungsgrad ηCis an. Beim Druckverhältnis handelt es
sich um Totaldrücke. Ebenso ist der Massenstrom am Verdichtereintritt in der Ebene 2
zu nehmen.
Im Bereich des Auslegungspunktes A werden die Verdichtergitter bei optimalem
Wirkungsgrad günstig, verlustarm angeströmt. Durch Schließen bzw. Drosseln des Ver-
dichteraustrittskanals bei konstanter Drehzahl (Punkt B1) steigt das Druckverhältnis an,
die Strömungsumlenkung im Gitter nimmt zu solange bis es zum Zusammenbruch der
Strömung nahe der Stabilitätsgrenze kommt.
Starkes Entdrosseln des Verdichters bei konstanter Drehzahl (Punkt B2) durch öffnen
des Verdichteraustrittskanal kann zum Abreißen der Strömung auf der Druckseite des Git-
ters führen bis die so genannte Schluck- oder Sperrgrenze erreicht wird. Bei Drehzahlen
4.2 Turboverdichter 369
Abb. 4.2-45 Verdichter- Auslegungspunkt A
Ähnlichkeitskennfeld in einer
C
Darstellung mit reduzierten
Größen ΠC = f(ṁ red., nred, pt 3
)
ηCis). Auslegungspunkt A pt 2 n ze
g re
im optimalen Vollastbereich u mp
(P
[GasTurb] ze 100%
en n
Druckverhältnis
gr ηCis,opt
äts Tt2
ilit
ab
St
Wirkungsgrad ηCis
m Tt 2 kg K
red. Durchsatz mred =
p t2 s kPa
größer oder kleiner als die Drehzahl nA reagiert der Verdichter ähnlich wie oben für die
Drehzahl nA beschrieben. Auf das Betriebsverhalten in den Stabilitätsgrenzbereichen und
außerhalb des stabilen Betriebes wird ausführlich in Abschn. 4.2.7 und 4.2.8 eingegangen.
Wird ein Verdichterkennfeld mit den genannten Größen wie in Bild 40a derart ein-
fach aufgetragen, dann ist dies nur für den aktuellen Umgebungs- bzw. Ansaugzustand
(p0 = pISA, T0 = TISA) gültig. Ändern sich die Ansaugbedingungen und damit auch der
Eintrittsdruck pt2 und die Eintrittstemperatur Tt2, dann wird wegen einer zum Beispiel
kleineren Fluiddichte ρ2 die axiale Zuströmgeschwindigkeit ansteigen, da die Kontinu-
itätsbedingung mit ṁ = A c ρ erfüllt werden muss. Hieraus folgt eine Änderung der
Anströmwinkel des ersten Gitters und daher auch eine Veränderung von Druckverhält-
nis ΠC und Wirkungsgrad ηCis. Gleiche Strömungswinkel werden erhalten, wenn die
Geschwindigkeitsdreiecke von zwei Betriebszuständen einander ähnlich sind.
Die meist schnell laufenden Turboverdichter arbeiten bei Strömungsgeschwindig-
keiten im kompressiblen, transsonischen Bereich eines Fluids bei dem zum Beispiel die
Strömungsverluste im Gitter stark vom Mach-Zahl-Niveau abhängig sind. Die Mach-
Zahl ist demnach die entscheidende Ähnlichkeitskenngröße für eine allgemein gültige
Darstellung von Verdichterkennfeldern. Wenn die Strömungsverhältnisse in einem Ver-
dichter bei unterschiedlichen Ansaugbedingungen wirklich gleich sein sollen, dann müs-
sen auch die z. B. mit den Mach-Zahlen gebildeten „Geschwindigkeitsdreiecke“ an sich
entsprechenden Stellen in der Verdichterströmung gleich sein. Mit Berücksichtigung
der Mach-Ähnlichkeit der Fluidmechanik ist es möglich, entsprechende dimensionslose
Kennfeldgrößen zu erstellen (Abb. 4.2-45).
An Stelle des Durchsatzes ṁ = A c ρ = A c p/(R T) wird hierzu als Abzisse im Ver-
dichterkennfeld mit der mittleren Axialgeschwindigkeit cax und der Durchströmfläche
Aax eine dem Durchsatz proportionale Machzahl Max eingeführt. Damit gilt
√
cax cax ṁ R T
Max = =√ = √ . (4.2-87)
a κRT Aax p κ
370 4 Turbomaschinen-Komponenten
Die statischen Größen T und p in dieser Beziehung können mit Hilfe der gasdynami-
schen Zusammenhänge näherungsweise durch Totalzustandsgrößen ersetzt werden
κ
Tt κ−1 2 pt κ−1 2 (κ−1)
= 1+ Max und = 1+ Max .
T 2 p 2
und daraus als Funktion der Machzahl Max und κ der sogenannte reduzierten Durchsatz
√
ṁ Tt κ 1
ṁred = = Max κ+1 = f(Max ,κ) (4.2-89a)
Aax pt R 1 + κ−1 2
2(κ−1)
2 Max
Mit ähnlichen Betriebsbedingungen „a“ oder „b“ zum Beispiel auf dem Verdichter-
Prüfstand an verschiedenen Versuchstagen gilt gemäß dem Mach-Ähnlichkeitsgesetz
Max, a = Max, b
und bei gleicher Verdichtergeometrie mit den Flächen Aa = Ab
ṁ Tt, a ṁ Tt, b
ṁred, a = = ṁred, b = .
pt, a pt, b
Diese als reduzierter Durchsatz bezeichnete Größe wird sinngemäß für den Verdichter-
eintritt (Ebene 2) als Kennfeld-Abzisse verwendet
√
ṁ2 Tt 2
ṁred 2 = .
pt 2
An Stelle von ṁred 2 kann
√ auch mit den bezogenen Größen � = Tt /TISA und δ = pt /pISA
die Beziehung zu ṁ �/δ erweitert werden, sodass für den reduzierten Durchsatz zum
Beispiel am Verdichtereintritt der sogenannte korrigierte Durchsatz folgt
Tt 2
√
2 288,15
ṁcorr 2 = ṁ2 = ṁ2 pt 2 . (4.2-89b)
δ2
101,325
Diese Darstellung hat den Vorteil, dass für den so korrigierten reduzierten Durchsatz der
korrigierte Durchsatz ṁcorr die Dimension kg/s erhalten werden kann.
Um auch für den ursprünglichen Kennfeldparameter Drehzahl n eine bei verschiede-
nen Umgebungsbedingungen „a“ oder „b“ gültige Ähnlichkeitskenngröße zu definieren
4.2 Turboverdichter 371
wird die reduzierten Drehzahl nred eingeführt. Für ähnliche Betriebsfälle „a“ und „b“
muss neben der axialen Machzahl Max auch die mit der Umfangsgeschwindigkeit u (Pro-
dukt aus Radius r und Winkelgeschwindigkeit ω) gebildeten Machzahlen Mu, a = Mu, b
gleich sein. Die Machzahl Mu ist definiert als
u rω πrn
Mu = √ =√ = √ √ . (4.2-90)
κRT κRT 30 κ R T
Auch hier kann die statische Temperatur T durch die Totaltemperatur
κ−1 2
Tt = T 1 + M
2
ersetzt werden, sodass mit der Umfangsgeschwindigkeit u = r ω gilt
rω κ−1 2 n πr κ−1 2
Mu = √ 1+ Mu = √ √ 1+ Mu . (4.2-91)
κ R Tt 2 Tt 30 κ R 2
n n
Mit der Bedingung Mu, a = Mu, b ergibt sich √ a = √ b .
Tt a Tt b
Dieser Mach-ähnlichkeitsgerechte Zusammenhang wird in der Strömungsmaschinen-
praxis meist in der Form der reduzierten Drehzahl
n n
nred = √ und für den Verdichtereintritt nred 2 = √
Tt Tt 2
n n
ncorr = √ und für den Verdichtereintritt ncorr 2 = √
2
sinngemäß verwendet.
Zusammengefasst kann festgestellt werden, dass die Drehzahl n eigentlich eine mit
einer Konstanten multiplizierte Umfangsgeschwindigkeit (u = D π n/60) darstellt. Diese
√ √
muss, um einer Machzahl zu entsprechen, gleichfalls durch Tt bzw. Tt 2 dividiert
√
werden, sodass sich auch so die reduzierte Drehzahl nred = n/ Tt 2 ergibt.
Oft wird im Verdichterkennfeld nred auf den Auslegungspunkt A bzw. DS (design
point) bezogen. Damit lautet die relative reduzierte Drehzahl
n n
nred rel = √ √ . (4.2-92)
Tt 2 Tt 2 A
An Stelle des Verdichterdruckverhältnisses ΠC kann zur Kennfelddarstellung für den
Ordinatenmaßstab auch die reduzierte bzw. korrigierte spezifische Verdichterarbeit ein-
gesetzt werden. Gemäß der Euler’schen Turbomaschinen-Gleichung Gl. (4.2-5) folgt für
die spezifische Energie einer Verdichterstufe
ht C,St = u2 cu2 − u1 cu1 . (4.2-93)
372 4 Turbomaschinen-Komponenten
Die Geschwindigkeiten
√ in dieser Formel können durch Machzahl-Beziehungen ent-
sprechend M = c/ κ R T dargestellt werden, indem diese Beziehung sinngemäß durch
κ R T. dividiert wird. Nach der Umformung mit der Totaltemperatur wird die korrigierte
spezifische Energie der Verdichterstufe �ht C St /Tt 2 erhalten. Für den Stufenverband mit
Eintrittsebene 2 folgt somit
�ht C /�2 mit �2 = Tt 2 /T288,15 K .
Mit der so korrigierten spezifischen Energie kann für den Verdichter das Totaldruckver-
hältnis ΠC nach folgender Beziehung ausgerechnet werden
κ
pt3 ht C ηCis κ−1
= +1 . (4.2-94)
pt2 Tt 1 cp
Somit ergibt sich bei gleichen Mach-Zahlen auch ein gleiches Druckverhältnis.
Bei großen spezifischen Verdichterleistungen oder erhöhten Fluggeschwindigkeiten
mit Verdichter-Austrittstemperaturen Tt3 > 500 C ist auch die Temperaturabhängigheit
des Isentropenexponenten κ nicht mehr zu vernachlässigen.
Die allgemein übliche Darstellung eines Verdichterkennfeldes ist in Abb. 4.2-45 gezeigt.
Wie aus den oben angeführten Beziehungen folgt, gilt ein solches Verdichterkennfeld nur
für einen bestimmten Isentropenexponenten κ und eine feste Gaskonstante R.
Zusammenfassend wird bei dimensionsloser und exakter Darstellung für die redu-
zierte spezifische Verdichterleistung erhalten
htC is V̇t 2 n
= f1 √ ;√ ; Re (4.2-95a)
κ R Tt2 A2 κ R Tt 2 κ R Tt 2
oder bei Verwendung des Druckverhältnisses
pt3 V̇t 2 n
C = = f2 √ ;√ ; Re (4.2-95b)
pt2 A2 κ R Tt 2 κ R Tt 2
und für den isentropen Verdichterwirkungsgrad
V̇t 2 n
ηC is = f3 √ ;√ ; Re . (4.2-95c)
A2 κ R Tt 2 κ R Tt 2
Für eine vereinfachte Mach-ähnliche Kennfelddarstellung sowie mit vernachlässigter
Reynoldszahl-Abhängigkeit und konstante örtliche κ-Werten wird, wie meist in der Pra-
xis üblich, mit ṁred und nred angegeben
√
pt3 V̇t 2 n p ṁ2 Tt 2 n
= f2 √ ;√ bzw. t3 = f2 ;√ (4.2-95d)
pt2 Tt 2 Tt 2 pt2 pt 2 Tt 2
und √
V̇t 2 n ṁ2 Tt 2 n
ηC is = f3 √ , √ bzw. ηC is = f3 , √ (4.2-95e)
Tt 2 Tt 2 pt 2 Tt 2
4.2 Turboverdichter 373
Abb. 4.2-46 Verdichterkennlinie Ψ
in ψ-ϕ -Darstellung [Eck61K, ηC is
Mün72K, Gri09B] Ψ is
Ψ is
ηC is
ϕ 2 AP ϕ2 ϕ2 AP ϕ2
κ−1
�ht C is 2 cp Tt 2 pt3 κ
�h T is = 2
= 2 −1 (4.2-96)
u /2 u /2 pt2
rel. Leistungsziffer
rel. Wirkungsrad
1 1
rel. Lieferzahl ϕ/ϕ A rel. Lieferzahl ϕ / ϕA
Unterschied bis zum Maximum der Leistungsziffer ψhtis wird Leistungs- oder Druck-
reserve und der entsprechende Bereich im Abzissenmaßstab Δϕ Durchsatzreserve
genannt. Der Betrieb einer Verdichterstufe links von Ψhtis,max birgt das Risiko von Ablö-
sungen bis hin zum kompletten Abreißen der Strömung. Bei mehrstufigen Verdichtern
ist dies für die Frontstufen (Außenschnitt) im Teillastbereich jedoch unvermeidlich.
Der Kennlinienverlauf für Fuß- und Außenschnitt der Schaufel ist verschieden, da
die Geometrie der Geschwindigkeitsdreiecke, wie aus den Drallgesetzen bekannt ist, sich
von Schaufelschnitt zu Schaufelschnitt ändert. Der Fußschnitt besitzt wegen der dort
kleineren Umfangsgeschwindigkeit eine kleinere Druckreserve und hat einen flacheren
Verlauf als der Mittel- und Kopfschnitt (Abb. 4.2-48 und 4.2-49).
Mit steigender Androsselung der Stufe wird der Kopfschnitt relativ zum Fußschnitt
einen Leistungs- bzw. Druckanstieg aufweisen. Hieraus ergibt sich eine relative Erhöhung
der Geschwindigkeit am Schaufelkopf gegenüber der am Fuß. Mit konstanter Geschwindig-
keitsverteilung im Auslegungspunkt (cax = const ≠ f(r)) stellt sich bei einer Drosselung bzw.
Entdrosselung der Stufe eine Stromlinienversetzung ein (Abb. 4.2-32). Durch eine stärkere
Drosselung ist der Axialverdichter am Innenschnitt besonders gefährdet, da die Druck-
reserve dort kleiner ist. Am Innenschnitt kann es zu Strömungsablösungen und damit zu
einem Wirkungsgradabfall kommen, sowie zu Rückströmungen bzw. zum Strömungsabriss
mit instabilen Strömungsvorgängen bzw. zum Pumpen (Abschn. 4.2.6.3 und 4.2.7).
Die Drehzahlunabhängigkeit von � = f(ϕ) ist jedoch nicht mehr gegeben, wenn
der Kompressibilitätseinfluss nicht mehr vernachlässigbar ist. Werden die Kompres-
sibilitätseinflüsse bei einem Verdichter gegebener Geometrie berücksichtigt, so ergibt
sich am Austritt des Laufrades auf Grundlage der Kontinuitätsgleichung wegen ρ3 > ρ2
die Geschwindigkeit cax3 kompr < cax3 inkompr. Dies führt bei üblicher Beschaufelung
(Abb. 4.2-5 und 4.2-6) zu einer größeren Arbeitsleistung.
Werden die Stufenbelastung oder das Geschwindigkeitsniveau erhöht, so kann
das zur Vergrößerung der Verlustbeiwerte und damit zu einem Wirkungsgrad- und
4.2 Turboverdichter 375
1 2 3
ψ htis Kopf
dr
os
Mittel
se
ln
Leistungsziffer Fuß
en
td
osr
se
ln
Fuß
Mittel
Kopf
Lieferzahl ϕ 2
Abb. 4.2-48 Kennlinien einer Verdichterstufe für den Kopfschnitt, Mittelschnitt und Fußschnitt
[Mün72K]
ra
ri
ϕ < ϕA ϕA ϕ > ϕA
drosseln entdrosseln
0 1 2 3
1 2 3 C 1 2 3
mC
mCc
PcC = mcC ∆tC
h tC
Abb. 4.2-50 Mehrstufiger Axialverdichter mit Anströmung der Gitter bei verschiedenen Dreh-
zahlen und Lastzuständen, hier Volllast- und Teillastdrehzahl (gestrichelt) in schematischer
Gegenüberstellung [Gri09B, GasTurb]
werden, dass bei gut abgestimmten Verdichterstufen für den Bereich des Auslegungspunk-
tes A meist ein möglichst optimales Verhalten aller Stufen verwirklicht wurde.
Bei Auslegungsbedingungen sollten also alle Rotor- und Stator-Gitter verlust-
arm angeströmt werden. Bei Drehzahlen und Drosselzuständen außerhalb des Ausle-
gungspunktes verändern sich z. B. die Geschwindigkeitsdreiecke und die thermischen
Zustandsgrößen wie Druck, Dichte und Temperatur gegebenenfalls erheblich. Dies führt
konsequenter Weise bei gleich bleibender Geometrie des Verdichters zu Abweichungen
der Betriebszustände. Als Beispiel dazu wird nachstehend das Verhalten eines mehrstufi-
gen Axialverdichters betrachtet (Abb. 4.2-50).
Bei niedriger Drehzahl wird der Verdichter ein deutlich kleineres Druckverhältnis
liefern als bei Volllast. Dementsprechend erhöht sich auch die Dichte des Fluids von
der ersten bis zur letzten Stufe wesentlich weniger als bei höheren Drehzahlen. Die Ein-
schnürung des Strömungskanals von der ersten bis zur letzten Stufe, die bei Auslegungs-
bedingungen zu günstiger axialer Strömungsgeschwindigkeit führt, passt also nicht mehr
4.2 Turboverdichter 377
zur Dichteänderung. Im Bereich der letzten Stufe mit einem nun tendenziell zu kleinen
Ringraum wird konsequenterweise die mittlere Axialgeschwindigkeit größer sein als in
der ersten Stufe.
Bei Teillast wird der Anströmwinkel i zum ersten Rotor-Gitter (gestrichelte Linien
in Abb. 4.2-50) positiv werden, das letzte Rotor-Gitter wird dagegen mit einem nega-
tiven Anströmwinkel i arbeiten müssen. Wird die Drehzahl konstant gehalten und mit
Hilfe einer verstellbaren Drossel der Durchsatz und damit die Axialgeschwindigkeit
verringert, dann vergrößert sich ebenfalls der Anströmwinkel der Gitter. Sobald vom
optimalen Anströmwinkel eines Gitters abgewichen wird, steigen die Strömungsver-
luste an. Diese sind außerdem erheblich von der Machzahl M1 abhängig. Bei zu großem
Anströmwinkel reißt die Strömung ab.
Im niedrigen Teillastgebiet kann der gesamte Verdichter bei abgelöster Strömung in
einzelnen Gittern insgesamt immer noch stabil arbeiten, bis bei intensiver Verschlech-
terung der Betriebsbedingungen die gesamte Strömung zusammenbricht und der
Verdichter die Stabilitätsgrenze überschreitet. Für eine kurze Zeit kann sich die Strö-
mungsrichtung umkehren, der Gegendruck geht zurück, es entstehen wieder günstige
Strömungsverhältnisse und die Strömung kann vorübergehend wieder zum Anliegen
kommen. Ist inzwischen der Drosselzustand nicht geändert worden, dann reißt die Strö-
mung erneut ab. Dieser zyklische Vorgang wird als „Pumpen“ des Verdichters bezeich-
net, wobei es zu erheblichen mechanischen Belastungen kommt. Pumpvorgänge sollten
auf jeden Fall vermieden werden. Zum Stabilitätsverhalten von Turboverdichtern wer-
den in Abschn. 4.2.7 weitere Erläuterungen gegeben.
Das Gesamtkennfeld eines Axialverdichters kann vereinfacht als Superposition von
mehreren Stufenkennlinien angesehen werden, wobei hier vereinfacht nur die reprä-
sentativen Werte des Mittelschnittes beachtet werden sollen. Derartige Berechnungen
wie besonders die numerischen Kennfeldrechenverfahren (Stufenaufbauverfahren oder
Stage Stacking Methods) sollten allerdings mit großer Genauigkeit durchgeführt wer-
den, da die gefundenen Austrittsbedingungen der einen Stufe die Eintrittsbedingungen
der darauf folgenden Stufe darstellen. Eine einmal vorkommende Rechenungenauigkeit
bei der Druck- oder Durchsatzbestimmung der einen Stufe wird sich in der darauf fol-
genden Stufe nicht kompensieren, sondern von Stufe zu Stufe vergrößern. Die numeri-
sche Berechnung von Verdichterkennfelder kann auf der Basis von Mittelschnitt- und
Mehrschnitt-Rechenverfahren (Stromlinien-Krümmungsverfahren) vorgenommen wer-
den sowie mit Hilfe der EDV-Technik verstärkt punktuell durch CFD-Rechenverfahren
wie Euler- und NS-Verfahren (Abschn. 4.2.9), die wesentlich genauere Ergebnisse liefern
[Cum89B, Gri09B].
Das Gesamtkennfeld eines mehrstufigen Verdichters nach Abb. 4.2-50 (Index Ein-
tritt (2), Austritt (3)) wird für jede Drehzahl n stufenweise berechnet. Die Diagramm-
darstellung zum Beispiel in Abschn. 4.2.6.1, Abb. 4.2-46, erfolgt mit der Ordinatengröße
√
ΔhtCis/Tt2 oder üblicherweise pt3/pt2, der Abszissengröße ṁ = ṁ2 Tt 2 /pt 2 und der
√
reduzierten Drehzahl nred = n/ Tt 2 .
378 4 Turbomaschinen-Komponenten
n>n AP
n=n AP
n<n AP n <nAP
n =nAP
R S R S R S n >nAP
Endstufe E
Mittelstufe M
Anfangsstufe A
Ψ is AP n 11 0 %
n 10 0 %
n 90 %
n 80 %
ϕA ϕM ϕE
Abb. 4.2-52 Betriebszustände
im mehrstufigen
Verdichterkennfeld mit
Abreißpunkten der Einzelstufen
am Anfang A, in der Mitte M
und am Ende E des Verdichters.
Darstellung nach [Eck61K] AP
AP
Gesamtdruckverhältnis rel.
ηVis,opt
konstante Drosselfläche hinter dem Verdichter vorausgesetzt, ergibt sich von der Ausle-
gungsdrehzahl aus gerechnet bei einer Drehzahlabnahme eine Entdrosselung der letzten
Stufen und eine Belastungssteigerung der Kopfstufen. Das Druckverhältnis, das in einem
mehrstufigen Einwellen-Axialverdichter ohne variable Geometrie erreicht werden kann,
ist dadurch begrenzt. Dazu ergänzend zu den gegebenen Hinweisen nach Abb. 4.2-51
wird in Abb. 4.2-52 (ursprünglich aus [Eck61K]) ein idealisiertes aber realistisches Bei-
spiel eines typischen, mehrstufigen Axialverdichters ausgelegt mit gleichen Charakteris-
tiken der Einzelstufen in vereinfachter Form dargestellt.
Dabei sind die Verbindungslinien der Abreißpunkte der Einzelstufen am Verdichter-
Anfang A, in der Mitte M und am Ende E des Verdichters sowie die resultierende Stabili-
tätsgrenze des gesamten Verdichters hervorgehoben gekennzeichnet.
Um ein besseres Betriebsverhalten bei Teillast zu erreichen, werden daher Maßnah-
men zur Erweiterung des stabilen Betriebsbereiches wie Schaufelverstellung und/oder
Luftabblasung bei mehrstufigen Verdichtern eingesetzt (Abschn. 4.2.6.4).
Schaufelverstellung Werden bei einem mehrstufigen Verdichter zum Beispiel die vor-
deren Stufen, die Kopfstufen, zu stark belastet (Abb. 4.2-52), so kann zur Entdrosse-
lung eine flachere Einstellung (Schließen) für die Schaufelgitter gewählt werden. Aus
konstruktiven Gründen werden vornehmlich nur die Stator-Schaufeln (Leiträder) der
380 4 Turbomaschinen-Komponenten
Abb. 4.2-53 Schaufelverstellung (a)
beim Verdichter. a Schließen des
Schließen
Stator-Gitters (Leitrad),
Stator
b Schließen des Rotor-Gitters w1 w2 c1
[Mün72K]. Winkel nach β1 β1´ α1´ α 1´
Abb. 1.4-2, Darstellung III α1
Rotor u1
u α1´
∆(∆w u)
(b)
Stator w1 w2 c1
Schließen β2´ β2 α1
Rotor u1
u
β2 ∆(∆w u)
β2´
vorderen Stufen verstellt. Im Bereich der mittleren Stufen ist eine Verstellung kaum
erforderlich. Das Schließen des Vorleitrades oder der Rotor-Schaufeln (Laufrad) führt
vereinfacht gesehen zu den gleichen qualitativen Ergebnissen (Abb. 4.2-53).
In Wirklichkeit wirkt sich das Verstellen eines Gitters sowohl auf den Strömungszu-
stand im davorliegenden, als auch auf den des nachfolgenden Gitters aus.
Wird das Leitrad bei konstanter Umfangsgeschwindigkeit (u1 = const.) geschlossen
(α1′ < α1), so verschiebt sich unter der Annahme gleichen Durchsatzes (cax = const) im dar-
auf folgenden Laufrad der Anströmwinkel in Richtung geringerer Belastung β1′ > β1. Bei
annähernd gleichen Abströmbedingungen des Rotors (β2 = const) wird die Umlenkung um
�(�wu ) kleiner. Wird ein Rotor-Gitter geschlossen β1′ < β1, dann wird bei annähernd glei-
chen Zuströmbedingungen (α1 bzw. β1 ) die Umlenkung gleichfalls um �(�wu ) kleiner.
Wird in diesem Falle ein aus Stator und Rotor bestehender einstufiger Verdichter betrach-
tet, dann wird sich die Kennlinie nach links verschieben. Dies wird bei gleicher Drosselung
zu einem Leistungs- und Durchsatzrückgang führen (Punkt A geht über in A′, Abb. 4.2-54).
Dabei ergibt sich ϕ′ < ϕ und somit cax ′ < c . Nach Abb. 4.2-54 kompensiert die Ver-
ax
ringerung der Axialgeschwindigkeit die Tendenz zum Leistungsabfall in gewissem Maße,
am qualitativen Ergebnis ändert sich jedoch nichts.
Bei mehrstufigen Verdichtern muss davon ausgegangen werden, dass das Verstellen
eines Gitters die örtliche Axialgeschwindigkeit und damit den Durchsatz kaum beein-
flussen wird. Es kann vielmehr dazu kommen, dass die Verschiebung der Kennlinie die
betreffende Stufe in den normalen Arbeitsbereich zurückbringt, wenn sie vorher zum
Beispiel bei zu starker Drosselung oder am linken Ast der Kennlinie gearbeitet hat (Fall
n = 80 % in Abb. 4.2-50, 4.2-51, 4.2-52). Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass
bezüglich der Lage des Arbeitspunktes auf der Drehzahllinie das Zudrehen des Schaufel-
gitters zum gleichen qualitativen Ergebnis führt, wie es sich bei einer Kanalverengung im
Bereich der ersten Stufen ergeben hätte. In diesem praktisch kaum durchführbaren Falle
wäre der Betriebspunkt auf der festgehaltenen Kennlinie von links nach rechts gerückt
4.2 Turboverdichter 381
Ψ is Normalstellung
A
A‘
Rotor, Stator
oder beide Gitter
gegenüber der
Normalstellung
zugedreht
Abb. 4.2-54 Einfluss der Schaufelverstellung auf die Kennlinie eines einstufigen Verdichters
[Mün72K]
A M E
Stufen
Volllastbetrieb n = 100%
2
Ψis 2
1
A 3 <A 3AP
2 1
1 AP AP A 3 =A 3AP
AP
A 3 >A 3AP
ϕA ϕM ϕE
Anfangsstufe A Mittelstufe M Endstufe E
(Teillast), wird nun exemplarisch dargestellt, wie die Betriebspunkte der einzelnen Stu-
fen eines mehrstufigen Verdichters bei einer Änderung der Androsselung verschoben
werden (Abb. 4.2-55).
382 4 Turbomaschinen-Komponenten
1 2
ψ is
1 2
2 A 3 <A 3 AP
AP AP 1
A 3 =A 3 AP
ϕA ϕM ϕE
Anfangsstufe A Mittelstufe M Endstufe E
Bei einer Kennfeldrechnung wird normalerweise mit der Änderung des Drossel-
zustandes der ersten Stufe begonnen. Dies führt in den folgenden Stufen zu einer sich
steigernden Drosselung oder Entdrosselung. Das so erzielte Ergebnis für den gesamten
Verdichter muss in diesem Falle dem Drosselzustand durch Anpassen des Betriebspunk-
tes der ersten Stufe iterativ angepasst werden. Die Änderung des Drosselzustandes im
Betrieb erfasst dagegen zu Beginn des instationären Vorganges zunächst die Endstufe.
Der Druck wird bei Auslegungsdrehzahl (Abb. 4.2-55 oben) und Erhöhung des Dros-
selgrades in allen Stufen ansteigen. Dabei werden für die hinteren Stufen des Verdichters
größere Änderungen in der Druckzahl beobachtet als für die vorderen Stufen. Die
letzten Stufen werden somit bei einem richtig ausgelegten Verdichter zuerst im abge-
rissenen Gebiet arbeiten bzw. den Pumpvorgang einleiten. Allgemein haben jedoch bei
normal belasteten Verdichtern die Kopfstufen mit ihren kleineren Nabenverhältnissen,
geringeren Schaufelzahlen und geringeren spezifischen Leistungen flacheren Kennlinien
und die letzten Stufen mit kurzen Schaufeln steilere Kennlinien. Je steiler eine Kennlinie
ist, desto mehr besteht die Gefahr eines Strömungsabrisses längs der gesamten Schau-
fel, der den Pumpvorgang einleiten kann. Bei Verdichter von Flugtriebwerken allerdings
haben auch die Frontstufen ein besonders hohes Mach-Zahl-Niveau und große spezifi-
sche Leistungen und dem entsprechende Stufenkennlinien.
Anders sind die Verhältnisse bei Teillast. Hier muss zunächst davon ausgegangen
werden, dass bei A3 = A3AP die Drosselgrade von Erst-, Mittel- und Endstufe verschie-
den groß sind (Abb. 4.2-56).
Der Effekt stärkerer Drosselung wird sich wiederum bei den Endstufen am meisten
auswirken. Welche Stufe zuerst in das abgerissene Gebiet hineinkommt, hängt jedoch
sehr von der gewählten Teildrehzahl ab.
4.2 Turboverdichter 383
Abb. 4.2-57 Betriebsverhalten
eines Verdichters in C
(b) (a)
Abhängigkeit vom
pt3/pt2
nachgeschalteten Empfänger B
bzw. dessen Volumen ∆h tC
A` A
Gesamtdruckverhältnis
(Empfänger-Kennlinien.
a im stabilen Bereich und
Enthalpiedifferenz
A``
b im Stabilitäts-Grenzbereich)
[Mün72K]
Störungsrichtung
(relativ zum bewegten Gitter)
w1
+i
u
C B A
Abb. 4.2-59 Spaltverläufe 2,5
tendenziell von Komponenten s/h [%]
im Prüfstandsversuch
gegenüber dem Betrieb im Komponenten-Versuch
2,0
rel. Spalt
eingebauten Triebwerk [Fio93]
eingebaut im Triebwerk
1,5
0,5
0,5
50 60 70 80 90 100
Leerlauf
Drehzahl n [%] Vollast
Aus- und Einblasung von Sekundärluft. Die auf der Mach-Zahl basierenden Ähnlich-
keitskennfelder (Abschn. 4.2.6.1) gelten nur für eine vorgegebene bzw. festgelegte Geome-
trie. Ändern sich zum Beispiel die relativen Fluidströme wie die des Kühlluftsystems an
den Luftentnahme- und Luftzufuhrstellen einer Turbokomponenten über den gesamten
Betriebsbereich oder werden bei der Kennfelderstellung verschiedene Massenströme an
Ab- und Einblasestellen berücksichtigt (bleed air), so ist dieses mit dem Verhalten bei einer
Geometrieänderung vergleichbar. Damit ist eine präzise Erfassung des Betriebsverhaltens
anhand eines Ähnlichkeitskennfeldes nicht mehr möglich [Wal98B, Gri04B, Gri09B].
4.2 Turboverdichter 387
0,6
0,4 100 %
n R Tt ein
0,2 95 % Drehzahl red.rel.
90 % (n R Tt ein )Ref
80 %
0
0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1
maus R Tt,ein maus R Tt,ein
Durchsatz red. rel
p t, ein p t, ein
Ref
Abb. 4.2-60 Einfluss der Abblasung (Bleed-Luft) nach Stufe 5 und Stufe 8 am Beispiel des Kenn-
feldes eines mehrstufigen Verdichters nach Salchow [Sal01]
Die Ab- oder Einblasemenge ist als ein weiterer Kennfeldparameter zu berücksichti-
gen, was zum Beispiel bei Leistungssyntheserechnungen wie zum Beispiel bei Verstell-
Verdichtern die Verwendung mehrer Kennfelder nötig macht (Kap. 7 und 8). In [Sal01]
wird beispielhaft der Einfluss verschiedener Bleed-Luftmengen in zwei Stufen auf die
Leistungscharakteristik eines Hochdruckverdichters untersucht (Abb. 4.2-60). Aus
Gründen der Darstellung wird der Austrittsmassenstrom zur Berechnung des Massen-
stromparameters verwendet. Es wird deutlich, dass die Abblasung bei konstantem Dreh-
zahlparameter einen Rückgang des Massenstromparameters und eine Aufweitung des
stabilen Betriebsbereiches des Verdichters bewirkt.
Die Größe der Geschwindigkeit c, der Dichte ρ, der dynamischen bzw. kinemati-
schen Zähigkeit μ bzw. ν sowie die Wahl der charakteristischen Länge L hängt von der
Bezugsebene und der Art der betrachteten physikalischen Vorgänge ab. Die Reynolds-
Zahl charakterisiert den Zustand der Grenzschicht, die sich bei der Umströmung eines
Körpers bildet und ist ein Kriterium für den Umschlag von laminarer zu turbulenter
Strömung. Die Mach-Ähnlichkeitskennfelder der Turbokomponenten werden bei kons-
tanten Zu- oder Abströmbedingungen aufgenommen. Änderungen des Strömungsbildes
388 4 Turbomaschinen-Komponenten
25
Bereich mit turbulenter Bereich
H0 [km] laminarer Ablösung Höhengrenze hydrodyn. glatt
Temperaturgrenze
20 0,1
Flughöhe
ze
ren
0,2
sg
15
eb
0,4
ftri
Au 0,6
10
0,8 turbulenter Bereich
hydrodyn. rauh
ze
1,0
en
=
ref
/Re
gr
5
ts
Re
ei
1,2
k
ig
st
0 Fe
0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5
Flugmachzahl M 0
innerhalb der Komponente, beeinflusst durch die Re-Zahl aufgrund veränderter Umge-
bungsbedingungen im Flugbetrieb, sind in den Komponenten-Kennfeldern normaler-
weise nicht abgebildet.
Abbildung 4.2-61 gibt nach Schäffler [Sch79a] einen Überblick über den relativen Re-
Verlauf beziehungsweise Re-Index RNI (Reynolds number index) eines typischen, mehr-
stufigen Hochdruckverdichters [Gri09B, Wal99] mit
RNI = (Re/ReRef ). (4.2-98b)
dargestellt in der Flugenveloppe mit der Flughöhe H0 über der Flug-Mach-Zahl M0 und
der relativen Verdichter-Re-Zahl als Parameter.
Die Bezugsgröße für RNI ist die Referenz-Re-Zahl ReRef im Standfall in Bodennähe
also ReRef = 1,1·106 bei H0 = 0 km, M0 = 0.
Bei dem Gitter des Verdichter-Rotors zu Abb. 4.2-62 wurde die Reynolds-Zahl defi-
niert für den Mittelschnitt
Re = (L w1 )/ν. (4.2-98c)
mit der Sehnenlänge L, der relativen Gitter-Anströmgeschwindigkeit w1 und der kine-
matischen Zähigkeit ν.
4.2 Turboverdichter 389
L ·w 1
Re =
w1
• Bei großer Flughöhe und kleinen Re-Zahlen liegt der Bereich möglicher laminarer
Strömungs-Ablösungen besonders in den Verdichter-Frontstufen,
• im mittleren Re-Zahl-Bereich liegt vornehmlich turbulente, hydrodynamisch glatte
Strömung vor und
• bei kleinen Flughöhen mit höheren Re-Zahlen wird besonders bei den mittleren und
Endstufen von Verdichtungssystemen mit höherem Druckverhältnis turbulente, hyd-
rodynamisch rauhe Strömung vorgefunden.
Die Auswirkungen der Re-Zahl-Effekte auf das Strömungs- oder mehr noch das Grenz-
schichtverhalten eines Verdichtergitters wird prinzipiell in der Darstellung nach
[Sch79a] in Abb. 4.2-63 angesprochen. Unterhalb einer kritischen Re-Zahl befindet sich
der Bereich laminarer Ablösung.
Bei größeren Re-Zahlen liegt die turbulente, hydrodynamisch glatte Strömung am
Profil an. Ab einer bestimmten Rauhigkeitsgrenze herrscht schließlich turbulente, hydro-
dynamisch rauhe Strömung vor.
Hohe Verluste und reduzierte Umlenkung der Strömung mit entsprechend mäßigen
Wirkungsgraden sowie einer Beeinträchtigung der Pumpgrenze kennzeichnen das Leis-
tungsverhalten der Verdichter bei kleinem Re-Zahl-Niveau. Mit steigenden Re-Zahlen
verbessern sich die Strömungsverhältnisse und damit die Wirkungsgrade, die ab einer
bestimmten Rauhigkeitsgrenze näherungsweise konstant bleiben.
Die Korrekturfaktoren für die Massendurchsatz- und die Wirkungsgrad-änderung
werden zweckmäßigerweise experimentell zum Beispiel in einem Höhenprüfstand
bestimmt. Das Druckverhältnis wird bei geänderter Reynolds-Zahl aus der unveränder-
ten spezifischen Energie und dem korrigierten Wirkungsgrad ηC berechnet.
Für einen typischen 3-stufigen Mitteldruck-Verdichter IPC zeigt nach Schäffler
[Sch79a] Abb. 4.2-64 den Einfluss verschiedener Re-Zahl-Bereiche von 1.4 bis 7,6·105 auf
das gemessene Kennfeld- und damit auf das Betriebsverhalten von Leerlauf bis Volllast.
Die vorstehenden Hinweise für Turbomaschinen zusammengefasst, kann festge-
halten werden, dass bei allen Strömungsvorgängen, bei denen die Zähigkeit des Fluids
390 4 Turbomaschinen-Komponenten
laminare Rauhigkeitsgrenze
Ablösegrenze
ηCpol
laminare
Unterschicht
Wirkungsgrad-
änderung 0
∆ηC is
-5
-10
1,25
−1 hydrodynamisch glatt
Ref − 1 über den getesteten Re-Bereich
A
1,00
red. rel. Druckverhältnis
0,75
n
= 100%
90% Tt
ze
0,50 ren
tsg
bilitä Re100%= 7,6·105
Sta 80% 2,6·105
60% 1,4·105
0,25
0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0
m Tt p t
red. rel. Durchsatz
(
m Tt p t Ref)
Abb. 4.2-64 Kennfeld eines 3-stufigen Mitteldruckverdichters mit den Auswirkungen verschiede-
ner Re-Zahlen auf das Leistungsverhalten nach Schäffler [Sch79a]. Drehzahlen von Leerlauf 60, 80,
90 bis Vollast 100 %
maßgeblichen Einfluss auf die Ausbildung des Strömungsbildes hat, die Verlustbeiwerte
und damit die Wirkungsgrade und auch das Stabilitätsverhalten von der Reynolds-Zahl
abhängig sind. Korrelationen zur Korrektur der Betriebscharakteristiken sollten die
4.2 Turboverdichter 391
• Profilverluste,
• Stoßverluste und
• Effekte der Scheibenreibung.
• Turbulenzgrad,
• Machzahl,
• Oberflächenrauhigkeit sowie
• Schaufelgeometrie und Schaufelzahl.
392 4 Turbomaschinen-Komponenten
Ausgehend von einer allgemeinen Verlustgleichung zum Beispiel nach [Wie78] lieferte
[Was67] folgenden empirischen Ansatz, um die Gesamtheit der Effekte in einer einzigen
Korrekturkorrelation zusammenzufassen
(1 − ηpol ) = KW Re−nW . (4.2-99a)
Die exponentielle Abhängigkeit galt zunächst nur für Verdichter. Die verwendeten Grö-
ßen KW und nW sind experimentell gewonnene Maschinengrößen. Wird Gl. 4.2-99a auf
einen Referenzzustand bezogen und die Maschinengrößen als konstant angenommen,
ergibt sich
1 − ηpol Re −nW
= = f(RNI)−nW . (4.2-99b)
1 − ηpol, Ref ReRef
Für die Korrektur der Betriebscharakteristik ausgehend vom Referenzpunkt kann diese
Darstellung unter der Vereinfachung, dass
ηpol ηis
≈ (4.2-99c)
ηpol, Ref ηis,Ref
Wird Gl. (4.2-100c) mit Tt, pt, Tt,Ref. und pt,Ref. erweitert und von einer konstanten
Mach-Zahl am Eintritt beziehungsweise konstantem Verhältnis von statischen zu totalen
Zustandsgrößen ausgegangen, folgt schließlich
1,25
Re pt Tt,Ref c Tt Ref
RNI = ≈ . (4.2-100d)
ReRef pt Ref Tt cRef Tt
u c u c
Mit der Annahme nred ≈ √ = √ ≈√ (4.2-100e)
Tt Tt c Tt
ergibt sich der RNI bei Verdichtern zu
1,25
Re pt Tt,Ref nred
RNI = ≈ . (4.2-100f)
ReRef pt Ref Tt nred Ref
t.
o ns
pt3 /pt2 =c
/T t2
∆ h tC
∆ηC is
Druckverhältnis
∆mred
m Tt
red. Durchsatz mred = Wirkungsgrad ηC is
pt
gut mit der Korrelation von Gl. (4.2-99a) beschrieben werden: Bei der Leistungssynthe-
serechnung zum Beispiel in Kap. 7 bis 8 und in [GasTurb] werden die vereinfachten, ein-
fachen Reynolds-Zahl-Korrekturen bei der Wirkungsgraderfassung angewandt, wie sie
von Kurzke [Kur92] in AGARD-LS-183 beschrieben werden.
C0
(a)
niedriger
Ansaugdruck PC N
N
N M
M
H
H
H
hoher Druckstörung
Ansaugdruck
mr
niedrige PC
Ansaugtemperatur
M
N H H N N
H
hohe Temperaturstörung
Ansaugtemperatur
mr
(b) pt
p t,M 60
o
p t,M
pt,min,60o pt,M,Dist.
60
pt,min
o
j
N
j
M H p t- p t,min,60 o
Distortion-Faktor Druck DC60 =
q
Die Intensität und Ausdehnung der Störung am Verdichtereintritt kann mit dem Dis-
tortions-Koeffizienten DC (distortion coefficient) beschrieben werden. Für eine Störung
zum Beispiel bei schlanken Schaufeln und in einem 60° Sektor ist dieser Koeffizient fol-
gendermaßen definiert
pt mittel − pt 60◦ Sektor
DC60 = . (4.2-103)
(pt − p)mittel
pt3
pt2 )
nze
p gre
Verdichter-Druckverhältnis
Pum
z e(
ren
sg
ilität
ab
St
n
1 Tt21t
β -Linien 0
m 2 Tt2 kg K
Durchsatz red.
p t2 s kPa
C
pt3
e)
nz
pt2
ηCis,opt
re
pg
um
(P
B A= A
SL
e
Druckverhältnis
nz
Volllast
re
sg
Beschleunigung von
Verzögerung
ät
Leerlauf BL nach
ilit
ab
Volllast BA aus Volllastbereich
St
instationär zum Teillastbereich
100%
nred,rel
B nze
r r gr e
Spe stationäre
Leerlauf Betriebs-bzw. Fahrlinie
C
Pumpgrenze (SMrel= 0%)
pt3
pt2 PG
Betriebspunkt
BP stationäre Arbeitslinie
(SMrel= 100%)
Druckverhältnis
AL
nred
Abb. 4.2-70 Zur Definition des Pumpgrenzenabstandes SM auf einer Linie konstanter Drehzahl
nred [GasTurb]
Der Abstand des aktuellen Betriebspunktes zur Stabilitätsgrenze wird als Pumpgren-
zenabstand SM (surge margin) bezeichnet (Abb. 4.2-70). Abhängig zum Beispiel vom
Verlauf der Drehzahllinien, steiler Verlauf mehr bei Axialverdichtern und hohen Dreh-
zahlen oder mehr flacher Verlauf bei Radialverdichtern oder kleinen Drehzahlen, lassen
sich entsprechend Abb. 4.2-70 abhängig von der Form der Drehzahllinien verschiedene
Definitionen bilden [Hor67K, Cum89B, Wal99, Gri09B].
Die einfachsten Definitionen, meist angewandt für steile Drehzahllinien, werden mit
dem Verdichterdruckverhältnis ΠC wie folgt gebildet:
PG − BP
SM =
BP
PG − BP
oder SM−1 = 100 %. (4.2-104)
BP − 1
ṁred BP − ṁred PG
SMṁ = − 1. (4.2-105)
ṁred BP
Häufig verwendet wird, und physikalisch sinnvoller, auch eine gemischte Definition mit
ṁred und ΠC formuliert
PG · ṁBP
SM ṁ = −1 (4.2-106a)
BP · ṁPG
402 4 Turbomaschinen-Komponenten
mred mred
oder auch
ṁPG (�BP − 1)
SMṁ (�−1) = 1 − (4.2-106b)
ṁBP (�PG − 1)
Die Gl. (4.2-104) bis (4.2-106a), (4.2-106b) stellen übliche Definitionen dar. ΠBP und
ṁBP stehen für das Druckverhältnis und den reduzierten Massenstrom im aktuellen
Betriebspunkt, während der Index PG diese Größen an der Pumpgrenze bei gleicher
Drehzahl kennzeichnet. Sie müssen aus dem Kennfeld bekannt sein. Wie aus Abb. 4.2-70
ersichtlich ist, wird gemäß der Definition von Gl. (4.2-106a), (4.2-106b) eigentlich das
Verhältnis zwischen hellgrauer und dunkelgrauer Fläche bestimmt. An der Pumpgrenze
ergibt sich SM = 0.
Axialverdichter mehrstufig
Verdichter-Pumpen („surge“)
Verdichter-Kennfeld
pt3 Abreißen (Phase 1)
pt2 erneutes Abreißen
2 bis 10 ms bei n = const
e“
Druckverhältnis
rg
SL
Druckaufbau
su
e
(Phase 4)
ic
nz
ss
re
la
sg
„c
ät
ilit
Betrieblinie
ab
WL, stationär
St
Primär-
Ausblasen Charakteristik
(Phase 2) Drehzahl
nach vorne n = const !
Wiederanlegen
30 bis 50 ms der Strömung (Phase 3)
5 bis 10 ms
· 0 m2 Tt2
–m red + mred red. Durchsatz
p t2 A 2
nach Form und Grad der Ablösungen sekundäre und tertiäre Charakteristiken, die
das Betriebsverhalten beim Überschreiten der Stabilitätsgrenze kennzeichnen, wie
dies später in Abb. 4.2-72 und 4.2-73 detaillierter gezeigt wird.
Die allgemein bei Turbomaschinen auftretenden Strömungsinstabilitäten lassen sich
aufgrund des periodischen Auftretens unterteilen in eindimensionale Pumpvorgänge
(surge) und lokal mehrdimensionale, rotierende Ablösungen RS (rotating stall), die sich
in Umfangsrichtung nur auf einen Teilbereich des Gitters erstrecken, aber sich entgegen
der Rotationsrichtung bewegen.
Häufig ist das Auftreten von „rotating stall“ nur durch eine Veränderung im Lauf-
geräusch oder durch eine zeitlich hochauflösende messtechnische Instrumentierung
der Maschine nachweisbar [Cum89B, Gra84]. In diesem Fall geht der stabile Arbeitsbe-
reich mit zunehmender Drosselung stetig in den instabilen Betriebszustand über. Dieses
404 4 Turbomaschinen-Komponenten
ηCis
Wirkungsgrad
pt3
pt2
Druckverhältnis
m2 Tt2
red. Durchsatz
p t2 A 2
Verhalten wird auch als „progressive stall“ bezeichnet. Bei anderen Verdichtern tritt
mit dem „stall“ plötzlich eine erhebliche Änderung im Druckverhältnis und im Durch-
fluss ein. Der Betriebspunkt verschiebt sich zu einem neuen Arbeitspunkt bei kleinerem
Druckverhältnis und niedrigerem Durchsatz. Dieses Verhalten wird mit „abrupt stall“
umschrieben.
In beiden Fällen ist die Strömung im Verdichter nicht mehr umfangssymmetrisch.
Es existieren dann am Umfang Gebiete mit ungestörter und andere mit abgelöster Strö-
mung. Durch diese „Teilbeaufschlagung“ ist es möglich, dass der Verdichter einen neuen
Betriebspunkt auf der Sekundär- bzw. Tertiärcharakteristik einnimmt. Dabei können
mehrere oder nur eine Stall-Zelle am Umfang auftreten.
Hinsichtlich der radialen Erstreckung des Störgebietes über der Schaufelhöhe wird
zwischen „part-span stall“ und „full-span stall“ unterschieden. Meist kommt es bei „part-
span stall“ zu mehreren Zellen am Umfang im Schaufelspitzenbereich. Sie rotieren mit
4.2 Turboverdichter 405
ungefähr 50 % der Rotordrehgeschwindigkeit und erstrecken sich zum Teil nur auf ein-
zelne Stufen des Verdichters. In Verbindung mit „part-span stall“ ist das „progressive
stall“-Verhalten wahrscheinlicher.
Erstreckt sich das Ablösegebiet über die gesamte Schaufelhöhe wird von „full-span
stall“ gesprochen. In der Regel handelt es sich dann um nur eine Zelle, welche ein erheb-
liches Umfangssegment und die gesamte axiale Baulänge des Verdichters einnimmt. Sie
rotiert üblicherweise langsamer, mit ca. 29 bis 40 % der Rotorgeschwindigkeit. Für das
„abrupt stall“-Verhalten ist das sofortige Auftreten von „full-span stall“ typisch. Tritt im
Verdichter zunächst „part-span stall“ auf und wird der Durchsatz weiter gedrosselt, dann
gehen die Ablösegebiete in „full-span stall“ über.
Experimentelle Untersuchungen haben auch gezeigt, dass Verdichter mit kleinem
Nabenverhältnis eher zu „progressive stall“ neigen, während bei Maschinen mit großem
Nabenverhältnis „abrupt stall“ wahrscheinlicher ist [Gra84, Cum89B].
Ist der Verdichter in ein größeres Systemvolumen mit entsprechenden Speichereigen-
schaften eingebunden, so kann es zum Pumpen (surge) kommen bzw. zu einer Überlage-
rung von Pumpschwingungen (Abb. 4.2-72).
Während die rotierenden Ablösezellen lokal im Verdichter auftreten und die Strömung
durch die Schaufelgitter in Umfangsrichtung teilweise versperren, stellt das Pumpen eine
überlagerte Instabilität der Anlage dar, die im Wesentlichen von den Speichereigenschaften
der angeschlossenen Systemkomponenten geprägt wird. Beide Instabilitätsformen unter-
scheiden sich in der Regel um mehr als eine Zehnerpotenz hinsichtlich ihrer charakteristi-
schen Periodendauer [Hor67K, Gra84, Cum89B, Uhl03, Gri09B].
Bei der Instabilitätsform des Pumpens fluktuiert der gemittelte Durchfluss, so dass
die Strömung im gesamten Verdichter mehr oder weniger in Phase dazu ablöst und wie-
der anliegt. Diese Fluktuation kann so heftig sein, dass komprimiertes Fluid durch den
Verdichter zurückströmt (deep surge DS). Andererseits kann „surge“ sehr mild sein, so
dass der Betriebspunkt um die Kennlinie kreist. Als Anzeichen ist nur eine periodische
Veränderung des Laufgeräusches vorhanden. Während einiger „surge“-Zyklen kann die
Strömung im Verdichter auch vorübergehend durch „rotating stall“ gekennzeichnet sein.
Dieses Phänomen wird mit „classic surge“ (CS) oder „mild surge“ umschrieben.
Die Frequenz der Pumpschwingung hängt vom angeschlossenen Speichervolumen
ab und kann Werte zwischen 0,5 und 10 Hz annehmen. Der voll ausgeprägte „surge“-
Prozess ist umfangssymmetrisch. Dies ist im Übergangsgebiet nicht der Fall. Die gegebe-
nenfalls zerstörerische Wirkung. von „surge“ geht von der nicht umfangssymmetrischen
Belastung aus, deren Ursache in der Initialphase der Rückströmung zu suchen ist.
Die starken Oszillationen des Massenstroms beim Überschreiten der Verdichter-Sta-
bilitätsgrenze bzw. Pumpgrenze hängen von den Dämpfungseigenschaften des Gesamt-
systems Verdichter und aller vor- und nachgeschalteten Volumina ab. Dies bedeutet im
Extremfall eines „deep surge“ bei einer Gasturbine oder einem Turbotriebwerk sogar ein
Zurückströmen der heißen Gase aus der Brennkammer. Dies kann vor allem aufgrund
der mechanischen Belastung durch hohe lokale Kräfte und kritische Schwingungen eine
Schädigung der gesamten Anlage nach sich ziehen.
406 4 Turbomaschinen-Komponenten
Der Zusammenbruch der Strömung an der Stabilitäts- bzw. Pumpgrenze hat zur
Folge, dass bereits verdichtete Luft aus den nachgeschalteten Volumina zurückströmt
oder zumindest den Massenstrom stark verringert. Dabei wird der Verdichter insgesamt
entlastet, die Strömung liegt wieder an den Schaufeln an und es wird wieder Massen-
strom gefördert und dabei Druck aufgebaut. Bei unveränderten Randbedingungen findet
eine weitere Androsselung auf der Primärcharakteristik statt, bis erneut die Stabilitäts-
grenze erreicht und überschritten wird und der Zyklus von vorne beginnt. Die dabei auf-
tretenden niederfrequenten und energiereichen Schwingungen in einer Größenordnung
von typischerweise 1 bis 20 Hz verursachen hohe Belastungen für die Schaufeln und das
ganze Wellensystem einschließlich der Lagerung. Weitere Schäden können durch eine
nicht völlig rotationssymmetrische Ausbildung des Pumpens gerade in der Entstehungs-
phase verursacht werden, da hier die Gefahr von Gehäusedeformationen besteht und
infolgedessen die Schaufeln anstreifen und mechanisch überlastet abreißen können.
Die Lage der Stabilitätsgrenze im Kennfeld wird zum Teil auch beeinflusst durch die
Einbausituation des Verdichters in einem Rohrleitungssystem oder durch den Verdich-
ter als Teilkomponente in einer Gasturbinenanlage oder in einem Flugtriebwerk. Ins-
besondere führen Einlaufstörungen und eine unsymmetrische Verdichterbelastung zu
einer Verkleinerung der nutzbaren Kennfeldbreite. Bei mehrstufigen, hochbelasteten
Verdichtern kann die tatsächliche Lage der Stabilitätsgrenze nur mit einem erheblichen
Risiko im Versuch bestimmt werden, da aufgrund der hohen Druckverhältnisse bereits
der erste Pumpstoß zu Schäden an der Anlage beziehungsweise in dem Triebwerk führen
kann. Die fatalen Folgen eines längeren Betriebs bei „rotating stall“ und Pumpvorgän-
gen sind Schaufelbrüche aufgrund der potentiellen Eigenschwingungsanregung. Hieraus
ergibt sich auch die Notwendigkeit einerseits der allerdings schwierigen Vorausberech-
nung der Stabilitätsgrenze und andererseits der Früherkennung der Strömungsinstabili-
täten im Betrieb durch geeignete Messtechnik abzusichern.
Wird die Stabilitätsgrenze vom stabilen in den instabilen Betriebsbereich hin ohne
Pumperscheinungen überschritten, so können sekundäre und tertiäre Charakteristiken
auftreten, ggf. auch sogenannte Doppelcharakteristiken, wie nach Schäffler [Sch82] in
Abb. 4.2-73 gezeigt wird.
Die Sekundärcharakteristik kann als Fortsetzung der Primärcharakteristik in den
instabilen Bereich betrachtet werden und ist meist mit mehrzelligen rotierenden kleinen
Ablösungszellen im äußeren Bereich des Ringraums verbunden, sie erstrecken sich also
nicht über die ganze Schaufelkanalhöhe (part-span stall) und betreffen in der Regel auch
nur einzelne Schaufelreihen.
Nach z. B. Schäffler [Sch79a] u. a. [NAS65B, Gre75, Day76] können grundsätzlich
zwei Gruppen von Betriebscharakteristiken mehrstufiger Axialverdichter unterschie-
den werden. Einerseits die Kennlinien mit ablösungsfreier Strömung und mit rotieren-
der Ablösung sowie andererseits die Formen der rotierenden Ablösung, wie sie im tiefen
Teillastgebiet auftreten (Abb. 4.2-97).
Wird der Verdichter über die Primärcharakteristik hinaus gedrosselt, so springt er, falls
die Dämpfungseigenschaften des Gesamtsystems ausreichen, auf die Tertiärcharakteristik.
4.2 Turboverdichter 407
Abb. 4.2-74 Rotierende ηC
Ablösung im tiefen Kennfeld-
∆η C ≈ 2...12%
Teillastgebiet mit permanenter
rotierender Ablösung und
Doppelcharakteristiken nach
[Sch79a]
pt 3 Hysteresegebiet mit
pt2 Doppelcharakteristiken
(rotierende Ablösung)
Druckverhältnis
n
permanente
rot. Ablösung Tt 2
Primärcharakteristiken
Doppelcharakteristiken
m2 Tt 2
red. Durchsatz
pt2
1, 2, 3,...Zellen
Es liegt dann tiefes Abreisen vor, eine schwere Form der rotierenden Ablösung. Dabei kann
der Verdichter bis zum Nulldurchsatz bei annähernd gleichem Druck und ständig sinken-
dem Wirkungsgrad gedrosselt werden.
Zwischen den primären und tertiären Charakteristiken existieren manchmal noch
dritte Kennlinien, die sogenannten Sekundärcharakteristiken, die eine leichtere Form
der rotierenden Ablösung darstellen. Die Sekundärcharakteristik kann nach Schäffler
u. a.durch Entdrosseln des Verdichters aus dem Gebiet der tertiären Charakteristik her-
aus erreicht werden, wobei je nach den speziellen Eigenschaften eines Verdichters dieser
auch sofort auf die Primärcharakteristik springen kann, je nachdem, ob das rotierende
Ablösesystem verkleinert wird oder ganz verschwindet. Die Sekundärcharakteristik liegt
im Bereich der Abreißgrenze und ist in diesem Bereich generell instabil, d. h. der Ver-
dichter kann dann wieder auf die stabile Tertiärcharakteristik springen. Der Betriebszu-
stand der Sekundärcharakteristiken ist gekennzeichnet durch rotierende Ablösung in ein
– oder mehrzelligen Systemen, die nur einen Teil der Schaufelspannweite überdecken.
Die Wirkungsgrade liegen 2 bis 12 % unterhalb der Werte der Primärcharakteristik.
Formen der rotierenden Ablösung im sehr tiefen Drehzahlgebiet sind in Abb. 4.2-74
schraffiert dargestellt. Ihre Ausdehnung ist unabhängig von der Art wie der Verdichter in
diesen Betriebsbereich gebracht wird, ob aus sehr kleinen oder hohen Drehzahlen oder durch
Androsseln bei einer entsprechenden Drehzahl.
Er wird deshalb auch als Gebiet permanenter rotierender Ablösung bezeichnet. Dreh-
zahllinien im Bereich der permanenten rotierenden Ablösung zeigen kleine, sprungartige
Veränderungen entsprechend der Zahl der Ablösezellen, wobei für jeden Betriebspunkt
eine bevorzugte Zellenzahl existiert. Dieses Gebiet der permanenten rotierenden Ablö-
sung kann bei Verdichtern mit hohem Druckverhältnis zu schweren Einbrüchen in der
408 4 Turbomaschinen-Komponenten
LC
VP
Pumpgrenze führen, wobei in diesem Bereich stabiler Betrieb eines Triebwerkes bei Wir-
kungsgradeinbußen möglich ist.
Es gibt allerdings auch Verdichter, die über das Gebiet der permanenten rotie-
renden Ablösung hinaus eine Zone mit rotierender Ablösung und daraus resultie-
render Doppel- bzw. Mehrfachcharakteristik haben. Diese Schleife kann nur aus
dem Gebiet der permanenten rotierenden Ablösung heraus erreicht werden, in dem
das Ablösezellensystem entwickelt und dann mit ausgeprägtem Hysteresecharakter
erhalten bleibt.
Beim Überschreiten der Hystereseschleife springt der Verdichter schlagartig
auf die Primärcharakteristik, was sich in einem Sprung von Durchsatz und Druck-
verhältnis äußert, der meist deutlich hörbar ist. Der Betriebszustand im Gebiet
der permanenten rotierenden Ablösung sowie innerhalb der Hystereseschleife
ist physikalisch weitgehend ähnlich dem Betrieb auf der Sekundärcharakteristik
(Abb. 4.2-74).
Während der Verdichter beim Übergang von primärer zu sekundärer Charakteris-
tik (progressive stall) verhältnismäßig geringe Leistungseinbußen zeigt, sind diese beim
Übergang zur Tertiärcharakteristik wesentlich intensiver (Abb. 4.2-73). Die stabilen und
instabilen Betriebsbereiche mit rotierender Ablösung außerhalb der Primärcharakte-
ristiken nach den Abb. 4.2-73 und 4.2-74 gilt es stets zu vermeiden, da die Gefahr von
Schwingungsbrüchen und der möglichen, schwer zu kontrollierenden Übergänge auf die
verschiedenen Betriebscharakteristiken besteht.
ein früheres Modell nach Emmons [Emm55] aufgrund seiner Linearisierung nicht in
der Lage war, Schwankungen mit großer Amplitude, wie sie beim Verdichterpumpen
auftreten, zu beschreiben, entwickelte Greitzer ein nichtlineares dynamisches Modell,
mit dem sowohl Rotating-Stall als auch Pumpen näherungsweise dargestellt werden
konnten.
Das Gleichungssystem zur Beschreibung des dynamischen Verhaltens dieses Modells,
das die Kompressibilität des Plenumvolumens, die Dämpfung aufgrund des Verdichters
und der Drossel sowie die Trägheit des Fluids im Strömungskanal berücksichtigt, ent-
hält dabei als entscheidende Größe den dimensionslosen B-Parameter. Dieser wurde von
Greitzer folgendermaßen definiert
u
B= . (4.2-107)
2 ω H LC
u ist dabei die mittlere Rotorgeschwindigkeit, ωH die Helmholtz-Resonanzfrequenz und
LC die effektive mittlere Kanallänge auf der Verdichterseite.
Die Eigenfrequenz ωH dieses Systems berechnet sich gemäß
AC LC
ωH = a (4.2-108)
VP
Abb. 4.2-76 Modalwellen
im Zusammenhang mit
Verdichter-Instabilitäten
[Uhl03]
Profilsaugseite. Es bildet sich eine Rotating-Stall-Zelle aus, die relativ entgegen der
Rotordrehrichtung wandert.
Modale Störungen können üblicherweise bis zu mehrere 100 Rotorumdrehungen
vor dem ausgebildeten Rotating-Stall nachgewiesen werden und wären damit für eine
frühzeitige Stall-Vorhersage gut geeignet. Außerdem weist dieser Entstehungsmecha-
nismus den Weg für aktive Gegenmaßnahmen zur Erweiterung des Betriebsbereiches.
Der Grundgedanke ist dabei die Dämpfung der Amplituden der modalen Wellen durch
gegenphasige Schwingungen, die zum Beispiel durch schnelle Leitschaufelbewegun-
gen oder gezielte Lufteinblasung über mehrere Ventile am Umfang aufgebracht werden
könnten. Jedoch kann die Modalwellentheorie nicht bei allen Verdichterarten bestä-
tigt und als alleiniger Entstehungsmechanismus angesehen werden. Es lässt sich noch
ein zweiter, davon unabhängiger Vorläufer des Rotating-Stall beobachten. Eine weitere
Erschwernis ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass Modalwellen bisher zuverlässig nur
in Verdichter-Prüfstandsversuchen festgestellt wurden, während ihre Detektierbarkeit in
der Gasturbine aufgrund ihrer kleinen Amplitude und des schlechteren Signal-Rausch-
Verhältnisses erheblich erschwert wird.
Beim zweiten Entstehungsmechanismus handelt es sich um den „spike-type-stall“,
kurz Spike, der durch lokale Ablösungen der Strömung an einzelnen Rotorschaufeln
ausgelöst wird. Diese treten in der Nähe der Stabilitätsgrenze aufgrund der geringen glo-
balen Axialgeschwindigkeit der Strömung stochastisch verteilt auf und führen zu klei-
nen, scharf definierten Stall-Zellen, die im Ringraum umlaufen und sich nur über ein bis
zwei Schaufelkanäle erstrecken. Diese wachsen innerhalb weniger Rotorumdrehungen
in Radial- und Umfangsrichtung an und bilden sich zum Rotating-Stall aus, wobei die
Umlaufgeschwindigkeit von anfänglich 60 bis 80 % der Rotorfrequenz auf konstante 35
bis 60 % zurückgeht.
Während Modalwellen oftmals nur in einem eng begrenzten Bereich der Dreh-
zahlcharakteristik und bei absolut homogener Zuströmung auftreten, scheint die
„spike“-Theorie zunächst den realen Gegebenheiten näher zu kommen, da Strömungs-
inhomogenitäten, die lokale Ablösungen begünstigen, praktisch immer vorhanden
sein werden. Dennoch kann auch aus dem „spike“-Modell keine allgemeingültige Stall-
Vorhersage-Methode abgeleitet werden, da auch diese Theorie allein nicht den Entste-
hungsmechanismus an unterschiedlichen Verdichtern unter verschiedenen Bedingungen
beschreiben kann. Außerdem erscheint die Detektion der kleinen nadelförmigen Druck-
spitzen, die auf den „spike type stall“ schließen lassen (Abschn. 4.2.7.6, Abb. 4.2-79), in
einer realen Triebwerkskonfiguration mit verrauschten Signalen als große Herausfor-
derung. Es zeigt sich vielmehr, dass die Modalwellentheorie und die „spike“-Theorie
gemeinsam betrachtet werden müssen und dabei eventuell der Einschränkung unterlie-
gen, dass sie bezüglich eines Identifikationsverfahrens nur für Verdichterprüfstandsver-
suche relevant sind.
In zahlreichen Untersuchungen an Versuchsverdichtern [Uhl03, Gri09B u.a.] konnte
gezeigt werden, dass beide Entstehungsmechanismen tatsächlich zu beobachten sind.
412 4 Turbomaschinen-Komponenten
Es gestaltet sich dabei aber schwierig, eindeutige Kriterien für das Auftreten der einen
oder anderen Form zu finden. Grundsätzlich tendieren langsamlaufende, schwach
belastete Verdichter eher zu Modalwellen, während „spikes“ bevorzugt bei hochbe-
lasteten mehrstufigen Verdichtern zu finden sind. Aber auch im letzteren Fall können
modale Störungen der aerodynamischen Instabilität vorausgehen, wobei hier die Dreh-
zahl wesentlicher bestimmender Faktor ist bzw. die Belastung der einzelnen Stufen und
ihre Abstimmung zueinander. Andererseits spielt die Drosselgeschwindigkeit eine ent-
scheidende Rolle bei der Frage, wie früh Störungen schon vor dem Einsetzen des Rota-
ting-Stall auftreten. Nicht ganz unerwartet ist das Ergebnis, dass bei einer schnelleren
Androsselung Störungen sich innerhalb einer kürzeren Zeitspanne vollständig ausbil-
den. Die rechtzeitige Erkennung dieser Instabilitätenindikatoren stellt damit gerade im
instationären Triebwerksbetrieb mit hohen Änderungsraten eine große Herausforde-
rung dar.
u
druckseitige
Blockage
Wirbelkern
Wirbel -
Blockage
Spaltwirbel
w
Betrieb bei Verdichtungsstoß
Wirkungsgrad maximal
Spaltwirbel
schwach
w
Betrieb Verdichtungsstoß
nahe Pumpgrenze
Spaltwirbel
aufgeplatzt
Abb. 4.2-78 Aufplatzen des Spaltwirbelkerns bei Annäherung an die Pumpgrenze eines Axialver-
dichters (CFD-Simulation nach Wilke [Wil05a, Hem09].)
3 5
4
Modalwelle rotierende “spike”-Ausbildung rotierende
Ablösezelle Ablösezelle
6 6
5 5
4 4
3 3
2 2
1 1
Zeit Zeit
Stabilitätsgrenze bestimmt
3,2
C 100%
3,0
Druckverhältnis 2,8
2,6
95%
2,4
90%
2,2
2,0
80%
1,8
1,6
nred,rel= 60%
1,4
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
red. Durchsatz mred
[2]
[1]
[5]
[4]
[2]
[1]
[5]
[4]
6,0 6,1
Zeit t [s]
ausbildet und mit konstanter Geschwindigkeit umläuft (Abb. 4.2-81). Sie geht zunächst
in eine mehrzellige Konfiguration über und wird etwas undeutlicher, führt dann aber
direkt in den Rotating-Stall.
Werden die Messungen für eine relative Rotordrehzahl von 80 % (Abb. 4.2-82) betrach-
tet, so können hier umlaufende, durch lokale Ablösegebiete verursachte Druckspitzen auf-
grund ihrer schwachen Ausprägung kaum erkannt werden. Die Ablösezelle, die in den
Rotating-Stall führt, kann nicht sicher über mehrere Umläufe zurückverfolgt werden,
sondern scheint in ihrer Entwicklung unterbrochen. Im Gegensatz zu den Messungen bei
niedrigeren Drehzahlen zeigen die Druckverläufe vor dem Einsetzen des Rotating-Stall
eine schwache Schwingung mit circa 70 Hz, die zunächst eine Modalwelle vermuten lässt.
Aufgrund ihrer gleichphasigen Lage an allen Sensorpositionen und der starken Ausprägung
kann aber eine Modalwelle sicher ausgeschlossen werden, die Schwingung dürfte vielmehr
mechanisch von außen angeregt sein und über das Gehäuse übertragen werden.
4.2 Turboverdichter 417
Surge
Druck
Ablösezellen
Aerodynamik
Aeromechanik
Abb. 4.2-83 Überblick schematisch zu den Auswirkungen von Instabilitäten auf die aeromecha-
nische Integrität der Komponente Verdichter [Sch79a, Gri09B]
Beim Vergleich der gezeigten Ergebnisse kann festgehalten werden, dass die Signale im
Zeitbereich brauchbare Indizien für eine bevorstehende Ausbildung von Rotating-Stall liefern.
Wie aus Veröffentlichungen zur Thematik der Früherkennung von Verdichterinstabili-
täten hervorgeht, zeigte sich auch hier, dass sich bei relativen Drehzahlen von 50 bis 70 %
Druckspitzen gut erkennen lassen, die rotierende Ablösegebiete repräsentieren und nach
der „spike“-Theorie für die Entstehung des Rotating-Stall verantwortlich sind. Diese zeigen
sich aber erst kurz vor der ausgebildeten Instabilität und werden mit zunehmender Dreh-
zahl undeutlicher, so dass sie für ein sicheres und frühzeitiges Warnsystem für die Praxis
kaum in Frage kommen. Bei Rotordrehzahlen von 80 % und über 90% schließlich können
sie nicht mehr sicher detektiert werden und gehen zum Teil in einer Störung in Form einer
gleichmäßigen Druckschwankung unter. Dies erschwert eine Beobachtung und Erklärung
der Mechanismen beim Übergang vom stabilen in den instabilen Betriebsbereich erheblich.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass neben den klassischen Analyseverfahren
mit der Fourier-Tranformation das Erkennungsverfahren auf Wavelet-Basis prinzipiell
für Verdichter eingesetzt werden kann. Der geringere Aufwand an Instrumentierung
eröffnet dabei auch die Möglichkeit eines Einsatzes im praktischen Betrieb.
Abb. 4.2-84 Betriebszustände
eines Verdichters im Triebwerk Pumpgrenzabstand PG
bei Beschleunigung ohne PG
- A
SM =
äußere Störung und mit pt3 A -1
Strömungsabriss an der pt2
Stabilitäts- bzw. Pumpgrenze Beschleunigung
ohne Störung A
Druckverhältnis
Beschleunigung
mit
Strömungsabriß stationäre
Betriebslinie WL
Verzögerung
n
Tt2
m2 Tt2
red. Durchsatz
p t2 A 2
Re-Zahl-Einflüsse
ze
ren
Leistungsentnahme extern
P
w.
Wirkungsgrad verschlechtert
bz
ts-
m2 Tt2
red. Durchsatz
p t2 A 2
Abb. 4.2-85 Veränderungen bzw. Verschiebung der Stabilitäts- bzw. Pumpgrenze und der Betriebs-
bzw. Fahrlinie sowie davon ausgelöst Strömungsabriss im Verdichter bei Beschleunigung mit Störun-
gen [Sch79a]
Die Erhöhung der Radialspalte kann zu starken Verlusten der aerodynamischen Leis-
tungsparameter wie Durchsatz, Wirkungsgrad und Abreißgrenzabstand führen, sofern
der Spalt mehr als etwa 1 % der Schaufelspannweite beträgt. Die Einhaltung geringer
Spaltweiten ist vor allem bei Hochdruckverdichter moderner Triebwerke mit hohem
Verdichtungsverhältnis wichtig, da für die hinteren Stufen einerseits kleine Schaufelhö-
hen und andererseits große thermische Dehnungen auftreten. Abbildung 4.2-86 zeigt
schematisch die typischen Veränderungen der Kennlinien bei erhöhter Spaltweite. Eine
Vergrößerung der Radialspiele bewirkt nicht nur eine starke Absenkung der Abreiß-
grenze selbst, sondern auch eine Anhebung der Betriebslinie als Folge des verschlechter-
ten Wirkungsgrades und verringert damit den Abreißgrenzenabstand von beiden Seiten.
Ungleichförmige Eintrittsdruck- und Temperaturverteilungen am Umfang sind für
Verdichter besonders schädlich, da Druckungleichförmigkeiten in Umfangsrichtung
wegen der vielen Schaufeln nur wenig ausgeglichen werden können. Der Verdichter
arbeitet etwa so, als würde er aus zwei oder mehreren parallelen Verdichtersektoren
bestehen, die in einen gemeinsamen Behälter, zum Beispiel in eine Brennkammer, kom-
primierte Luftströme fördern [Sch79a]. Dabei muss der Sektor mit dem kleinsten Ein-
trittsdruck das höchste Druckverhältnis erzeugen und dieser Sektor wird auch zuerst
seine Abreißgrenze erreichen und damit das Gesamtsystem instabil machen. Die Erfah-
rung zeigt, dass etwa bei einer Umfangserstreckung des gestörten Bereiches von 80–120°
4.2 Turboverdichter 421
ηC
∆ηC
pt3 h
pt2 ∆SM
Nominalspalt
Druckverhältnis
Spalt vergrößert
Abb. 4.2-86 Einfluss der Radialspaltweite auf die aerodynamische Leistung [Sch79a, Sch82]
Druck-Distortion
Druckverteilung ungleichförmig am Verdichtereintritt
ϕ Sektor mit
p t3 verringertem Druck
p t2
ohne Störung
Druckverhältnis
0
mit Störung
∆ SM [%]
-10
n red
-20
0 1 80 360
m Tt
Durchsatz ϕ [°]
pt A
die maximale Verschlechterung der Abreißgrenze erreicht wird und darüber hinaus
keine weitere Verschlechterung eintritt (Abb. 4.2-87).
Interessant ist auch, dass mehrere schmale, am Umfang verteilte Störungen, nicht
zu stärkeren Verschlechterungen der Abreißgrenzen führen als eine einzelne Stö-
rung der gleichen Winkelerstreckung. Ungleichförmige Druckverteilungen mit starken
422 4 Turbomaschinen-Komponenten
Temperatur-Distortion:
Temperaturverteilung ungleichförmig am Verdichtereintritt
ungestörter Sektor
gestörter Sektor
nred
Durchsatz m Tt
pt A
Auswirkungen auf die Abreißgrenze werden zum Beispiel von scharflippigen Überschal-
leinläufen bei hohen Anstellwinkeln im Unterschallflug als Folge der Ablösung der Strö-
mung erzeugt. Noch stärkere Störungen treten im Überschallflug schon bei geringen
negativen Anstellwinkeln auf, da die Strömung als Folge der Interferenz zwischen der
Grenzschicht und den vom Zentralkörper ausgehenden Verdichtungsstößen ablöst und
sehr starke örtliche Fluktuationen bildet.
