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Propädeutische
Hausarbeit im Strafrecht
Sommersemester 2019
24.09.2019
Sachverhalt
A und B, beide Mitglieder einer Rockerbande, betraten nach Durchsicht ihrer kümmerlichen
Finanzen am späten Abend die Bar des W. Dort drohte A dem W während B ein unechtes
Schweizer Taschenmesser mit 6 cm Klinge, das aber täuschend echt aussah, in Wirklichkeit
aber aus reinem Blech bestand, unter W’s Nase hielt, ihn umzubringen, wenn er sich gegen
die Wegnahme seiner Tageseinnahmen aus der Kasse wehren würde. W leistete keinen
Widerstand. Da er jedoch an diesem Tag kaum Einnahmen hatte, konnte A lediglich 80 Euro
aus der Kasse nehmen und einstecken, während B weiter das Messer drohend hielt. Enttäuscht
über die geringe Beute, forderten sie W auf, ihnen andere Wertsachen zu zeigen oder
auszuhändigen. Auf W’s Antwort „er habe doch nichts“ suchten A und B die Bar nun selbst
nach Brauchbarem ab. In der Ecke sahen sie einen Glücksspielautomaten. B versuchte sein
Glück, mit dem unechten Messer den Sicherheitsmechanismus zu „knacken“. Nach mehreren
erfolglosen Versuchen gab er jedoch auf. A fand noch eine Kiste Bier, die er mitnahm und so
verließen A und B die Bar.
Neben finanziellen Sorgen plagte A noch eine weitere Sorge. Er hatte ein uneheliches
fünfjähriges Kind (S) mit seiner Ex-freundin E, die in verlassen hatte und missgönnte ihr
zutiefst das Kind. B, der A’s private Situation kannte, riet ihm dazu, dieses „Problem“ aus der
Welt zu schaffen. Dazu müsse A, so der Rat, lediglich den Gashahn in dem Haus der E
aufdrehen. Das Gas werde zu einem schnellen, schmerzlosen Tod führen. Was B allerdings
nicht sagte, war, dass er sich an der E rächen wollte, da sie ihm einen Korb nach der Trennung
von A gegeben hatte. A folgte dem Plan. Am nächsten Abend, an dem E – wie A wusste –
immer zum Gesangsunterricht ging und nicht zu Haus war und S gewöhnlicherweise schlief,
brach er in das Haus der E ein, indem er mit einer Eisenstange das Kellerfenster aufbrach.
Bevor er in den Heizungsraum gelangen konnte, in dem sich der Gashahn befand, musste er
noch durch den Vorratskeller gehen. Hier sah er einige edel aussehende Champagnerflaschen.
Kurz entschlossen, griff er eine in der Meinung, es sei echter Champagner und steckte sie in
den Beutel, den er zum Transport der Eisenstange mitgebracht hatte. Tatsächlich war es nur
billiger Sekt vom Discounter (Wert 10 Euro). Dann schlich er in den Heizungskeller, drehte
dort den Gashahn auf und verließ das Haus. In etwa einer Stunde, so kalkulierte er, wird S an
einer Gasvergiftung sterben. Was A nicht wusste, war, dass das Gas vollkommen ungefährlich
war. Etwa 20 Minuten nach der Tat, plagte A sein schlechtes Gewissen und höchst panisch
rannte er zurück zur Wohnung und holt S aus dessen Schlafzimmer. Schnell brachte er ihn
zum nächstgelegenen Krankenhaus und legte ihn dort ca. 100 Meter vor dem Eingang auf den
II
Gehweg in der Hoffnung, irgendjemand werde ihn schon finden. Um unentdeckt zu bleiben,
machte A sich schnell aus dem Staub. S wird von einem Passanten gefunden und unversehrt
nach Hause gebracht.
III
Gutachten....................................................................................................................................1
A. Strafbarkeit von A und B gem. §§ 249 I, 250 II Nr. 1, I Nr. 1 b), 25 II StGB in Bezug auf
die 80 Euro..............................................................................................................................1
I. Objektiver Tatbestand......................................................................................................1
3. Qualifikationsmerkmale...............................................................................................3
a) Waffe........................................................................................................................4
b) Gefährliches Werkzeug............................................................................................4
d) Beisichführen...........................................................................................................6
4. Finalzusammenhang....................................................................................................6
5. Mittäterschaft...............................................................................................................6
III. Ergebnis.........................................................................................................................6
C. Strafbarkeit von B gem. §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 2, 22, 23 I in Bezug auf den
Glücksspielautomaten.............................................................................................................7
I. Tatentschluss....................................................................................................................7
IV. Rücktritt.......................................................................................................................10
V. Ergebnis........................................................................................................................10
I. Tatentschluss..................................................................................................................10
IV
II. Unmittelbares Ansetzen, Rechtswidrigkeit und Schuld................................................10
III. Ergebnis.......................................................................................................................12
A. Strafbarkeit von A gem. §§ 212 I, 211, 22, 23 I in Bezug auf das Aufdrehen des
Gashahns...............................................................................................................................13
I. Tatentschluss..................................................................................................................13
a) Niedrige Beweggründe...........................................................................................14
b) Gemeingefährliche Mittel......................................................................................14
c) Heimtücke..............................................................................................................14
3. Zwischenergebnis......................................................................................................17
III. Rücktritt.......................................................................................................................19
IV. Ergebnis.......................................................................................................................20
B. Strafbarkeit des A gem. §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1, 244 I Nr. 3, IV in Bezug auf die
„Champagnerflasche“............................................................................................................20
I. Objektiver Tatbestand....................................................................................................20
III. Zwischenergebnis........................................................................................................21
IV. Strafrahmenbestimmung.............................................................................................21
V. Ergebnis........................................................................................................................21
C. Strafbarkeit des B gem. §§ 212 I, 26 in Bezug auf das Aufdrehen des Gashahnes durch A
...............................................................................................................................................22
I. Objektiver Tatbestand....................................................................................................22
V
1. Vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat...................................................................22
2. Bestimmen.................................................................................................................22
IV. Ergebnis.......................................................................................................................25
VI
Literaturverzeichnis
VIII
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(zit.: Rengier BT I)
Rengier, Rudolf Strafrecht Besonderer Teil II, 20. Auflage,
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(zit.: Rengier BT II)
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M./van Gemmeren, Gerhard München 2017
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Schünemann, Bernd Die deutschsprachige
Strafrechtswissenschaft nach der
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Kommentars und des Wiener Kommentars,
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Wessels, Johannes/Hettinger, Strafrecht Besonderer Teil 1, 42. Auflage,
Michael/Engländer, Armin Heidelberg 2018
(zit.: W/Hettinger/Engländer)
Wessels, Johannes/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, 48. Auflage,
Werner/Satzger, Helmut Heidelberg 2018
(zit.: W/Beulke/Satzger)
Zopfs, Jan Der besonders schwere Fall des Diebstahls
(§ 243 StGB), JURA 2007, S. 421 ff.
