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19/02/2020 SG #188: Heinrich Hoffmann und sein Struwwelpeter - Slow German

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SG #188: Heinrich Hoffmann und sein


Struwwelpeter
von Annik Rubens | 24. September 2019 | Kultur, Kunst und Kultur, SG Podcast-
Episode | 8 Kommentare

Annik Rubens        


SG #188: Heinrich Hoffmann und

Habt Ihr schon einmal etwas vom Struwwelpeter gehört? Dieses Buch gehört zu
den erfolgreichsten deutschen Kinderbüchern und wurde in viele Sprachen
übersetzt. Mark Twain hat das Buch beispielsweise ins Englische übersetzt ( Titel:
Slovenly Peter). Der Struwwelpeter ist die Titelfigur des 1845 veröffentlichten
Buches von Heinrich Hoffmann. Er war Arzt, Psychiater und Zeichner. Das
Bilderbuch „Der Struwwelpeter“ enthält Geschichten über unvorsichtige oder
ungehorsame Kinder, die durch ihren Leichtsinn Schaden erleiden.

Wie kam nun Heinrich Hoffmann auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Im
Dezember 1844 war sein Sohn Carl drei Jahre alt. Sein Vater wollte ihm ein
Bilderbuch zu Weihnachten schenken, fand aber keines, das ihm gefiel. Er kaufte
sich kurzerhand ein Schreibheft und beschloss, selber ein Kinderbuch zu basteln.
Annik Rubens        
Da er ein begabter Zeichner und Schriftsteller war kam dabei ein Buch heraus,
Österreich – SG #204          
das seinem Kind gut gefiel, und später auch dem gesamten Bekanntenkreis.
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19/02/2020 SG #188: Heinrich Hoffmann und sein Struwwelpeter - Slow German

Hoffmann wurde von vielen dazu aufgefordert, das Buch drucken zu lassen, und
zu veröffentlichen. Und genau das tat er.

Bei der Veröffentlichung hieß das Buch noch


„Lustige Geschichten und drollige Bilder für
Kinder von 3–6 Jahren“ und der Autor
verwendete das Pseudonym Reimerich
Kinderlieb. Jetzt seid Ihr bestimmt neugierig
geworden, welche Geschichten in dem Buch
stehen. Die Titelgeschichte ist die kürzeste. Der
Struwwelpeter wehrt sich gegen Schere und
Kamm. Deshalb hat er lange, ungepflegte
(„struwwelige“) Haare und sehr lange
Fingernägel. Er ist eine sehr ungepflegte,
garstige Erscheinung, mit der niemand etwas
zu tun haben will.

Es gibt auch die Geschichte des Tierquälers Friedrich. „Der Friederich, der
Friederich der war ein arger Wüterich!“ Er quälte Tiere zu seinem Vergnügen, bis
er an einen großen Hund geriet: „Da biss der Hund ihn in das Bein, Recht tief, bis
in das Blut hinein.“
Die Moral von dieser Geschichte – also das, was man daraus lernen kann: Quäle
keine Tiere!
Im Buch wird auch deutlich gegen Rassismus Stellung bezogen: Ein schwarzes
Kind, ein „Mohr“, wird von drei Kindern verspottet. Die Kinder werden ermahnt,
das bleiben zu lassen. Sie gehorchen nicht und werden daraufhin in ein Tintenfass
gesteckt, und sind hinterher noch „viel schwärzer als das Mohrenkind.“
Eine weitere Geschichte: Der Zappel-Philipp, der auch im Buch beschrieben wird,
gilt als erstes Beispiel eines Kindes mit ADHS, also mit der
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Er zappelt am Tisch herum und
zieht dabei die Tischdecke mitsamt des Essens herunter. Die Eltern sind daraufhin
wütend, weil sie nichts mehr zu essen haben.

Als es in den 1970er Jahren zu großen


Veränderungen bei der Kindererziehung kam,
wurde der Struwwelpeter kritischer gesehen als
zuvor. Es wurde kritisiert, dass mit den Kindern
schlimme Dinge passieren. Beispielsweise wurde
dem Jungen, der ständig den Daumen in den
Mund steckte, der Daumen mit einer Schere
abgeschnitten. So wie dem Daumenlutscher geht
es vielen Kindern im Buch – viele von ihnen
kommen zu Schaden. Der Suppenkasper stirbt,
weil er nichts mehr essen will, der fliegende
Annik Rubens        
Robert geht bei einem Sturm mit einem Schirm
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ins Freie und wird vom Wind davongetragen und
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ward nicht mehr gesehen und Paulinchen verbrennt, weil sie mit Streichhölzern
spielt. Der Struwwelpeter wurde also der „schwarzen Pädagogik“ zugerechnet, die
mit empfindlichen Strafen und Gewalt arbeitet, und bei der die Kinder gebändigt
und gekränkt werden. Ein beliebter Satz der schwarzen Pädagogik war: „Wer
nicht hören will, muss fühlen.“