In mehrstufigen oder mehrwelligen Verdichtern werden Eintrittsdruckstörungen von
den vorderen Stufen oder in mehrwelligen Triebwerken von den vorderen Verdichtern
durch erhöhte Energiezufuhr in den stark gestörten Bereichen in sektorartige Temperatur-
störungen umgewandelt. Diese Temperaturungleichförmigkeit führt dazu, dass der gestörte
Sektor mit einer kleineren Mach-Zahl läuft, aber annähernd dasselbe Druckverhältnis
liefern muss. Dadurch verringert sich der Abreißgrenzabstand ebenfalls und die Auswir-
kung ist vergleichbar schädlich der entsprechenden Druckstörung am Triebwerkseintritt.
Temperaturstörungen können auch auftreten beim Betrieb eines Schubumkehrers, bei
V/STOL-Flugzeugen oder beim Abfeuern von Waffen (Abb. 4.2-88) [DGL00B].
Die Stabilität gegen das Abreißen der Strömung kann z. B. durch folgende Maßnahmen
erhöht werden:
h
m Tt
∆ pt
Druckverhältnis
∆ηC
∆A
nred
0 1 2 3 4 5 m Tt
rel. Radialspalt s/h % Durchsatz red.
pt A
Abb. 4.2-89 Stabilitätserhöhung von Verdichtern durch Beeinflussung a der Spalte und b der
Streckungsverhältnisse [Sch82]
In Abb. 4.2-89 bis 4.2-94 wird gezeigt, wie sich die verschiedenen Möglichkeiten auswir-
ken. Während kleine Spalte die Kennlinien zu höherem Druck verschieben (Abb. 4.2-89a),
werden die Kennlinien durch kleine Schaufelstreckungsverhältnisse bzw. Gehäusestruktu-
rierungen primär zu kleineren Durchsätzen hin verlängert (Abb. 4.2-89b).
Wirkungsgrad Gehäuse-Strukturierung
ηC ∆ηC,max mit Axialnuten geneigt
IGV
Rotor
u
Druckverhältnis
mit Umlaufnuten
e
nz
re
tsg
itä
Rotor
bil
a
St
nred u
m Tt
Durchsatz red.
pt A
Die positiven oder negativen Auswirkungen auf den Wirkungsgrad sind allerdings
schwer eindeutig zu erkennen. Tendenziell zeigen die meisten Arbeiten, dass die Wir-
kungsgrade im oberen Bereich sich leicht verschlechtern können. Ziel von weiteren
Untersuchungen ist es, ein besseres Verständnis für die 3D-Strömungsphänomene in
Verbindung mit Casing Treatment in subsonischen bis supersonischen Strömungs-
bereichen zu erhalten, wobei die Auswirkungen auf den erzielbaren Wirkungsgrad bei
verschiedenen Geometrien der Gehäusestrukturierungen festgestellt werden sollte. Ein
zusammenfassender Überblick zu den zahlreichen CT-Studien wird in z. B. [Gre79,
Wil05a, Hem09] gegeben.
Bisher kann noch nicht genau vorhergesagt werden, welche Kriterien für die Ausle-
gung eines Casing Treatments herangezogen werden müssen, um hohe Pumpgrenzver-
schiebungen bei guten Wirkungsgraden zu erzielen. Wie an Beispielen in Abb. 4.2-90
gezeigt wird, ist eine Vielzahl von Variationen bei der CT-Gestaltung möglich. Diese
reichen von axial orientierten Nuten hin bis zu Umfangsnuten. Dabei ist zum einen die
Lage und Form der Öffnungsfläche zur Hauptströmung und die Position relativ zum
Rotor von Bedeutung, zum anderen auch die innere Form der Nut an sich. Zusätzlich
zu den Umfangsnuten und Axialnuten, können noch weitere als Casing Treatment zu
bezeichnende Konzepte angeführt werden [Hem09], wie Honeycombs, Axialnuten mit
Plenum u.a.
Wie bereits in Abb. 4.1-5 dargestellt wurde, zeigt die Primärströmung im Bereich des
Mittelschnitts wenig dreidimensionale Strömungsphänomene bis auf die Ausbildung
der Grenzschichten auf der Schaufel, so dass sie in guter Näherung als zweidimensionale
Strömung angesehen werden kann.
4.2 Turboverdichter 425
Spaltwirbel Spaltwirbel
(schwach) (stark)
Wirbelaufplatzen
Stoß Stoß
w1 w1 w1
IGV
IGV S
Die Interaktion wird stärker, wenn der Wirbel im rechten Winkel auf den Stoß auf-
trifft. Dieses wird beim Androsseln durch das Abheben des Stoßes von der Vorderkante
der nachlaufenden Schaufel und das Aufstellen der Wirbeltrajektorie erreicht. Außerdem
nehmen die instationären Vorgänge zu, so dass es zu starken Fluktuationen kommt. In
einer Studie von Hofmann und Ballmann [Hof06] wurde am Beispiel des NASA-Rotor
37 detailliert das Verhalten der Wirbel-Stoß-Interaktion dokumentiert. Sie identifizier-
ten 3 Stärken der Interaktion: Schwach im entdrosselten Zustand an der Schluckgrenze,
mittel am Auslegungspunkt und stark nahe der Pumpgrenze. Abbildung 4.2-91 (rechts)
zeigt dazu eine untersuchte Form nahe der Pumpgrenze.
Bei der schwachen Interaktion passiert der Wirbel den Stoß ohne merkliche Ver-
änderungen. Erst bei der starken Interaktion nahe der Pumpgrenze verändert sich
auch die Struktur des inneren Kernwirbels, so dass sich ein erster Stagnationspunkt
bildet.
Für eine transsonische Stufe mit Entrittsleitrad IGV wird als weiteres Beispiele aus
[Hem09] eine experimentell getestete Basiskonfiguration mit axialen Halbkreisnuten
vorgestellt (Abb. 4.2-92).
Am Punkt maximalen Wirkungsgrades bei 100 % Drehzahl beträgt das Totaldruck-
verhältnis der Stufe 1,63 bei einer relative Anströmmachzahl des Rotors an den Schaufel-
spitzen von M = 1,3. Der Rotorspalt für die Simulationen wurde auf 0,5 % der radialen
Höhe der Rotorschaufel festgelegt. Die Geometrie der Nuten besteht aus einfachen Halb-
kreisen. Diese sollten die Zirkulation in der Nut verbessern und die Bildung von Blo-
ckagezonen und Sekundärwirbeln hemmen. In Abb. 4.2-90 werden Konfigurationen des
hier untersuchten Casing-Treatments gezeigt.
Zur Erklärung dient der Konturplot (Abb. 4.2-93), welche eine Momentaufnahme
zeigt. Der Rotorspaltwirbel entwickelt sich aufgrund des Druckunterschiedes zwischen
der Schaufeldruck- und Schaufelsaugseite. Der Wirbelkern beginnt nahe der Schaufel-
vorderkante, wobei er sich beim Androsseln im Gegensatz zu subsonischen Rotoren bei
diesem transsonischen Rotor nur sehr gering nach vorne verschiebt.
4.2 Turboverdichter 427
Drehzahl 100 %
Abb. 4.2-93 Casing Treatment CT zum Beispiel nach Abb. 4.2-92 [Wil05a, Hem09]. Statischer Druck-
verlauf bei 98,5 % Schaufelhöhe und 100 % Drehzahl. Konturplot mit Verlauf nahe der Pumpgrenze
Zusätzlich nehmen die aerodynamische Belastung der Schaufel sowie die Druckdiffe-
renz zwischen Schaufeldruck- und Schaufelsaugseite zu, so dass sich auch die Intensität
der Spaltströmung etwas erhöht. Allerdings ist diese Erhöhung durch den bei transsoni-
schen Rotoren meist kritisch durchströmten Spalt gasdynamisch begrenzt, abhängig von
Spalthöhe, Totaldruck und Totaltemperatur. Das weiter stromab durch den Rotorspalt
tretende Fluid rollt sich um den Wirbelkern, der nahe der Vorderkante entspringt, und
bildet so den Rotorspaltwirbel.
Dieser wird, hauptsächlich durch den Impuls der ankommenden Hauptströmung
sowie der relativ dazu rotierenden Gehäusewand und dem in der Passage herrschen-
den Druckgefälle, in axialer Richtung umgelenkt und hinterlässt eine charakteristische
Spur in der statischen Druckverteilung. Das Niederdruckgebiet im Wirbelkern resultiert
aus dessen Entstehung aus Scherschichten der Oberkante der Schaufel. Dabei lösen sich
Wandgrenzschichten ab und bilden den Wirbelkern bzw. lagern sich um diesen an. Da
die Scherschicht im Relativsystem eine geringere Geschwindigkeit und eine niedrigere
Totaltemperatur als die Kanal- oder Spaltströmung besitzt, liegen im Bereich der Wirbe-
lachse die Minima dieser Größen, ebenso wie die von Dichte und Druck.
Am Punkt maximalen Wirkungsgrades bei 100 % Drehzahl kann der Wirbel den Ver-
dichtungsstoß ohne größere Störungen passieren. Es sind praktisch keine ausgeprägten
Blockageeffekte vorhanden. Der Passagenstoß liegt an der Schaufelvorderkante an und
trifft auf die Saugseite der vorauslaufenden Schaufel bei ca. 3/4 der axialen Rotorsehnen-
länge. Dadurch hat der durch niedrigen statischen Druck sowie hohe Totaldruckverluste
charakterisierte Spaltwirbel aus dem vorderen Rotorspalt genügend Zeit, um sich mit der
energiereichen Hauptströmung zu mischen.
428 4 Turbomaschinen-Komponenten
Die Wirbeltrajektorie ist nahezu gerade, mit einem relativ kleinen Winkel zur Rotor-
sehne. Der Wirbel durchquert den Verdichtungsstoß mit einem Winkel von ca. 90°. Im
weiteren Verlauf bewegt sich der Wirbel quer durch die Passage, bis er dann in den letz-
ten 10 % axialer Sehnenlänge der nachlaufenden Schaufel auf dessen Druckseite auftrifft.
Am Punkt nahe der Pumpgrenze (Darstellung in Abb. 4.2-93) passiert der Rotorspalt-
wirbel den Passagenstoß mit einer Zunahme des Wirbelquerschnitts.
Der Passagenstoß ist an diesem stark angedrosselten Betriebspunkt bereits von der
Vorderkante des Rotors abgehoben und trifft auf die vorauslaufende Schaufelsaugseite
bei ca. der Hälfte der axialen Rotorsehnenlänge. Zu weiteren Informationen zu den Strö-
mungsphänomenen wird auf [Hem09, Hof06] verwiesen.
Als Modellierungskonzepte zur CT-Technik stehen 3-dimensionale und reibungsbe-
haftete Navier-Stokes-Solver zur Verfügung. Diese erlauben einen detaillierten Einblick
in die vorherrschenden Strömungsphänomene und ermöglichen damit sowohl eine bes-
sere physikalische Erklärung der Vorgänge in der Hauptströmung als auch in den Casing
Treatments. Erst in den vergangenen Jahren konnte durch den Einsatz der numerischen
Strömungsmechanik (CFD) ein genauerer Einblick in die vorherrschenden Strömungs-
phänomene und somit in die Wirkungsweise von Casing Treatments erlangt werden.
Es ist schwierig, für einen gegebenen Verdichter ein „optimales“ Casing Treatment hin-
sichtlich Pumpgrenzerweiterung und Wirkungsgradverbesserung vorab zu entwerfen.
Die Simulation und die Experimente zu Casing Treatment von transsonischen Stufen
mit IGV hat gezeigt, dass eine erfolgreich getestete Casing Treatment Geometrie, welche
auf mehreren Verdichtern gut funktioniert, auf einem anderen Verdichter nicht die glei-
chen positiven Effekte zeigt.
Etwas einfacher zu analysieren sind Umfangsnuten auf subsonischen Verdichter-
stufen. Hier konnten wesentliche Beiträge zum Verständnis der Strömungsphänomene
sowie die Interaktionen mit der Hauptströmung geleistet werden. Weiterführende
Untersuchungen werden sich einerseits auf die Casing-Treatment-Geometrien an sich
und deren interne sowie interagierenden Strömungsphänomene konzentrieren, um das
Verständnis vor allem auch bei der Anwendung der Gehäusestrukturierungen auf ver-
schiedenen Verdichtergeometrien weiter zu verbessern.
Verdichter-Kennfeld
C
Druckverhältnis
Verbesserung des
Betriebsverhaltens:
Schaufelverstellung
Bleed-Ventile
m Tt Mehrwellen-Bauweise
Durchsatz red.
pt A
eine interne Verbesserung der Strömung im gestörten Verdichter wieder ein stabiler
Betrieb hergestellt werden.
Dies geschieht primär durch Zurücknahme des Brennstoffflusses und durch Öffnen
von Abblaseventilen. Im Falle von Einwellen-Turbojet-Triebwerken wird eine ähnliche
Wirkung durch Öffnen der Schubdüse erreicht. Bei mehrwelligen Triebwerken ist diese
Maßnahme nur wirksam, wenn entweder der Niederdruckverdichter selbst abreißt oder
aufgrund der hohen Belastung die Abströmbedingungen aus dem Niederdruckverdichter
so ungünstig sind, dass ein nachgeschalteter Verdichter zum Abreißen gebracht wird, da
die Schubdüse nur die Lage der Betriebslinie des Niederdruckverdichters beeinflusst.
Tritt die Instabilität im tiefen Drehzahlbereich auf, so handelt es sich um ein Problem
der rotierenden Ablösung. Dabei ist eine Zwischenstufenabblasung oder das Schließen
variabler Leitgitter besonders wirksam, da es die interne Abstimmung der Verdichter-
stufen verbessert und neben der durch die Brennstoffreduktion abgesenkten Arbeitsli-
nie auch die Abreißgrenze des Verdichters, sowie dessen Wirkungsgrad verbessert, was
zusätzlich eine Absenkung der Betriebslinie bedeutet.
Der am meisten gefürchtete Fall eines nicht auflösbaren Pumpens (lock-in surge) ist ent-
weder die Folge einer intensiven Eintrittsstörung, zum Beispiel als Folge zu hoher Anstellung
des Flugzeuges, oder einer schweren Beschädigung des Verdichters als Folge von Fremdkör-
perschäden oder einer Fehlreaktion des Regelsystems. Dabei können die zur Brennstoffsteu-
erung benützten Parameter nicht eindeutig unterscheiden, ob der betreffende Verdichter auf
430 4 Turbomaschinen-Komponenten
Turbofan-Bypass-Triebwerk
Anteil des Verdichtungssystems an den wesentlichen Triebwerkspar ametern
der primären oder tertiären Charakteristik arbeitet, bzw. die fluktuierenden Drücke während
des Pumpens nicht ausreichend berücksichtigt. Im ersten Fall muss die Störung reduziert, das
heißt der Anstellwinkel verringert werden. Im zweiten Fall kann nur eine Leistungsreduktion
mit Öffnung der Düsen und Abblaseventile eine mögliche Hilfe sein. Im dritten Fall muss
das Regelungssystem in Verbindung mit den Sensoren zur kontrollierten Brennstoffzufuhr
so abgestimmt werden, dass ein stabiler Betrieb herbeigeführt wird, was mit einer digitalen
Regelung möglich ist. Dies ist umso mehr der Fall je größer die eventuelle Hysterese-Schleife
zwischen der primären und der tertiären Charakteristik ist. Im Falle eines nicht auflösba-
ren Abreißens hilft nur die Unterbrechung der Brennstoffzufuhr für einige Sekunden, um
den Verdichter vollständig zu entlasten und eventuelle rotierende Ablösesysteme zum Ver-
schwinden zu bringen (fuel blipping). In manchen Fällen muss das Triebwerk vollständig
abgeschaltet, auf kleine Drehzahlen verzögert und neu angelassen werden.
Axialverdichter C mehrstufig
Subsonic C Transsoni c C Transsoni k-Wide Chord C
50
0,55 C
ηthGT GE90 Trent
Gesamtdruckverhä ltnis OPR zivil PW4098
40 PW4084
0,50
therm. Wirkungsgrad
V2500
0,45 30 J90
CF6
RB211
J79
0,30
10
BMW003
Verdichter stellen neben den stark gekühlten Hochdruckturbinen (Abschn. 4.3.7) die tech-
nologisch anspruchvollste Sektion eines Antriebssystems dar. Die Verdichtersektion benötigt
bei einem Triebwerk mehr als die Hälfte der Triebwerksgesamtlänge.
Die Gesamtdruckverhältnisse und damit die Stufendruckverhältnisse der Verdich-
ter sind in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen (Abb. 4.2-96) wie
dies zum Beispiel in Abschn. 1.4 und Abb. 4.2-27 gezeigt wurde. Dies erfordert jedoch
aus Gründen der aerodynamischen Stabilität ein kleines Höhen-/Seitenverhältnis (aspect
ratio) für die Beschaufelung, was sich wiederum negativ auf die Baulänge auswirkt,
sodass sich letztlich an dem hohen prozentualen Längenanteil im Triebwerk wenig geän-
dert hat. Ohne Berücksichtigung eines Nachbrenners liegt auch bei militärischen Trieb-
werken der Längenanteil des Verdichtungssystems am gesamten Turbotriebwerk in der
gleichen Größenordnung.
Die Masse bzw. das Gewicht der Verdichter stellt an der Triebwerksgesamtmasse
knapp die Hälfte dar. Das liegt daran, dass in den ersten Stufen auf Grund eines niedri-
gen Temperaturniveaus leichte Werkstoffe wie z. B. Titan eingesetzt werden können, die
dem gegenüber auf der Turbinenseite nicht in gleichem Maß einsetzbar sind.
Beim Verdichter fallen die anteiligen Herstell- und Wartungskosten mit 30 bis 40 %
relativ gering aus. Ein Grund dafür sind die hohen Kosten in den Turbinenkomponen-
ten. Dort erfordern hohe Gastemperaturen eine aufwendige Kühlung der Beschaufelung.
432 4 Turbomaschinen-Komponenten
Umlenkung
dargestellt anhand der St
Stufendruckverhältnis
Umfangs-Mach-Zahl bzw.
der korrigierten, mittleren 1,6 00
Umfangsgeschwindigkeit. 20
Darstellung nach Steffens
und Schäffler [Ste00] für den 85 Entwicklungszeit
Zeitraum der Jahre von 1960
1,4 19
um das Jahr
bis 2000
65
1,2 19
Mach-Zahl
200 250 300 350 400 450
uM m
Umfangsgeschwindigkeit ucorr= s
Tt / 288
Die Kühlsysteme sind in der Herstellung sehr aufwendig und teuer und zudem im
Betrieb auch einem erhöhten Verschleiß unterworfen
Bis in die Mitte der 1960er Jahre war der Unterschallverdichter mit maximalen Mach-
Zahlen um M = 0,80 bis 0,85 im Einsatz und erst die nächste Generation von zivilen und
militärischen Triebwerken um 1968 bis 1972 setzte konsequent den transsonischen Ver-
dichter ein, dessen Entwicklung bereits 1953 begann und vorwiegend von der NACA,
dem Vorläufer der NASA, in den USA getragen wurde (Abschn. 4.2.4).
Diese Verdichtergeneration verdoppelte die pro Stufe zugeführte spezifische Energie
von 21 auf etwa 42 kJ/kg. Mit der neuen Generation der „Wide Chord“ Verdichter, also
Verdichter mit kleinem Schaufel-Streckungsverhältnis, steigt dieser Energieumsatz pro
Stufe auf 60 bis 75 kJ/kg. Die Steigerung der spezifischen Energiezufuhr und damit des
erreichbaren Stufendruckverhältnisses hängt von drei Parametern ab, dem Mach-Zahl-
Niveau, der Umfangsgeschwindigkeit und der Strömungsumlenkung im Rotor-Gitter
(Laufrad), also der Leistungsziffer bzw. der Energiezahl Ψ.
Als Erläuterung dazu und zur Ergänzung der Darstellung von Schäffler und Steffens
in [Ste01] wird hier der Zusammenhang der wichtigsten Einflussgrößen auf das Druck-
verhältnis von Verdichterstufen und damit auch deren historisch-technische Entwick-
lung (Abb. 4.2-97) erläutert:
Für das Verdichterdruckverhältnis gilt
�ht C um
�C = f(�, Mu ) = f 2 , √ . (4.2-110)
um /2 Tt1
4.2 Turboverdichter 433
ht C = u cu ≈ u2 .
Damit ergibt sich mit der entsprechenden Energiezahl bzw. der Leistungsziffer
�ht C u2m
�= und daraus �ht C = �
u2m /2 2
aus Gl. 4.2-112 ein Stufen-Druckverhältnis
κ κ
u2m ηC is um 2 κ−1
κ−1
1
C = +1 = ηC is √ +1 (4.2-113)
2 cp Tt 1 2 cp Tt 1
Rotordurchmesser 0,38 m
Nabenverhältnis 0,51
Abb. 4.2-101 Rotor 1
der Transsonik-Stufe in
konventioneller Auslegung,
einteilig in Titanlegierung
und BLISK-Bauweise (bladed
disk) und radial aufgefädelten
Profilschnitten [Bla00a]
Rotor 1 Rotor 2
Blisk (Bladed Disk) Rückwärtspfeilung (CFK Rotor)
Lean (Neigung) Eine Schaufel besitzt Lean, wenn die Bezugslinie in Umfangsrich-
tung nicht senkrecht zu den Seitenwänden (Nabe und Gehäuse) steht. Analog zur
Pfeilung beschreibt Lean die Abweichung des Winkels zwischen Rotationsstromflä-
che und Bezugslinie vom rechtenWinkel. Für den Begriff Lean ist in der Fachlite-
ratur auch der Begriff Dihedral zu finden, der speziell in der Flugzeugaerodynamik
die Abweichung vom rechten Winkel zwischen Rumpf und Flügel bezeichnet (die
sogenannte V-Stellung). Ähnlich wie bei Sweep existieren auch bei Lean die Begriffe
Straight Lean und Compound Lean. Für Compound Lean wird auch die Bezeichnung
Bow verwendet.
Rotor 1 Mit dem ersten Ziel der vergleichenden Arbeiten an verschieden ausgelegten
Rotoren, hier Nummer 1 und 2, sollte ein Beitrag zum Verständnis der Auswirkungen
besonders der Schaufelblatt-Pfeilungen auf die Strömung in transsonischen Axialver-
dichtern geleistet werden.
Die spätere Auslegung von Rotor 2 erfolgte auf Basis des bereits vermessenen Rotors
1 mit einer konventionellen Beschaufelung aus Titan. Die Beurteilung des gepfeilten Ent-
wurfes konnte so im direkten Vergleich erfolgen. Dieser Vergleich wurde numerisch mit
Hilfe verschiedener kommerzieller CFD-Rechenverfahren durchführt. Der Vergleich
sollte dabei Antworten darauf geben, in wieweit eine Pfeilung die Leistung des Verdich-
ters, das Stabilitätsverhalten des Verdichters und die Lage und Struktur der Verdich-
tungsstoß-Systeme auch unter dem Einfluss von Effekten der Sekundärströmungen wie
Spaltströmungen beeinflusst.
Bei Rotor 1 lag der Schwerpunkt bei der aerodynamischen Auslegung der Beschau-
felung für den Auslegungspunkt A. Nach der Vorauslegung wurde als abschließendes
Berechnungsverfahren bei der Auslegung der Stufe eine „quasi-dreidimensionale“ Q3D
Rechnung mit Überlagerung zweier 2D Rechnungen verwendet.
Die S1 Rechnungen (Abschn. 4.1.3) basierten auf der Lösung der zweidimensionalen
Euler-Gleichungen mit nachgeschalteter Grenzschichtrechnung. Die dreidimensiona-
len Strömungsphänomene, welche in einer transsonischen Verdichterstufe eine erhebli-
che Rolle spielen, wie zum Beispiel die Interaktion zwischen Spaltwirbel und Kanalstoß
sowie die Blockagewirkung der Gehäusegrenzschicht, konnten bei diesen Verfahren nur
mit Hilfe empirischer, stark vereinfachender Korrelationen berücksichtigt werden. Zur
Bestimmung des Stufenkennfeldes für Rotor Nr. 1 kam schließlich ein 3D Euler-Verfah-
ren zum Einsatz.
438 4 Turbomaschinen-Komponenten
Rotor 2 Bei dem Entwurf des Rotors Nr. 2 wurde der Ansatz verfolgt, mit einer drei-
dimensionalen Schaufelgeometrie den Verdichtungsstoß so zu beeinflussen, dass die
Verluste verringert werden. Nicht nur die Stoßverluste steigen mit zunehmender Vor-
stoßmachzahl deutlich an, ab einer gewissen Stoßstärke erhöht sich auch die Gefahr
einer stoßinduzierten Grenzschichtablösung. Die damit verbundenen Verluste können
die eigentlichen Stoßverluste noch übertreffen.
Der Grundgedanke bei dem Entwurf war daher, mit einer Rückwärtspfeilung des
Schaufelblattes die Stromabneigung des Verdichtungsstoßes zu vergrößern. Ähnlich wie
4.2 Turboverdichter 439
Rotor 1 Rotor 2
Abb. 4.2-103 Mach-Zahl-Verteilung auf der Saugseite nach 3D RANS Rechnungen für die Rotoren
1 und 2 [Bla00a]
Rotor 1 Rotor 3
Blisk (BladedDisk) Vorwärtspfeilung
0,18
[m]
0,16
Radius
0,14
0,12
0,10
Abb. 4.2-104 Rotor 3 mit vorwärts gepfeilten Schaufeln im Vergleich mit Rotor 1 sowie der Pro-
jektion der Schaufelkanten der beiden Rotoren in der S2-Ebene [Kab03a]
Rotor 3 Bei dem wieder als Titan-Blisk ausgeführten Rotor 3 erfolgte die gesamte Aus-
legung mit einem 3D-RANS-Verfahren. Als logische Weiterführung sollte mit dem
Entwurf untersucht werden, inwieweit sich mit einer Vorwärtspfeilung der Rotor-
schaufeln die Verluste verringern lassen und der Arbeitsbereich sich vergrößern lässt
(Abb. 4.2-104).
Dazu wurde die Schaufelzahl um zwei von 16 auf 14 reduziert, um eine gegenüber
Rotor 1 vergleichbare Teilung zu erhalten, die Sehnenlänge um ca. 20 % vergrößert und
die Schaufelvorderkante soweit stromauf geneigt, wie es die Festigkeit zuließ.
4.2 Turboverdichter 441
Druckmessung
Stator-Eintritt mit
Sondenkamm
3D-Laser-2-Focus-Meßsystem
(3D-L2F) im Rotor
Abb. 4.2-105 Druckmessung mit Sonden am Stator-Eintritt (Bild oben) und berührungslos arbei-
tendes Meßsystem 3D-Laser-2-Focus-Verfahren (3D L2F) des DLR (Bild unten) zur Analyse des
Strömungsfeldes [Bla00a]
Untersuchungen hatten ergeben, dass mit diesen Maßnahmen eine Reduzierung der
aerodynamischen Belastung der Blattspitze einhergeht. Dies führte zu einer schwäche-
ren Spaltströmung, damit zu einer geringeren Interaktion zwischen Spaltwirbel und Ver-
dichtungsstoß und so zu einer Verringerung der für die Hauptströmung ungünstigen
Blockage.
Zur experimentellen Bestimmung des Verdichterkennfeldes auf dem Prüfstand der
TU Darmstadt mit einer üblichen Standard-Instrumentierung für stationäre und insta-
tionäre Strömungsvorgänge wurde zur genaueren Analyse der Strömung im Verdich-
ter-Rotor (Laufrad) besonders ein Laser-2-Focus-Verfahren (L2F) des DLR eingesetzt
(Abb. 4.2-105).
Die Kennfeldmessungen und die CFD-Rechnungen (Abb. 4.2-106) des Rotors 1 und 3
bestätigen die eingesetzte Auslegungsphilosophie. Im direkten Vergleich zu Rotor 1 wird
der vergrößerte Arbeitsbereich von Rotor 3 deutlich. Um die Leistungsfähigkeit des Ver-
dichters global beurteilen zu können, sind zunächst die Mittelwerte des Totaldruckver-
hältnisses und des Wirkungsgrads über dem auf ISA-Eintrittsbedingungen korrigierten
Massenstrom für einige konstante, korrigierte Drehzahlen dargestellt.
Für den Basisentwurf der Stufe mit Rotor 1 liegen vergleichbare Messungen mit iden-
tischem Versuchsaufbau und identischer Instrumentierung nur für die Drehzahlen von
80, 90 und 100 % der Nenndrehzahl vor.
442 4 Turbomaschinen-Komponenten
0,90
ηC is
0,86
0,82
isentr. Wirkungsgrad
0,78
n=100%
90%
0,74 80% Rotor 1
radial gefädelt
0,70 65%
50%
0,66 Rotor 3
40%
30% Vorwärtspfeilung
0,62
4 3
C Rotor 1
1,5 Rotor 3 radial gefädelt 2
Vorwärtspfeilung 6
1,4 7
Ddruckverhältnis total
5 1
1,3 n=100%
90%
1,2 80%
1,1
65%
50%
30% 40%
1,0
4,0 6,0 8,0 10,0 12,0 14,0 16,0
Massenstrom red. [kg/s]
Wie aus dem Kennfeld hervorgeht, konnte das Auslegungsziel im Bereich von 80 bis
100 % Drehzahl eindeutig erreicht werden. Der Arbeitsumsatz der Stufe mit Rotor 3 ist
im Vergleich zu Rotor 1 in jedem gemessenen Betriebspunkt besser oder gleich. Im Wir-
kungsgradmaximum ist Rotor 1 bei 80 % Drehzahl geringfügig besser.
Der wesentliche Zugewinn ist der erheblich größere Arbeitsbereich von Rotor 3. Das
linke Ende der jeweiligen Drehzahllinien ist durch den letzten Betriebspunkt gekenn-
zeichnet, an dem noch ein stabiler Betrieb des Verdichters und die Durchführung einer
Kennfeldmessung möglich sind. Auf der 90 % Drehzahllinie fällt der Druckaufbau vor
dem Eintritt der Instabilität erheblich ab, ein Phänomen, das nur bei dieser Drehzahl
beobachtet werden konnte.
Um von experimenteller Seite genaueren Aufschluss über die Qualität des Strö-
mungsfeldes zu erhalten, werden in Abb. 4.2-107 an ausgewählten Punkten einige
Eckdaten einander gegenübergestellt. Die meist paarweise ausgezeichneten Punkte
wurden unter dem Gesichtspunkt der gleichartigen Verbrauchercharakteristik
ausgewählt und haben daher keine exakt gleichen Werte von Massenstrom oder
Druckverhältnis.
4.2 Turboverdichter 443
Nr. n m R1 m R3 R1 R3 Anmerkung
0,8
Bereich Rotor 3
optimaler Vorwärtspfeilung
Wirkungsgrade
rel. Kanalhöhe
0,6 Rotor 1
radial gefädelt
0,4
0,2
0,0
1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7
Totaldruckverhältnis C Verdichterstufe
In der Tabelle in Abb. 4.2-108 sind die im Kennfeld ausgezeichneten Punkte von beson-
derem Interesse jeweils für Rotor 1 (R1) und Rotor 3 (R3) in einer Gegenüberstellung.
In den Diagrammen in Abb. 4.2-108 und 4.2-109 werden die radialen Verteilungen
des Totaldruckverhältnisses am Stufenaustritt für die beiden interessanten Betriebspunkte
(2) und (4) bei bestem isentropen Wirkungsgrad und an der Stabilitätsgrenze einander
gegenübergestellt.
Im Punkt 2 arbeiten beide Rotoren im Punkt des besten Wirkungsgrades. Dieser wird
in beiden Fällen bei einem Massenstrom leicht oberhalb des Auslegungsmassenstroms
von 16 kg/s erreicht. Die Drosselstellung und damit die Verbrauchercharakteristik sind
für beide Rotoren identisch.
444 4 Turbomaschinen-Komponenten
Rotor 1 pfeilung
0,6 radial gefädelt
0,4
0,2
0,0
1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 1,7
Totaldruckverhältnis C Verdichterstufe
Die Stufe mit Rotor 3 kann den Wirkungsgrad um gut einen Prozentpunkt steigern
bei einem gleichzeitig höheren Totaldruckverhältnis. Aus der radialen Verteilung wird
deutlich, wie Rotor 3 mit zunehmendem Radius mehr Arbeit verrichten kann.
Die Vorwärtspfeilung kommt hier insofern zum Zuge, als sie Strömung in Rich-
tung des Gehäuses verlagert, wo aufgrund der höheren Umfangsgeschwindigkeiten der
Arbeitsumsatz größer ist.
Mit Punkt 4 ist der letzte gemessene, stabile Betriebspunkt der Stufe mit Rotor 3
angegeben. Auch hier führt ein weiteres Androsseln reproduzierbar und eindeutig zum
Eintritt von Rotating-Stall. Zum rein qualitativen Vergleich ist in diesem Bild noch der
radiale Druckaufbau der Stufe mit Rotor 1 am Punkt 3 dargestellt (Abb. 4.2-106 und
4.2-107).
Es wird deutlich, wie kurz vor Erreichen der Stabilitätsgrenze bei Rotor 3 eine wei-
tere, deutliche Umverteilung des Arbeitsumsatzes zum Gehäuse hin stattfindet. In der
Kanalmitte geht der Druckaufbau hingegen schon wieder zurück, was auf die zuneh-
mende Fehlanströmung in den Statorschaufeln und die daraus resultierende wirksame
Blockage für die Rotorschaufeln zurückzuführen ist. Die Verhältnisse an der Blattspitze
lassen bereits an dieser Stelle darauf schließen, dass der Einsatz des Forward Sweep den
gewünschten Effekt erzeugt. Der Arbeitsbereich der Stufe mit Rotor 3 ist erheblich größer.
Der Entwurf des Rotors 2 basiert auf der Überlegung, mit einer Rückwärtspfeilung
der Schaufelblätter (aft-sweep) die Stromabneigung der Verdichtungsstöße zu vergrö-
ßern. Die damit verbundene Verringerung der Stoßverluste sollte zu einer Steigerung des
Wirkungsgrades führen.
Wie die Untersuchung vergleichbarer Rotoren zum Beispiel nach [Hah98] zei-
gen, richtet sich der Stoß im Blattspitzenbereich auf. Wegen der kinematischen
4.2 Turboverdichter 445
Stromlinie Stromlinie
Rückwärts- Vorwärts-
pfeilung pfeilung
Abb. 4.2-110 Einfluss de Gehäusewand auf die Stoßlage und das Aufrichten des Verdichtungs-
stoßes bei Rückwärtspfeilung (aft sweep) von Rotor 2 [Hah98] und Vorwärtspfeilung (forward
sweep) von Rotor 3 [Kab03a]
1,60
Rotor 3
C Vorwärtpfeilung
1,55
Totaldruckverhältnis
Rotor 1
radial
1,50
Stabilitätsgrenzen
1,45
Rotor 2
Rückwärtspfeilung
1,40
1,30
12 13 14 15 16 17
Massenstrom red. [kg/s]
Abb. 4.2-112 Rechennetze Rotor 3 in der S2-Ebene (oben) und der S1-Ebene (unten) nach [Kab03a]
1,0
Streckungsverhältnis h / l
Abb. 4.2-113 Auswirkungen des Schaufel-Streckungsverhältnis h/l (aspect ratio) auf die Leistungs-
ziffer ΨM, also die Umlenkung der Gitterströmung [Ste00, Wal99]
Vorauslegung: Stromlinien-Krümmungsmethode
R1 R2 R3 R4 R5 R6
3
8-stufig
7-stufig
Gesamte Schaufelzahl
2 6-stufig
5-stufig
1
C = 10,5
SM = 25%
t/l = const.
0
0,5 1,0 1,5 2,0
Streckungsverhältnis h/l
8-stufigen Auslegung ergab die 5-stufige Version mit sehr kleinen Schaufelzahlen aero-
dynamisch und mechanisch höhere Belastungen, was in ihren Schaufelkonturen kompli-
ziertere 3D-Geometrien erforderte und damit größere Stückkosten gegenüber einfacher
gestalteten Schaufeln.
450 4 Turbomaschinen-Komponenten
1,5
1,3
5-stufig
Drehzahl red.
1,1 6-stufig
7-stufig
0,9 8-stufig
0,7 C = 10,5
SM = 25%
t/l = const.
0,5
0,5 1,0 1,5 2,0
Streckungsverhältnis
1,02
isentr. Wirkungsgrad rel.
1,00 8-stufig
7-stufig
0,98 6-stufig
0,96
5-stufig
0,94
C = 10,5
0,92 SM = 25%
0,5 1,0 1,5 2,0
t/l = const.
Streckungsverhältnis
Mit Abb. 4.2-116 der gleichen Studie wird deutlich, wie sich gegenüber der 8-stufi-
gen Version für die 5-stufige Auslegung eine wesentliche Steigerung der reduzier-
ten Drehzahl ergibt und somit die mechanische Belastung zunimmt. Um eine zu hohe
Schaufelzahl des 8-stufigen Verdichters zu vermeiden, wurde bei dieser Version das Tei-
lungsverhältnis gegenüber der 5-stufigen Auslegung bereits um 15 % erhöht.
Die Abhängigkeit vom Streckungsverhältnis fällt deutlich geringer aus. Da die schlan-
keren Schaufeln lediglich eine geringere aerodynamische Belastung ertragen als ein ent-
sprechendes Design mit kleinem Streckungsverhältnis, muss der jeweilige Verdichter mit
höherer Drehzahl betrieben werden.
Die mit der Reduzierung der Stufenzahl steigenden Drehzahlen bei der 5-stufigen
Auslegung führen neben wachsenden mechanischen Belastungen der Rotorscheiben zu
sehr hohen Anström-Machzahlen innerhalb der Schaufelgitter. Dabei nehmen die Ver-
luste stark zu, was zur Verschlechterung der Wirkungsgrade führt wie Abb. 4.2-117 zeigt.
4.2 Turboverdichter 451
Auch diese Ergebnisse sind auf den isentropen Wirkungsgrad des 6-stufigen Basis-Ver-
dichters mit Streckungsverhältnis 1 bezogen.
Die Ergebnisse der Auslegungsstudie relativ zur Basis-Version zusammengefasst erge-
ben, dass die Verringerung der Schaufelzahlen durch Reduzierung der Verdichterstufen
und das damit verbundene Einsparpotential an Herstellungskosten mit einer Erhöhung
der mechanischen Belastung und mit einer Verschlechterung des Verdichterwirkungs-
grades erkauft wird.
Mit Reduzierung der Stufenzahlen lässt sich zunächst auch ein Massenvorteil erzielen,
aufgrund der steigenden mechanischen Belastung insbesondere in den Verdichterschei-
ben kann dieser Vorteil jedoch rasch abnehmen. Eine sorgfältige,optimierte Abwägung
der Vor- und Nachteile unter Beachtung der Auslegungsziele des Triebwerks ist drin-
gend erforderlich.
Die optimale Abstimmung der aerodynamischen und mechanischen Auslegung
der Verdichtersektion unter Beachtung zahlreicher Anforderungen einschließlich der
Berücksichtigung der Herstellungs-, Betriebs- und Wartungskosten sollte bereits wäh-
rend der einzelnen Phasen der Projektstudien vorgenommen werden. Wie die ver-
einfachte Projektierungsstudie zeigte, besteht die Kernaufgabe bei der Auslegung
mehrstufiger Verdichter in der eng abgestimmten aerodynamischen und mechanischen,
also der aeromechanischen Gestaltung (Abschn. 4.2.10).
Zu dem hier betrachteten Beispiel des 6-stufigen HP-Verdichters sollen deshalb
lediglich einige kurze Hinweise zur aerodynamischen und teilweise mechanischen
Auslegung aufgezeigt werden. An weiteren ausgewählten Beispielen wird im folgenden
Abschn. 4.2.10 auf die Bedeutung der Aeromechanik detaillierter eingegangen.
Stator-Schaufeln
mit Bow ohne Bow
Gehäuse
1,8 Basisprofil
M
Rückwärtspfeilung
1,5 VK
Mach-Zahl
Vorwärtspfeilung
1,2
Nabe
0,9 Basisprofil
0,6
Rückwärtspfeilung
0,3 Basisprofil
Vorwärtspfeilung
Rückwärtspfeilung
0,0
0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
X / BM Vorwärtspfeilung
IGV R1 R2 R3 R4 R5 R6
Abb. 4.2-121 Druckverteilung für einen 6-stufigen Hochdruckverdichter HPC mit Vorleitrad IGV,
Nachrechnung mit 3D-Navier-Stokes-Verfahren. Darstellung nach FA. MTU Aero Engines [Ebe03]
VL R1 R2 R3 R4 R5 R6
Arbeitslinie
Pumpgrenze Volllast-
C Messung drehzahl
Rechnung
Totaldruckverhältnis
Neuauslegung WL
Referenz-
verdichter
Teillast-
drehzahl
Durchsatz red.
3D Rotor-Schaufel
(Swept)
6-stufiger HP-Verdichter
3D-Beschaufelung
Rotor-Schaufeln mit Pfeilung (Swept)
Stator-Schaufeln mit Bow 3D Stator-Schaufel
(Kombination aus Umfangs- und radialer Neigung (Bow)
Abb. 4.2-124 Rotor des 6-stufigen Hochdruckverdichters HPC nach Auslegung und Entwicklung
der MTU Aero Engines nach den Bildern 4.2-115, 4.2-116, 4.2-117. Darstellung nach Fa. MTU
Aero Engines [Ste03B, Hen12B]
Konstruktion
Kosten-Effizienz Wartung
Bei der Konzeption und dem Bau effizienter Flugtriebwerke stellen der Entwurf und
die interdisziplinäre Entwicklung von Hochleistungs-Verdichtern die wichtigste Kern-
aufgabe dar. Aufgrund der hohen aerodynamischen und mechanischen Belastung aller
Verdichterteile bis zur Grenze der Fähigkeiten verfügbarer Werkstoffe ist die Ausle-
gung und Gestaltung nur im interdisziplinären Arbeitsablauf zwischen Aerodynamik,
Schwingungsmechanik und Festigkeit durchführbar. Dies trifft vornehmlich auf die
Beschaufelung und die Rotor-Scheiben zu. Mit Abb. 4.2-126 und umfassender später in
Abb. 4.2-140 wird im Überblick schematisch gezeigt, wie dabei im Mittelpunkt die Aero-
dynamik, die Mechanik und da besonders die Schwingungsmechanik, zusammen also
die Aeromechanik, stehen. Dabei ist stets in allen Bereichen die Kosten-Effizienz, die
Lebensdauer, die Wartung und die Sicherheit des Gesamtsystems Gasturbine und beson-
ders Flugtriebwerk durchgehend zu berücksichtigen.
Die Mechanik und die Fertigungs-Technologie, besonders verbunden mit den
kaum vermeidbaren Schwingungsproblemen, haben in den vergangenen Jahren in
enger Verbindung mit der CFD-basierten Fluidmechanik neben dem Kostenfaktor
einen dominierenden Einfluss gewonnen. Da bereits in den vorstehenden Kapiteln und
Abschnitten grundlegende aerodynamische Gesichtspunkte der Verdichterauslegung
behandelt wurden, werden nun daran anschließend einige wesentliche Gesichtspunkte
458 4 Turbomaschinen-Komponenten
Abb. 4.2-127 Zeitliche ∆T Stufe
ψM=1,0
Entwicklungsbereiche für 2,0 75°
Verdichter in konventioneller 0,8
Stufen-Totaldruckverhältnis
verschiedenen Werkstoffen 1,8 60°
Rotor-Blisk
für Verdichterstufen Rotor Titan/Nickel
im Zusammenhang konventionell
1,6 Titan+Nickel 00 45°
von Druckverhältnis, 20
n g
Umfangsgeschwindigkeit Alu+Stahl
85 klu
und Leistungsziffer [Ste00]. 1,4 19 wic 30°
n t
Darstellung nach MTU Aero rE
de
Engines 65 hr
1,2 19 Ja 15°
Rotor
konventionell Blisk
1,0
250 300 350 400 450
u M m
Umfangsges chwindigke it ucorr =
Θ s
aus der Mechanik in ihrer Bedeutung bei der Entwicklung von Hochleistungsverdichtern
vorgestellt. Um auf die Einflüsse der einzelnen Gebiete im Hinblick auf ein kostengünsti-
ges Endprodukt hinzuweisen, soll damit auf den Zusammenhang der vielschichtigen und
wechselseitigen Einflüsse aufmerksam gemacht werden.
Mit der kontinuierlichen Entwicklung der Leistungsfähigkeit von Verdichtern wie
bereits in Abschn. 4.2.9 aus den Abb. 4.2-97, 4.2-114, 4.2-115, 4.2-116 und 4.2-117 zu
erkennen ist, tendierte mit den steigenden Umfangsgeschwindigkeiten die Stufen-Bau-
weise zu kleineren Streckungsverhältnissen um h/l ≈ 1. Die hohen Umfangsgeschwin-
digkeiten bei niedrigen Streckungsverhältnissen erlaubten hohe Stufendruckverhältnisse
und damit weniger Bauteile. Die damit allerdings verbundene höhere mechanische
Belastung der breiten und schwerer werdenden Schaufeln führte zu Schwierigkeiten bei
der Schaufelbefestigung und der Festigkeit der Scheiben selbst.
Die Lösung der Problematik bestand in einer integralen Schaufel-Scheibe-Bauweise,
der sogenannten Blisk-Bauweise (bladed integrated disk). In Abb. 4.2-127 werden dazu,
ergänzend zu Abb. 4.2-97 in Abschn. 4.2.9.1, die zeitliche Entwicklung und die Bereiche
konventioneller und integraler Blisk-Bauweisen sowie die dazu notwendigen hochwerti-
gen Werkstoffen wie Titan- und Nickel-Basislegierungen tendenzmäßig angegeben.
Fliehkraftspannungen
niedrig
Schaufel-Fuß
Spannungsspitzen
Schaufel-Höcker
Rotor-Nut
hoch
Schaufel-Scheiben-Segment FE-Modell
Sicherheit erheblich an. Für Schaufeln aus Titan waren die gestiegenen Anforderungen
auch mit aufwendigen Verschleißschutz- und Gleitmittelbeschichtungen nicht mehr
zu gewährleisten.
Für ein Schaufel-Scheiben-Segments wird als Beispiel in Abb. 4.2-128 ein typisches
FE-Modell mit berechneten qualitativen Spannungsverteilungen unter Fliehkraftbelas-
tung gezeigt. Neben den besonders kritischen Flächenpressungen in den Kontaktflächen
sind dabei schaufelseitig die unter Umständen Lebensdauer bestimmenden Zugspan-
nungen im Übergang von der Plattformunterseite zum Hals und im Übergang vom Hals
zur Tragflanke des Schaufelfußes von besonderem Interesse. Weiterhin sind scheibensei-
tig die Spannungskonzentrationen am Scheibenhöcker im Übergang zum Scheibenkör-
per und im Nutgrund besonders zu beachten.
Schwingungsanregung durch
instationäre
dynamische Lasten Goodman-Diagramm
Dauerfestigkeit
Schwingungs -Spannung
Hochfrequente M
itt
l
Schwingungen M ere
at u
er nd
ia
Stationäre lfe mi
st nim
Fliehkräfte ig
ke ale
it
Spannungen
im Betrieb
Statische Spannung
Grundschwingungsformen Verdichterschaufeln
Abb. 4.2-131 Elementare Schwingungsformen von fest eingespannten Verdichter-Blisk-Schau-
feln. Darstellung nach FE-Modellrechnungen von Klauke [Kla07]
Durch die Angabe der Knotenlinien, welche während des Schwingvorgangs in Ruhe
bleiben, wird eine Charakterisierung der Eigenformen ermöglicht. Die Eigenschwing-
formen unverstimmter Verdichter, bei denen sowohl die Rotor-Sektionen als auch alle
Schaufeln geometrisch und materialseitig identisch sind, können im Allgemeinen in drei
Kategorien unterteilt werden:
Dies sind zum einen die Scheiben-Schwingungen der Rotor-Ringe bzw. Blisk-Schei-
ben, zum andern die verschiedenen Schaufel-Schwingungen in den einzelnen Stufen
und schließlich die „gekoppelten“ Schwingungsformen. Auf die Schwingungen in Ver-
bindung mit Blisk-Scheiben wird bei den Darstellungen zu den Abb. 4.2-134, 4.2-135,
4.2-136, 4.2-137 und 4.2-138 nochmals eingegangen.
Bei vereinfachter Darstellung von Schaufelschwingungen kann die komplexe dreidi-
mensionale Gestaltung der Verdichter-Schaufeln vernachlässigt werden und die Schau-
feln als ebene Platten betrachtet werden.
Als elementare Eigenschwingformen der einseitig eingespannten Platte mit den nied-
rigsten Eigenfrequenzen können der 1. Biegemode, gefolgt vom 1. Torsionsmode ange-
geben werden. In Abhängigkeit von den geometrischen Abmessungen der Schaufeln
wechseln sich anschließend mit zunehmender Eigenfrequenz höhere Biege- beziehungs-
weise Torsionsmoden, aber auch komplexere Schwingungsformen sowie Mischformen
sind möglich.
Bei den im Betrieb auftretenden fremderregten Schwingungen sind insbesondere
die Nachlaufdellen umströmter Hinterkanten, hier der Schaufeln, und deren Vielfache
zu erwähnen, welche bei jeder Rotordrehung entsprechende Schwingformen anfachen
können. Werden die Nachlaufdellen, die stromabwärts einen lokalen Druckgradienten
erzeugen, während der Rotorumdrehung durchlaufen, so erfahren die Rotorschaufeln
eine mechanische Anregung in Höhe der Anzahl der Nachlaufdellen je Umdrehung. Die
Anzahl der sich einstellenden Nachlaufdellen bestimmt somit die Erregerordnung EO
(engine order). Neben der Anzahl an direkten Nachlaufdellen können auch Interaktionen
zwischen stromaufwärts und/oder stromabwärts liegenden Stator- und Rotor-Schaufeln
als Anregungsquelle wirken.
Zusammengefasst erfolgt die Resonanzabstimmung des Verdichters im Frequenz-
diagramm oder Campbell-Diagramm genannt (Abb. 4.2-132). Hier werden die
Eigenfrequenzverläufe einer Verdichterschaufel über der Drehzahl aufgetragen. Har-
monische Erregerordnungen zeigen sich als Ursprungsgeraden, als lineare Vielfache
der Drehzahl.
Für die Drehzahlabhängigkeit der Frequenzen sind zwei Effekte verantwortlich, die
Temperaturabhängigkeit des E-Moduls und die je nach Schwingungsform mehr oder
weniger starke Versteifung der Schaufeln aufgrund der elastischen Verformung im
Fliehkraftfeld.
Ziel der Frequenzauslegung des Verdichters ist die Sicherstellung der Betriebsfes-
tigkeit im gesamten Betriebsbereich von der Leerlauf-Drehzahl bis zur maximalen
Betriebs-Drehzahl. Frequenzen und Anregungsordnungen sollten so ausgelegt werden,
4.2 Turboverdichter 463
Campbell-Diagramm
Verdichter-Rotors-Stuf e
Min Steigflug Max
Leerlauf Reiseflug Vollast
Hz
Eigenfrequenzen
2.Torsionsmode
16.EO
48.EO
(Stator davor) 56.EO
(Stator dahinter)
1.Plattenmode
2.Biegemode 8.EO
1.Torsionsmode
5.EO
1.Biegemode 4.EO
3.EO
2.EO
1.EO
Arbeitsbereich
nmin Drehzahl nmax
Frequenz-Diagramm
Bestimmung kritischer Bauteil-Frequenzen
+/−σ dyn
500
[N/mm2]
400 σ = σstat +/−σ dyn
Schwingungs-Spannung
be D
300 i m auer
ittle fes
rer tigk
Ma eits
200 ter gre
ialf nz
est e
igk
eit
100 Betriebsbeanspruchung an der
limitierenden Position
0
0 200 400 600 800 1000 1200
Mittelspannung σstat [N/mm2]
Goodman-Diagramm Dauerfestigkeits-Diagramm
Ermüdungsgefährdung durch Schwingungs-Spannungen
uaxial norm
+1
Schaufel
0
1 5 9 13 17 21 25 29
-1
Knoten-
Durchmesserlinien
uaxial norm
+1
0
1 5 9 13 17 21 25 29
Schaufel
-1
Knoten-Durchmesserlinie
der Lebensdauer der Schaufeln prinzipiell als unkritisch dar, obwohl sich in diesem Fall
große Schwingungsamplituden einstellen können. Die Einteilung der Schwingformen
erfolgt gemäß ihrer Anzahl an Knotendurchmesserlinien (hier 2). Die maximale Anzahl
möglicher Knotendurchmesserlinien richtet sich generell nach der Schaufelanzahl z.
Die Schaufel-dominierte Schwingungsformen verhalten sich entsprechend der Dar-
stellung in Abb. 4.2-136, allerdings konzentriert sich die gesamte Verzerrungsenergie nun-
mehr auf die Schaufeln. Die Einteilung der Schaufelschwingungsformen wurde bereits in
Abb. 4.2-131 vorab gezeigt und orientierte sich dabei an Moden des einseitig „eingespann-
ten Balkens“. Fälle einer sich annähernden Verzerrungsenergieverteilung, wie in Abb. 4.2-137
gezeigt, werden mit dem Begriff „gekoppelte“ Schwingungsformen belegt.
Die zusammenfassende grafische Darstellung der möglichen Resonanzstel-
len des im Abb. 4.2-134 gezeigten Blisk-Rotors 3E-I ist mit dem zweidimensionalen
4.2 Turboverdichter 467
Knoten-
Durchmesserlinien
Leerlauf Maximum
Arbeitsbereich
2000
1.Torsionsschwingung
[Hz]
EO48
20
0
10
16
EO4
EO
EO
EO
1500
2. Biegeschwingung 8
Frequenz f
EO
1000
1. Biegeschwingung EO3
500
EO2
EO1
0
7 8 9 10 11 12 13 14 15 x 1000
Campbell-Diagramm Drehzahl n [1/min]
HP-Verdichter-Blisk Rotor 1
6-stufiger Referenz-HP-Verdichter
0,6
8
1,8
7 Wellendynamik
l
ah
nz
0,8 S
6
ufe
trec
kun
St
gsv
relative Masse
Abb. 4.2-139 Optimierung von Masse und Bauaufwand nach einer zusammenfassenden Projekt-
studie ausgehend von den Darstellungen in Abschn. 4.2.9 zu den Entwicklungsschritten für ein
HP-Verdichtersystems nach K. Rüd, MTU Aero Engines [Ste03B]
der Schaufelzahl als einem einfachen Maß für den erforderlichen Bauaufwand. Mit den
Gestaltungsgrenzen für geringe Masse, für Flatterstabilität des ersten Rotors und mit
Beachtung der aerodynamischen und mechanischen Belastung der Hochdruckturbine
ließ sich ein technologisch sinnvoll darstellbarer Bereich eingrenzen. Bemerkenswert ist,
dass das sehr schnelllaufende 5-stufige Verdichterkonzept mit der etwa 30 % niedrigeren
Laufschaufelzahl gegenüber dem effizienteren und leichteren 6- oder 7-stufigen Verdich-
ter vorteilhaft sein kann. Nach Berücksichtigung aller Gesichtspunkte wurde das Kon-
zept mit 6 Stufen gewählt und als Prototyp gebaut und erfolgreich getestet.
Wie in den vorstehenden Abschnitten erkennbar ist, stellen der Entwurf und die
Entwicklung eines Hochleistungs-Verdichters im Grenzleistungsbereich besonders
für Flugzeugantriebe eine intensiv ablaufende, interdisziplinäre Anstrengung zahlrei-
cher Fachgebiete dar. Aufgrund der hohen Belastung aller Bauteile bis zum technolo-
gischen Grenzbereich verfügbarer Werkstoffe ist die Gestaltung nur im kontinuierlich
interaktiven Prozess besonders zwischen Aerodynamik, Schwingungsmechanik und
Scheibenfestigkeit lösbar. Wie in Abb. 4.2-140 gezeigt wird, stehen dabei besonders die
Aerodynamik und die Schwingungsmechanik im Mittelpunkt.
Im Gegensatz zu früheren Jahren in denen zum Beispiel mit der Einführung des
Werkstoffes Titans neue Freiräume für den Entwicklungsingenieur entstanden und der
Aerodynamiker mit gut tragbaren Einschränkungen die Verdichter gestalten konnte, hat
anschließend an diese Zeit die Mechanik einen dominierenden Einfluss gewonnen. Nur
durch intensive gemeinsame Anstrengung auf allen Fachgebieten kann mit den verfüg-
baren Mitteln hier ein technologisch effizientes und wirtschaftliches Produkt entstehen,
bei dem auch die Anforderungen im Hinblick auf kontrolliertes und überwachtes Leis-
tungs- und Betriebsverhalten, auf Lebensdauer sowie auf Herstellungs- und Wartungs-
kosten stark angewachsen sind. Die Aeromechanik stellt dabei jedoch die dominierende
Herausforderung zur Entwicklung, zur Fertigung und zur Erprobung eines Turbover-
dichters dar, dem Verdichter als Schlüsseltechnologie für erfolgreiche Flugzeugantriebe.
4.3 Turbinen
Aero-Mechanische Verdichter-Entwicklung
Entwurf-Spezifikation Verdichter-Vorentwurf
> Durchsatz, Druckverhältnis,Wirkungsgrad, > Mittelschnitt-Auslegung, Massenströme
> Stabilitätsgrenze , Pumpgrenze > S2-Mehrschnitt-Berechnung
> Umfangsgeschwindigkeiten > Kennfeld, Stufen-Abstimmung
> Off-Design Anforderungen > Ringraum, Form, Geschw.-Vektoren
Aerodynamische Gestaltung
2D-Schaufelprofil S1-Auslegung
2D Profil-Vorentwurf S1-Stromfläche Gitter
subsonisch transsonisch
Aero-
Mechanische
Analyse
3D CFD-Auslegung
3D NS Stufen Berechnung
3D NS Sekundäreffekte
CT, Cavities, Konturierung
3D NS 3D Mehrstufen-Berechnung
Stufen-Abstimmung
Mechanisch-Dynamische Gestaltung
Erprobung
Aerodynamische
Leistungs-und Stabilitätsabschätzung
Mechanische Belastung
Festigkeitsgrenzen, Schwingungen
Demonstrator
Konstruktion Prüfstand Test
Abb. 4.3-1 Turbinen-Sektion eines Zweiwellen-Bypass-Triebwerk (GP 7000 der Firmen GE, PW,
MTU u. a.) mit 2-stufiger, gekühlter Hochdruckturbine HPT und 6-stufiger Niederdruckturbine
LPT sowie mit aktiver Gehäuse-Spalt-Kontrolle ACC. Gesamt-Startschub F0/0 = 340 kN, BPR = 8,7,
Gesamtdruckverhältnis OPR = 45, Gesamtdurchsatz im Einlauf ṁE = 1360 kg/s, Heißgasdurchsatz
Turbinensektion ṁLPT ≈ 140 kg/s. Darstellung nach MTU Aero Engines [Ste03B, Hen12B]
S2-Stromlinien-Rechnung Quasi-3D-Auslegung
Turbinen-Kennfeld
Betriebsverhalten in allen Lastbereichen
Abb. 4.3-2 Gasdynamischer Auslegungsprozess für Turbinen von 2-D- und 3-D- Stator- und Rotor-
Gittern. Darstellung nach MTU Aero Engines
Bei Turbinen werden wie im Turboverdichterbau axiale, radiale und ge- mischte bzw.
diagonale Bauweisen von der Hauptströmungsrichtung des Arbeitsmediums her gesehen
unterschieden (Abschn. 4.1). Bei großen Fluidströmen herrscht die axial beaufschlagte
Turbine besonders im Flugtriebwerksbau vor. Bei sehr kleinen Triebwerkseinheiten
wie Fahrzeug-Gasturbinen [Gas67B, Hei77, Wal91B] und bei Hilfsaggregaten APU von
Flugzeugen sind radial von außen nach innen durchströmte, häufig einstufige Radialtur-
binen (Zentripetalturbinen) zu finden.
Nach den Arbeitsprozessrechnungen im Auslegungspunkt A von Gasturbinen-Anla-
gen oder Turboluftsrahltriebwerken wie sie in Abschn. 2.3 bis 2.9 und in Kap. 7 und 8
mit Leistungssyntheserechnungen dargestellt werden, sind die wichtigsten gasdynami-
schen Größen und Randbedingungen zur detaillierten Auslegung der Turbinensektion
bekannt. Dies sind in den wesentlichen Turbinen-Ein- und -Ausströmebenen zum Bei-
spiel die Heißgas- und Kühlluft-Massenströme, die wichtigsten Zustandsgrößen wie
Temperaturen und Drücke, die Drehzahlen und die Umfangsgeschwindigkeiten sowie
aus technologischen und konstruktiven Vorauslegungen auch die Gestaltung der Strö-
mungskanäle. Damit können für die Mittelschnittrechnungen und die Ringraumkanäle
verschiedene Auslegungsparameter gewählt und vorgegeben werden, sodass die jeweili-
gen gewünschten Entwurfsziele gut erreicht werden können.
Die wesentlichen Ziele der Komponentenauslegung sind bei Hochleistungsturbinen
vornehmlich hohe Wirkungsgrade, kleine Volumen, besonders geringe Massen bei hoher
Lebensdauer und minimale Kosten. Zur Erreichung dieser Ziele sind oft gegenläufige
Maßnahmen notwendig, sodass der frühzeitige Einsatz von entsprechenden Optimie-
rungsstrategien angebracht ist. Einen Überblick zum Ablauf und den Methoden des Turbi-
nen-Auslegungsprozesses für 2-D- und 3-D-Schaufelgitter wird in Abb. 4.3-2 gegeben.
4.3 Turbinen 473
Stator S (Leitrad)
Rotor R (Laufrad)
Abb. 4.3-3 Beispiel einer Stator- und Rotor-Schaufel einer ungekühlten Niederdruckturbine LPT
(Quelle MTU Aero Engines) [Ste03B, Hen12B]
Abb. 4.3-4 Stator- und Rotor-Schaufeln einer gekühlten Hochdruck-Turbine HPT mit verschie-
denen Strukturen von Kühlluftbohrungen. Darstellung nach MTU Aero Engines [Ste03B, Hen12B]
Um die Arbeitsweise einer einfachen Turbinenstufe zu erläutern, wird zuvor der all-
gemeine Fall einer Stufe mit axialer Hauptströmungsrichtung und schwach konisch
verlaufendem Kanal betrachtet, bei dem nur geringe radiale Versetzungen der Strom-
linien innerhalb des Rotors R (Laufrad) auftreten. Um das somit in der Strömung auf-
tretende Zentrifugalkraftfeld im Sinne einer Turbine, also durch Energieabgabe gemäß
der Euler-Gleichung für eine Turbinenstufe nach Gl. (4.1-17) und (4.1-19), mit u1 > u2
wirken zu lassen, sollte der ringförmige Hauptströmungskanal von außen nach innen
zur Rotorachse verlaufend angelegt werden (Abb. 4.3-5). Dem entgegen haben beson-
ders mehrstufige Niederdruckturbinen LPT von großen Gasturbinenanlagen häufig im
Zusammenhang mit dem Gesamtkonzept der Anlage einen Strömungskanal, der von
innen nach außen verläuft, wie es Abb. 4.3-1 zeigt.
In Abb. 4.3-5 sind beispielhaft die Geschwindigkeitsdreiecke einer typischen unge-
kühlten Turbinenstufe mittleren Reaktionsgrades (Abschn. 4.3.2.3) mit verwundenen
Schaufeln für den Naben- und Außenschnitt dargestellt.
Die vollständige Auslegung der Turbinenstufe in der S2-Ebene, im Meridian-
schnitt, erfordert eine Mehrschnittsrechnung (Abschn. 4.3.5) und anschließend eine
Q3D- und 3D-CFD-Rechnung. Weiterhin sei hier für diesen Abschnitt angenommen,
4.3 Turbinen 475
Turbinenstufe
u1 > u2
Stator S (Leitrad Le) Rotor R (Laufrad La)
0 1 2
c1 w2
c1 w1 w1
c2
α1 β1 β1 c2 w2
u1 u1 α2 β2
β2
Nabe außen
u2 u2
Nabe außen
0
Stator S (Leitrad Le)
100 m/s
u1
1
Rotor R (Laufrad La)
2 u2
dass die Strömung innerhalb einer Stufe adiabat, das heißt ohne Energieaustausch
durch die Kanalwände nach außen verläuft. Von Verlusten, die nicht direkt mit den
Strömungsverlusten im Stufenkanal zusammenhängen, wie zum Beispiel Radschei-
benreibung, Kühlluftefekte und anderes, soll ebenfalls hier vereinfacht abgesehen
werden.
In Abb. 4.3-6 sind zuerst im h-s-Diagramm getrennt die beiden wesentlichen Phasen
der Entspannung im ruhenden Stator S (Leitrad) und im rotierenden Rotor R (Laufrad)
dargestellt. Weiterhin sind beide Schaufelgitter anschließend im Abb. 4.3-7 im zusam-
mengesetzten Stufenverband vereinigt zu sehen.
476 4 Turbomaschinen-Komponenten
Stator S (Le)
h-s Diagramm Absolutsystem Schaufelplan und
pt0 pt1 Geschwindigkeiten
Tt0 Tt1
ht0=ht1
c 02 c0
2 p0
T0
h0 0
c12
c12is S (Le)
2
2
1
p1 α1
ht0 T1 c1
h1
h h1is c 02 c2
∆ht S Verl h t 0 = h0 + = h1 + 1
2 2
s
Rotor R (La)
Relativsystem R
pt1R pt2R
Tt1R
ht1 u12 − u22
2
Tt2R w1
w12 β1
2 1
w 2 p1 2
w
1is T1 2 R (La)
2 h1 2
2
p2 β2
T2 w2
T2is h2
h h1is w 12 u2 − u22
h t1R = h1 + = ht2R + 1
∆htRVerl 2 2
w 2 u2 − u22
s = h2 + 2 + 1
2 2
Turbinen-Stufe im Verbund
Stator S (Leitrad Le) und Rotor R (Laufrad La)
pt0 pt1
Tt0 Tt1 c0
ht0=ht1
c 02 0
2 T0 p0
h0 S
pt1R pt2R
Tt1R u12 − u22
ht1R c1 u1
2 1
ht2R
Tt2R w1
∆htT R
∆htStis
p1 2
T1 w 22 c2 u2
w2
h1 2
pt2
h1is Tt2 2
ht2 c2
hr 2
T2 p2 cax1 c1 c2 w2 cax2
w1
h2 α1 β1 α2 β2
h T2is
u1
h2Ris cu1 u2
cu2
cu1 wu2
h2is
s
spez. Leistung bzw. Energie
Turbinen-Stufe (Euler-Gleichung) w T = ∆ h t,T = (c − c 22 + w 22 − w12 + u12 − u22 )
1 2
2 1
c21/2. Bei gleicher Druckabsenkung und verlustloser, also isentroper Strömung wäre die
Geschwindigkeitsenergie
c21 is c2 /2
= 1 mit ηS = ϕS2 , ϕS = c1 /c1 is (4.3-2)
2 ηS
entstanden, wobei der Stator-Wirkungsgrad ηs gleich dem Quadrat des Geschwindig-
keitsbeiwertes ist also ηS = ϕS2.
Der Verlust im Stator, der einem Entropieanstieg von s0 auf s1 bzw. einem Total-
druckabfall von pt0 auf pt1 entspricht, ergibt sich zu
c21 is c2 c2
�hS Verl. = − 1 = (1 − ϕS2 ) 1 is . (4.3-3)
2 2 2
Wird zunächst vereinfachend angenommen, dass der ringförmige Strömungskanal zwi-
schen zwei koaxialen Zylindern liegt, dann wird die Beschleunigung des Fluids umso
bedeutender, je stärker die Richtungsänderung der Strömung ist oder je kleiner der
Abströmwinkel α1 wird.
Die Bedeutung der Schaufelgeometrie und der Geschwindigkeitsdreiecke wird bei der
Betrachtung der Euler’schen-Turbomaschinen-gleichung (Gl. 4.1-15) deutlich mit der
spezifischen Arbeit wT
PT
wT = = ht T = u1 cu1 − u2 cu2 = ht 0 − ht 2 . (4.3-4a)
ṁT
478 4 Turbomaschinen-Komponenten
Mit Hilfe des cos-Satzes (Abschn. 4.1.2) angewandt auf die Geschwindigkeitsdreiecke der
Stufe ergibt sich daraus
1
wT = �ht T = (c21 − c22 + w22 − w21 + u21 − u22 ), (4.3-4b)
2
wobei für die Umfangskomponente der Geschwindigkeit c1 gilt cu1 = c1 cosα1.
Das der Strömung aufgeprägte Zentrifugal-Kraftfeld wZ = (u21–u22)/2 zeigt, dass
im Sinne der größeren Energieumsetzung pro Stufe (Gl. 4.3-4b) bei Turbinen eine
Kanalführung zu kleineren Radien angebracht ist. Dies trifft besonders auf die von außen
nach innen durchströmten Radial-Turbinen zu, die vornehmlich bei Gasturbinen-Anla-
gen mit kleinem Leistungsniveau verwendet werden.
Mit der Axialkomponente von c1 ist der Ringquerschnitt Aax1 in der Ebene 1 über die
Kontinuitätsgleichung festgelegt:
ṁ1 ṁ1 R T1
Aax 1 = = . (4.3-5)
cax 1 ρ1 cax 1 p1
p1
ρ1 = (4.3-7)
R T1
und die statischen Zustandsgrößen ergeben sich für die Temperatur aus
c21 /2
T1 = Tt0 − κ (4.3-8)
R
κ−1
Mit der kritischen Mach-Zahl für Düsenströmungen Mc1 = c1/a1 = 1 wird der kritische
statische Druck (Abschn. 2.1)
κ
2 κ−1
p1 krit = pt0 . (4.3-11)
κ+1
w21 w2
ht1 R = h1 + = ht2 R = h2 + 2 . (4.3-12)
2 2
Wird einmal von der durch das Zentrifugalkraftfeld geleisteten spezifischen Arbeit
u21 − u22
wZ = .
2
abgesehen, also hier für den einfachen Fall einer Turbinenstufe ohne Kühlung mit
u1 = u2, dann gilt für die Totalenthalpie im Rotor (Relativsystem R)
w22
ht2 R = h2 + = ht1 R . (4.3-13)
2
Die Strömung verläuft in vielen Auslegungsfällen (Reaktionsgrad ρh > 0, s.
Abschn. 4.3.3) im Rotor genau wie im Stator, also als adiabate, verlustbehaftete,
beschleunigte Düsenströmung mit gleichzeitiger Änderung der Strömungsrichtung.
Mit der kinetischen Energie gemäß w21/2 ergibt sich für den Totaldruck
κ κ
κ − 1 w21 /2 κ−1
κ − 1 2 κ−1
pt1 R = p1 1 + = p1 1 + Mw 1 (4.3-14)
κ R T1 2
480 4 Turbomaschinen-Komponenten
w22 is w2 w2
�hR Verl = − 2 = (1 − ϕR2 ) 2 is . (4.3-16)
2 2 2
Im Falle der Reaktionsturbine mit rh > 0 nach (Abschn. 4.3.2.3), die das Beispiel in
Abb. 4.3-5, 4.3-6, 4.3-7 schematisch zeigt, expandiert im Rotor die Strömung vom stati-
schen Druck p1 auf p2. Turbinenstufen dieser Auslegung werden als Überdruckturbinen
bezeichnet. Durch die Beschleunigung der Fluidmasse und die damit verbundene Reak-
tion sowie durch Umlenken der Strömung im Rotorkanal wird ein Rotordrehmoment
bzw. mit der Winkelgeschwindigkeit ω eine Wellenleistungsabgabe PT aus der Turbinen-
stufe möglich (Abb. 4.3-8).
Ist die Turbinenstufe als Aktionsturbine mit rh = 0 ausgelegt, dann findet im Rotor
zwischen den Ebenen 1 und 2 lediglich eine Umlenkung der Strömung statt, wobei der
statische Druck konstant bleibt p1 = p2. Es wird dann auch von Gleichdruckturbinen
(Curtis-Turbinen) gesprochen.
Für die Totalenergie im Rotor bei einer Turbine mit u1 > u2 gilt einschließlich der
Zentrifugalkraftfeldwirkung
w21 w2 u2 − u22
ht1 R = ht2 R + wz = h1 + = h2 + 2 + 1 . (4.3-17)
2 2 2
Für die Zustandsgrößen am Rotoraustritt, bezogen auf das Relativsystem R gelten fol-
gende Beziehungen für die Totaltemperatur
κ−1 wZ
Tt2 R = Tt1 R − , (4.3-18)
κ R
die statische Temperatur
κ − 1 w22 /2 + wZ
T2 = Tt1 R − (4.3-19)
κ R
und die statische Temperatur bei isentropem Zustandsverlauf
κ−1 hR Verl
T2 is = T2 − . (4.3-20)
κ R
Der statische Druck ergibt sich mit der Isentropen-Beziehung zu
κ κ−1
κ − 1 w22 is /2 κ
T2 is κ−1
p2 = pt1 R = 1− (4.3-21)
Tt1 R κ R T2 is
4.3 Turbinen 481
Gleichdruck-Turbine
0
Reaktionsgrad
r h =0,0 1 p 1 =p 2
u
w1≈w2
2
c1 w2
c2
w1
u2
u1
Überdruck-Turbinen
0 0
1 p 1 >p 2 1 p 1 >p 2
u u w 1 <w 2
w 1 <w 2
2 2
c1 w2
c1 w2 c2 w1
w1 c2
u1 u2
u1 u2
Abb. 4.3-8 Auswirkung des Reaktionsgrades rh auf die Schaufelform bei Gleichdruck-Turbinen bzw.
Aktions-Turbinen (rh = 0, p1 = p2) und Überdruckturbinen bzw. Reaktionsturbinen (ρh > 0, p1 > p2)
Nach dem Rotorgitter verlässt die Strömung im Bereich der Ebene 2 wieder das Relativ-
system bzw. das Rotorgitter R. Bezogen auf das ruhende Turbinengehäuse hat das Fluid
nun eine Absolutgeschwindigkeit c2, die sich vektoriell aus der Relativgeschwindigkeit
w2 und der Laufradumfangsgeschwindigkeit u2 zusammensetzt. Die Gesamtenergie der
Strömung im Absolutsystem entspricht einer Totalenthalpie von
c22
ht2 = h2 + (4.3-23)
2
und einem Totaldruck
482 4 Turbomaschinen-Komponenten
κ
c22 /2
κ−1
κ−1
pt2 = p2 1 + (4.3-24)
κ RT2
κ − 1 c22 /2
Tt2 = T2 + . (4.3-25)
κ R
Die Schaufellänge bzw. die Kanalhöhe in der Ebene 2 ist näherungsweise
Aax,2 1 ṁ R T2
lSch 2 = = (4.3-26)
π Dm 2 π Dm2 cax2 p2
4.3.2.3 Stufenverband, Reaktionsgrad und Wirkungsgrad
Durch das sinnvolle Zusammenwirken von Stator- und Rotorgitter im Stufenverband
mit Strömungsbeschleunigungen und -umlenkungen wurde eine Absenkung der spezi-
fischen Fluidenergie entsprechend einer effektiven Totalenthalpiedifferenz der Turbinen-
stufe bewirkt, die der an der Rotorwelle abgegebenen spezifischen Leistung entspricht
(4.3-29)
4.3 Turbinen 483
Die hier so definierten Wirkungsgrade einer Turbinenstufe, die sinngemäß auch für
mehrstufige Turbinen gelten, betreffen die Verluste jeweils eines Schaufelgitterverban-
des, also mehrere Einzelgitter. In einer detaillierten Stufenberechnung sind jedoch die
einzelnen Gitterverluste zu berücksichtigen, die sich selbst wieder nach verschiedenen
Gesichtspunkten der Gitterströmung noch weiter unterteilen lassen. In überschlägigen
Projektrechnungen und Vorauslegungen genügt es wie bei Wirkungsgraden von Düsen-
strömungen für Turbinen-Statorgitter einen konstant zu haltenden Geschwindigkeits-
beiwert ϕS anzunehmen, der in einem Bereich von ϕS ≈ 0,95 bis 0,99 liegen kann. Da
im Rotor die Verluste unter anderem stark von dem Grad der Strömungsumlenkung Δβ
abhängen, kann bei Vorauslegungen von Turbinen der Rotorwirkungsgrad ηR bzw. der
Rotor-Geschwindigkeitsbeiwert ψR2 = ηR in Abhängigkeit von der Umlenkung Δβ mit
Hilfe von Verlustkorrelationen berücksichtigt werden (Abb. 4.3-11). Dabei wird verein-
facht für einen ersten Anhalt weder der Anströmwinkel noch das Mach-Zahl-Niveau als
Parameter beachtet.