X
XI
Gutachten
I. Objektiver Tatbestand
1. Wegnahme einer fremden beweglichen Sache
A müsste eine fremde bewegliche Sache weggenommen haben. Die 80 €
sind für A eine fremde bewegliche Sache, da sie in Form von Geldscheinen
oder Münzen einen körperlichen Gegenstand i.S.d. § 90 BGB darstellen,
tatsächlich fortbewegt werden können und im Eigentum des W stehen.
Fraglich ist allerdings, ob A das Geld auch wegnahm. Wegnahme ist der
Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise
tätereigenen, Gewahrsams2. Hier nahm A die 80 € aus der Kasse und steckte
sie ein. Problematisch ist aber, dass A nur deswegen das Geld aus der Kasse
nehmen und einstecken konnte, weil W aufgrund des Taschenmessers an
seinem Hals keine Gegenwehr leistete. Diese Duldung könnte aber eine
Vermögensverfügung gemäß den §§ 253, 255 darstellen. Fraglich ist also,
ob das Einstecken der 80 € als Vorgang der Vermögensverschiebung unter
§§ 253, 255 zu fassen ist, oder ob es sich um eine Wegnahme im Sinne des
§ 249 handelt.
Nach Ansicht der Literatur erfolgt die Unterscheidung von Raub und
räuberischer Erpressung dadurch, dass auf eine Vermögensverfügung im
Sinne einer willentlichen Übertragung von Vermögenswerten abgestellt
wird3. Das Erfordernis einer Vermögensverfügung sei nämlich gerade
dahingehend wichtig, weil diese der Erpressung im Rahmen der
Vermögensdelikte, in Bezug auf andere Tatbestände mit gleicher
1
Im Folgenden sind §§ ohne Gesetzesangaben solche des StGB
2
Fischer, § 242, Rn. 16, 17
3
Lackner/Kühl StGB, § 253, Rn. 3
1
Schutzrichtung, eine abgegrenzte Funktion zuweist4. Bei der anderen
Meinung, die jedes vermögenserhebliche Verhalten genügen lässt5, würde
im Ergebnis ein konturloser Grundtatbestand aller mit Nötigungsmitteln
begangenen Angriffe auf fremdes Vermögen entstehen6. Außerdem würde
ohne das Verfügungserfordernis ein mit einfachen Nötigungsmitteln
begangener Diebstahl auch als Erpressung erfasst, für deren besonders
schwere Fälle in § 253 IV allerdings eine höhere Strafdrohung vorgesehen
ist als für die besonders schweren Fälle des Diebstahls in § 243. Das Gesetz
enthalte aber für die Kombination von Diebstahl und Nötigung erst beim
Einsatz der intensiveren Nötigungsmittel des Raubes ein gegenüber § 242
erhöhtes Strafmaß. Diese Wertung würde übergangen und ein sogenannter
„kleiner Raub“ würde konstruiert werden7. Hier duldet W aus Angst vor
potentiellen Repressionen seitens des B das Einstecken des Geldes. Es liegt
also keine willentliche Übertragung von Vermögenswerten, mithin keine
Vermögensverfügung vor. Nach dieser Ansicht würde es sich bei dem
Einstecken der 80 € durch A also um eine Wegnahme gemäß § 249 handeln.
3. Qualifikationsmerkmale
Ferner könnte B dadurch, dass er das Messer unter die Nase des W hielt, die
Qualifikationsmerkmale des schweren Raubes erfüllt haben. In Betracht
kommt, dass das Messer eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug im
Sinne von § 250 II oder ein sonstiges Werkzeug oder Mittel im Sinne von
§ 250 I Nr. 1 b) ist.
10
Erb, Herzberg-FS, 2008, S. 711 (714 f.)
11
Schmitt, Spendel-FS, 1992, S. 575 (581)
12
Rengier BT I, § 7, Rn. 18
3
a) Waffe
Das Taschenmesser könnte eine Waffe sein. Allerdings fallen nach der
Rechtsprechung grundsätzlich Taschenmesser nicht unter den Begriff der
Waffe13.
b) Gefährliches Werkzeug
Es könnte sich aber um ein gefährliches Werkzeug handeln. Entscheidend
ist hierbei, ob das Messer als Gewaltmittel oder Drohmittel verwendet
wurde. Ist letzteres gegeben, müsste sich die Gefährlichkeit darin erweisen,
ob das Messer geeignet ist bei Realisierung des Angedrohten erhebliche
Verletzungen herbeizuführen14. Vorliegend drohte B dem W mit dem
Messer. Allerdings besteht die Klinge des Messers aus Blech, das nachgibt
und verbiegt, wenn es auf Widerstand trifft. Folglich ist das Messer nicht
tauglich, dem W schwere Verletzungen herbeizuführen oder gar zu töten. Es
stellt daher kein gefährliches Werkzeug dar.