Heinrich Hoffmann tut man aber damit unrecht. Er war ein Menschenfreund und
liebevoller Vater. Die einzelnen Geschichten werden bewusst übertrieben
dargestellt. Vergleichbar sind sie eher mit den klassischen Märchen, die man sich
heute noch erzählt. In manchen Zeichentrickfilmen für Kinder geht es weitaus
gewalttätiger zu.

Was meint Ihr zum Struwwelpeter? Sollte man ihn Kindern auch heute noch
vorlesen, oder lieber nicht?
Falls ihr das Buch lesen möchtet, hier ist ein PDF des ganzen Buches:
http://www.gasl.org/refbib/Hoffmann__Struwwelpeter.pdf

Text der Episode als PDF: https://slowgerman.com/folgen/sg188kurz.pdf

8 Kommentare
Hans Grillemeyer am 15. Oktober 2019 um 19:01
@anoymous (03. Oktober 2019)

Warum haben Sie nicht eine Formulierung vorgeschlagen, die


-nach ihren Maßstäben- unverdächtig genug ist? Das wäre
wesentlich konstruktiver, als Frau Rubens hier in einem
moralingeschwängerten Kommentar latenten Rassismus zu
unterstellen.

Dieser Begriff wird hierzulande ohnehin a) inflationär, deshalb b)


zunehmend unreflektiert und deshalb wiederum c) falsch verwendet
– und oft genug für politische Zwecke mißbraucht.

Mit anderen Worten:


Man kann’s auch übertreiben.

Annik Rubens am 4. Oktober 2019 um 07:54


Ich habe auch darüber nachgedacht. Für mich ist es eher so, dass
Kinder ein anderes Kind beschimpfen. Durch die „Strafe“ sollen sie
aber selber in die Situation kommen, über die sie sich vorher lustig

Annik Rubens gemacht


        haben. Das ist in diesem Fall die Hautfarbe, das würde
man heute sicher anders schreiben, aber es könnte auch etwas
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anderes sein. Irgendetwas, das „anders“ ist als bei den anderen,
bei der Gruppe.

Anonymous am 3. Oktober 2019 um 11:32


Wenn es eine Strafe ist, noch schwärzer als der Mohr zu sein, dann
ist das in meinen Augen immer noch sehr rassistisch.
Es scheint ja für den Mohr schon schlimm zu sein, schwarz zu sein.
Deshalb sollen die Kinder ihn nicht auch noch ärgern. Er ist mit
seiner Hautfarbe gestraft genug.
Bitte überlegen Sie noch einmal den Abschnitt des Textes
anzupassen.
Vielen Dank

Pepe Guerra am 30. September 2019 um 11:40


Hallo, Annik,
Weisst du das die Melodie „Para mi mamita que me quita mi popó“
bedeutet eigentlich „Für meine Mutti die meine Scheisse entfernt“?
Entschuldige, bitte, meine Unhöflichkeit.

Dejo am 29. September 2019 um 09:48


This is truly amazing!!!

Out of my vague memory from the best years in my life a few


decades back, while living my pre-school period with my parents in
Stuttgart, I clearly remember and will never forget a few things –
smell of the bakery at the end of the street and hot German
brotchens, thick Otto catalogs I went through cover to cover,
countless clothes hangers at C&A… but more than anything – how
glued I was for both Struwwelpeter and Max und Moritz (picture
books and cartoons), remember how my mother literally had to pull
me out of the apartment. Gosh, I still get goose bumps when I
recall them, still remember their moral tales and messages.

I’ve just ordered from Amazon both books in bilingual German and
English editions and can’t wait.

What a wonderful post, stuff I really, really love – not only we can
hear our lovely language but cultural references are of huge
importance for feeling true German.

Annik Rubens Immense


        thanks for your efforts, Annik!
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Annik Rubens am 26. September 2019 um 10:38


Oh je! Das kann ich gut verstehen.

David Schlesinger am 26. September 2019 um 10:14


Als ich noch sehr jung war, hat mir mein Vater, der in Deutschland
geboren wurde, das Buch vorgelesen. Ich hatte wochenlang
Albträume! Meine Mutter, die sehr amerikanisch war, war wütend
auf meinen Vater!

Mostafa am 25. September 2019 um 08:44


I am addicted to your helpful podcasts. Thank you.

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