Bei gekühlten Hochleistungsturbinen mit umfangreichen Kühlluftströmen wird in
Abschn. 4.3.7 auf weitere Definitionen von Turbinen-Wirkungsgraden eingegangen.
4.3.3 Turbinen-Kenngrößen
Sie stellt damit gleichsam die dimensionslose Form der Eulerschen − Turbomaschinen-
gleichung dar.
Da Axialturbinen selten genau koaxial durchströmt werden, ist es sinnvoll als
Umfangsgeschwindigkeit die gemittelte Geschwindigkeit am Austritt (Index 2) der Tur-
binenstufe im Mittelschnitt zu verwenden also u2 bzw. u2m. Im Falle der rein axial durch-
strömten Turbinenstufe ergibt dies
2
ψh = (cu1 − cu2 ) mit u1 = u2 = u (4.3-34b)
u
und bei dem in ersten Vorauslegungen häufig angestrebten Fall der axialen Austrittsströ-
mung aus der Turbinen gilt
cu,1
ψh = 2 mit cu2 = 0. (4.3-34c)
u
Werden zur Definition einer Leistungskenngröße die isentropen Enthalpiedifferenzen
statisch oder total verwendet, so kommt dies in stärkerem Maße der gesamten Druckän-
derung einer Stufe nahe. Es wird dann, wie in älterer Fachliteratur noch zu finden ist, an
Stelle der Leistungskennzahl auch von der Druckzahl gesprochen
�ht is cp �Tt is cp (Tt 0 − Tt 2 is )
ψt is = = = . (4.3-35)
u2 /2 u2 /2 u2 /2
Besonders zu beachten ist, dass international und vor allem besonders in der angelsächsi-
schen Fachliteratur analog zu den vorstehenden Darstellungen bei der Definition einer Leis-
tungskenngröße häufig als Bezugsgröße im Nenner an Stelle von u2/2 nur u2 verwendet wird.
Damit lautet die Belastungszahl (mit *) der Turbinenstufe auf internationaler Ebene
�ht T cp �Tt
ψh ∗ = = (entspricht �h ohne Faktor 2). (4.3-36)
u2 u2
486 4 Turbomaschinen-Komponenten
Durchsatzziffer oder Lieferzahl Die Durchsatzziffer gibt das Verhältnis der mittleren
axialen Durchströmgeschwindigkeit cax in der betrachteten Strömungsebene zur mittle-
ren Umfangsgeschwindigkeit an:
cax
= · (4.3-37)
u
Durch Erweiterung mit dem Strömungsquerschnitt A ergibt sich
cax A V̇
= = · (4.3-38)
uA uA
Wegen der Bedeutung des Austrittsquerschnitts A2 bei hochbelasteten Turbinen verwen-
det man meistens die Definition
cax 2
2 = · (4.3-39)
u
Mit der Gesamt- oder Totalgeschwindigkeit cax tot gemäß (Gl. (2.1-29b)) wird oft auch
die Kennziffer
cax 0 tot
0 tot = (4.3-40a)
u
verwendet, wobei diese Gesamtgeschwindigkeit in der Ebene 0 auf die Gesamtzuständs-
größen pt0 und Tt0 bezogen ist, hier also lautet
ṁ0 R Tt 0
cax 0 tot = · (4.3-40b)
A0 pt 0
Kompressibilitätsziffer Statt die Durchsatzziffer in verschiedenen Querschnitten anzu-
geben, wird eine dritte Kenngröße eingeführt, die Kompressibilitätsziffer, das Verhältnis
der Durchsatzkennziffern in den Ebenen 1 und 2 mit
2 cax 2
µ21 = = · (4.3-41)
1 cax 1
Durch diese Kennziffer wird bei bekannter Konizität des Turbinenkanals die Kompressi-
bilität des Fluids während der Expansion im Laufrad charakterisiert.
Um eine Turbinenstufe in Verbindung mit den genannten Kennzahlen eindeutig zu
bestimmen, insbesondere eine Aussage über die Verteilung der statischen Enthalpiediffe-
renzen auf Stator- und Rotor-Gitter geben zu können, ist neben den drei bisher definier-
ten Kenngrößen Ψ, Φ und μ, die allgemein für den Mittelschnitt gelten, noch eine vierte,
frei wählbare Größe erforderlich. Diese könnte zum Beispiel der Reaktionsgrad rh, der
Austrittswinkel α2 der Absolutgeschwindigkeit c2 oder die Austrittsfläche A2 sein. Über
4.3 Turbinen 487
c1
w u2 c ax 2
c ax1 u c2 =
= 1 w1 u u
2
u u
u
α1 β1
α2 β2
u1=u=1
u2=u=1
w u1
u
c u1 w u2
=
u 2 u
Mit Hilfe der Abhängigkeiten der Kennzahlengruppe nach Gl. (4.3-42) können für Vor-
auslegungsrechnungen geeignete Auslegungsdiagramme erstellt werden. Die hierzu ver-
wendeten Kenngrößen sind unabhängig von den Eigenschaften des Arbeitsmediums
und deshalb brauchbar für Gasturbinen jeglicher Art. Zur Diagrammdarstellung ist es
zweckmäßig, als Koordinatengrößen die Kennwerte Ψh als Ordinate und Φ2 als Abs-
zisse zu wählen. Für die Hauptparameter μ21 und α2 kann jeweils ein gesondertes Dia-
gramm erstellt werden. Als Diagrammparameter bleiben noch die Winkel α1, β1, β2, ηTis
und der Reaktionsgrad rh. Als Beispiel wird der einfache Auslegungsfall einer Turbinen-
stufe mit α2 = 90o und μ21 = Φ2/Φ1 =1 betrachtet und hierfür die Beziehungen für die
Diagrammparameter erläutert (Abb. 4.3-10). Die Geschwindigkeitsdreiecke und Winkel
wurden hier nach Abb. 1.4-2, Darstellung III, bzw. Abb. 4.3-9.
488 4 Turbomaschinen-Komponenten
20°
Tis=0,86
°
40
Turbinen-Auslegungsdiagramm
β1 =
2,5
40°
wT
°
30
h* = 2
α1 =
um
rh=0,0
°
2,0
0,1
60
0,2
°
40
ehemalige Darstellungsart
Leistungsziffer
120
0°
0,0 °
0,0 0,4 0,8 1,2 1,4
α2 = 90°
Durchsatzziffer =cax/um µ21 = 1
R = 2
R
Geschwindigkeitsbeiwert
1,0
0,9
0,8
0,7
0° 20° 40° 60° 80° 100° 120° 140°
Strömungsablenkung ∆β
ermittelt werden konnte und in das die Parameterkurvenscharen für den Wirkungsgrad
ηTis und den Reaktionsgrad rh eingetragen werden können [Hau62B, Mün72K].
Abbildung 4.3-10 zeigt mit dem Auslegungs-bzw. Leistungsdiagramm nach einer
ersten Kennzahlengruppe, dass die erzielbaren Leistungen für Reaktionsturbinen mit
rh ≈ 0,5 bei Leistungsziffern von Ψ* ≈ 1 bis 1,2 liegen, während Gleichdruckturbinen
mit rh ≈ 0 Werte bis Ψ* ≈ 2 ergeben. Bei Reaktionsturbinen werden also bei gleicher spe-
zifischen Arbeit wT bzw ΔhtT etwa doppelt so viel Stufen wie bei Gleichdruckturbinen
erforderlich sein. Diesem Nachteil der Reaktionsturbinen steht der Vorteil besserer Wir-
kungsgrade gegenüber. Es kann weiterhin festgehalten werden, dass Turbinen mit kleinen
Durchsatzziffern die besseren Wirkungsgrade aufweisen und dass man sich der Leis-
tungsziffer Ψ* = 1 um so mehr nähert, je kleiner der Durchsatz wird. Nach den gleichen
Gesichtspunkten, wie sie für die Erstellung von Auslegungsdiagrammen mit α2 = 90o
und μ21 = 1 angewandt wurden, können weitere Auslegungsdiagramme erstellt werden,
und zwar bei Axialturbinen für die Hauptparameter zum Beispiel in Bereichen α2 < 90o
(größere Leistung als bei axialem Austritt) und μ21 = 0,8 bis 1,4 [Mün72K].
Für das Turbinen-Auslegungsdiagramm nach Abb. 4.3-10 wurde beispielhaft eine
einfache Darstellung des Rotor-Wirkungsgrades als Funktion der Strömungsumlenkung
nach Abb. 4.3-11 herangezogen.
Die hier kurz skizzierten Überlegungen zu den Auslegungsdiagrammen für eine einstu-
fige Turbine mit Stator- und Rotor-Gitter können sinngemäß für andere Stufenanordnungen
angewandt werden. In [Ris70] ist hierzu als Beispiel ein Auslegungsdiagramm für Turbinen-
stufen mit gegenläufigen Rotoren dargestellt.
Zur Beurteilung hochbelasteter Turbinenstufen können weiterhin auch Ausle-
gungsdiagramme einer Turbinenstufe definiert werden, die neben den Auslegungsdia-
grammen der Kennzah1engruppe gemäß Gl. (4.3-42) von Interesse sind. So werden
mit weiteren Kennzahlengruppen z. B. nach David [Dav69 u. a.] z. B. Aussagen über
das Mach-Zahl-Niveau des Fluids in den einzelnen Strömungsbereichen gegeben.
Dabei wird von den Geschwindigkeitsdreiecken einer Axialturbinenstufe ausgegangen,
wobei unter Beachtung der gasdynamischen Gesetze entsprechend der sogenannten
Gesamt- bzw. Totalgeschwindigkeit cges = ct (Abschn. 2.1 gemäß Gl. 2.1-29b und
490 4 Turbomaschinen-Komponenten
Mu,Tt0
M u,Tt0
√
ṁT Tt0
ṁred = .
(A1 pt0 )
Als Grenzwert für hochbelastete Axialturbinen sollte für die Leistungsbelastung Ψh* bei
einer einstufigen Turbine der Bereich von Ψh* = 1,5 bis 2,25 eingehalten werden. Hier-
durch werden der Grad der Strömungsumlenkung im Laufrad sowie der Restdrall nach
der Stufe charakterisiert. Für zwei- und mehrstufige Turbinen sind für die zweite und für
weitere Stufen Werte von Ψh* = 1,25 bis 1,75 sinnvoll.
Als Richtwerte für die Durchsatzbelastung können für einstufige Turbinen Größen
zwischen Φ2 = cax2/cu2 = 0,6 bis 1,2 und für mehrstufige Turbinen Φ2 = 0,8 bis 1,2
der letzten Stufe angenommen werden. Um negative -Reaktionsgrade am Fußschnitt
der Schaufeln zu vermeiden, die eine unerwünschte Strömungsverzögerung bedeuten
würden, ist es zweckmäßig, Reaktionsgrade im Mittelschnitt von etwa rh > 0,20 zu ver-
wenden. Bei fast allen Schaufelverwindungen ergibt sich eine mit dem Radius steigende
Reaktion. Das Mach-Zahl-Niveau am Stufenaustritt sollte auch bei hohen Durchsatz-
belastungen im Auslegungspunkt Werte von Mc2 ≈ 0,65 bis 0,7 nicht überschreiten.
Einstufige, hochbelastete Turbinen arbeiten meist mit einem Restdrall, der durch ein
nachgeschaltetes Umlenkgitter oder Stützrippen herausgenommen werden kann. Da
bei mehrstufigen Turbinen ein axialer Strömungsaustritt angestrebt wird, bedeutet eine
Auslegungs-Mach-Zahl Mc2 ≈ Mcax2 ≈ 0,7 ein sinnvoller Wert. Die Leistungsbelastung
besonders bei Fluggasturbinen ist starken Schwankungen unterworfen, sei es durch Last-
zustände oberhalb des Auslegungspunktes zum Beispiel beim Beschleunigen des Trieb-
werks oder sei es im Teillastbetrieb. Um nicht zu schnell die Leistungsgrenze der Stufe
mit Mcax2 ≈ 1 zu erreichen, sollten die obigen Mc2-Werte für den Auslegungspunkt nicht
überschritten werden. Weiterhin ist die Eintritts-Mach-Zahl Mw1 an der Schaufelwur-
zel des Rotor-Gitters besonders zu beachten. Die Strömung in. Nabennähe wird einmal
intensiv umgelenkt, zum anderen ist das Schaufelfußprofil festigkeitsmäßig und der Strö-
mungskanal aerodynamisch stark belastet, so daß die Anström-Mach-Zahl der Relativ-
strömung im Nabenbereich Mw1 bei Werten kleiner 0,75 sein sollte.
Für den Auslegungspunkt ist möglichst ein mittleres Rotor-Druckverhältnis im unter-
kritischen Bereich einzuhalten, um bei Lastschwankungen eine Leistungsreserve ober-
halb des Auslegungspunktes bis zur Leistungsgrenze zu gewährleisten.
3,0 Smith-Diagramm
h
*
2,8
wT 2,6
2
um
2,4
2,2
Leistungsziffer
2,0
1,8
1,6
1,4
1,2
1,0
0,8
0,6
0,4 0,6 0,8 1,0 1,2
Durchsatzziffer =c ax /u m
in en
94
rb
u
-T
95
LP
Leistungsziffer 2,2
96 inen
- Turb
I P
97 HP-Turbinen
1,8
98
1,4 99
1,0
0,6
0,4 0,6 0,8 1,0 1,2
Durchsatzziffer =cax/um
Abschn. 4.2.5 erläutert. Die grundlegenden Beziehungen gelten sinngemäß auch für die
räumliche Strömung in Turbinen.
Die Verwindung der Schaufeln von Turbinenstufen erfolgt bei Vorauslegungen vor-
nehmlich nach den Drallgesetzen des Potentialwirbels, des konstanten Massenstro-
mes und manchmal in sehr vereinfachten Fällen mit unverwundenen Rotor-Schaufeln.
Auf den Ablauf der detaillierten Gesamtauslegung von Turbinenstufen in der S1- und
S2-Ebene bzw. mit Q3D- und 3D-CFD-Rechenverfahren wurde bereits in Abschn. 4.3.1,
Abb. 4.3-2, hingewiesen.
Turbinenstufe axial
zylindrisch
e
Nab be Na
Nab
Na außen w1a be
w2a
c1a
e
u1a c2a außen
0 u2a
Stator S (Leitrad)
u1
1
100 m/s
u2 Rotor R (Laufrad)
2
Schaufelverwindung nach „Potentialwirbelgesetz“
r1
zu tanα1 = tanα1 m = f(r1 ). (4.3-53)
r1 m
Der Index m kennzeichnet hier die Größen der zuvor ausgeführten Mittelschnittsrech-
nung. Mit dem Eintrittswinkel der Relativströmung am Rotoreintritt entsprechend
cax 1 m
tanβ1 = = f(r1 ) (4.3-54)
u1 − cu1
ergibt sich der Betrag der Strömungsgeschwindigkeit w1 abhängig vom Radius r1
cax 1 m
w1 = = f(r1 ). (4.3-55)
sinβ1
Damit liegen die Eintrittsgeschwindigkeitsdreiecke für alle Schaufelschnitte fest. Für die
Ebene 2 nach dem Rotor gelten die analogen Drallbeziehungen wie in Ebene 1, also
cax 2 = const. = cax 2 m (4.3-56)
Turbinenstufe axial
zylindrisch
c 1a
Na
u 1a außen w 1a w 2a
be
c 2a außen
u 2a
Schaufelverwindung nach
Gesetz des „konstanten Massenstroms“ Nabe 100 m/s
Abb. 4.3-16 Geschwindigkeitsdreiecke der zylindrischen Turbine von außen bis zur Nabe nach dem
Gesetz des „konstanten Massenstromes“ verwunden (5 Schnitte, Außenschnitt grau hervorgehoben)
Ein- oder mehrstufige Turbinen arbeiten als ein- oder mehrwellige Turbomaschinen im
abgestimmten Verband mit anderen Komponenten von Gasturbinenanlagen oder Flugtrieb-
werken. Im Fall einer Fluggasturbine bilden Triebwerkseinlauf, Turboverdichter, Brenn-
kamme, Turbine und der abschließende Abströmteil eine Einheit, von der verlangt wird, dass
sie abhängig von der Flugaufgabe in einem weiten Lastbereich stationär und instationär trotz
der hohen thermischen Belastung, effizient, problemlos und mit hoher Lebensdauer arbeitet.
Dies erfordert von jeder Maschinenkomponente ein gutes Teillastverhalten.
Bei Auslegungen von Turbinenstufen gibt das Kennfeld Auskunft über den Teil-
lastbetrieb, wobei es meist genügt, das gegenseitige Verhalten der wichtigsten Turbi-
nenparameter im stationären Zustand und vereinfacht auf den Mittelschnitt bezogen
darzustellen. Da im Gegensatz zu den meisten Niederdruckturbinen LPT mit vielen
weniger stark belasteten Stufen (ähnlich wie bei den Dampfturbinen DT) die gekühlten
Hochdruckturbinen HPT besonders in der Flugtechnik oft transsonische bis superso-
nische Strömungszustände aufweisen, wird eine genaue analytische Berechnung eines
Turbinenkennfeldes mit Berücksichtigung aller Verluste verschiedener Art sehr schwer
möglich. Eine genauere analytische 2D- oder 3D-Berechnung eines Turbinenkennfeldes
mit Hilfe von CFD-Technik ist ebenfalls schwierig oder nur mit hohem numerischem
Aufwand umsetzbar. Während der Entwicklungsphasen von Turbinen zum Beispiel im
Projektierungsstadium müssen deshalb vereinfachte Kennfeldrechnungen, aufgebaut auf
dem Verhalten von Schaufelgittern und Messungen von Versuchsmustern am Prüfstand
Hand in Hand gehen [Cor63K, Fla67, Ric76, Mün77B, Tra00Ka, Wal00B, Gri04B].
4.3 Turbinen 497
Düsenströmung mit
Mach-Zahl p T
M>1
(c) (a) Überexpansions-Abströmung
Abström-Mach-Zahl M ≈1,25
4.3.6.1 Strömungszustände im Turbinengitter
Zum Verständnis der möglichen Betriebszustände einer Turbinenstufe abhängig beson-
ders vom Turbinendruckverhältnis wird einführend ausgehend von den gasdynamischen
Grundlagen der transsonischen Düsenströmung mit Ablenkung in Abb. 4.3-17, 4.3-18
und 4.3-19 gezeigt, welche Strömungsverhältnisse in Turbinengittern bei schallnaher
Unterschall- und Überschallabströmung auftreten können.
Dieses Verhalten von Stator- und Rotor-Gitter bzw. Stator- und Rotor-Düsenströ-
mung beeinflusst wesentlich die Charakteristik einer Turbinenstufe und damit das
gesamte Turbinenkennfeld besonders bei mehrstufigen Turbinen. Eine typische trans-
sonische Gitterströmung mit Verdichtungsstößen und Expansionsgebieten im Gitter-
abströmbereich zeigt die Schlierenaufnahme aus einem Gitterwindkanal (Abb. 4.3-17),
wobei insbesondere ein schräger Stoß (a) am Turbinenaustritt von der Hinterkante der
Nachbarschaufel auf die Profilsaugseite trifft und die Grenzschicht des Profils beein-
flusst. Die komplexe Wechselwirkung von Verdichtungsstoß und Grenzschicht bewirkt
ein Ablösegebiet in der Grenzschicht (b), das selbst wiederum eine Expansionswelle (c)
verursacht.
Wird im Stator- oder im Rotor-Schaufelkanal das kritische Druckverhältnis erreicht,
dann bleibt der Massenstrom konstant, das heißt bei einer Kennfelddarstellung nach den
Abb. 4.3-20 und 4.3-21 verlaufen die Linien konstanter Drehzahlen angenähert parallel
zur Ordinaten mit wT/Tt0.
498 4 Turbomaschinen-Komponenten
Turbinenstufe
Überschallexpansionen abhängig vom Druckverhältnis
0
Stator-Düse S
Akrit
∆α 1 c1 1
c1 w1
Mc1 1
c1max u1 c1max
Mc1>1 Rotor-Düse R
w1
Akrit
u1
2
c2 w2 w2
u2 ∆β 2 Mw2 1
c2 w2max w2max
u2 Mw2>1
Mw1<Mw1,A Mw1,A
I II M
w1,A
1,0
Mw2<1
p2/p1 Mw2>1
I
0,5
II III
III
M<1 Unterschall Mw2>1
0,0 M>1 Überschall
0 1
m mII
bestehend aus Stator- und Rotorgitter wurde für dieses Kennfeld die Indizierung der
Stufe mit den Ebenen 0, 1 und 2 beibehalten.
Wie oben gezeigt, könnte das Kennfeld einer Turbine prinzipiell mit den gleichen
Parametern wie beim Verdichter (Abschn. 4.2.6) aufgetragen werden, hier also mit
√
wT pt4 ṁ Tt4 n
bzw. = f(ṁred , nred , ηTis )T = f , √ ,ηTis
Tt4 pt5 pt4 Tt4 T
Abbildung 4.3-20 zeigt ein Kennfeld in dieser Auftragung. Alle reduzierten Drehzahlli-
nien liegen allerdings bei dieser Auftragung sehr dicht beieinander. Besonders im oberen
Lastbereich liegen die Drehzahlkurven wegen der Blockierung des Durchsatzes in Stator-
und/oder Rotor-Gitter nahezu
bei gleichen Durchsatzahlen, der Verlauf der Wirkungsgrade ist kaum zu unterscheiden.
Zweckmäßigerweise ist es deshalb besser, hier den reduzierten Durchsatz mit der
reduzierten Drehzahl nred zu multiplizieren, wie es in der Darstellung nach Abb. 4.3-21
ausgeführt wurde. Diese Multiplikation verhindert in der Diagrammdarstellung ein
Zusammenfallen der Kurvenscharen für die Drehzahl n bzw. nred, für die Umfangs-
Mach-Zahl für kritischen oder überkritischen Strömungszustand im Stator- bzw. Rotor-
Gitter und ermöglicht das bessere Ablesen der Wirkungsgrade. Die Darstellung lautet
wT
wTred = = f(ṁred · nred , nred , ηT ) (4.3-60a)
Tt4 √
ṁ Tt4 n n
bzw. wTred =f ·√ ,√ , ηTis .
pt4 Tt4 Tt4 T (4.3-60b)
500 4 Turbomaschinen-Komponenten
4,0
T
Turbinen-Ähnlichkeitskennfeld
3,5 (Darstellung wie Verdichterkennfeld)
Druckverhältnis
3,0
2,5
1,0
0,6 0,7 0,9 1,0 1,6
red. Durchsatz mred
Weiterhin sind in diesem gerechneten Kennfeld die Kurven für kritische Strömung im
Stator- und Rotorgitter eingetragen sowie die Leistungsgrenze der Stufe auf Grund der
begrenzten Überexpansion bei der Abströmung aus den Gittern.
Für allgemeine Kennfelderfassung erweist sich auch sinnvoll, den reduzierten Durch-
satz ṁred bzw. die reduzierte Drehzahl nred relativ auf eine Referenzgröße zum Beispiel
auf die Größen des Auslegungspunktes A zu beziehen wie ṁred,rel bzw. die reduzierte
Drehzahl nred,rel.
Häufig werden auch in den reduzierten Größen die Drücke, Temperaturen und die
Gaskonstante auf Werte des Standardtages (STD, ISA) der Umgebung bezogen. Es wird
dann von korrigierten Größen gesprochen, also für den Durchsatz korrigiert
R Tt4 pt4
ṁcorr = ṁ (4.3-61)
RSTD Tt STD pt STD
mit den Größen des Standard-Tages Tt STD, pt STD und der Gaskonstanten RSTD bei tro-
ckener Luft.
Bei einstufigen Turbinen aus Stator- und Rotor-Gitter bestehend kann auch an Stelle
√
der reduzierten Drehzahl die Umfangs-Machzahl Mu Tt0 = u/ κ R Tt0 gebildet aus der
Umfangsgeschwindigkeit u und der Totaltemperatur Tt0 sowie ein reduzierter Durchsatz
4.3 Turbinen 501
280
w T,red HP-Turbine (4)–(5)
einstufig
J 240
Rotor-und Stator-Gitterblockiert
kg K
200 2
0 1 nz
e
red. Turbinen-Leistung
. Rotor blockiert
gre k r it
gs tor zuerst
160 t u n Ro
is
Le .
krit
tor
Sta Tis,opt
120
p1
0,54
80 p t 0 0,6 1,1
0,7 1,0
40 0,6
,rel
0,9 el. n red
red. r
zahl
0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 Dreh
0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9
(Durchsatz red.) • (Drehzahl red.) mred ⋅ nred ⋅ 10 −2
√
ṁ R Tt0
ṁred Stufe = · Mu Tt0
AGitter sinα1 pt0 Stufe
als Parameter gewählt werden. Die Abszisse mit dem reduzierten Durchsatzes ṁred Stufe
gibt ebenfalls eine dem Massenstrom ṁ proportionale Größe wieder.
Als Parameter der Kennfelddarstellung können für das Stufenkennfeld die Drehzahl
in der Form der Umfangs-Mach-Zahl Mu, der Turbinenwirkungsgrad ηTis, das Leitrad-
Druckverhältnis p1/pt0 und das Totaldruckverhältnis pt2/pt0 in das Kennfelddiagramm
eingetragen werden.
1 2
0
nze
Turbinenleistung red.
sgre
tung
Leis
d
. re
d.m
re
Tis,opt
tz
sa
Wi ch
rku ur
ng D
sg
rad
is.
Abb. 4.3-23 Darstellung Turbinen-Kennfeld
von Turbinenkennfeldern w T,red 4 5
nach Kennfeld in Bild 4.3-13a
mit den Hilfskoordinaten β 1 2 hier mit Hilfslinien β
0
zur numerischen Erfassung
red. Turbinen-Leistung
beliebiger Kennfeldgrößen β
[GasTurb, GasTurbDet] 1,0
0,8
0,6
0,4
0,2
0,0
0,4 0,6 0,8 1,0
red. rel. Drehzahl n red, rel
HP-Kühlluft
LP-Kühlluft
HP-Kühlluft
tabellierenden Zahlenwerten und es können damit auch die Gebiete mit starken Wir-
kungsgradänderungen gut beschrieben werden.
Auch bei Turbinenkennfeldern können Reynoldszahl-Korrekturen notwendig
sein. Im Prinzip gelten dieselben Zusammenhänge wie sie bei Turboverdichtern in
Abschn. 4.2.6.4 beschrieben wurden. Die niedrigste Reynoldszahl im Turbinenbereich
trifft man bei der letzten Stufe der Niederdruckturbine an. Ein Wirkungsgradunter-
schied von 2–3 % zwischen Start am Boden und Reiseflug in großer Flughöhe ist für
moderne Bypass-Triebwerke typischerweise möglich [Kap07, Hou89 u. a.], [GasTurb].
mCl mCl
Hochdruck-Turbinenstufe
HPT mit
Kombinationskühlung
0 1 2
mG mG
Stator S (Leitrad) Rotor R (Laufrad)
mCl
mCl
Zusammengefasst ergibt sich damit als Ziel eine möglichst hohe Turbinen-Eintrittstem-
peratur Tt4 zu verwirklichen durch optimale Nutzung der Kühlluftströme bei minimaler
Verschlechterung der Stufen-Wirkungsgrade und maximaler Lebensdauer unter Beach-
tung minimaler Kosten.
Das Temperaturniveau des Heißgasmassenstromes nach der Brennkammer vor
der Turbinensektion bestimmt bei hohem Lastniveau und besonders bei instationären
Wechselbelastungen in erheblichem Maß den Arbeitsprozess einer Gasturbine. Über-
steigt die Heißgastemperatur kurz- oder langfristig bestimmte Grenzwerte, so führt dies
im Material der Turbinenschaufeln oder der Gehäusewandungen zu unzulässig hohen
Temperaturen und thermischen Spannungen. Diese können jedoch durch gezielte
4.3 Turbinen 505
pt0 pt1
Stator S (Leitrad)
Tt0
2
Tt0 gekühlt c0
c
0
2 m0
T0
p0 c12
2
h A min
p1
mCl m1 mCl
T1 c1
s
pt1R Rotor R (Laufrad)
pt2R
Tt1R gekühlt c1
Tt2R w1
w12
u1
2
T1 m1 1
2
p1 w 2
2
A min
h p2 2
mCl m2 mCl
T2 w2
c2
s u2
Konvektions-Innenkühlung
mit Hinterkanten-Ausblasung
Stifte, Stege
Bohrungen
verschiedener Form
Kombinierte Kühltechnologien
innen und außen ggf-mit Hinterkanten-Ausblasung
Konvektion Prallkühlung Filmkühlung Effusionskühlung
Laufrad Leitrad
Neben den Strömungs- bzw. Druckverlusten ist der Abfall des mittleren Temperatur-
niveaus durch Zufuhr der im Vergleich zur Heißgasströmung kälteren Kühlluftströme
aus der Verdichtersektion zu erkennen.
Folgende Unterteilung kann prinzipiell für die Kühlungsarten bei Turbinengittern
vorgenommen werden, wie in Abb. 4.3-27 zu sehen ist:
Kühlluftzufuhr außen
durch Prallblech
Kühlrippen Kühlluftausblasung
Hinterkanten
Kühllufteinsatz
Prallkühlung
Filmkühlung
Kühlluft-Pins
Kühlluftzufuhr innen
Die Berechnung des Wärmehaushalts einer gekühlten Schaufel lässt sich in drei Teilgebiete
gliedern, die jedoch über die jeweiligen Randbedingungen fest miteinander gekoppelt sind:
Auf die einzelnen Teilgebiete des externen und internen Wärmeüberganges wird in der
nachstehenden Darstellung nur kurz eingegangen und auf die einschlägige Fachliteratur
sowie in Verbindung mit der Leistungsrechnung wie [GasTurb] verwiesen. Mit Abb. 4.3-28
wird als typisches Beispiel eine HPT-Statorschaufel mit Kombinationskühlung und Aus-
blasung aus den Hinterkanten vorgestellt.
Heißgasseitiger Wärmeübergang Als Maß für die Größe eines konvektiven Wärmestro-
mes auf der Heißgasseite bei gegebenem Temperaturgefälle dienen die lokalen Wärme-
übergangskoeffizienten (Abb. 4.3-29). Deren Berechnung erfolgt meist mit entsprechenden
numerischen CFD-Verfahren zu Strömungsvorgängen im Grenzschichtbereich. Wird die
508 4 Turbomaschinen-Komponenten
(a) (b)
Konvektionskühlung reine Filmkühlung
Tt G
Heißgas G Tt Film = Tt G eff
A G , Tt G ,αG , c p G A G , Tt G ,αG , c p G
Wand Wärmestrom Q
mCl , Tt Cl , c p Cl
mCl , Tt Cl , c p Cl
Wärmeleitung durch die Außenwände Die auf der Heißgasseite aufgenommene Wärme
wird durch entsprechende Transportvorgänge im Schaufelgitter zur Kaltseite geleitet und
dort wiederum durch Konvektion an das Kühlfluid abgegeben. Bei der Wärmeleitung
4.3 Turbinen 509
Rotor
mit Einsatzblech
LP-Kühlluft
LP-Kühlluft
LP-Kühlluft
HP-Kühlluft HP-Kühlluft
Abb. 4.3-30 Zeitliche Entwicklung der Schaufel-Kühltechnologie von der Zeit etwa um das Jahr
1940 bis etwa zum Jahr 2000 [Rol05B]. Darstellung nach Fa. Rolls-Royce Plc
durch die Schaufelwände zwischen der externen Heißgasströmung und der internen Kühl-
luft spielen verstärkt auch Isolierschichten (coating) zum Beispiel aus Keramikmaterial
eine Rolle. Zur genaueren Bestimmung der lokalen Wärmeleitung durch das Material der
Schaufelwände kommen dabei FEM-Verfahren erfolgreich zum Einsatz.
Kühlung verschiedene Rechenverfahren zur Verfügung. Die Ermittlung einer für eine
vorgegebene Wärmebelastung der Schaufel notwendigen Verteilung der inneren Wär-
meübergangskoeffizienten kann mit vereinfachenden Annahmen auch überschlagsweise
durchgeführt werden. Dies ist bei einer Vorauslegung des Kühlsystems im Rahmen der
Leistungsberechnung wichtig (Kap. 7, 8 und 9).
Genauere Untersuchungen der Heißgasströmung zeigen, dass an den Schaufeln
sowohl axial als auch radial recht unterschiedliche Wärmebelastungen auftreten kön-
nen. Aus Gesichtspunkten zum Beispiel der Lebensdauer ist weiter das Erreichen einer
bestimmten radialen Verteilung der Wandtemperaturen wünschenswert. Fertigungs-
möglichkeiten und Festigkeitsanforderungen ergeben zusätzliche Randbedingungen. Um
alle diese Punkte zu erfüllen, müsste auf der Kaltseite an jeder beliebigen Stelle die gerade
notwendige Kühlleistung erreicht werden.
Aufgrund der Zu- und Abströmbedingungen für das Kühlmedium ist dies nicht
immer vollständig realisierbar. Eine zweckmäßige Anpassung kann zum Beispiel
bei der Prallkühlung mit einem Luftzuführungseinsatz erfolgen. Hier kann die Luft
durch einen großen Hohlraum radial ohne Aufheizung strömen. Durch Ändern der
Lochdurchmesser, der Anzahl von Löchern, des Abstandes zwischen Leitblech und
Schaufelwand usw. besteht axial und auch radial eine große Variationsbreite der ver-
schiedenen Einflussparameter, die auf den Wärmeübergang entscheidenden Einfluss
haben können.
Lediglich im Bereich der Austrittskante sind die Auslegungsmöglichkeiten ein-
geschränkt. Diese Art der Kühlung erfordert relativ dicke Schaufeln und eignet sich
daher vor allem für Statorgitter. Für Rotoren würde außerdem die Befestigung sol-
cher Luftleiteinsätze Schwierigkeiten bereiten, weshalb dort in erster Linie Kühlsys-
teme mit dünnen Radialkanälen ausgeführt werden. (Abbildung 4.3-28) zeigt typische
Radialkühlungssysteme von Hochdruckturbinen-Rotorschaufeln für Großtriebwerke
(Abb. 4.3-30).
Die Schaufeln, nach konventioneller Art gefertigt, besitzen meist einige Bohrungen,
durch welche die Kühlluft nacheinander nach außen bzw. innen strömt und bei der eine
örtliche Anpassung des kühlluftseitigen Wärmeübergangs in den Kanälen nicht möglich
ist, da eine einfache Rohrströmung vor liegt. Mehr Variabilität in der Auslegung bietet
hier, trotz des Radialkonzepts, die Schaufeln, welche geteilt hergestellt werden können.
Diese Technologie gestattet es, die Schaufeln zum Beispiel in zwei Hälften herzustellen,
jede dieser Hälften ist mit den entsprechenden Kühlkanälen versehen und schließlich
werden die beiden Hälften zur endgültigen Schaufel zusammengeschweißt. Durch eine
möglichst gut angepasste Auslegung der Geometrie dieser Kanäle oder durch Rippen,
Noppen und dergleichen kann wieder, zumindest teilweise die gewünschte Wärmeüber-
gangsverteilung erreicht werden. Die Kühlung der Eintrittskanten beider Schaufeln muss
wegen der sonst lokal zu hohen Wärmebelastung durch eine spezielle kombinierte Kon-
vektions- und Filmkühlung erfolgen.
Die bei konvektivem, kaltseitigen Wärmeübergang auftretende Wärmestromdichte
kann mit der Beziehung q = α T berechnet werden. Das Problem besteht also in der
Bestimmung des lokalen Wärmeübergangskoeffizienten α zum einen und des örtlich
4.3 Turbinen 511
Tt Cl A − Tt Cl E
ηCl = (4.3-64a)
TM − Tt Cl E
mit Tt ClA, der Kühllufttemperatur am Austritt, Tt ClE der Kühllufttemperatur am Eintritt
vom Verdichter kommend und TM der Materialtemperatur bzw. der Wandtemperatur
innen.
Je kleiner die Temperaturdifferenz zwischen erwärmter Kühlluft und der angren-
zenden Wand wird, umso größer ist ηCl. Die Größe der auftretenden Wärmeströme
bestimmt dabei die lokal maximal möglichen Ausnutzungsgrade. Dies muss bei der
Anwendung der Kühl1uft-Aus1egungsdiagramme entsprechend berücksichtigt werden.
Beide Kenngrößen ηCl E bzw. ε und ηK werden für eine lokale Beschreibung der Küh-
lungsvorgänge ebenso herangezogen wie für eine globale Betrachtung an der gesamten
Schaufelreihe.
Als Wirkungsgrad der Filmkühlung kann analog zu Gl. (4.3-64a) und nach Abb. 4.3-28
folgende Definition angesetzt werden [Mug81, Mug82, Gri04B].
Tt G − Tt G eff
ηFilm = (4.3-64b)
Tt G − Tt Cl A
mit der Heißgastemperatur TtG, der Kühllufttemperatur an der Ausblasestelle Tt Cl A
und der sog. Filmtemperatur Tt Film = TtG eff. Diese Filmtemperatur entsteht durch eine
Vermischung der austretenden Kühlluft mit der äußeren Gasströmung in Wandnähe als
effektive Gastemperatur TtG eff.
Abweichend von der bei nur konvektivem Wärmeübergang verwendeten Heißgas-
eigentemperatur TtG wird bei der Filmkühlung also die so genannte Filmtemperatur
TtFilm eingesetzt. Diese Temperaturen TtG und TtFilm werden unter den jeweiligen Ver-
hältnissen (d. h. ohne bzw. mit Filmkühlung) in der adiabaten Wand gemessen. TtFilm
wird daher auch als adiabate Wandtemperatur bei Filmkühlung bezeichnet. Durch die
Einblasung der Kühlluft wird lokal die Heißgasströmung gestört und eine gewisse Ände-
rung der α-Werte verursacht. Stromabwärts der Einblasestelle klingt diese Störung rasch
ab, dadurch bleiben auch die α-Werte mit bzw. ohne Filmkühlluft näherungsweise etwa
gleich.
Die erforderlichen Kühlluftprozentsätze bei einer kombinierten Konvektions- und
Filmkühlung zeigt Abb. 4.3-31 nach [Mug81, Gri04B, Brä09B]. Hier sind für zwei ver-
schiedene Filmkühlwirkungsgrade ηFilm = 0,1 und ηFilm = 0,3, sowie für jeweils vier
verschiedene Wirkungsgrade für den konvektiven Teil (ηCl = 0,3, 0,5, 0,7, 0,9) die ent-
sprechenden Kurvenverläufe für ein Hochdruckturbinen-Statorgitter aufgetragen. Es wird
davon ausgegangen, dass die Kühlluft. entsprechend dem konvektiven Wirkungsgrad auf-
geheizt und dann mit dieser Kühlluftaustrittstemperatur als Kühlfilm ausgeblasen wird.
Ein Vergleich der Kühlluftprozentsätze bei konstanten Werten zeigt, dass mit größer wer-
dender Filmkühlwirkungsgraden teilweise erheblich Kühlluft eingespart werden kann.
Weitere Hinweise zu theoretischen und experimentellen Untersuchungen über Kühl-
luft-Rechenmode11e sind in [Mug82, Wal00B, Kur02, Gri04B, Lec03B] enthalten. In der
4.3 Turbinen 513
Tt G − Tt Cl E Tt G − Tt G eff
Film =
Tt G − Tt Cl A = 0,3 ... 0,9
Cl
ε
Film
0,5
Film
= 0,1
sowie erweitert mit (TtG – Tt ClE) die Kühlungseffektivität ηCl E = ε und ṁCl berechnen
zu
514 4 Turbomaschinen-Komponenten
Tt G − TM ṁCl cp Cl (Tt Cl A − Tt Cl E )
ε= = . (4.3-66)
Tt G − Tt Cl E αG AG (Tt G − Tt Cl E )
Das Verhältnis der Kühlluft-Wärmekapazität ṁ cpCl und der gasseitigen Wärmeüber-
gangskapazität αG AG wird auch als Wärmetransferparameter θ [Ful74] bezeichnet
ṁCl cp Cl
θCl = · (4.3-67)
αG AG
Aus Gl. 4.3-66 ergibt sich demnach zusammengefasst für die Kühlungseffektivität
θCl ηCl
ηCl E = ε = · (4.3-68)
(1 + θCl ηCl )
In den Kühlungsdiagrammen wird zur Darstellung der erforderlichen Kühlluftmenge
meist der Kühlluftanteil oder Kühlluftprozentsatz ß verwendet
β = (ṁCl /ṁG ). (4.3-69)
Bei den rein konvektiv gekühlten Schaufeln wird mit steigendem Druck und steigen-
der Temperatur der Heißgasströmung ein Zustand erreicht, bei dem die übertrage-
nen Wärmeströme der Heißseite die Kühlungsmöglichkeiten auch der Prallkühlung
übersteigen. Abhilfe kann durch eine Verringerung der übertragenen Wärmemen-
gen geschaffen werden. Bei der Entwicklung der Kühltechnologien zeigte sich, dass
durch eine kalte Wandluftschicht der Wärmeübergang aus der Heißgaszone stark
vermindert werden kann. Viele Parameter beeinflussen allerdings diese spezielle Art
des Wärmeübergangs als Filmkühlung und dementsprechend groß ist auch die Zahl
der Untersuchungen auf diesem Sektor. Diese Filmkühlung stellt allerdings in den
derzeitigen Triebwerken einen entscheidenden Schwerpunkt in der Kühlungstechno-
logie dar.
Liegt gemäß der schematischen Darstellung nach Abb. 4.3-29 (rechts) ein Wärme-
übergang mit Filmkühlung vor, dann ergibt sich allgemein bei der Wärmebilanz der
kombinierten Konvektions- und Filmkühlung folgender Zusammenhang
αFilm AG (Tt Film − TW,a ) = ṁCl cp Cl (Tt A − Tt E )· (4.3-70)
Als Filmkühlungs-Wirkungsgrad wurde analog zu Gl. (4.3-64b) und den vorstehend
gegebenen Hinweisen folgende Beziehung definiert
Tt G − Tt Film Tt G − Tt G eff
ηFilm = = (4.3-71)
Tt G − Tt Cl A Tt G − Tt Cl A
Die Temperatur Tt Film stellt die gasseitig auftretende Temperatur dar, die in Wandnähe
durch die Auswirkung der eingeblasenen Kühlluft und deren Mischung mit der Heißluft
entsteht.
Eine wesentliche Kenngröße für den Filmkühlwirkungsgrad ist die Ausblasrate, das
Verhältnis der Massenstromdichten:
4.3 Turbinen 515
Tt Cl A − Tt CL E
Kühlungseffizienz CL=
KE= ε 0,9
TM − Tt ClE
Tt HG − TM 1,0
0,8 0,8
Tt HG − TCL E HPT 0,6
0,7 ation
nspir 0,4
u n d Tra
0,6 Film ktiv 0,3
Kühlungseffektivität
HPT konve
0,5 ion lun
g
vekt allküh 0,2
n r
Ko d P
0,4 un
LPT
0,3 kti
v
n ve
0,2 ko
0,1
0,0
0 1 2 3 4 5
Kühlluft-Massenstromfunktion .Cl = m
.
CL c p CL / (αHG A HG )
1,0
CL E= ε
0,8 spiration
Film- / Tran
Kühllufteffektivität
kühlung
Film- / Prall
0,6
ühlung
/ Prallk
ktions-
Konve
0,4 ng
skühlu
ektion
Konv
anä le
0,2 Ra dial-K
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8
Kühlluftanteil β [%]
1,0 Kühlluftkontante
CCl in Gl. von Kühl CCl
Cl E= εCl 0,03
0,8 0,05
0,07
Kühllufteffektivität
0,6
0,4
0,2
0,0
0,00 0,05 0,10 0,15 0,20
Kühlluftanteil β CL = mCl mG
Der Kühlluftfaktor CK in dieser Gleichung liegt etwa bei Werten CCl = 0,03 bis 0,05. Damit
können die wesentlichen Bereiche der Diagramme aus Abb. 4.3-32 und 4.3-33 für verschie-
den gekühlten Schaufeltypen gut erfasst werden, wie in Abb. 4.3-34 zu erkennen ist.
Die mittlere Metalltemperatur der gekühlten Schaufeln ergibt sich zu
TM = Tt G − ε (Tt G − Tt Cl )· (4.3-74)
4.3 Turbinen 517
41 intritt
ator-E
41eq ng St
Kühlu
Ex =0,9
pa
p
HP-Turbinen-Stufe
ol
nsi
gekühlt
on
Kühlung Rotor 43
h 44 45
Tu-Übergang
mit ∆pt
Kühlluft vom
Verdichter A
4 43
41 45 5
44
Kühlluft vom
Verdichter
Für das Beispiel einer gekühlten HPT-Stufe nach Abb. 4.3-35 aus [GasTurb] lautet dem-
nach die Kühleffektivität der Stator-Schaufeln
Tt 4 − TM
ηCl E S = εS = · (4.3-75)
Tt 4 − Tt 3
Für die Schaufeln des Rotors R (Laufrade) kann nach [GasTurb] näherungsweise mit
518 4 Turbomaschinen-Komponenten
0,9 · Tt 41 − TM
ηCl E R = εR = · (4.3-76)
0,9 · Tt 41 − Tt 3
angesetzt werden. In dieser Korrelation aus [GasTurb] wurde als Totaltemperatur die
Temperatur nach dem gekühlten Stator (Ebene 41) relativ zum Rotor als Erfahrungswert
annähernd angesetzt mit 0,9·Tt41.
E Cl,Geh 1 E CL,Geh 2
EG 0 EG 2
E Cl,S
(m, p t , Tt )CL,Le ECl,Sch
EK,Sch
(m, p, Tt )CL,Sch
(m, p t , Tt )K,Sch
ECL,La
(m, p t , Tt )CL,La
EW
EW
Dies sind:
Der zweite Term betrifft dabei speziell die Kühlluftanteile. Da diese mit möglichst niedri-
ger Temperatur zugeführt werden, ist ht2 größer als htKi, wodurch dieser Term ein nega-
tives Vorzeichen erhält.
Bei der Definition eines umfassenden Wirkungsgrades einer gekühlten Turbinenstufe
wird die bei angenommen isentroper Entspannung mögliche Arbeit der Kühlluft berück-
sichtigt. Die Definition dieses Wirkungsgrades, meist als thermodynamischer Wir-
kungsgrad bezeichnet, lautet dann in allgemeiner Form
PW
ηth T = . (4.3-78)
ĖG is + Cl i (ĖCl is i )
Die Energieströme ĖG is . bzw. ĖCl is i ergeben sich bei der hier angenommenen verlustlo-
sen Entspannung des Heißgases bzw. der Kühlluft vom jeweiligen Gesamtdruck am Ein-
tritt in das Kontrollvolumen auf den Gesamtdruck pt2 nach der Stufe.
Bei der gekühlten Turbine ist die spezifische Turbinenleistung wT berechenbar aus
PT
wT = hT = ht 1 − ht 2 = . (4.3-79)
ṁG 0 + i ṁCl i
Dabei ergibt sich die Totalenthalpie ht1 direkt am Rotor-Eintritt aus einer Mischung
des Heißgases vom Stator-Austritt und der Kühlluft, die bis zur Stelle 1 vor dem Rotor
zugeführt wird:
ṁG 0 ht 0 + i ṁCl i ht Cl i
ht 1 = . (4.3-80)
ṁG 0 + i ṁCl i
Die Durchrechnung des gesamten Entspannungsprozesses einer gekühlten Turbinen-
stufe erfordert weiterhin eine iterative Bestimmung des Gesamtdrucks pt2 am Stufen-
austritt, da dieser Wert einerseits zur Bestimmung der isentropen Energieströme für die
4.3 Turbinen 521
n n
Drehzahl red. rel. [%]
Turbinen-Stufe Tt
220 Tt AP
gekühlt 120%
J kg K 100%
nz e
200 sgre
tung
∆ ht Leis
80% Topt
Tt 180
90
ch
0,
89
0,8
160 itis
0,
r
spez. Turbinenleistung
rk
to
140 60% Ro
8
8
0 ,8
7
0 ,8
0,8
6
120 86
0 ,8
ηT =0,
100
m Tt n n
⋅ 10 3
Durchsatz red. rel p t Tt T
t AP
(a) (b)
HP-Turbinen-Stufe gekühlt
4
Stator-Kühlung A
er Kühlluft 5
mm 41
Bre n n ka 4 41 43 45
44
Ex
pa
∆htT
ns
∆h tTis
h
Rotor-Kühlung io n 44
Kühlluft
45 5
44 is
(c)
Verdichter und Kühlluft-Abgabe
4
Brennkammer Turbine
Verdichter-Sektion p t4 gekühlt
Kühlluft-Abgabe w Tis
w is,Cl,i 3
w Pump
45
p t3 2x w is,Cl 45 is
p t2x
p t45
w is,Cl,j
h h
s s
Wie bereits allgemein mit Gl. 4.3-78 angegeben und in der Fachliteratur verbreitet,
wird umfangreich und genauer als mit Gl. 4.3-81 unter Berücksichtigung der wichtigen
Energieströme der thermodynamische Wirkungsgrad ηthT definiert (im Programm
524 4 Turbomaschinen-Komponenten
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Brennkammern von Gasturbinen und
Flugtriebwerken 5
• Die der Brennkammer folgenden Turbinen sind mit einem möglichst gleichmäßigen,
meist unter hohem Druck stehenden Heißgasstrom zu beaufschlagen,
• in allen stationären und instationären Betriebsbereichen zwischen Teillast und Voll-
last sowie gegebenenfalls im Notfallbetrieb bis zu Überlasten soll ein homogener Ver-
brennungsprozess mit geringen Totaldruckverlusten und hohen Ausbrenngraden
über 99 % ermöglicht werden,
p2/p1=
0,8 0,6
0,7
0,5
0,7 pt2/pt1=
1=
0,88
5
M
0,4
0,6
0,4
5 0,90
0,5 0,3 0,8
0,3 0,92
0,4 0,25
0,2 0,94
0,9
0,3 1,2 0,96
0,95
0,98
0,2
1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6 2,8 3,0 3,2 3,4
Tt2 / Tt1
Zusammengefasst liegt bei den Brennkammern also die Aufgabe vor, die im Brennstoff
enthaltene chemische Energie in möglichst effizienter Weise der Strömung im Trieb-
werk zuzuführen und einen gleichmäßigen Heißgasstrom für die Expansion im Turbi-
nen- und Schubdüsenbereich bereitzustellen. Die Schwierigkeiten bestehen dabei in der
Forderung, dass der Verbrennungsprozess wegen der geforderten kurzen Bauweise der
Brennkammern auf engstem Raum und mit minimalem Druckverlust stattfinden sollte.
5.1 Funktion, Bauweisen und Kenngrößen 543
Wärmezufuhr
(stationäre Strömung)
c 24 pt4
4
3 h t4 2 4 41
ht3 Tt4
ht4 p4
T4 Turbine
3 31 4 41
Brennstoff B htB B = B Hu B
qB
Energiebilanz
pt31
pt3
3 31 ht31 =ht3
Tt3
h 2
c 31
c 32
2
2
Verdichter
Erschwerend wirkt sich bei der Suche nach der optimalen Brennkammer die Umweltbe-
lastung durch den Verbrennungsvorganges aus.
In den nachfolgenden Abschnitten werden angelehnt an die umfassenden Dar-
stellungen in der Fachliteratur typische Brennkammern und Nachbrenner von Luft-
strahl-Triebwerken behandelt und abschließend dazu einige Beispiele von stationären
Gasturbinen-Anlagen gezeigt [Lef98B, Hup06 u. a.].
3 31 4 41
Diffusor
Verdichter
Primär-
Mischzonen
zone
Drallkörper
=0,37
Flamme
1650 K
2400 K
=1
Temperatur
Profil
Zerstäubung Mischluft Kühlluft
Brennkammer soll so zwischen Verdichter und Turbine platziert werden, dass ihr
Durchmesser nach Möglichkeit diejenigen der Turbomaschinen nicht überschreitet. Bei
der Bestimmung der Brennkammerlänge sind die entsprechenden Brennkammerbelas-
tungswerte zu berücksichtigen.
Den Übergang zur Brennkammer vom Verdichter zum Brennraumeintritt bildet ein
Diffusor. Die Geschwindigkeitsverteilung hinter dem Verdichter, bzw. am Brennkam-
mereintritt beeinflusst sowohl die Vorgänge in der Brennzone als auch den Mischvor-
gang. Eine einmal, z. B. für den Auslegungspunkt, erreichte Temperaturverteilung am
Austritt der Brennkammer kann sich durch geänderte Zuströmbedingungen besonders
im Teillastbetrieb in unerwünschter Weise verändern. Eine weitere Möglichkeit, den
Brenner möglichst gleichmäßig zu beaufschlagen, besteht darin, Führungswände bis
nahe an den Verdichteraustritt vorzuziehen.
Die Aufteilung der Luftströme erfolgt so, dass in der eigentlichen Brennzone etwa
stöchiometrisches Mischungsverhältnis herrscht, da dann günstige Reaktionsbedin-
gungen gegeben sind. Für Brennkammern üblicher Triebwerke wird etwa ein Drittel
des Gesamtdurchsatzes, die Primärluft, für die Verbrennung verwendet, während es für
die Sekundärluft etwa zwei Drittel sind. Letztere dient dazu, die Flammrohrmäntel zu
5.1 Funktion, Bauweisen und Kenngrößen 545
Auslegung und Entwicklung von Brennkammern für Luftstrahlantriebe werden mit 1D-,
2D- und 3D-Rechenverfahren auf CFD-Basis stufenweise ausgelegt, bei denen die Ver-
wendung empirisch gefundener Gesetzmäßigkeiten die Weiterentwicklungen erheblich
fördert. Weiterhin werden Prüfstandserfahrungen herangezogen, die bei Prinzipver-
suchen an Modellbrennkammern oder im Triebwerk selbst gesammelt wurden. Bei der
Konzeption von Brennkammern ist eine Fülle von Grundregeln zu beachten, sodass es
keine allgemein gültige Auslegungs-Philosophie für stets optimale Brennkammern gibt.
Dies zeigt auch die Vielfalt der existierenden Brennkammer-Typen [Lef98B, Hup06,
Gri04B, Rol05B].
Durchzündrohr Außengehäuse
Luftzufuhr
Sekundärluft
Brennerkopf
1800°K
2300°K
Diffusor
Primär- Sekundär-
Brennerdüse zone zone
Brennraum- Sekundärluft
Querschnitt
Eine Verbindung der beiden vorgenannten Typen ergibt sich durch Anordnung
von Rohr-Brennkammern in einem Ringgehäuse. Diese Ring-Rohr-Brennkammer
(Abb. 5.1-7) zeichnet sich durch leichte Beherrschbarkeit der Verbrennung in den Rohr-
kammern sowie durch einen kleinen Außendurchmesser aus, der infolge der besseren
Raumausnutzung für den Gesamtströmungskanal ermöglicht wird. Eine hohe Brenn-
kammerbelastung erfordert die Aufteilung des Strömungsquerschnitts für eine möglichst
große Zahl von Einspritzdüsen, die von mengenmäßig gut dosierten Luftmänteln umge-
ben sind.
Besonders viele solcher „Elementarbrennkammern“ lassen sich dann unterbringen,
wenn die Einzelrohrkammern in dem zuletzt dargestellten Brennkammertyp durch
kleine Ring-Brennkammern ersetzt werden. Bauweisen solcher Ring-Rohr-Brennkam-
mern wurden besonders von Pratt & Whitney eingeführt, wobei zum Beispiel jeweils 6
Brennstoffdüsen in kleinen Ring-Brennkammern angeordnet wurden, von denen 8 in
dem großen Ringgehäuse stecken.
548 5 Brennkammern von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Brennraum- Sekundärluft
querschnitt
Durchzündrohr Innengehäuse Flammrohr
Abb. 5.1-7 Rohr-Ring-Brennkammer (can annular type burner) [Lef98B, Hup06, Gri04B, Rol05B]
Umkehr-Brennkammer Brennkammer-Gehäuse
Brennraum
Brennstoff -
Radialverdichter
Einspritzung
Außengehäuse
Brenn-
raum
Radialverdichter
Rotor-
Brennstoff- Axialturbine
Quer-Einspritzung 2-stufig
5.1.2.4 Brennstoffzustand
Die Hochdruck-Einspritzung ist die am häufigsten verwendete Methode, bei welcher der
Brennstoff in flüssiger Form in die Brennkammer eingesprüht wird. Bei Volllast werden
dabei Drücke zwischen 50 und 100 bar erreicht. Wird zur Zerstäubung etwas Druckluft
herangezogen, dann kann der Einspritzdüsendruck herabgesetzt werden, was die Rauch-
bildung des Triebwerkes vermindert [Lef98B, Hup06, Gri04B, Rol05B].
550 5 Brennkammern von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Sekundärluft / Mischluft
Flammrohr
Turbinen-Leitrad
Brennstoff
Sekundärluft
Verdampferrohr
Demgegenüber steht der Niederdruckbetrieb mit p < 5 bis 10 bar in der Verdamp-
fungsbrennkammer. In Abb. 5.1-10 ist schematisch das von der Fa. Armstrong-Siddeley
entwickelte Konzept dargestellt. Der Brennstoff wird mit niedrigem Druck in Rohre
gespritzt, in die gleichzeitig ein Teil der Primärluft einströmt. Durch Wärmezufuhr aus
der Heißzone wird der Brennstoff teilweise verdampft und das Dampf-Luft-Gemisch
nach zwei rechtwinkeligen Umlenkungen entgegen der Hauptströmungsrichtung in die
Primärzone geführt.
Zum Starten der Brennkammer sind einige Zündkerzen und Zünddüsen vorgese-
hen, deren Flammen die Verdampferrohre vorheizen, wodurch das Gemisch zur Ent-
flammung kommt. Verdampfungskammern arbeiten fast ohne Zündverzug, da ein Teil
des Brennstoffes in feinste Dampfbläschen zerlegt und außerdem mit Luft gemischt
ist. Ferner können leicht- und schwersiedende Brennstoffe mit annähernd gleich guten
Wirkungsgraden verbrannt werden. Einspritzpumpe und Regler werden für das Nieder-
druck-Brennstoffsystem im Aufbau einfacher. Das hier beschriebene System ist bereits
frühzeitig entwickelt worden, es wurde bisher jedoch nur wenig verwendet. Die Ver-
dampfungs- oder Vorverdampfungs-Brennkammer gewannen in den vergangenen
Jahren stets an Bedeutung, da mit ihr besonders wegen der intensiven Durchmischung
„saubere“ und rauchfreie Emissionen ermöglicht wurden.
sein wie an die Brennkammern für Triebwerke von Verkehrsflugzeugen und für statio-
näre Kraftwerks-Gasturbinen [Lef98B, Hup06, Gri04B, Rol05B].
5.1.3.1 Brennkammerwirkungsgrad
Eine Brennkammer sollte einen hohen Ausbrand erreichen, das heißt die chemische
Energie des Brennstoffes soll möglichst verlustarm in Wärme umgesetzt werden. Der
dabei entstehende Druckverlust soll so klein wie möglich sein, da das Ziel einer nach
dem offenen Verfahren arbeitenden Fluggasturbinen-Brennkammer eine näherungs-
weise isobare Verbrennung darstellt (Abschn. 2.1.3.1).
Die auf 1 kg Luftdurchsatz bezogene Energiebilanz der Verbrennung erlaubt, die
Wärme des Heißgases aus der Summe der von Brennstoff und Verdichterwarmluft mit-
gebrachten Energien zu berechnen
FAR Hu ηBQ + cpA TTt3t0 (Tt3 − Tt0 ) = (1 + FAR) cpG TTt4t0 (Tt4 − Tt0 ) . (5.1-1)
Dabei bedeuten FAR das Brennstoffluftverhältnis ṁBr /ṁA (fuel air ratio), Hu den auf
die Umgebungstemperatur Tt0, bezogenen unteren Heizwert, ηBQ den Ausbrand, cpA
die spezifische Wärmekapazität der Luft bei konstantem Druck zwischen Tt0 und der
Verdichteraustrittstemperatur Tt3 und cpG die spezifische Wärmekapazität des Ver-
brennungsgases zwischen Tt0 und der Verbrennungsendtemperatur Tt4. Die Wärme des
flüssigen Brennstoffs kann auch dann, wenn der Brennstoff nicht genau die Umgebungs-
temperatur haben sollte, vernachlässigt werden. Der Ausbrand oder Brennkammer-Wir-
kungsgrad ηB, definiert mit der Wärmeenergie (Index Q), stellt hier das Verhältnis von
der in der Brennkammer frei werdenden Wärme zu derjenigen im Brennstoff enthalte-
nen Energie dar:
QB Qeff
ηBQ = = . (5.1-2)
QBr Qtheor
Mit den Gl. 2.144 bis 2.146 wurde bereits in Abschn. 2.3.4 in Verbindung mit einer Ener-
giebilanz zur Brennkammer dieser Ausbrenngrad ηB vorgestellt.
Eine andere Definition, nämlich das Verhältnis von effektiv erreichbarer und theore-
tisch möglicher Temperaturdifferenz, führt zu
Tt eff Tt4 − Tt3
ηBT = = . (5.1-3)
Tt theor T4t theor − Tt3
Tatsächlich wird bei der Verbrennung die statische Temperatur am Austritt des Ver-
dichters T3 auf die statische Temperatur im Brennkammeraustritt T4 gebracht. Da bei
den Gasturbinen-Arbeitsprozessen die Energieumsetzung jedoch stets auf die Gesamtzu-
stände bezogen wird, werden auch hier die Totaltemperaturen verwendet.
Eine weitere Definition für den Ausbrand ist möglich, in der die Energieumsetzung in
der Brennkammer mit dem Verhältnis der Enthalpiedifferenzen angesetzt wird
552 5 Brennkammern von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Tt eff
ηBT = ,
Tt theor
Luft
vom Verdichter
Abb. 5.1-12 Brennkammer- B 1,00
Brennkammer-Belastung Parameter b
Brennraum-Wirkungsgrad
vom Brennkammer- 1,3
Belastungsparameter. 0,90 1,6
Darstellung nach [GasTurb]
1,9
0,80
(
a = log 1 − B,Re f ) 2,2
0,70 log(1 − B) = a + b (B
log B,ref)
m31
Brennkammer-Belastung B = f( B )=
p1t,38 e Tt3 300K
VB
Wie zum Beispiel in [GasTurb] angegeben wird, kann der jeweilige Ausbrenngrad ηB
mit dem relativen, auf einen bekannten Referenzzustand (Ref, zum Beispiel für Ausle-
gungspunkt A) bezogenen Belastungsparameter �/�Ref Ω/ΩRef bestimmt werden
log(1 − ηB ) = a + b log (�/�Ref ), (5.1-8)
mit der Konstanten a, bestimmt über den gegebenen ηB-Wert des Referenz-Punktes
a = log 1 − ηB,Ref . (5.1-9)
Mit a und einer Teillast-Konstanten b kann nun der Ausbrenngrad bestimmte werden,
wie Abb. 5.1-12 zeigt.
Der Durchmesser des Flammenhalter-Störkörpers sollte eine Mindestgröße haben
und die Anblasgeschwindigkeit darf nicht zu groß sein, wenn eine bestimmte Verweilzeit
gefordert wird.
Die Reaktionszeit wird bei sonst gleichen Bedingungen mit steigender Flughöhe, d. h.
abnehmendem Umgebungsdruck und damit auch mit ab fallendem Druck pt3, zunehmen.
Tatsächlich erlischt eine Triebwerksbrennkammer, wenn ihr Druck genügend weit absinkt
und damit die notwendige Reaktionszeit zu groß wird. Um im Flugzustand ein höhenbe-
dingtes Brennkammerverlöschen zu vermeiden, sollten dessen Einsatzbedingungen vor
Auslegung des Triebwerks bekannt sein, damit die Brennkammer richtig dimensioniert
werden kann. Hohe Brennkammer-Eintrittstemperaturen und ein großer zur Turbulenz-
erzeugung verwendeter Druckabfall bewirken eine Verkleinerung der Reaktionszeit.
Je größer die Verweilzeit gegenüber der Reaktionszeit ist, desto günstigere Bedingun-
gen bestehen für einen hohen Ausbrand. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass es im
Wesentlichen um die Verweilzeit im Reaktionsraum selbst geht. In der anschließenden
Mischzone wird durch die Gasabkühlung die Reaktionsgeschwindigkeit stark herabge-
setzt, so dass nur noch wenig vorher nicht verbranntes Material umgesetzt werden kann.
Zur Flammenstabilität wird in Abb. 5.1-13 gezeigt, wie bei gleicher Eintrittstem-
peratur und -geschwindigkeit in die Brennkammer in der Nähe des stöchiometrischen
5.1 Funktion, Bauweisen und Kenngrößen 555
Brennkammer-Flammenstabilität
Druck Temperatur Geschwindigkeit
pB Verlösch- TB Verlösch- cB
(p3) grenzen grenzen
arm reich
arm reich
Verbrennung
möglich Verbrennung Verbrennung
möglich möglich
arm reich
Verlösch-
grenzen
mager fett mager fett mager fett
Gemisches der Brennkammerdruck am stärksten abgesenkt werden kann, ohne dass die
Brennkammer ausgeblasen wird. Bei zu kleinen oder zu großen FAR-Werten entsteht
durch die Verbrennung weniger Wärme, somit wird auch weniger an die ankommende
Frischluft weitergegeben. Es muss also ein anderer Faktor so geändert werden, dass die
Reaktionszeit günstig beeinflusst, d. h. verkleinert wird. Durch Steigerung des Brenn-
kammerdruckes kann dies erreicht werden. Die Reich- und Armverlöschgrenzen rücken
weiter auseinander.
Nach Abb. 5.1-13 darf wiederum in der Nähe des stöchiometrischen Gemisches eine
Bedingung ungünstig sein, hier die Brennkammereintrittstemperatur. Durch deren
Erhöhung wird die Reaktionszeit verkürzt und die Verlöschgrenzen entfernen sich.
Nach Abb. 5.1-13 ergibt höchste Brennkammer-Eintrittsgeschwindigkeit eine kür-
zeste Verweilzeit. Es müssen also die sonstigen Reaktionsbedingungen günstig sein, was
in der Nähe des stöchiometrischen Gemisches der Fall ist. Abnehmende Geschwindig-
keit erweitert das Gebiet, in dem die Verbrennung aufrechterhalten werden kann.
In Abb. 5.1-14 ist schematisch der Verlauf von p, t und c über der Drehzahl eines
Turbotriebwerkes dargestellt. Ausgehend vom Auslegungspunkt bei n = 100 % in Rich-
tung Teillast, fällt unter Berücksichtigung der Verdichtercharakteristik der Druck stark
ab, die Temperatur etwas weniger. Im Teillast-Betrieb können somit Bedingungen auf-
treten, die zum Ausgehen der Brennkammer (flame out) führen können. In diesem
556 5 Brennkammern von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Abb. 5.1-14 Lastabhängiger 150
bzw. drehzahlabhängiger
Verlauf von Brennkamnmer-
Eintrittswerten (Beispiel), c B (c3)
Geschwindigkeit
A = Auslegungspunkt 100 A
cB %
TB %
Temperatur T B (T 3 )
pB %
50
Druck p B (p3 )
Teillast Vollast
0
40 60 80 % 100
Triebwerks-Drehzahl n
Bereich sind daher gegebenenfalls schnelle Verstellungen der Schub- oder Leistungs-
hebel zu vermeiden. Sowohl eine intensive Verminderung des Mischungsverhältnisses
FAR beim Herunterfahren der Leistung als auch eine FAR-Leistungserhöhung durch
Beschleunigen des Triebwerkes vergrößern noch zusätzlich die Gefahr einer instabilen
Verbrennung bzw. des Verlöschens der Brennkammer.
Beim Höhenflug kann eine plötzliche Schubwegnahme bereits von der Maximaldreh-
zahl ausgehend zu Brennkammer-Instabilitäten führen, die normalerweise dem Erlö-
schen vorausgehen oder zu diesem selbst führen.
Infolge der Rotorträgheit bleiben kurzzeitig p3 und T3 fast unverändert. Diese
Werte sind in großer Flughöhe selbst bei Volllast niedrig. Der FAR-Wert jedoch sinkt
schlagartig ab. Es wird dabei riskiert, in die Armverlöschgrenze hinein zufahren.
Gute Triebwerksregelungen können allzu ruckartige Verstellungen des Pilotenhe-
bels (pilots lever) dadurch ausgleichen, dass sie die Auswirkung nur abgeschwächt zur
Brennkammer durchkommen lassen, was bei modernen FADEC-Systemen gut kont-
rolliert ausgeführt werden kann. Triebwerke mit hoher Verdichtung haben grundsätz-
lich geringere Schwierigkeiten beim Höhenflug. Auch können die Kammern selbst bei
gleichen Verweilzeiten kleiner gebaut werden.
5.1.3.3 Brennkammerbelastung
Die Brennkammerbelastung kennzeichnet die auf die Einheiten von Brennkammervo-
lumen beziehungsweise Brennraumvolumen, Brennkammerdruck und zeitbezogene
Wandlung von chemischer Energie in Wärme
Q̇
qBK = (5.1-10)
VBK pt3
5.1 Funktion, Bauweisen und Kenngrößen 557
Q̇
bzw. qB = (5.1-11)
VB pt3
Sie ist keine dimensionslose Zahl, sondern charakterisiert die Aufenthaltszeit. Wird die
Brennkammerbelastung zu vergleichenden Betrachtungen herangezogen, so heißt dies,
dass damit dem zeitlichen Verlauf wesentliche Bedeutung zukommt.
Gleichung (5.1-10) bezieht den Wärmestrom Q̇ auf das Volumen der gesamten Brenn-
kammer VBK. Es ergibt sich somit auch ein Maß für die Raumausnutzung, das zur Trieb-
werksdimensionierung herangezogen werden kann. Gleichung (5.1-11) bezieht den
Wärmestrom auf das Volumen des eigentlichen Brennraumes VB, in dem der chemische
Umsetzungsprozess stattfindet. Würde über die Größe dieses Raumes eine echte Aussage
gemacht werden können, dann wäre die Definition (5.1-11) die bessere. Leider ist dies
jedoch selten möglich. Es gibt zwar Brennkammertypen, die bis an die Turbine reichende
Flammrohre besitzen, innerhalb derer die Verbrennung stattfindet. Die Zone intensiver
Verbrennung selbst ist jedoch meist erheblich kleiner als das Volumen des Flammrohres,
in dessen gegen die Turbine gerichtetem Ende hauptsächlich der Mischprozess abläuft.
Dieser stromabwärts gelegene Teil des Flammrohres, dessen Aufgabe es ist, die Heiß-
gastemperatur herabzusetzen und ein gewünschtes Temperaturprofil zu erreichen, trägt
kaum noch zur Verbrennung selbst bei. Aus den genannten Gründen soll der Definition
nach Gl. (5.1-10) der Vorzug gegeben werden. Je höher der qB-Wert ist, desto leistungs-
stärker ist die Brennkammer, desto größer ist ihre Leistungskonzentration.
Zur Charakterisierung des technologischen Standes einer Brennkammer wird qB
nur dann benützen werden können, wenn das sonstige Brennkammerverhalten mit
Wirkungsgrad, Stabilität und z. B. Wiederzündbarkeit in der Höhe ungeändert bleibt.
Eine Übereinstimmung dieser Werte bei verschiedener Brennkammerkonzeption wird
jedoch nur ausnahmsweise erreichbar sein. So wäre es z. B. zur Beurteilung der techno-
logischen Qualität nicht gerechtfertigt, die Brennkammerbelastung eines reinen Hub-
schrauber-Triebwerks, das nur für Bodenflug ausgelegt ist, mit der Brennkammer eines
für Überschallflug geeigneten Triebwerkes zu vergleichen, da die Anforderungen an die
Brennkammern recht verschieden sind.
Auf eine weitere Einschränkung sollte hingewiesen werden. Wird z. B. die Brenn-
kammerbelastung eines Triebwerkes bei gleichen Lastzuständen bei Boden- und Höhen-
flug verglichen, so ergibt dies für das Verhältnis der Brennkammerbelastungen [Lef98B,
Gri04B, Hup06]
qB, H0
≈ 1.
qB, H0 =0
Hieraus darf jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine in Bodennähe gut funk-
tionierende Brennkammer dies auch bei Höhenflug erfüllt. Wie oben in Abschn. 5.1.3.2
ausgeführt, verändern die langsameren Reaktionsabläufe das Brennkammerverhalten. Es
kann zum Ausbrandrückgang bzw. zum Brennkammerverlöschen kommen.
558 5 Brennkammern von Gasturbinen und Flugtriebwerken
5.1.3.4 Brennkammer-Temperaturverteilung
Für das Temperaturfeld am Austritt der Brennkammer und damit Eintritt in die Turbi-
nengitter sind folgende Bedingungen zu erfüllen:
Schaufelhöhe rel.
Temperaturverteilung in 0,75 σzul
einer Turbinen-Laufschaufel σres
TSch,zul
und angestrebtes Heißgas- Tt4,zul
0,50
Temperaturprofil am
Brennkammeraustritt (Schema)
0,25
Fußprofil 0
Spannung σ
Temperatur T
Tt4max − Tt4m
OTDF = ≤ 0,30 (. . . 0,35). (5.1-13)
Tt4m − Tt3
560 5 Brennkammern von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Tt4
Temperaturverteilung
am Brennkammeraustritt
in Umfangsrichtung
Tt4 = f(r, )
Tt 4 max − Tt 3
OTDF =
Tt 4 m − Tt 3
r − ri
Temperaturverteilung
r −r
am Brennkammeraustritt a i 1,0
in radialer Richtung Tt 4 m (r ) − Tt 3
Kanalhöhe relativ BK-Austritt
= RTDF
Tt 4 m − Tt 3
max
Tt4 m = f(r)
0,5
0
0 Tt 4 m (r ) − Tt 3 1,0
Tt 4 m − Tt 3
OTDF wird gelegentlich auch als PTF (pattern factor) bezeichnet [Lef98B].
Die radiale Temperatur-Ungleichförmigkeit RTDF (radial temperature distribution
factor) für ein Turbinen-Gitter ist abhängig vom Radieus r besonders am Eintritt in das
erste Turbinenlaufrad bzw. Rotor-Gitter zu prüfen. Die Definition lautet
Tt4max (r) − Tt4m
RTDF = ≤ 0,08 (. . . 0,10). (5.1-14)
Tt4m − Tt3
RTDF wird auch als PF (profile factor) angegeben [Lef98B].
In Abb. 5.1-16 wird ein Beispiel für die diesen Grenzwerten entsprechenden Tempe-
raturprofilen Tt4 (r, ϕ) und Tt4(r) gezeigt [Gri04B]. Bei späterer verbindlicher Berech-
nung einer Hochdruckturbine HPT ist aus dem Temperaturprofil Tt4(r) das unter dem
Einfluss der Kühlluftzufuhr am Laufradeintritt entstehende Temperaturprofil Tt41(r)
sorgfältig zu bestimmen.
5.2 Entwicklungsstufen und Tendenzen 561
5.2.1 Schadstoffemission
Bei der Auslegung und Projektierung von derzeitigen und besonders der zukünftigen
Kraftwerks-Gasturbinen und Flugzeug-Triebwerken kann die Beachtung der Emissions-
beschränkungen entscheidend für den Erfolg eines Projektes sein. Die Voraussetzungen
und Erfordernisse zur Reduzierung der Schadstoffemission, besonders der NOx-Werte
hängen wesentlich von den theoretischen und experimentellen Analysen in Verbindung
mit den Vorgängen in den Brennräumen ab. Dies betrifft die Brennstoffeinspritzung
und deren Aufbereitung, die reaktionskinetischen und aerothermodynamischen Abläufe
besonders in den Primärzonen sowie damit verbunden die Brennkammerbauweisen im
Verbund mit den gesamten Gasturbinen-Anlagen.
Zu dieser Thematik werden angelehnt an die umfassenden Darstellungen von
Lefebvre [Lef98B], Sattelmayer u. a. in Lechner/Seume [Lec03B, Gri04B] sowie Hup-
fer [Hup06] und Kokanovic [Kok07] hier in einem Überblick einführende Hinweise zu
Brennkammern und zur Schadstoffemission gegeben.