Eine Ansicht lehnt dies ab17, da bereits der Wortlaut des § 249 („Drohung
mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben“) dem widerspreche.
Denn Gefahren könne man nicht androhen, sondern nur Verletzungen. Wer
13
BGHSt 52, 257
14
Rengier BT I, § 8, Rn. 21
15
Fischer, § 250, Rn. 9
16
Fischer, § 250, Rn. 10
17
Klesczewski, GA 2000, S. 257 ff.
4
mit Gefahren drohe, benutze dies bloß als Mittel, um seiner Drohung
Nachdruck zu verleihen. Dies reiche aber nicht aus, weil § 249 von
„gegenwärtiger Gefahr“ spreche und somit auf die wirkliche Gefährdung
des Opfers abziele18. Außerdem unterscheide sich der Raub vom Diebstahl
durch den Angriff auf den Körper des Opfers. Bei der Drohung mit
gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben mache sich der Räuber den
Körper des Opfers zum Zweck der Wegnahme verfügbar. Er negiert also die
Fähigkeit des Opfers, Rechte unabhängig von einem fremden Willen als
eigene erwerben zu können. Wer dagegen mit Scheinwaffen drohe, setze auf
den Täuschungseffekt und wolle sich gerade keinen fremden Körper
verfügbar machen19. Nach dieser Ansicht würde hier das Schweizer
Taschenmesser aufgrund seiner objektiven Ungefährlichkeit nicht unter den
§ 250 I Nr. 1 b) subsumiert werden können, weil es zum einen dem W
keiner wirklichen Gefahr aussetzen kann und zum anderen der B ja gerade
auf den Täuschungseffekt des Messers setzt.
Gegen diese Sichtweise spricht allerdings die Systematik des § 250 I Nr. 1
b), denn dieser will nicht die gefährliche Verwendung als solche, wie § 250
II Nr. 1, sondern die erhöhte kriminelle Energie berücksichtigen, die sich
daraus ergibt, dass sich der Täter zur Tat „rüstet“20. Außerdem ergibt sich
nicht aus dem Wortlaut, dass das Werkzeug oder Mittel objektiv nach seiner
Beschaffenheit geeignet sein muss, das Opfer durch Gewalt oder Drohung
mit Gewalt zu nötigen21. Des Weiteren ist § 250 I Nr. 1 b) im Verhältnis zu
§ 250 I Nr.1 a) als Auffangtatbestand konzipiert22. Hier würde also das
Messer unter § 250 I Nr. 1 b) fallen, weil B durch die Verwendung des
Messers eine erhöhte verbrecherische Energie aufweist.
18
Klesczewski, GA 2000, S. 257 (263 f.)
19
Klesczewski, GA 2000, S. 257 (265 f.)
20
Joecks/Jäger StGB, § 250, Rn. 17
21
BGH NStZ, 2016, S. 216
22
NStZ-RR 2005, S. 373
5
und somit die gleichen Repressionen bei beiden Gegenständen fürchtet.
Ferner entspricht es explizit dem Willen des Gesetzgebers, dass
Scheinwaffen unter § 250 I Nr. 1 b) fallen23. Im Ergebnis ist somit auch das
Taschenmesser des B als Scheinwaffe von § 250 I Nr. 1 b) erfasst.
d) Beisichführen
B führte das Messer auch bei sich, weil er es in der Hand hielt und es ihm
somit während des Tathergangs zu Verfügung stand, sodass er es jederzeit
und ohne besondere Schwierigkeit hätte benutzen können.
4. Finalzusammenhang
Da die Drohung ohne zeitliche oder räumliche Zäsur unmittelbar in die
Wegnahme der 80 € einmündete, liegt der Finalzusammenhang vor.
5. Mittäterschaft
A und B sind auch Mittäter, weil sie zusammen entschieden ihre Finanzen
aufzubessern und arbeitsteilig den gemeinsamen Tatplan verwirklichten, da
B den W bedrohte und A das Geld an sich nahm.
III. Ergebnis
A und B haben sich bezüglich der 80 € des schweren Raubes in
Mittäterschaft gemäß den §§ 249 I, 250 I Nr. 1 b), 25 II strafbar gemacht.
23
MüKo StGB/-Sander, § 250, Rn. 42
24
W/Beulke/Satzger AT, § 17, Rn. 939
6
Vorsatz zwar bezüglich der Wegnahme. Fraglich ist aber, ob B Vorsatz in
Bezug auf den Einsatz von Nötigungsmittel hatte. B wollte lediglich die
Situation ausnutzen, dass W von der vorangegangenen Drohung noch zu
eingeschüchtert war, um etwas zu unternehmen. Für den Raub reicht es
allerdings nicht aus, dass die Wirkung der vorangegangenen Nötigung
bezüglich des neuen Objekts ausgenutzt wird25. Folglich hatte B keinen
Tatentschluss und hat sich daher nicht des versuchten Raubes in Bezug auf
den Glücksspielautomaten strafbar gemacht.
I. Tatentschluss
B hatte Tatentschluss, weil er den Automaten aufbrechen und im Falle des
Erfolges den Inhalt an sich nehmen wollte.