Zur Emissionsbeschränkung für die Luftfahrt selbst ist der von ICAO in den 70er Jah-
ren definierte LTO-Zyklus [ICA81] maßgebend, der lediglich die Flugzeugbewegungen
im Flughafenbereich mit mehreren Phasen des Lande- und Startvorgangs LTO (landing
and take-off) umfasst. Für zivile Turbofan-Triebwerke z. B. sind im Rahmen der Trieb-
werkszulassung die als Kriterium dienenden Emissionsparameter auf der Basis von am
Triebwerk gemessenen Emissionsindices zu ermitteln. Dies betrifft die Schadstoffe NOx,
CO, HC und den Rauch, für die international geltenden Grenzwerte einzuhalten sind.
Lastabhängigkeit der Emissionsindizes. Als Beispiel dafür, wie die einzelnen Schad-
stoffmengen vom Lastzustand einer Gasturbine abhängen zeigt Abb. 5.2-1 die CO-
und COx-Emissionen einer konventionellen Brennkammer eines Flugtriebwerks.
Der Abszissenmaßstab stellt die Eintrittstemperatur in die Brennkammer bzw. nähe-
rungsweise die Austrittstemperatur aus dem Verdichter dar. Sie steigt bei sonst glei-
chen Bedingungen mit der Drehzahl des Gasgenerators des Triebwerks, d. h. mit dem
Lastzustand an.
Die entstehenden Emissionen von CO und NOx in Abhängigkeit von der Primärzo-
nentemperatur zeigen deutlich das gegenläufige Verhalten dieser Emissionen. Für eine
konventionelle Brennkammerauslegung mit insgesamt niedrigen Schadstoffemissionen
steht daher nur ein schmaler Arbeitsbereich zu Verfügung, welcher sich mit verbesserten
Brennkammertechnologien erweitern lässt.
120 30
[ppm] [ppm]
Bereich
100 geringer 25
Emission
80 CO 20
NOx
CO 60 15 NOx
40 10
20 5
0 0
1500 1600 1700 1800 1900 2000 2100
Primärzonen-Temperatur [K]
Abb. 5.2-1 CO- und NOx-Emissionen abhängig vom Lastzustand bzw. von der Primärzonentem-
peratur einer konventionellen Brennkammer nach Lefebvre [Lef98B]
Emissionsmasse in g
EI =
Brennstoffmasse in kg
5.2 Entwicklungsstufen und Tendenzen 563
Flugtriebwerks-Brennkammer
(a) 80
40
10
CO
CO
20
NOx
UHC
UHC
0 0
0 20 40 60 80 100
Lastzustand bzw. Schub / Startschub in %
(b) 60 Emissions-Indizes
Schadstoff in g Turbofan-Triebwerk LTO-Zyklustt
Brennstoff in kg
50
CO
Emissionsindex EI
40
30
HC
20
NOx
10
0
Start Steigen Reiseflug Landeanflug Taxiing
für UHC, CO und NOx in g pro kg Brennstoff gemessen. Die quantitative Bestimmung
der Rauchemissionen SN (smoke number) wird nach ICAO im [ICA81] beschriebenen
Verfahren vorgegeben.
Unter Beachtung der Umgebungsbedingungen und unter Verwendung festge-
legter Brennstoff-Spezifikationen werden mit Hilfe der Verweilzeiten für einzelne
oben genannte Lastpunkte die Referenzemissionen ermittelt, die in so genannte
564 5 Brennkammern von Gasturbinen und Flugtriebwerken
Die Zerstäubung durch Luft mit kleinem Massenstrom und hoher Geschwindigkeit
wird als Air-Assist-Atomizing bezeichnet. Bei großen Luftmassenströmen mit geringerer
Geschwindigkeit von ca. 100 bis 120 m/s wird von Airblast-Atomizing gesprochen.
Beim Verdampfersystem wird der Brennstoff zusammen mit Luft in einer Röhre
durch die Flamme in der Brennkammer geführt. Dies hat den Vorteil, dass der Brenn-
stoff am Eintritt in die Brennkammer bereits verdampft vorliegt und eine vollständige
Verbrennung bei vergleichsweise kurzen Brennkammerlängen möglich wird.
Weiterhin, vor allem bei kleineren Flugtriebwerken mit Umkehr-Brennkam-
mern, kann ein Einspritzverfahren mit rotierender Einspritzung eingesetzt werden
(Abschn. 5.1.2.3, Abb. 5.1-9). Dabei wird der Brennstoff aus der Hohlwelle heraus in die
Brennkammer eingespritzt. Dieses Prinzip erfordert nur sehr geringe Brennstoffdrücke,
wobei eine zufriedenstellende Zerstäubungsqualität auch im Teillast erreicht wird (Fa.
Turbomeca).
Abb. 5.2-3 Schadstoffarme einfache und gestufte Ringbrennkammer DAC (double annular com-
bustor) für ein Turbofan-Triebwerk (Bild oben). Kombinierte Umfangs- und Radialstufung bei der
DAC-Brennkammer des Triebwerks CFM56513 (Bild unten) [Lef98B, Gri04B, Hup06]. Nach Fa.
CFM International
durchgeführt. Dies sind Programme wie das ECCP (Experimental Clean Combustor Pro-
gram), QCSEE (Quiet Clean Short-Haul Experimental Engine) [Bah79]) und E3 (Energy
Efficient Engine Program) [Dub86]. Eine Weiterentwicklung führte bis zur Serienreife
dieser als DAC (dual annual combustor) bezeichneten Brennkammer für die Triebwerk-
stypen CFM 56 und GE 90 (Abb. 5.2-3). Die für geringe Brenntstoffdurchsätze opti-
mierte Pilotstufe kann im unteren Teillastbereich sicher und wirtschaftlich betrieben
werden, bei hoher Last wird die Hauptstufe zugeschaltet. Letztere zeichnet sich durch
kürzere Aufenthaltszeiten der Reaktionspartner mit geringem Stickoxidausstoß aus.
Fett-Mager-Verbrennung. Eine weitere Möglichkeit zur Verringerung der Stick-
oxide ist das Konzept der Fett-Mager-Verbrennung, auch als RQL (rich burn/quick
quench/lean burn) bekannt. In einer ersten Stufe wird bei Volllast mit einem Äquiva-
lenzverhältnis Φ zwischen 1, 6 bis 1, 8 (entspricht ca. 20 bis 30 % der Gesamtluftmenge)
eine fette Verbrennung bei entsprechend niedrigeren Temperaturen initiiert (rich burn)
(Abb. 5.2-4). Daran schließt sich die Mischphase an, in der der Verbrennung sehr schnell
zusätzliche Luft zugeführt wird (quick quench).
Ziel dieser Zumischung ist es, die fette Verbrennung durch Luftüberschuss in eine
magere Verbrennung (Φ = 0,4) zu überführen und dabei die Aufenthaltszeit des Brenn-
gasgemischs unter stöchiometrischen Verhältnissen im Bereich der Zumischung zu
5.2 Entwicklungsstufen und Tendenzen 567
(a) Betrieb
konventionell
Leerlauf Volllast TO
2500
ng
2000 erga
c h e r Üb R
Ras R
Arm-Verlöschgrenze
A
Bereiche
1500 A angestrebt
Bereich R (reich) und A (arm)
angestrebt bei Reich/Arm-
Mager- Verbrennung
1000 Verbrennung
(c)
(b) und (d)
500
0 0,5 1,0 1,5 2,0
Äquivalenzverhältnis in Primärzone PZ
R A
minimieren bzw. gänzlich zu vermeiden. Danach erfolgt der weitere Ausbrand im mage-
ren Bereich unterhalb der stöchiometrischen Verbrennungstemperatur (lean burn).
Problematisch gestaltet sich die schnelle Luftzufuhr zwischen der fetten und mageren
Verbrennung, da hier der Verbrennung durch die Brennkammerwand ein großer Anteil
Luft so homogen wie möglich zugemischt werden muss. Eine zu starke Abkühlung im
Randbereich führt zu erhöhten CO-Emissionen. Ergebnisse aus numerischen und expe-
rimentellen Untersuchungen hinsichtlich der Strömungsoptimierung in diesem Bereich
wurden unter anderem in [Blo97, Has98] und [Hat95] veröffentlicht.
Technologische Probleme bereitet außerdem die fette Verbrennungszone. Eine
konventionelle Filmkühlung mit Luftzufuhr würde im wandnahen Bereich zu stöchi-
ometrischen Mischungsverhältnissen führen, was lokal höhere Wärmebelastung und
Stickoxidbildung ergibt. Daher sind neue Kühlungstechniken konvektiver Art und hit-
zebeständigere Brennkammermaterialien bzw. Beschichtungen notwendig. Wegen des
Sauerstoffmangels entstehen hier auch vermehrt Rußpartikel, die im weiteren Verlauf
der Verbrennung nicht vollständig abgebaut werden können.
Magere Direkteinspritzung. Bei der mageren Direkteinspritzung LDI (lean direct
injection) wird der Brennstoff direkt in die Brennkammer eingebracht, im Gegensatz zur
konventionellen Verbrennung jedoch mit hohem Luftüberschuss. In der sich ausbilden-
den Flammenfront findet daher die komplette Verbrennung im mageren Bereich statt,
was zu niedrigeren Spitzentemperaturen und somit auch zu einer geringeren Stickoxid-
bildung führt. Voraussetzung für eine stabile und schadstoffarme Verbrennung ist die
homogene Aufbereitung und feine Zerstäubung des Brennstoffs.
Im Rahmen des europäisch geförderten Technologieträger-Programms ANTLE
(Affordable Near Term Low Emissions) wird eine LDI-Brennkammer mit intern gestufter
Brennstoffzufuhr untersucht. Mit diesem Konzept werden NOx-Werte von weniger als
50 % bezogen auf die aktuellen ICAO-Grenzwerte erwartet.
Vorgemischte und vorverdampfte Magerverbrennung. Eine vielversprechende,
in stationären Gasturbinen (Abschn. 5.2.5) bereits erfolgreich eingesetzte Methode
zur Verringerung von Stickoxidemissionen stellt die vorgemischte und vorverdampfte
Magerverbrennung LPP (lean premixed prevaporized combustion) dar [Lec03B]. Hierbei
werden zum einen die hohen Flammentemperaturen, wie sie bei nahe-stöchiometrischen
Mischungsverhältnissen auftreten, vermieden und zum anderen verkürzen sich durch
die bereits stattgefundene Vorverdampfung des Brennstoffs die notwendigen Aufent-
haltszeiten in der Primärzone. Die erfolgreiche Umsetzung eines solchen Verbrennungs-
konzeptes in Flugtriebwerks-Brennkammern erfordert jedoch die Optimierung von
Parametern mit zum Teil gegensätzlichen Auswirkungen. Diese sind:
Da ein brennbares Gemisch bereits vor Eintritt in die Brennkammer vorliegt, besteht
zusätzlich die Gefahr eines Zurückschlagens der Flamme in die Vormischstrecke (flash-
back). Bei hoch belasteten Brennkammern, die entsprechend hohe Eintrittsdrücke und
Eintrittstemperaturen haben, kann es bei entsprechender Aufenthaltszeit des Gemi-
sches in der Vormischstrecke auch zu einer Selbstzündung (auto ignition) kommen.
Diese Zustände sind unter allen Umständen zu vermeiden. Weiterhin dürfen keine star-
ken Druckpulsationen auftreten. Die Erfahrung zeigt, dass magere Vormischflammen
auf vielfältige Weise Schwingungen anregen können. Diese Schwingungen können die
Gemischhomogenisierung und Brennstoffverteilung beeinträchtigen, was bei einer reso-
nanten Verstärkung durch eine periodische Wärmefreisetzung zu einer Beschädigung
der Brennkammer führen kann.
Da die NOx-Bildung um so größer ist, je höher die Drücke und Temperaturen beim Ver-
brennungsvorgang sind und je langsamer der Verbrennungsvorgang abläuft, kommt es
bei der Gestaltung der Brennkammer darauf an, in der Primärzone folgende Anforde-
rungen z. B. nach Grieb [Gri04B] anzustreben:
Aus der Forderung mit den o.g. Beschränkungen des Äquivalenzverhältnisses haben sich
folgende zwei Funktionsprinzipien herausgebildet:
Beim Konzept der Mager-Verbrennung wird versucht, das mittlere Äquivalenzver-
hältnis so dicht wie möglich an die Armgrenze ΦPZmin heranzurücken. Hierzu wird
angestrebt, dies dadurch zu erreichen, dass der in die Primärzone einströmende Luft-
anteil entsprechend dem Lastzustand bzw. entsprechend der Brennstoffmenge durch
variable Geometrie geregelt wird. Dies ist bei Flugtriebwerken schwer zu erfüllen. In
der Praxis hat sich bisher das Doppeldom-Konzept durchsetzen können (Abb. 5.2-3
570 5 Brennkammern von Gasturbinen und Flugtriebwerken
und 5.2-4). Dabei ist im Bereich niedriger Last die eine, z. B. die innere Düsengruppe,
im Bereich hoher Last z. B. die äußere Düsengruppe in Aktion. In einigen Fällen wird
die äußere Düsengruppe axial nach hinten versetzt, wobei in diesem Falle die inneren
(Pilot-) Düsen im Leerlauf und unteren Lastbereich, die äußeren (Haupt-) Düsen im
oberen Lastbereich arbeiten [Bah92, Lan88].
Bei der „Reich/Mager“-Verbrennung wird zunächst ein Teil des Brennstoffs in einer
ersten Primärzone bei ΦPZ > 1 teilweise verbrannt, so dass hier nach Abb. 5.2-4 nur
moderate Verbrennungstemperaturen auftreten können. Dann wird der Betrieb nach
möglichst raschem Übergang in einem entsprechend eingeschnürten Übergangskanal zu
einer zweiten Primärzone geführt, wo der restliche Brennstoff unter Luftzufuhr bei nied-
rigem ΦPZ < 1 und damit ebenfalls bei niedrigen Verbrennungstemperaturen verbrennt.
Brennkammern, die nach diesem Prinzip funktionieren, neigen eher zur Rußbildung,
sind relativ lang und führen zu großen zu kühlenden Flammrohroberflächen.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass z. B. nach [Gri90] mit zuneh-
menden Temperaturen im Bereich des Flammrohrs das Problem knapper werdender
Flammrohrkühlluft besteht, da auch bei herabgesetzten Verbrennungstemperaturen
einerseits konvektive Kühlung der Flammrohrwände durch die Sekundärkanäle nicht
ausreicht und andererseits die Filmkühlung auch dazu nötig ist, um die Verbrennungs-
zonen von den Flammrohrwänden fernzuhalten.
Bei der Mager-Verbrennung kommt es darauf an, den Brennstoff in die Primärzone
so einzubringen, dass eine räumlich möglichst gleichmäßige Verteilung bei minimaler
Tröpfchengröße und größtmöglichem Verdampfungsgrad entsteht. Dabei ist neben der
Homogenität der Brennstoffkonzentration die Schnelligkeit des Verbrennungsablaufs für
den Erfolg im Sinne minimaler NOx-Emission maßgebend. Eine möglichst geringe mitt-
lere Verweilzeit der Verbrennungsgase im Flammrohr ist anzustreben. Bei der Reich-/
Mager-Verbrennung gilt zwar ähnliches, wobei hier jedoch die Brennstoffverteilung
nur über die Brennstoffeinspritzung in die erste Primärzone beeinflussbar ist. Auch hier
spielt im Zusammenhang mit der NOx-Bildung die mittlere Verweilzeit zumindest in
der zweiten Primärzone eine wesentliche Rolle [Gri04B].
Die erreichbare Homogenität der Brennstoffverteilung, der Teilchengröße und des Ver-
dampfungsgrades ist von der Qualität der Brennstoffeinspritzung abhängig. Während in
den 1970er Jahren, einfache Hochdruck-Zerstäuberdüsen als 2-Mengen-Düsen vorherrsch-
ten, geschieht die Brennstoffeinspritzung später in den nachfolgenden Jahren mittels Drall-
Luftstrahldüsen mit zwei konzentrischen, konischen, gegensinnigen Drallzonen, zwischen
denen der Brennstoff in feinste Tröpfchen zerstäubt wird und die Gemischbildung einsetzt.
Da bei der Brennstoffeinspritzung durch Luftstrahldüsen nur begrenzte Gleichför-
migkeit der Gemischbildung und geringe Verdampfungsraten erzielt werden können, ist
die Vormischung und Vorverdampfung des Brennstoffs vor dem Eintritt des Gemischs
in die Primärzone erstrebenswert. Mit Rücksicht auf die Gefahr der Fremdzündung z. B.
durch Flammenrückschlag beim Pumpen des Triebwerks oder durch Selbstzündung bei
genügender Aufenthaltsdauer in der Vormischkammer wird es schwierig, dieses Prinzip
bei Flugtriebwerken einzuführen [Gri90].
5.2 Entwicklungsstufen und Tendenzen 571
5.2.4 Entwicklungstendenzen
ab 1996
80
Ring-Rohr-
JT8-D7
Brennkammer
70
CFM56-5B
40 CFM56-5A
Ring-Brennkammer
2-Stufen-
30 Ring-Brennkammer
CFM56-5B
20 vorgemischt
(Entwicklung nach GE / SNECMA)
10
1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010
Jahr (EIS)
Abb. 5.2-5 Stand der Technik und erwartete Fortschritte in der Reduzierung der NOx-Emission bei
Brennkammern ziviler Turbofan-Triebwerke CTF im Vergleich zu den ICAO-NOx-Grenzwerten
nach [Gri04B] und am Beispiel der Entwicklungsstufen der Firmen GE und SNECMA [Cum03B]
Luft-Brennstoffverhältnis AFR (air fuel ratio) über die gesamte Brennkammer Werte
zwischen 35 unter Volllast und bis zu 250 bei unterer Teillast einstellen. Bei kleinen
Triebwerken allgemein gestaltet sich die Einführung neuer Brennkammertechnologien
schwieriger als bei den großen Schubtriebwerken [Lef98B, Gri04B].
Abschließend wird mit Abb. 5.2-5 ein Überblick beispielhaft zu den in der Triebwer-
kindustrie bestehenden oder geplanten Brennkammerentwicklungen mit der weiteren
Senkung der NOx -Emission gegeben und ihre Einordnung in den Stand der Technik
und in den Trend der ICAOGrenzwerte.
Wie bei den Flugtriebwerken die Reduktion des Schadstoffausstoßes eine Vorrangstel-
lung inne hat, liegt ein Schwerpunkt der Entwicklung in der Gasturbinentechnologie der
Kraftwerks- und Energietechnik ebenfalls auf der Absenkung des CO2-Ausstoßes. Die
5.2 Entwicklungsstufen und Tendenzen 573
Silo-Brennkammer
mit Vormischbrenner
Verdichter
Turbine
Kraftwerks-Gasturbine GT 11N2
2,2 m
Die NOx-Emission der Vormischflamme ist prinzipiell von der Wechselwirkung zwi-
schen der Turbulenz in der Flammenfront und den chemischen Reaktionen beeinflusst.
Um trotz Lastwechsel in einem konstanten Temperaturbereich bleiben zu können, erfor-
dert der Übergang von der nicht-vorgemischten zur vorgemischten Verbrennung einen
gezielten Eingriff in die Brennstoff-Luftverteilung der Brennkammer. Über die Vertei-
lung der Luftmassenströme oder auch die Brennstoffverteilung kann bei verschiedenen
Lastfällen die Luftzahl variiert werden. Bei der Luft-Stufung kann durch eine Zuführung
der Bypassluft hinter der CO-Ausbrandzone ein schadstoffarmer Betrieb über einen gro-
ßen Lastbereich ermöglicht werden. Nachteil dieser Methode ist, dass ein komplexer
Regler benötigt wird, was mit höheren Kosten und mit einer geringeren Betriebssicher-
heit verbunden ist. Das Risiko besteht darin, dass bei einem Überschuss an Bypass-Luft
die Geschwindigkeit im Brenner stark abfällt und bei geschlossenem Nebenstromkanal
thermische Probleme in nicht durchströmten Komponenten auftreten können. Daher
wird eine Brennstoff-Stufung der Luft-Stufung meist vorgezogen.
Als Beispiel ist in Abb. 5.2-8 das Stufenkonzept des DLN1-Brenner, eines 2-stufigen
Vormischbrenners der Fa. GE zu sehen. Gemäß [Dav00] wird den beiden Brennerdü-
sen unabhängig voneinander Brennstoff zugeführt. Dabei werden vier verschiedenen
5.2 Entwicklungsstufen und Tendenzen 577
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Bei der isentropen Düsenströmung wird angenommen, dass in dem Raum vor dem
Düsenkanal (Index 0) eine vernachlässigbare Strömungsgeschwindigkeit c0 ≈ 0 und ein
konstantes Gesamtenergieniveau gemäß den Ruhe- oder Totalzustandsgrößen ht0, pt0,
Tt0 vorliegt (Abb. 6.1-1). In dem angeschlossenen Strömungskanal ohne Energieaus-
tausch durch die Wände wird im Kanalquerschnitt A die Strömungsgeschwindigkeit c
bei den statischen Zustandsgrößen p, T und h vorliegen. Diesen Größen entsprechen die
Gesamt- bzw. Totalzustände pt = pt0, Tt = Tt0 und ht = ht0. Mit dem Energiesatz für
strömende Fluide (Abschn. 2.1) gilt für die Totalenthalpie ht = h + c2/2 und damit für
die Geschwindigkeit in A
c= 2(ht0 − h) = 2 cp (Tt0 − T) (6.1-1)
Bei isentroper Expansion bis zum Vakuum entsprechend p=0 wird eine Grenzgeschwin-
digkeit erreicht
κ
cmax = 2 RTt0 . (6.1-3)
κ−1
Wird die isentrope Strömung zwischen den Ebenen A1 und A2 betrachtet, so ergibt sich
auf dem gleichen Weg die Ausströmgeschwindigkeit c2 mit der Vorgeschwindigkeit c1
κ−1
κ p2 κ
c2 = 2
RT1 1 − + c21 . (6.1-4)
κ−1 p1
Ist c1 = 0, so wird T1 = Tt1 =Tt0 und p1 =pt1 = pt0, also ein der Gl. (6.1-2) entsprechen-
der Ausdruck erhalten. Die Gl. (6.1-2) und (6.1-4) lassen erkennen, dass die Ausström-
geschwindigkeit c2 abhängig ist von der Totaltemperatur Tt0, dem Düsendruckverhältnis
(p/pt0), dem Isentropenexponenten κ = cp /cv und der Gaskonstanten R.
Mit der Kontinuitätsgleichung und Gl. (6.1-2) sowie mit der Isentropengleichung
ergibt sich für die Massenstromdichte folgende Beziehung
6.1 Isentrope Düsenströmung 587
0 1 * 2 Expansion
A isentrop verlustbehaftet
ht0 Amin
s=const. s pt=pt0- p t
Tt0 c1 c h T c2 pt0 pt
pt0 Tt0 Tt
p
ht0 ht=ht0
m
M<1 M>1
Unterschall Überschall c2
c is2
M 2
2
T M
h T
p h
Tis
M=1 his
p
s
T
p s
0 1 * 2
krit
Abb. 6.1-1 Entspannung eines kompressiblen Fluids in einer Düse N (nozzle). Dargestellt ist im
h-s-Diagramm die adiabate, isentrope Expansion ohne Verluste (s = const) sowie die verlustbehaf-
tete Expansion mit Δs bzw. Δpt = pt0 −pt
2 κ+1
ṁ pt0 2cp
p κ p κ
= − . (6.1-5)
A R Tt0 pt0 pt0
wird
2κ
ṁ = A pt0 . (6.1-7)
RTt0
Die Abhängigkeit der Ausflussfunktion Ψ von κ und (p/pt0) zeigt Abb. 6.1-2. Durch
Ableiten von Ψ nach p/pt0 und Nullsetzen des Differentialquotienten ergibt sich das kri-
tische Druckverhältnis zu
κ
pkrit 2 κ−1
= (6.1-8)
pt0 κ+1
588 6 Schubdüsen
* A 0,5
pt0 Amin =1,4
ht0 p c
Tt0 h T =1,3
0,4
m
M<1 M=1 M>1
=1,2
Durchsatz 0,3
Ausflussfunktion
2
m=A pt0
R Tt 0
0,2
Ausflussfunktion
2 +1
= p − p 0,1
− 1 p t 0 p t 0
0,0
1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0
Düsen-Druckverhältnis p/pt0
Abb. 6.1-2 Isentrope Expansion eines kompressiblen Fluids in einer Düse N dazu die Ausfluss-
funktion Ψ in Abhängigkeit vom Düsen-Druckverhältnis p/pt0
bei
1
2 κ−1 κ
max = (6.1-9)
κ+1 κ+1
Druckverhältnissen (p/pt0) ≪ (pkrit/pt0) wieder ab. Dies bedeutet, dass der Düsenkanal
Bis zur kritischen Stelle Akrit nimmt die Massenstromdichte ṁ/A zu und danach bei
vor Akrit einen konvergenten, nach Akrit, einen divergenten Verlauf erfordert. Eine solche
Konvergent-Divergent-Düse (C-D-Düse) wird auch Laval-Düse genannt. Bemerkens-
wert ist, dass bei einem Gegendruck am Düsenaustritt, der kleiner ist als der kritische
Druck, die maximale Massenstromdichte ψmax nicht weiter gesteigert werden kann. Die
Düse blockiert ab p ≤ pkrit.
Da die Düsenströmung bisher unter den Bedingungen der isentropen, isoener-
geten Stromröhrentheorie betrachtet wurde, können die in Abschn. 2.1.2 vorgestell-
ten Beziehungen, insbesondere die Abhängigkeiten der verschiedenen Größen von
der Strömungs-Mach-Zahl M = c/a und dem Druckverhältnis, hier sinngemäß auf die
Düsenströmung übertragen werden (Abb. 2.1-6).
6.2 Verlustbehaftete eindimensionale Düsenströmung 589
Konvergent-Divergent- Düse
Akrit A
C-D-Düse mit pt0
verlustbehafteter Strömung ht0 c p c
Tt0 h T
m Mkrit M=1
M<1 pkrit M>1
Tkrit
Tt0 Tt ht=h t0 h t0 Tt0 Tt ht=h t0
ht0
c2
2 c2 c is2
2
c
is krit,
c is2 2 krit,
<1
2
2 <1
pkrit,
2 <1
krit, =1
h h pkrit, =1
h
Tis T
his
p
s s
Gegenüber der verlustlosen, isentropen Düsenströmung nach Abschn. 6.1 soll hier für
die reale Strömung angenommen werden, dass nur Reibungsverluste ein Abweichen der
Strömungsgrößen von dem Zustandsverlauf in der Idealdüse verursachen. Abbildung
6.2-1 zeigt den verlustbehafteten Entspannungsvorgang im h-s-Diagramm. Durch das im
Düsenkanal vorliegende Druckverhältnis p/pt0 wird in der Strömungsebene A die effek-
tive Geschwindigkeit c bzw. Strömungs-Mach-Zahl M = c/a erhalten mit den statischen
Zustandsgrößen h, p, T und den Totalzustandsgrößen ht0, pt0, Tt0.
Im Gegensatz zur isentropen Strömung ist bei gleichem Druckverhältnis p/pt0 wegen
der Reibungsverluste die Geschwindigkeit c kleiner als beim verlustlosen Prozess die
Geschwindigkeit cis. Die Reibungswärme wird dem Gas während der Expansion zuge-
führt, dessen Zustandsänderung somit polytrop verläuft (κ → n).
Es wird deshalb ein Geschwindigkeits-Koeffizient für eine Düse N definiert
mit ϕN=c/cis (nicht zu verwechseln mit der Lieferzahl ϕ beim Turboverdichter
(Abschn. 4.2.3.2).
Als Düsen-Wirkungsgrad ηN wird das Verhältnis der effektiven, verlustbehafteten
Enthalpiedifferenz Δh zur isentropen Enthalpiedifferenz Δhis. formuliert. Diese Enthal-
piedifferenzen entsprechen den jeweiligen kinetischen Energien, also c2/2 beziehungs-
weise c2is/2.
590 6 Schubdüsen
c2 /2 �h ht0 − h cp (Tt0 − T)
ηN = 2 = = =
cis /2 �his ht0 − h is cp (Tt0 − Tis )
2 c2 /2 (6.2-1)
ϕN is 2
= = ϕN .
c2is /2
κ−1
T p κ
�s = s − sis = cp ln = cp ln (1 − ηN ) t0 + ηN . (6.2-3)
Tis p
κ−1
p κ
ln 1 − ηN 1 − p
n−1 t0
(6.2-4)
= .
n p
ln
pt0
Zur Berechnung von technischen Expansionsprozessen, wie zum Beispiel die Strömung
in Turbinengittern oder in Schubdüsen, ist es sinnvoll, die Zusammenhänge der wesent-
lichen Düsenparameter derart zu entwickeln, dass sie den praktischen Anforderungen
angepasst sind. Als Beispiel dazu kann ein Durchsatzdiagramm erstellt werden, das die
reibungsbehaftete Düsenströmung ähnlichkeitsgerecht im Sinne der Mach-Ähnlichkeit
wiedergibt und sich somit gut für die Vorauslegung bei atmosphärischen Flugantrieben
eignet.
Mit den Enthalpiedifferenzen gemäß den kinetischen Energien c2 /2 = cp (Tt − T),
angewandt auf die isentrope und auf die reale Düsenströmung bei gleichem Ausgangszu-
stand ht0, ergibt sich mit der Isentropenbeziehung
κ−1
Tis p κ
=
Tt0 pt0
6.2 Verlustbehaftete eindimensionale Düsenströmung 591
2 2
T 1 − ϕN 2 Tis
1 − ϕN 2 Tis
Tis
=
T
+ ϕN = � � κ−1 + ϕN
= C1 (6.2-5)
Tt0 is Tt0 p κ Tt0 Tt0
Tt0 pt0
Der Temperaturkoeffizient C1 beschreibt das Abweichen des effektiven von dem isentro-
pen Temperaturverhältnis bei gleichem Druckverhältnis p/pt0, wobei C1 > 1 ist.
Mit der Zustandsgleichung p/ρ = RT kann das Verhältnis der Dichten wegen des glei-
chen Druckverhältnisses ebenfalls durch C1 ausgedrückt werden zu
ρt,0 ρt,0
= C1 . (6.2-6)
ρ ρis
wobei die Dichte ρt gemäß Gl. (2.1-25) in Abschn. 2.1.2 mit den Totalzustandsgrößen
gebildet wurde.
Die Kontinuitätsgleichung in der Form
p
ṁ = A c ρ = A c . (6.2-7)
RT
führt im Vergleich der isentropen mit der reibungsbehafteten Strömung bei vor-
ausgesetzter gleichbleibender Durchströmfläche A des Düsenkanals zum
Durchsatzkorrekturfaktor
ṁ cρ ϕN
C2 = = = < ϕN < 1. (6.2-8)
ṁis cis ρis C1
Mit steigenden Reibungsverlusten nimmt bei sonst gleichen Bedingungen der Massen-
strom ṁ ab. Unter Beachtung der Isentropenbeziehungen
1 κ−1
ρt,0 pt0 κ Tis p κ
= und = .
ρis p Tt0 pt0
κ−1
κ p κ
ϕN 2 κ−1 RTt0 1 −
ρt,0
ṁ pt0
= 1 . (6.2-9)
A pt0 p κ
1 − ϕN + ϕN t0
2 2
p p
592 6 Schubdüsen
0,57 18,5
m 1
pkrit /pt0 s
K
0,56 18,0
kritisches Druckverhältnis
c krit Tt 0
0,54 17,0
0,53 16,5
0,52 16,0
1,25 1,30 1,35 1,40 1,25 1,30 1,35 1,40
Isentropenexponent Isentropenexponent
Die engste Stelle des Düsenkanals, der Düsenhals (throat) mit (ṁ/A)max, wird wieder wie
bei der isentropen Düsenströmung als kritischen Strömungsquerschnitt Akrit bezeichnet.
Die maximale Massenstromdichte (ṁ/A)max, abhängig vom Druckverhältnis, wird über
eine Differentiation der Gl. (6.2-9) und Nullsetzen des Differentialquotienten erhalten.
Das so gefundene kritische Druckverhältnis ist
pkrit κ
κ−1
= C3 + C3 + C4 = f(κ,ϕN ). (6.2-10)
pt0
mit
3κ − 1 1
3κ + 1 − 2 2κ 2 − 1
ϕN ϕN (6.2-11)
C3 = ; C4 = .
2(κ + 1) κ+1
Wie Abb. 6.2-2 zeigt, steigt mit fallendem Isentropenexponenten und abnehmendem
Düsenwirkungsgrad (ηN = ϕ2N) das kritische Druckverhältnis. Vereinfachend wird für
die Geschwindigkeit ckrit angenommen
κ
ckrit = ϕN ckrit,is = ϕN 2RTt0 . (6.2-12)
κ+1
ckrit
bzw. √ κ
= ϕN 2R.
Tt0 κ+1
6.2 Verlustbehaftete eindimensionale Düsenströmung 593
Die hier verwendete kritische isentrope Geschwindigkeit ckrit,is entspricht der Laval-
Geschwindigkeit a* aus Abschn. 2.1. Das Temperaturverhältnis ergibt sich zu
Tkrit 2 κ−1
= 1 − ϕN . (6.2-13)
Tt0 κ+1
und mit der Schallgeschwindigkeit in Amin beziehungsweise Akrit
akrit = κRTt0 2 κ−1
1 − ϕN . (6.2-14)
κ+1
Im Gegensatz zur Strömung in einer Idealdüse tritt bei der reibungsbehafteten Düsen-
strömung im Düsenhals noch keine Schallgeschwindigkeit auf.
Um die bisher gefundenen Ergebnisse den Rechenmethoden bei Strömungsmaschi-
nen anzupassen, wird nach Gl. (2.1-25) mit den Düseneintrittsdaten (Totalzustand t,
ehemalige Bezeichnung in der Fachliteratur mit „Gesamtzustand ges“) ein reduzierter
Durchsatz definiert
√
ṁ R Tt0 ct
ṁred t = =√ . (6.2-16)
A pt0 Tt0
Der reduzierte Durchsatz ṁred t, mit den Totalzuständen für die Geschwindigkeit und
die Bezugsschallgeschwindigkeit definiert, entspricht einer Mach-ähnlichkeitsgerechten
Darstellung, die für gasdynamische Berechnungen vorteilhaft benutzt werden kann.
Diese Form des reduzierten Durchsatzes findet mit anderen, gleichfalls Mach-ähnlich-
keitsgerechten Darstellungen bei den Strömungsmaschinen Verdichter (Abschn. 4.2)
und Turbine (Abschn. 4.3) Verwendung. Die verschiedenen reduzierten Durchsätze
können gleichrangig verwendet werden. Sie sind zahlenmäßig jedoch nicht übereinstim-
mend. Die Gesamt- oder Totalgeschwindigkeit ct (entspricht ehemals cges) ist hier also
mit der Kontinuitätsgleichung und der Zustandsgleichung für den Totalzustandspunkt
gebildet worden (Abschn. 2.1).
Für die hier behandelte reibungsbehaftete Strömung gilt mit Gl. (6.2-8) sowie mit
√ 1
ct / Tt0 p κ
√ = .
c/ Tt0 pt0
pt0 Akrit
ht0
12 M<1 M>1
m Tt0
m
s K Mkrit M=1
m R Tt 0 11 N=1,00
p t0 A
0,96
10
Durchsatz reduziert tot
0,92
mred, max
9 (p p t 0 )krit 0,88
6
0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0
Düsendruckverhältnis p/p t0
oder
√ 1 κ−1
ṁ R Tt0 ϕN p κ κ p κ
ṁred t = = 2 R 1− . (6.2-18)
Apt0 ϕ C1 pt0 κ−1 pt0
Abbildung 6.2-3 zeigt den Verlauf des reduzierten Durchsatzes abhängig vom Düsen-
druckverhältnis und dem Geschwindigkeitskoeffizienten bei konstantem Isentropenex-
ponenten κ= 1,35.
Die Verschiebung des maximalen reduzierten Massenstromes mit steigenden Rei-
bungsverlusten zu größeren Düsendruckverhältnissen ist zu erkennen. Die Verbindungs-
linie der Maxima stellt den Verlauf der kritischen Zustandswerte im Düsenhals dar.
Neben dem Parameter ϕN für den Geschwindigkeitsbeiwert ist weiterhin die Mach-
Zahl eingetragen (Gl. 6.2-2)
c p
M= √ =f ,κ,ϕN . (6.2-19)
κR T pt0
Dem durch die Reibungsverluste verursachten Entropieanstieg Δs entspricht ein pro-
zentualer Totaldruckabfall, der seinerseits auch als Maß für einen verlustbehafteten Strö-
mungsvorgang verwendet werden kann.
6.2 Verlustbehaftete eindimensionale Düsenströmung 595
κ−1 κ−1
Tis p κ T p κ
= bzw. = .
Tt0 pt0 Tt0 pt
κ
κ−1 κ−1
pt0 pt0 2 p κ
= 1 − ϕN 1− . (6.2-21)
pt p pt0
woraus sich mit der Kontinuitätsgleichung und den Gl. (6.2-23) und (6.2-25) das Flä-
chenverhältnis ergibt
A T p∗ c∗
= . (6.2-26)
A∗ T∗ p c
Am Beispiel der Schubdüse mit den beiden meist vorliegenden Bauformen der Konver-
gent-Düse (C-Düse) und der Konvergent-Divergent-Düse (C-D-Düse, Laval-Düse) kann
gezeigt werden, bei welchen Druckverhältnissen und Geschwindigkeitsverlustbeiwer-
ten die C- oder die C-D-Düse bessere Schubwerte liefert. Bei verlustloser Strömung und
einem überkritischen Druckverhältnis ergibt die Laval-Düse stets den höheren Schub.
Bei verlustbehafteter Strömung können sich die Reibungsverluste an den Wandungen
der vergleichsweise längeren Laval-Düse so auswirken, dass der erreichbare Schub klei-
ner ist als der Schub der konvergenten, kritischen Düse mit gleichem Verlustbeiwert. So
ist zum Beispiel für gleiche Verlustbeiwerte ϕN bei Druckverhältnissen p/pt0 >> 0,208 die
konvergente Düse günstiger, bei p/pt0 < 0,208 liefert die C-D-Düse (Laval-Düse) bessere
Werte.
Bei den bisherigen Betrachtungen in Abschn. 6.1 und 6.2 zur Düsenströmung wurde
vorausgesetzt, dass in allen Düsenquerschnitten dem jeweiligen Druckverhältnis ein
ganz bestimmtes Flächenverhältnis entspricht. Für die weiteren Betrachtungen zu den
Strömungsvorgängen in Düsen besonders der C-D-Düsen wird zur Kennzeichnung der
jeweiligen Strömungsebenen die Indizierung der Schubdüsen von Luftstrahltriebwerken
mit den Ebenen 7, 8 und 9 verwendet, wie sie bereits in den Kap. 1 und 2 angegeben
wurden (Abb. 6.3-1).
In den meisten Betriebsfällen ist der statische Druck am Düsenaustritt pN = p9 der
Strömung nicht gleich dem Umgebungs- bzw. Gegendruck p0, es liegt dann eine nicht
angepasste Düsenströmung vor (Abb. 6.3-1 oben). Verlässt das Fluid die Düse mit einem
statischen Druck größer als der Umgebungsdruck p9 > p0, so liegt eine Unterexpansion
der Strömung vor. Diese tendiert je nach der Größe der Druckdifferenz p9 – p0 zu einer
Nachexpansion hinter dem Düsenendquerschnitt ausgehend von den Austrittskanten.
Die sich kreuzenden Wellen des Expansionsfächers werden an der Freistrahlgrenze wie-
der reflektiert und gehen in ein System von Verdichtungswellen über. Durch die Nach-
expansion wird der Druck im Strahlkern zuerst kleiner, dann im Verdichtungsgebiet
wieder größer als der Umgebungsdruck.
Das periodische Wechselspiel von Expansion und Kompression setzt sich solange
fort, bis stromabwärts die grenzschichtartig wachsenden Mischungszonen den Über-
schallfreistrahl meist über eine geradstoßähnliche Front in einen Unterschallstrahl
6.3 Nicht angepasste Konvergent-Divergent-Düse 597
C-D-Düse Freistrahl-Expansionssystem
7 8 9 Umgebungsdruck
pt7
c7 p9 c9
ht7 M<1 M>1
Tt7 Akrit
p0
s
Tt9 p9
c 72
M>1
2
T7 p7
c 92
2
h p9<p0
T Starke Überexpansion
h9 9
T9is
h9is Ablösung der Strömung innerhalb der Düse
s p0
p9
M>1
überführen. Dieses Strömungsbild sowie der noch zu besprechende Vorgang der Über-
expansion können besonders bei Überschallflügen mit hohen Machzahlen M0 und bei
Raketenstrahlen eventuell deutlich beobachtet werden (Abb. 6.3-2).
Ein überexpandierter Düsenstrahl liegt vor, wenn der Umgebungsdruck p0 am
Düsenaustritt größer ist als der Druck am Düsenende p9. Ist die Druckdifferenz p0 – p9
nur gering, so geht, wie Abb. 6.3-1 (unten) schematisch zeigt, von den Austrittskanten
598 6 Schubdüsen
Freistrahl-
Überschall-Expansion
am Flugzeug und
am Prüfstand
ein Verdichtungsstoßsystem aus, der Freistrahl wird eingeschnürt und der Druck im
Strahlzentrum steigt stromabwärts auf Werte über den Gegendruck p0 an. Die Verdich-
tungswellen werden am Strahlrand reflektiert und gehen in Expansionswellen über, der
Strahldruck fällt. Dieser Vorgang wiederholt sich und entspricht weiterhin dem Strö-
mungsfeld der oben erwähnten Strahl-Unterexpansion.
Der Winkel der divergenten bzw. konvergenten Strahlkontur am Düsenende wird im
Falle der Unter- oder Überexpansion vom jeweiligen Druckverhältnis p9/p0 bestimmt. Das
Strömungsfeld selbst kann mit den üblichen CFD-Methoden der numerischen Fluidme-
chanik berechnet werden. Liegt der Gegendruck p0 wesentlich höher als der Strömungs-
druck im Endquerschnitt bei angepasster Düse, so wird das Strömungsfeld erhebliche
Änderungen erfahren. Gemäß Abb. 6.3-3 sollen einige charakteristische Fälle für eine vor-
gegebene Kanalkontur zwischen den Querschnittsebenen 0 und a dargestellt werden.
Ist p0 = p9, so liegt der Fall der angepassten Düse vor, und der Druckverlauf in der
Düse entspricht der Kurve O-K-A. Bei p0 < pA ergibt sich der bereits besprochene Fall
der Unterexpansion (Abb. 6.3-1).
Für den Gegendruckbereich zwischen p0 = pF und p0 = pA soll zuvor vereinfachend
angenommen werden, dass keine die Strömung störenden Grenzschichteinflüsse auftre-
ten. Vorausgesetzt sei zudem eine annähernd eindimensionale Strömung entsprechend
der Stromröhrentheorie (Abschn. 2.1).
6.3 Nicht angepasste Konvergent-Divergent-Düse 599
0 a
F
E
p/pt0 M<1 D M<1 M=1 M<1
Düsen-Gegendruckverhältnis
M<1 C
p*/pt0 L
K M<1 M>1 M<1
M=1
Stoß B
G
M<1 M>1 M<1
M>1 A
9
7
8
M<1 M>1 M>1
pt0 pt7 c p9
ht0 ht7 M<1 M>1
p
Tt0 Tt7 pa
Akrit
C-Düsen C-D-Düsen
Verstell-Düsen
Vektor-Düsen
Mehrfach-Düsen
Bypass-Düsen
Ejektor-Düsen
Rampen-Düsen
Abb. 6.4-1 Düsenformen mit 1- und 2-dimensionalen C-Düsen und C-D-Düsen, wie auch ver-
stellbare rotationssymmetrische Düsen, Pilsdüsen und Ringdüsen sowie Rechteckdüsen und Klap-
pendüsen [Ric72, Brä00B, Gri04B, Wal00B, GasTurbDet]
Die Auslegung und die Bauweise der Schubdüsen von Luftstrahltriebwerken können
abhängig von der Flugaufgabe im Wesentlichen in zwei Hauptgruppen unterteilt wer-
den. Dies betrifft einmal die Antriebe von Unterschall-Flugzeugen und Hubschraubern
angetrieben von Einstrom- oder Mehrstromtriebwerken mit konvergenten Düsen (Abb.
6.4-1). Zum andern betrifft es Flugantriebe von Hochleistungs-Flugzeugen für Über-
schall- und Hyperschallflüge mit Konvergent- und Konvergent-Divergent-Düsen, bei
denen allerdings auch der zeitweise Unterschallflug von großer Bedeutung für das Ausle-
gungskonzept ist.
Die Turbofan-Triebwerke von mittleren bis hohen Bypassverhältnissen BPR sind bei
den meisten Unterschall-Flugzeugen dominant. Es herrscht die Gondel-Bauweise
vor. (Abb. 6.4-2). Die Bypassluft oder die Heißgase aus dem Primärkreis expandie-
ren über konvergente Düsen oder vom Konzept des Triebwerks vorgegeben über
602 6 Schubdüsen
Zentralkörper
Primär-Düse
Bypass-
Sekundär-Düse
RR-Chevron-Konvergent-Ring-Düsen
Lärmdämmung mit perforierten Düsenkonturen
(a) (b)
(c) (d)
Blüten-Mischer
RR-Konzept
Schubumkehr-Klappen
Abb. 6.4-4 Turbofan-Triebwerk mittlerer Schubklasse mit Mischung von Primär- und Sekundär-
luft, Schubumkehrer (reverser) mit Klappen (bucket door reverser BDR) und Konvergent-Düse (Fa.
RR-Deutschland, BR710) [Rol05B]
Kaskaden-Schubumkehrer
Außenströmung
Bypass-
Strömung
Umlenk-Klappe
eingefahren
Bypass-
Strömung
Bei manchen Flugmissionen und Triebwerken ohne oder nur mit teilweiser Schubum-
kehrung können gegebenenfalls auch zusätzliche Bremsschirme zum Einsatz kommen.
Rampen-C-D-Düse Hyperschall
SERN (Single Expansion Ramp Nozzle)
M0>>1
variable Grenzschicht-
Zumischung M>>1
M<1 M>1
(d)
Stellklappen
A7 A8 A7 A8 A9
D E
A7 A8 A9 A7 A8 A9
F G
Konvergent-Divergent-Düse verstellbar
Mehrdimensionales Unterschall-Überschall-Strömungsfeld
mit Grenzschichtbereichen
7 8 9 Ausströmung
möglich mit
A 8=A kr it p9 = p0 ;
p9 < p0 ;
ht7
p9 > p0
pt7 M<1 M>1 p9
Tt7
2D-Rechteck- C-D-Düse
C-D-Schubdüse Nachbrenner aus
verstellbar
Primärklappe
Stellring
mit Aktuatoren
A8 A9
A9 A9
größer kleiner
A8 A8
Flugzeug Vortrieb zu geben, der Auftrieb wird dann auf konventionelle Weise nur von
den Flügeln erzeugt.
3D-Schubvektorsteuerung ermöglicht bei einem Flugzeug wesentlich höhere Anstell-
winkel, sodass steuerbare Flugzustände jenseits des kritischen Anstellwinkels des Flug-
zeuges möglich sind. Durch den Einbau der 3D-Schubvektorsteuerung sind daher neben
besserer Manövrierfähigkeit auch Landungen auf kurzen Landebahnen möglich. In
Abb. 6.4-11 werden zwei Beispiele von Flugzeugen mit 3D-Vektor-Düsen gezeigt.
Beim deutsch-amerikanischen Projekt Rockwell-MBB X-31 wurden Anstellwin-
kel bis zu 70° ohne Verlust der Kontrolle über das Flugzeug erreicht und bereits in den
1990er Jahren eindruckvoll demonstriert (Abb. 6.4-11). Das Konzept der Schubvektor-
steuerung der X-31 wurde wesentlich von der Firmen EADS (ehemals MBB) und Rock-
well entwickelt. Aus den Erfahrungen mit diesem Forschungsflugzeug wurde das in
Abb. 6.4-10 erwähnte Serienflugzeug F22 Raptor konzipiert und gebaut. Weiterhin spie-
len die Erkenntnisse aus der X31-Entwicklung bei den Vorbereitungen zur Schubvekto-
risierung des europäischen Serienflugzeuges Eurofighter mit dem Turbofan-Triebwerk
EJ200 eine wesentliche Rolle.
In Russland entstand das erste Serien-Kampfflugzeug Su-30MKI mit 3D-Schubvek-
torsteuerung, das zusammen mit der indischen Luftwaffe entwickelt wurde (Abb. 6.4-11).
614 6 Schubdüsen
(a)
(b)
Schwenk-C-Düse
Konzept
Rolls-Royce
Während alle Flugzeuge F-22 Raptor der USAF mit einer 2D-Schubvektordüse ausge-
rüstet wurden, ist für den Eurofighter eventuell eine 3D-Düsen-Nachrüstung geplant.
Weiterhin ist auch bei der chinesischen Chengdu J-10 eine 3D-Schubvektorsteuerung
vorgesehen.
Umfangreiche Projektarbeiten der vergangenen 2 Jahrzehnten zu variablen 3D-C-
D-Düsen entstammen aus den von der Fa. GE unter der Kennzeichnung AVEN (axi-
symmetric vectoring exhaust nozzle) entwickelten Projekten wie z. B. des Triebwerks
F110-GE-229A (Abb. 6.4-12). Wie die Darstellung dieser C-D-Vektor-Düse zeigt, wird
deren Ausrichtung über 3 Aktuatoren und einen Stellring an den Hebeln der inneren
und äußeren Düsensegmenten vorgenommen. Durch Axial- und Kippbewegungen des
Stellringes kann die 3D-Ausrichtung und die Veränderung der Durchströmflächen kont-
rolliert von einer Triebwerks-DECU bewerkstelligt werden.
Mit der bereits seit den 1990er Jahren entwickelten und auf dem Prüfstand erprob-
ten 3D-C-D-Düse soll durch eine Nachrüstung des EJ200 das Potential und die Agilität
des Eurofighter erheblich gesteigert werden (Abb. 6.4-13). Mit der Schubvektor-C-D-
Düse TVN (thrust vectoring nozzle) von der Fa. ITP (Spanien) soll bei einer typischen
6.4 Bauweisen von Unterschall-Überschall-Düsen 615
Rolls-Royce/SNECMA Olympus
M0,A=2,2 H0 15 km F0/0 15000 daN
Überschall-Verkehrsflugzeug Concorde
D Start-und Übergangs-Flug m2 m3
Schall-Dämpferbleche
ausgefahren
m1
EReise-Flug (Cruise)
Schall-Dämpferbleche m1
eingefahren
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Betriebsverhalten und Simulation von
Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen 7
der Flug-, Energie- und Fahrzeugtechnik
Jede dieser Komponenten bewirkt im durchströmenden Fluid, also im Luft- oder Luft-
Brennstoff-Gemisch, Zustandsänderungen, sei es durch Energiezu- bzw. Energieabfuhr
oder durch Reibungsverluste. Die Summe der Zustandsänderungen ergibt den einem
Triebwerk zugrunde liegenden Arbeitsprozess.
Das Zusammenspiel der Komponenten findet sich in der Leistungssyntheserechnung
wieder. Jede dieser Komponenten wird durch ein eigenes Modul beschrieben. Die gasdy-
namische und mechanische Verknüpfung der Module erfolgt über die Berechnungsebe-
nen bzw. Stationen der Komponenten. Obgleich in der Realität die Strömung zwischen
den Komponenten teilweise erhebliche Dreidimensionalitäten aufweist, beschränkt sich
die Leistungssyntheserechnung meist auf gemittelte Werte, also auf eine eindimensionale
Modellierung. Da das Betriebsverhalten einzelner Komponenten nur selten analytisch
hinreichend genau beschrieben werden kann, werden die Charakteristiken in Kennfel-
dern abgebildet. Hierbei wird beispielsweise bei einem Verdichter der Zusammenhang
zwischen Drehzahl, Druckverhältnis, Massendurchsatz und Wirkungsgrad beschrieben
(Abschn. 4.2.6). Die Komponentenkennfelder werden entweder experimentell oder mit
Hilfe von komplexen, rechenzeitaufwendigen numerischen Verfahren ermittelt, wobei
dreidimensionale Effekte im Betriebsverhalten der Komponenten durchaus im Kenn-
feld berücksichtigt und auf die integralen eindimsensionalen Zustandsänderungen
zurückgeführt werden können wie dies in [Koe72, Mün77B, Mug82, Ric82, Sch01, Jes02,
RTO07B] sowie in [GasTurb] gezeigt wird.
7.1 Zusammenarbeit der Komponenten 623
Aufgabe der Syntheserechnung ist es, die einzelnen Komponenten über den Arbeits-
prozess zu verknüpfen und einen möglichen stationären oder instationären Betriebs-
punkt des Gesamtsystems zu finden. Die Verknüpfungslogik besagt, dass die Gaszustände
(Massenstrom, Temperatur, Druck und Geschwindigkeit) am Austritt einer Komponente
gleich den Eintrittsbedingungen der nachfolgenden Komponente sein müssen. Weiterhin
werden alle Komponenten einer Welle, zum Beispiel bei einem Kerntriebwerk (Core) bzw.
Gasgenerator GG mit dem Hochdruckverdichter HPC und die Hochdruckturbine HPT,
mit der gleichen Drehzahl mechanisch gekoppelt rotieren. Damit muss das Leistungs-
gleichgewicht an dieser Welle, einschließlich Verluste und externer Leistungsabzweigung,
erfüllt sein. Aus der Vielzahl der möglichen Betriebszustände wird durch Vorgaben wie
beispielsweise Drehzahlen ein bestimmter Arbeitspunkt herausgegriffen. Insbesondere
durch die Verwendung von Kennfeldern ist eine explizite Lösung nicht mehr möglich, so
dass jeder Betriebspunkt iterativ gefunden werden muss (Abb. 7.1-2).
Einfluss von Brennkammer und Turbine. Für die Brennkammer wird zunächst ange-
nommen, dass ihr Gesamtdruckverlust ΔptB = pt4 − pt3 proportional dem Verdichter-
austrittsdruck sei, was für den oberen Drehzahlbereich den wahren Verhältnissen gut
nahekommt. Mit dem Druckverlustkoeffizienten εB (strömungsmechanische und ther-
modynamische Druckverluste zusammengefasst, Abschn. 2.3.4) in der Form
pt3 − pt4 pt B
ǫB = = = const (7.1-1)
pt3 pt3
lautet der Brennkammeraustrittsdruck
pt4 = pt3 (1 − ǫB )· (7.1-2)
624 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
B
PC PT
C T
PEx
B
2 3 4 5
Verdichter C Turbine T
Drehzahl nC = nT
Leistung PC + PEx = PT
Durchsatz mC − mKü − mBleed = mT
Arbeitsprozesse auf
C
Fahrlinie mit wTred
Auslegungspunkt A A
A Betriebspunkte Bi Bi
Bi
mred nred
4
Arbeitsprozesse
Volllast A Volllast A
Teillast B 4
5 8
5 8 p0
3
Teillast B i
3
h 0 2
p0
Als konstant wird das Brennstoff-Luft-Verhältnis FAR = ṁB /ṁA sowie der Ausbrenn-
grad ηB angenommen. Schwankt der Ausbrenngrad lastabhängig, dann können die
Linien konstanten spezifischen Brennstoffverbrauches SFC nachträglich im Triebwerks-
kennfeld korrigiert werden.
Bei hoch belasteten Turbojet-Triebwerken liegen wie allgemein bei einer Düsenströmung
in den Kanälen der Turbinen-Gitter besonders im ersten Statorgitter häufig kritische oder
leicht überkritische Druckverhältnisse vor (Abschn. 2.1 und 4.3, Abb. 4.2-14). Es soll daher
7.1 Zusammenarbeit der Komponenten 625
zunächst dieser für ein Kennfeld besonders einfache Fall behandelt werden. Sowohl das
Druckverhältnis wie auch die Düsen-Ausflussfunktion (Abschn. 6.1, Abb. 6.1-2) sind bei
kritischen Strömungszuständen lediglich abhängig vom Isentropenexponenten κ
κ
p 2 κ − 1 bzw. � = � (7.1-3)
= crit max = f(κ)·
pt crit κ+1
Wird für den Turbinentemperaturbereich (Tt4, bis Tt5) ein konstantes κ angenommen,
dann gilt für den Massendurchsatz der kritischen Turbinendüse TD
2
ṁ4 = ATD crit pt4 · (7.1-4)
RG Tt4
wobei ATD die Stator-Durchströmfläche an der engsten Stelle und RG die Gaskonstante
des Heißgases bezeichnet.
Um die bisher vorausgesetzte isentrope Strömung der wirklichen Strömung anzunä-
hern, werden die Reibungsverluste in der Düse durch den Koeffizienten ϕ, etwaige Quer-
schnittsverengungen im Strahlaustritt durch die Einschnürungszahl μ und eventuelle
Temperatur-Inhomogenitäten im Strömungsfeld am Austritt der Brennkammer durch ent-
sprechende Temperaturkoeffizienten δ berücksichtigt. Mit der Einbeziehung des Verdich-
teraustrittsdruckes pt3 nach Gl. (7.1-2) ergibt sich der Massenstrom im Turbinen-Stator
2
ṁ4 = ATD �crit ϕ µ δ (1 − ǫB ) pt3 (7.1-5)
RG Tt4
und mit konstant angenommenen Koeffizienten bzw. gegebenem ATD
p
ṁ4 = k1 √ t3 · (7.1-6)
Tt4
Der Massenstrom vor der Turbine ṁ4 ist aus Kontinuitätsgründen gleich der Summe der
eingespritzten Brennstoffmasse ṁB und der Luftmasse am Brennkammereintritt ṁ3, die
wiederum gleich ist der Durchsatzmasse am Verdichtereintritt ṁ2, vermindert um die
Kühl- und Leckluftverluste. Mit der Annahme etwa konstanter Kühl- und Leckluftanteile
ṁCl und ṁBleed ergibt sich mit dem Brennstoff-Luft-Verhältnis FAR = α
ṁ4 = (ṁ2 − ṁCl − ṁBleed ) (1 + α) = ṁ3 (1 + α) = k2 ṁ2 (7.1-7)
Durch Gleichsetzen der Gl. (7.1-6) mit (7.1-7) wird
k1 pt3
ṁ2 = √ · (7.1-8)
k2 Tt4
und mit der Zustandsgleichung für die Strömungsebene vor dem Verdichter in der Form
V̇2 pt2
ṁ2 = √ √ ,
Tt2 RA Tt1
626 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
Tt 4
Tt4 [K]
16 Tt 2
pt3/pt2 1600 5,6
14 1400 4,7
1200 4,2
12 1000 3,5
Druckverhältnis
10
1,05
8
1,0
6 0,9
4 0,8
2 0,7 ncorr,r
0,6
0
0 5 10 15 20 25 30 35 40
Durchsatz mcorr
√
pt3 Tt4 ṁ2 Tt2
= C = k3 · (7.1-10)
pt2 Tt2 pt2
14 TET T t4 K
pt3 1600
pt 2 1500
A 1400
12 1300
1200
1100
Druckverhältnis
10
0,95
ncorr,r
0,90
0,85
20 24 28 32 36
jedoch eine Änderung des gesamten Kennfeldes nach sich. Weitere Regelmöglichkei-
ten der inneren Geometrie sind zum Beispiel die Verstellung der Verdichterbeschaufe-
lung, Abblasen von Luft u. a., wobei jedesmal das Kennfeld neu bestimmt werden muss
(Abschn. 7.3). Werden diese Parameter der einer inneren Verstellungsgeometrie nach
den Gesetzen der ähnlichen Betriebsbedingungen geregelt, dann kann die Gesamtheit
aller möglichen Betriebspunkte in einem einzigen Kennfeld erfasst werden.
Die Darstellung des nun vorliegenden Gesamtkennfeldes nach Abb. 7.1-4 erfolgte auf
der Basis der Mach-Zahl-Ähnlichkeit. Ein Betriebspunkt ist nicht nur durch die im Ver-
dichterähnlichkeitskennfeld enthaltenen Kennwerte und die hieraus abgeleiteten, verein-
fachten, nicht mehr dimensionslosen Kennzahlen charakterisiert, sondern auch durch
ein bestimmtes Temperaturverhältnis Tt4/Tt2. Hier wird der große Vorteil einer ähnlich-
keitsgerechten Darstellung deutlich. Ändert sich zum Beispiel ein beliebiger Absolutwert
von Druck, Temperatur, Durchsatz oder Drehzahl, so werden nach Wiederherstellen des
Ausgangswertes der betreffenden Ähnlichkeitsgröße alle anderen Ähnlichkeitsgrößen
gleichfalls auf ihre Ausgangswerte zurückgeführt.
red. Schub
SFC
Tt 2
n
red. Drehzahl
Tt 2
FN 5000
[daN] 1,0 SFC [kg/daNh]
1,5 0
1,1 1,4
4000 1,2 1,3
2 Höhe
H 0 [km]
4
Nettoschub
3000
6
8
2000
10
12
1000 14
16
1,6 1,7
0
0 0,5 1,0 1,5 2,0
Mach-Zahl M0
(b)
F N AB
Turbojet TJA 0
8000 mit Nachbrenner AB 2 Höhe
4 H 0 [km]
[daN] 2,4
Nettoschub mit Nachbrenner
SFC [kg/daNh] 6
2,35
2,1 2,4
6000 2,2 8
2,3
10
2
4 12
4000
2,3
6 2,25 14
2,2
8 2,15
10 16
2000
12
18
14
20
16
18 20
0
0 0,5 1,0 1,5 2,0
Mach-Zahl M0
In den Abschn. 7.1.1 bis 1.1.3 und mit Abb. 7.1-2 wurden in vereinfachter Form einige
Hinweise zum grundlegenden Zusammenhang der Komponenten im Gesamtsystem
gegeben. Auf der Basis der ähnlichkeitsgerechten Beziehungen in Verbindung mit Ver-
dichter-Kennfeldern ohne Kenntnis von weiteren Komponenten-Kennfeldern war es in
der Frühzeit der Entwicklung von Gasturbinen und Flugantrieben bis in die 1960er-Jah-
ren möglich, das Teillastverhalten mit relativ großem Aufwand über „Handrechenver-
fahren“ zu ermitteln.
7.1 Zusammenarbeit der Komponenten 633
Arbeitsprozess-Syntheserechnung Turbojet TJ
0 1 2 3 45 6 8
Auslegung A und
iterativ bestimmte
Teillastpunkte B i
8 Bi
6
1,0
4 0,9
0,8 ncorr
2 0,7
10 15 20 25 30
korr. Durchsatz
2,6
Turbine T
pt4/pt5
2,4 A
Druckverhältnis
2,2
2,0
Bi
1,8
1,6
Stimmen die Werte des berechneten und des aus dem Kennfeld bestimmten reduzierten
Massenstroms bis auf eine vorzugebende Genauigkeit nicht überein, muss die „Variable 2“,
die Brennkammer-Austritttemperatur, neu vorgegeben werden, bis der „Iterations-Fehler
2“ genügend klein ist. Damit sind schließlich alle Werte und die Austrittdaten der Turbine
bekannt. Bei der anschließenden Turbine-Düsen-Iteration muss geprüft werden, ob bei der
aus der Auslegungsrechnung A bekannten Düsen-Austrittsfläche A8 und dem vorhande-
nen Düsen-Druckverhältnis gegenüber dem Außendruck der Umgebung p0 der nach der
Turbine ankommende, berechnete Massenstrom die Düse passieren kann.
Stimmen die berechneten und die Düsen-Kennfeld-Werte bis auf eine vorzugebende
Genauigkeit nicht überein, muss hier die „Variable 1“, das Verdichter-Druckverhältnis,
7.1 Zusammenarbeit der Komponenten 635
neu vorgegeben werden, bis der „Iterations-Fehler 1“ genügend klein ist. Bei der gegebe-
nen Totaltemperatur Tt8 = Tt5 und dem Umgebungsdruck bzw. Gegendruck pamb wird
also ein ganz bestimmter Totaldruck pt8 benötigt, um den Durchsatz ṁ8 = ṁ5 durch die
636 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
In Fortsetzung des in Abschn. 7.1 vorgestellten Prinzips der Syntheserechnung mit Hilfe der
Ähnlichkeitsbeziehungen wird nun zuvor am Beispiel eines sehr einfachen Einwellen-Ein-
strom-Turbojet-Triebwerks gezeigt, wie die digitale numerische Simulation und die Synthe-
serechnung zum stationären Betriebsverhalten durchgeführt werden kann (Abb. 7.2-2).
Die Basis zur Bestimmung des Betriebszustandes eines Turbojet bilden für jeden
stationären und auch instationären Zustand die Erhaltungssätze der Thermogasdyna-
mik besonders für offene, durchströmte Systeme (Abschn. 2.1). Dabei gelten für einen
Arbeitspunkt des gesamten Triebwerks gewisse einzuhaltende Bedingungen wie zum
Beispiel die Drehzahlgleichheit und die Leistungsgleichgewichte an den Rotoren des
7.2 Syntheserechnung und Simulation des Turbojet 637
0 1 2 3 45 6 8
Bedingungen
Drehzahl nC = nT Volllast A 4
5 8
Leistung PC + PEx = PT
Durchsatz mC − m Kü − m Bleed = m T
5 8 p0
3 Teillast B i
3
0 2
p0
8
B2
6 B3
1,0
4 0,9 n corr
0,8
2 0,7 Turbine 4 - 5
10 15 20 25 30 35 2.6
Durchsatz corr. A
2.4
p t4 /p t5 Bi
Betriebs - bzw. 2.2
Arbeitslinien WL 2
Druckverhältnis
1.8
1.6
Turbinen-Gitter und Düse
unterkritisch/kritisch 1.4 0,8 0,9 1,0 1,1 n corr
7 7 .5 8 8 .5 9 9 .5
Durchsatz corr n corr m corr [kg/s]
Im Falle des hier gewählten, sehr einfachen Triebwerks nach Abb. 7.2-2 liegen bei verein-
fachter Betrachtung der Triebwerksteilsysteme insgesamt zwei Komponentenkennfelder
von Verdichter C und Turbine T vor sowie eine konvergente Schubdüse N. Ein Betriebs-
punkt Bi in einem Verdichter- oder Turbinenkennfeld wird durch zwei Größen festgelegt.
Dies sind z. B. die Drehzahl n, der Durchsatz ṁ oder die meist verwendeten Kennfeld-Hilfs-
koordinaten β (Abschn. 4.2.6.7, Abb. 4.2-68). Demnach sind hier beim Turbojet-Triebwerk
mit 2 Turbomaschinen-Kennfeldern zuvor 2 plus 2 unabhängige Variable Vi bzw. Trieb-
werksparameter xi zur Darstellung des Gleichungssystems (7.2-1) prinzipiell erforderlich.
Durch die mechanische Kopplung von Verdichter C und Turbine T folgt weiter-
hin eine Drehzahlgleichheit von nC = nT. Damit reduziert sich die Zahl der mindes-
tens für einen Kennfeld-Betriebspunkt notwendigen unabhängigen Variablen xi von
n = 2 + 2 = 4 auf n = 2 + 1 = 3.
Der funktionale Zusammenhang der einzelnen unabhängigen Variablen in f(x) ist
für jeden Betriebspunkt Bi durch den Arbeitsprozess gegeben, in dem unter anderem
Energie- oder Leistungsbilanzen und der Massenerhaltungssatz enthalten sind wie es in
Abb. 7.2-2 oben angegeben ist.
7.2 Syntheserechnung und Simulation des Turbojet 641
Die Matrix auf der linken Seite von Gl. (7.2-4) wird auch Fehler-Änderungsmatrix M
genannt. In der einschlägigen Fachliteratur finden sich außerdem die Bezeichnungen
Jacobi- und Funktionalmatrix. Die Funktionswerte Fi(x) mit i = 1, 2,…n bzw. abhängige
Variable werden auch kurz als „Fehler F“ bezeichnet.
Die iterative Bearbeitung dieses linearen Gleichungssystems muss schrittweise
solange fortgeführt werden, bis die Funktionswerte F1, F2….Fn(x) genügend kleine
642 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
Werte innerhalb von zum Beispiel Fi (x) < 10−3 haben. Der programmtechnische Ablauf
und weitere Dupetails zum Auffinden eines Betriebspunktes gemäß der oben gezeigten
numerischen Darstellung sind u. a. in [GasTurb] beschrieben.
(a)
(b)
Newton-Raphson Iterationsalgorithmus
Standardverfahren der numerischen Synthesetechnik
Schätzung 0 1 2 3 45 68
V1 V2 V3 Vi
Vi,neu=Vi,alt+ Vi
Darstellung der
Tr iebwerks -Physik Bestimmung der ∂F1 ∂F ∂F
Modelle V1 + 1 V2 + 1 V3 = −F1
Jacobi-Matrix ∂V1 ∂V2 ∂V3
∂F2 ∂F ∂F
F1 F 2 F 3 Fi V1 + 2 V2 + 2 V3 = −F2
∂V1 ∂V2 ∂V3
Check ∂F3 ∂F ∂F
V1 + 3 V2 + 3 V3 = −F3
∂V1 ∂V2 ∂V3
alle nein
Fi=0?
ja
Die Genauigkeit der Syntheserechnung (Abb. 7.2-4 nach z. B. [GasTurb]) hängt nicht
nur vom Lastzustand ab, sondern auch von den Zustandsgrößen am Eintritt des Trieb-
werks wie Drücke und Temperaturen.
Der Druck pt2 bestimmt maßgebend das Reynoldszahl-Niveau im Triebwerk
und damit die Komponentenwirkungsgrade. Die Temperatur Tt2 hat einen Einfluss
auf die Stoffwerte, die in der vereinfachten Rechnung konstant eingesetzt sind. Das
7.2 Syntheserechnung und Simulation des Turbojet 645
Temperaturniveau wirkt sich außerdem bei der Brennkammer aus, denn der erforder-
liche Brennstoffdurchsatz hängt von der Temperaturdifferenz Tt4–Tt3 ab und nicht vom
Temperaturverhältnis Tt4/Tt3. Besondere Beachtung erfordern bei kleinen Triebwerken
die mechanischen Verluste bei Lager, Nebengeräte wie Öl- und Hydraulikpumpen. In
646 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
6
HPC Druckverhältnis
Volllast
5
Betriebslinie
4 ohne Bleed
2 Leerlauf Betriebslinie
mit Bleed
1
20 40 60 80
Durchsatz [kg/s]
Liegt bei der Syntheserechnung nur eine einzige Iterationsvariable V vor, dann wird aus
der Newton-Raphson Iteration der Sonderfall einer Nullstellensuche mit Hilfe der „regula
7.2 Syntheserechnung und Simulation des Turbojet 647
60
Turbojet mit Nachbrenner TJA Höhe=0 m
FN [kN]
SFC [g/(kNs)]=27...40 1071
50 2143
3214
4286
27 32 5357
30
7500
40
Nettoschub
9643
10714
30
11786
40
12857
37
20 13929
35
15000
10
0
0 0,5 1,0 1,5 2,0
Mach-Zahl M0
F=f(V)
F1
Fehler F
1. Testschritt
V2 V3
0
F3 V4≈ V gesucht V1 Variable V
Geschätzter
F2
Gesuchte Nullstelle Startwert
falsi“. In Abb. 7.2-7 ist eine gut konvergierende Iteration nach diesem Algorithmus sche-
matisch dargestellt. Die Zahlen geben die Reihenfolge der Auswertungen des mathemati-
schen Modells wieder. Nach dem 4. Schritt ist die Nullstelle praktisch gefunden.
Abbildung 7.2-8 zeigt eine gegenüber Abb. 7.2-7 schwierigere Situation. In diesem
Fall gibt es eine obere Grenze für die Variable, dort geht der Fehler nach – ∞. Der Algo-
rithmus liefert nach den ersten beiden Funktionsauswertungen einen Schätzwert für die
Variable, der jenseits der Obergrenze liegt.
648 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
F=f(V)
Sicherheitsabstand
1. Testschritt
Fehler F(V)
1 2 4 5 6 7 8 Variable V
Die Zahlenwerte der Variablen Vi können sehr unterschiedlich sein. Die β-Werte der
Hilfskoordinaten von Kennfeldern liegen zwischen 0 und 1, Brennkammertemperaturen
Tt4 zwischen 1000 und 2000 K und korrigierte Drehzahlen n/√θ können Werte bis 100
000 erreichen. Damit zusammenhängende numerische Probleme können auch vermie-
den werden, wenn die Variablen so skaliert werden, dass sie alle in derselben Größen-
ordnung liegen und stets positiv sind. Statt der absoluten Drehzahlen können so besser
z. B. relative Drehzahlwerte verwendet werden.
0 1 2 3 4 45 5 7 8
PPT
Gasgenerator GG Nutzleistungs-Turbine PT
C (2-3) B (3-4) HPT (4-45) LPT (45-5) Diffusor (7-8)
nPT = 100%
Drehzahl nC = nT
Leistung PC + PEx = PT
Durchsatz mC − mCl − mBleed = mT
LP-Turbine
Verdichter htHPT HP-Turbine htLPT var. Geometrie
A A
A mr
Bi
Bi
Bi
mr nr nr
4
Arbeitsprozesse HPT
Volllast A 4
44
B 44 PT
58
58
3 Teillast Bi
3 p0
C
0 2
p0
(a)
Axial-Radial-Verdichter HPC
20
C Betriebslinien für Betrieb
mit Verstellturbine LPT TET
C=85%
Tt4 [K]
Verdichter-Druckverhältnis
in 3 Positionen
16 VT = 0,8 , 1,0 und 1,2 1450
A 1400
1300
12 1200
8
VT=0,8 110%
VT=1,0 100%
VT=1,2 95%
4 90% Drehzahl nrel
85%
nr=75% 80%
1200 VT=1,0
280 Kü
1100 1450
1200 0,112 m Tt ⋅ 103
240 VT=0,8 pt
TET 1450
kg K
1200
0,111 s Pa
6,0
200
5,9 0,110
160 0,109
5,8 0,107
5,7 0,106
120 5,6 0,105
0,104
80
n n
Drehzahl red. rel.
Tt Tt A
Abb. 7.3-3 Kennfeld des HPC und der HPT (gekühlt) mit Betriebslinien der 1100 kW-Turbos-
haft-Gasturbine mit Verstell-LPT. a HPC-Kennfeld axial-Radial und b GG-HPT-Kennfeld mit
Kühlluft-Parameter βc1 = ṁc1 ṁG in %. LPT verstellbar mit Flächenverhältnis hier in 3 Positionen
In Abb. 7.3-3 ist das Kennfeld einer gekühlten Turbine für das 1100 kW-Triebwerk dar-
gestellt (Abschn. 4.3, Abb. 4.3-38). Der kleinste Kühlluftprozentsatz liegt bei den niedrigsten
Werten von Druckverhältnis und Drehzahl vor und beträgt 5,5 %. Mit zunehmender Dreh-
zahl steigt auch der Kühlluftanteil monoton und erreicht einen Maximalwert von 6 %.
7.3 Syntheserechnung und Simulation des Turboshaft 653
Nutzleistungs-Turbine LPT
320 Verstell-Turbine 3 Positionen
ht J Gegenüber A ± 20%
Tt kg K 280 0,436
TET 1450 m Tt
80 0,340
0,312
40 0,274
n n
Drehzahl red. rel.
Tt Tt A
Die reduzierte spezifische Turbinenleistung ergibt sich als Quotient der spezifi-
schen Leistung der gekühlten Turbine und des Mittelwertes der Gesamttemperatur des
zuströmenden Heißgases. Zur Erzielung eines günstigen Betriebsverhaltens sind Tur-
binen mit verstellbaren Leitradgittern VSV interessant. Kennfelder von Verstellturbi-
nen dieser Art werden entweder auf dem Prüfstand aufgenommen oder mit Hilfe von
EDV-Programmen näherungsweise berechnet [Ric82, Ric76, Mün77B]. Die hier ange-
nommenen 3 Verstellpositionen VT (variable turbine) umfassen einen Verstellbereich
der Gitter-Durchströmfläche von ± 30 % bezogen auf die mittlere Leitradstellung
VTA = 1,0.
Zur iterativen Syntheserechnung der Betriebspunkte im gesamten Arbeitsbereich mit
Hilfe des Newton-Raphson-Verfahrens (Abschn.7.2.2) müssen für Standardrechnungen
die unabhängigen Variablen Vi und die abhängigen Variablen Fi(V) angegeben werden.
Mit Beachtung hier von 3 Turbomaschinenkennfeldern nach Abb. 7.3-2, 7.3-3 und 7.3-4
sind demnach zuvor 3 mal 2 gleich 6 unabhängige Variable Vi für die numerische Rech-
nung anzusetzen. Wegen der Drehzahlgleichheit von Verdichter und Hochdruckturbine
des Gasgenerators verringert sich die Zahl der unabhängigen Variablen um eine Größe
auf 5 (Abb. 7.3-5).
Für den Fall, dass ein Triebwerksregler, wie bei Hubschraubern und in Kraftwerks-
anlagen üblich, die Abtriebsdrehzahl des Rotors und damit der mechanisch über das
Getriebe angekoppelten Niederdruckturbine konstant bei n = 100 % hält, kann die
Zahl der unabhängigen Variablen Vi auf 4 reduziert werden. Abbildung 7.2-4 gibt eine
Übersicht zu den für das vorliegende 1100 kW-Modelltriebwerk definierten Iterations-
Variablen Vi und Fi(x). Wird wie bei Wellenleistungstriebwerken die Drehzahl der
654 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
Abhängige Iterations-Variable Fi ( V )
h t red HPT Tt 4 − PW HPT / m 41
F1 = Leistungsvergl. HPT -Welle
PW HPT / m 41
95 %
80 % 300
320 90 %
60 %
350
40 % 85 %
400
80 %
20 %
450
75 %
0%
60 70 80 90 100 110 120
Drehzahl Abtriebswelle nR [%]
SFCP 450
[g/(kWh)] Turboshaft -Gasturbine TS
LPT verstellbar
PW,A =1100 kW
spez. Brennstoffverbrauch
400
1200
Verstell-LPT
VT=0,85 , 1,0 und 1,2
350
1300
1400
1450
VT=1,2
300
A T =1470
Normal max t4
VT=0,85
VT=1,00
Reiseflug Schwebeflug
Start
250
20 40 60 80 100 120
Wellenleistung PW /PW,A [%]
Hubschrauber-Leistungsbedarf
Leistung
Turboshaft-
Triebwerke
100 Startleistung
Max. Dauerleistung
[%] 2 Triebwerke
Dauerleistung
Leistung [%]
2 Triebwerke
50
1-Triebwerk-Flug
0
0 100 200 300 400
Fluggeschwindigkeit [km/h]
Abb. 7.3-9 Wellenleistung 120
Turboshaft-Gasturbine mit LP-Verstellturbine
PW einer 1100 kW-Turboshaft- PW [%]
Gasturbine abhängig von der TET Temperatur T t4 [K]
Einstellung der verstellbaren 1470
Nutzleistungsturbine gemäß 100
Wellenleistung Turboshaft
VT = A/AA und der Turbinen- 1450
EintrittstemperaturTt4 1400
80
1350
1300
60
schließen öffnen
40
0,80 1,00 1,20 1,40
Verstell-Turbine VT = A/AA
Abb. 7.3-10 Spezifischer 360
Turboshaft-Gasturbine mit LP-Verstellturbine
Brennstoffverbrauch SFCP der g
SFCP TET Temperatur
1100 kW-Turboshaft-Gasturbine kW h Tt4 [K]
(nach Abb. 7.3-9) abhängig von 340
spez. Brennstoffverbrauch
1300 K
der Einstellung der verstellbaren
Nutzleistungsturbine gemäß 1350 K
VT = A/AA und der Turbinen- 320
EintrittstemperaturTt4 1400 K
schließen öffnen
1450 K
300
1470 K
280
0,80 1,00 1,20 1,40
Verstell-Turbine VT = A/A A
20 %). Die Verstellung des Leitrades in der Nutzleistungsturbine führt zu einer Verschie-
bung der Betriebslinien, abhängig jeweils von dem Flächenverhältnis der Leitrad-Gitter-
kanäle VT = A/AA, wobei hier AA die wirksame Durchströmfläche des Rotorgitters im
Auslegungspunkt kennzeichnet. Der Einfluss der Turbinenverstellung auf die Wellen-
leistung und den spezifischen Brennstoffverbrauch für verschiedene Turbineneintritts-
temperaturen TET ist den Abb. 7.3-9 und 7.3-10 zu entnehmen.
Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Wellenleistungstrieb-
werken sind variable Kühlungsprozeduren, variable Geometrien und der Einsatz von Wär-
metauschern. Durch variable Kühlung kann eine Verbrauchsverbesserung von 1 bis über
2 % erwartet werden. Zur variablen Geometrie wurde hier beispielhaft die Auswirkungen
658 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
5
1 2 31 4 44 8
3 B
6 7
PW
E C T PT G
nPT
nC = nT
PC + PEx = PT
Wärmetauscher HEX
Rekuperator Rec Regenerator Reg
Platten-Bauweise Scheiben-Bauweise
Verdichter Verdichterluft
Brennkammer
Abgas
Turbine Turbine
Brennkammer Abgasaustritt
des Betriebs mit einer verstellbaren Niederdruckturbine LPT vorgestellt. Wie in Abschn. 7.4
gezeigt wird, hat diese Form von variabler Geometrie bei Fahrzeug-Gasturbinen VGT
(vehicle gas turbine) mit Wärmetauschern eine hervorgehobene Bedeutung.
B
Luft Gas
Gegenstrom -Rekuperator
Platten -W ärmetauscher
Gas
Ausschnitt
Für die Wärmetauscherkomponente Rekuperator Rec liegt allerdings bei diesem Beispiel
kein eigenes Kennfeld vor. Die Wärmeübertragung von der Heißgasseite (Ebene 6-7, Abb. 7.4-
3) zur Luftseite vor der Brennkammer (Ebene 3-31) bedeutet aber für den Arbeitsprozess eine
sehr wichtige energetische Kopplung im Bereich des Gesamtsystems Turboshaft TSRec.
660 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
Turboshaft-Gasturbine mit
Rekuperator TSRec Rekuperator
Rec
D
6 7 8
B
LPT PW
E HPT
C GB
nHP PT nLP
Gasgenerator Getriebe
0 2 3 4 45 5
1600
4
4
1400
4343
1200 44
44 45
45
Temperatur T t4 [K]
4949
1000 55 66
35
800
8
s8
600 3 s8
600 kPa
400 400 kPa
11 2
200
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,1 1,2
Entropie s [kJ/(kgK)]
Abb. 7.4-4 Iterative Arbeitprozess-Synthese-Iterationsrechnung
Syntheserechnung zum Auslegungspunkt A
Auslegungspunkt A für eine Turboshaft-Gasturbine mit Rekuperator TSRec
Turboshaft-Gasturbine mit
Rekuperator-Wärmetauscher Unabhängige Iterations-Variable xi,A
TSRec x1 = Strömungsquersachnitt Gegenstromteil AF,Ge
x2 = Durchsatz m1
x3 = Temperatur Tt31
x4 = Temperatur Tt7
Abhängige Iterations-Variable fi,A(x)
f1(x) = Vergleich LPT-Rotorleistung
f2(x) = Vergleich Rekuperator-Wirkungsgrad
f3(x) = Vergleich Temperatur Tt31
f4(x) = Vergleich Temperatur Tt7
In einem Datenblock sind im ersten Abschnitt typische Vorgabegrößen für einen hier
vorgegebenen GegenstromRekuperator aufzulisten, die mit den Daten des Betriebspunk-
tes A eingelesen werden. Außer den geometrischen Parametern der Strömungskanäle im
Rekuperator sind weitere wichtige Größen zum Beispiel für die Flächendichten α sowie
den gewünschten Wirkungsgrad ηRec wertemäßig anzugeben. Im Ablauf des mathemati-
schen Modells für Betriebspunkt A einschließlich der Vorauslegung wird zu Beginn eine
vereinfachte Arbeitsprozessrechnung vorgenommen. Die Ergebnisse dieser vereinfach-
ten Vorberechnung bilden durch entsprechende Belegung der Rechnerspeicherplätze die
Ausgangswerte für die anschließende iterative Bestimmung der endgültigen Prozessdaten
von A. Hierbei werden auch die Abmessungen und das Gewicht des Rekuperators fest-
gelegt. Die Iterationsrechnung zur Bestimmung des Punktes A wird sodann zweckmä-
ßigerweise mit dem gleichen numerischen Verfahren vorgenommen, mit dem auch die
Bestimmung der Betriebspunkte Bj außerhalb von A durchgeführt wird. Abbildung 7.4-4
gibt beispielhaft einen Überblick zu den gewählten unabhängigen und abhängigen Itera-
tions-Variablen Vi für den Auslegungspunkt bzw. Startpunkt A der Syntheserechnung.
Für die anschließende iterative Bestimmung der Teillast-Betriebspunkte Bi außerhalb
des Arbeitspunktes A müssen in Erweiterung des mathematischen Iterationsverfahrens
für Triebwerke ohne Wärmeübertrager (Abschn. 7.3.1) hier für Triebwerke mit Rekupe-
rator die Zahl der abhängigen und unabhängigen Iterations-Variablen erhöht werden.
Bei einer Standardrechnung für eine Zweiwellen-Gasturbine mit Rekuperator erhöht sich
wegen des Gegenstrom-Rekuperators gegenüber der einfacheren Turboshaft-Gasturbine
TS in Abschn. 7.3.1 die Zahl der Variablen von i = 4 auf i = 6.
Hierbei wird für die Standardberechnung wieder eine gleichbleibende Drehzahl der
Nutzleistungsturbine PT vereinfacht vorausgesetzt. Abbildung. 7.4-5 gibt eine Zusammen-
stellung der Iterations-Variablen für den Standard-Betriebsfall. In zahlreichen Fällen zum
662 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
PW
A GG-Drehzahl
SFCP [g/kWh]
100 % nC 100%
Wellenleistung nach außen
235
240
95%
80 % 245
250
90%
60 % 260
270
85%
40 %
300
325 80%
20 %
0%
60 70 80 90 100 110 120
Drehzahl Abtriebswelle nPT [%]
liegen also hier wesentlich niedriger als dies beim konventionellen Triebwerk TS ohne
Rekuperator der Fall ist.
450
SFCP Turboshaft-Gasturbine TS
[g/kwh]
1200
1100
1250 A
350 Tt4=1500K ohne Rec
1150
1300 ohne VT
1200 1350 C=8
1400
1250 1500
300 A ohne Rec
1300 mit VT
1350 1,20 C = 14
Abb. 7.4-7 Vergleich von TS und TSRec im spez. Brennstoffverbrauch SFCP abhängig von der rel.
Wellenleistung mit den Parametern Turbinen-Eintritts-Temperatur Tt4.und der Verstell-Turbine
mit VT = ± 20 % gegenüber der Auslegungs-Position VT = 1,0 [Ric82, Hol95, Ric98B, GasTurb]
Schaltung
2,0
Gasturbine GT
1,8
Rekuperator-GT mit
1,6 variablem PT-Statorgitter
1,4
1,2
1,0
Kolbenmotor KM Benzin
0,8 Diesel
0,6
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Wellenleistung PW [%]
Bestrebungen zur Anwendung der Gasturbine für den Antrieb von Personen- und
Lastkraftwagen sowie besonders von Schwerfahrzeugen führten in Ländern mit nam-
haften Automobilherstellern in den 1960er und 1970er Jahren zur Durchführung
666 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
3,0
TRQrel Rekuperator-Gasturbine <==> Kolbenmotor
2,5 Drehmoment relativ TQR rel
Gasturbine GT
2,0
Drehmoment rel.
1,5
Kolbenmotor KM
1,0
Kolbenmotor KM mit
0,5
Turbolader
0
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Abtriebsdrehzahl nPT [%]
(a)
2-Wellen-Fahrzeug-Gasturbine AVGT mit
Rekuperator Rec oder Regenerator Reg
Wärmetauscher HEX Abgasrohr D
Rekuperator Rec oder
Regenerator Reg 7
Einlauf 8
1
E 2 31 4 44 5 6
VG 3 VG
B
nPT
C T PT G PW
n1 n2 nAb
Getriebe
S/Dyn
K
Starter/Dynamo Kupplung
(b)
3-Wellen-Fahrzeug-Gasturbine AVGT mit
Rekuperator Rec oder Regenerator Reg
Hilfs-Turbine AT und Leistungs-Rückkopplung K
Abgasrohr D
Wärmetauscher HEX
Rekuperator Rec oder
Regenerator Reg
6 7 8
Einlauf
1 5
E 2 31 4 44 45
VG 3 VG Hilfs-Turbine
B AT PW
nPT nPT
C T PT
n1 n2 n3
S/Dyn G
K
Starter/Dynamo Kupplung Getriebe
über ein verstellbares Leitrad VGV (variable guide vane) zur Nutzleistungsturbine PT
sowie zum Wärmetauscher WT (Heißseite) und strömt über das Abgasrohr D nach
außen.
Die gasdynamische Kopplung des Gasgenerators und der freien Arbeitsturbine PT
ergibt wie z. B. auch bei Hubschrauber-TS-Triebwerken wesentliche Vorteile, da sich die
Drehzahlen der beiden Turbinen unabhängig voneinander wählen bzw. einstellen lassen.
7.4 Betriebsverhalten und Simulation der Wärmetauscher-Gasturbinen 669
90 260
Wellenleistung
90
300 340 2000 248
85 85 240
1500 80
200 440
80 236
75
1000
75 70
100 65
70 500
53
53 65
0 0
0 500 1000 1500 2000 2500 3000 0 500 1000 1500 2000 2500 3000
300
200
100
Leitschaufel-
Verstellung
0
1500 2000 2500 3000
Abtriebsdrehzahl nPT 1/min
(a)
Fahrzeug-3-Wellen-Gasturbine AGT1500
(Schwerfahrzeuge, Abrams M1 , Panzer)
Fa. Honeywell Aerospace
Rohrbrennkammer Rekuperator-
Leitgitter IGV Diffusor Wärmetauscher
variabel
Abtriebswelle PT
Lufteinlauf Nutzleistung PW
Getriebe G
LP-Verdichter LP-Turbine
HP-Verdichter HP-Turbine 2-stufige-Nutzturbine PT
Hilfsgeräte-Abtrieb mit variablem Leitradgitter
(b)
1400 7000
PW [kW] TRQ [Nm] Gasturbine
1200 6000 AGT1500
1000 Gasturbine
5000
Wellenleistung
Drehmoment
AGT1500
800 4000
0
0 20 40 60 80 100 0 20 40 60 80 100
Abtriebsdrehzahl nPT [%] Abtriebsdrehzahl nPT [%]
von Mack Trucks und Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) erprobt [Bro82, Wal91B]. Die
Funktionstüchtigkeit wurde erfolgreich bestätigt, die Konkurrenzfähigkeit zu Kolbenmo-
toren sollte später mit dem Einsatz neuer Werkstoffe und voller, digitaler Regelung sowie
Nutzung aller Verstellmöglichkeiten von Komponenten erreicht werden.
672 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
Für besondere Schwerfahrzeuge mit Leistungen um 500 bis über 1000 kW wird in
Abb. 7.4-12 mit der Honeywell AGT1500 eine weitere 3-Wellen-Gasturbine mit Rekupe-
rator vorgestellt, die in großer Stückzahl serienmäßig als Triebwerk in den USA für den
Panzer Abram M1 gefertigt und eingesetzt wird. Weiterhin ist in diesem Bild das Leis-
tungs- und Drehmomentverhalten dieser Gasturbine gegenüber einem konkurrierenden
Dieselmotor von MTU, dem Motor MTU833, dargestellt [Har86].
Als Ergänzung zu den Syntheserechnungen für Turboshaft-Gasturbinen sei erwähnt,
dass hier in den entsprechenden GTSSD-Unterprogrammen die Bestimmung der Schad-
stoff- und Lärm-Emissionswerte besondere aufmerksam zu berücksichtigen ist. Hierzu
können als Ausgangsbasis halbempirische Korrelationen benutzt werden, wie z. B. in
[GasTurb, Wal98B] zu sehen ist.
Regenerator Reg
Reg 90%
OPR 6 HP-Turbine Kopf-
Nutzleistungs- HPT Brennkammer
TET 1650 K
Turbine PT
Die Kalt- und Heißseite des Gasgenerators GG liegen an den beiden Seiten des Getrie-
bes G. Nach einem Radialverdichter C mit verstellbaren Eintrittsleiträdern wird die kom-
primierte Frischluft über einen Gegenstrom-Wärmetauscher WT der axial angeordneten
Kopf-Brennkammer BK zugeleitet. Nach der den Verdichter antreibenden Axial-Hochdruck-
turbine HPT in Keramikbauweise wird das Laufrad der Axial-Nutzleistungsturbine PT über
ein verstellbares Leitrad VGV mit Heißgas beaufschlagt. Die Gasgeneratorturbine treibt außer
dem Verdichter noch die verschiedenen Hilfsgeräte an. Die Nutzleistungsturbine ist über die
Abtriebswelle mit dem Untersetzungsgetriebe gekoppelt. Mit dem Hauptgehäuse direkt ver-
bunden sind der Rekuperator-Wärmetauscher und im Bereich der Luftströmung der Einlauf
E mit Filter und Schalldämmelementen sowie das Abgasrohr D mit Schalldämmung.
Das Regelungssystem ist elektronisch als Mehrgrößenregelung ausgeführt, wobei
insbesondere die verstellbare Geometrie der Strömungsmaschinenleiträder sowie die
Zuschaltung eines Dynamo-Starters zum Beispiel als Beschleunigungshilfe herangezogen
werden kann. Weiterhin ist gegebenenfalls die Koppelung der Nutzturbinen- Abtriebs-
welle mit dem Gasgenerator vorgesehen, damit wahlweise besonders im stationären Teil-
lastbetrieb sowie bei Beschleunigungsvorgängen eine optimale Leistungsaufteilung auf
verschiedene Wellen elektronisch gesteuert vorgenommen werden kann.
Die in Abb. 7.4-13 auszugsweise wiedergegebenen, thermogasdynamischen Arbeits-
prozessgrößen entsprechen dem Stand des technologisch Machbaren. Dies betrifft insbe-
sondere die Werkstoffseite bzw. die Heißteile der Gasturbine in Keramikbauweise.
Mit Hilfe der Leistungssyntheseprogramme GTSSD wurden entsprechend den vor-
gegebenen Auslegungsgrößen die Motor-Kennfelder der AGT 200 Gasturbine bestimmt.
Außer den thermogasdynamischen und technologischen Eckwerten waren zur Leistungs-
rechnung die Kennfelder der Turbomaschinen-Komponenten erforderlich (Abb. 7.4-14).
Für den Volllast- und möglichst optimalen Teillastbetrieb wurden typische Ähn-
lichkeits-Kennfelder aus Sammlungen wie z. B. in [GasTurb] enthalten und gege-
benenfalls linear auf den Auslegungspunkt bezogen korrigiert. Fallweise wurden zur
vorläufigen Optimierung der Teillastverbräuche die variable Geometrie der Turboma-
schinen mit mehreren Verstell-Kennfeldern in der Leistungsrechnung berücksichtigt
(Abschn. 7.2).
Nach den bisherigen Erfahrungen an Demonstrator-Fahrzeug-Gasturbinen mit ver-
stellbaren Leiträdern ist es möglich, dass z. B. der Brennstoffverbrauch im Leerlauf um
40…70 % gesenkt werden kann, wenn die Gasturbine mit variablem Leitrad vor dem
Verdichter und der Nutzleistungsturbine optimal eingestellt wird. Diese Maßnahme
verbessert entscheidend einen besonderen Nachteil der Gasturbine im Vergleich zum
Kolbenmotor. Mit der Darstellung in Abb. 7.4-14 werden die Ergebnisse der Leistungs-
rechnungen in Form des Motor-Kennfeldes für die Konfigurationen der AGT 200-
Rekuperator-Gasturbinen vorgestellt.
Das Regelungs- und Überwachungssystem einer Fahrzeug-Gasturbine muss unter
schwierigen Betriebsbedingungen auch bei ungeübten Fahrern einen sicheren, problemlo-
sen Betrieb des Fahrzeugs gewährleisten. Das bedeutet, dass einmal das Triebwerk im stati-
onären Betrieb in den verschiedenen Laststufen besonders bei niedriger Teillast stets einen
7.4 Betriebsverhalten und Simulation der Wärmetauscher-Gasturbinen 675
VGT-Parameterstudie
BGT 200 SFC
220 1300
TET K
[g/kw h] 1400
HEX 80%
1500
spez. Brennstoffverbrauch
200 1600
1450 1700
1550 5 6 7 OPR
180
1650
TET K 1750
4 5 6 7 OPR
160 HEX 92%
Leistungskennfeld Drehmomentkennfeld
PW nGG% TRQrel
200 195 2,0 nGG%
200 100
210 100
SFC [g/kWh] 220
Drehmoment rel.
150 260
210 200
300 90 90 195
100 340 1,0
85 85
80
80
50 0,5
75 70
70
0 65 0
0 20 40 60 80 100 120 0 20 40 60 80 100 120
Abtriebsdrehzahl nPT [%] Abtriebsdrehzahl nPT [%]
Drehmoment 120
Volllast
TRQ % 100
80
Beschleunigung
60 ohne Verstell-Gitter
40 mit Verstell-Gitter VG
20 Leerlauf mit PExtern +10%
0
Drehzahl 110
Volllast
nGG %
100
mit VG nGG max 72000 1/min
90
ohne VG
80
70 Leerlauf
Temperatur 2000
TET K TETmax 1600 K
1800 mit VG
Volllast
1600
ohne VG
1400
Leerlauf
1200
0 1 2 3
Zeit sec
Beginn Volllast-Beschleunigung
Diese Hochlaufzeiten des Gasgenerators vom Leerlauf bis Volllast können ohne
besondere Maßnahmen bei 1 bis 2 s liegen. Dieses im Vergleich zum Kolbenmotor „träge
Ansprechen“ der Gasturbine – ähnlich dem Effekt des Turboladers bei aufgeladenem
Kolbenmotor – kann mit elektronischer Mehrgrößen-Regelung beeinflusst erheblich
verbessert werden.
Maßnahmen zur Verkürzung der Ansprechzeiten der Gasturbine liegen einmal im
Bereich der Konstruktion und zum anderen in der Basis-Auslegung des Triebwerks
selbst. So sollten die polaren Trägheitsmomente des Rotors einerseits und die zu über-
windenden Drehzahldifferenzen zwischen Teillast und Volllast des Gasgenerators ande-
rerseits möglichst klein gehalten werden. Weiterhin kann durch geregelten, kurzzeitig
überhöhten Brennstoffstrom ein größerer Leistungsüberschuss am Gasgenerator das ext-
rem schnelle Hochfahren des Gasgenerators bewirken. Die damit verbundenen Tempe-
raturspitzen in den mit Heißgas beaufschlagten Triebwerkskomponenten sind allerdings
sorgfältig zu beachten und ihre Auswirkungen auf die Betriebssicherheit und die Lebens-
dauer der Komponenten zu beurteilen. Um Maßnahmen dieser Art zu verwirklichen
kann zum Beispiel zur Vermeidung von Pumperscheinungen im Verdichter sowohl das
Leitrad des Verdichters wie insbesondere auch das Leitrad der Turbine zur Entlastung
des Gasgenerators innerhalb etwa 2/10 s verstellt werden.
Zu beachten ist dabei allerdings die Gefahr des Überschreitens der reichen Verlöschgrenze
der Brennkammer und weiterhin beim Öffnen des Nutzturbinen-Leitrades ein unerwünsch-
tes Abfallen des Abtrieb-Drehmomentes während des Hochlaufens des Gasgenerators.
Verfahren zur Verbesserung des Bremsverhaltens einer Gasturbine kann mit Hilfe eines
hydrodynamischen Wandlers ausgeführt werden, wie es bisher bereits an Versuchs-
Fahrzeug-Gasturbinen erfolgreich erprobt werden konnte.
> Eine gute Bremsleistung ohne zusätzlichen Brennstoffverbrauch durch Hoch-
fahren des Gasgenerators ist durch eine Kopplung der Nutzleistungsturbine mit dem
Gasgenerator bzw. dem Verdichter über eine regelbare Kupplung möglich. Da die Ver-
dichterleistung bei einer solchen Bremsschaltung wesentlich größer als die Leistung der
Nutzturbine ist, wird die Verdichter-Antriebsleistung zur Bremsung herangezogen. Der
gerätetechnische Aufwand kann dabei allerdings erheblich sein. Liegt jedoch bereits eine
Kopplungseinrichtung von Abtriebsturbine und Gasgenerator zur Verbesserung des
stationären Teillastverhaltens der Gasturbine vor, dann ist der technische Aufwand im
Zusammenhang mit einer elektronisch gesteuerten Bremseinrichtung zweckmäßig und
vertretbar.
Alle oben genannten Maßnahmen zum instationären Betriebsverhalten bzw.
Lastwechselverhalten können in Verbindung mit einem elektronischen Regel- und
Überwachungssystem wirkungsvoll ausgeführt werden. Eine gut ausgelegte digitale
Mehrgrößenregelung ist demnach eine der wichtigsten Voraussetzung für den Einsatz
der Gasturbine als Antrieb von Kraftfahrzeugen.
Ausgehend von der Beschleunigungskurve des Referenz-Triebwerks AGT200 ohne
Verstell- Turbinenleitrad zeigen die Diagramme im Abb. 7.4-15 die Verbesserungen
der Beschleunigungszeiten durch gesteuertes Öffnen (etwa +30 %) und wieder Schlie-
ßen des Turbinenleitrades sowie durch zusätzliches Ankoppeln eines Dyna-Starters
mit Zufuhr externer Leistung. Werden Temperaturspitzen in den Heißteilen der Gas-
turbine kurzzeitig bewusst in Kauf genommen, dann sind Beschleunigungszeiten des
Gasgenerators weit unterhalb 1 s erreichbar. Mit dem Ziel, 80 % Volllast-Drehmo-
ment nach etwa 0,7 s aus dem Leerlaufbereich heraus beschleunigt zu erreichen, wird
gezeigt, dass im Vergleich zum Kolbenmotor das Ansprechverhalten der Gasturbine
verbunden mit ihrem sehr guten Beschleunigungsverhalten einen Fahrkomfort bietet,
der dem Kolbenmotor gleich kommt. Als Beispiel zur Beschleunigungsfähigkeit einer
Fahrzeug-Gasturbine nach dem früheren Entwicklungsstand um 1980 ist in Abb. 7.4-
15 der Drehmomentenverlauf während einer Beschleunigung der Versuchs-Gasturbine
VW-GT-150 mit 100 kW Volllast-Leistung der Fa. Volkswagen ergänzend eingetragen
[Wal91B].
Es ist deutlich zu erkennen, dass die Ansprech- und Beschleunigungsvorgänge der
VW-Gasturbine noch nicht den gewünschten Zielwerten genügten. Mit Hilfe des oben
zusammengestellten Entwicklungspotentials konnte mit der numerischen Simulation
mit Hilfe von GTSSD an der AGT200 mit einigen ausgewählten Methoden demonst-
riert werden, dass die Zielwerte im Vergleich zum Kolbenmotor für die Ansprech- und
Beschleunigungszeiten von Fahrzeug-Gasturbinen technisch erreichbar sind. Wesent-
liche Voraussetzungen sind auch hier Gasturbinen-Komponenten in Keramikbauweise
mit entsprechenden kleinen, polaren Trägheitsmomenten, verstellbare Geometrie bei
den Turbomaschinen und eine wirkungsvolle digitale Mehrgrößenregelung.
7.5 Turboshaft-Gasturbine, Auslegungsmethodik und Optimierung 679
In den bisherigen Abschn. 7.3 und 7.4 wurden Turboshaft-Gasturbinen und ihre Kom-
ponenten grundlegend beschrieben. Auf dieser Basis ist es möglich die Komponenten
eines Antriebssystems so zu gestalten, dass sie optimal in allen Lastbereichen zusammen-
arbeiten. Als Beispiel zur Auslegung und Vorauswahl von Gasturbinen wird anschlie-
ßend in Abschn. 7.5.2 wie in den vorstehenden Abschnitten eine Turboshaft-Gasturbine
in der Leistungsklasse um 1000 kW gewählt, wie sie häufig zum Antrieb von Hubschrau-
bern verwendet wird (Abb. 7.5-1).
Im Abschn. 2.3 wurde bereits der Arbeitsprozess einer solchen Gasturbine ausführlich
dargestellt. Der Aufbau dieses Gasturbinentyps ist in Abb. 7.5-1 schematisch zu sehen.
Beispielhaft werden in Abb. 7.5-1 einige typische Triebwerke angeführt, wobei bereits
in Abschn. 7.3 das GE-Triebwerk der T700-Familie und das Triebwerk MTR 390 vorge-
stellt wurden. Turboshaft-Gasturbinen wie sie bereits in Abschn. 1.3, 2.2 und 2.8 gezeigt
wurden, werden meist in Zweiwellenbauweise mit dem Gasgenerator GG bzw. Kern-
triebwerk (Core) und einer Nutzleistungsturbine PT ausgeführt. In der Energie- und
Kraftwerkstechnik kommen die Einwellen-Gasturbinen häufig zum Einsatz (Abschn. 1.3
und 2.8). In den Abb. 7.5-2, 7.5-3, 7.5-4 und 7.5-5 werden Beispiele von einigen Hub-
schraubertriebwerken (MTR390, T700, T800, GE38) gezeigt. In Abb. 7.5-1 sind dazu
einige Daten dieser Turboshaft-Gasturbinen zusammengestellt.
Der ideale Arbeitsprozess dieser Gasturbinen ist der einfache Joule-Prozess. In
Abschn. 2.3 wurde im Dupetail gezeigt, wie ein solcher Prozess berechnet wird (dazu
„Hand“-Rechnung im Anhang A1 und A2). Die Berechnung der realen Gasturbine
erfolgt seit über 3 Jahrzehnten in der Praxis je nach dem Umfang des Anforderung-
kataloges RFP (request for proposal) des Kunden bzw. Betreibers mit Hilfe von nume-
rischen Syntheseprogrammen wie GTSYN (Abschn. 7.1 und 7.2) oder vertieft mit
multidisziplinären Auslegungs- und Simulationsprogrammen GTSSD. Mit diesen
Programmen sind neben der üblichen Leistungsrechnung auch komplexe und wirk-
lichkeitsnahe Optimierungen in Verbindung zu verschiedenen Fachdisziplinen gut
durchführbar (Kap. 8 und 9).
41 45
5 6 8
2 3 31 4 44
Handling
Bleed NGV
Cooling
Overboard
HPT cooling
Bleed
LPT cooling
steht. Neben dem Brennstoffverbrauch und dessen Kosten spielen weiterhin die Beschaf-
fungskosten sowie die Wartungs- und Instandhaltungskosten der Gasturbinen eine
wesentliche Rolle. Die Anzahl, die Lebensdauer und die Herstellkosten der einzel-
nen Triebwerksteile sind vor diesem Hintergrund so zu wählen, dass ein Optimum der
Lebenszykluskosten entsteht. Schließlich sind bei einem Flugtriebwerk das Gewicht bzw.
die Masse und das Volumen der Antriebsanlage weitere besonders wichtige Parameter.
Neben der Kostenminimierung muss zudem die geforderte Leistung in allen Anwen-
dungsbereichen zuverlässig aufgebracht werden. Diesen Forderungen entsprechend ist der
thermodynamische Arbeitsprozess unter den gegebenen Randbedingungen zu optimieren.
Die Auswahl der Materialien, die eingesetzten Technologien und die Herstellungsverfahren
werden wesentlich von der Wahl des Arbeitsprozesses beeinflusst und können für eine Vor-
auslegungsstudie gut mit einer klassischen Syntheserechnung GTSYN durchgeführt werden.
7.5 Turboshaft-Gasturbine, Auslegungsmethodik und Optimierung 681
Turboshaft-Gasturbine TS
GE T700 / CT7
PW etwa 1100 kW bis 1500 kW
Regelung und
Hilfgeräte
HP-Turbine
Einlauf mit gekühlt LP-Turbine
Separator Ring-Brennkammer ungekühlt
LP-Turbine LPT
Einlauf 2-stufig
Nutzleisung PW
Getriebe GB
HP-Turbine HPT
1-stufig
Abtriebswelle Radialverdichter RC
Umkehr-
2-stufig
Brennkammer
Abb. 7.5-3 Turboshaft-Hubschrauber-Gasturbine mit 2 Radialverdichter und Axialturbinen
(MTU-Turbomeca-RR MTR 390, Leistungsklasse PW = 1000 kW)
682 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
Hubschrauber-
Turboshaft-Gasturbine TS
GE38 aus
T700-TS-Triebwerksfamilie
Hilfsgeräte-
Kompaktbauweise Ring-Brennkammer
Einlauf mit
Separator
3-LP-Turbine
ungekühlt
2-HP-Turbine
Single-Crystal
gekühlt
FADEC-Regelung mit
5+1-Axial-Radial-Verdichter
Prognose-, Diagnose-
mit Erosions-Coating
und Monitor-System
Leistung PW ca. 5600kW, OPR = 18,6, m TS = ca. 500 kg
Abb. 7.5-5 Turboshaft-Gasturbine GE38 der höheren Schubklasse, Bauweise nach GE-T700-Fami-
lie. Axial-Radial-Verdichter 5 + 1, HP-Turbine 2 gekühlt, LP-Turbine 3, FADEC-System mit Prog-
nose-, Diagnose- und Monitorsystem. Darstellung nach Fa. GE Aviation und Sikorsky Corp, USA
7.5 Turboshaft-Gasturbine, Auslegungsmethodik und Optimierung 683
7.5.2.1 Vereinfachte Parameter-Auslegungsstudie
Auch für den realen Arbeitsprozess sind die zu optimierenden Größen primär das
Gesamtdruckverhältnis OPR und die Brennkammer-Austrittstemperatur TET bzw. Tt4.
Diese beiden Parameter können unter Annahme konstanter polytroper Wirkungsgrade
der Turbomaschinen und konstanter Kühlluftströme systematisch variiert werden, wie
in Abb. 7.5-6 für ein Beispiel gezeigt wird [Kur95, GasTurb].
Die Annahmen und daraus resultierenden Arbeitsprozessgrößen sind in Abb. 7.5-7
für den in Abb. 7.5-6 hervorgehobenen Auslegungspunkt zusammengefasst enthalten.
Das Ergebnis einer so vereinfachten Parameterstudie ist allerdings unrealistisch, da der
Kühlluftbedarf abhängig von Temperaturniveau, Stufenzahl und Kühltechnologie nicht
konstant ist.
Die Auswirkung eines veränderten Kühlluftbedarfes ist in Abb. 7.5-8 für ein kons-
tantes Verdichterdruckverhältnis dargestellt. Es wird deutlich, dass der korrekten Aus-
legung des Kühlluftsystems bei der Optimierung des Arbeitsprozesses große Bedeutung
zukommt. Die hierzu notwendige Vorgehensweise wird daher im Weiteren dupetailliert
vorgestellt.
Aus Abb. 7.5-6 kann entnommen werden, dass für eine hohe spezifische Leistung,
das heißt für ein Triebwerk mit kleinem Gewicht und Volumen, eine hohe Brenn-
kammertemperatur notwendig ist. Im Gegensatz hierzu wird deutlich, dass für jedes
Auslegungsdruckverhältnis dem minimalen Brennstoffverbrauch eine Brennkammer-
austrittstemperatur zugeordnet werden kann, die mit dem Auslegungsdruckverhältnis
steigt. Vor diesem Hintergrund ist der Trend bei der Entwicklung moderner Gasturbi-
nen hin zu hohen Gesamtdruckverhältnissen OPR und Brennkammeraustrittstempera-
turen TET zu verstehen.
Es wird im Folgenden vereinfachend nicht zwischen Brennkammer-Austrittstempe-
ratur Tt4 und Turbinen-Eintrittstemperatur SOT = Tt41 unterschieden. Das Ergebnis der
Untersuchungen wird hier dadurch kaum beeinflusst.
Unter der Annahme, dass auf Grund der verwendeten Materialien und Kühltechno-
logie eine Turbinen-Eintrittstemperatur von Tt41 = 1450 K nicht überschritten werden
soll, ergibt sich nach Abb. 7.5-6 das verbrauchsoptimale Gesamtdruckverhältnis OPR
zu etwa 22. Analog ergibt sich das Gesamtdruckverhältnis für die optimale spezifische
Leistung zu 13. Diesen Überlegungen können die Gesamtdruckverhältnisse ausgeführ-
ter Turboshaft-Gasturbinen für Hubschrauber gegenüber gestellt werden, wie sie in
Abb. 7.5-1 angegeben werden.
Bei einem Vergleich mit den in Abb. 7.5-9 dargestellten Daten ausgeführter stationä-
rer Gasturbinen aus der Energietechnik wird deutlich, dass die Wahl der Arbeitsprozess-
Parameter und die daraus sich ergebenden optimalen Auslegungen nicht nur von den
oben erwähnten Arbeitsprozess-Parametern bestimmt werden. Bei einer realistischen
Optimierung müssen bei Änderung der Randbedingungen und bei Berücksichtigung
weiterer Gesichtspunkte z. B. aus der Disziplin Mechanik zu anderen Gesamtdruckver-
hältnissen OPR führen. Beispiele dazu sind in Abschn. 8.2 zu sehen.
684 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
240
[g/(kW h)] 1300 Tt4 [K]
240 1350
10
280
12
14
260 16
18
20
24 22
240
120 160 200 240 280 320 380
360
[g/(kW h)
1300 Tt4 [K] OPR = 13 = const
340 0.10
1-stufige HP-Turbine
260
240
220
150 200 250 300 350
spez. Leistung [kW /(kg/s)]
360
[g/(kW h) 1-stufige HP-Turbine
340 Tt4 [K]
1300
spez. Brennstoffverbrauch SFC
1350
1400
320 1450
1500
1550
1600
1% 8 OPR
300
10
280
12
14
260 16
20 18
240
220
150 200 250 300 350
spez. Leistung [kW/(kg/s)]
0
1-stufige HP-Turbine
-10
8 OPR
HP-Turbine Abströmwinkel
-20
10
12
-30
14
16
18 20
-40
1300
1350
1400
1450
1500
-50 Tt4 [K] 1600 1550
-60
0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9
HP-Turbine Austritts-Machzahl
Abb. 7.5-11 Strömungswinkel und Machzahl am Austritt der einstufigen HP-Turbine für die Aus-
legungspunkt. Parameterstudie entsprechend den Auslegungen nach Abb. 7.5-10 [Kur95, GasTurb]
0.88
HPT OPR 8
0.87
10
HP-Turbinen Wirkungsgrad
0.86
12
14
0.85
16
18
0.84
20
1300
0.83 1350
1400
1450
1500
0.82 1550
Tt4 [K] 1600
0.81
2 4 6 8
HP-Turbinen-Druckverhältnis
Machzahlen und großer Drall in der Strömung sind für den Zwischenkanal und die Nie-
derdruckturbine ungünstig. Auslegungen mit Machzahlen über M = 0,5 und mit Strö-
mungswinkeln am Turbinenaustritt gemessen zur Triebwerksachse über 30–35° sollten
dabei möglichst vermieden werden.
688 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
1100
TMet [K] Tt4 [K] 1600
1550
1050
1500
mittlere Materialtemperatur
HP-Turbine Rotorschaufel 1000
1450
1400
950 1350
1300
20 18
900 16 14
12
10
OPR 8
850
800
150 200 250 300 350
Spezifische Leistung [kW / (kg/s)]
Eine weitere wichtige Verbesserung dieser Parameterstudie wird erzielt, wenn die
Berechnung des Kühlluftbedarfes in der Arbeitsprozessrechnung integriert durchgeführt
wird. Eine solche Betrachtung führt zu der mittleren Mupetalltemperatur der Rotor-
schaufel wie sie in Abb. 7.5-13 zu sehen ist. Bei konstanter Turbineneintrittstemperatur
ist die Schaufeltemperatur keineswegs konstant. Das ergibt sich hauptsächlich aus dem
Anstieg der Kühllufttemperatur mit dem Verdichterdruckverhältnis.
Ein nicht unwesentlicher Sekundäreffekt ist dabei, dass das Verhältnis von Rela-
tivtemperatur der Rotorströmung zur Turbineneintrittstemperatur mit steigender
Turbinenbelastung bzw. mit steigendem Verdichterdruckverhältnis sinkt. Dies wird
am Ende dieses Abschnitts bei der Diskussion zur Wahl der Turbinenstufenzahl
behandelt.
0.65
16 OPR
14
0.60
12
10
Cl 8
0.55
Kühllufteffektivität
0.50
0.45
0.40
Tt45 = 1100 K
0.35
0.30
1300 1400 1500 1600
Brennkammer-Austrittstemperatur T t4 [K]
360
[g/(kW h)
340 1-stufige HP-Turbine
spez. Brennstoffverbrauch SFC
240
220
150 200 250 300 350
spezifische Leistung [kW/(kg/s)]
erforderlichen Kühlluftströme können abhängig von Tt4 und OPR dargestellt werden.
Abbildung 7.5-14 zeigt dazu die Kühleffektivität ηCl abhängig von Tt4 und OPR mit der
Temperaturgrenze Tt45 = 1100 K.
Die Kühlluftmenge steigt mit dem Verdichterdruckverhältnis, da auch die Kühlluft-
temperatur ansteigt. Beachtenswert ist, dass der Kühlluftbedarf näherungsweise linear
und nicht exponentiell mit der Turbineneintrittstemperatur ansteigt.
In Abb. 7.5-15 sind der spezifische Verbrauch SFC und die spezifische Leistung für
die Arbeitsprozessoptimierung mit einstufiger Hochdruckturbine bei konstanter Schau-
feltemperatur dargestellt. Gegenüber Abb. 7.5-10 zeigt sich wieder eine deutliche Ver-
änderung: Das Verbrauchsminimum für eine Turbineneintrittstemperatur von 1450 K
wird nun bei einem Druckverhältnis von 14 erreicht.
Ferner ist festzustellen, dass der spezifische Verbrauch unter den gegebenen Annah-
men trotz erheblich zunehmender Kühlluftmenge mit steigender Turbinen-Eintrittstem-
peratur im untersuchten Bereich immer noch sinkt.
Zusätzlich zu den Laufschaufeln der Turbinenstufe müssen die Schaufeln des Turbi-
nen-Eintrittsleitrades mit betrachtet werden. Dort treten lokal hohe Temperaturen auf.
Bei einem angenommenen Wert für einen Temperatur-Verteilungsfaktor OTDF (overall
temperature distribution factor, Kap. 5) von 25 % ergeben sich bei einer mittleren Brenn-
kammer-Austrittstemperatur Tt4 von 1500 K, die zu einer Rotor-Eintrittstemperatur Tt41
von 1450 K passt, lokale Temperaturspitzenwerte um 1700 K.
Eine weitere Grenze stellt die zulässige Eintrittstemperatur Tt45 der Niederdruckturbine dar.
Da von deren Eintrittsleitrad bzw. von deren Stützrippen im Übergangskanal zwischen beiden
Turbinen auch die lokalen Temperaturspitzen bei Überlastbetrieb ertragen werden müssen,
liegt der zulässige Wert für eine mittlere Temperatur relativ niedrig. Für das hier behandelte
Auslegungsbeispiel soll als maximale LP-Turbinentemperatur ein Wert von 1100 K gelten.
Über die bisherige Diskussion hinaus sind noch zwei weitere Kriterien zu beachten.
Wie aus Abb. 7.5-14 zu erkennen ist, bedeutet der Temperaturschritt von 1450 K auf
1500 K Eintrittstemperatur eine notwendige Steigerung der Kühllufteffektivität von 0,5
auf 0,56. Das kann eine erheblich komplexere Kühlkonfiguration erfordern. Zudem darf
nicht außer acht gelassen werden, dass längs der Kurve Tt45 = 1100 K das dazugehö-
rige OPR bzw. Verdichterdruckverhältnis von 13 auf 16 (bei Tt41 = 1500 K) steigt. Das
bedeutet mehr Verdichterstufen oder einen Verdichter mit besserer Qualität.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass für die hier untersuchte Turboshaft-Gastur-
bine mit einstufiger Hochdruckturbine das optimale Druckverhältnis etwa bei 13 bis 14
liegt und die Turbinen-Eintrittstemperatur Tt4 etwa 1450 bis 1500 K betragen sollte.
0.89
HPT is
9 10 11 12
0.88 OPR 8 13
14
15
HP-Turbine-Wirkungsgrad isentr. 16 2-stufige
0.87 HP-Turbine
OPR 8
9
0.86 10
11
12
0.85
13
14 1-stufige
0.84 15 HP-Turbine
16
0.83
2.5 3.0 3.5 4.0 4.5 5.0
HP-Turbinen-Druckverhältnis
30
20 8
10 9
12 11
2-stufige HP-Turbine
HP-Turbine Abströmwinkel
10 13
14
15
0 OPR 16
-10
8
-20 9
Abb. 7.5-17 Abströmwinkel einer 1-stufigen oder 2-stufigen HP-Turbine abhängig von der HP-
Turbinen-Abström-Mach-Zahl und OPR bzw. dem Verdichterdruckverhältnis ΠC für eine Ausle-
gungspunkt-Parameterstudie [Kur95, GasTurb]
692 7 Betriebsverhalten und Simulation von Turbojet und Turboshaft-Gasturbinen
320
[g/(kW h)
8 OPR
310
spez. Brennstoffverbrauch SFC
1% 9
300
10
290 1-stufige HP-Turbine 11
12
16 15 14 13
280
260
250 255 260 265 270 275 280
Spezifische Leistung [kW / (kg/s)]
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Betriebsverhalten und Simulation von
Turbofan und Kombinationstriebwerken 8
für sub-, super- bis hypersonische Flüge
X15
Flugkorridor
H0 [km] ze
subsonisch ==> hypersonisch ren
-G
ebs
ftri
-/ Au
h te
Space Shuttle Dic
HTSM-6
HTSM HTSM
Sänger
„Sänger“ ELAC
X-43
Flughöhe
SR-71
OZON-SCHICHT NASP
Concorde
renze
e rm ische G
A340 /th
A400M nische
mecha
Sramjet -
Ramjet -
Turbofan-/Turbojet – Kombinations-Triebwerke
sub-
sub-, trans-
trans-, supersonisch ==> hypersonisch ==>
Flug-Mach-Zahl M0
Der mit den in Abschn. 1.5 mit den Abb. 1.5-1 und 1.5-2 vorab gezeigten Darstellungen
erreichte Entwicklungsstand der Gasturbinen und die damit verbundene hohe Effizi-
enz der Luftstrahl-Triebwerke basieren unter anderem auf dem stetigen Wachstum an
zur Verfügung stehender Rechnerleistung. Diese ermöglicht es mit Hilfe hochwertiger
8.1 Auslegung und multidisziplinäre Simulation 701
3-D-CFD-Strömungssimulation
3-D-Druck-, Temperatur- und Geschwindigkeitsverteilungen
Multidisziplinäre Entwicklungsmethode für Triebwerks-Gesamtsimulation
NPSS Numerical Propulsion System and Simulation
NASA-Lewis Research / GE – Technologie
Schon bei der frühzeitigen Bewertung und Analyse der Leistungsfähigkeit neuer Trieb-
werkskonzepte sind umfangreiche numerische Modellbildungen und Simulationen
notwendig. Dies betrifft besonders auch die kritischen Bereiche des stationären und
instationären Betriebsverhaltens der Antriebe. Dabei müssen sowohl die regulären
Betriebspunkte innerhalb der zu erwartenden Flugmission genau vorhergesagt aber
auch kritische Flugfälle bei Störungen des Systems simuliert werden. Insbesondere für
die Simulatortechnik und die Reglerentwicklung sind echtzeitfähige Simulationsmodelle
notwendig. Hierbei wurden frühere voneinander unabhängige Programme wie z. B. Pro-
gramme der Disziplinen Aerothermodynamik, Wärmetechnik und Festigkeit gekoppelt
in Matrix-Strukturen verbunden (Abb. 8.1-2).
702 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Fachdisziplinen
Kosten
Integration
Verbrennung, Emission
Wärmeübergänge
Regelung, Monitoring
Strukturen
Fluidmechanik
uf fe
Einla dichter mer
gstie
,Ver am
FAN Brennk Turbine üsen
n
a r b eitun
her,D mun
g Be ende
Misc Umströ steig
+
Komp en
onente e ru n g
n - Rechneranford
Abb. 8.1-2 Simulationsbereiche innerhalb einer Matrix GTSSD bzw. PSSD (Gas Turbine resp.
Propulsion System Simulation and Design) für Gasturbinen und Flugantriebe wie z. B. NPSS
(Numerical Propulsion System Simulation) der NASA oder das MOPEDS der MTU Aero Engines
[Cla91, Cla92, Sch01, Jes02, Kop00, RTO07B]
zur Verfügung, anhand derer das Leistungs- und Betriebsverhalten des Antriebssys-
tems sowie das instationäre Verhalten (Kap. 9) bestimmt wird. Bereits in dieser frühen
Phase wird eine Abschätzung von Massen, Lebensdauer und anfallenden Kosten inner-
halb einer technischen Bewertung gefordert. Die hierfür eingesetzten Rechenverfah-
ren werden meist auf 1D-Modelle der Leistungssyntheserechnung wie GTSSD bzw. in
Hinblick auf Längen- und Massenabschätzungen, Lebensdauer und Kosten auf empiri-
sche Modelle und statistische Daten existierender Typen zurückgreifen. Daher muss die
Genauigkeit bei den geometrischen und analytischen Berechnungen so festgelegt wer-
den, dass die physikalischen Zusammenhänge für jede Komponente und Disziplin in
angemessener Weise berücksichtigt und erst im weiteren Verlauf schrittweise gesteigert
werden.
Dies führt zu Berechnungen auf Ebenen mit unterschiedlicher Genauigkeit, Komple-
xität und damit Zeitbedarf. Diese werden für alle Komponenten und Disziplinen, wie
dies in Abb. 8.1-2 in verschiedenen Ebenen (level) schematisch dargestellt ist wie folgt
definiert [Cla92, Eva98, Kop00, Sch01]:
Level 1: Eine 1-D-Modellierung für unterschiedliche stationäre Auslegungs- und Teil-
lastpunkte zur Leistungsabschätzung und Parameterstudie.
Level 3: Übergang auf 2D-Lösungsverfahren, bei denen auf die Daten und Ergebnisse
der vorherigen Berechnungen als Startlösung zurückgegriffen werden und nur notwen-
dige zusätzliche Parameter zur Verfügung gestellt werden.
Die Bearbeitung mit steigendem Maß an Genauigkeit und Komplexität unter Berück-
sichtigung der bereits erstellten Ergebnisse wird hier als Zooming bezeichnet. Dies
erfordert das Vorhandensein einer Hierarchie der Geometrien, der verwendeten Codes
und Modelle, um eine vollständige Spanne von Simulationen von Level 1 bis Level 5
zu ermöglichen. So müssen Modelle abgeleitet werden können, um Informationen und
Daten aus detaillierten Analysen in Berechnungen mit geringerem Genauigkeitsgrad zu
704 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
übertragen. Dabei greift für das geometrische Zooming das Entwicklungssystem in ers-
ter Linie auf CAD-basierte Systeme zurück.
Sobald die genauen Abmessungen und Geometrien der Bauteile festgelegt sind, ist es
oftmals einfacher, diese durch Parameterdarstellungen zu ersetzen. Dies vereinfacht die
Speicherung und datentechnische Verarbeitung der Teile und wird von den CAD-Syste-
men unterstützt. Hieran kann dann eine Gitternetzerstellung für CFD-, CCD- und FEM-
Analysen angeschlossen werden.
Für das analytische Zooming wurden verschiedene Arten des Zooming definiert, wie
es hier kurz am Beispiel der CFD-Rechnung dargestellt wird. Gleiches gilt für die ande-
ren in Abb. 8.1-2 gezeigten Fachdisziplinen.
Der CFD Code ist so aufgebaut, dass als Eingabe Standarddaten aus der eindimensi-
onalen Leistungsrechnung einer Komponente verwendet werden um daraus Kennfeld-
punkte der Komponente zu bestimmen. Er berechnet die Leistung der Komponente für
einen bestimmten Betriebspunkt und liefert eindimensionale Werte an die Arbeitspro-
zessrechnung zurück, so wie dies normalerweise durch das Auslesen von Komponenten-
kennfeldern geschieht (Kap. 4).
Beim ein-, zwei- und dreidimensionalen Zoomimg werden Informationen und
Daten aus der 1D-Arbeitsprozssrechnung als Startabschätzung für eine vollständige 2D
oder 3D CFD-Simulation genutzt. Die ursprüngliche, vereinfachte 1D-Modellierung
wird hauptsächlich zur Reduzierung der möglichen Parameter verwendet, die in einem
Modell höherer Ordnung alle hätten untersucht werden müssen.
Mit den kurz vorgestellten Methoden wie das NPSS der NASA oder das PSSD
[Kop00, Sch01, RTO07B] wird es möglich sein, auch die Anforderungen an zukünftige
Triebwerke mit Hilfe numerischer Simulationsmethoden leichter zu erreichen.
In Abb. 8.1-3 wird als Beispiel das modulare Auslegungsprogramm MOPEDS
(MOdular Performance and Engine Design System) der MTU Aero Engines schematisch
gezeigt, mit dem jeder Triebwerkstyp abgebildet werden kann. Die Spalten beinhalten
die Komponenten und die Zeilen stehen für die Module der jeweiligen Fachdisziplinen.
Diese Berechnungsmodule können je nach Aufgabenstellung kombiniert werden, sodass
damit die Leistungs- und Simulationsrechnungen jeglicher Triebwerkstypen zusammen-
gesetzt durchgeführt werden können [Eva98, Jes02, RTO07B].
Turbofan
Komponenten - Module
Fachdisziplinen
vorgenommen werden müssen [Sch01]. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass
gerade in der Projektphase in der Regel nicht Spezialisten aller betroffenen Fachgebiete
am Entwurf arbeiten, sondern Universalisten.
Allerdings haben die betroffenen Fachabteilungen ihre eigenen Rechenprogramme,
die von ihnen gepflegt und weiterentwickelt werden. Ein übergeordnetes Werkzeug
zur Triebwerksauslegung wird also nicht notwendigerweise ein eigenständiges Ent-
wicklungssystem sein, sondern vielmehr eine intelligente Schnittstelle zwischen diesen
706 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Multidisziplinä
Multidisziplinäre Auslegung GTSSD
> Multidisziplinärer, modularer Aufbau
beliebig erweiterbar
> Weitgehende Unabhängigkeit vom
Betriebssystem und von der Rechnerarchitektur
> Übersichtliche, dokumentierte und
standardisierte Programmquellen
> Algorithmen der zuständigen Fachabteilungen
Bedienung Physik
> Nachvollziehbarkeit der Auslegung in
> Graphische Benutzeroberfläche beliebigen Betriebspunkten
> Einfache Bedienbarkeit > Zugriff auf Arbeitsprozessdaten beliebiger
> Expertendatenbank bei der Eingabe Betriebspunkte
und als Hilfe mit Überwachungsfunktion > Auslegung an existierenden Komponenten
> Unterstützung bei der Erweiterung orientiert
> Typen-und Baumusterdatenbank
> Konkurrenzmuster
Festigkeit und Mechanik. In Level 1 und 2 spielen Mechanik und Vibrationen nur eine
untergeordnete Rolle. Erst ab Level 3, wo eine genauere Geometrie verfügbar ist, können
erste Abschätzungen über die Festigkeitseigenschaften der Bauteile getroffen werden. Level
4 und 5 beziehen die klassischen FEM-Verfahren in den fortgeschrittenen Auslegungs- und
Definitionsprozess mit ein. Dabei muss auf die einleitend angesprochene mögliche und not-
wendige Koppelung der verschiedenen Disziplinen geachtet werden. Neben der Koppelung
CFD-/FE-Methoden ist es beispielsweise auch notwendig, zusätzlich zur Druckverteilung
auf die Schaufeln die Temperaturverteilung am Brennkammeraustritt sowie das Kühlluft-
system in der Festigkeitsberechnung der Turbinenstufe zu berücksichtigen.
Beziehungen ersetzt. Ein Zooming ist hierfür möglich und sollte bereits in Level 1 und 2
deutlich innerhalb einer 10 %-Fehlermarge liegen.
die nicht dem normalen stationären Lastzustand des Triebwerks entsprechen, aber im dyna-
mischen Betrieb durch Ausfall des Reglers oder einer Stellgröße auftreten können [Kre01,
Hol97]. Insbesondere Level 2 und 3 werden diesen Anforderungen gerecht.
Die Ingenieure werden also in Zukunft vor der Herausforderung stehen immer kom-
plexere Fragestellungen in immer kürzerer Zeit lösen zu müssen. Moderne numerische
Methoden sind dabei sicherlich eine wichtige Grundlage, ersetzen jedoch nicht ein soli-
des Wissen über das Gesamtsystem Gasturbine oder Flugzeugtriebwerk.
1800
4
Brennkammer-Austrittstemperatur Tt4 [K]
41
1600
1400
45 44
1200
1000
3 5 8
800
600
400 Pa
13 25 18 101 k
p0 =
0 2
200
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2
Entropie [kJ/(kg K)]
4
0 2 13 18
3 4 45 Arbeits-Prozesse 4
21 25 5 8 45
Volllast A 5 8
58
p0
Teillast
3 Bi
HPC HPT 3
Fan
LPC LPT
25
18
0 2
5 Kennfelder 2 Rotoren p0
16 Gasgenerator 5
14 HPC-Kennfeld A wred HPT-Kennfeld
HPC Kennfeld HPC-B-HPT HPT-Kennfeld Bi A
12 4
10
Bi nHPC= nHPT
8 1,0 3
6 0,9
nred
4 0,8 2
PHPC= PHPT 0,80 0,90 1,00 1,05
0,7
2 0,6 nred
0 1
10 20 30 40 50 .
mred
60 70 7 8 9 . 10
mred nred
2,0 LP-Rotor mit FAN - IPC - LPT
A
FAN
nFan= nIPC=nLPT
Druckverhältnis
0,8
12 16 20 24 28 32 36 40 44
1,6 .
mred·nred
Bi 1,1
1,0
1,2 0,9 Synthese-Iterationstechnik
0,8 nred 5 Kennfelder und 2 Rotoren
0,6
0,8
0,4 0,5 sowie mit gleichen Drehzahlen
20 40 60 80 100 120 nFan= nIPC=nLPT und nHPC= nHPT
·
m ergeben sich
red [kg/s]
10 – 3 = 7
Iterations-Variablen Vi
Komponenten-
Komponenten-Kennfelder
Kühlluft/Sekundä
hlluft/Sekundärluft
Bypass
Komponenten-
Komponenten-Kennfelder Komponenten-
Komponenten-Module
Modulares Syntheseprogramm
LP-
LP-Rotor
HP-
HP-Rotor
Kühlluft/Sekundä
hlluft/Sekundärluft
N
Bypass-
Bypass-Luftstrom
typischen Triebwerksebenen zum Beispiel nach der Brennkammer vor der Hochdrucktur-
bine Tt4. Ebenfalls gut als unabhängige Variable hat sich Kennfeld-Hilfsgröße β bewährt.
Der funktionale Zusammenhang der einzelnen unabhängigen Variablen in f(x) ist
für jeden Betriebspunkt durch den Arbeitsprozess gegeben, in dem unter anderem Ener-
gie- oder Leistungsbilanzen enthalten sind. Zur Lösung des nichtlinearen Gleichungssys-
tems f(x) = 0 wird wie in Abschn. 7.2 das Newton–Raphson-Iterationsverfahren aus der
numerischen Mathematik herangezogen.
Zur Erfassung der abhängigen Variablen bzw. Funktionswerte fi(x) im Verlauf der
Iteration müssen gemäß der Zahl der unabhängigen Variablen xi ebenfalls 7 geeignete
Größen aus der Arbeitsprozessrechnung gewählt werden, die hier als f(x)-Werte oder als
„Fehler“ F(x) beim Aufsuchen eines Betriebspunktes gegen Null gehen sollen. Es eignet
sich für Standard-Rechnungen gegebenenfalls der Massenerhaltungssatz und der Ener-
gieerhaltungssatz. Verglichen wird zum Beispiel für die Hochdruckturbine der Mas-
senstrom, der sich vor der Turbine bei durchlaufender Rechnung des Arbeitsprozesses
ergibt, mit dem Massenstrom, der durch Vorschätzung eines Turbinen-Kennfeldpunk-
tes im Kennfeld selbst vorliegt. Ist der iterativ aufzufindende Betriebspunkt mit allen
Bedingungen gefunden, dann muss die Differenz zwischen dem berechneten Massen-
strom und dem Massenstrom im Kennfeld Null oder zumindest bis zu einer gewissen
Toleranzgrenze genügend klein werden. Abb. 8.2-4 zeigt die Zusammenstellung der
unabhängigen Variablen x1, 2,..,7 sowie die entsprechenden f(x)-Werte für das Turbofan-
Triebwerk von Abb. 8.2-2 und 8.2-3.
Als Ergebnis einer Syntheserechnung ergibt sich das Volllast-Schubkennfeld z. B. für
den Steigflug, wie dies bereits vorab in Abschn. 2.6.3 in Abb. 2.6-10 als typisches Schub-
kennfeld eines Standard-Turbofan-Triebwerks ohne Mischer gezeigt wurde. Dabei
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 715
Für zwei Turbofan-Triebwerke der mittleren Schubklasse soll an zwei Beispielen die
Anwendung und das Potential von multidisziplinären GTSSD-Programmen demons-
triert werden, wie dies in Kap. 7 und Abschn. 8.2.1 vorgestellt wurde. Hierzu wird für
die Schubklasse um 100 kN als Basis und Referenztriebwerk ein erfolgreiches Turbo-
fan-Triebwerk der IAE V2500-Triebwerksfamilie mit einem Bypassverhältnis um etwa
BPR = 5 nachgerechnet und analysiert. Dabei sind auch die geometrische Struktur und
wichtige technologische Größen bekannt. Ausgehend von analysierten Referenztriebwer-
ken als Basis und den damit bekannten Arbeitsprozessen, sind neue, verbesserte Trieb-
werkskonzepte mit z. B. günstigerem Brennstoffverbrauch und besseren Emissionsdaten
durch eine Parameterstudie projektmäßig zu finden. Abb. 8.2-5 zeigt als Referenztrieb-
werke zwei typische Vertreter der 100 kN-Klasse, die in den 1980er Jahren entwickelt
wurden und als Antriebe z. B. der Flugzeug Airbus A320 und Boeing 737 dienen. Das
GE-Snecma-Triebwerk CFM56-A und das IAE-Triebwerk V2500-A5 zählen zu den
erfolgreichsten Ziviltriebwerken der vergangenen Jahrzehnte.
14 Auslegunspunkt DS
H0 [km]
12 Max Climb Point End Cruise
Begin Cruise
10
Höhe
4 Holding Pattern
Turbofan : CFM56-
CFM56-5B, V2500-
V2500-A5
TO Thrust Range: 98 - 147 kN
Abb. 8.2-6 Flugmission und Stufen der Schubbelastung für ein Zivilflugzeug vom Typ Airbus
A320 mit den Turbofan CFM56-5B und V2500-A5. Darstellungen nach Airbus S.A.S und [Sch01]
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 717
1,15
SFCrel 1700
15
Turbofan-Triebwerk TF
1,10 1600 OPR
Reiseflug (Cruise)
spez. Brenstoffverbrauch relativ
1500 20
1,05 Tt4 [K] 1400
25
30
1,00
Tt4 [K] 1700
1400 1500 1600 15
0,95 BPR = 4
OPR
20
0,90 25
30
BPR = 10
0,85
0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4
spez. Schub relativ
Abb. 8.2-8 Parameterstudie vereinfacht zur Weiterentwicklung von Turbofan mit mittlerem BPR
um 4-5 (Referenztriebwerke) auf UHBTF mit hohem BPR um 8 bis 10. Darstellung nach K. Rüd,
MTU Aero Engines
Aufschluss über den Arbeitsbereich, die Stabilität und die Handhabbarkeit des Trieb-
werks. Damit sind gute Voraussetzungen für die Weiterentwicklung oder Neuauslegung
weiterer Triebwerke des gleichen Typs gegeben.
19,0
Druckverhältnis
[g/(kN s)] HP-Verdichter
Tt4 [K] 1900
Tt4 [K] 9
18,5 1400 1800
spez. Brennstoffverbrauch SFC
1400 1700 10
1500 1600
1500 11
18,0 BPR = 4 12
1400
13
14
17,5 Tt4 [K] 15
BPR = 10 16
1500
17,0
14
1600 15
1700 16 Druckverhältnis HP-Verdichter
16,5
100 150 200 250 300
spez. Schub FS [m/s]
Abb. 8.2-9 Parameterstudie vereinfacht zur Weiterentwicklung von Turbofan mit mittlerem BPR
um 4-5 (Referenztriebwerke) auf UHBTF mit hohem BPR um 8 bis 10. Darstellung nach K. Rüd,
MTU Aero Engines
derzeitige Triebwerke mit BPR um 4 bis 6 die Steigerung des OPR nur geringe Auswirkung
auf die Verbesserung des SFC. Erst mit einer Erhöhung des BPR können bei höheren OPR
und TET Verbesserungen der Cruise-SFCC erreicht werden. Alle drei Auslegungsparame-
ter kombiniert sind nötig, um die weiterentwickelten Turbofan-Triebwerke hinsichtlich
ihres Brennstoffverbrauches und ihrer CO2-Emissionen zu verbessern.
Als Zielvorgabe für Neuauslegungen von TF soll ausgehend von den Daten der Refe-
renztriebwerke mit Parametervariationen wichtiger Kenngrößen die Neuauslegung von
TF der gleichen Schubklasse im Bereich von 100 kN bis 150 kN verwirklicht werden, die
bei wesentlicher Steigerung des BPR auf Werte BPR > 8 bis 10, des OPR auf Werte > 40
und eine deutliche Senkung des SFCC um 5 % bis 10 % bei wesentlicher Verbesserung
der Emissionswerte von Lärm und Schadstoffen bewirken.
Um den optimalen Arbeitsprozess der Neuauslegungen ermitteln zu können, müssen
neben den Ergebnissen im Steigflug MCL auch Take-off-Werte berücksichtigt werden.
Diese Betriebszustände stellen quasi Teillastpunkte dar und können nur über Synthese-
rechnungen auf der Basis von Komponenten-Kennfeldern bestimmt werden. Insbeson-
dere sind weiterhin bei den Komponenten die HP-Verdichter-Austrittstemperatur Tt3
und die LP-Turbinen-Eintrittstemperatur Tt45 zu beachten.
Um keinen Materialwechsel in der letzten Verdichterstufe vornehmen zu müssen, soll
bei Take-off eine Verdichter-Austrittstemperatur Tt3 von Tt3 = 800 K nicht überschrit-
ten werden. Daneben soll das Triebwerk mit einer ungekühlten LP-Turbine ausgestattet
werden. Für die LP-Turbinen-Eintrittstemperatur gilt die Beschränkung Tt45 < 1200 K.
720 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
11
17,6 1550
12
13 1600
14 1650 1700
17,4 15
1716 Druckverhä
Druckverhältnis
1160 HP-
HP-Turbine
17,2 HPT
3,2
17,0 Tt45 [K] 920
Temperatur
16,8 LPT-
LPT-Eintritt 960 1120 3,6
Als maximale Prozesstemperaturen sind einzuhalten für Take Off ein TETTO max < 1850 K
und für Cruise TETC max < 1600 K.
Ergänzend zu Abb. 8.2-10 und nicht als Parameter eingetragen sind z. B. als Prozess-
variable folgende Bereiche zu nennen (Abb. 8.2-9):
Unter Berücksichtigung dieser Grenzen ergibt sich ein optimaler Arbeitsprozess bei
einem Gesamtdruckverhältnis von ca. 35 und einer TurbinenEintrittstemperatur Tt4 von
Tt4 = 1550 K im Steigflug MCL.
Eine Übersicht über die sich ergebenden Arbeitsprozessparameter gibt Abb. 8.2-10.
Aus dem Ergebnis einer ersten Arbeitsprozessstudie mit Hilfe von Syntheseprogam-
men und Parametervariationen zur Verbesserung des SFC auf Werte um 17 g/(kN s) ist
eine fundierte Basis für vertiefte, multidiszipinäre Studien durchführbar, wobei techno-
logische Grenzen verstärkt eine Rolle spielen.
(a)
C
SL
L
W
ie Supersonic
lin
eits Unstalled
Subsonic Stall rb
A Flutter
Flutter
Schluckgrenze
Choke Flutter
Verdichterdurchsatz red.
(b)
maximale TET
C TETmax = Tt4 max
Beschleunigung
Slam Accel
e TET = Tt4
nz
Druckverhältnis
g re
p nmax Drehzahl max.
m rn
. Pu atte
bzw Fl
Verzögerung
ts-
ilitä t al
l
e Arbeitslinie Slam Decel
ab gS z
St i n ren WL
tat ck
g
Ro hlu
Sc
Stabilität Verlöschen Drehzahl n
Brennkammer
Verdichterdurchsatz red.
Projektierung und bei der Auswahl der Komponenten mit ihren Kennfeldern frühzeitig
zu berücksichtigen.
Mit Hilfe der GTSSD-Vorauslegungen kann ggf. zur Untersuchung der Stabilität
mit transienten Simulationen das dynamische Triebwerksverhalten zum Abschluss der
Auslegungsphase zusätzlich studiert werden. Bei schnellem Hochfahren bzw. Beschleu-
nigungen oder Verzögerungen liegen die transienten Betriebspunkte nicht auf der stati-
onären Betriebslinie, sondern in vielfältigen Übergangsphasen zwischen den stationären
Betriebspunkten, wie es in Abschn. 4.2 gezeigt wurde. Im praktischen Betrieb ist das
dynamische Betriebsverhalten oft von entscheidender Bedeutung für den Erfolg eines
Triebwerks. Dies bedeutet aber auch, dass bereits im Vorfeld einer Projektierung auch
variable Geometrie bzw. geregelte Schaufelverstellung mit berücksichtigt und einbezogen
werden müssen.
In diesem Zusammenhang ist eine Simulation des Triebwerks bei Anlass- und Start-
vorgängen zu untersuchen. Gemäß dem Anforderungskatalog RFP ist es wichtig, schon
in der Auslegungsphase mit Simulationsprogrammen zu prüfen, ob überhaupt ein
Anlass- und Startvorgang sicher funktioniert, was z. B. beim Wiederanlassen im Flug
problematisch sein kann (Abschn. 9.5.3).
Bei der Darstellung zu einem Startvorgang ist in Abschn. 9.5 in Abb. 9.2-3 die sog.
„Hung Line“ im Verdichterkennfeld eingetragen. Die Start-Betriebslinie liegt deutlich über
der „Hung Line.“ Die „Hung Line“ verbindet die stationären Betriebspunkte, in denen mit
befeuerter Brennkammer und laufendem Starter keine Beschleunigung auf stabilen Leer-
lauf mehr erreicht wird. Das Triebwerk erreicht also nur oberhalb dieser Betriebspunkte
die stabile Leerlaufdrehzahl. Bei einem „Hung Start“ ist dies nicht der Fall.
Bei kleinen Anlassdrehzahlen kann die transiente Betriebslinie die Stabilitätsgrenze im
niedrigen Drehzahlbereich überschreiten. Dies kann in der ersten Startphase zu rotierenden
Ablösungen und zu Schwingungsproblemen bei der Beschaufelung führen, was durch die
Wahl der Charakteristik des Verdichterkennfeldes und die Wahl des Auslegungspunktes zu
beachten ist. Vom Anlassen bis zum Leerlauf ist dafür zu sorgen, dass die Start-Betriebslinie
in dem Bereich zwischen Stabilitätsgrenze und „Hung Line“ einen sicheren Start erlaubt.
Als wesentliches Ergebnis aus Parametervariationen, wie sie oben einführend vor-
gestellt wurden, können mit GTSSD-Programmen gemäß der Zielvorgabe für die mitt-
lere TF-Schubklasse um 100 bis 140 kN Neuentwicklungen technologisch mit folgenden
Richtwerten verwirklicht werden:
High-Bypass-Direct-Turbofan HB-DTF
CFM International LEAP-X
High-Bypass-Geard-Turbofan HB-GTF
P&W / MTU PW1000G
Abb. 8.2-12 Beispiele von Turbofan-Triebwerken ohne und mit Getriebe der Schubklasse 80 bis
140 kN mit hohem über BPR > 10 und OPR > 40. Darstellung nach Fa. Pratt&Whitney, MTU Aero
Engines, Airbus S.A.S., Boeing Comp
Wie die Weiterentwicklungen der in Abb. 8.2-1 gezeigten beiden Turbofan der 100
kN-Klasse zeigen, folgen deren Nachfolgetriebwerke dem in diesem Abschnitt kurz dar-
gestellten Entwicklungstrend (Abb. 8.2-12).
Die mehrdimensionale Parameterstudie bezog sich im Wesentlichen auf die ther-
modynamischen Arbeitsprozesse. Sie ist sinngemäß in analoger Form auch für die Tur-
bofan-Triebwerke mit Getriebe GTF übertragbar, wie das entsprechende Projekt von
P&W/MTU mit dem PW1000G zeigt [Rie07, Hen12B].
In Abb. 8.2-12 ist neben diesem Getriebe-Turbofan das Beispiel der Weiterentwick-
lung der CFM-Triebwerksfamilie mit dem LEAP-X dargestellt.
724 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
(a) (b)
(a)
SFC PRFan, außen
[g/(kNs)]
Turbofan TF 1800 1,60
Fa
20 ohne Mischung
n-
Dr
1,65
uc
1750
kv
1,70
erh
spez. Brennstoffverbrauch
ält
1700 1,75
ni
19
s(
1,80
au
ße
1650 1,85
n)
Turbinen- 1,90
Eintrittstemperatur 1600
18 Tt4 [K] 1500
1550
17
50 55 60 65 70 75
Nettoschub FN [kN]
(b)
SFC
[g/(kNs)]
20 Turbofan TFM
mit Mischung
spez. Brennstoffverbrauch
Fan-Druckverhältnis
PRFan, außen 1,70 (außen)
19 1,65
Turbinen- 1,60 1,75
Eintrittstemperatur 1,80
Tt4 [K]
1,85
1550
1500 1,90
18 1600
1800
1750
1700
1650
17
50 55 60 65 70 75
Nettoschub FN [kN]
2 21 24 25 16 18
13
44 45 5 6 8
41
3 31 4
a b
handling bleed
c
LPT cooling
als die ISA-Temperaturen (International Standard Atmosphere) bei weitem nicht ihre
Maximalwerte.
Die Mischungsrechnung selbst kann allerdings während der Teillastiteration Prob-
leme bereiten. Ungünstige Kombinationen der zu iterierenden Variablen können dazu
führen, dass die Drücke in beiden Strömen sehr unterschiedlich sind. Wenn sich die
Totaldrücke um mehr als das kritische Druckverhältnis unterscheiden, dann ist statische
Druckgleichheit nicht mehr möglich und es wird schwierig, sinnvolle Eintrittszustände
in die Düse zu berechnen.
Auslegung für Turbofan ohne Mischung TF Unter Annahme eines gegebenen Gasge-
nerators stellt sich bei Turbofan-Triebwerken mit ungemischten Fluidströmen die Frage
nach der optimalen Auslegung des Niederdrucksystems. Für ein solches in Abb. 8.2-16
dargestelltes Triebwerk ist dabei zu klären, welche Kombination von Bypassverhältnis
und Druckverhältnis im Außenstrom gewählt werden sollte, um einen minimalen Brenn-
stoffverbrauch zu realisieren. Hierzu ist das Verhältnis der Strahlgeschwindigkeiten c1 8 /c8
gleich dem Transferwirkungsgrad zu wählen [GasTurb] oder auch zum Beispiel [Gas76]:
c18
= ηTrans
c8 opt
(8.2-1)
ηTrans = ηFan · ηNDT · ηmech · ηMantelstrom
728 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Bypass-Verhältnis (BPRA)
18,0
7,4
17,2
8,2
2,05
16,8 8,6 2,00
1,95
9,0
16,4 1,90
9,4
1,85
16,0 1,65
1,80 Fan,außen
1,70 1,75 Fan Druckverhältnis außen
15,6
Diese Definition basiert auf den Strahlgeschwindigkeiten, die bei einer idealen Entspan-
nung auf Umgebungsdruck erreicht werden. Bei überkritischem Druckverhältnis ist
dazu eine im Flächenverhältnis angepasste, konvergent-divergente Düse anzunehmen.
Der verwendete Transferwirkungsgrad beschreibt die Güte des Energietransfers vom
Hauptstrom in den Mantelstrom und muss neben dem Fan-Wirkungsgrad ηFan auch
den Druckverlust im Mantelstromkanal ηMantelstrom beinhalten.
Eine Parameterstudie für ein Turbofan-Triebwerk ist im Abb. 8.2-15a, b dargestellt.