25
BGH NStZ 2003, S. 431 f.
26
BGH NStZ 2019, 79
7
knacken, einen versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall gem.
§ 243 I 1 Nr. 2 begangen. Der Glücksspielautomat war durch seinen
Sicherheitsmechanismus gegen Diebstahl gesichert und ist somit taugliches
Tatobjekt. Hier ist allerdings festzustellen, dass eine Vollendung des
Regelbeispiels nicht gegeben ist, weil B den Inhalt des Automaten nicht
weggenommen hat. Demnach könnte auch hier lediglich ein Versuch
bezüglich des Regelbeispiels des § 243 I 1 Nr. 2 vorliegen. Fraglich ist
allerdings, ob ein solcher Versuch überhaupt möglich ist.
IV. Rücktritt
B könnte jedoch vom Versuch des Diebstahls zurückgetreten sein, § 24.
Damit ihm das Rücktrittsprivileg zugutekommen kann, darf der Versuch
nicht fehlgeschlagen sein. Ein Versuch ist dann fehlgeschlagen, wenn die
bisherigen Tathandlungen den Erfolg nicht herbeigeführt haben und der
Täter erkannt hat, dass er den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann39. Hier
haben die bisherigen Versuche des B nicht dazu geführt, dass der Automat
geknackt wurde und B den Inhalt mitnehmen konnte. Außerdem gab B nach
36
Zopfs, JURA 2007, S. 421
37
Streng, Puppe-FS, 2011, S. 1025 (1053)
38
Franzke, NStZ, 2018, S. 566 (572)
39
Rengier AT, § 37, Rn. 15
9
gewisser Zeit auf, ihm wurde also bewusst, dass es ihm nicht möglich ist,
mit dem Messer den Sicherheitsmechanismus zu „knacken“. Folglich ist der
Versuch fehlgeschlagen und ein Rücktritt nicht möglich.
V. Ergebnis
B hat sich durch das erfolglose „Aufknacken“ des Automaten des
versuchten Diebstahls gem. § 242 I, 22, 23 I strafbar gemacht.
I. Tatentschluss
A hatte Vorsatz bezüglich des Diebstahls und Zueignungsabsicht, weil er
nach dem gemeinsamen Tatplan seine Finanzen aufbessern wollte, indem er
an Geld gelangt.
40
Rengier AT, § 36, Rn. 21
41
Puppe ZIS, 2007, S. 242, Rudolphi, Bockelmann-FS, 1979, S. 387
10
für den Verletzungserfolg der vollendeten Tat42. Darüber hinaus spreche
bereits der Wortlaut des § 22 („zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar
ansetzt“) dafür, dass jeder Mittäter tätig werden muss; daran fehle es
allerdings, wenn nicht der Täter selbst, sondern ein anderer zur Tat ansetzt43.
Ferner spreche für diese Ansicht, dass, würde man den Eintritt eines
Mittäters in das Versuchsstadium genügen lassen, dadurch ein Mittäter, der
noch nicht zu dem, seine Täterschaft begründenden, Tatbeitrag angesetzt
hat, allein aufgrund eines noch nicht betätigten verbrecherischen Willens
strafbar wäre. Dies würde den Grundsätzen der Versuchsstrafbarkeit jedoch
zuwiderlaufen44. Hier setzte A nicht unmittelbar dazu an, den
Sicherheitsmechanismus des Automaten zu „knacken“, weil er zu dem
Zeitpunkt die Bar nach etwas Brauchbarem absuchte. Nur B versuchte
erfolglos, den Automaten zu „knacken“. Folglich würde nach dieser Ansicht
für A der Versuch nicht beginnen, weil nicht A, sondern nur B unmittelbar
zur Tat ansetzte. Gegen diese Einzelbetrachtung der beiden Mittäter spricht
allerdings, dass zwar die Versuchsstrafbarkeit des ersten Mittäters als
selbstverständlich angesehen wird, weil er derjenige ist, der im Rahmen des
gemeinsamen Tatentschlusses den Anfang der Ausführung der gemeinsam
beschlossenen Straftat verwirklicht45. Infolgedessen wird nur die
Versuchsstrafbarkeit des zweiten Mittäters problematisiert. Allerdings führt
die isolierte Betrachtung des Verhaltens des zweiten Mittäters zur
Straflosigkeit des ersten Mittäters, weil gerade dieser nicht den vom Gesetz
geforderten Versuchsvorsatz für die gesamte Straftat hat. Ein Versuch ist
nämlich erst dann gegeben, wenn der Täter den Entschluss zur gesamten
Straftat gefasst hat. Dies ist allerdings bei der Mittäterschaft nicht der Fall.
Hier wollen die Täter gerade, dass ein Teil der geplanten Straftat durch
einen anderen verwirklicht wird, nämlich durch den zur Mitwirkung
bereiten Mittäter. Daraus folgt schon, dass es nicht überzeugt, jemanden als
Versuchstäter zu betrachten, der nicht den verlangten Versuchsvorsatz in
Bezug auf den gesamten objektiven Tatbestand hat, weil nach dem
gemeinsamen Tatplan ein Teil des Tatbestandes durch einen anderen
42
Roxin AT II, § 29, Rn. 299
43
Roxin, Odersky-FS, 1996, S. 493
44
Rudolphi, Bockelmann-FS 1979, S. 386
45
Mylonopoulos, GA 2011, S. 466
11
verwirklicht werden soll46. Deswegen ist der Versuchsbeginn nach der
sogenannten Gesamtlösung47schon dann gegeben, wenn einer von mehreren
Mittätern zur Tatbegehung unmittelbar ansetzt, weil sich bei der
Mittäterschaft jeder Beteiligte die im Rahmen des Tatplans liegenden
Beiträge zurechnen lassen muss48. Nach dieser Ansicht wäre A auch in das
Versuchsstadium gelangt, weil sein Mittäter B bereits anfing, mit dem
Messer den Sicherheitsmechanismus zu bearbeiten. Letztlich überzeugt die
zweite Ansicht, weil sie das Zurechnungsprinzip der Mittäterschaft auch
konsequent auf den Versuch überträgt. Somit ist das unmittelbare Ansetzen
des B dem A über § 25 II zuzurechnen. A handelte auch rechtswidrig und
schuldhaft.