Eine Steigerung des Bypassverhältnisses hat ein Sinken des optimalen Fan Druck-
verhältnisses zur Folge. Für ein gegebenes Bypassverhältnis stellt sich der minimale
Verbrauch bei demselben idealen Strahlgeschwindigkeitsverhältnis von etwa 0,8 ein
(Abb. 8.2-17).
Das ideale Strahlgeschwindigkeitsverhältnis (c18/c8)id ist also ein geeignetes Kriterium
zur Wahl des optimalen Fan-Druckverhältnisses beim Turbofan-Triebwerk. Dieses theo-
retisch erreichbare Geschwindigkeitsverhältnis ist in Abb. 8.2-18 für Reiseflugbedingun-
gen und für den Startfall abhängig vom Druckverhältnis pt16/pt6 dargestellt. Zur Teillast
hin steigt (c18/c8)id an. Es ist daher zweckmäßig, bei Volllast ein suboptimales Strahlge-
schwindigkeitsverhältnis zu wählen, wenn im Reiseflug optimale Bedingungen erreicht
werden sollen.
Beim gemischten Triebwerk tritt an Stelle des Strahlgeschwindigkeitsverhältnisses
das Verhältnis der Totaldrücke am Mischereintritt pt16/pt6 als Kriterium für Optima.
Das Teillastverhalten einer solchen Konfiguration ist in Abb. 8.2-19 für den Reiseflug
und den Startfall abgebildet. Der angepasste Abszissen-Maßstab ist beim Vergleich mit
Abb. 8.2-18 zu beachten. Das Druckverhältnis pt16/pt6 ändert sich besonders in der Höhe
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 729
Volllast
Volllast
M16
Mach-Zahl Bypassluft, Mischereintritt
Volllast
Volllast
Teillast
viel weniger als beim ungemischten Triebwerk, wie der Vergleich mit Abb. 8.2-18 zeigt.
Zu beachten sind die unterschiedlichen Maßstäbe.
Die Veränderung der Mach-Zahl M163 des Außenstroms am Eintritt in den Mischer
steht in direktem Zusammenhang mit der Betriebslinie im Fankennfeld. Beim unge-
mischten Triebwerk tritt an die Stelle der Mach-Zahl M163 die Mach-Zahl M18 im
730 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
2 21 24 25 27 28
13
16
64
44 45 8
5
41
163
31 3 4
63
IP handling bleed b
HP handling bleed
a c
LPT NGV Cooling
LPT cooling
Betriebslinien im Fan-Kennfeld bei Turbofan mit und ohne Mischung Das Teillast-
verhalten eines Triebwerkes ohne Mischung (Abb. 8.2-16) unterscheidet sich von dem
eines Triebwerks mit Mischung (Abb. 8.2-20) weiterhin auch in der Lage der Betriebsli-
nien in den Fan-Kennfeldern (Abb. 8.2-21).
Von den Daten des Auslegungspunktes (H0 = 11000 m, M0 = 0,8) ausgehend können
zum Beispiel mit [GasTurb] die Volllast-Teillast-Betriebslinien in den Turbomaschinen-
Kennfeldern bestimmt werden.
Es wird dabei deutlich, dass die Fan-Betriebslinie
√ des Triebwerks mit Mischer bei
Reiseflugbedingungen steiler verläuft als die ṁ13 θ13 δ13-Linien.
√ Beim ungemischten
Triebwerk verläuft die Betriebslinie dagegen flacher als die ṁ13 θ13 δ13-Linien.
Weiterhin ergibt sich der Betriebsbereich zwischen Start und Reiseflug beim Trieb-
werk ohne Mischung nicht so breit wie bei der gemischten Triebwerksversion. Bei einem
Triebwerk mit Mischung ist es somit tendenziell schwieriger bei niedrigen Schubwerten
unter Reiseflugbedingungen einen guten Fan-Wirkungsgrad zu erreichen.
Durch die „flachen“ Betriebslinien des ungemischten Triebwerks werden im oberen
Lastbereich nicht so gute Fan-Wirkungsgrade erreicht. Wie aus dem Vergleich der Rei-
seflug-Betriebslinien in den Abb. 8.2-21a und b zu erkennen ist liegen in diesem Fall die
Betriebslinien bei Teillast jedoch besser.
Der große Unterschied zwischen den Betriebslinien im Standfall ISA-SLS und im Rei-
seflug wird vom Verhalten der Düsen verursacht. Sowohl die Sekundärdüse des unge-
mischten Triebwerks als auch die für beide Ströme gemeinsame Düse des Triebwerks
mit Mischer arbeiten in vorliegendem Beispiel im oberen Lastbereich bei Reiseflug über-
kritisch. Im Standfall erreichen die Machzahlen im engsten Querschnitt der Düse jedoch
keinen höheren Wert als 0,9. Je kleiner die Machzahl ist, desto kleiner wird der reduzierte
Durchsatz. Die Betriebslinien beider Triebwerke verlaufen daher bei ISA-SLS recht flach.
(a)
Turbofan TF
ohne Mischung
Fan Fan-Kennfeld
Volllast
Fan-Druckverhältnis
Start
H0 = 0 km (SL, ISA,+10)
M0 = 0
Reiseflug
H0 = 11 km (ISA+10)
M0 = 0,8
Leerlauf
Massenstrom red.
(b)
Turbofan TF
mit Mischung
Fan
Fan-Kennfeld
Fan-Druckverhältnis
Volllast
Start
H0 = 0 km (SL, ISA,+10)
M0 = 0
Reiseflug
H0 = 11 km (ISA,+10)
M0 = 0,8
nred Leerlauf
Massenstrom red.
Abb. 8.2-21 Betriebslinien für Reiseflug und Standfall (ISA,SLS) im Fan-Kennfeld des a Turbofan
ohne Mischer, b Turbofan mit Mischer [GasTurb]
IPC Turbofan TF
Mitteldruckverdichter-Druckverhältnis Mitteldruckverdichter-Kennfeld
Reiseflug
H0 = 11 km (ISA,+10)
M0 = 0,8
Volllast
nred
Start
H0 = 0 km (SL, ISA,+10)
Leerlauf M0 = 0
Massenstrom red.
Abb. 8.2-22 Betriebslinien im Kennfeld des Mitteldruckverdichters IPC (booster) für den Reise-
flug und für den Standfall. Bleed-Luftabblasung im unteren Drehzahlbereich [GasTurb]
2000
60 16
4000
18
6000
40 20
Max Cruise 8000
10000
22
20 12000
Vorgaben: nH = f(Tt2) = 0,745+0,0001Tt2
nH,max = 1,04 [GasTurb 10]
0
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
Flug-Mach-Zahl M0
Abb. 8.2-23 Schubkennfeld (ISA STD) des Turbofan-Triebwerks ohne Mischer mit den Vorga-
ben Drehzahl nH = f(T2 ) = 0.745 + 0.001 T2 und nH,max = 1.04 bei konstanter Turbinen-Ein-
trittstemperatur TET = 1650 K [GasTurb]
Temperatur nicht real gemessen werden kann. Für die Leistungsrechnungen und die
Simulationen, für die Aufgaben der Regelung und für die Überwachung der Triebwerke
durch den Piloten im Cockpit müssen Regelgesetze mit zweckmäßigen Eingangsgrößen
angegeben werden, die umfassende flexible Regelungs- und Überwachungsprozeduren
erlauben.
Ein wichtiger Aspekt des Betriebsverhaltens von Turboluftstrahltriebwerken ist deren
Schubcharakteristik bzw. allgemein das Schubkennfeld wie es in Abb. 8.2-23 gezeigt
wird. Diese Charakteristik wird durch den Triebwerksregler beeinflusst. So fällt der
Standschub einer Fluggasturbine gegenüber dem ISA-Standard-Day (15 °C) mit steigen-
der Umgebungstemperatur T0 stark ab (ISA-Hot-Day mit zum Beispiel +30 °C), wenn
die Brennkammer-Austrittstemperatur TET = Tt4 konstant gehalten wird. Dies ent-
spricht dem Schubverlauf beim Betrieb Full Rated Engine (Abb. 8.2-24, Mitte links).
Im umgekehrten Falle an kalten Tagen führt die Regelung mit konstanter Brenn-
kammer-Austrittstemperatur TET = Tt4 zu einem hohen Standschub. Der Schubbedarf
eines Flugzeuges dagegen ist im Wesentlichen von der Umgebungstemperatur T0 unab-
hängig. Daher müssen Triebwerke so ausgelegt und dimensioniert werden, dass auch an
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 735
Cockpit-Triebwerksanzeigen
Airbus A320/A321
Turbofan IAE V2500
0 2 3 4 5
EPR = p t5 /pt2
Engine Pressure Ratio OAT Outside Air Temperature
EGT = Tt5 Exhaust Gas Temperature °C FRT = TISA+15 Flat Rate Temperature
N1 = n1 = nL Low Pressure Rotor Speed % FLX Flex Take Off Temperature
N2 = n2 = nH High Pressure Rotor Speed % FF Fuel Flow
TIT resp. TET Turbine Inlet Temperature FOB Fuelon Bord
Schub Schub
FN FN
„full rated“
„derated“
ISA ISA+15 Outside Air Temp. FRT OAT
(15 °C) FRT (30 °C) OAT (T0) Flex.T.O.Temp.
EGT EPR
EGT -Limit EPR
Tt5 „full rated“
heißen Tagen ausreichend Schub für einen sicheren Start des jeweiligen Flugzeugs zur
Verfügung steht. Es ist dabei die Aufgabe der Regelung sicher zu stellen, dass die mit der
Dimensionierung des Triebwerks verbundenen Betriebsgrenzen eingehalten werden.
Die Regelung mit konstanter Brennkammertemperatur TIT kann daher so erweitert
werden, dass bei veränderten Umgebungstemperaturen T0 = OAT (outside air tempe-
rature) unterhalb eines definierten Abknickpunktes (kink point) der Schub praktisch
konstant bleibt (Abb. 8.2-24, Mitte). Es wird in einem solchen Fall von FR (flat rating)
gesprochen, da die Schubkurve abhängig von der Umgebungstemperatur OAT bei Tem-
peraturen unterhalb des Abknickpunktes FRT (flat rate temperature) flach verläuft. Mit
steigender Umgebungstemperatur OAT höher als FRT sinkt in der Schubkurve der
Schub deutlich ab. FRT am Abknickpunkt wird häufig bei ISA + 15° (= 30 °C auf Mee-
reshöhe) gesetzt.
Da der Schub bei eingebautem Triebwerk nicht genau messbar ist, kann unterhalb
von FRT nicht direkt auf einen Soll-Schub geregelt werden. In der Praxis finden daher
zwei indirekte Verfahren zur Schubeinstellung Anwendung. Hierbei werden zum einen
das Druckverhältnis Core EPR bzw. pt5/p t2 (core engine pressure ratio) oder zum ande-
ren die reduzierte Drehzahl des Fan nL / Tt2 als Regelparameter verwendet. In beiden
Fällen ist der Standschub näherungsweise unabhängig von der Umgebungstemperatur.
Der Schub hier beim Triebwerk ohne Mischer steigt bei einer Verringerung der Umge-
bungstemperatur von ISA + 15° auf ISA-35° (−20 ◦ C) bei konstantem pt5 /pt2 lediglich
um 1 bis 2 % an. Beim Triebwerk mit Mischer (Abschn. 8.2.3) ist der Schubanstieg bei
konstantem pt5 /pt2 geringer. √
Bei der Regelung mit konstanter reduzierter Drehzahl nL / Tt2 werden ähnliche
Ergebnisse erzielt. Bei einer Verringerung der Umgebungstemperatur von +30 ◦ C auf
−20 ◦ C führt eine solche Regelung in den Beispielfällen zu einem starken Abfall der
Brennkammertemperatur Tt4.
Eine Schubanpassung, Thrust Rating, ist eng mit dem Flat Rating verwandt. Dabei
geht es nicht um den Einfluss von unterschiedlichen Ansaugtemperaturen, son-
dern um die Auswirkung von Triebwerksalterung, Luftentnahme und Entnahme von
Wellenleistung.
Der Begriff Thrust Rating bedeutet, dass der Schub konstant gehalten wird. Auch
wenn sich zum Beispiel durch Verschmutzung oder durch Ausrieb von Belägen und
Dichtungen die Wirkungsgrade der Turbomaschinen verschlechtern, wird dennoch ein
gleichbleibender Schub erzeugt, allerdings bei höheren Heißgastemperaturen als bei
einem neuen Triebwerk. Hierzu muss die Heißgastemperatur Tt45 oder Tt5 bzw. falls
ein Pyrometer vorhanden ist, eine Schaufeltemperatur gemessen werden. Ist die Alte-
rung des Triebwerks so weit fortgeschritten, dass für den geforderten Schub die maximal
zulässige Heißgastemperatur überschritten wird müsste, dann kann das Triebwerk auch
durch eine Waschung gereinigt oder ausgebaut und überholt werden.
In Abb. 8.2-24 (Mitte rechts) ist weiterhin für ein flat rated Triebwerk zu sehen, dass
bei konstantem Umgebungsdruck (pressure altitude) die Drehzahl des Niederdruck-
Rotors N1 = nL bis zum FRT-Wert ansteigt und dann wieder abfällt. Sinkt zum Beispiel
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 737
mit steigender Flughöhe der Druck, dann verschiebt sich die FRT-Wert zu kleineren
OAT-Werten.
Um geringere Belastungswerte für das Triebwerk zu erzielen, kann gegenüber der full
rated-Schubkurve das Temperaturniveau durch Herabsetzung der EGT-Werte gesenkt
werden, sodass dies zu einem derated-Triebwerk führt. Deutlich ist nach Abb. 8.2-24 zu
erkennen, wie mit sinkender OAT-Werten kleiner als FRT der EGT-Bereich (EGT-mar-
gin) zwischen full rated und flat rated vergrößert wird, sodass bei konstant bleibendem
Schub das Triebwerk eine geringere Belastung erfährt.
Bei den meisten FADEC-Systemen kann der Pilot abhängig vom Schwierigkeits-
grad der Startsituation zusätzlich über den FMC (flight management computer) selbst
einen Flex. T.O.-Schub (fexible take off thrust) unterhalb vom maximalen Schub
(max.T.O.thrust) zum Beispiel bei höheren OAT-Werten wählen. Dieses Vorgehen kann
zur Sicherheit und Wirtschaftlichkeit erheblich beitragen.
Um bei konstant bleibenden Schub eine Schonung des Triebwerks und günstige
Lebensdauer zu erzielen, müssen also keine zusätzlichen Regelungsparameter eingeführt
werden. Sowohl mit konstantgehaltenem Druckverhältnis pt5/pt2 als auch mit konstan-
ter reduzierter Drehzahl nL / Tt2 kann dafür gesorgt werden, dass eine Komponenten-
verschlechterung nicht zu einem Schubabfall führt und somit der Betrieb des Flugzeuges
nicht
beeinträchtigt wird. Bei der Schubregelung mit Hilfe der reduzierten Drehzahl
nL / Tt2 besteht ein gewisser Nachteil, da in diesem Fall der Schub sinkt, wenn z. B. der
Fan verschmutzt oder beschädigt wird.
Alterung und Beschädigung des Triebwerks führen bei einer solchen Regelung zu
höheren Heißgastemperaturen als bei einem neuen Triebwerk. Folglich muss die Heiß-
gastemperatur Tt45 oder Tt5 bzw. eine Schaufeltemperatur gemessen werden. Ist die Alte-
rung des Triebwerks so weit fortgeschritten, dass für den geforderten Schub die maximal
zulässige Heißgastemperatur überschritten wird, kann das Triebwerk überholt werden.
Schub und Verbrauch im Flugbereich Mit Hilfe einer flexiblen FADEC-Regelung ist es
möglich, den Schub über das Flat Rating hinaus an die Anforderungen einzelner Flug-
zeugtypen und deren spezifischen Missionen anzupassen. Hierzu werden Regelgesetze
verwendet, bei denen für den maximalen Steigschub MCR (max climb rating) das Druck-
verhältnis EPR bzw. pt5 /pt2 (engine pressure ratio) als Funktion von Flughöhe, von Flug-
Mach-Zahl und der Abweichung von den ISA-Temperaturen dargestellt wird. Damit
wird die Schubcharakteristik eines Triebwerks auch durch die Anforderungen des Flug-
zeuges festgelegt. Eine gemeinsame Abstimmung der Anforderungen an die Regelung
und die Regelgesetze für den jeweiligen Triebwerkstyp zwischen den Triebwerks- und
Flugzeugproduzenten ist unumgänglich.
Als Auslegungsbeispiel wurde in Abb. 8.2-23 das Schubkennfeld eines Triebwerks
ohne Mischer dargestellt, wie es mit dem Syntheseprogramm [GasTurb] erstellt wurde.
Dabei wurde die Drehzahl der Hochdruckwelle nH abhängig von der Verdichter-Eintritt-
stemperatur Tt2 vorgegeben. Im Auslegungsfall beträgt nH = 100 %, bei ISA/SLS Bedin-
gungen Tt2 = 288,15 K ist nH = 103,3 %.
738 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Abb. 8.2-25 Spezifischer
16
14
0 20 40 60 80
Nettoschub FN [kN]
Abb. 8.2-26 FADEC bzw. EEC-System (electronic engine control) schematisch von Turbofan IAE
V2500 mit hohem BPR . Darstellung nach Airbus S.A.S und [Lin08B]
Abb. 8.2-27 Turbofan-Triebwerk GTF mit Getriebe zwischen langsamlaufendem Fan und schnell
laufender Niederdruck-Turbine LPT. Abb. nach [GasTurb]
Für den Vergleich wird angenommen, dass die weiteren untersuchten Turbofan-
Triebwerke mit gleichem Gasgenerator-Kerntriebwerk GG ausgestattet sind. Weiterhin
wird als Betriebszustand gleich bleibend Hot Day Take Off angesetzt. Zum Vergleich
werden 4 Triebwerks-Vorauslegungen in einer Gegenüberstellung betrachtet.
Wie dem Abb. 8.2-29 zu entnehmen ist, wurden nach Vorausberechnungen der
Leistungen und der SFC-Werte Triebwerke ohne und mit Getriebe von BPR = 6 bis
14 genauer untersucht und dem vorgegebenen Referenztriebwerk mit BPR = 6 gegen-
übergestellt. Das optimale Fan-Geschwindigkeitsverhältnis c18/c8 (Abschn. 8.2.2) wurde
dabei beachtet und konstant bleibende polytrope Wirkungsgrade von Fan, Booster und
LPT beibehalten.
Die Basis-Auslegung des Referenz-TF-Triebwerkes ohne Getriebe erfolgte mit den in
Abb. 8.2-28 angeführten Eingabe-Eckwerten.
Nach dem Ergebnis der Studie von Kurzke [Kur09] sinkt gegenüber dem Referenz-
triebwerk mit BPR = 6 der SFC bei der Auslegung mit BPR = 10 um 14,4 % und bei
einem BPR = 14 um weitere 8,2 % (Abb. 8.2-29).
Bei angenommen gleich bleibendem Kerntriebwerk mit HPC, B und HPT, wurde das
Niederdrucksystem mit Fan F, LPC (booster) und Niederdruckturbine LPT unter Beach-
tung gleicher Belastungskriterien für Fan und Booster sowie für die LPT jeweils neu
gestaltet. Diese Kriterien orientierten sich z. B. an Turbinen-Auslegungs-Diagrammen
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 741
Referenz-TF-Triebwerk
BPR=6 OPR=43,9
GG-Kerntriebwerk 5 stufige LPT
Länge m
[GasTurb 11]
Arbeitsprozess-Parameter-Studie
mit gleichem Kerntriebwerk (HPC und HPT),
konstanten polytropen Wirkungsgraden für
Fan, Booster und LPT sowie optimalem
Geschwindigkeitsverhältnis c18/c8=const)
5
LPT
7 - S tu
7
fe n
89
9
Fan
Tip Speed m/s
360
400
440
480
Conventional Turbofan Geared Turbofan
Abb. 8.2-29 Arbeitsprozess-Parameterstudie VHB-TF ohne und mit Fan-Getriebe für Hot Day
Take Off: GG-Kerntriebwerk (HPC, BK, HPT) gleich bleibend, konstante polytrope Wirkungs-
grade für Fan, LPC und LPT, optimales Geschwindigkeitsverhältnis. Parameter: LPT-Stufenzahl,
Fan-Geschwindigkeit uFTipnach Kurzke [Kur09, GasTurb]
742 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Bypass Verhältnis 10
9 LPT-Stufen
Leistungsziffer ∆ ht/u2
Bypass Verhältnis 6
5 LPT-Stufen
Durchsatzziffer cax/u2
Schallemission, die geometrischen Einbaumaße am Flugzeug, das Gewicht und vor allem
die Kosten von Bedeutung. Dabei spielt die Zahl der Bauteile und deren Gewichtsanteil
bei den Beurteilungskriterien eine besonders wichtige Rolle.
Bei einem BPR von etwa 10 bis 11 zeigen die Bauweisen ohne oder mit Getriebe, dass
sich Vor- und Nachteile gegeneinander aufwiegen. Die Entscheidungen zu der einen
oder anderen Bauweise hängen auch wesentlich von den jeweiligen Erfahrungen der
Triebwerkshersteller ab.
So sind in Abb. 8.2-33 3 typische Projekte der 300 kN-Schubklasse mit BPR um 10 bis
11 der führenden Triebwerkshersteller dargestellt: GE mit Genx, RR mit RR-Trent1000
und P&W-MTU mit Getrieb-Fan PW 1000G.
Für höhere BPR über 11 hinaus erscheint das Konzept mit Getriebe besonders inter-
essant, wobei der Stand der Getriebetechnologie mit extrem hoher Leistungsdichte eine
wesentliche Rolle spielen wird.
Bei den Hoch-Bypass-TF-Triebwerken der mittleren und unteren Schubklassen bis
etwa 200 kN sind Ausführungen mit Getriebe leichter realisierbar, wie zum Beispiel in
[Rie07, Hen11, Hen12B u. a.] gezeigt wird.
ohne Getriebe
10 11,40 2 3 2,23 m
mit Getriebe
[GasTurb 11]
Abb. 8.2-32 Gegenüberstellung der Hoch-Bypass-TF mit BPR = 6 bis 10 ohne und mit Getriebe.
Ergebnis der Parameterstudie zum technologischen Vergleich nach Kurzke [Kur09, GasTurb]
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 745
Hoch-Bypass-Turbofan-Triebwerke
BPR = 9 bis 11, OPR = 40 bis 45
GE GEnx
2 Rotoren BPR = 11, Fan 2,82 m, F = 310 kN
Fan, LPR, HPR
P&W-MTU PW 1000G
2 Rotoren, BPR = 11, Fan 2,85 m, F = 178 kN
Fan, Getriebe, LPR, HPR
Abb. 8.2-34 Turbofan TF mit BPR < 6 (Typ IAE V2500) nach [GasTurb] bzw. [Kur09]
SFC (BCR) SM
Surge Margin (MCL)
η HPC (MCL)
SFC (BCR)
η HPT (MCL)
η HPC (MCL)
Abb. 8.2-35 Einfluss der Variation des HPC-Nabenverhältnisses ν auf die aerodynamische Quali-
tät des Referenz-Turbofans vom Typ V2500 bei MCL [Sch02, Ste03B]
Das Ziel der hier gewählten Aufgabenstellung mit der Anwendung von GTSSD
besteht in Ergänzung zur Darstellung in Abschn. 8.2.2 darin, im Zuge einer vertieften
Triebwerksvorauslegung für ein bekanntes oder vorausgelegtes Triebwerk in einer wei-
teren Parameterstudie eine einzelne Komponente, z. B. hier den Hochdruckverdichter
HPC, zu verbessern. Dabei sollten alle anderen Triebwerkskomponenten besonders
der Niederdruckteil in ihrer Auslegung und ihrem Betriebsverhalten beibehalten
werden.
Die Eckdaten des in Abschn. 8.2.2 aus der Vorauswahl sich ergebenden Turbofans
wie die Druckverhältnisse der Komponenten, die Temperaturen, die Massenströme und
die Schubforderungen sollen weiterhin beibehalten werden. Der Niederdruckteil soll
unverändert bleiben und das Kerntriebwerk nur so weit angepasst werden, wie es sich
aus der Veränderung der Hochdruckverdichterauslegung ergibt. Die Ringraumgeomet-
rie der Hochdruckturbine bleibt erhalten. Die aerodynamische Auslegung der Beschau-
felung so wie die Scheibenauslegung wird jedoch den geänderten Anforderungen des
neuen Hochdruckverdichters angepasst.
Variiert werden soll dazu das Radien- bzw. Nabenverhältnis ν am Austritt des Hoch-
druckverdichters HPC, die Auslegungsdrehzahl der Hochdruckwelle nH und die Stufen-
zahl zHPC.
Ziel der Optimierung ist hier die Verbesserung des spezifischen Brennstoffverbrauchs
im Reiseflug (Cruise) SFCC. Der thermodynamische Arbeitsprozess sowie der Nieder-
druckteil des Triebwerks sollen möglichst unverändert bleiben, während die Hochdruck-
turbine HPT bei gleichbleibendem Ringraum jeweils neu ausgelegt werden soll.
Im ersten Schritt der eindimensionalen Parameterstudie wird unter Konstanthal-
tung aller anderen Parameter das Nabenverhältnis am Verdichteraustritt variiert
(Abb. 8.2-35).
748 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Das Ergebnis der Parameterstudie zeigt, wie abhängig vom Nabenverhältnis die
Werte spezifischer Brennstoffverbrauch SFCBCR, Wirkungsgrad des Hochdruckverdich-
ters ηHPC, Wirkungsgrad der Hochdruckturbine ηHPT und Pumpgrenzabstand SM (surge
margin) die aerodynamische Qualität der Komponenten wiedergeben.
Deutlich ist der direkte Zusammenhang zwischen dem spezifischen Brennstoffver-
brauch SFC und den Wirkungsgraden, insbesondere die Abhängigkeit von ηHPC auf-
grund der Geometrieänderung dieser Komponente, zu erkennen. Der Wirkungsgrad
des Hochdruckverdichters hat ein Maximum bei einem Nabenverhältnis von 0.89. Bei
zunehmendem ν verringert sich die Schaufelhöhe und die relative Spalthöhe nimmt zu,
so dass ηHPC aufgrund der steigenden Spaltverluste stark abfällt. Zusätzlich treten bei
kurzen Schaufeln auch erhöhte Sekundärströmungsverluste auf. Ein sinkendes ν bewirkt
ein Ansteigen der Druckzahl ψ über den Optimalwert hinaus und damit eine Wirkungs-
gradabnahme. Die Druckzahl ändert sich umgekehrt proportional zu dem Quadrat der
Umfangsgeschwindigkeit.
Bei einem Absinken des HP-Verdichterwirkungsgrads ηHPC muss die Turbine auf-
grund des Leistungsgleichgewichtes eine erhöhte Leistung erbringen. Die spezifische Stu-
fenarbeit, die aerodynamische Belastung der Schaufeln und auch die Verluste steigen, so
dass der Hochdruckturbinenwirkungsgrad ηHPT bei großen Nabenverhältnissen ν abfällt.
Unter den hier aufgeführten Randbedingungen ergibt sich hinsichtlich des spezifi-
schen Brennstoffverbrauchs SFC numerisch ein optimales Nabenverhältnis von ν = 0,89,
wobei mit kleineren Nabenverhältnissen nur unwesentlich höhere SFC-Werte erreicht
werden.
SFC (BCR) SM
Surge Margin (MCL)
ηHPC (MCL)
η HPC (MCL)
Abb. 8.2-36 Einfluss der Variation der Hochdruckwellen- bzw. HPC-Drehzahl nH auf die aero-
dynamische Qualität des Referenz-Turbofans bei MCL [Sch02, Ste03B]
SFC (BCR)
Surge Margin (MCL)
SM
ηHPC (MCL)
ηHPT (MCL)
η HPC (MCL)
Abb. 8.2-37 Einfluss der Variation der HPC-Drehzahl auf die aerodynamische Qualität des Refe-
renz-Turbofans (Typ V2500) bei MCL [Sch02, Ste03B]
SFC (BCR)
SM
η HPC (MCL)
ηHPT (MCL)
ηHPC (MCL)
Das Wirkungsgradoptimum des Verdichters liegt bei einer Stufenzahl von 11. Eine
kleinere Stufenzahl bewirkt eine Überbelastung der einzelnen Stufen und somit einen
Abfall von ηHPC. Bei einer Vergrößerung der Stufenanzahl sollte sich demnach ηHPC
verbessern. Durch die mit steigender Stufenzahl anwachsende Oberfläche im Strömungs-
kanal nehmen aber die Reibungsverluste zu und überwiegen gegenüber dem Wirkungs-
gradgewinn, der durch die geringere Druckzahl entsteht.
Der Pumpgrenzenabstand SM nimmt mit zunehmender Stufenanzahl zu, da in den
einzelnen Stufen weniger Umlenkung erfolgt und somit die Abreißgefahr der Strömung
sinkt.
Bei der Turbine findet nur eine kleine Leistungsanpassung aufgrund der veränderten
Verdichterleistung statt. Dies spiegelt sich in einem nahezu konstanten Turbinenwir-
kungsgrad ηHPT wieder.
Der spezifische Brennstoffverbrauch SFCBCR verhält sich wieder dem Kurvenverlauf
der Wirkungsgrade entsprechend. Das Optimum des SFCBCR dieser Parametervariation
liegt demnach bei einer Stufenzahl von 11
Das neue Optimum dieser Parametervariation liegt nun bei ν = 0,86 (zuvor ν = 0.89).
Es ist offensichtlich, dass eine einfache Parametervariation bei einer Suche nach einem
Gesamtoptimum nicht ausreicht. Hierzu ist eine mehrdimensionale Optimierung not-
wendig, die alle Einflüsse gleichzeitig berücksichtigt und daraus Rückschlüsse auf den
oder die als nächstes zu variierenden Parameter zulässt.
Zusammengefasst ergibt sich: Eine Parameterstudie auf Basis einzelner Variab-
len führt nicht zum Gesamtoptimum. Optimierungen von stark gekoppelten Trieb-
werkssystemen können nicht mit Hilfe von eindimensionalen Parameterstudien allein
durchgeführt werden. Eine tiefer gehende mehrdimensionale letztlich multidisziplinäre
Optimierung ist notwendig.
Turbofan - Referenztriebwerk
Abb. 8.2-39 Darstellung der Triebwerksgeometrie mit dem Referenz-Turbofan und dem HPC-
seitig optimierten Triebwerk nach einer multidisziplinären Optimierung mit einem GTSSD-Pro-
grammsystem (MTU Aero Engines MOPEDS) [Sch01a, Jes02, Sch02a, Ste03B, Hen12B]
ZUSAMMENFASSUNG zur Anwendung von GTSSD. Schon in der ersten Phase der
Triebwerksentwicklung, bei der Vorauslegung, wird ein erheblicher Teil der Kosten und
das Leistungsspektrum festgelegt wie in Abb. 8.2-40 dargestellt ist.
Im Rahmen der Triebwerksvorauslegung müssen zudem viele verschiedene Kon-
zepte in kürzester Zeit abgestimmt und bewertet werden können. Die zu diesem Zweck
entwickelten integrierten Programmsysteme GTSSD, bei der NASA „NPSS“, bei der
MTU Aero Engines „MOPEDS“ u. a., unterstützen die Projektabteilungen durch ihre
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 753
n
uk egte
n
ste
ste
e
od len
tko
l
tko
Kosten %
Pr stge
Pr efal
60 %
uk
fe
od
g
an
40 %
30%
20 %
Go Ahead
0%
g
n un g n un
d
tio sleg lun ypen tio rt
z
p
e au w i ck t ot duk tr ieb ppo
n r t o o Be Su
Ko Vo En Pr Pr
Abb. 8.2-40 Vorauslegung und Verlauf der Kosten für ein typisches Turbofan-Triebwerk nach
[Bai98, Kop00, Sch01]. Angebot ATO (Authorization to offer), Programmstart GA (go ahead)
Liter 6,5
average spec. fuel consumption
100 km
of the passenger fleet LH
6,0 based on actual fuel consumption
from gate to gate
Passagier-Kilometer
Airbus A380
including taxiing on ground
2,9 Lit./100 km
5,5 and holdings in the air
5,0
Reduktion
um 33%
4,5
4,0
1990 1995 2000 2005 2010
Zeit Jahre
Abb. 8.2-41 Zeitlich Entwicklung des durchschnittlichen Brennstoffverbrauchs pro 100 Pkm der
Lufthansa-Flotte. Dabei liegt Airbus A380 mit 2,9 l/100 Pkm unter dem Durchschnitt [Umw08B]
12 Liter pro 100 Pkm. Ein Airbus A340-600 der Lufthansa-Flotte benötigt etwa vier
Liter pro 100 Pkm. Der Airbus A380-800 wird diesen Wert voraussichtlich um 15 Pro-
zent verringern und somit nur 3,4 Liter pro 100 Pkm auf dem Lufthansa-Streckennetz
benötigen. Der gesamte Brennstoffverbrauch der Lufthansa Flotte lag z. B. im Jahr 2006
bei einem Durchschnitt von 4,38 Liter pro 100 Pkm. Ein differenziertes Bild ergibt sich,
wenn die jeweilige Streckenlänge betrachtet wird. So lag der durchschnittliche Brenn-
stoffverbrauch des Langstreckenverkehrs bei 4,06 Liter pro 100 Pkm, während der Kurz-
streckenverkehr durchschnittlich 8,85 Liter pro 100 Pkm verbrauchte (Quelle Lufthansa
AG, [Umw08B]).
Neuere Flugzeuge wie z. B. Airbus A340-600 und Boeing 747-800 ausgestattet mit
z. B. den General Electric GEnx-Turbofan liegen abhängig von der Flugmission inzwi-
schen um 3 bis 4 Liter pro 100 Pkm.
Die spezifische Reichweite eines Flugzeugs kann demnach durch effizientere Triebwerke,
geringere Strukturmasse und verbessertes Auftriebs-Widerstand-Verhältnis, (höhere
Gleitzahl durch aerodynamische Maßnahmen) verbessert werden [Umw08B].
Zur Verringerung von Schadstoffemissionen bei Luftfahrzeugen bieten sich verschie-
dene Möglichkeiten an, die im Wesentlichen zur Treibstoffeffizienzverbesserung bei
Triebwerken aus folgenden Maßnahmen bestehen:
Herabsetzung von Widerstand (drag) und Triebwerksmasse sowie Steigerung des
Gesamtwirkungsgrades bzw. Reduzierung des SFC.
Der Widerstand eines Triebwerks wird maßgeblich durch die Größe der Eintrittsflä-
che bzw. des Fandurchmessers bestimmt, durch die Größe der Gondeloberfläche, durch
die aerodynamische Interaktion zwischen Gondel (nacelle) und Pylon sowie durch die
Interaktion zwischen Pylon und Flügel beeinflusst. Hieraus resultiert der Widerstand
eines installierten Triebwerks. Die Triebwerksmasse wird u. a. maßgeblich durch die
Triebwerksgröße bzw. den Fandurchmesser, durch die Anzahl der Bauteile sowie durch
die Bauweise und das Material beeinflusst. Bei Turbofan-Triebwerken verhält sich der
spezifischen Brennstoffverbrauchs SFC näherungsweise umgekehrt proportional zum
Gesamtwirkungsgrad, der aus dem Produkt aus thermischem Wirkungsgrad und Vor-
triebswirkungsgrad besteht. Eine Reduzierung des SFC kann demnach auf eine Verbesse-
rung der einzelnen Wirkungsgrade zurückgeführt werden
1
≈ ηges = ηth ηprop . (8.2-3)
SFC
Der SFC von Triebwerken wird dabei maßgeblich durch die TriebwerksArbeitsprozess-
daten bestimmt. Die wichtigsten thermodynamischen Parameter, die Einfluss auf den
SFC ausüben, sind dabei das Gesamtdruckverhältnis OPR (overall pressure ratio), die
Turbineneintrittstemperatur TET (turbine entry temperature), Bypassverhältnis BPR
(bypass ratio).
Durch die Entwicklung und den Einsatz von neuen hochtemperaturfesten L egierungen
für Turbine und Brennkammer, kann die Prozesstemperatur in den nächsten Jahren weiter
gesteigert werden (Abb. 1.4-2, Abschn. 1.4). Um dies zu gewährleisten, muss der Joule-Pro-
zess an die neuen Anforderungen angepasst werden. Effizientere Arbeitsprozesse können
den thermischen Wirkungsgrad gegenüber konventionellen Arbeitsprozessen erheblich
verbessern. Dies kann z. B. in einem IRA-Turbofan (Inter-Cooled Recuperative Aero Engine
Cycle) mit Zwischenerhitzung in der Verdichtersektion und mit Wärmetauscher HEX
(heat exchanger) erfolgen), wie später in Abb. 8.2-45) zu sehen ist.
Bei der Optimierung eines Antriebsystems muss auch die Integration des Triebwerks
am Flugzeug in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden. Obwohl der spezifische
Brennstoffverbrauch eines Triebwerks durch einen kleineren spezifischen Schub verbes-
sert werden kann, kann sich der Brennstoffverbrauch pro Passagierkilometer (Block Fuel
Burn) eines Luftfahrzeugs verschlechtern. Grund dafür ist das zunehmende Masse, sowie
der zunehmende Gondelwiderstand [Umw08B]. Durch passive und aktive aerodynami-
sche Maßnahmen bei der Auslegung der Gondel kann der Gesamtbrennstoffverbrauch
um rund zwei Prozent verringert werden.
758 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Bei den Methoden zur Reduzierung des SFC zu Wirkungsgradverbesserungen stellt das
Bypassverhältnis den Haupteinflussparameter dar [Umw08B]. Das Bypassverhältnis
eines konventionellen Turbofantriebwerks liegt in einem Bereich etwa um BPR = 10.
Triebwerke mit Getriebefan GTF erreichen ein BPR von ungefähr 15. Triebwerke mit
Wärmetauscher liegen beim BPR bei Werten über 18. Propfan-Antriebe mit oder ohne
Ummantelung können ein BPR von deutlich über 20 erreichen.
8.2.7.1 Getriebe-Turbofan
Zur Steigerung des Vortriebwirkungsgrads von Triebwerken mit einem Bypassverhältnis
sehr viel größer als BPR = 10 ist es notwendig, den Fan von der Welle der Niederdruck-
turbine zu entkoppeln. Dies ist erforderlich, da der Fan einen erhöhten Wirkungsgrad bei
niedrigen, die Niederdruckturbine jedoch dies erst bei sehr hohen Drehzahlen erreicht.
Hierfür wird das Konzept eines Getriebe-Turbofans GTF (Geared Turbofan) umgesetzt.
(Abb. 8.2-27). Dabei wird der Fan von der Niederdruckwelle über ein Übersetzungsge-
triebe entkoppelt, so dass beide Komponenten mit ihrer jeweils optimalen Drehzahl betrie-
ben werden können. Aufgrund des so erhöhten Wirkungsgrades der Niederdruckturbine
LPT, kann die Anzahl der notwendigen Turbinenstufen verringert werden (Abb. 8.2-33).
Der Vorteil liegt in einer verkürzten Bauweise, einem geringeren Gewicht und nicht zuletzt
in reduzierten Produktions- und Instandhaltungskosten des Niederdrucksystems.
Hauptpartner im GTF-Entwicklungsprogramm sind Pratt & Whitney P&W und ist
MTU Aero Engines. Insgesamt wird mit hier dem GTF eine 15-prozentige Reduktion
des Brennstoffverbrauchs bis 2015 angestrebt. In einem zweiten Schritt bis zu Jahr 2025
soll diese GTF-Technologie in Verbindung mit einem gegenläufig drehenden Fan CRTF
(Counter Rotating Turbofan) den Brennstoffverbrauch um weitere 20 Prozent senken.
Bis 2035 könnten durch eine Kombination aus GTF, CRTF und IRA, dem Turbofan
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 759
Puller Pusher
Open Rotor Turbofan
hohes Bypassverhältnis
offene gegenläufige Fan
Abb. 8.2-43 Open Rotor Counter Rotating Turbofan CRTF [Pri07, Dro07, Umw08B]
ICAO-Annex 16, Band I, erfüllt werden sowie die Lärmbelastung für die Passagiere
vor allem im Reiseflug reduziert wird.
In den ACARE-Technologieprogrammen werden die GTF-Open-Rotor-Konzepte
genauer untersucht, um vor allem die Schallemissionen weiter zu reduzieren. Die not-
wendigen Maßnahmen zur Integration des offenen Propfans in ein Luftfahrzeug
könnten jedoch durch das insgesamt höhere Gewicht den theoretischen Vorteil des
geringeren Brennstoffverbrauchs auf nur 5 Prozent reduzieren [Umw08B]. Eine Variante
des CRTF stellt das gegenläufig drehende, ummantelte Turbofan-Triebwerk CRISP nach
Abb. 8.2-44 dar (Counter Rotating Integrated Shrouded Turbofan). Dies kann wie das
CRTF mit Getriebe oder gegenläufigen LP-Turbinen ausgerüstet sein.
Als Ziele und Vorteile von CRISP gelten nach MTU Aero Engines und ACARE
[Umw08B] gesteigerte Wirkungsgrade, hohe Durchsätze und Bypassverhältnisse,
weite Betriebsbreiche bei Reduzierung des Brennstoffverbrauches um etwa 20 % im
Vergleich zu üblichen Turbofan des Jahres 2000. Die technologischen Herauforde-
rungen liegen bei der Entwicklung widerstandsarmer Gondeln mit integrierter Schu-
bumkehr, bei der Lärmemission und in der Leichtbauweise, was besonders für das
Getriebe zutrifft.
Zwischenkühler IC
Wärmetauscher HEX
(Rekuperator Rec)
Getriebe
Auslegungsparameter (Langstreckenflüge)
Bypassverhältnis BPR > 10 bis 15
Gesamtdruckverhältnis OPR < 25 bis 30
Turbinen-Eintrittstemperatur TET 1600 bis 1900 K
IRA-Turbofan-3-Wellen-Triebwerk IRA-TF
[GasTurb]
HPT
B IPT
Zwischenkühler Wärmetauscher
IC HEX
LPT
Zwischen-
kühler IC er HEX
HEX Wärmetausch
HPC
IC
ηCore [%]
70
Wirkungsgrad Kerntriebwerk
40 Turbofan TF
konventionell
30
20
0 10 20 30 40 50
Gesamtdruckverhältnis OPR
IRA-Turbofan-Triebwerk NEWAC-Konzeption
Wärmetauscher HEX
Rekuperator-Matrix
Wärmetauscher IC
Intercooler
NEWAC-Konzeption
IRA-Turbofan-Triebwerk mit Zwischenkühler IC
Bypassströmung gekühlt, wodurch diese effizienter zum Kühlen von heißen Komponenten
wie Brennkammer, Turbinenschaufeln und Scheiben verwendet werden kann. Durch die
Reduzierung der Bleedlufttemperatur kann der Massenstrom zur Kühlung dieser Kompo-
nenten verringert und dadurch die Effizienz des Kerntriebwerks gesteigert werden.
Der Nachteil des IRA-Konzepts ist die enorme Komplexität und das höhere Gewicht,
welches sich durch die großen Oberflächen des Abgaswärmetauschers ergibt. Die Kom-
plexität dieses Konzeptes ist auch der Grund, weshalb mit einer Anwendung erst nach
dem Jahr 2020 gerechnet wird [Plo06, Umw08B]. Die ersten IRA-Module wurden als
Leitkonzepte im Technologieprogramm ACARE/CLEAN betrachtet. Weitere Aktivitä-
ten zum IRA-Konzept wurden innerhalb des Technologieprogramm NEWAC bis 2010
untersucht. Es ist ein Triebwerkskonzept, um den Brennstoffverbrauch vor allem auf
Langstreckenanwendungen zu reduzieren.
8.2.7.4 Hybrid-IRA-Turbofan-Antriebssysteme
Eine langfristig weit in die Zukunft projizierte, visionäre Konzeption von Turbofan-
Triebwerkssystemen stellen die Hybrid-IRA-Turbofan-Triebwerke dar, die teilweise mit
elektrischen Komponenten und elektrisch angetriebenen Fan-Rotoren ausgestattet sind,
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 765
Hybrid-IRA-Turbofan-Triebwerk
E-Mot
E-Mot
Flugzeug-Konzeption
Bauhaus Luftfahrt
B Batterie
IC HEX
wie an einem Beispiel von Bauhaus Luftfahrt, München, in Abb. 8.2-48 gezeigt wird
[Umw08B].
Es handelt sich hier um elektrisch angetriebene fanartige Vortriebserzeuger, die ver-
teilt in einem mit der Flugzeugzelle integrierten Antriebssystem angeordnet sind [Sie12].
Die Energieumsetzung erfolgt über ein Mehrwellen-IRA-Gasturbinen-Triebwerk mit
Zwischenkühlung IC und Wärmetauscher HEX. Die von der LP-Turbine abgegebene
Nutzleistung treibt einen Generator an, mit dessen Leistung der Vortriebserzeuger bzw.
der Fan über einen Elektromotor angetrieben wird. Für Leistungsspitzen wird eine Puf-
ferbatterie mit Energie versorgt.
Mit der Schuberzeugung über am Rumpf verteilte Fans kann zudem eine Reduk-
tion des Flugzeugwiderstandes bewirkt werden. Weitere Vorteile liegen in einer flexi-
blen Anpassung und Optimierung des integrierten Antriebssystems im Reiseflug bei
Langstreckenflügen.
Im Vergleich zu Turbofans um das Jahr 2000 wird erwartet, dass nach einer Techno-
logiereife um die Jahre 2050 mit solchen Hybrid-Triebwerken neben der Absenkung des
Lärms vor allem der Brennstoffverbrauch um 40 % gesenkt werden kann. Zur Verwirkli-
chung dieser Ziele werden dazu besonders hohe technologische Herausforderungen an die
Entwicklung für die Flugtechnik geeigneter, effizienter elektrischer Komponenten gestellt.
766 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Zur Entwicklung neuer Technologien zur Effizienzsteigerung und zur Reduzierung von
Emissionen im Luftverkehr stellten die entsprechenden bisherigen Aktivitäten häufig
Maßnahmen, die von Unternehmen der Luftfahrttechnik selbst allein geführt wurden.
Ihr Interesse bestand insbesondere auch in direktem Zusammenhang mit der Verbesse-
rung der Wirtschaftlichkeit der eigenen Firmenprodukte. Zu den EU-Forschungs-Rah-
menprogrammen FP (Framework Programme) wird in Abb. 8.2-49 und Abb. 8.2-50 eine
Überblick gegeben. Aufgrund der Selbstverpflichtung gegenüber ACARE, wird bei neuen
Technologieprogrammen ein gemeinsames und koordiniertes Vorgehen aller beteiligten
Institutionen forciert. Alle größeren Programme auf nationaler und europäischer Ebene
müssen ihre Bedeutung und ihre Beiträge zur Verwirklichung der ACARE-Ziele stufen-
weise nachweisen.
Jedes Thema muss dabei eine angestrebte Verbesserung relativ zum Status und zur
Ausgangssituation im Jahr 2000 haben sowie weiterhin einen angestrebten Technolo-
giereifegrad mit einer Roadmap zur Produktreife und mögliche Wechselwirkungen mit
anderen Entwicklungsmaßnahmen darlegen [Umw08B].
Die Zielsetzungen zur Minderung von CO2-Emissionen werden dabei in Roadmaps
zusammengefasst. Für die in der Roadmap aufgeführten Programme sind neben der
Festlegung des Referenzjahres und der Referenztriebwerke die Ziele zur Effizienzsteige-
rung festgeschrieben. Darüber hinaus sind Potenzialbereiche enthalten, deren technische
Realisierbarkeit jedoch noch nicht nachgewiesen ist.
Treibstoffeffiziente Triebwerke der 4. Generation (Abb. 1.3-8 und 8.2-50), wie das
TRENT 1000, das GEnx oder das GP7000 sind zunächst Weiterentwicklungen konventi-
oneller Turbofantriebwerke.
Über die bereits erreichten umweltrelevanten Fortschritte mit den Turbofans der 4.
und 5. Generation hinaus existieren weitere Konzepte, die jedoch nur durch neue Trieb-
werkstechnologien verwirklicht werden können. Diese Technologien werden in den
verschiedenen europäischen und internationalen Forschungsprogrammen systematisch
entwickelt, anschließenden Tests in Triebwerks-Demonstratoren unterworfen und lie-
fern dann bereits aussagekräftige Ergebnisse (Abb. 8.2-50).
Maßnahmen zur Verringerung der Lärmemissionen liegen vor allem bei den Kom-
ponenten des Fans und der Schubdüse. Eine Verringerung der Schadstoffe, wie NOX,
UHC und CO ist dabei vor allem Gegenstand neuer Brennkammertechnologien. Hierzu
zählen unter anderem Low-NOX- und Ultra-Low-NOX-Technologien [Umw08B]. Die
Möglichkeiten der Verminderung von CO2-Emissionen liegen vor allem in der Redu-
zierung des spezifischen Schubs und dadurch in der Verringerung des spezifischen
Brennstoffverbrauchs
5.
6.
7.
Abb. 8.2-50 Einsatz neuer Technologien zur Reduzierung der CO2-Emissionen bei fortschrittli-
chen Turbofan-Triebwerken nach ACARE [Arn07, Umw08B]
Abb. 8.2-51 Entwicklung des zivilen Luftverkehrs bis zum Jahr 2050 mit der Anforderung von
erheblichen CO2-Reduzierungen durch neue Flugzeuge. Darstellung nach Airbus Ind [Fro11]
8.2 Betriebsverhalten und Simulation von Hoch-Bypass-Turbofan 769
5 Luftverkehr bei
+5% Wachstum Brennstoffverbrauch und
Relative Änderung CO2-Emissionen
3 CO2-Emmisionen bei
neuen, innovativen
Technologien
2 Brennstoffverbrauch und
CO2-Emissionen bei
Effizienzsteigerung bis 2050
1 Flugzeug 30%
Triebwerk 30 bis 50%
0 Luftverkehr-Management
und Betrieb 20%
2000 2010 2020 2030 2040 2050 Alternative Brennstoffe
Jahr bis 2050
IATA – Ziele: CO2 neutrales Wachstum ab 2020 80% CO2 freier Brennstoff
Halbierung der CO2-Emisssionen
bis 2050 relativ zum Jahr 2000
Abb. 8.2-52 Entwicklung des zivilen Luftverkehrs und der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2050
sowie voraussichtliche CO2-Reduzierung durch neue Technologien. Darstellung nach Airbus,
MTU Aero Engines, Price [Pri07, Umw08B]
reduzieren. Es besteht die Aussicht, dass durch neue effiziente Technologien die Umwelt-
auswirkungen zumindest relativ gesehen reduziert werden [Pri07, Umw08B, Sie12].
Zwei Turbofan-Triebwerke mit BPR = 0,3 und 1,0 nach Abb. 8.3-1, 8.3-2 sind mitein-
ander zu vergleichen. Die weiteren Kurzbezeichnungen der hier betrachteten 50 kN
770 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Turbofan TFMAB
Gasgenerator GG Bypass BP Mixer M
LPC HPC B HPT LPT AB N con/div
[GasTurb]
3,0
Düse A8 nominal
1,05
1,00
0,95
2,0
ncorr
0,75
0,65 Leerlauf
0,55
1,0
20 40 60 80
Durchsatz mcorr [kg/s]
7
Turbofan mit Mischung TFM
6 LP-Verdichter LPC
BPR=0,3
0,85
2 0,89
7 0,75 ncorr
0,8 ,84
0 0,65
0,55
1
20 30 40 50 60 70
Durchsatz mcorr [kg/s]
dann der günstigste Brennstoffverbrauch erhalten. Bei Vollast dagegen ist die kleinste
Düsenfläche am besten geeignet, wie in Abb. 8.3-8 zu sehen ist.
Beim Triebwerk mit dem höheren Bypassverhältnis kann auch ohne Verstellung
der Düse ein ausreichender Pumpgrenzabstand im Fan-Kennfeld erhalten werden.
Außerdem ist der Einfluss der Düsenstellung auf den spezifischen Brennstoffver-
brauch gering (Abb. 8.3-9). Die Regelung dieses Triebwerks kann im Trockenbe-
trieb daher einfacher gestaltet werden als bei einem Triebwerk mit sehr kleinem
Bypassverhältnis.
In Abb. 8.3-10 sind zusätzlich zu den Verbrauchskurven im Betrieb ohne Nachbren-
ner („Trockenbetrieb“) auch Kurven für den Nachbrennerbetrieb enthalten. Die drei
Kurven für ein Bypassverhältnis BPR = 0.3 gelten für die Nachbrenner-Ausbrandwerte
von 80 %, 85 % und 90 %. Beim höheren Bypassverhältnis ist nur die Kurve für 90 %
gezeigt. Reale Triebwerke werden keinen konstanten Ausbrand haben. Die Teillastver-
bräuche im Nachbrennerbetrieb werden sich so ergeben, wie durch die gestrichelten
Linien angedeutet ist.
Die Arbeitspunkte mit eingeschaltetem Nachbrenner in Abb. 8.3-10 wurden so berech-
net, dass die Turbomaschinen in ihren Auslegungspunkten laufen. Die Düsenfläche
8.3 Turbofan-Triebwerke mit kleinem Bypassverhältnis und Nachbrenner 775
Abb. 8.3-6 Kennfeld der Niederdruckturbine LPT mit den 3 Betriebslinien entsprechend den 3
Düsenpositionen nominal, +10 % und +20 % des Turbofan-Triebwerks mit kleinem Bypassver-
hältnis BPR = 0,3 analog zu den Abb. 8.3-4 und 8.3-5. Betrieb in Bodennähe ISA, SLS [GasTurb]
Der Vollastbetrieb bei Turbofan-Triebwerken bedeutet, dass einer von mehreren Trieb-
werksparametern seinen Grenz- oder Maximalwert erreicht hat. Welcher Parameter
das ist, hängt vom Flugzustand, den Installationsverhältnissen wie zum Beispiel von
dem Einlauf-Druckverlust, von der Luft- und Leistungsentnahme sowie von der Düsen-
stellung ab. Für das hier betrachtete Beispieltriebwerk mit einem Bypassverhältnis
776 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
4,0
Turbofan mit MischungTFM
LPT LP-Turbine 0,86 0,89
0,90
3,5 BPR=1,0 0,91
A8+20%
Betriebslinien mit Düse A8+10%
2,5 > A8 const. A8,nominal
> +10% 0,90
> +20% 0,89
2,0 0,86
0,84
1,10
1,5 1,00
0,91
0,82 ncorr
0,55 0,64 0,73
1,0
4 6 8 10 12
nred · mred
28
Turbofan mit Mischung
spez. Brennstoffverbrauch SFC [g/kNs]
BPR = 0,3
26
H0 = 0 km, ISA, SL
M0 = 0
24
Betriebslinien mit Düse
> A8 const.
22 > +10%
> +20% A8,nominal
20
A8+10%
18 A 8+20%
16
0 10 20 30 40 50 60
Nettoschub FN [kN]
Wie schon oben erwähnt, gilt die Darstellung nach Abb. 8.3-13 für eine konstante,
äquivalente Düsenfläche. Bei hohen Flug-Mach-Zahlen kann wegen des erhöhten Mas-
sendurchsatzes durch Vergrößern der Düsenfläche noch erheblich an Schub gewon- √
nen werden. Bei niedrigen Mach-Zahlen dagegen, wenn das Triebwerk durch nLPC / θ
begrenzt wird, bleibt der Massendurchsatz etwa konstant. Das Öffnen der Düse führt
dann zu einem niedrigeren Druckverhältnis pt8 /p0. Als Folge davon fällt der Schub ab.
Hinweise zur Auslegung sowie zur Funktions- und Bauweise von Ramjet-Triebwerken
RJ mit Unterschallverbrennung wurden bei der Vorstellung von Standard-Flugtriebwer-
ken in Abschn. 2.5.3 einführend gegeben.
Ab M0 ≈ 3,5 ist die Wirtschaftlichkeit des Ramjet-Triebwerkes so gut, dass es den
meisten Turbostrahltriebwerken gleichkommt oder ihnen gar überlegen ist. Der vorteil-
hafte Flugbereich des Ramjet-Triebwerkes liegt bei Flug-Mach-Zahlen zwischen M0 ≈ 3
und ≈ 10 (Abb. 2.5-16).
778 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
28
Turbofan mit Mischung
spez. Brennstoffverbrauch SFC [g/kNs]
BPR = 1,0
26
H0 = 0 km, ISA, SL
M0 = 0
24
Betriebslinien mit Düse
> A8 const
22 > +10%
> +20%
20
A8+10%
A8+20%
18
A 8,nominal
16
0 10 20 30 40 50 60
Nettoschub FN [kN]
50
SFC Turbofan mit Mischung TFMA
ohne/mit Nachbrenner
[g/kNs]
BPR=0,3 und 1,0 BPR = 0,3
spez. Brennstoffverbrauch
40 H = 0 km ISA, SL
0
BPR = 1,0
M0 = 0
Wirkungsgrad
Nachbrenner ηAB ηAB= 80% mit
30 85% Nachbrenner
90%
ηAB=90%
BPR = 1,0
10
0 20 40 60 80
Nettoschub FN [kN]
60
Turbofan mit Mischung TFM
FN [kN]
H0 =0 m BPR=0,3 ohne AB
max. Schub FN Limiter
nL
Tt41
40 pt3
Nettoschub
Tt41 Tt3
H0=6096 m
nL
20
Tt41
H0=11000 m
nL
0
0 0,4 0,8 1,2 1,6
Mach-Zahl M0
80
H0=0 m Turbofan mit Mischung TFM
Tt41 pt3 BPR=0,3 mit AB
FN [kN]
nL max. Schub FN
60
Limiter Tt3
Tt41
Nettoschub
nL Tt3
40 H0=6096 m
Tt41
nL
20 H0=11000 m
0
0 0,4 0,8 1,2 1,6 2,0
Mach-Zahl M
Abb. 8.3-13 Volllast-Schub-Kennfeld mit Nachbrenner-Nettoschubes FN für ein Turbofan-
Triebwerk mit Bypassverhältnis BPR = 0,3 und verschiedenen Grenzwerten (Limiter) im Ver-
gleich zu Abb. 8.3-5 [GasTurb]
10000
IS sec Spez. Impuls IS =( F / G) sec
9000 Luftatmende Triebwerke und Raketen
8000 Brennstoff
Wasserstoff
7000 Kohlenwasserstoffe
Spez. Impuls
Turbofan TF
6000
Turbojet TJ
5000
Ramjet
4000
3000 Olympus
Sramjet
Turbofan TF
2000 Ramjet
J58
1000 Sramjet
Raketen R SSME
(Shuttle)
0
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Flug-Mach-Zahl
Abb. 8.4-1 Spezifische Impuls IS von Turbojet- und Turbofan- sowie Ramjet- und Scramjet-
Triebwerken vom Unterschall- bis zum Hyperschallflug mit Kohlenwasserstoff- und Wasserstoff-
Brennstoffen [Mün72K, Gri04B, SFB05B, Ric05, Fuh09]
782 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Ramjet RJ
Einlauf-Diffusor C-D-Düse
variabel Brennkammer variabel
A 6=A7=const
M0=1,5 6 M1 >1 M2 < 1 M6 M6<M7<1 M9>1
c0 A A9
1
A6 A7 A8
A0 M6 M7
0 1 2 bzw. 6 7 8 9
4
A2 0 1 2
3
( III ) ( III ) 1 Kegelstoß
1 Geradstoß
2
0 1 2
1 ( IV ) M0 M2<1
( IV ) Geradstoß -
0 0 1 2 Diffusor
2 3 4 5
Mach-Zahl M0
pt0 = 0,95. Der schlechteste Einlauf wird durch einen Geradstoß-Diffusor gebildet mit
entsprechend hohen Stoßverlusten. Dazwischen liegen zwei andere Konfigurationen
(Abb. 3.1-8). Die mit (I) bis (IV) bezeichneten ΠE-Verläufe sind der Abb. 8.4-3 darge-
stellt. Die zugrunde gelegten Kurven wurden ohne Grenzschichteinfluss berechnet. Der
gesuchte Flächenverhältnis A0/A2 ist mit den gasdynamischen Beziehungen zu Über-
schall-Einläufen nach Abschn. 2.1.4 und Abschn. 3.3.5 bestimmbar. Mit den hier vorge-
gebenen Auslegungsdaten M7 = 0,5, Tt7 = 2200 K und Flughöhe H0 = 11 km wurde das
Diagramm in Abb. 8.4-3 erstellt.
8.4 Ramjet- und Scramjet-Triebwerke 783
Ramjet-Triebwerk RJ
M0A= 3 TB=Tt7= 2200 K
A0 A1 AB
M0A=3
2200 K
Kegel-Einlauf C-D-Düse
7 A
FN/(A2 p0) (4) Einlauf und Düse
variabel
6
Tt7= 617 bis 2200 K
(4)
5 (3) Einlauf variabel
Tt7= 2200 K = const.
spez. Schub
4 (3)
SFC 6
[kg/(daNh)]
Brennstoffverbrauch spez.
(3)
4
(1) A
(4)
2
(2)
0
1,5 2,0 2,5 3,0
Mach-Zahl M 0
Abb. 8.4-4 (a) Spez. Nettoschub FNs des Mach-3-Ramjet-Triebwerks mit Teillast-Regelfällen (1)
bis (4) und dazu (b) die spez. Brennstoffverbräuche SFC. Auslegungsbereich von M0 = 3 bis 1,5 bei
TBA = Tt7A = 2200 K
Fall (1) Eintrittsdiffusor und Schubdüse sind unverstellbar. Wird bei gleichbleibender
Verbrennungstemperatur mit M0 zurückgegangen, so reduziert sich die Schluckfähigkeit
des Triebwerkes, es wird in den unterkritischen Betriebsbereich μ < μkrit (Abschn. 3.1)
eingetreten. Da dies die Gefahr von Pulsationen (Diffusorbrummen) in der Brennkam-
mer mit sich bringt, muss die Temperatur Tt7 jeweils so stark zurückgenommen wer-
den, dass μ = μkrit < 1 wird. Aus den bei den interessierenden Flug-Mach-Zahlen in
8.4 Ramjet- und Scramjet-Triebwerke 785
Abb. 8.4-4 eingetragenen Temperaturen ist zu sehen, dass ihr Abfall recht beachtlich ist.
Natürlich hätte auch zwischen dem Einlauf-Diffusor und dem Triebwerk Luft abgeblasen
werden können.
Fall (2) Hier ist der Einlaufdiffusor verstellbar. Der Zentralkörper wird so lange ein-
gefahren, bis die ankommende Stromröhre jeweils bis an die Verkleidungslippe heran-
kommt, d. h., dass μkrit = 1 des Auslegungspunktes erhalten bleibt. Da nun gegenüber
Fall 1 der Durchsatz bei jeder der betrachteten M0-Werte größer ist, muss bei unverstell-
barer Schubdüse die Temperatur noch stärker zurückgenommen werden. Dies bewirkt
einen steilen Schubabfall. Diese Regelart ist also bei kleinen M0-Werten unbrauchbar, da
der Nettoschub bereits bei M0 = 1,83 zu Null wird. Für den rechnerisch möglichen, phy-
sikalisch jedoch wenig sinnvollen Fall, dass TB = Tt2 wird, d. h. keine Aufheizung mehr
erfolgt, ergibt sich wegen der Verluste ein negativer Schub.
Fall (3) Auch hier ist der Einlaufdiffusor verstellbar, der Zentralkörper wird jedoch
nicht ein-, sondern ausgefahren. Das Ziel ist, die Brennkammer-Temperatur TB bei M0-
Abfall konstant zu halten. Obzwar der Durchsatzrückgang damit besonders ausgeprägt
ist, ist der Nettoschubgradient flacher als bei den Fällen (1) und (2). Andererseits bewirkt
der stark gedrosselte Durchsatz einen Anstieg des Zusatzwiderstandes (Abschn. 3.1).
Dies führt dazu, dass besonders bei mittleren und kleinen M0-Werten der spezifische
Verbrauch SFC sehr ungünstig wird (Abb. 8.4-4b).
Fall (4) Hier sind Einlaufdiffusor- und Schubdüse regelbar eingesetzt. Dieses technolo-
gisch aufwendigste Konzept erlaubt eine große Zahl von möglichen Schubverläufen. Es
wird hier nur derjenige Betrieb für μkrit = 1 dargestellt. Der Zentralkörper wird dabei
nach demselben Regelgesetz verstellt (eingefahren) wie bei Fall (2). Die Schubkurve fällt
im oberen Mach-Zahl-Bereich gegenüber allen bisher besprochenen Fällen am wenigsten
ab. Dies ist im Wesentlichen auf den Abfall des TB-Wertes zurückzuführen.
Der Schub dieses Antriebes steigt mit wachsendem M0 rasch an, und zwar steiler als beim
Turbojet-Triebwerk, und erreicht ein Maximum, wobei die maximalen Schubwerte sich
bei größer werdenden Temperaturen Tt7 zu höheren Flug-Mach-Zahlen verschieben.
Für eine erweiterte Darstellung des Triebwerks-Kennfeldes in Diagrammform
mit Ähnlichkeitskenngrößen wird der Schub FN meist auf den Umgebungsdruck
p0 und ebenfalls auf die Brennraumquerschnittsfläche AB bezogen, also FN/(AB p0).
Der Abszissenmaßstab A9/AB stellt dabei bereits einen Verhältniswert dar. Die Ver-
brennungstemperatur Tt7 beziehen wir wie beim Turboluftstrahl-Triebwerk auf die
Einlaufgesamttemperatur Tt2 = Tt6. Die Geschwindigkeit c2 = c6 bezogen auf eine
Schallgeschwindigkeit gebildet mit der Gesamttemperatur Tt2 ergibt eine Mach-Zahl
√
M2 = c2 / κR Tt2 als Diagrammparameter. Für den spezifischen Brennstoffverbrauch
√
wird die schon beim Turboluftstrahl-Triebwerk benutzte Form SFCF / Tt2 verwen-
det. Wie für den Druck gilt auch hier analog, dass sowohl auf die Temperatur vor der
Verbrennung Tt2, als auch auf die mit der Stau- oder Umgebungstemperatur (z. B.
T0 = 216,5 K für H0 = 11 km)
dimensionslos gemachten Werte bezogen werden kann,
√
also in der Form SFCF /F Tt2 /Tt2,11km oder SFCF / Tt2 /T0 . Abb. 2.5-15 zeigt das
dimensionslose Ramjet-Ähnlichkeits-Schubkennfeld für ein Ramjet-Triebwerk der Aus-
legung mit M0A = 2,5 in der Flughöhe H0 = 11 km sowie einem 2-Stoß-Einlauf und
gleich bleibendem ΠE = const. In Abb. 8.4-4c ist.
Für die allgemeine Luftfahrt und insbesondere für die Raumfahrt ist die Erweiterung des
Flugbereichs in den hohen Überschall- bzw. den Hyperschallflug (M0 etwa > 5) vorgese-
hen. Die Entwicklung geeigneter Fluggeräte für diese Geschwindigkeiten erfordert den
Flugzeugen angepasste luftatmende Antriebe, so dass eine integrierte Einheit von Zelle
und Triebwerk zu einem wirtschaftlichen Flugsystem führen kann (Abschn. 8.5 und 8.6)
[Mün72K, SFB05B, Gri04B, Ric05, Kuc11B].
Abbildung 8.4-5 zeigt ergänzend zu dem Abb. 2.5-14 und 2.5-17 ein Ramjet-Trieb-
werks mit Überschallverbrennung bzw. Scramjet (Supersonic Combustion Ramjet) für
Hyperschall-Flug-Mach-Zahlen sowie schematisch den Arbeitsprozess im h–s-Dia-
gramm. Dem gegenüber ist in Abb. 8.4-2 ein Ramjet- Triebwerk mit Unterschallverbren-
nung, also ein klassisches Ramjet-Triebwerk RJ zu sehen.
Werden die Auslegungen z. B. für Flug-Mach-Zahlen von M0 ≈ 2 bis 3 mit den Aus-
legungen für M0 ≈ 6 bis 8 bei den entsprechenden Flughöhen im Flugkorridorbereich
von H0 ≈ 10 bis 20 km bzw. H0 > 30 km verglichen, so zeigen sich bereits einige wesent-
liche Tendenzen und die damit verbundenen Schwierigkeiten (Abb. 8-1).
Mit vorausgesetzten Brennkammer-Mach-Zahlen MB ≈ 0,5 beziehungsweise 0,7 und
Einlaufdruckverhältnissen gemäß ΠE ≈ 0,9 bis 0,6 bzw. ΠE ≈ 0,4 bis 0,1 ergeben sich
bei Ramjet-Triebwerken abhängig von der Brennstoffart (zum Beispiel Wasserstoff oder
8.4 Ramjet- und Scramjet-Triebwerke 787
(a)
Hyperschall-Flugkörper mit Scramjet-Triebwerk integriert
Flug-Machzahl ab
M > 4 bis 5
Vorverdichtung Zelle
Scramjet-Triebwerksverbund Rampendüse mit
Heißgas-Expansion
M2 >2 Brennstoff-
0 1 2/6 Injektion 7/8 9
7 9
(b) Arbeitsprozess
Scramjet c7
2
QB
2
Überschall-Verbrennung
2
c9
0 2
2/6
2
c2
2
2 p9
c0
h 2
p0
Kerosen) die in Abb. 8.4-6 dargestellten Werte für den auf den Brennstoff bezogenen
Schub FN/ṁB in daN/(kg/s. Der spezifische Schub dieser Art ist u. a. ein Kriterium für die
Wirtschaftlichkeit des Antriebes.
788 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
5000
Ramjet-/ Scramjet-Triebwerke
Wasserstoff- Unterschall-/Überschall-Verbrennung
4000 Verbrennung
spez. Schub F/mB [daN/(kg/s)]
gle
ite
3000 nd
ein
ge
. Kerosin-
fro
ren
2000 Verbrennung
gleit
end
1000 eing
efro
ren
Chemische Rakete
0
0 2 4 6 8 10 12 14
Flug-Mach-Zahl M0
Ein Vergleich des Staustrahltriebwerkes mit einer Rakete zeigt die Überlegenheit des
luftatmenden Triebwerks. Wird jedoch der auf die Lufteintrittsfläche bezogene Schub
von Staustrahltriebwerken mit dem Stirnflächenschub der Rakete verglichen, so ist letz-
tere stark überlegen.
Bei hypersonischen Staustrahltriebwerken treten schwerwiegende konstruktive
und thermodynamische Probleme insbesondere durch das hohe Temperaturniveau im
Brennraumbereich auf. Liegen die Aufstau- bzw. Ruhetemperaturen bei geringeren Flug-
Mach-Zahlen unterhalb 1000 K, so steigen sie im Hyperschallflug schnell auf Werte über
2000 K, wie Abb. 8.4-7a zeigt.
Die weitere Temperatursteigerung durch Verbrennung wird demnach durch die
auftretende Dissoziation der Luft- bzw. Heißgasbestandteile immer geringer, und im
Temperaturbereich über etwa 3500 K wird bei den in Frage kommenden Drücken die
Dissoziationsenergie gleich dem Heizwert des Brennstoffes, so dass eine Temperaturer-
höhung durch Verbrennung nicht mehr möglich ist. Dies verschlechtert den thermody-
namischen Prozess.
Da während der Entspannung der Heißgase in der Schubdüse die statische Tempera-
tur ständig sinkt, könnte in Abhängigkeit von der Temperatur die gebundene Dissozia-
tionsenergie für die Beschleunigung des expandierenden Gases wieder nutzbar werden.
8.4 Ramjet- und Scramjet-Triebwerke 789
Abb. 8.4-7 Hyperschall- (a)
Ramjet-Triebwerke (s. a. 6000
TB [K]
Abschn. 8.6, [SFB05B, Ric72b]). 5000
a Bereiche des Brennraum-
Temperatur
4000 Ramjet RJ
Temperaturniveaus bei Ramjet-
Triebwerken mit Unter- und 3000
Überschallverbrennung nung
bren
2000 ha ll-Ver
in Abhängigkeit von der rs c rennung
Unte Überschall-Verb
Flug-Mach-Zahl M0. b 1000
Scramjet SCRJ
Bereiche des Brennraum-
0
Druckniveaus bei Ramjet- 4 5 6 7 8 9 10
Triebwerken mit Unter– und
Überschallverbrennung in
(b) 30
Abhängigkeit von der Flug- pB [bar]
25
Mach-Zahl M0 Ramjet RJ
20
Druck
ung
15 enn
rbr
Ve
hall- Scramjet SCRJ
10 rs c
U nte
5 Überschall-Verbrennung
0
4 5 6 7 8 9 10
Mach-Zahl M0
Die verschiedenartigen Verluste erfasst bei der Beurteilung und beim Vergleich von
Hyperschalleinläufen der in Abschn. 3.1 definierte Einlauf-Wirkungsgrad ηD bezie-
hungsweise der Einlaufbeiwert kD, wobei ηD > 0,90 ist und kD bei Werten um etwa 0,85
liegen kann.
Hohe Stoßverluste können mit kontinuierlichen Verdichtungsarten ähnlich den
sogenannten Isentropic-Diffusoren (Abschn. 3.2) teilweise umgangen werden.
Besonders unangenehm machen sich auftretende Strömungs- und Temperatur-
grenzschichten bemerkbar, die im Zusammenhang mit Verdichtungsstößen und
dem stromabwärts stark ansteigenden Druck ein schwer beherrschbares mehrdi-
mensionales Strömungsfeld darstellen. Gut angepasste, grenzschichtvermindernde
Methoden sind also neben Kühleinrichtungen der hohen Wandtemperaturen wegen
erforderlich.
Aus regeltechnischen Gründen sowie der kühlungsgünstigeren Wärmeabstrahlung
wegen sind Einlaufdiffusoren mit teilweise äußerer Verdichtung (Abschn. 3.2 und 8.6)
von Vorteil. Die gegenseitige Abstimmung von Einlauf, Brennraum und Abströmteil ist
besonders zu beachten.
Für die Energiezufuhr durch Verbrennung kommen zwei Arten der Überschallver-
brennung in Frage. Dies ist einmal die Verbrennung in Überschalldiffusionsflammen,
zum andern die durch einen Verdichtungsstoß induzierte Verbrennung.
Bei der Diffusionsverbrennung wird dem Überschalluftstrom nach dem Einlauf
Brennstoff zugeführt. Da die statischen Temperaturen und Drücke der komprimier-
ten Luft eine Selbstzündung des Brennstoffes ermöglichen, entsteht je nach der Vermi-
schung der Reaktionspartner eine mehr oder minder ausgeprägte Flammenzone, die
stark von der Art der Brennstoffeinspritzmethode abhängt (Abb. 8.4-8b).
Gegenüber dieser Diffusionsverbrennung wird bei der stoßinduzierten Verbrennung
der Brennstoff bereits weit vor dem Brennraum, zum Beispiel im Bereich des Einlaufdif-
fusors, dem Luftstrom beigegeben. Im Verlauf des weiteren Verdichtungsvorganges ver-
mischt sich der Brennstoff mit dem Luftstrom, der noch nicht die für die Verbrennung
notwendigen Zündbedingungen aufweist. Erst beim Passieren eines zum Beispiel den
Einlaufdiffusor abschließenden schiefen Verdichtungsstoßes wird das zündfähige Brenn-
stoff-Luft-Gemisch nach dem sprungartigen, auf Zündbedingungen führenden Tempe-
ratur- und Druckanstieg zur spontanen Verbrennung gebracht.
Die Zündverzugszeit sowie die Flammenlänge sind gegenüber der Diffusionsverbren-
nung kürzer, also für die Gestaltung des Brennraumes geeigneter (Abb. 8.4-8c).
Die thermogasdynamischen Grundlagen für den vereinfachten Fall der eindimensi-
onalen Berechnung einer Strömung mit Wärmezufuhr wurden bereits in Abschn. 5.1
dargestellt. Brennraumberechnungen nach diesen Grundgleichungen zeigen, dass
neben der Verbrennung im Kanal konstanten Strömungsquerschnitts (Rayleigh–Linie)
die Wärmezufuhr bei konstantem statischen Druck beziehungsweise konstanter Strö-
mungsgeschwindigkeit von besonderem Interesse sind. Bei geringeren Hyperschallflug-
Mach-Zahlen erscheint die Verbrennung bei konstantem Druck günstiger, bei höheren
Geschwindigkeiten die Verbrennung im Kanal konstanten Querschnitts. Je nach der Form
792 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
(a)
M0
MB<1 MN>1
Unterschall-Verbrennung
(b)
M0
MB>1
Überschall-Verbrennung Diffusion
(c)
M0
MB>1
Überschall-Verbrennung stoßinduziert
Abb. 8.4-8 Ramjet-Triebwerke für den Über- und Hyperschallflug (schematisch) mit: a Unter-
schallverbrennung, b Diffusions-Überschallverbrennung, c stoßinduzierter Überschallverbren-
nung [Mün72]
Historie
Ramjet/ Scramjet
USSR,
Australien
Boeing X-51A
Scramjet-Waverider Lufteinlauf
montiert an B-52 Brennraum
Divergent-Düse
Hypersonic-Scramjet-DemoX-51A
Mach 4 bis 6+ (200 sec 1.-Lauf im Mai 2010)
Boeing-Pratt&Whitney Rocketdyne, DARPA
Abb. 8.4-10 Zusammenfassender Überblick zur Entwicklung von Hyperschall-Ramjet/Scramjet-
Antrieben und Waveridern an ausgewählten Beispielen. Darstellungen nach NASA und Boeing Comp.
8.4 Ramjet- und Scramjet-Triebwerke 795
Strahltriebwerks ist damit zur Außenverbrennung geworden; es liegt also auch eine
weitgehende strömungsmechanische Integration beziehungsweise Interdependenz von
Antrieb und Zelle vor. Es wird von Wellenreitern, Detonationsreitern oder von tra-
genden Schubkörpern gesprochen, wie sie bereits in den 1960er Jahren besonders von
Küchemann [Küc65K] vorgeschlagen und in Modellen untersucht wurden.
Im Abschn. 8.6 werden bei der Vorstellung von Über- und Hyperschall-Antriebssys-
temen über den Einsatz von Ramjet-Triebwerken bei Kombinationstriebwerken weitere
Hinweise gegeben.
Concorde Tu 144
dieser Anforderungen spielt das Triebwerk eine wesentliche Rolle. Beim Start und im
Unterschallflug wäre ein Turbofan mit hohem Bypassverhältnis und niedrigen Strahl-
austrittsgeschwindigkeiten vorteilhaft, um einen geringen Startlärm und Brennstoffver-
brauch zu erzielen. Im Überschallflug hingegen kann ein niedriger Verbrauch nur mit
einem Turbofan mit sehr kleinem Bypassverhältnis oder mit einem Turbojet erreicht
werden [Ric05, Gri04B, Wal00B, Kuc11B u.a.].
Um diese gegensätzlichen Forderungen zu erfüllen, sind in den USA und in Europa
Triebwerkskonzepte erarbeitet worden [Nor90, Kan90, Gri04B] bei denen das Bypass-
verhältnis während des Fluges gezielt beeinflusst und dem jeweiligen Flugzustand
angepasst werden kann. Ein solches Triebwerk wird als Variable Cycle Engine VCE
bezeichnet (Abschn. 8.6 und Abb. 8.5-2b).
Zu den VCE-Triebwerken werden im Wesentlichen solche Triebwerke gerechnet, die
über die bisher üblichen verstellbaren Organe wie Lufteinläufe, Verdichter- und Turbi-
nen-Gitter sowie Schubdüsen variabler Geometrie hinaus über Einrichtungen verfügen,
mit denen der Arbeitsprozessverlauf in seiner Konfiguration der Flugaufgabe angepasst
werden kann. Dies betrifft abhängig von der jeweiligen Flugaufgabe besonders die Maß-
nahmen zur Veränderungen der Bypass-Fluidströme mit dem Ziel, optimierte Schub-
und Verbrauchswerte sowie günstige Emissionswerte zu erreichen.
Für den hohen Überschallflug von zivilen und militärischen Hochleistungs-Trieb-
werken stellt die einfachste Form das Turbofan-Triebwerk mit wahlweiser Aufheizung
im Nachbrenner dar, wie das Beispiel des Mach-3-Turbojet-Triebwerk GE4 des SST Boe-
ing-2707 zeigte (Abb. 8.6-2).
Die in Abschn. 8.2 behandelten Hochdruck-Turbofan-Triebwerke eignen sich verständ-
licherweise nicht für den Überschallflug, da die hohen aerodynamischen Widerstände bei
798 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Turbojet-2-Rotor-SST-Triebwerk
Nachbrenner
Schubumkehr
Überschall-Verkehrsflugzeug SST
Concorde
Abb. 8.5-3
Turbojet-2-Wellen-SST-Triebwerk mit Nachbrenner und Schubumkehr RR-
SNECMA-Olympus 593 der Concorde. Dargestellt nach Fa. Snecma S.A. und Rolls-Royce plc
Concorde M0 = 2,2
Gefahr der Überexpansion mit sich bringen würde. Beim Unterschallflug ist der Zusatz-
einlauf geschlossen. Der Ejektor arbeitet etwa wie im Startfall. In der transsonischen Phase
(Flugfall M0 > 1) lässt der Einlauf zuviel Luftmasse herein, daher wird vor dem Verdich-
ter Luft nach außen abgeblasen. Also selbst bei diesem nur für M0,A = 2,2 ausgelegten
Triebwerk ist bei Reduktion der Flug-Mach-Zahl um etwa eine Einheit der Rückgang der
Schluckfähigkeit des Triebwerkes so groß, dass die vom Einlauf gelieferte überschüssige
Luft abgeblasen werden muss. Die durch den Heißgasstrahl von außen angesaugte Luft-
menge ist nur noch gering. Der wegen der steigenden Druckumsetzung innerhalb der Düse
expandierende Heißgasstrahl folgt schon fast dem divergenten Teil der C-D-Schubdüse.
Beim Überschallflug mit der Auslegungs-Mach-Zahl M0 = 2,2 sind Einlauf und
Triebwerk durchsatzmäßig einander angepasst. Auf der Abströmseite wird keine Luft
mehr von außen entnommen, der Heißgasstrahl füllt den divergenten Teil vollständig
aus. Zur Vermeidung von Grenzschichtablösungen und zur Stabilisierung der Verdich-
tungsstöße werden zwischen Stoßdiffusor und Triebwerk etwas des Lufdurchsatzes dem
das Triebwerk umgebenden Zwischenraum zugeführt.
Takeoff
Subsonic M0 < 1
Transonic M 0 > 1
• Der Start erfolgte mit Nachbrenner, wodurch sich ein sehr hoher Triebwerkslärm
ergab.
• Wegen des Überschallknalls durfte über Land nur mit Unterschallgeschwindigkeit
geflogen werden. In dieser Flugphase ist der Verbrauch viel höher als bei einem übli-
chen Unterschall-Verkehrsflugzeug mit einem Turbofan-Triebwerk mit hohem Bypass.
• Die Betriebskosten waren so hoch, dass sie nicht vollständig auf die Flugticketpreise
umgelegt werden konnten.
• Die Reichweite mit 6200 km war für ein Überschall-Verkehrsflugzeug hinsichtlich der
Flugeffizienz zu gering. Der Zeitvorteil durch den Überschallflug wirkte sich erst bei
langen Flugstrecken entscheidend aus.
Nach dem Ende der ersten Ära einer zivilen Überschall-Verkehrsluftfahrt (Abschn. 8.5.1)
mit dem Absturz der Concorde im Jahr 2000 und ihrer endgültigen Ausmusterung im Jahr
2005 war eine Zeit der Neuorientierung zu Überschall-Verkehrsflugzeugen gekommen.
Dabei war die Concorde schon vor ihrem ersten Linienflug-Einsatz wirtschaftlich
wenig erfolgreich, was an den erheblichen Betriebskosten und vor allem am sehr hohen
Brennstoffverbrauch lag. Zahlreiche Fluggesellschaften hatten wegen der ersten Ölkrise
ihre Vorbestellungen storniert. Lediglich die nationalen Fluggesellschaften der Heimat-
länder mit Air France und British Airways setzten anfangs 16 Flugzeuge im Liniendienst
besonders auf der lukrativen Nordatlantik-Strecke nach New York ein. Auch Jahre nach
der Ausmusterung erscheint es inzwischen unrealistisch zu sein, dass sich der Einsatz
von größeren Überschall-Verkehrsflugzeugen im kommerziellen Passagierverkehr von
Fluggesellschaften lohnen könnte.
Es ist anzunehmen, dass die nächste, die zweite Generation von zivilen Überschall-
Verkehrsflugzeugen lediglich von kleinen Business-Jet-Flugzeugen bestimmt sein wird,
da bei kleineren Flugzeugen die technologischen und umweltbedingten Schwierigkeiten
leichter lösbar sind.
Dies betrifft die bei der französisch-britischen Concorde bereits aufgetretenen
Schwachstellen, den Fluglärm, die Schadstoffemissionen und den für zivilen Überschall-
flüge typisch zu hohen Brennstoffverbrauch.
Mehrere Studien- und Entwicklungsprojekte von zivilen Überschall-Flugzeugen der
neueren Generation wurden weltweit in den letzten Jahren von Privatunternehmen
und staatlichen Forschungsinstitutionen untersucht. Davon könnten einige dieser Pro-
jekte nach Bedarf innerhalb von etwa zwei Jahrzehnten zu Serienflugzeugen ausreifen
(Abb. 8.5-7).
Das Unternehmen Aerion in den USA arbeitet an einem 12-sitzigen Businessjet SSBJ,
der über Land effizient nahe der Schallgrenze fliegen könnte und über dem Meer bis zu
Mach 1,6 erreichen sollte sowie eine Reichweite von 4000 nautischen Meilen aufweisen
würde.
Die Betriebskosten sollten allerdings mit denen herkömmlicher Privatjets vergleich-
bar sein. Vor allem aber sollte der SSBJ bis zur Flug-Mach-Zahl von 1,15 den Über-
schalknall am Boden vermeiden können.
Das Unternehmen Aerion setzt bei dem projektierten Flugzeug auf einen laminaren
Luftstrom über den Tragflächen, durch den der Widerstand stark verringert werden soll.
Als Triebwerk ist eine modernisierte Version des Turbofan-Triebwerks vom Typ des
Pratt & Whitney JT8D vorgesehen.
Nach einer Marktstudie nimmt Aerion an, etwa 300 SSBJ’s in den ersten zehn Jahren
verkaufen zu können. Mit einem Demonstrator soll gezeigt werden, dass sich der Über-
schallknall beim Flug über Land weitgehend unterdrücken lässt.
804 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Supersonic Aerospace
International SAI-QSST
mit v-Leitwerk Mach 1,8
Auch Supersonic Aerospace International SAI (USA) setzt mit ihrem Quiet Super-
sonic Transport QSST auf Lärmvermeidung (Abb. 8.5-7). Die Firma hat ein besonderes
V-Leitwerk entwickelt, das den Überschallknall besonders beim transonischen Flug ver-
ringern soll. Das Unternehmen, das mit dem US-Konzern Lockheed Martin zusammen-
arbeitet, spricht wie Aerion davon, seinen Privatjet SSBJ Mitte des laufenden Jahrzehnts
fertig zu stellen. Auch der Flugzeugbauer Gulfstream hat Pläne für einen Quiet-Superso-
nic-Jet in Arbeit.
In Europa arbeiten zahlreiche Länder und Unternehmen im Auftrag der EU unter der
Führung von Dassault an Machbarkeitsstudien für Überschall-Verkehrsflugzeuge SST
(Abb. 8.5-7).
Grundsätzlich ist nach den Studien- und Projektarbeiten in europäischen Institutio-
nen und Luftfahrtunternehmen die Überzeugung vorhanden, dass nach vorliegenden
Umweltmaßstäben akzeptable Überschallflugzeuge möglich sind. Es wird davon ausge-
gangen, dass ein solcher Überschall-Jet schon um das Jahr 2020 bereitstehen könnte. Der
französische Business Jet-Hersteller Dassault Aviation, der russische Flugzeugbauer Suk-
hoi und der italienische Luftfahrtkonzern Alenia Aeronautica haben sich im sogenannten
HISAC-Projekt (High Speed Aircraft) zusammengeschlossen, um Grundlagen für künf-
tige SST-Flugzeuge zu untersuchen. Dabei müssen nach den Richtlinien für Fördermittel
der Europäischen Union erhebliche Anstrengungen unternommen werden, die Lärm-
und Schadstoffemissionen wie bei herkömmlichen Flugzeugen zu erreichen. Als Basispa-
rameter wurde vorgegeben, ein Demo-Flugzeug zu entwerfen, das acht Passagiere über
4000 nautische Meilen mit einer Geschwindigkeit von Mach 1,6 transportieren kann.
Boeing entwickelt mit der US-Raumfahrtbehörde NASA Studien zu Überschallflug-
zeugen, die aber erst in den kommenden Jahrzehnten in Dienst gestellt werden könn-
ten. Auch in Japan wird in Verbindung mit der dortigen Weltraumagentur JAXA (Japan
Aerospace Exploration Agency) die Entwicklung solcher Flugzeuge für etwa 30 bis 50 Pas-
sagiere für die kommenden Jahrzehnte vorangetrieben. Von der russischen Firma Tupo-
lev wurde bisher der Mach-2-SSBJ Tu 144 für etwa 10 Passagiere bekannt
Die Europäische Luftfahrtagentur ESA ließ in Projektstudien (Framework Program-
mes FP1 bis FP6) im Rahmen des Projekts LAPCAT (Long-Term Advanced Propulsion
Concepts and Technologies) auch große Überschall- bis Hyperschall-Flugzeuge untersu-
chen, die Mach 4 bis 7 erreichen könnten (Abschn. 8.7, Abb. 8.7-7). Hauptprobleme sind
dabei allerdings gegenüber dem Überschall-Business-Jet hier die Antriebssysteme und
die enorme Aufheizung der Zellenstrukturen.
SST-Flugrouten zwischen 5 000 und 10 000 km, über Wasser > 50%
SFO
LHR
CDG FRA
LAX JFK
HND
MIA
CLK
SIN
GIG
SYD
JNB
Zeit h 0 2 4 6 8 10
Diese sind nur erreichbar, wenn die Kapazität mit 250 bis 300 Sitzplätzen deutlich
über der der Concorde liegt. Eine dieser Kapazität entsprechend hohe Nachfrage ist nur
dann zu erwarten, wenn das SST über eine wie auch sonst übliche 3-Klassen-Bestuhlung
verfügt und wenn die Flugpreise um nicht mehr als 10 bis 20 % über denen der kon-
kurrierenden Unterschallflugzeuge liegen. Dies setzt voraus, dass ein neues SST ent-
sprechend wirtschaftlich betrieben werden kann. Auch dies erscheint denkbar, wenn
die Reiseflug-Machzahl mit 2 bis 2,5 nicht zu hoch gewählt wird. Weitere sehr wesent-
liche Kriterien für die Akzeptanz eines neuen SST ergeben sich aus der Forderung
nach Umweltverträglichkeit. Selbstverständlich wird das SST die heute für Unterschall-
Verkehrsflugzeuge gültigen Zulassungsvorschriften für den Lärmschutz und die Abga-
semissionen beim Start, Steig- und Reiseflug erfüllen müssen. Aus Lärmschutzgründen
wird auch der Reiseflug für große Flugzeuge nur über unbewohnten Gebieten, d. h.
im Wesentlichen nur über dem Meer, im Überschall erfolgen dürfen. Daher sind auch
im Unterschall-Reiseflug sehr gute Leistungen erforderlich. Darüber hinaus wird ein
zukünftiges SST im Reiseflug in großer Höhe sehr niedrige NOx-Emissionen vorweisen
müssen, damit sein Betrieb in der Stratosphäre oberhalb des heutigen Unterschall-Luft-
verkehrs ohne Beeinträchtigung der schützenden Ozonschicht möglich ist.
Umweltverträglichkeit Der Einfluss der Triebwerksabgase in großer Höhe auf die Atmo-
sphäre ist Gegenstand kontroverser Diskussionen und umfangreicher, nicht abgeschlos-
sener, wissenschaftlicher Untersuchungen. Dennoch wird allgemein angenommen, dass
die Erhöhung der NOx-Emissionen im Reiseflug, die bei einem SST mit konventioneller
Brennkammer-Technologie prinzipbedingt unvermeidlich wäre, nicht akzeptabel sein wird.
Aus diesem Grunde müssen neue Brennkammertechnologien erarbeitet werden, mit
denen eine Reduzierung der NOx-Emissionen auf ein Bruchteil gegenüber üblichen
Brennkammern angestrebt wird (Kap. 5).
Eine weitere technische Herausforderung für die Triebwerksindustrie stellen die
Lärmgrenzwerte für den Start dar. Dies hängt mit den Austrittsgeschwindigkeiten des
Düsenstrahls als dominierende Lärmquelle zusammen, wobei der abgestrahlte Lärm mit
zunehmender Strahlgeschwindigkeit deutlich zunimmt. Bei Unterschallflugzeugen ist
mit einer Reduzierung des spezifischen Schubes auch eine Verringerung des Brennstoff-
verbrauchs verbunden, so dass diese Entwicklung mit einer Steigerung der Reichweite
und einer Senkung der Betriebskosten einherging. Dieser Trend gilt für Überschall-Ver-
kehrsflugzeuge jedoch nur begrenzt. Aus Gründen des Gewichts und des Widerstandes
der Triebwerksgondeln sollte der spezifische Schub hier nicht zu niedrig sein. Anderer-
seits erfordern die Startlärmvorschriften auch für diese Triebwerke eine ganz erhebliche
Reduzierung der Austrittsgeschwindigkeit des Düsenstrahls.
In Europa und in den USA sind deshalb auch Konzepte mit variablem Arbeitsprozess
VCE (Variable Cycle Engines) in der Projektphase, welche die verschiedenen Anforde-
rungen an SST-Antriebe erfüllen sollen. Dabei soll der Arbeitsprozess insbesondere beim
Start so beeinflusst werden, dass die Strahlaustrittsgeschwindigkeit auf lärmmäßig akzep-
table Werte um 400 m/s gesenkt wird.
808 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
VCE-Turbofan-Bypass-Triebwerk
mit variabler Geometrie und/oder variablem Arbeitsprozess
Variable, gestufte
Verbrennung in Variable, gestufte
Verstellbarer Brennkammer und Verstellbare Verbrennung im
Fan- und Verdichter Bypass Turbinen-Gitter Nachbrenner
In den folgenden Abschn. 8.6.2 und 8.6.3 werden zwei Beispiele aus der Fülle von
möglichen SST-Triebwerkskonzepten ausgewählt und dargestellt [Gri04B]: Ein konven-
tionelles VCE-Turbofankonzept der MTU Aero Engines von Albers, Hertel und Schaber
[Alb94, Sch94] und ein sehr komplexes VCE-Triebwerk der SNECMA, das MCV99 dar-
gestellt von Habrard in [Hab90].
Die beiden Konzepte wurden im Rahmen von Triebwerksanalysen mit einem GTSSD-
Programm, dem universellen, modularen Leistungssyntheseprogramm MUSYN90 über
Volllast- und Teillastrechnungen für die verschiedenen Betriebszustände und Flugpha-
sen von SST-Flugzeugen mit entsprechenden Parameterstudien von Hollmeier, Kopp,
Rupp, und Rick untersucht [Hol95b].
8.6 VCE-Triebwerke für Überschall-Verkehrsflugzeuge 809
Bei der Konzeption eines neuartigen Überschallantriebes liegt es nahe, zunächst einen
konventionellen Arbeitsprozess für eine SST-Anwendung zu optimieren und dabei fest-
zustellen, unter welchen Voraussetzungen und Randbedingungen ein vergleichsweise
konventionelles VCE-Konzept in Frage kommt. Der entscheidende Vorteil dieses Kon-
zeptes liegt in seiner geringen Komplexität, denn es werden ausschließlich Komponenten
verwendet, mit denen man bei bereits in Betrieb befindlichen Triebwerken schon einige
Erfahrungen sammeln konnte (Abb. 8.6-2).
In diesem von MTU vorgeschlagenen Konzept [Alb94, Sch94] wird die nötige
Variabilität des Arbeitsprozesses im Wesentlichen nur durch eine Verstellung der
810 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
Fan
Transonic Climb
M0 1,3
Fan-Druckverhältnis
Cruise M0 2,0
Cruise M0 0,8
Take-Off M0 0,0
red. Fan-Durchsatz
Abb. 8.6-5 Fan-Kenfeld mit wichtigen Voll- und Teillastpunkten des konventinelles VCE-Tur-
bofan-2-Wellen-Triebwerk mit variabler C-D-Schubdüse (ohne Nachbrenner) sowie variablem
Arbeitsprozess VCE (Variable Cycle Engine) geeignet für Unterschall- und Überschall-Verkehrs-
flugzeuge. Konzept MTU Aero Engines [Alb94, Sch94, Hol95b]
des Startlärms. Dies hängt in erster Linie auch mit dem vergleichsweise hohen Bypass-
verhältnis des betrachteten Turbofan zusammen.
Hier sei erwähnt, dass die Einlauf-Fangfläche so gewählt wurde, dass es im Reiseflug
bei Überschall, also der längsten Flugphase, zu keinem Überlauf kommt bei dem Fang-
flächenverhältnis A0/AC = 1 (Kap. 3).
In Abb. 8.6-5 sind typische Betriebspunkte bzw. Teillastpunkte hier beispielhaft im
Fan-Kennfeld des SST-Turbofan eingetragen zu sehen, wie sie Abb. 8.6-5 gezeigt wer-
den. Ein Vergleich mit den entsprechenden Kennfeldern und den Betriebslinien für SST-
Triebwerke aus der entsprechenden Fachliteratur zeigt, dass die Ergebnisse der hier mit
MUSYN durchgeführten Analyserechnung denen der Rechnungen mit anderen GTSSD-
Programmen z. B. in [Hol97, Kop00, Ric05] eine gute Übereinstimmung ergeben.
8.6.3 VCE-Turbofan-Turbojet-SST-Triebwerk
VCE-2-Rotor-Turbofan-Turbojet
Snecma MCV99 ohne Nachbrenner
Einlaufsystem
(Moteur a Cycle Variable) in [Hab90] von Habrard vorgestellt. Davon sind zwei ver-
schiedene Konfigurationen veröffentlicht worden, ein 2-Wellen- und ein 3-Wellen-SST-
Triebwerk (Abb. 8.6-6).
Im Rahmen der Darstellung in diesem Abschnitt wird in erster Linie die Konfigura-
tion mit zwei Wellen betrachtet. Die 3-Wellen-Version des Triebwerkes bietet zwar eine
noch etwas größere Variabilität des Arbeitsprozesses, ist jedoch auch deutlich aufwendi-
ger und schwerer als die 2-Wellen-Version mit zwei Brennkammern und komplizierter
Massenstromführung (Abb. 8.6-6).
Das Triebwerk arbeitet beim Start und im Unterschallflug als Turbofan
(Abb. 8.6-7). Bevor der Primärluftmassenstrom in die Brennkammer gelangt, wird
ein Teil davon (nach [Hab90] bis zu 35 %) abgezweigt und bei der 3-Wellen-Version
in eine Sekundärbrennkammer geführt. Dieser abgezweigte Massenstrom expandiert
dann in die den Fan des Sekundärkreises antreibende Turbine, die Fan-Turbine, und
vermischt sich mit dem Sekundärluftstrom, nachdem dieser durch verschließbare
seitliche Lufteinlässe angesaugt und über den Fan des Sekundärkreises verdichtet
wurde. Primär- und Sekundärstrom werden nicht wieder gemischt, sondern durch-
laufen zwei getrennte, variable Düsen.
8.6 VCE-Triebwerke für Überschall-Verkehrsflugzeuge 813
VCE-Turbofan-Turbojet-Triebwerk
VCE-Turbofan-Betrieb
Start Take-0ff H0 = 0 km M0 = 0
BPR = 1,0 Bleed ratio = 0,35
Turbojet-Betrieb
Supersonic Cruise H0 = 18,3 km M0 = 2,0
BPR = 0 Bleed ratio = 0
Abb. 8.6-7 Betriebszustände MCV99 als VCE-Turbofan im Startfall und als Turbojet im Reiseflu
Cruising
Durch die niedrige Austrittsgeschwindigkeit, mit hier berechneten Werte von unter
400 m/s, ergibt sich beim Start ein niedriger Lärmpegel und im Unterschallflug ein nied-
riger spezifischer Brennstoffverbrauch SFC. Gleichzeitig gewährleistet der hohe Massen-
durchsatz den beim Start erforderlichen Schub.
Auch in der Transsonikbeschleunigung läuft das Triebwerk als Turbofan. Ein Nach-
brenner ist nicht vorgesehen.
Im Überschallflug ist der seitliche Sekundäreinlauf geschlossen; die Fan-Turbine, der
Fan, und bei der 3-Wellen-Version die Sekundärbrennkammer, sind nicht in Betrieb.
Daher arbeitet das Triebwerk als Turbojet, um einen optimalen spezifischen Schub und
einen entsprechend niedrigen spezifischen Brennstoffverbrauch zu erreichen. Der Trieb-
werksquerschnitt ist relativ klein und verursacht daher nur geringe Widerstände.
Die Tatsache, dass die Fan-Turbine und der Fan im Überschallflug nicht in Betrieb
sind, führte zu Problemen hinsichtlich des Verlaufes der Betriebslinien in den ent-
sprechenden Kennfeldern, bei denen die Kennfeldränder bzw. die Stabilitätsgrenzen
überschritten wurden, da der reduzierte Durchsatz zu sehr kleinen Werten führte. Im
Rahmen der Analyserechnung mit dem Synthesprogramm MUSYN, war es zweckmä-
ßig, schwerpunktartig zwei Triebwerksversionen für den Turbofan- bzw. den Turbo-
jet-Betrieb zu simulieren. Der Umschaltpunkt zwischen diesen Versionen wurde im
Teillastpunkt bei M0 = 1.3 und einer Höhe von H0 = 11000 m (transsonische Beschleu-
nigung) festgelegt.
814 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
VCE-Turbofan-Turboje t
(Typ MCV99) ohne Nachbrenner
Reiseflug (Supersonic Cruise) ISA+10°
SFCrel M0 = 2,0, OPR = 17, Fan-Pr = 1,3
1,04
spez. Brennstoffverbrauch rel.
1,03
TET [K] 1700 0
1,02 0,5
BPR 1,5 1,0
1,01 1600
1500
1,00
0,99
0,40 0,60 0,80 1,00 1,20 1,40
spez. Schub F/m2 rel.
Als Auslegungspunkt für die Turbofan-Version wurde der Startfall gewählt, während
für die Turbojet-Version der Reiseflug bei M0 = 2 und einer Höhe von H0 = 18300 m
zugrunde gelegt wurde. Die sich daraus ergebenen Resultate sind in Abb. 8.6-8
zusammengefasst.
Zur Auslegungs- und Parameter-Vorstudie ist in Abb. 8.6-9 aus [Hab90] der Zusam-
menhang von relativem spezifischem Brennstoffverbrauch SFC und relativem spezi-
fischem Schub FN/ṁ2 abhängig von der Turbinen-Eintrittstemperatur TET und dem
Bypassverhältnis BPR für den Mach-2-Reiseflug in 18,3 km Flughöhe dargestellt.
In Abb. 8.6-10 wird das Schubkennfeld des VCE-Turbofan-Turbojet-Triebwerk vom
Typ MCV99 gezeigt, wie es sich aus der Analyse-Leistungsrechnung mit MUSYN ergab.
8.6 VCE-Triebwerke für Überschall-Verkehrsflugzeuge 815
VCE-Turbofan-Turbojet
(Typ MCV99) ohne Nachbrenner
350
FN [kN]
300
Turbofan-Betrieb
Transonic Climb
200
2 H0 [km]
10
150 4
12
6 14
100
8 16
10 18
50
Supersonic Cruise
0
0,00 0,50 1,00 1,50 2,00
Flug-Mach-Zahl M0
Die Übereinstimmung der Betriebspunkte mit den Angaben der Firma SNECMA [Hab90]
ist gut. Dabei sei bemerkt, dass hier die für Syntheserechnungen von Volllast- Teillast-
Betriebspunkten notwendigen Kennfelder z. B. der Verdichter und Turbinen aus Fir-
menunterlagen nicht vorlagen. Damit musste mit entsprechend skalierten, typischen
Turbomaschinen-Kennfeldern gerechnet werden. Diese können z. B. aus der Kennfeld-
sammlung von [GasTurb] übernommen werden.
Lockheed SR71
1-Wellen-Turbojet-Bypass-Triebwerk Flug-Machzahl M0>3 P&W J58 in SR71
Die Bypass- und Abblaseöffnungen erleichtern hinter dem Einlauf ein gutes Funk-
tionieren von 1- und auch 2-Rotor-Triebwerken mit mittleren bis höheren Druck-
verhältnissen. Dies trifft besonders für den unteren und mittleren Drehzahlbereich zu.
Weiterhin sind verstellbare Leiträder im Verdichter vorgesehen, durch die der Verdich-
terdurchsatz in gewissen Grenzen verändert werden kann (Abschn. 4.2). Schließlich ist
bei diesem Konzept eine Aufheizung im Bypass-Kanal vorgesehen und die Schubdüse
verstellbar im divergenten Teil versehen. Die ergibt so eine gute Anpassung der Heißgas-
Expansionsströmung bei variablen Flug-Mach-Zahlen.
Ein ähnliches, etwas einfacheres Triebwerk dieser Art mit mehreren Bypass-Rohren
und kleinem BPR < 0,2 ist seit 1967 als Antrieb in dem Aufklärungs- und NASA-For-
schungsflugzeug SR71 im Dienst (Abb. 8.6-12).
Überschall-Testflugzeug
Nord-Aviation Griffon
Turbojet-Ramjet-Kombinationstriebwerk
Kerntriebwerk: Turbojet SNECMA ATAR 101
die bei M0 = 3 und 4 liegen kann, wird der Turbojet-Kerntriebwerk nicht mehr durch-
strömt, sondern nur noch umströmt. Das Druckverhältnis, welches dann für die Strah-
lexpansion ab dem Austritt des Kerntriebwerks zur Verfügung steht, ist nicht mehr
größer als dasjenige, welches sich durch den reinen Aufstaueffekt ergibt (Abschn. 8.4). Je
nach Konzeption wird der Ramjetbetrieb dadurch hergestellt, dass die Luft im Wesent-
lichen direkt hinter dem Turbosatz oder bereits in dem den Turbosatz umgebenden
Bypass-Kanal mit parallel geschalteter Ramjet-Brennkammer aufgeheizt wird.
Das mit einem solchen Kombinations-Triebwerk bestückte Forschungsflug-
zeug Griffon 02 der Firma Nord-Aviation (Frankreich) erzielte bereits 1958 als ers-
tes Hochgeschwindigkeits-Flugzeug Steiggeschwindigkeiten von über 100 m/s bei
Steigflug-Mach-Zahlen M0 von etwa 1,85. Das von der Firma SNECMA hierzu gelie-
ferte Einwellen-Einstrom-Turbojet-Triebwerk ATAR 101 E 3 erlaubte durch seine Form
einen großen auf die Stirnfläche bezogenen Schub und eine gleichfalls günstige Gestal-
tung des umgebenden ringförmigen Ramjet-Triebwerkes. Das Triebwerk ATAR 101 E3
ist das Nachfolgetriebwerk des deutschen Turbojet BMW 003 aus den 1940er Jahren
(Abschn. 1.6).
Ging es bei dem Konzept des Griffon mehr darum, in einen Flugzeugrumpf, der zu
einem großen Teil den Strömungskanal des Ramjet-Triebwerkes bildete, ein Turbo-
triebwerk einzubauen, so mussten im Gegensatz dazu in den nachfolgenden Jahrzehn-
ten besonders bei zahlreichen Konzepten für Über- und Hyperschall-Flugzeuge die
8.7 Kombinationsantriebe für Über- und Hyperschallflüge 819
kleine Flug-Mach-Zahl
große Flug-Mach-Zahl
Raumtransporter-
2-stufiges Hyperschalflugzeug mit
Turbojet-Ramjet-Kombinatiosnantrieb
Grenzschichtkanal
Turbojet
Einlauf und Rampen-C-D-düse
Diverter Bypassöffnungen einseitig expandierend
Luftströmung über den Bypasskanal und den Nachbrenner ein reiner Ramjetbetrieb
vorliegt.
Dieses einfache oben gezeigte Konzept eines Turbo-Ramjets kann wesentlich erweitert
mit einem Mehrwellen-Kerntriebwerk oder auch als Turbofan-Triebwerk mit Verstell-
klappen, Bypass und Nachbrenner ausgelegt werden. Ab den 1950er Jahren sind weltweit
neben RR von allen namhaften Triebwerksfirmen wie P&W, GE, SNECMA, MTU sowie
Forschungsinstitutionen wie z. B. die NASA (USA) oder ONERA (Frankreich) zahlrei-
che Turbo-Ramjet-Projekte konzipiert, gebaut und getestet worden [Mün72K, Rol86B,
ACA89B, Wal00B, Gri04B u.a.]. Im praktischen Flugbetrieb bei z. B. Überschall-Ver-
kehrsflugzeugen wurden allerdings bisher keine Turbo-Ramjet-Triebwerke eingesetzt.
Für den Flugbereich vom Start über den Unterschallflug bis zum Hyperschallflug mit
Flug-Mach-Zahlen über M0 = 5 hinaus wurden besonders in Verbindung mit Raumtrans-
porter-Hyperschall-Flugzeugen umfangreiche integrierte Turbo-Ramjet-Antriebssysteme
von Mach 0 bis über 6 entworfen, auf die an Beispielen in Abschn. 8.8 eingegangen wird.
Im Abb. 8.7-3 wird dazu schematisch ein Beispiel integrierter Antriebe gezeigt.
Schon kurz nach Beginn der intensiven Entwicklung von Luftstrahlantrieben und che-
mischen Raketen, der etwa gegen das Ende der 1930er Jahre erfolgte, wurde erkannt,
dass das Turbojet-Triebwerk TJ und die Rakete R gewisse sich ergänzende Eigenschaf-
ten besitzen. Bei den Bayerischen Motorenwerken entstand aus dem Turbojet BMW 003
und aus einer gleichfalls bei dieser Firma entwickelten Flüssigkeitsrakete das Triebwerk
BMW-003 R (Abb. 8.7-4).
Vom Geräteträger des Turbojet führte eine Welle zu der in Turbinennähe mon-
tierten Rakete, um deren Pumpen anzutreiben. Hier handelte es sich mehr um eine
8.7 Kombinationsantriebe für Über- und Hyperschallflüge 821
Turbojet-Triebwerk TJ Raketenmotor R
Getriebe
Verdichter Turbine Oxydator und Verstell-Düse
Brennstoff
Turbo-Rocket Kozept: Rolls-Royce Plc
LAPCAT-A2
Long-Term Advanced Propulsion Concepts and Technologies
SSTO
Single Stage To Orbit
Reaction Engines Ltd
distance 18700 km
300 passengers
TO 400 tonnes
length 139 m
span 41 m
SABRE Synergistic Air-Breathing Rocket Engine
(Hypersonic Precooled Hybrid Air Breathing Rocket Engine)
He Circulator
HX4
LH2 Pump
Preburner
Rocket Nozzle
Weiterhin gibt es Konzepte, bei denen ein übergreifender Betrieb, d. h. ein gleichzeitiges
Funktionieren von Turbo-Basistriebwerken und Ramjet-Triebwerken vorteilhaft ist.
Für ein Hyperschall-Transportflugzeuge HST (hyper sonic transport) stellt das Antriebs-
system mit Zu- und Abströmung in gewissem Sinne die Extrapolation der Verhältnisse
von Überschall-Transportflugzeugen SST (super sonic transport) dar (Abb. 8.8-1). Der
Überschall-Einlaufdiffusor übertrifft bei Flug-Mach-Zahlen > 4 bis 5 in seiner Größe
bei weitem das gesamte Triebwerk. Da die Schubdüse nach Möglichkeit eine geführte
Heißgasentspannung bis auf ein Druckniveau erlauben soll, das nur wenig über dem
der Umgebung liegt, muss der divergente Teil vergleichbare Ausmaße wie der Einlauf
haben. Die Integration des Antriebes wird zum integrierten Bestandteil des gesamten
Flugzeugsystems.
Nachdem bereits in den 1960er Jahren umfangreiche Untersuchungen zum zivilen
und militärischen Über- und Hyperschallflug durchgeführt und Anfang der 1970er Jahre
wieder eingestellt wurden, waren die 1980er und 1990er Jahre international durch ein
gegenüber den 1960er Jahren wiedererwachtes Interesse an luftatmenden Raumtranspor-
ter-Flugzeugen geprägt [Küc65K, Mün72K, Gri04B, SFB05B, Kuc11B].
Dabei wurden sowohl einstufige als auch mehrstufige Konzepte untersucht. Abge-
sehen von Raketen ist bisher kein gebautes Antriebssystem in der Lage, den weiten
Betriebsbereich vom Start bis zum Hyperschall ökonomisch und umweltfreundlich
826 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
K
Totaltemperatur
1x10 3
x
1
0
renze
10
Dichteg
2
10
2
60 0,1
5
5
Druck in
Überschall-
Brennkammer
45
Flughöhe
Antriebssysteme Staudruck
30 ze
G ren
Scramjet he
HTSM-6R m isc
e r
Th
Ramjet
15 Turbojet
Turbofan Totaldruck bar
10 102 103
2 3
104
4
0 U
R
B
JO
E
T
0 5 10 15 20 25
Flug-Mach-Zahl M0
abzudecken. Der begrenzte Einsatzbereich lässt sich mit einer Kombination der Basis-
triebwerke wie Turbojet und Turbofan, Ramjet mit Unterschallverbrennung oder
Scramjet mit Überschallverbrennung (Abschn. 8.4.2) und ggf. Raketenantrieb erweitern
(Abb. 8-1, Abb. 8.8-1). Dabei sind Variationen der herkömmlichen Basistriebwerke wie
zum Beispiel durch Vor- oder Zwischenkühlung, Luftverflüssigung (LACE) oder den
Einsatz von Wasserstoffturbinen (Turboexpander) denkbar, wie sie bereits schon in den
1960er und 1970er Jahren konzipiert wurden (Abb. 8.7-6). Aus ökonomischen und tech-
nologischen Gründen wurden diese Projekte später wieder eingestellt [Mün72, Gri04B].
Im zivilen Überschall-Flugverkehr wurden umfangreiche Erfahrungen in der Ver-
gangenheit mit SST-Flugzeugen wie der Concorde (1973) und der Tupolev 144 sowie
dem Boeing SST (1972) gesammelt (Abschn. 8.5). Neben diesen Überschall-Verkehrs-
flugzeugen erreichen viele Militärflugzeuge mit Turbo-Triebwerken und Nachbren-
ner Geschwindigkeiten bis Mach 2 und 3. Einen Meilenstein in der Entwicklung von
Hochgeschwindigkeits-Flugzeugen mit luftatmenden Triebwerken stellte schon sehr
8.8 Antriebe für Hyperschall-Raumtransporter HST 827
Um den geringen Nutzlastanteil bei Raumtransportersystemen auf der Basis von Rake-
tentechnologien merklich steigern zu können, mussten in den vergangenen Jahren
andere Konzepte in den Vordergrund rücken. Bevorzugt sind ein- und zweistufige, flug-
zeugähnliche Transportersysteme SSTO und TSTO (Single- and Two Stage to Orbit)
(Abb. 8.8-2). Beim TSTO ist die Grundidee, dass ein Hochgeschwindigkeits-Flugzeug
eine Oberstufe auf hohe Geschwindigkeiten von über M0 = 4 in große Höhen von bis zu
35 km bringt.
Der Start der Unterstufe erfolgt horizontal. Die Aufstiegsphase wird durch den aero-
dynamischen Auftrieb unterstützt und der benötigte Sauerstoff für den Antrieb der
828 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
1-stufiges Raumtransporter
Hyperschallflugzeug SSTO
Projekt
X33, NASA, USA
2-stufiges Raumtransporter
Hyperschallflugzeug TSTO
HSTM des DFG-SFB255
Projekt
HSTM des DFG-SFB255-München
Atmosphäre entnommen. Bei gleicher Baugröße kann ein Nutzlastanteil von nahezu
15 % theoretisch erwartet werden [Hic99, Hol97, Kop00, Gri04B, SFB05B, Kuc11B].
Nach einer erfolgreichen Trennung von Unter- und Oberstufe wird bei dem TSTO die
Oberstufe durch Raketentriebwerke beschleunigt und in die Umlaufbahn gebracht. Diese
können durch den bereits zuvor erfolgten Geschwindigkeits- und Höhengewinn entspre-
chend klein ausfallen. Die Unterstufe kehrt auf einer Brennstoff sparenden Abstiegsbahn
zu ihrem Ausgangspunkt oder zu einem Ausweichflughafen zurück (Abb. 8.8-1).
Neben den Raumtransporter-Aktivitäten in den USA (NASA u. a.) wurden auch in
europäischen Programmen wie FESTIP (Future European Space Transportation Inves-
tigations Programme) Studien initiiert. Daran gekoppelt wurden im Rahmen eines
Sonderforschungsbereiches SFB der deutschen Forschungsgesellschaft DFG an den
Technischen Universitäten in Aachen, Stuttgart und München Hyperschalltechnologie-
Programme mit luftatmender Unterstufe durchgeführt [SFB05B] und dies in Koope-
ration mit Industrie-Programmen wie solche der EADS und der MTU Aero Engines
abgestimmt.
Im DFG-Sonderforschungsbereich SFB255 „Transatmosphärische Flugsysteme“ in
München stand das Leitkonzept HTSM (Hypersonic Transport System München) im
Vordergrund, bei dem 3 Konzepte für Flug-Machzahlen bis M0 = 4, M0 = 6 und M0 = 8
als HTSM-4, -6 und -8 in Kooperation mit dem europäischen Forschungsprogramm
FESTIP-FSSC-12 in ihrer Funktionsfähigkeit untersucht und verglichen wurden. Aus-
zugsweise wird anschließend hier als Beispiel für ein typisches Hyperschall-Kombina-
tions-Triebwerk eines Raumtransporters das für M0 = 6 konzipierte Referenz-Konzept
HTSM-6R kurz in wesentlichen Bereichen vorgestellt (Abb. 8.8-3) [SFB05B, Hol97,
Kop00, Ric05].
8.8 Antriebe für Hyperschall-Raumtransporter HST 829
Forebody Subsystems
Precompression
Heat
Air Inlet Management
incl. Control Thermal
Performance
Analysis Analysis
c0 DDiv
DBl
c9
FI
Integration Antriebssystem-Fluggerät
Kombinations-Turbo-Ramjet-Triebwerkstypen
(a)
Kombinations-Turbo-Ramjet-Antriebssystem in Parallelbauweise
Turbofan-Triebwerk
(b)
Turbofan-Triebwerk
Abb. 8.8-5 Hyper-X-Demonstrator des NASA Dryden Flight Research Centers aus Hyper-X-Stu-
die der NASA mit Flugtest-Versuchsreihen in den Jahren 2000. Dazu CFD-Studie für M0 = 7 und
volle Triebwerksleistung (NASA ED 43968-02-01) in Abb. 2.5-18. Darstellung nach NASA und
Boeing Comp.
Integriertes Hyperschallflug-
Antriebssystem
Turbofan-Ramjet-
Kombinations-Triebwerk
Aerodynamik Flugmechanik
Aerodynamische Koeffizienten 6-Freiheitsgrad-Flugmechanik
als Funktion von Anstellwinkel α, geoidförmige, rotierende Erde
Schiebewinkel, Flug-Mach-Zahl
und Ruderauslenkungen des Flugzeugs
Auftrieb
MY D
FI,X
FI,Z FN,X
mg FN,Z
Flugmechanik Bookkeepingssystem
Quasi-zweidimensionales, Kräfte- und Momentenbilanz
stationäres und instationäres des 2-stufigen Raumtransporters
modulares Antriebsmodells
Rampen-Einlauf Rampen-Düse
Diverterstrom Druckkräfte
senstrom
geschluckte Hauptmas
Einlaufströmung Rampen-Düse SERN
Massenstrom-Überlauf
Lippen-Widerstand
FZ FLip Einlaufhals
FByp
1,0
A0/AC
0,3
0,8
0,4
Flächenverhältnis
0,6
0,5
0,6
0,7
0,4 Einlauf-
druckverhältnis Ein
0,2
0,0
2,0 3,0 4,0 5,0 6,0
Anström-Mach-Zahl M0
schematisch dargestellt. Für die Syntheserechnung ergibt sich das Problem, ein derart
komplexes Einlaufsystem mit tragbarem numerischem Aufwand möglichst realitäts-
nah zu modellieren, wobei auch das Einlaufverhalten bei „Unstart“ (Abschn. 3.3.4,
Abb. 3.3-8 und 3.3-8) und das Einlaufbrummen bzw. „Buzz“ (Abschn. 3.3.1) zu
berücksichtigen sind.
In Abb. 8.8-8 ist zusammengefasst zur Auslegungsstudie des Einlaufes für lokale
Anström-Mach-Zahlen das „Fangflächenverhältnis“ A0/AC. bzw. das Massenstromver-
hältnis ṁ0/ṁc dargestellt. Dazu ist der Arbeitsbereich gekennzeichnet und die resultie-
renden Totaldruckverluste sind über den gesamten Einlauf eingetragen.
Für eine lokale Anström-Mach-Zahl zum Beispiel von M0 = 3 (entspricht etwa einer
Flug-Mach-Zahl von 3,3) ist der Verlauf der Hals-Mach-Zahl Mthroat (throat) abhängig
von der Einlaufhalsfläche Athroat von Interesse.
Wird Athroat zu klein, blockiert der Einlaufhals im kritischen Zustand. Hals-Mach-
Zahlen zwischen 1,0 und 1,4 können in der Praxis nur schwer stabilisiert gehalten
werden, so dass im Flug die Halsfläche so eingestellt werden muss, dass Mthroat = 1,4
erreicht wird. Durch eine höhere Hals-Mach-Zahl ergibt sich jedoch auch eine höhere
Strömungsgeschwindigkeit vor dem abschließenden Verdichtungsstoß.
Der aufgefangene Massenstrom wird in der Regel begrenzt durch die Überschallströ-
mung an der Einlauflippe. Im unterkritischen Einlaufbetrieb („Unstart”) jedoch begrenzt
der Halsquerschnitt den Massenstrom (Abb. 8.8-9).
836 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
1.0
Fangflächenverhältnis A0 / AC
µ
0.6
Tendenz zum Unstart
0.4
0.0
0.2 0.4 0.6 0.8
Einlauf-Druckverhältnis total
Rampendüse Im Gegensatz zum Einlauf kann hier die Schubdüse in einer Syntheserech-
nung durch eine Kennfelddarstellung beschrieben werden. Mit entsprechenden CFD-
Methoden stehen Werkzeuge zur Verfügung, die eine Berechnung der Düsenkennfelder mit
für die Triebwerksleistungsrechnung ausreichender Genauigkeit erlauben. Diesen Verfah-
ren muss jedoch wegen des damit verbundenen Aufwandes bei der Gittergenerierung und
wegen des Rechenzeitbedarfs die Bestimmung einzelner Betriebspunkte vorbehalten bleiben.
Abb. 8.8-10 CFD-Rechnung für eine SERN-Schubdüse [Bau94, Kop00, Ric05] mit Zufuhr eines
Diverter-Luftstroms zur abgestimmten Anpassung der Heißgasabströmung
Rampendüse der Fall ist. Das Rumpfheck bildet dabei die obere Düsenkontur, der untere
Strahlrand stellt sich frei dem Betriebszustand entsprechend ein (Abb. 8.8-10).
Nachteil einer solchen Rampendüse ist die Richtungsvariation, die der resultierende
Kräftevektors, der Bruttoschubvektor, auf das Kontrollvolumen insbesondere im Teillastbe-
trieb durch die asymmetrische Geometrie ausübt (Abb. 8.8-11). Das für große Flug-Mach-
Zahlen und Düsendruckverhältnisse ausgelegte Abströmvolumen kann insbesondere im
Transschall und bei Teillast bei niedrigeren Düsendruckverhältnissen nicht genügend durch
den Triebwerksmassenstrom gefüllt werden. Dies führt zu niedrigen Schubbeiwerten in axi-
aler Richtung und unerwünschten abwärtsgerichteten Schubkräften. Die Bruttoschubvek-
torwinkel β können in der gewählten Konfiguration Abweichungen von bis zu über ± 20°
gegenüber der Triebwerksachse erreichen. Der negative Winkel des Bruttoschubvektors
erreicht im transsonischen Flug-Mach-Zahlbereich betragsmäßig seinen Maximalwert.
Besonders bei hohen Flug-Mach-Zahlen haben kleine Änderungen der Düsencharak-
teristik und Düsenanströmung beispielsweise aufgrund geringer Änderungen im Durch-
satz großen Einfluss auf den installierten Nettoschub. Vor allem Expansionsverluste und
der steigende Widerstand der unteren Düsenlippe wirken sich negativ auf die Gesamt-
leistung aus, was sich in einer reduzierten Steuerbarkeit des Systems widerspiegeln kann.
Durch die Zuführung des im Einlaufsystem entnommenen Divertermassenstroms
(Abb. 8.8-8) kann die Leistung der Düse und deren Charakteristik deutlich verbessert
werden [Hol97, Kop00, Ric05].
10,0
β [°] SERN-Schubdüse
0,0 zu erwartender
Winkelbereich
Bruttoschub-Vektorwinkel
β
-10,0
-20,0
FB
-30,0
β
B
s
c
h
u
b
tv
ro
w
k
ile
°n
Bruttoschubvektor
-40,0
0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0
Flug-Mach-Zahl M0
solchen komplexen Fluggeräten eine zentrale Rolle. In Abb. 8.8-3 wurde bereits schema-
tisch das Zusammenspiel der betroffenen Einzeldisziplinen gezeigt.
der mechanischen Drehzahl auf 105 % kompensiert werden. Über dieser Flugmachzahl
fällt der Nettoschub mit dem Druckverhältnis des Verdichters. Mit zunehmendem Total-
druck vor dem Fluggerät wird der Schubabfall abgeschwächt. Ab etwa Mach 2.9 führt dies
zu einem leicht anwachsenden Nettoschub. Bei M0 ≈ 3,2 erreicht die Verdichteraustritts-
temperatur den Grenzwert 1000 K. Der Schubverlauf über dieser Mach-Zahl spiegelt die
nötige Drosselung des Turbotriebwerks durch Drehzahlabsenkung wieder.
In Abb. 8.8-12 sind beispielhaft im in der Syntheserechnung verwendeten skalierten
LP-Verdichterkennfeld hervorgehobene Betriebspunkte einer Flugmission mit der Flug-
bahn entsprechenden Flug-Mach-Zahlen M0 eingetragen. Deutlich ist hier zu sehen, wie
mit steigenden Flug-Mach-Zahlen in den verschiedenen Flughöhen die Betriebspunkte
im Teillastgebiet des Kennfeldes verlaufen (z. B. Abschn. 8.3).
Im Ramjetbetrieb wird der Schubverlauf durch das Betriebsverhalten des Einlaufs
und die Missionsvorgaben für Flughöhe und Anstellwinkel dominiert. Eine Ausnahme
bildet der Bereich bei niedrigen Flug-Mach-Zahlen. Wegen des hier noch relativ niedri-
gen Druckverhältnisses über Vorverdichtung und Einlauf kann das Ramjet-Triebwerk
den vom Einlauf gelieferten Massenstrom nicht verarbeiten, es muss ein Teilmassenstrom
durch das Einlauf-Bypasssystem abgeführt werden. Begrenzend wirkt die maximal mög-
liche Öffnung des Düsenhalses bei geöffnetem Diverter unterhalb einer Flug-Mach_Zahl
von 3,5. Bei geschlossenem Diverter ist dies unter einer Flug-Mach-Zahl von 4 der Fall.
In Abb. 8.8-13 sind die Kennfelder für Vollschub (Nettoschub) im Turbobetrieb und
im Ramjetbetrieb jeweils für einen Flugzeug-Anstellwinkel von 6° dargestellt. Als Para-
meter ist der für die Flugmechanik bedeutende Winkel des Nettoschubvektors eingetra-
gen. Neben den Kraftkomponenten ist für die Flugmechanik auch das Abtriebsmoment
um die Querachse und eine Angabe über Brennstoffverbrauch von großer Bedeutung.
Beim Betrieb des HTSM-6R-Kombinationstriebwerks sind für bestimmte Parameter
Grenzwerte zu beachten. Beim hier betrachteten Referenztriebwerk sind als Mindestsatz
folgende Betriebsgrenzen gegeben:
Brennkammerdruck: Mit steigenden Werten für Flug-Mach-Zahl und Staudruck
wächst der Totaldruck im Triebwerksinneren an. Er darf einen, von der Strukturausle-
gung vorgegebenen Wert nicht überschreiten.
Flugzeuganstellwinkel: Ein Hineinlaufen der äußeren Verdichtungsstöße in den
Einlauf ist zu vermeiden. Entsprechend existiert für jede Flug-Mach-Zahl größer als die
maximale Einlaufanström-Mach-Zahl ein minimaler Anstellwinkel, bei dem diese maxi-
mal zulässige Anström-Mach-Zahl des Einlaufs nach der Vorverdichtung erreicht wird.
Totaltemperatur: Im Ramjetbetrieb sollte eine vorgegebene Maximaltemperatur
in der Brennkammer nicht überschritten werden. Eine Reduktion der Schubforde-
rung und damit des Stöchiometrieverhältnisses führt in diesem Fall zur Erhöhung der
Verbrennungstemperatur.
Neben den Volllast-Betriebszuständen des Kombinationsantriebs muss für eine Opti-
mierung des Gesamtsystems Raumtransporter HST auch das Teillastverhalten bekannt sein.
Vor allem bei Flugmanövern wie Start und Steigflug sowie bei Oberstufen-Absetzmanövern
oder beim Rückflug zum Startplatz sind Teillastzustände des Triebwerks zu beachten.
840 8 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan und Kombinationstriebwerken
2,6
Niederdruck-Verdichter LPC
LPC Volllast-Betriebspunkte bei M0 während
2,4
Raumtransporter-Aufstiegsbahn
Auslegungspunkt bei M0=1,2
2,2
Druckverhältnis LPC
M0=1,2=M0,A
2,0
1,8 M0=1,8
1,6 M0=2,4
M0=3,0
1,4
M0=3,6 120
M0=4,0 100
1,2 90
80 nred,rel [%]
1,0 70
60
50
Anstellwinkel Flugzeug
konstant 6°
700
Flugzeu ganste llwinke l
[kN] konstant 6°
10 km 12 km
600 Höhe = 8 km
max
S
Sta
tauuddrruuck
[kN]
ck q 14 km
500 q==7700 kPa
k Pa
Net,
16 km
FNET,XF,max
5
50 k0 kPa
400 Pa
Nettoschub
Nettoschub
300 18 km
30 kkP
Paa
200
15°
15°
12.5°
17.5°
10°
100
20°
10°
20°
7.5°
5°
5°
0°
2.5°
0°
-5°
-2.5°
-5°
Vektorwinkel βσ
-10°
Nettoschub
-20°
-15°
Ne ttoschubvektorwinkel
-20°
0
1.5
1,5 2.0
2,0 2.5
2,5 3.0
3,0 3.5
3,5
Flug-Mach-Zahl M0
Nettoschub-Kennfeld
Turbofan-Betrieb Volllast MUSYN
Vollast-Nettoschubkennfeld - Turbobetrieb
500
FNet,max 20km
20 km 22
22 km
km 24km
24 km Flugzeuganstellwinkel
Anstellwinkel Flugzeug
Höhe=18
Höhe =18 km
km konsta nt 6°
konstant 6°
[kN]
400 10 26 26 km
km
FNET,X,max [kN]
1
99 00MPk
StaSutadur 80 0000
8 Pa a
du ckckq=q7
ru 770 000 k kP k 28
28km
km
=0 000 P a
kPk kPaa
Nettoschub
5 0kkPPa
a Pa a
300
30 km
30 km
Nettoschub
Stau
30 kPa
druck q=30
200 kPa 32 km
km
34 km
34 km
36 km
36 km
100
18°
19°
38
38 km
km
20°
21°
Nettoschub-
18°
23 °
24°
19°
28°
27°
26°
25°
22°
21°
20°
Nettoschubvektorwinke σ= Vektorwinkel β
0
4.0 5.0 6.0 7.0
4,0 5,0 6,0 7,0
Flugmachzahl
Nettschub-Kennfeld Flug-Mach-Zahl M
Festigkeitsgrenze0 Staubrennkammer - Druck
Ramjet-Betrieb Volllast Festigkeitsgrenze Staubrennkammer Druck [kPa]
Normaler Einlaufbetrieb
FI F Net FN
F Nac M 0= 5
(a) Normalbetrieb
FI FN
F Nac F Net
Einlauf - choking
FN
F Nac M 0= 5
FI
F Net
von der Schubforderung. Wegen der großen Bedeutung für den Kräfte- und Momenten-
haushalt des Fluggerätes muss dieses für integrierte Antriebssysteme charakteristische
Verhalten in Untersuchungen zur Flugmechanik berücksichtigt werden.
Schwierigkeitsgrades zur Bestimmung des Störverhaltens ergibt sich, wenn z. B. durch
einen Fehler in der Regelung der Düsenhalsfläche der Einlauf so stark angedrosselt wird,
dass der abschließende senkrechte Verdichtungsstoß vor den Einlauf gedrückt wird. Die
Fehlersituation des „unstarted inlet“ wurde hier in dem vorgestellten HTSM – Projekt
mit einem Navier–Stokes-Verfahren untersucht.
Abbildung 8.8-14 zeigt das resultierende Kräftesystem für den regulären Triebwerks-
betrieb und für Beispiele der untersuchten Triebwerksstörungen. Da bei ausgestoßenem
senkrechtem Verdichtungsstoß die Druckverteilung an der unteren Triebwerksverkleidung
große Veränderungen erfährt, wurde der Antriebskontrollraum entgegen der üblichen
Konvention für die Untersuchung des Triebwerksausfalls um diese Fläche erweitert.
Bei erloschener Brennkammer und regulärem Einlaufbetrieb bleiben die Einlaufkräfte
unverändert, das Triebwerk produziert Auftrieb und Widerstand. Auch der „kalte“ Fluid-
strom ist aufgrund des großen Druckverhältnisses in der Lage, das Abströmvolumen der
Schubdüse aufzufüllen. Bei nicht gestarteter Einlaufströmung mit 90 % Luftmassenstrom
erfahren die Kräfte und das Moment nur relativ kleine, bei 20 % Luftmassenstrom verhält-
nismäßig große Veränderungen. Die Änderung der Einlaufkraft hat wegen des geringen
Hebelarms zum Schwerpunkt nur einen mäßigen Einfluss auf das Abtriebsmoment. Der
stark reduzierte Massenstrom führt zu einer überexpandierten Düsenströmung. Das resul-
tierende Stoßsystern in der Schubdüse liefert einen großen kopflastigen Momentenbeitrag.
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Literatur 853
Turboshaft-Gasturbine TS
45 5 7 8
0 1 2 3 4
Diffusor
PPT
mr nr nr
Wartbarkeit, weiterhin der Kosten, der Lebensdauer und damit der Wirtschaftlichkeit
sowie nicht zuletzt die umweltbedingten Forderungen bezüglich Lärm- und Abgaswerte.
Ebenso können zusätzliche Anforderungen maßgeblich Einfluss gewinnen wie flexi-
ble, vielseitige Einsatzbereiche in gegebenenfalls schwierigen Flugzuständen mit extre-
men, kurzzeitig wechselnden Höchstbelastungen einschließlich eventueller Belastungen
in Notbetriebszuständen.
Viele der genannten Aufgaben und Anforderungen sind mehr oder weniger intensiv
vom Übertragungsverhalten der Antriebskomponenten bzw. vom gesamten Regelver-
halten des Antriebssystems abhängig. Mit der Entwicklung der Fluggasturbine in den
9.1 Instationäres Betriebsverhalten und Simulation 857
p,T, h p,T, h
PC
E m Modul Verdichter C m A
A, M nC A,M
vergangenen Jahren musste deshalb auch die Entwicklung und Analyse des Regel- und
Übertragungsverhaltens der Flugtriebwerke, besonders der komplexen Verbund-Tur-
boluftstrahltriebwerke hin bis zu Mehr-Wellen-Mehrstromtriebwerken mit variablen
Arbeitsprozessen in verstärktem Maß beachtet werden. Weiterhin ist die Kenntnis des
Triebwerksübertragungsverhaltens bei Simulationsaufgaben der Flugtechnik mit Echt-
zeitanforderungen von Bedeutung. Je nach Flugzeug und Flugmission werden vom
Antriebssystem direkt oder indirekt Schübe beziehungsweise Kräfte für Vortrieb, Auf-
trieb und eventuell Steuerungsaufgaben erzeugt, die sich abhängig vom jeweiligen
Betriebszustand in Betrag und Richtung zeitlich ändern. Daneben muß in zahlreichen
Betriebzuständen vom Triebwerk Druckluft und über zusätzliche Abtriebswellen Leis-
tung zum Antrieb von Hilfsgeräten aufgebracht werden. Abbildung 9.1-2 zeigt beispiel-
haft zusammengefasst schematisch für die Turbomaschinen-Komponente Verdichter
Vorgänge und Einflüsse, die im Zusammenhang mit den hier angesprochenen Aufgaben
des geregelten und überwachten Betriebsverhaltens von Bedeutung sind.
Die Problematik bei der Syntheserechnung und Triebwerkssimulation ist häufig die
sich gegenseitig widersprechende Forderung nach einer hohen Geschwindigkeit der
Berechnung einerseits und einer möglichst hohen Detailtreue der Modellierung ande-
rerseits. Bei den Berechnungen ist unabhängig vom Grad der Komplexität und der
zugrunde liegenden Simulationsmethode zwischen stationärer, transienter und dynami-
scher Simulation zu unterscheiden.
858 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
dṁSp
ṁA (t) = ṁE (t) − ṁi (t) − (9.1-1)
dt
ĖE (t) + Pi (t) = ĖA (t) + Ėi (t) + Q̇i (t) + ĖSp (t) (9.1-2)
Turboshaft-Gasturbine TS Vorgabe n1
1,1
n C,rel
PPT = 1100 kW
Beschleunigung Verzögerung
Verdichterdrehzahl
Instationäre Syntheserechnung 1,0
mit Rotoren-Energiespeicherung
0,8 Drehzahl
0 1 2 3 4 45 5 7 8 Verdichter nC = n1
0,8
Drehzahl PT-Rotor nPT = n2 const
PPT 0,7
1550 Beschleunigung
T41 [K]
1500 Verzögerung
Drehzahlen
Turbineneintrittstemperatur
1450
n 1 = n C = n HPT
n 2 = n LPT = n PT 1400
1350
Rotor-Leistungen 1300
dn Temperatur Tt41
ER (t) = PR (t) = M =( 2 1250
) pol n
30 dt
1200 ohne Sekundäreffekte
1150
0 5 10 15 20
Zeit t [s]
Verzögerung von B2 wieder auf B1 zurück mit dem typischen Verlauf der instationä-
ren Betriebslinien im Verdichter- und im Niederdruckturbinen-Kennfeld dargestellt
(Abb. 9.2-2, 9.2-3).
Abhängig vom Rotor-Trägheitsmoment ΘRotor werden primär die instationären
Vorgänge besonders bei sehr schnellen Beschleunigungen und Verzögerungen beein-
flusst. Die Massenträgheit des Rotors bewirkt bei Lastwechseln zum Beispiel bei einem
Gasgenerator GG in der Energiebilanz am Rotor quasi wie eine Leistungsabgabe oder
Leistungszufuhr und verursacht analog dazu eine Verschiebung des aktuellen Arbeits-
punktes im Verdichter-Kennfeld in Richtung der Pumpgrenze oder in Richtung der
Schluckgrenze. Bei der numerischen Syntheserechnung nach GTSYN bzw. [GasTurb]
dieser instationären Vorgänge wurden deshalb hier für die Ergebnisse in Abb. 9.2-1,
9.2-2 und 9.2-3 nur die kinetische Rotorenergie und hier keine Sekundäreffekte
berücksichtigt.
Wird ein intensiver Brennstoffsprung zur Beschleunigung oder Verzögerung vor-
gegeben (Abb. 9.2-2), dann kann dies abrupt zum Verdichter-Pumpen oder bei Ver-
zögerung zum Erlöschen der Brennkammerflamme führen. Dieses Vorgehen mit
862 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
16
p t3 /p t2
14 Verdichter C
B2
12
Beschleunigung
nach Vorgabe
10
Druckverhältnis
Brennstoff- 1,05
Sprungeingabe B3
8 1,00
B1 0,90 Verzögerung
6
0,80
4
stationäre Betriebslinie
nC rel= 0,70
2
Syntheserechnung
ohne Sekundäreffekte
0
1,6 2,0 2,4 2,8 3,2 3,6 4,0
red. Durchsatz [kg/s]
4,0
LP-Turbine LPT
3,6
Syntheserechnung
ohne Sekundäreffekte
3,2 B2 Verzögerung
Totaldruckverhältnis
2,8
Beschleunigung
2,4
B3
2,0
B1
1,6 1,2
1,1
nPTrel = 0,8 0,9 1,00
1,2 stationäre Betriebslinie
Sekundäreffekte
Wärmeübergänge Grenzschichtprobleme Flammen-/Heißgasstrahlung
(Platten, Schaufeln, Strömungsablösung Brennstoffaufbereitung
Gehäuse) Interferenzen chemische Reaktionskinetik
Auswirkungen
TG,E,(t)
x TG,A,(t)
L
Q H,(t)
(m cpT ) G,E,(t) (mc pT )G,A,(t)
OH αH
(m c )M TM,(t) Q M,(t)
OK αK
(mc pT )K,E,(t) (m cpT )G,A,(t)
Q K,(t)
TH,E,(t)
TH,A,(t)
TK,A,(t)
TK,E,(t)
x
L
Als Erweiterung der in Abschn. 9.3.1 gegebenen Hinweise zur Berechnung der instatio-
nären Wärmetauschvorgänge mit Hilfe der Modelle der „ungekühlten“ und „gekühlten“
Bauteile werden für Bauteile mit Wärmetauschereigenschaften oder kompletten zum
Beispiel Rekuperator-Wärmetauschern zusätzliche Rechenmodelle notwendig, wie nach
[Kay73B] am Beispiel einer Gasturbine mit Gegenstrom-Rekuperator in [Ric82] gezeigt
wird. Hierbei wird die Auslegung des 1100 kW-Zweiwellen-Triebwerks entsprechend
dem Modell-Triebwerk nach Abschn. 2.9, 7.3.2 und 7.4 beachtet.
Modell „Gegenstrom-Wärmetausch“
TH, E, t = ∞
TH
TH, E, t = 0
TK, A, t = ∞
fa,2
TH,A, t = ∞
TK, A, t = 0
fa,1
TH, A, t = 0
TK,E,t = 0, ∞
x
L
Q K,(t)
(m cpT )K, A, (t) (m c pT )K, E, (t)
Abb. 9.3-4 Modell „Gegenstrom-Wärmetausch“ als vereinfachtes GTSYN-Rechenmodell zur
Wärmeübertragung bei Triebwerks-Bauteilen
Die Wärmeströme in die Schaufeln und in das Gehäuse vollziehen sich schneller als der
Wärmestrom in die Rotorscheibe [Ric82, Fio93]. Unterschiedliche thermische Ausdeh-
nungen resultieren in typischen Spaltänderungen bei Beschleunigung und Verzögerung.
Diese beeinflussen merkbar die Wirkungsgrade, insbesondere der Turbine, und somit
die Charakteristik des Gesamtsystems [Kur92, Fio93, Kop00, RTO07B].
Eine Berechnung von Spaltänderungen für die erweiterte Leistungsrechnung erfordert
somit die Implementierung thermischer und mechanischer Bauteilmodelle (Abb. 9.3-5).
Voraussetzung ist dazu eine vorherige thermische und mechanische Diskreti-
sierung aller zu berechnenden Komponentenbauteile aus der Stufengeometrie. Zur
Berechnung der Wärmeübergänge zwischen Fluid und Bauteilgruppen wurden die
diskutierten Modelle, die das thermische Verhalten ähnlich den Originalbauteilen
wiedergeben [Fio93]. Um den durch die nur eindimensionale thermische Diskretisie-
rung entstehenden Fehler beurteilen zu können, kann auf der Basis einer Finite-Dif-
ferenzen-Modellierung ein zweidimensionales Rechenverfahren für die Rotorscheiben
der Turbokomponenten angewandt werden. Als Resultat eines solchen Vergleichs
9.3 Instationäres Betriebsverhalten und Sekundäreffekte 871
in [Fio93, Hol97] ist festzuhalten, dass trotz einer Abweichung der berechneten
Temperaturen von zum Beispiel maximal 8,5 % die Abweichung der Dehnungskurven
1,5 % nicht überschreitet, was die thermische Diskretisierung der Bauteile in dieser
Art rechtfertigt.
Zur Bestimmung der Materialausdehnung muss beachtet werden, dass die zugrunde-
liegenden gemessenen Kennfelder für stationäre Betriebspunkte gelten und damit bereits
stationäre Spaltverluste enthalten. Dies bedeutet, dass nur während des instationären
Vorgangs zusätzliche Wirkungsgrad änderungen betrachtet werden dürfen. Dazu muß
zu jedem Zeitpunkt der Temperaturunterschied ΔT = TMat;ist− TMat,stat zwischen der
aktuellen Materialtemperatur TMat,ist und der korrespondierenden, stationären Material-
temperatur TMat,stat bekannt sein.
Die Kombination aus numerischer Wärme- und Spaltmodellierung erlaubt es nun nicht
nur die resultierenden Effekte zu simulieren, sondern auch gezielt das Betriebsverhalten
durch den Regler positiv beeinflussen zu können. Als besonderes Beispiel sei hier die soge-
nannte „Active Clearance Control“ ACC bei Turbinenstufen genannt. Eine Variation der
Kühlluftzumischung in Schaufel- und Gehäusestrukturen in Abhängigkeit von der gewähl-
ten Laststufe oder des geforderten Lastwechsels führt zu einer aktiven Spaltbeeinflussung,
die insbesondere zu einer Leistungssteigerung aufgrund besserer Wirkungsgrade in den
Turbokomponenten durch schnelle digitale Regelsysteme führt (Abschn. 4.2.7).
872 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
C Kennfeld Verdichter C
Verschiebung der Stabilitätsgrenze und
der Arbeitslinie im Verdichterkennfeld
6
Verdichterdruckverhältnis
durch Sekundär-Effekte
5
SL
e
4 e nz
sgr Kennfeld-Ausschnitt
ät
3 ilit Stationäre
ab
St 100% Arbeitslinie WL
2 90%
80% Drehzahl red. n red
60% 70%
1
Massenstrom red.
Kennfeld-Ausschnitt
rn
en
ranz
Inte
n g stole rung)
u e
stell ion (Alt
nominelle Stabilitätsgrenze Her t ten
riora sien
Pumpgrenze SL Dete le Tran hler
rma g Fe
The ckin
ern
T r a
or
Stat tion
Ext
en
Dist
or ranz
n Tole
ort io
Dist ave
s
ar W rve
Plan ese
sr
ilit ät
reale Pumpgrenze SL
tab
n de S ient
en
eibe ans
rn
gstr
erbl u n
Inte
t
reale v is
r Le ienten
t. de ns
Arbeitslinie WL Varia ungstra rung
)
e is t (Alte en
L tio n
riora ranz
Dete stole
t e ll ung
nominelle s
Her
Arbeitslinie WL
Hierfür kommen alle bis hierher vorgestellten Modelle simultan zum Tragen. Dies
betrifft besonders das Kühlluftmodell einer komplett gekühlten Turbinenstufe durch
simultane Berücksichtigung der Kühllufteffekte sowohl für die Schaufel- als auch für
die Gehäuseausdehnung, die Modellierung der Spalteffekte resultierend aus den unter-
schiedlichen Materialdehnungen, den mechanischen Belastungen und den Belastungsän-
derungen sowie eine „Kontrolle“ des Spaltes durch Variation der Kühlluftmassenströme
auf die Gehäuseoberfläche in Abhängigkeit von der Dynamik des Triebwerkes. Das in
Hinsicht auf Wärmeausdehnungen schneller reagierende Gehäuse kann somit derart
beeinflusst werden, dass der Spalt einerseits klein gehalten werden kann, um gute Wir-
kungsgrade zu ermöglichen, andererseits groß genug, um ein Anschleifen der Schaufels-
pitze zu vermeiden.
9.3 Instationäres Betriebsverhalten und Sekundäreffekte 873
Die Stabilität der Verdichter und somit des gesamten Triebwerks hängt bei den hier
behandelten Gasturbinen und Flugantrieben besonders bei den Antriebssystemen von
Hyperschallflugzeugen (SFB05B; Kop00; Ric05] stark von der drallfreien oder drallbehaf-
teten Strömung im Kanal zwischen Einlauf und Turbotriebwerkseintritt ab (Abb. 9.3-6).
Der Querschnitt des Einlaukanals wird häufig von rechteckig auf rund überführt
(Kap. 3).
Mit Hilfe des Modells der „parallelen Verdichter“, [Kur92, Lon92, GasTurb] ist es
möglich, die damit verbundenen unterschiedlichen Druck- und Temperaturprofile der
Anströmung zu modellieren. Ist der gestörte Sektor klein, können lokale Instabilitäten
ausgeglichen werden. Ab einer kritischen Größe des gestörten Bereichs gerät der gesamte
Verdichter in instabile instationäre Betriebsbereiche bzw. Pumpen (surge). Im Verdich-
terkennfeld ist dieser Zusammenhang durch „Verschieben“ der effektiven Stabilitäts-
grenze zu einem gemittelten Betriebspunkt der beiden Parallelverdichtermodelle und die
daraus resultierende Reduzierung des Pumpgrenzabstandes feststellbar [Lon92, Hol97,
RTO07B].
Auf den Zusammenhang und die Bedeutung des stationären und instationären Betriebsver-
haltens von Fluggasturbinen sowie deren digitale Simulation mit Hilfe von angemessenen,
numerischen Rechenmodellen wurde in Abschn. 4.2 (Turboverdichter) sowie Kap. 7 und 8
hingewiesen. Anschließend wird in Anlehnung an den praktischen Flugbetrieb am Beispiel
eines Hubschrauber-Triebwerks der Leistungsklasse um 1100 kW (Abschn. 7.2 und 7.3)
gezeigt werden, unter welchen Einflüssen und Umgebungsbedingungen die Turboshaft-Gas-
turbine besonders instationär betrieben wird und wie prinzipiell deren Betriebsverhalten mit
Syntheserechnungen auch in Echtzeit simuliert werden kann (Abb. 9.4-1).
Die in einem Hubschrauber meist eingebauten 2 Triebwerke sind im oberen Teil der
Zelle nahe der Rotorachse platziert. Zu- und Abströmung liegen mehr oder weniger im
Bereich des Strömungsfeldes des Hauptrotors (Kap. 3). Dieses Strömungsfeld unterliegt
weiterhin noch Wind- und Böeneinflüssen, sodass beim Anlassen, Bodenleerlauf und
Starten sowie bei Landevorgängen und bodennahen Flügen abhängig vom Lastzustand
äußere Störeinflüsse und Ansaugen von Fremdstoffen (FOD) auf die Arbeit der Gastur-
bine einwirken.
Beim Durchstarten des Hubschraubers oder beim Ausfall eines Triebwerks sind aus
Sicherheitsgründen die Beschleunigungsfähigkeit des Triebwerks sowie der Betrieb im
Überlastbereich von großer Bedeutung. In den nachfolgenden Abschnitten werden des-
halb rechnergestützte Simulationen und mathematische Modelle vorgestellt, mit denen
Untersuchungen zu den oben genannten Vorgängen durchgeführt werden können.
874 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
Antriebssystem Hubschrauber
Signalflußplan
Regelung
Hauptrotor
Triebwerk I Triebwerk II
PEx mEx L PC mLBr n T TT nPT
nR
Triebwerkssystem Pilot
Regelung mit
- Beschleunigungs-Regelung
- Temperatur-Begrenzung
Leistungshebel Anstellwinkel
- Drehzahl-Begrenzung
- Momenten-Begrenzung mit Trimmung (n Rotor ) Rotorblatt (Pitch)
- Leistungs-Synchronisation TWI / TWII
- Automatische Regelung bei Ausfall Vorgabe Leistungs- Anlassen, Leerlauf,
eines TW, Hochfahren intaktes TW ... niveau gemäß nC Flug
sind. Durch die Verstellung der Heckrotorblätter verändert der Pilot mit den Pedalen
das Gegendrehmoment zum Hauptrotor und steuert auf diese Art den Hubschrauber um
die Hochachse. Die Steuerung von Vorwärts- und Seitenbewegungen sowie die Einlei-
tung von Kurvenflügen werden vom Piloten durch Bewegungen des Steuerknüppels oder
Sticks (control stick) ausgeführt, die eine Änderung der Richtung des resultierenden Auf-
triebsvektors am Hauptrotor bewirken.