III. Ergebnis
A hat sich des versuchten Diebstahls in Mittäterschaft gemäß §§ 242 I, 22,
23 I, 25 II strafbar gemacht.
I. Tatentschluss
A müsste Tatentschluss in Bezug auf den Tod eines anderen Menschen und
in Betracht kommende Mordmerkmale haben.
b) Gemeingefährliche Mittel
Vom Vorsatz des A könnte auch der Einsatz gemeingefährlicher Mittel
erfasst sein. Dies liegt dann vor, wenn der Täter ein Tötungsmittel so
einsetzt, dass er es in der konkreten Situation nicht beherrschen kann und es
somit eine Lebensgefahr für eine Mehrzahl von Personen mit sich bringt52.
Gas ist ein nicht sichtbarer und sich, ähnlich wie Rauch, überall
ausbreitender, hochexplosiver Stoff, der eine Lebensgefahr für alle
Bewohner des Hauses mit sich bringt. Somit ist der Einsatz
gemeingefährlicher Mittel von A’s Vorsatz erfasst.
c) Heimtücke
Zusätzlich kommt noch eine heimtückische Begehungsweise in Betracht.
Heimtücke besteht in der bewussten Ausnutzung der auf Arglosigkeit
beruhenden Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung53.
Fraglich ist allerdings, ob A den S überhaupt heimtückisch hätte töten
können, da S während der gesamten Tatzeit schlief, mit anderen Worten, ob
die Tötung eines Schlafenden überhaupt heimtückisch sein kann.
52
Rengier BT II, § 4, Rn. 46
53
W/Hettinger/Engländer BT 1, § 2, Rn. 124
54
Kargl, StraFo, 2001, S. 368
55
BGHSt 32, 282
14
Bewusstseins die Fähigkeit zum Argwohn fehle. Auch könne eine
Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts bei Schlafenden die Tatsache
nicht ändern, dass der Täter weder beim Einschlafen des Opfers noch in
dessen Schlaf durch tückisch-verschlagenes Verhalten die
Selbstschutzmöglichkeiten des Opfers unterlaufe56. Ferner wird von der
Rechtsprechung regelmäßig bei Bewusstlosen das Merkmal der Heimtücke
verneint57, weil die Wehrlosigkeit gerade nicht auf einer mitgenommenen
Arglosigkeit beruhe, während die Rechtsprechung bei Schlafenden hingegen
Heimtücke animmt58. Diese Ungleichbehandlung von Bewusstlosen und
Schlafenden überzeuge aber im Ergebnis nicht, denn beiden
Personengruppen fehle das aktuelle Bewusstsein von Argwohn. Aus diesem
Grund stehe man im Schlaf und in der Bewusstlosigkeit einem Kleinkind bis
zu drei Jahren gleich, weil diese zwar wehrlos seien, aber keine Fähigkeit
zum Argwohn besäßen59. Für die Annahme der Heimtücke genüge aber
nicht nur das Vorliegen der Wehrlosigkeit, vielmehr müssen sowohl die
Arglosigkeit als auch die Wehrlosigkeit vorliegen. Aus diesem Grund seien
das schlafende und das bewusstlose Opfer eher mit einem ohne
Tötungsvorsatz gefesselten Opfer vergleichbar, weil sie unabhängig von
ihrer Arglosigkeit konstitutionell wehrlos seien, so dass nur eine potentielle
Arglosigkeit vorliegen würde, die auch nicht für die Annahme von
Heimtücke genügend sei60. Folglich hätte A den S nicht heimtückisch töten
können, weil dieser schlief und somit nur wehrlos war. Für die Annahme
von Heimtücke hätte S aber nach dieser Ansicht auch arglos sein müssen.
Gegen eine Gleichbehandlung von Schlafenden und Bewusstlosen spricht
aber, dass sich Bewusstlose in einem Defektzustand ohne Befreiungschance
befinden. Demgegenüber kann ein Schlafender aufgrund endogener Kräfte
aufwachen und Gegenwehr leisten61. Entgegen der ersten Ansicht ist die
Gegenmeinung der Auffassung, dass auch bei Schlafenden eine
heimtückische Tötung möglich ist62. Dafür spricht, dass der Schlafende
seine Arglosigkeit mit in den Schlaf nimmt, weil er sich dem Schlaf in dem
56
Kargl, StraFo, 2001, S. 368
57
BGH NStZ, 2008, S. 569
58
BGHSt 23, 119
59
BGH NStZ 2006, S. 339
60
Kretschmer, JURA, 2009, S. 592
61
Haverkamp, GA 2006, S. 589
62
BGHSt 23, 119
15
Vertrauen überlässt, dass ihm nichts passieren werde. Die Arglosigkeit
begleitet ihn auch, wenn er sich ihrer nicht mehr bewusst ist, denn in diesem
Vertrauen überliefert er sich der Wehrlosigkeit63. Außerdem ist die Tötung
eines Schlafenden auch nicht immer pauschal heimtückisch, so liegt zum
Beispiel dann kein Fall von Heimtücke vor, wenn das Opfer gegen seinen
Willen vom Schlaf übermannt wurde oder wenn es aufgrund sonstiger
Umstände und nicht aufgrund seiner Arglosigkeit in der Lage war, die
Absicht des Täters zu erkennen und diesem wirksam entgegenzutreten64. So
sind für die Bejahung der Heimtücke immer die Umstände des konkreten
Einzelfalls maßgeblich65. Nach der Gegenmeinung könnte also A das
Mordmerkmal der Heimtücke bei S erfüllen, weil dieser auch im Schlaf
arglos und wehrlos ist. Im Ergebnis überzeugen die Argumente der zweiten
Ansicht, weil der Schlafende den gleichen Schutz genießen sollte, wie der
derjenige, der wach ist. Folglich hatte A auch Vorsatz in Bezug auf eine
heimtückische Begehungsweise.
3. Zwischenergebnis
A hatte Tatentschluss in Bezug auf die Tötung des S und die
Mordmerkmale.
Eine Ansicht bejaht dies67. Hierfür spreche bereits die Konzeption des
Strafrechts, denn das Strafrecht dient dem Schutz von Rechtsgütern. Dies
leite sich schon aus der Lehre der objektiven Zurechnung ab, nach der die
63
BGH NStZ, 2006, S. 339
64
BGH NStZ, 2007, S. 524
65
BGH NStZ, 2007, S. 524
66
SK-StGB/Jäger, § 22, Rn. 45
67
Schönke/Schröder/Eser/Bosch, § 22, Rn. 60
16
Tatbestandshandlung in der Schaffung eines unerlaubten Risikos für das
geschützte Rechtsgut bestehe. Der Taterfolg hingegen sei die
Verwirklichung des unerlaubten Risikos. Abzuleiten lasse sich somit, dass
der Versuch die Schaffung eines unerlaubten Risikos ist und die Vollendung
des Versuchs die Verwirklichung dieses Risikos. Da der Versuch immer
eine Tatbestandshandlung sei, entspreche es seinem Charakter, ihn als
Schaffung eines unerlaubten Risikos für das Rechtsgut zu verstehen. Daraus
folge, dass ein Versuch, egal in welcher Erscheinungsform, immer eine
Rechtsgutgefährdung darstelle, woraus sich letztendlich auch der Strafgrund
des Versuches ableite68. Außerdem würde sowohl der taugliche Versuch als
auch der untaugliche Versuch eine unerlaubte Gefahr schaffen. Deswegen
sollten beide auch gleichbehandelt werden69. Auch aus kriminalpolitischer
Sicht spreche einiges für die Gleichbehandlung von tauglichem und
untauglichen Versuch. Eine Gleichstellung sei deshalb geboten, weil beide
aufgrund ihrer Gefährlichkeit ein Einschreiten von außenstehenden
Beobachtern fordern70. Darüber hinaus spreche für die Strafbarkeit des
untauglichen Versuchs, dass allein durch die Betätigung des
rechtsfeindlichen Willens der Eindruck eines Angriffs auf die
Rechtsordnung erweckt und infolge dessen das Vertrauen der
Rechtsgemeinschaft in den Rechtsfrieden gestört werde71. Zudem stelle
schon der Wortlaut des § 22 allein auf die Tätervorstellung und nicht auf die
objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ab72. Folglich würde A auch für
die Freisetzung des ungefährlichen Gases bestraft werden, weil er dadurch
sein erhöhte kriminelle Energie nach Außen trägt. Dagegen spricht
allerdings, dass, wenn man dem letzten Argument folgen würde, es nicht
mehr um den Beginn einer wirklichen Versuchshandlung gehen würde,
sondern nur noch die Einbildung des Täters von Belang wäre. Folge wäre
aber die Überschreitung der Grenze zum Gesinnungsstrafrecht, da ohne das
Vorliegen einer betreffenden konkreten Deliktshandlung bestraft würde73. In
Bezug darauf sei die Aufgabe des Strafrechts nicht, die Gesellschaft vor
68
Roxin, GA 2017, S. 658 f.
69
Roxin, Jungs-FS, 2007, S. 832
70
Roxin, GA 2017, S. 659
71
Schünemann, GA 1986, S. 311
72
MüKo StGB/-Herzberg, § 22, Rn. 9
73
Hirsch, JZ 2007, S. 500 f.
17
Personen zu schützen, die einschlägige Delikte möglicherweise in der
Zukunft begehen könnten. Das Strafrecht befasse sich vielmehr mit den
Rechtsfolgen begangener Delikte und ein Delikt erfordere nun einmal den
Beginn der objektiven Verwirklichung74. Abschließend spreche auch gegen
jenes Argument, welches auf den „rechtserschütternden“ Eindruck des Täter
abstellt, dass gerade bei einem untauglichen Versuch das Sicherheitsgefühl
der Allgemeinheit nicht betroffen sein würde, wenn die kriminelle Energie
des Täters nicht nur im konkreten Einzelfall, sondern schon von vornherein
zum Scheitern verurteilt und auch ihre Wiederholung von Beginn an
ungefährlich sei, also wenn die Handlung des Täters nicht nur aktuell,
sondern auch generell kein Bedrohungsgefühl hervorzurufen vermag75.