Das für den Flug benötigte Leistungsniveau wird vom Piloten über den Leistungs-
hebel freigegeben. Entsprechend den Steuereingaben am Blattverstellhebel ändern sich
der Rotorauftrieb bzw. das Rotordrehmoment und damit die Leistungsanforderung für
das Triebwerk. Die Regelanlage des Antriebssystems bestehend aus Turboshaft, Getriebe
und Rotor hat die Aufgabe, die vom Piloten am Hauptrotor indirekt geforderte Leistung
bei möglichst gleichbleibender Rotordrehzahl sicherzustellen. Ein typisches Schema
des Signalflusses der Regelanlage eines Hubschraubers ist mit einigen Erläuterungen
in Abb. 9.4-1 zusammengestellt. Da im normalen Flugbetrieb eines Hubschraubers der
Lastzustand des Triebwerks häufig gewechselt wird, ist es Aufgabe der Regelanlagen den
Piloten von der Überwachung und Steuerung der Antriebsanlage zu entlasten. Dies führt
zu einer weitgehend automatisierten Regelanlage. Dem schematischen Wirkschaltplan
des Systems Regler-Triebwerk-Rotor dieses Bildes ist zu entnehmen, dass die Regelung
der Antriebsanlage aus zwei gekoppelten Regelkreisen besteht, die je nach Betriebs- und
Flugzustand des Triebwerks oder des Hubschraubers verschiedene Prioritäten besitzen.
Der innere Regelkreis mit der Regelgröße „Drehzahl des Verdichter-Turbinen-
Rotors“ nHT kontrolliert beim Anlassen, im Bodenleerlauf und in Sonderfällen den
sicheren Betriebszustand der Gasturbine. Zum Start des Hubschraubers wird der Leis-
tungshebel auf Flugbetrieb eingestellt und der äußere Regelkreis mit der Rotordrehzahl
nR bzw. nNT als Regelgröße übernimmt sodann mit Priorität für den Flugzustand die
Regelung des am Rotor geforderten Drehmomentes bei möglichst konstanter Drehzahl
um nR = 100 %. Treten während des Flugbetriebs extreme, das Triebwerk gefährdende
Belastungszustände auf, übernimmt für diese Vorgänge der innere Regelkreis mit nHT
die Kontrolle des Triebwerks. Dieser innere Kreis besitzt deshalb Elemente zum Beispiel
für die Beschleunigungsregelung sowie für Temperatur- und Drehzahlbegrenzungen.
Es sei hier angemerkt, dass bei Gasturbinenanlagen der Energie- und Kraftwerkstech-
nik (Abschn. 2.8) die Regelung auf konstante Abtriebsdrehzahl ähnlich der Triebwerks-
regelung von Hubschrauber-Triebwerken erfolgt.
Betriebsablauf gestartet. Zeitschritt Δt und Zeitdauer des instationären Betriebs sind mit
der Dateneingabe des Punktes Bi vorzugeben. Entsprechend werden nacheinander ablau-
fend die jeweiligen instationären, zeitabhängigen Betriebspunkte Bi(t) quasi wie ein sta-
tionärer Betriebspunkt iterativ bestimmt, wie bereits in Abschn. 7.2 allgemein erläutert
wurde. Ist die Berechnung eines Punktes Bi(t) zum Zeitpunkt t abgeschlossen, dann wer-
den die aktuellen Werte zur Zeit t abgespeichert, um anschließend zur Berechnung der
zeitlichen Ableitung des nächsten Zeitschrittes t+Δt zur Verfügung zu stehen.
Die auf das Triebwerk einwirkenden Steuer- und Regelgrößen sowie triebwerksex-
terne und -interne Störgrößen sind in einem Eingabe-Unterprogramm als Funktion von
der Zeit vorzugeben. So können analytisch oder punktweise beziehungsweise in Form
von Datenfeldern abhängig von der Zeit beliebig die Triebwerksgrößen eingegeben wer-
den. Dies können zum Beispiel Größen sein wie:
Durch eine derartige Vorgabe von zeitabhängigen Triebwerksparametern sind die Vor-
aussetzungen geschaffen, mit einer Syntheserechnung auch regeltechnische Aufgaben in
der Struktur von GTSYN-Programmen mit einzubeziehen.
Wesentliche Haupteinflussgrößen auf das instationäre Betriebsverhalten bei Hub-
schrauber-Antriebssytemen sind einmal die Trägheitsmomente der Rotoren des Trieb-
werks selbst sowie die des Hauptrotors und Heckrotors, zum anderen die Wärmeströme
zwischen den Luft- und Heißgasmassenströmen besonders in der Turbinensektion und
dem gasbeaufschlagten Material. Für die instationären Syntheserechnungen auf der Basis
von iterativ zu bestimmenden Arbeitsprozessrechnungen werden bei den Energiestrom-
oder Leistungsbilanzen die Trägheitsmomente und Drehzahlen der am System betei-
ligten Rotoren benötigt. Für einen zweimotorigen Hubschrauber errechnet sich zum
Beispiel das gesamte Trägheitsmoment des Abtriebs an der Nutzturbine
2
nR nHeck − Rotor
ges = KT 2LPT + R + Heck − Rotor (9.4-1)
nLPT nLPT
Der Flugbetrieb von Hubschraubern insbesondere die Start- und Landevorgänge müssen
sicher und zuverlässig ausgeführt werden können. Hierzu werden von den Flugsicher-
heitsbehörden zum Beispiel Vorschriften zu An- und Abflugverfahren auch für Flug-
situationen nach dem Ausfall eines Triebwerks definiert. Bei den nach der Kategorie A
zugelassenen Hubschraubern muss nach einem Triebwerksausfall die sichere Rückkehr
zum Startplatz oder ein Flug mit verminderter Leistung des zweimotorigen Antriebssys-
tems durchgeführt werden können.
878 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
Sprung-Beschleunigung
Bereich: Kanal Innen
Bereich
62,5 Kanal Verdichter C
LPT Brennkammer B
50,0 Hochdruck-Turbine HPT
Niederdruck-Turbine LPT
HPT
37,5
B
25,0
B
12,5
Innen
0
0 4 8 12 18 20 24 28 32
Zeit t [s]
Abb. 9.4-2 Sprungartige Teillast-Volllastbeschleunigung simuliert bei einem Turboshaft-1100 kW-
Hubschrauber-2-Wellentriebwerk mit den Wärmeströmen Q̇i in die einzelnen Komponenten
300
PW [kW] Simulation
( )
250 Leistung Triebwerk II
Testflug
Leistung Triebwerk I, II
200 ( )
150
Verdichter-Drehzahl
100
100 Rotor-Drehzahl [%]
95
Drehzahl
50
Leistung Triebwerk I
90
0
85
0 1 2 3 4 5 6 7 8
Zeit nach Ausfall von Triebwerk I [s ]
Abb. 9.4-3 Triebwerksausfall numerisch simuliert im Vergleich zu Ergebnissen aus einem Flug-
versuch. Ausfall von Triebwerk I. Triebwerk II auf Volllast [Ric82, Gab98, Pre01, Hön13]
1100 kW Turboshaft-Gasturbine
Simulation
ohne Regler mit n1/n2-Regler
100
n1 [%]
95
Drehzahl
90 Drehzahl GG
85 Vorgabe
80
1200
PW [kW]
1000
Leistung
800 Wellenleistung
600
400
1600
Tt4 [K] zul. Höchsttemperatur
1400
Temperatur
1000
0 1 2 3 4 5 6 7 8
Zeit [s]
Abb. 9.4-4 Kurzzeit-Lastwechsel mit Kalt-Heiß-Beschleunigung ohne und mit Berücksichtigung
von Grenzwerten (z. B. Tt4) durch eine Regelung
Wärmestrom vom Heißgas ins Material fließt, da durch die vorausgegangene Verzöge-
rung keine merkliche Abkühlung des Triebwerks auftritt.
Abbildung 9.4-4 zeigt weiterhin die Triebwerksreaktion auf die zuvor beschriebene
Sollvorgabe unter Beachtung der vorgegebenen Grenztemperatur Tt4,max = 1450 K
(gestrichelte Kurve). Der Regler sorgt dafür, dass trotz der schnellen Triebwerksbeschleu-
nigungen die vorgegebene Grenztemperatur nur geringfügig überschritten wird und
dadurch eine Triebwerksbeschädigung verhindert wird. In Abb. 9.4-4 unterscheiden sich
882 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
20
Stabilitäts-Grenzbereich
ohne und mit Distortion
C
16
„Heiß“-Beschleunigung
Verdichterdruckverhältnis
„Kalt“-
Beschleunigung
B2
12
110%
100%
instationäre Betriebslinie
8 B1 Heiß Beschleunigung
B1 Verzögerung
stationäre Betriebslinie
Beginn der Kalt“-Beschleunigung
nred=80%
4
LP-Verdichter
HP-Verdichter
2-stufig
4-stufig
Schub-Ringdüse
sekundär
primär
LP-Turbine
1-stufig
Ringbrenn- HP-Turbine
kammer 1-stufig
Turbofan-Triebwerk SNECMA-Larzac
η
[%]
ηis 1,5
0,0
SFC f
Wirkungsgrad-Änderung
1,0
2,0
0,5
4,0
LPC HPC HPT LPT
η
Auswirkung von = 1%
η is
0,0 0,01 0,02 0,03 0,04 Turbofan-Triebwerk
Welle nleistungsgasturbine
s
Spaltänderung rel.
h
Abb. 9.5-2 Auswirkung tendenziell von Spitzenspalten auf Wirkungsgrad und SFC bei einem
Turbofan-Triebwerk und bei einer Turboshaft-Gasturbine nach [Hen82, Fio93]
die nur einer relativ schwachen Fluidströmung von Kühl- oder Ventilationsluft ausge-
setzt sind, wodurch der konvektive Wärmeübergang im Vergleich zu anderen Bauteilen
gering ist, erwärmen und dehnen sich nur langsam. Laufschaufeln und Scheiben weisen
zudem eine fliehkraftbedingte Dehnung auf, welche der Drehzahländerung ohne zeitli-
che Verzögerung folgt. Der Spalt zwischen Schaufelspitze und Gehäusewand wird des-
halb bei Beschleunigen des Triebwerks aus einem „kalten“ Zustand heraus mit steigender
Drehzahl aufgrund der Fliehkräfte und der schnellen Erwärmung der Schaufeln zunächst
kleiner, wegen der unterschiedlichen Wärmedehnungen aber danach wieder größer. Er
erreicht erst nach relativ großen Zeiträumen von 10 bis 20 min kriechend einen stationä-
ren Zustand (Abb. 9.5-3 und 9.5-7).
Bei einem Verzögerungsvorgang kehren sich die Verhältnisse um, d. h. das Gehäuse
kühlt schneller ab als die Scheiben, was im ungünstigsten Fall dazu führen kann, dass die
Schaufelspitzen an der Gehäusewand anstreifen. Dasselbe kann auch bei einer erneuten
Beschleunigung ausgehend von einem „heißen“ Zustand geschehen, da in diesem Falle
die Scheiben zu Beginn der Beschleunigung ein höheres Temperaturniveau als die außen
liegenden Teile haben, was in Verbindung mit der Fliehkraftdehnung eine gegenüber
dem stationären Zustand verminderte Spaltweite bis hin zum Anstreifen verursacht. Die-
ses Anstreifen hat erhöhten Verschleiß, wenn nicht sogar Beschädigungen von Schaufeln
und Gehäuse zur Folge.
Die Komponenten müssen deshalb so ausgelegt sein, dass die Spaltweiten auch für
diesen, nur kurzzeitig eintretenden Fall groß genug sind, was wiederum zur Folge hat,
dass die stationären Spitzenspiele und somit die Wirkungsgrade der Komponenten nicht
mehr optimal sind. Bei großen Turbofan-Bypasstriebwerken, die überwiegend im Reise-
flug stationär betrieben werden, wird deshalb versucht, den Spalt im stationären Betrieb
886 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
Schaufelspitzen-
Differenzspalt
0
-2
2,0
1,5 Schaufelspitze
0,5
0 20 40 60 80 100
Zeit [s]
auf ein optimales Maß zu verkleinern. Eine oft angewandte Methode ist die aktive Küh-
lung der Gehäuseteile der thermisch stark belasteten Hochdruckkompenenten. Dies
wird als aktive Spaltkontrolle ACC bezeichnet (active clearance control) (Abschn. 9.5.4,
Abb. 9.5-22). Hier amortisieren sich die aufgrund des größeren konstruktiven Aufwands
und des höheren Gewichts entstehenden Kosten durch die erzielte Verbesserung des spe-
zifischen Brennstoffverbrauchs SFC.
Verluste, die in den Kennfeldern enthalten sind, hängen bei experimenteller Kennfelder-
mittlung von den Randbedingungen bei der Bestimmung der Kennfelder ab (Abb. 9.5-4).
Bei theoretischer Kennfeldermittlung stammen die Kennfelder aus aerothermodyna-
mischen Mittel- oder Mehrschnitts-Rechenverfahren. Enthalten diese Verfahren Kor-
rekturmodelle für die Spalteffekte, muss wiederum der stationäre vom instationären
Gesamtanteil subtrahiert und somit eliminiert werden. Falls keine Spaltverluste enthal-
ten sind, müssen auch berechnete Kennfelder mit dem instationären Gesamtverlust kor-
rigiert werden. Verdichter und Turbine unterscheiden sich dabei grundsätzlich in der
Relativbewegung der Spaltströmung zum rotierenden Teil (Schaufelspitze) und zum fest-
stehenden Teil (Gehäusewand).
Die Berechnung von Spaltänderungen für erweiterte Simulationsrechnungen
erfordert eine Implementierung thermischer und mechanischer Bauteilmodelle.
Voraussetzung dazu ist eine vorherige Diskretisierung aller zu berechnenden Kompo-
nentenbauteile (Abb. 9.5-5).
9.5 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan-Triebwerken 887
s/h
2,0
[%]
Spalt rel.
1,5
1,0
50 60 70 80 90 100
Leerlauf Volllast
Drehzahl rel. nrel [%]
Spaltverläufe im
Komponentenversuch Gesamttriebwerk
Abb. 9.5-4 Spaltverläufe einer Turbofan-Komponenten im Prüfstandsversuch und im Gesamt-
triebwerk eingebaut [Fio93]
80
FN [%] ISA +30°
70
0 20 40 60 80 100
Zeit [s]
Nettoschubverlust FN
abhängig von der -10
FN
Umgebungstemperatur -5
[%]
0
ISA-15° ISA ISA+15° ISA+30°
Simulation Messung (Fa. SNECMA)
Abb. 9.5-6 Auswirkungen nicht abgestimmter Sekundäreffekte auf den Schubverlauf mit Schub-
verlust („Schubloch“) eines Turbofan-Triebwerks (Larzac, SNECMA) bei verschiedenen Umge-
bungstemperaturen sowie Vergleich der gemessenen Verläufe gegenüber den numerischen
Simulationen nach [Fio93]
30
Q (t)
P (t)
25
103 [kW] ung
Aufheiz
)
m 2 (h t6 - h t2
Aufheiz-bzw. Beschleunigungsleistung
20 2 3 4 5 6
rung
sleis
15
igung
hleun
10
Besc
Während erstere z. B. vom stabilisierten Leerlaufpunkt aus erfolgt, war im zweiten Fall
das Triebwerk im Volllastpunkt stabilisiert, um dann nach Verzögerung auf Leerlauf
sofort wieder auf Volllast beschleunigt zu werden. Je nach verwendetem Regelsystem
ergeben sich dann entweder Unterschiede in der Beschleunigungszeit oder im zuzumes-
senden Beschleunigungsbrennstoff.
Zu Beginn der Entwicklung von digitalen numerischen Syntheseprogrammen zur
genaueren Berechnungen des transienten Betriebsverhaltens wurde bis etwa Anfang
der 1960er Jahre lediglich die Rotorbeschleunigung oder -verzögerung abhängig vom
Überschuss- oder Unterschussmoment der Turbine gegenüber dem auf gleicher Welle
rotierenden Verdichter berücksichtigt. Diese resultierende Beschleunigung und Verzöge-
rung wird dabei durch eine Störung des Leistungsgleichgewichtes zwischen auf gleichem
Rotor sitzenden Verdichter und Turbine ausgelöst.
Zur Simulation mit Syntheseprogrammen und Modellierung des instationären
Betriebsverhaltens wurde bei der Triebwerkfirma MAN-Turbomotoren (Vorgänger der
MTU Aero Engines) auf diesem Gebiet grundlegende Arbeiten geleistet und diese mit
dem V/STOL-Turbofan RR-MAN-153-61 am Prüfstand mit experimentellen Ergeb-
nissen verglichen [Bau68, Tho74, Bau99B]. Es konnte mit diesen Basisarbeiten gezeigt
werden, welchen Einfluss der Wärmetausch zwischen Gasströmung und Triebwerkma-
terial für das instationäre Betriebsverhalten von Turboflugtriebwerken hat. Es besteht
eine deutliche Diskrepanz z. B. bei Beschleunigungsvorgängen zwischen den Simulati-
onsrechnungen ohne Berücksichtigung des zusätzlichen Wärmeaustausches mit den am
Triebwerk gemessenen Beschleunigungsraten nach [Bau68, Tho74] in der Größenord-
nung von 20 bis 30 %.
In Abb. 9.5-7 sind dazu für eine Beschleunigung abhängig von der Zeit t zunächst
die Rotor-Beschleunigungsleistungen des HP- und LP-Rotors aufgetragen (Bild unten)
und darüber die Kurve für die Zunahme der Enthalpiedifferenz zwischen dem Trieb-
werkein- und -austritt ṁ2(ht6 – ht2) sowie die Aufheizleistung. Die oberste Kurve stellt
die Enthalpiezufuhr durch den zugemessenen Brennstoffstrom dar. Vom zugeführten
gesamten Brennstoffstrom gehen bei diesem relativ schweren Triebwerk der damali-
gen Bauweise etwa 10 bis 15 % mit dem Wärmeaustausch zur Aufheizung des Materials
sozusagen verloren. Bei Triebwerken der folgenden Generationen mit leichteren Struk-
turen und kleineren Massen ist dieser Prozentsatz entsprechend geringer. Auch nach
Beendigung der Rotorbeschleunigung bei etwa 5 sec geht durch Wärmeübertragung ein
intensiver Wärmestrom in das Material der Bauteile über.
Wie in Abb. 9.5-8 gezeigt wird kann der Verlauf des Aufheizwärmestroms durch
die in Abb. 9.5-8 angegebene Beziehung für den Aufheiz-Wärmestrom hier mit
einer Zeitkonstante TC (time constant) von etwa 10 Sekunden angenähert werden
[VDI88B,Wal00B].
Messungen an weiteren, verschieden großen Triebwerken des damaligen Technolo-
giestandes zeigten, dass die Zeitkonstante TC bei Vollast (ISA-SLS) näherungsweise mit
folgender Beziehung bestimmt werden kann
TC ≈ 0,015 mTriebwerk. (9.5-1)
9.5 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan-Triebwerken 893
t
Aufheiz-Wärmestrom bei Vollast Q(t) −
= e TC
Turbofan-Triebwerke BPR Qmax
1,0
Q( t )
Turbofan-
Qmax
Schubklasse [kN]
0,5 100
50 Zeitkonstante
30 TCVollast
10
15 30
5 10
0
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Zeit t [s]
Allgemein können nach Walsh und Fletcher [Wal00B] für Triebwerke mit einer Masse
von etwa 200 kg bis 2000 kg Zeitkonstanten von etwa TC ≈ 5 sec bis 40 sec angesetzt
werden.
Für grobe, pauschale Berücksichtigung des Wärmestromes können bei Syntheserech-
nungen Bauteile des Triebwerks durch äquivalente, den Massen entsprechende Platten-
modelle mit gemittelten Materialkonstanten erfasst werden, wie dies in den Abschn. 9.3,
9.4 und zu Beginn dieses Abschn. 9.5.1 dargestellt wurde. Mit den Auswirkungen der
Wärmetauschvorgänge sind weitere Sekundäreffekte wie z. B. die Dichtungsspiele und
deren Folgen verbunden, wie sie in den vorstehenden Abschnitten erläutert wurden.
Ergänzend zu den in [Bau68] dargestellten Vorgängen zum transienten Betriebsver-
halten eines V/STOL-Turbofan werden im folgenden Abschn. 9.5.2 in den Abb. 9.5-9 bis
9.5-14 für Turbofan-Triebwerke verschieden Kalt-Heiß-Beschleunigungs- und Verzöge-
rungskurven im Verdichterkennfelder gezeigt und erläutert.
Turbofan HP-Verdichter
) Drossel-
ine
HPC
Betriebslinie WL (Working Line) L linien
p t3 r ge
stationär (Su
p t26 SL Tt 4
e
enz
ts gr MCL Tt 2
ilitä
tab
MCR
S
Druckverhältnis
MTO
Sea Level WL
100%
Approach Idle
90% Altitude WL
Low Idle
80%
70% n
H
60% T
t 26
50%
Es gilt
√ √
ṁ Tt ṁ Tt
= const ⇒ = const (9.5-2)
pt 4 pt 3
Turbofan-2-Wellen-Triebwerk
Kurzzeitbeschleunigung (slam accel) „idle“ ==> „max take off“ MTO
Pilotenhebel PLA Sprungeingabe
Turbofan-Parameter rel.
1,0
Drehzahlen
HP-Rotor nH „max take off“ MTO
LP-Rotor nL
Temperatur
TET bzw. Tt4 Schub FN
Brennstoff
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
Zeit t nach PLA-Sprungeingabe [s]
Abb. 9.5-10 Turbofan-Parameter bei Beschleunigung von Turbofan-Triebwerken
) Drossel-
Turbofan HP-Verdichter ine
geL linien
HPC ur
(S
p t3 Beschleunigungslinie (transient) SL
e Tt4
nz
p t 26 Accel Working Line re
sg Tt2
Accel WL ilität
ab
St
MTO
Druckverhältnis
100%
Betriebslinie WL
90% Working Line
stationär
Idle
80% n
H
70% T
t 26
60%
50%
m Tt
Durchsatz red. m red
pt
26
Druckverhältnis
WL t ion
Accel WL
L sta
transient W
n
HR
n T
L t 26
T
t 2
m Tt m Tt
Durchsatz m red Durchsatz m red
pt pt
2 26
transient t
Druckverhältnis
r L sta
nä W Decel WL
ta tio
W Ls transient
n
HR
n
L T
T t 26
t 2
m Tt m Tt
Durchsatz m red Durchsatz m red
pt pt
20 26
und für das transiente Drehzahlverhältnis der beiden Rotoren gegenüber dem stationä-
ren Drehzahlverhältnis
(nH/nL)transient > (nH/nL)stationär.
Die Betriebspunkte auf der Beschleunigungslinie verlaufen demnach im vorgeschal-
teten LP-Verdichterkennfeld im Gegensatz zum HP-Verdichterkennfeld hier mit größe-
rem Abstand zur Stabilitätsgrenze unterhalb der stationären Arbeitslinie.
898 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
Bei einer schnellen Verzögerung (slam deceleration) des 2-Wellen-Turbofan, also mit
Slam Decel, verlaufen die transienten Verzögerungslinien in den beiden Kennfeldern in
umgekehrtem Sinne, wie in Abb. 9.5-13 zu sehen ist. Dabei ist verstärkt die Gefahr von
Instabilitäten besonders im unteren Drehzahlbereich gegeben.
Verzögerung
Beschleunigung mit Ls Decel
kaltem Turbofan
ni eW
bsli
trie
Be t = 1 bis 2 sec
Idle
t = 3 bis 5 sec
t=
n
H
T
t 26
m Tt
Durchsatz mred
pt
26
Abb. 9.5-14 Heiß-Kalt-Heiß-Beschleunigungen eines Turbofan dargestellt an den Betriebslinien
im HP-Kennfeld [Ric98B]
Anlassen bzw. Starten eines Triebwerks stellt als instationärer Vorgang einen sehr wichti-
gen und sensiblen Zustandverlauf bei Gasturbinen und Flugtriebwerken dar. Er beginnt mit
dem Einschalten des Startvorgangs und endet nach dem Erreichen stabiler Leerlaufdreh-
zahlen aller Rotoren. Dies betrifft sowohl das Starten des Triebwerks am Boden als auch das
Wiederanlassen im Flugzustand z. B. mit Hilfe des Windmilling (Abb. 9.5-15). Bereits in
der Auslegungsphase ist zu prüfen, ob ein Triebwerk abhängig von den Umgebungsbedin-
gungen und Anforderungen wie Luftabgabe an die Kabine aus den Verdichtern das Trieb-
werk bis zum Leerlauf sicher hochgefahren werden kann. Näherungsweise kann dies auch
numerisch mit Synthese-Simulationsrechnungen erfolgen, falls genügend Informationen
über das Verhalten der Komponenten unterhalb der Leerlaufdrehzahlen vorhanden sind.
Wie in der schematischen Darstellung eines HP-Verdichterkennfeldes in Abb. 9.5-16
zu sehen ist, bewegen sich die instationären Betriebspunkte bei unteren Drehzahlen
des Kennfeldes und befinden sich damit teilweise in Betriebsbereichen mit begin-
nender abgelöster Strömung oder gar Rotating Stall ggf. verbunden mit Schaufel-
schwingungen. Die instationäre Start-Leerlauf-Betriebslinie muss weiterhin nach der
900 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
14000 45000
H0 [m] [ft] H0
12000 Max Cruise 40000
35000
10000
Start-Envelope 30000
8000 Max Conti 25000
b
lim
20000
C
6000
ax
M
Max Take-Off Windmill-Regime 15000
4000
Starter-Assist-Regime
10000
2000 5000
0 0
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
Flug-Mach-Zahl Flight-Mach-Number M 0
Abb. 9.5-15 Start-Enveloppe eines Turbofan mit Bereichen des Start- und Wiederzündens durch
Hilfe eines Starters oder durch Windmilling
Zündung oberhalb der „Hung Line“ und außerhalb der Stabilitätsgrenze bzw. Pump-
grenze verlaufen.
Die „Hung Line“ stellt die Grenze dar, ab der die Betriebspunkte nach Zündung und
arbeitender Brennkammer und ggf. noch laufendem Starter keine Beschleunigung auf
Leerlauf erreicht wird. Dabei kann die Starteranlage elektrisch oder pneumatisch z. B.
über Luftturbinen betrieben werden [Lin08B].
Die für das Anlassen erforderliche Luftströmung, die Zündung und Brennstoff-
zumessung müssen so aufeinander abgestimmt zusammengeführt werden, dass ein
Durchzünden (Light Up) erfolgen kann, damit über ein Heißgasstrom die Turbine mit
Überschussleistung angetrieben und beschleunigt wird, sodass der Rotor mit Verdichter
und Turbine möglichst schnell störungsfrei den stabilen Leerlauf erreicht (Abb. 9.5-17).
Bei Zweiwellen-Triebwerken mit HP- und LP-Rotoren erfolgt dabei der direkte Star-
ter-Antrieb auf den HP-Rotor, wobei der LP-Rotor frei laufend mitgedreht wird. Die
von dem Regelsystem kontrollierte Zündung und Brennstoffzumessung erfolgt meist bei
etwa 15 % bis 25 % der HP-Drehzahl. Nach dem erfolgreichen Durchzünden und dem
Beschleunigen wird der Anlasser nach Erreichen der Selbstlaufdrehzahl (self sustaining
speed) abgeschaltet.
Die Druckluft für den pneumatischen Anlasser kann von einem Außenbordaggre-
gat GPU (ground power unit), über den Flugzeug-Außenbordanschluß (ground air
connection) oder von einem im Flugzeug vorhandenen Bordaggregat Hilfstriebwerk
9.5 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan-Triebwerken 901
SL nie
e b sli
Brennkammer nz rie
gr
e
B et
Zündung ts rt- e
ilitä St
a Lin 40%
ab un
g
St H
30% n
H
T
Start 20% t 26
1,0
Beschleunigen bis Leerlauf
Durchdrehen Cranking
m Tt
Durchsatz mred
pt
26
20%
Time
APU (auxiliary power unit) abgenommen werden. Außerdem besteht noch bei mehr-
motorigen Flugzeugen die Möglichkeit der Verdichter-Luftabnahme von einem bereits
laufenden Triebwerk (engine bleed cross-air). In manchen Flugzeugtypen bei z. B. Trans-
port- und Militärflugzeugen werden zusätzlich Starter-Druckluftflaschen oder auch
Kartuschen-Anlasser (cartridge starter) benutzt. Normalerweise erreichen die meisten
Triebwerkstypen bei einem Anlassvorgang zwischen 20 bis 40 sec ihren stabilen Leerlauf.
Verlischt ein Triebwerk während des Fluges (flight flame out), so kann es im Flug
durch ein Anlassen mit Windmilling in der Luft (flight start) wieder gestartet werden.
Dafür wird kein Anlasser notwendig, da das Rotorsystem durch den gestauten Luftstrom
in Drehung versetzt wird.
Im Vergleich zu anderen Triebwerksstörungen dominieren in der Praxis Anlasspro-
bleme. Folgende typische Arten von nicht erfolgreichen Startvorgängen können auftreten:
Hot Start Bei diesem erfolglosen Startvorgang kann die Ursache bei der Brennstoffzu-
fuhr oder bei der Zuströmung der Frischluft liegen (Abb. 9.5-18). Erhalten die Brenner
zu viel Brennstoff oder gelangt durch den Verdichter zu wenig Luft in die Brennkam-
mer-Primärzone, dann liegt für die Verbrennung ein zu reiches Anlassgemisch vor. Die
Heißgastemperatur bzw. EGT steigt über den zulässigen Maximalwert an. Die Ursache
dieser Störung kann eine ungeregelte unzulässige Brennstoffzumessung des ungenau
arbeitenden FCU (fuel control unit) sein, ein zu langsam drehender LP-Rotor, eine Fehl-
einstellung der VSV oder Fremdkörper in der Luftzuströmung FOD.
Hung Start Bei dieser hängenden Anlassstörung kommt es nach dem Durchzünden zu
einer nicht normalen Beschleunigung und die Rotordrehzahl stabilisiert sich unterhalb der
Starter-Abschaltdrehzahl (starter cutout speed) und damit der angestrebten Leerlaufdreh-
zahl (Abb. 9.5-19). Die Heißgastemperatur bzw. EGT fällt nach Erreichen der zu tiefen
Drehzahl leicht ab oder bleibt konstant vor Erreichung der konstant bleibenden Drehzahl.
Die Ursachen können einmal in einem zu früh abschaltenden Anlasser bzw. einer
zu früh aussetzenden Zündung liegen oder der Anlasser beschleunigt unzureichend. Es
kann aber auch ein fehlerhafte FCU sein oder durch Fremdkörper beschädigte Beschau-
felung sowie unkorrekt eingestellte Schaufelgitter der IGV bzw. SVS vorliegen.
Wet Start Bei der Störung als nasser Anlassvorgang kommt es im Bereich der Brennkam-
mern nicht zum Durchzünden. Eingesprühter Brennstoff verbleibt in flüssigem Zustand in der
Brennkammer und unverbranntes Brennstoff-Luftgemisch durchströmt Turbinen und Düse.
Diese Störung kann verursacht werden durch eine unzureichend arbeitende Zündung,
durch zu geringen Brennstoffdruck sowie durch schadhafte Brenner. Da sich bei die-
ser Störung in der heißen Sektion größere Brennstoffmengen ansetzen, sollte vor einem
nächsten Anlassversuch ein Durchblasen (Blow Out) des Triebwerks vorgenommen.
Bei automatischem Startvorgang kontrolliert über ein FADEC-System erkennt dieses
System den Wet-Start-Situation, unterbricht den Brennstoffstrom, initiiert ein Durchbla-
sen und startet die Anlassprozedur erneut.
9.5 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan-Triebwerken 903
HP-Spool Speed
20%
Idle Speed
60% EGT
HP-Spool Speed
20%
0 Light-Off Time
Abb. 9.5-19 . Startvorgang gestört als Hung Start. HP-Rotordrehzahl ist stabil unterhalb der Star-
tert-Abschaltdrehzahl. EGT liegt über der normalen Start-EGT, bleibt aber unterhalb dem EGT-
Limit [Lin08B]
Start Stall Treten intensive Störungen der Luftzuströmung bei z. B. starkem Seitenwind
und Windböen auf, können durch Druck- oder Temperatur-Distortion während des
Anlassvorgangs im Bereich der Verdichter stationärer und instationärer Strömungsab-
riss und damit Stall-Effekte auftreten. Durch fehlerhaft eingestellte Bleed-Ventile können
904 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
HP-Verdichter HPC
mit Schaufelverstellung VSF
HPC Variable Stator Vanes
VSV
SV offen
tV
p t3 mi
p t 26 SL
e
nz
re
tsg
itä SV
a bil tV
St mi
WL
inie
Druckverhältnis
i tsl 100%
be
Ar
Stabilitätsgrenze
ohne VSV
90%
70% n
H
60% T
t 26
50%
m Tt
Durchsatz mred
pt
26
Turbofan-HP-Verdichter mehrstufig
Stufen-Kennfeld
Bleed Off/On Stufe
26
3
A M E
Anfangstufe Mittelstufe Endstufe nred, Stufe
m red, Stufe
d
Betriebspunkte in Einzelstufen Blee henstufe
Anfang A, Mitte M, Ende E w i s c
Z
A M E
ohne
Zwischenstufen-Bleed St
St St
mit
Zwischenstufen-Bleed
Bleed Off Take
A M E
St St St
nred nred
niedrige Drehzahl nred
HP-Verdichter HPC
HPC
SL
nze
re
ätsg
bilit
S ta
zu
Druckverhältnis
Verdichteraustritt d
Bleed Off-Take Blee
f
d au
Blee
n
HR
T
t 26
m Tt
Durchsatz mred
pt
26
Abb. 9.5-23 Zwischenstufen-Bleedluft-Ventile (Bleed Off Take) am HP-Verdichter eines Turbo-
fan-Kerntriebwerks (Core) mit Betriebspunkten bei hohen und kleinen Drehzahlen für Anfangs-,
Mitte- und Endstufen [Ric98B]
Aktive Spaltkontrolle ACC (Active Clearance Control). Lastwechsel und damit ver-
bunden Drehzahländerungen und Temperaturschwankungen im Material der ver-
schiedenen Bauteile eines Triebwerks verursachen wechselnde Veränderungen im
Spaltverhalten (Tip Clearance) zwischen den Rotoren und den Gehäusen. Dies trifft
besonders bei den großen Turbofan-Triebwerken mit mehrstufigen LP-Turbinen zu, wie
das Beispiel in Abb. 9.5-24 zeigt.
9.5 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan-Triebwerken 909
Radius
Gehäuse
Gehäuse Tip Clearance oh
ne ACC
Rotor mit ACC
Rotor
ch
nt
e
b
oa
t
ce
is
le
ar
lim
ru
Id
pr
es
St
Ap
D
Zeit t Zeit t
Abb. 9.5-24 Aktive Spaltkontrolle ACC (Active Clearance Control) der ungekühlten 4-stufigen
LP-Turbine des Turbofan CFM56-7B [Lin08B]
910 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
Wie in den vorstehenden Abschnitten zu sehen war, wird das transiente Betriebsverhal-
ten besonders der Turbofan-Triebwerke dargestellt in den Verdichterkennfeldern von
dem jeweiligen Verlauf der stationären und instationären Arbeitslinien WL gegenüber
den Stabilitäts- bzw. Pumpgrenzen und wie den Schluckgrenzen bestimmt. Um einen
sicheren Betrieb zu gewährleisten, sollte demnach der Pumpgrenzenabstand SM mög-
lichst frühzeitig während der Entwicklungsphasen untersucht werden. Dabei gilt es fest-
zustellen, wo genau bei einem im Triebwerk eingebauten Verdichter die Stabilitätsgrenze
SL gegenüber der auf dem Prüfstand gemessenen SL wirklich liegt. Diese Frage trifft
besonders bei HP-Verdichter von Mehrwellen-Turbofan-Triebwerken zu (Abb. 9.5-25).
Die Sicherheit und die praktische Leistungsfähigkeit der Triebwerke werden durch
ihr Verhalten bei Beschleunigungen Accel und Verzögerungen Decel, dem Handling,
9.5 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan-Triebwerken 911
WL
e
slini
tr ieb
Be n
H
T
t 26
m Tt
Durchsatz mred
pt
26
Abb. 9.5-25 Fuel Spiking zur Feststellung der wirklichen, aktuellen Stabilitätsgrenze bzw. Pump-
grenze SL im Verdichterkennfeld (Surge Line Mapping) für den eingebauten Zustand gegenüber
der Prüfstandsmessung (Test Rig) [Fio07]
entscheidend geprägt. Wie bereits den Darstellungen in den Abb. 9.5-10 bis 9.5-14 zu
entnehmen ist, bewegen sich bei schneller Brennstoffzufuhr und damit schnell steigen-
der Eintrittstemperatur am Turbineneintritt TET = Tt4 die Arbeitspunkte bei nähe-
rungsweise konstanter Drehzahl in Richtung der Stabilitätsgrenze. Es besteht besonders
im HP-Verdichter gar die Gefahr eines Triebwerk-Stall. Dabei ist zu beachten, dass die
aktuelle Stabilitäts- bzw. Pumpgrenze selbst von z. B der Qualität der Zuströmung (Dis-
tortion) beeinflusst wird oder auch durch die von transienten Wärmeströmen bewirk-
ten Spalteffekte. Diese Effekte sind mit numerischen Verfahren nur unbefriedigend zu
erfassen. Der komplexen Vorgänge wegen ergibt sich deshalb die Notwendigkeit, expe-
rimentell auf dem Prüfstand mit geeigneter Messtechnik direkt die Stabilitätsgrenze fest-
zustellen. Dabei hat sich als Testverfahren besonders für HP-Verdichter von Turbofan
die Methode des Fuel-Spiking bewährt (Abb. 9.5-25).
Um die Dauer von unerwünschten Übertemperaturen zu begrenzen, wird dabei
in einem Betriebspunkt auf der stationären Arbeitslinie durch eine stoßartige,
912 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
überschüssige Brennstoffzugabe von 100 % bis 400 % für die Dauer von etwa 200 ms bei
nahezu konstanter Rotordrehzahl die Turbinen-Eintrittstemperatur schlagartig erhöht
(Fuel Spiking). Dies verursacht eine intensive Drosselung, sodass sich die instationäre
Betriebslinie direkt in Richtung Stabilitätsgrenze bewegt und einen kurzeitigen Verdich-
ter-Stall verursacht. Dieser Vorgang wird durch entsprechende Messtechnik dokumen-
tiert. Durch das sofortige kontrollierte Abfallen des erhöhten Brennstoffstromes in etwa
100 ms stabilisiert sich der Verdichterzustand wieder auf der stationären Arbeitslinie.
Die Wiederholung des Fuel Spiking bei mehreren Drehzahlen jeweils ausgehend von
der stationären Arbeitslinie ergibt zusammengefasst die aktuelle Stabilitätsgrenze im
Kennfeld für einen im gesamten Triebwerk integrierten Verdichter.
Für LP-Verdichter oder Booster können ggf. auf gesonderten Prüfständen experimentel
z. B. über instationäre Verstellungen von Bleedventilen oder Schaufelgitter kurzzeitig die
Stabilitätsgrenzen angefahren werden und so Lage der realen Grenze festgestellt werden.
Zusammengefasst zu kritischen Betriebsbereichen der Turboflugtriebwerke werden
in Abb. 9.5-26 im Rahmen der Flug-Enveloppe (Flight Envelope) auszugsweise Betriebs-
punkte gezeigt, in denen vor allem im praktischen Flugbetrieb eine sichere Funktions-
weise der Triebwerke unbedingt nachgewiesen werden muss. Dabei spielt die Kenntnis
über die Lage der Verdichter-Stabilitätsgrenzen in der Regelung und Überwachung für
die Sicherheit des Flugbetriebs eine entscheidende Rolle.
Die Basis einer Triebwerksregelung verbunden mit der Brennstoffzufuhr stellen in der
Flugtechnik das FADEC-System (Full Authority Digital Engine Control) und damit ver-
bunden das EEC-System (Electronic Engine Control) dar. Die früher üblichen hydrome-
chanischen Regeleinrichtungen wurden in den vergangenen Jahren fast durchgehend
durch diese digitalen Systeme ersetzt. Dies betrifft genau so alle Einsatzgebiete von der
stationären Gasturbine der Energietechnik bis zu den Turboshaft- und Turbofan-Flug-
triebwerken der Hubschrauber und Flächenflugzeuge. Den Ausführungen der vorste-
henden Abschnitte folgend werden anschließend in zusammenfassender Übersicht
wesentliche Grundlagen der Regelungsanlagen am Beispiel der zivilen Turbofan-Trieb-
werke der mittleren Schubklasse erläutert, wie sie z. B. von Linke-Diesinger (Lufthansa
Technik A.G.) dargestellt werden [Lin08B].
b
lim
C
6000 20000
ax
M
Max Take-Off max. termische 15000
4000 HPC&LPC und mechanische
SL - Test Belastungenl 10000
VEASmax 400 kt
2000
HPC&IPC pt 1 max= 127 kPa 5000
SL - Test Tt 1 max= 335 K
0 0
0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
Flug-Mach-Zahl Flight-Mach-Number M
0
Triebwerk-Test HPC & IPC Stabilitätsgrenze SL-Test für HPC, IPC und LPC
SL - Test
Im Detail werden diese Vorgaben von Behörden, Flugzeughersteller und Betreibern wie
Luftfahrtgesellschaften gemeinsam abgestimmt. Dabei wird für den Fall, dass alle Trieb-
werke eines Flugzeuges funktionsfähig in Betrieb sind, für MTO (Max Take-Off) eine
Dauer von maximal 5 min angesetzt, nach dem Ausfall eines Triebwerks sind es maxi-
mal 10 min. Für Höhenflug und Flug in Bodennähe sind in Abb. 9.5-26 die angegebenen
Rating-Betriebszustände an den Grenzlinien eingetragen.
Für den Flugfall mit maximaler Schublast MCT (Max Continuous Thrust) bei unein-
geschränktem Betrieb ist die obere Schubgrenze im normalen Reiseflug maßgebend, der
bei eingehaltenen Grenzwerten auf unbegrenzte Zeit eingehalten werden kann. Dies
kann im Ausnahmefall beim Ausfall eines Triebwerks auftreten.
Für einen Zeitraum von 30 bis 60 min wird der maximale Steigflug MCL (Max Climb)
angesetzt, der in größeren Höhen als Übergang von MTO und zur Beschleunigung auf
Reisfluggeschwindigkeit und Reisflughöhe verwendet wird.
Der maximale Reiseflugschub MCR (Max Cruise) stellt die Schublast dar, bei der im
Reisflug bei möglichst optimalem Brennstoffverbrauch die Lebensdauer der Triebwerke
nicht unnötig verringert wird. Die entsprechende normale Schubeinstellung (Cruise
Power Setting) liegt demnach unterhalb von MCR.
Zur Vorgabe und Überwachung der Triebwerksleistungen werden die Drehzahlen des
HP-Rotors N1 und des LP-Rotors N2, die Abgastemperatur EGT (Exhaust Gas Tempe-
rature) sowie das Triebwerksdruckverhältnis EPR (Engine Pressure Ratio) herangezogen.
Da der Schub im praktischen Flugbetrieb mit einfachen messtechnischen Mitteln nicht
zu erfassen ist, wird für den Piloten und die Regelung das Druckverhältnis Totaldruck
am LP-Turbinenaustritt zu dem Totaldruck am Verdichter- bzw. Fan-Eintritt herange-
zogen, es lautet also EPR = pt5/pt2. Dieses EPR ist dem Nettoschub FN gleichbleibend
proportional und nicht mit dem Triebwerk-Gesamtdruckverhältnis OPR = pt4/pt2 zu
verwechseln.
Bei der stationären Regelung müssen zur Leistungsbegrenzung weitere Minimal-
grenzwerte für einen ungestörten Betrieb berücksichtigt werden. Der Totaldruck am HP-
Verdichteraustritt pt3 dient abhängig von der Flughöhe der Überwachung der Bleedluft
besonders für externe Verbraucher im Flugzeug.
Die Minimalwerte der Drehzahlen N1 und N2 gewährleisten den sicheren Betrieb von
Hilfsgeräten und Generatoren sowie besonders im unteren Drehzahlbereich die Über-
prüfung eines sicheren Abstandes von den Pump- bzw. Stabilitätsgrenzen, wie sie z. B.
bei transienten Beschleunigungen mit höherem Risiko auftreten können.
Zum Schutz vor Verlöschen der Brennkammer sind minimale Temperaturen am
Verdichteraustritt/Brennkammereintritt Tt3 und untere Grenzwerte der Brennstoffzu-
messung entsprechend ṁB/pt3 zu beachten, was z. B. bei schnellen Verzögerungen von
Bedeutung ist. In Abb. 9.5-27 ist dazu schematisch der zulässige Bereich und der Verlauf
der Brennstoffzufuhr für stationären und transienten Betrieb als Funktion der korrigier-
√
ten HP-Drehzahl N2/ 2 dargestellt.
Als obere Grenzwerte (MaxLimiter) sind im Normalbetrieb der Totaldruck am Ver-
dichteraustritt pt3 zur Vermeidung von unzulässigen Überdrücken in der Brennkammer
9.5 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan-Triebwerken 915
Brennstoffzumessung
Accel Limit
Accel Line
N2
HP-Drehzahl N2 corr
2
Triebwerksregelung mit FADEC-System und EEC. Als Beispiel eines typischen Regel-
system für ein 2-Wellen-Triebwerk ist in Abb. 9.5-28 das FADEC-Systems des Turbofan
IAE V2500 schematisch im Überblick zu sehen [Lin08B].
Dieses FADEC-Systems umfasst im Kern die elektronische Triebwerksrege-
lung ECU (Electronic Control Unit) bzw. EEC (Electronic Engine Control) mit dem
916 9 Instationäres Betriebsverhalten von Gasturbinen und Flugantrieben
ECU
EEC resp. ECU Electronic Engine Control Unit HMU Hydromechanical Unit
VBV Variable Bleed Valve VSV Variable Stator Vane
TBV Transient Bleed Valve ACC Active Clearance Control
Sensors for Control and Monitor Signals:
P and PS Pressure total,static, T Temperatur total
EGT = TT5 , N1 and N2 speed LP-Rotor and HP-Rotor
Abb. 9.5-28 FADEC-Systeme von zivilen Turbofan der mittleren Schubklasse. um 130 kN (Typ
IAE V2500, Typ CFM56-5B). Darstellung nach International Aero Engines IAE und CFM Interna-
tional S.A. bzw. [Lin08B]
9.5 Betriebsverhalten und Simulation von Turbofan-Triebwerken 917
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Anhang
Gasgenerator GG Arbeitsprozess
Anhang 929
930 Anhang
Anhang 931
932 Anhang
Anhang 933
Gasgenerator GG + Nutzleistungsturbine PT
Turboshaft TS (Wellenleistungsgasturbine PGT)
934 Anhang
Anhang 935
Gasgenerator GG + Schubdüse N
Turbojet-Triebwerk TJ (Turboluftstrahltriebwerk TL)
936 Anhang
Anhang 937
Airbus A 310
Boeing B 747
Turboshaft (Wellenleistungs-Gasturbine)
Aeroderivat GE LM 2500 PW 22000 kW
(Kraftwerk) GE LM 5000 33000 kW
2 21 24 25 16 18
13
44 45 5 6 8
41
3 31 4
942 Anhang
Anhang 943
944 Anhang
Anhang 945
946 Anhang
Anhang 947
948 Anhang
Anhang 949
950 Anhang
Anhang 951
952 Anhang
Anhang 953
954 Anhang
Nomenklatur
Ċ W/K Wärmekapazitätsstrom
CAS Berichtigte Fluggeschwindigkeit CAS (calibratet air speed)
CF Schubbeiwert CF (thrust coefficient) (Gl. 2.6-23)
CFG Bruttoschubkoeffizient CFG (gross thrust coefficient)
CFN Nettoschubbeiwert CFN (net thrust coefficient)
CIT Verdichter-Eintrittstemperatur CIT (compressor inlet temperature)
CLD integrierte Entwurfs-Auftriebsbeiwert CLD
(integrated design lift coefficient) (Gl. 2.6-27)
CO Kohlenmonoxid (carbon monoxide)
CO2 Kohlendioxid (carbon dioxide)
COT Brennkammer-Austrittstemperatur Tt4 (combustor outlet temperature),
s. a. TET (turbine entry temperature), SOT (stator outlet temperature), RIT
(rotor inlet temperature) und EGT (exhaust gas temperature)
CPrW Propeller Leistungskoeffizient (propeller power coefficient)
CPW Propeller Leistungskennwert
CV Geschwindigkeitsbeiwert (velocity coefficient) z. B. c/cid
c m/s Geschwindigkeit (velocity), Absolutgeschwindigkeit (absolute velocity)
gegenüber Relativgeschwindigkeit w
c Sehne s (chord c of blade or wing)
c, s mm Sehnenlänge (bei Schaufelgittern) (chord length c)
c, u, w m/s Geschwindigkeitskomponenten (absolute-, blade-, relativevelocity),
c/s Teilungsverhältnis Gitter (solidity), Teilung (spacing) s, Sehne (chord) c
bzw. (space chord ratio),
cav m/s mittlere Geschwindigkeit (average velocity)
ccorr Geschwindigkeit korrigiert (referred velocity) m/s
√ √
ccorr = c/ θt = c/ Tt /288,15
ccrit m/s
√
cred Geschwindigkeit red. cred = c/ Tt
cD Widerstandsbeiwert cW bzw. cD (drag coefficient)
ceq äquivalente Geschwindigkeit (equivalent velocity)
cF Reibungsbeiwert cR bzw. cF (friction coefficient perature)
cJ Strahlgeschwindigkeit (jet velocity)
cL Auftriebsbeiwert cA bzw cL (lift coefficient)
cont kontinuierlich (continuous)
core, CE Kerntriebwerk CE Core (core engine)
√ √
corr korrigiert (corrected) z. B. ccorr = c/ θt = c/ Tt /288,15
cp Druckkoeffizient Δp/q
cp J/(kg K) spezifische Wärmekapazität, p const (specific heat at constant pres-
sure) [CP]
ct Gesamtgeschwindigkeit (total velocity)
ct Gesamtgeschwindigkeit cges (total velocity)
ct Total- bzw. Gesamtgeschwindigkeit ctot bzw. cges (total velocity)
Nomenklatur 957
id ideal (ideal)
is isentrop (isentropic)
J Strahl S bzw. J (jet)
J Fortschrittgrad des Propellers (advance ratio)
JP Jet Petrol, Brennstoff JP
k W/(m2 K) Wärmedurchgangszahl
kg/(m2 s) Massenstromdichte ṁ/A
L Auftrieb A bzw. L (lift)
L unterer… L (low)
L m Länge L (length) [XL]
LBO Magerverlöschgrenze LBO (lean blow out)
LCV lower calorific value of fuel
L/D Gleitzahl (lift to drag ratio)
LH2 flüssiger Wasserstoff
LOX flüssiger Sauerstoff
LP Niederdrucksystem (low pressure)
La Laval-Zahl M∗ (Laval number)
La m/s Laval-Geschwindigkeit (Laval velocity)
Lk Leckage LK (leakage) [LK]
M Mach-Zahl M (Mach number) [XM]
M Mischung (mixing), nach der Mischung
M0 Flug-Mach-Zahl M0 (flight Mach number)
m kg Masse M (mass) [GM]
ṁ kg/s Massenstrom, Durchsatz W (mass flow rate) [W]
ṁA kg/s Massenstrom Luft WA (mass flow air) [WA]
ṁB kg/s Massenstrom Brennstoff WF (fuel mass flow rate) [WF]
ṁBAB kg/s Brennstoff-Durchsatz Nachbrenner AB (massflow fuel after burner)
ṁBP Bypass-Massenstrom (bypass mass flow)
ṁB red reduzierter Brennstoffdurchsatz (Gl. 2.4-31)
ṁCl kg/s Kühlluft-Massenstrom (mass flow cooling air) [WCL]
ṁCore kg/s Massenstrom Core (core mass flow) [WCL]
ṁLK kg/s Massenstrom Leckage LK (mass flow leakage) [WLK] Massenstrom-
verhältnis µ = ṁi /ṁj
√
ṁred reduzierter Massenstrom (Gl. 2.4-26) ṁred = ṁ Tt /pt
N, n Drehzahl n bzw. N (rotational speed)
NO Stickstoffmonoxid
NO2 Stickstoffdioxid
NOX Summe der Stickoxidemissionen NOX (oxides of Nitrogen, NO and NO2)
NTU Wärmetauscher Übertragungsgröße NTU (number of transfer units)
Nu Nusselt-Zahl (Nusselt number)
n Polytropenexponent (polytropic exponent)
n Schaufelzahl z (blade number),
960 Nomenklatur
Griechische Zeichen
A Austritt A
A A-Betriebspunkt AP, Auslegungspunkt DS (design point)
A Luft (air), luftseitig
AB, RH Nachbrenner NB (afterburner), [AB]
Wiedererhitzung WE (reheat) [RH]
AC Einlauf-Fangquerschnitt beim (Überschall-) Einlauf (capture area)
AC Axialverdichter (axial compressor)
ACC aktive Spaltkontrolle (active clearance control)
ADP Advanced Ducted Prop
AE Aero Engines
AFC aktive Strömungskontrolle (active flow control)
AIMS Aircraft Information Management System
APU Hilfsgasturbin (auxiliary power unit)
AR Seitenverhältnis, Schaufelhöhe/Profillänge (aspect ratio)
ASC axial gestufte Brennkammer (axial staged combustor)
AT Axialturbine AT (axial turbine)
Ath Einlauf-Halsquerschnitt (throat area)
ATF Heck-Turbofan-Triebwerk ATF (aft-turbofan)
AVGT Fahrzeug-Gasturbine FGT bzw. VGT (automotive vehicle GT)
AVON axialsymmetrische Vektor-Schubdüse (axisymmetric vectoring exhaust
nozzle), Fa. General Electric GE
B Brennkammer BK (combustion chamber, combustor)
Brennraum
BDR Klappen-Schubumkehrer (bucket door reverser)
Bl Schaufel Sch (blade)
Bleed Entnahme (bleed)
966 Nomenklatur
St Stufe St (stage)
ST Dampfturbine DT bzw. ST (steam turbine)
STD Standard (standard)
STOL Short Take-Off and Landing, Kurz-Start und -Landung
Tip Spitze (tip)
T Turbine T (turbine)
TAS Wahre Fluggeschwindigkeit TAS (true airspeed)
TBO Zeit bis zur Überholung (time between overhauls)
TAT Total Air Temperature
TET Turbineneintrittstemperatur Tt4 (turbine entry temperature)
F Turbofan-Triebwerk TF (turbo fan), Zweistromtriebwerk ZTL
TFM Turbofan mit Mischung TFM (mixed flow turbofan), ZTLM
TFMA Turbofan mit Mischung und Nachbrenner TFMA (mixed flow turbofan
with afterburner) bzw. ZTLMNB
TIT Turbinen-Eintrittstemperatur Tt4 (turbine inlet temperature) s.a. TET,
TOT, COT
TJ Turbojet TJ (turbojet), Turboluftstrahltriebwerk TL
TJA Nachbrenner-Turbojet TJA (afterburner turbojet), TLNB
TLA Thrust Lever Angle, Schubhebel-Winkel
TM Turbomotor TM (turbomotor)
TO Start (take off)
TP Turboprop TP (turboprop), Propeller-Turboluftstrahl-Triebwerk PTL
TP Teillastpunkt B
TSFC spezifischer Brennstoffverbrauch SFC bezogen auf den Schub (thrust speci-
fic fuel consumtion)
TSRec Turboshaft-Gasturbine TS mit Rekuperato Rec
TSReg Turboshaft-Gasturbine TS mit Regenerator Reg
TSTO Two Stage To Orbit (Raumtransporter-Flugzeug)
TVN Schub-Vektordüse (thrust vectoring nozzle)
UDF Unducted Prop Fan
UHBR Ultra-Hoch-Bypass-Verhältnis, Ultra High Bypass Ratio
UHC unverbrannte Kohlenwasserstoffe (unburned hydrocarbons)
UHB Ultra-Hoch-Bypass (ultra high bypass)
UHBF Ultra-Hoch-Bypass-Fan-Triebwerk (ultra high bypass fan engine)
Ultra-High BPR-Turbofan
UHB-TF
VBV Variable Bleed Valve
VCAS (calibrated air aped) [VCAS]
VCE Triebwerk variabler Geometrie (variable cycle engine)
VG Variable Geometrie VG (variable geometry)
VHB Hoch-Bypass (very high bypass)
VHBR Hoch-Bypass-Verhältnis (very high bypass ratio)
Very-High Bypass-Turbofan
VHB-TF
VIAS Indicated Air Speed [VIAS]
972 Nomenklatur
44 45 5 6 8
0 1 2 24 25 41
3 31 4
Core
5 6 8
mBP
m2 41
24 25 3 31 4 44 45
mC
Core
Indizes
o Außenschnitt a (outer)
A Luft L (air)
AC Axialverdichter AV bzw. AC (axial compressor)
acc Beschleunigung a (acceleration)
add additiv (additive)
AT Axialturbine AT (axial turbine)
ax axial (axial)
B Brennstoff (fuel)
Bi Betriebspunkt B (working point), Betriebspunkte Bi auf einer Fahrlinie (working
line)
BP Bypass (bypass)
BPR Bypassverhältnis BPV (bypass ratio)
c kalt k (cold)
Ch Kanal (channel)
Cl Kühlluft Kl (cooling air)
crit kritisch (critical)
DS Auslegungspunkt A bzw. DP (design point)
eff effektiv (effective)
Exp Expansion (expansion)
ges gesamt, total (total)
geo geometrisch (geometric)
h heiß h (hot)
hub Nabe N (hub)
hyd hydraulisch (hydraulic)
i innen (inner), Innenschnitt
id ideal (ideal)
inc inkompressibel ink (incompressible)
inst installiert (installed)
is isentrop (isentropic)
com kompressibel kom (compressible)
976 Nomenklatur
Organisationen
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Länge L Length
m 3.28084 ft
km 0.621 mile – –
ft =12 in 0.3048 m 3.28084 ft
in 0.0254 m 39.3701 in
in 25.4 mm 0.0393701 in
yard = 3ft 0.9144 m 1.09361 yard
mile 1.609344 km 0.621371 mile
naut mile 1.852 km 0.539957 naut mile
Fläche A Area
m2 10.7639 ft2 – –
cm2 0.155 in2 – –
ft2= 144in2 0.092903 m2 10.7639 ft2
in2 6.4516E-04 m2 1550.0 in2
in2 645.16 mm2 0.00155 in2
Volumen V Volume
m3 1.30795 yard3 – –
cm3 0.0610237 in3 – –
in3 16.3871 cm3 0.0610237 in3
ft3=1728in3 28.3168 litre 0.0353147 ft3
UKgallon 4.54609 litre 0.219969 UKgallon
(Fortsetzung)
UKgallon 1.20095 USgallon 0.832674 UKgallon
USgallon 3.785 litre 0.2642 USgallon
yard3 0.764555 m3 1.30795 yard3
Masse m Mass
kg 2.2046 lbm
lbm 0.45359237 kg 2.20462 lbm
lbm 0.031056 slug 32.2174 lbm
ounce, oz 28.3495 g 0.035274 ounce
tonne 1000 kg 0.001 tonne
UK ton 1016.05 kg 9.84207E-04 UK ton
UK ton 1.01605 tonne 0.984207 UK ton
Temperatur T Temperature
K = C+273.15 = R/1.8
C = K-273.15 F = 1.8∗ K − 459.67 R = 1.8∗ K
C=(R-491.67)/1.8 F=R-459.67 R = 1.8∗ (C + 273.15)K = (F + 459.67)/1.8
C=(F-32)/1.8 F = 1.8∗ C + 32F=1.8*C+32 R=F+459.67
Druck p Pressure
Pa 1 N/m2
bar 10E+5 Pa 10E-5 bar
bar 100 kPa 0.01 bar
atm std 1,01325 bar 0.986 atm std
bar 14.5038 lbf/in2 = psi 0.06894 bar
lbf/in2= psi 6.8948 kPa 0.145038 lbf/in2= psi
Dichte ρ Density
kg/m3 0.062428 lb/ft3
lb/ft3 16.0185 kg/m3 0.062428 lb/ft3
lb/in3 27.6799 kg/m3 0.0361273 lb/in3
lb/UKgal 99.7764 kg/m3 10.0224 E-3 lb/UKgal
lb/USgal 119.826 kg/m3 8.34543 E-3 lb/USgal
Kraft F Force
N 1 kgm/s2 – –
kN 100 daN – –
kgf 9.80665 N 0.101972 kgf
lbf 0.4535924 kgf 2.20462 lbf
lbf 32.174 lb/fts2 0.031081 lbf
lbf 4.44822 N 0.224809 lbf
tonf (Imperial) 9964.02 N 1.00361E-04 tonf
Umrechnungen (Conversions) 981
(Fortsetzung)
982 Umrechnungen (Conversions)
(Fortsetzung)
Beschleunigung a Acceleration
g (gravity) 9.80665 m/s2
ft/s2 0.3048 m/s2 3.28084 ft/s2
km/h s 0.27778 m/s2 3.6 km/h s
mile/hs 1.609344 km/h s 0.621371 mile/h s
mile/h s 0.447 m/s2 2.23714 mile/h s
Trägheitsmoment Moment of inertia
Ibft2 0.0421401 kgm2 23.7304 lbft2
lbin2 2.9264E-04 kgm2 3417.17 kgm2
Spezifische Energie e Specific energy
kJ/kg 0.429923 Btu/lb
Btu/lb 2.326 kJ/kg 0.429923 Btu/lb
ftlbf/lb 2.98907 J/kg 0.334553 ftlbf/lb
Spezifische Wärme Specific heat
J/(kg K) 1 N m/(kg K) – –
kJ/(kg K) 0.23884 Btu/(lb F) 4.1869 kJ/(kg K)
ft lbf/(lb R) 5.38032 J/kg K 0.185863 ftlbf/(lb R)
Spezifischer Brennstoffverbrauch SFC Specific fuel consumption
g/(kN s) 0.0353 lb/(lb h) – –
lb/(lbf h) 28.325 g/(kN s) 0.0353 lb/(lb h)
kg/(kW h) 0.735499 kg/(PS h) 1.35962 kg/(kW h)
lb/(lbf h) 0.10197 kg/(N h) 9.80665 lb/(lbf h)
lb/(lbf h) 1.0197 kg/(daN h) 0.980681 lb/(lbf h)
lb/(hp h) 0.60828 kg/(kW h) 1.64399 lb/(hp h)
lb/(hp h) 0.447387 kg/(PS h) 2.2352 lb/(hp h)
Viskosität kinematisch Viscosity – kinematic
cSt 10-6 m2/s 106 cSt
ft2/s 0.092903 m2/s 10.7639 ft2/s
in2/s 6.4516 cm2/s 0.155 in2/s
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Sachverzeichnis
A Antriebssystem
Abblaseventil VBV Hubschrauber, 874
Turbofan, 904 ARADO Ar234C, 42
Abgasenergie, 125 Arbeistprozess
Abknickpunkt halbideal, 104
Regelung, 736 Arbeit reduziert, 140
Abströmgeschwindigkeit, 125 Arbeitslinie WL
ACARE, 23, 36, 755 Turbofan, Sea Level, Altitude, 894
ACARE 2020, 758 working line, 893
ACARE-EU-Programm, 767 Arbeitslinie
Accel Betriebslinie, 628
Tiebwerksbeschleunigung, 897 Turbojet, 628
Active Clearance Control ACC, 871 Arbeitsprozess Turbojet, 102
Advanced Ducted Prop, 184 Arbeitsprozess
Aeroderivate Hauptparameter, 5
Power-Pakete, 221 ideal, 85
Turboshaft-Gasturbine, 219 ideal/real, 98
Aeromechanik Optimierung, 91
Verdichter, 417, 457 Ramjet, Scramjet, 161
Ähnlichkeitskennfeld Ramjet, 158
Turbine, 500 real, 85
Ähnlichkeitskenngrößen Turbofan mit Mischung, 195, 200
korrigierte Kenngrößen, 139 Turbofan, 186
reduzierte Kenngrößen, 139 Turbojet mit Nachbrenner, 151
Verdichter, 319 Turbojet, 105
Aktionsturbine, 480 Turboprop, 169
Aktive Spaltkontrolle ACC Turboshaft mit Wärmetauscher, 234
Turbofan, 908 verlustbehaftet, 92
Turbofan, Accel, Decel, 909 Arbeitsprozessrechnung, 621
Anlassen im Flug, 902 Arbeitsturbine PT
Anström-Mach-Zahl power turbine, 99
Verdichtungsstoß, 76 ATAR-Triebwerke, 41, 43
Anströmwinkel ATE
Verdichtergitter, 326 Aerospace Technology Enterprise, 758
Antriebssystem Hyperschallflugzeug Auffangquerschnittes
GTSSD-Simulation numerisch, 832 Ramjet-Einlauf, 783
Aufheizwärmestrom Blade-to-Blade
transientes Betriebsverhalten, 892 S1-Strömungsfläche, 302
Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte, 323 Blattverstellhebel
Auslegungspunkt, 621 collective pitch, 874
Vorgabewerte, 106 bleed air
Auslegungsrechnung, 621 Sekundärluft, 386
Außen- und Innenverdichtung Bleed-Luftabblasung, 733
Überschalleinlauf, 261 Bleedluft-Ventile
AußenbordaggregatGPU, 900 Turbofan, 908
Außenverdichtung BLISK, 436
Überschalleinlauf, 261 Blisk-Bauweise
AVA, 40 Verdichter, 464
Axialschubausgleich Blütenmischer-Düse, 603
Turbofan-Triebwerk, 84 BMW 003-Triebwerk, 42
BMW Rolls-Royce, 45
BMW, 45
B Bodie-Transients
Bauhaus Luftfahrt, 765 Bodie, 898
Bauweisen Bookkeeping
Flugantriebe, 12 Hyperschall-Antriebssystem, 842
Gasturbinen, 12 Kräfte- und Momentenbilanz, 833
Turbofan, 187 B-Parameter
Beschleunigung Turbofan Verdichterstabilität, 409
Spitzenspalteffekt, 884 Breguet-Formel, 10
Turbofan-Parameter, 896 Brennkammer
Leerlauf-Volllast, 896 Anforderungen, 541
Beschleunigung Aufbau und Funktion, 543
Turboshaft-Gasturbine, 877 Bauweisen, 546
Beschleunigungsverhalten Belastungsparameter, 553
Turbofan, 883 Brennstoffzufuhr, 564
Betriebsgrenzen Direkteinspritzung, 568
Turbofan-HP-Verdichter, 721 Druckverlust, 117
Betriebslinien Einzel-oder Rohrbernnkammer, 546
Turbofan ohne/mit Mischung, 732 Energiebilanz, 118, 551
Turbofan-Verdichterkennfeld, 771 Energietechnik-Gasturbinen, 572
Turbofan-Turbinenkennfeld, 773 EV-Brennern ALSTOM, 577
Turbofan,Standfall, Reiseflug, 731 Flammenstabilisierung, 552
Turboshaft-Gasturbine, 856 gestuft, 565
Betriebsverhalten Gleichstrom-Brennkammer, 548
Flugantriebe, 699 Kenngrößen, 550
Gasturbine, Turbojet, 621 Querstrom-Einspritzung, 548
Hubschrauber-Turboshaft, 873 Ringbrennkammer, 546
Hyperschall-Antriebssystem, 838 Ring-Rohr-Brennkammer, 547
Turbofan-Bypass-Triebwerk, 709 schadstoffarm, 565
Turbojet, 624 Umkehr-Brennkammer, 549
Turbojet mit Nachbrenner, 644 Verdampfungs-Brennkammer, 550
Verdichter mehrstufig, 375 Wärmezufuhr, Rayleigh-Linie, 541
Bewegungsgleichungen allgemein NS Wasser-Dampfeinspritzung, 575
Navier-Stokes-Gleichungen, 305 Wirkungsgrad, 119, 551
Bewegungsgleichungen, 302 Zonen und Arbeitsbereiche, 544
Sachverzeichnis 993
Drosselung EEC
Turbojet, 628 electronic engine control, 738
Drosselzahl EEC-System
Verdichter, 322 Turbofan, 912
Druck Effizienzsteigerung
statisch, total, 60 Turbofan, 753
Druck-Distortion, 396 EGT, 914
Druckkraft Einlauf
Oberflächenkraft, 57 - Druckverhältnis, 112
Druckseite DS - Wirkungsgrad, 112
Profilumströmung, 323 Distortion, 258
Druckverhältnis Bauweisen, Flugbereiche, 251
isentrop, 62 Druckverhältnisse, 263
Druckverhältnisse Durchsatz Pitot-Einlauf, 265
Turbofan mit Mischung, 204 gemischte Verdichtung, 264
Verdichter, 372 Hubschrauber und V/STOL, 270
Druckzahl Kenngrößen, 256
Turbinenstufe, 485 Kräftebilanz, 258
Verdichter, 321 Mehrstoß-Einlauf, 256
Durchsatzzahl Pitot-Einlauf, 253
Verdichter, 320, 373 Strömungsfeld, 257
Durchsatzziffer Totaldruckverhältnis, 256
Turbinenstufe, 486 Turboprop-Triebwerk, 268
Durchzünden Verdichtungssysteme, 262
light up, 900 Wirkungsgrad, 256
Düse Einlauf-Betriebsverhalten
- Düsenströmung, 61 Stabilitätsverhalten, 278
Druckverhältnis kritisch, 587 Einlaufdiffusor, 253, 266
nicht angepasst, C-D-Düse, 599 Strömungsverluste, 266
Rampendüse, 606 Einlauf-Distortion
Temperaturverhältnis kritisch, 588 Betriebsverhalten, 272
Totaldruckverhältnis, 595 Einlaufhaube
Überschall-Freistrahl, 597 Bypass-Klappen, 269
Unterschall-Überschall-Düse, 586 Bypassöffnung, 268
Wirkungsgrad, 590 Einlauf-Innenverdichtung, 264
Düsen-Ausflussfunktion, 587 Einlaufströmung
Düsen-Ausströmgeschwindigkeit, 586 instionär, 283
Düsenströmung isentrop, 586 Schnellflug, 109
Düsenströmung und Anstellwinkel, 282
nicht angepasst, C-D-Düse, 596 Einlauf-Totaldruckverhältnis
reduzierter Durchsatz, 594 bei Anstellwinkeln, 267
Turbine, Expansion, 294 Einlaufverlustbeiwert, 265
verlustbehaftet, 589, 590, 592 Einlauf-Verstellgeometrie, 800
Einschnürfaktor
Blockage-Faktor, Verdichter, 316
E Einstrom-Gasturbinen, 14
Eckert, Bruno Eintrittsleitrad verstellbar
Daimler Benz, 43 Turbofan-LPC-Kennfeld, 771
ECU, 915 Emissions-Index, 30
Sachverzeichnis 995
Leistungszahl Motorbremsung
Turbinenstufe, 485 Fahrzeug-Gasturbine, 677
Verdichter, 321, 373 MTO, 914
Leitrad-Gitter MTU Aero Engines, 45
Turbine verstellbar, 650 multidisziplinäre Auslegung, 33
Lippen-Widerstand multidisziplinäre Optimierung
lip drag, 83 Turbofan-Triebwerk, 751
LPP-Brenner, 571 multidisziplinäre Simulation
LP-Verdichterkennfeld Turbofan-Triebwerke, 715
mit Betriebslinien, 773 Münzberg, Hans Georg, 42
LTO-Zyklus, 30
Lufteinlauf, 110
Luftfahrt-Ministerium RLM, 39 N
Luftregelung Nachbrenner
Concorde, 801 Strömungskennfeld, 153
Luftverkehr, 766 Nachbrenner-Triebwerk, 13
Nachbrenner-Turbojet, 150
Navier-Stokes-Gleichungen
M NS-Gleichungen, 305
Machsche Winkel Nettoschub, 12, 79, 101, 127
Verdichtungsstoß, 75 Nettoschub-Kennfeld
Mach-Zahl M kritisch, 64 Hyperschallantrieb, 841
Mach-Zahl M, 61, 141 NEWAC, 764
kritisch, 141 Newton-Raphson-Verfahren
Mantelschraube, 180 Syntheserechnung, 641
Massenstrom Newtonschen Axiom, 56
reduziert, 139 Newtonsche-Näherungsverfahren
Massenstromdichte Syntheserechnung, 641
Düsenströmung, 586 NK 12-Turboprop, 45
Maximalen Reisefluschub, 913 NOX-Emission
Maximalen Startschub MTO, 913 Flugtriebwerke, 29
Maximalen Steigflug MCL, 913 NOX-Emissionen
MCL, 914 Einflußgrößen, 575
MCT, 914 NPSS, 34
Mehrkörpermodell MKM, 888 NASA-Triebwerk-Simulation, 701
Mehrkörpermodelle MKM NS-Gleichungen, 306
Syntheserechnung, 871 Number of Heat Tran NTUferUnit, 240
Meridianschnitt Nutzleistungsturbine PT, 123
Koordinatensysteme, 304 power turbine, 97
Messerschmitt Me 262, 42
Minderleistung, Schlupf, 363
Minderleistungsfaktor, 365 O
Mischung Oestrich, Hermann, 42
Turbofan, 195, 197 Ohain, Hans Papst von, 39
Mittelschnittsrechnung Olympus-Triebwerk
Verdichterstufe, 312 Concorde-Überschallflugzeug, 615
Modellierung Concorde, 799
Syntheserechnung, eindimensional, 622 Open Rotor, 760
MOPEDS Open-Rotor
Simulationsprogramm MTU, 704 Turbofan, 758
1000 Sachverzeichnis
Optimierung Propfan
interdisziplinär, 751 Kennfeld, 182
Propeller-Theorie, 178
Prop-Fan, 101
P Propfanantrieb, 759
Parallelverdichter-Modell PSSD, 35
Distortion, 396 Propulsion System Simulation and Design,
Verdichterkennfeld, 396 35
Parallel-Verdichter-Modell, 873 Pumpen
Parameterstudie surge, 405
Hoch-Bypass-Turbofan, 746 Pumpgrenzabstand SM
Turbofan, 718 surge margin, 748
Turbofan-Vorauswahl, 719 Pumpgrenze SM, 872
VCE-SST-Triebwerk, 814 Pumpgrenze
Parametervariation Verdichterkennfeld, 399
Turbofan-Triebwerk, 743 Pumpgrenzenabstand SM, 401
Turbofan-Optimierung, 751
Partikel-Abscheidung IPS
Turboshaft-Einlauf, 276 Q
Potentialwirbelgesetz Quiet Supersonic Transport QSST, 805
Turbinenstufe, 493
Power-Pakete
Gasturbinen-Aeroderivat, 225 R
pressure altitude, 736 Radialverdichter
Produktreihen Bauweisen, 357
Gasturbinen der Energietechnik, 229 Geschwindigkeitsdreiecke, 356
Profilumströmung Minderleistung, 363, 366
Verdichtergitter, 323 relativer Kanalwirbel, 360
Profilverluste rotierender Schaufelkanal, 361
Verdichtergitter, 315, 330 Schaufelkrümmung vorwärts, 359
Propeller Schaufelkrümmung rückwärts, 359
Activity-Factor, 180 Strömung im rotierenden Kanal, 360
Belastungsgrad, 176 Radialverdichter-Rotor
Fortschrittsgrad, 179 Geschwindigkeitsverteilung, 367
Gütegrad, 179 Ramjet
Leistungskoeffizient, 176, 179 Schubdiagramm, 159
Profilelement, 178 Schubkurve, 783
Propellertheorie, 174 Staustrahltriebwerk, 156
Schubkoeffizient, 179 Unterschall-Verbrennung, 782
Schubkraft, 174 Ramjet-Antrieb, 830
Standschub, 177 Ramjet-Triebwerk, 700
Stromröhre, 174 mit Überschallverbrennung, 790
Wirkungsgrad, ideal, 176 Nettoschub spezifisch, 785
Wirkungsgrad, 180 Teillastbetrieb, 783
Propeller-Kenngrößen, 179 Teillast-Regelfälle, 783
Propellerschub, 95 Ramjet-Triebwerke
Propeller-Vortriebsleistung, 136 Überschallverbrennung, 792
Propeller-Wirkungsgrad, 136 Unterschallverbrennung, 792
Propellerwirkungsgrad, 95 Rampendüse, 836
Sachverzeichnis 1001