Nach der Gegenansicht könne also der untaugliche Versuch nicht strafbar
sein76. Das Problem der bejahenden Meinung bestünde zum einen darin,
dass sie nicht hinreichend zwischen Strafrecht und Moral unterscheiden
würde. Derjenige, der einen „ungefährlichen“ Versuch begehe, verstoße
zwar aufgrund seines „bösen“ Willens gegen moralische Maßstäbe, dies
genüge aber für das Strafrecht nicht. Hier käme es vielmehr auf den Inhalt
der äußeren Umsetzung an. Mit anderen Worten heißt das, solange der
Entschluss nicht zum Beginn der tatsächlichen Tatbestandsverwirklichung
führt, liegen die Voraussetzungen für einen Deliktsversuch überhaupt nicht
vor und wenn schon kein Versuch vorliegt, könne als Konsequenz auch
keine Strafbarkeit gegeben sein77. Letztlich bestünde der Strafgrund eines
tauglichen Versuchs in dem Beginn einer vorsätzlichen
Tatbestandshandlung und der aus ex-ante Sicht konkreten Gefährlichkeit,
diese Handlung zu vollenden. Bei dem untauglichen Versuch hingegen
bestünde aufgrund der ungefährlichen Entschlussbetätigung keine ex-ante
Gefährlichkeit. Somit würde kein Beginn einer Tatbestandshandlung
vorliegen, weswegen auch kein echter Versuch gegeben sei78. Nach dieser
Ansicht wäre also A für das Aufdrehen des Gashahns mit dem Ziel den S zu
töten, nicht zu bestrafen, weil dies überhaupt nicht konkret gefährlich sei.
74
Hirsch, JZ 2007, S. 501
75
Schünemann, GA 1986, S. 316
76
Bottke, 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band IV, S. 159, 161
77
Hirsch, JZ 2007, S. 501
78
Hirsch, Lüderssen-FS, 2002, S. 255 f.
18
Im vorliegenden Fall kommen beide Meinungen zu unterschiedlichen
Ergebnissen. Letztendlich überzeugt aber die erste Ansicht, weil sie die
Gründe der Strafbarkeit des untauglichen Versuchs über das Gesetz
herleitet. Folglich setzte A auch unmittelbar zur Tat an, als er den Gashahn
aufdrehte und handelte rechtswidrig und schuldhaft.
III. Rücktritt
A könnte aber dadurch, dass er S nach 20 Minuten aus dem Bett holte und
zum Krankenhaus brachte, vom Versuch zurückgetreten sein. Der Versuch
war nicht fehlgeschlagen, weil A glaubte, dass das Gas innerhalb von einer
Stunde zum Tod des S führen würde. Der Versuch des A war ferner
beendet, weil A glaubte, durch das Aufdrehen des Gashahns den S zu töten
und somit alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan zu
haben. Weiterhin müsste A sich gemäß § 24 I 2 ernsthaft und freiwillig
bemüht haben, die Vollendung zu verhindern. Freiwillig handelt, wer
aufgrund einer freien Willensbildung zurücktritt79. Hier handelte A aus
Reue, mithin also aus eigenem Antrieb heraus und damit freiwillig.
Ernsthaftes Bemühen erfordert vom Täter, dass er alles tut, was aus seiner
Sicht zur Abwendung des drohenden Erfolges notwendig und geeignet ist80.
Hier war nach der Vorstellung des A das Holen des S aus dem Bett und das
Ablegen vor dem Krankenhaus geeignet, den von ihm in Gang gesetzten
Kausalverlauf zu unterbrechen und so die Vollendung zu verhindern. Er
kehrte nach 20 Minuten, also nach einem Drittel der Zeit, von der er
glaubte, dass S sterben werde, zurück. Außerdem holte er S direkt aus der
konkreten Gefahr, da das Gas nur innerhalb des Hauses gefährlich sein
konnte. Außerhalb des Hauses verflüchtigt es sich in der Luft. A hat sich
also freiwillig und ernsthaft bemüht, den Erfolg zu verhindern und ist
erfolgreich zurückgetreten.
IV. Ergebnis
A hat sich somit nicht des versuchten Mordes gemäß §§ 212 I, 211, 22, 23 I
strafbar gemacht.
79
Rengier AT, § 37, Rn. 91
80
W/Beulke/Satzger, § 17, Rn. 1060
19
B. Strafbarkeit des A gem. §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1, 244 I Nr. 3, IV in
Bezug auf die „Champagnerflasche“
A könnte sich durch das Einstecken der „Champagnerflasche“ des
besonders schweren Diebstahls gem. § 243 I 2 Nr. 1, des schweren
Diebstahls gem. § 244 I Nr. 3 und des Wohnungseinbruchsdiebstahls gem.
§ 244 I Nr. 4 strafbar gemacht haben.
I. Objektiver Tatbestand
Die „Champagnerflasche“ müsste eine fremde bewegliche Sache sein und
von A weggenommen worden sein. Vorliegend stellt die
„Champagnerflasche“ für A eine solche Sache dar, weil sie sich in der
generellen Gewahrsamssphäre der E befand und A durch das Einstecken in
den Beutel den Gewahrsam der E an der Flasche brach und eigenen
Gewahrsam begründete. A müsste ferner in eine Wohnung eingebrochen
sein. A brach mit einer Eisenstange das Kellerfenster der E auf und gelangte
so in das Haus der E. Da das Aufbrechen eines Fensters einigen
Kraftaufwand erfordert und das Haus der E, eine Räumlichkeit darstellt, die
als Unterkunft für S und E dient, ist A in eine Wohnung eingebrochen.
Schließlich erfüllte A auch die Voraussetzung des § 244 IV, weil das Haus
der E dauerhaft von E und S genutzt wird und somit unter den Begriff der
Privatwohnung aus § 244 IV fällt.
III. Zwischenergebnis
Der Diebstahlsvorsatz des A entstand erst nach dem Einbruch in das Haus
der E. Somit erfüllt A keines der Qualifikationsmerkmale des § 244,
sondern lediglich den Grundtatbestand des einfachen Diebstahls.
20
IV. Strafrahmenbestimmung
Möglicherweise hat A aber durch das Aufbrechen des Kellerfensters das
Regelbeispiel gem. § 243 I 2 Nr. 1 erfüllt. Zwar stellt das Haus der E ein
Gebäude dar und A ist auch, wie oben bereits dargestellt, eingebrochen,
aber auch hier tat er dies nicht zur Ausführung der Tat. A brach nämlich
eigentlich ein, um den Gashahn aufzudrehen und so den S zu töten und nicht
um etwas aus dem Haus der E zu stellen. Folglich verwirklichte A nicht das
Regelbeispiel.
V. Ergebnis
A hat sich durch das Einstecken der „Champagnerflasche“ des Diebstahls
gem. § 242 I strafbar gemacht. Da die Flasche mit einem Wert von 10 Euro
deutlich weniger als 50 Euro wert war, wäre wegen der Unterschreitung der
Geringwertigkeitsgrenze gem. § 248a zur Strafverfolgung ein Strafantrag
erforderlich.
I. Objektiver Tatbestand
1. Vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat
Der Versuch des A, den S zu töten stellt eine vorsätzliche und rechtswidrige
Haupttat dar.
2. Bestimmen
B müsste den A auch zu dieser Tat bestimmt haben. Bestimmen bedeutet
das zumindest mitursächliche Hervorrufen des Tatentschlusses beim
Haupttäter81. Vorliegend riet B dem A dazu, dessen „Problem“ aus der Welt
zu schaffen. Mithin war dieser Rat kausal dafür, dass A den Tatentschluss
fasste, S zu töten. Folglich bestimmte B den A zur Tat.
81
Rengier AT, § 45, Rn. 23
21
Bezug auf den Tötungsversuch des A hatte B Vorsatz, da er den Tod des S
wollte. Außerdem wollte er auch ganz gezielt den Tatentschluss bei A
hervorrufen. Mithin bestimmte er den A auch vorsätzlich zur Begehung der
Haupttat. Er handelte dabei auch rechtswidrig und schuldhaft.
82
BGH, NJW 2005, S. 997, Geppert, JURA 2008, S. 36
83
BGHSt, NStZ 2019, S. 206
22
Anwendung des § 28 II davon abhängt, wie man das Verhältnis der §§ 211
und 212 sieht.
84
BGH, NJW 2005, S. 997, Jäger, JR 2005, S. 475
85
BGHSt 1, 368
86
Beer, ZJS 2017, S. 541
87
Beer, ZJS 2017, S. 541
88
S/S/Escher/Sternberg-Lieben, Vorb. §§ 211 ff., Rn. 5
23
Strafandrohung würde, wenn er hinter dem Totschlag stünde, im Vergleich
zu anderen Straftaten gegen das Leben geradezu untergehen89. Ergänzend
dazu ließe sich gegen das Argument, dass die Reihenfolge der §§ 211, 212
für eine Unabhängigkeit spreche, einwenden, dass in der Rechtsprechung
selber etwa im Verhältnis zwischen Raub und Erpressung, die Auffassung
vertreten wird, dass die Erpressung der Grundtatbestand des Raubes sei90.
Dies bedeutet, dass im Strafgesetzbuch eine andere Reihenfolge von
Tatbeständen der Einordnung als Qualifikation nicht entgegenstünde91.
Auch spräche für die Literatur, die den Mord als Qualifikation zum
Totschlag sieht und somit die Anwendung von § 28 II befürwortet92, die
Historie des Wortlautes von § 211. Die Formulierung „Mörder ist wer“ geht
nämlich zurück auf die im Nationalsozialismus vertretene Tätertypenlehre.
Diese Lehre ist aber nicht mehr mit dem modernen Rechtsstaat vereinbar93.
So sind die Tätertypenbezeichnung „Mörder“ und Totschläger“
systemfremde Elemente im Strafgesetzbuch94. Deswegen kann allein aus
dem Wortlaut heraus nicht auf die Selbständigkeit der beiden Tatbestände
geschlossen werden95. Auch die teleologische Auslegung spricht für die
Annahme der Qualifikation. Sowohl der § 211 als auch der § 212 schützen
das menschliche Leben, dieser identische Schutzzweck ist geradezu typisch
für das Verhältnis von Grundtatbestand und Qualifikation. So schützen die
§§ 223, 224 beide die körperliche Unversehrtheit und die §§ 242, 244
schützen das Eigentum96. Aus den dargestellten Gründen ist daher der
Literatur zu folgen, die den Totschlag als Grundtatbestand und den Mord als
dessen Qualifikation ansieht. Somit haben die Mordmerkmale der 1. und 3.
Gruppe strafschärfenden Charakter. Daraus folgt die Anwendung des § 28 II
auf den vorliegenden Fall. B handelte aus niedrigen Beweggründen und
verwirklichte damit ein Mordmerkmal der 1. Gruppe.
89
Beer, ZJS 2017, S. 542
90
BGHSt 14, 386
91
Beer, ZJS 2017, S. 542
92
MüKo StGB/-Schneider, § 211, Rn. 211
93
Geppert, JURA 2008, S. 38
94
Deckers/Fischer/König/Bernsmann, NStZ 2014, S. 15
95
Beer, ZJS 2017, S. 542 f.
96
Berr, ZJS 2017, S. 542
24
IV. Ergebnis
Unter Durchbrechung der Akzessorietätsregeln ist B demnach wegen
Anstiftung zum Mord unter Anwendung von § 28 II gem. §§ 212 I, 211, 26,
28 II zu bestrafen.
5329235
25