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BWP 2/2002 27
Diese Netzpublikation wurde bei der Deutschen Nationalbibliothek angemeldet und archiviert. URN: urn:nbn:de:0035-bwp-02227-9
THEMA
des Sprachverbandes im Oktober 2001 in Mainz 4 zeigte „Deutsch am Arbeitsplatz“ für teilqualifizierte
sich der Trend in der didaktischen Diskussion zur Verbin- Beschäftigte
dung von Sprach- und Handlungslernen. „Grammatik ist In den DIE-Projekten, insbesondere SEP, wurden und wer-
nicht Selbstzweck, sondern eingebunden in Mitteilungsab- den im Kontext arbeitsplatzbezogenen Deutscherwerbs
sichten und Handlungssituationen“, so formulierte zuge- neue Qualifizierungskonzepte entwickelt. Sie erinnern zum
spitzt Rolf Deutschmann.5 einen die Arbeitgeber und Betriebsräte an ihre Verantwor-
tung für die kommunikationsbezogene Qualifizierung ih-
Sprachvermittlung muss also integriert in Qualifizierungs- rer Beschäftigten und versuchen neue Beteiligungsmodelle
maßnahmen und nicht als gesonderter Sprachunterricht hierfür zu nutzen9, zum anderen zielen sie darauf, genau
konzipiert und durchgeführt werden. So lassen sich die re- jene Klientel in den Betrieben in der Qualifizierung einzu-
levanten Sprachkompetenzen für die antizipierten Sprach- beziehen, die zumeist davon ausgeschlossen sind. Teilqua-
situationen erwerben und zugleich die Motivation der Teil- lifizierte Beschäftigte mit Migrationshintergrund sollen
nehmenden erhöhen. Dabei kann nur bedingt auf die alten eine Zweitsprachenförderung in Deutsch erhalten, die als
Modelle aus der Zeit der Sprachmeister in den Lernstatt- integraler Bestandteil einer beruflichen Qualifizierung kon-
ansätzen zurückgegriffen werden.6 zipiert und durchgeführt wird.
Die Grundlagen der Professionalisierung von Sprachleh- Der Zusammenhang zwischen betrieblichen Veränderun-
renden ist fortgeschritten und hat sich um Erkenntnisse le- gen und kommunikativen Anforderungen am Arbeitsplatz
bensweltsprachlicher Analysen, wie sie mit Kindern und wird zum Schlüssel einer Sprachbeschreibung gemacht,
Jugendlichen vorgenommen wurden7 und um methodische und so jeglichen didaktisch-methodischen Überlegungen
Ansätze bereichert.8 Sie verlangt also sowohl eine kompe- und curricularen Entwicklung für Zweitsprachangebote
tente Analyse des erreichten Sprachstandes als auch ein sowohl für Jugendliche in der Ausbildung als auch für
teilnehmerorientiertes und situationsangemessenes Quali- Erwachsene in Weiterbildungsmaßnahmen/Qualifizie-
fizierungsziel. rungsmaßnahmen zugrunde gelegt.
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zum Zweck einer handhabbaren linguistischen Beschrei- • Stellt die dialektale Färbung eine große Barriere dar?
bung in separaten Katalogen von Sprachintentionen, Dis- • Sind die Dokumente leserfreundlich gestaltet?
kursstrategien, Notionen, Wortschatz, grammatische Struk- • Haben die benutzten Schriftstücke ein klares Layout?
turen aufgelistet werden, sondern bleiben in ihrem Hand- • Werden Visualisierungen zur Unterstützung herangezo-
lungszusammenhang erhalten. Dadurch wird sichtbar, gen?
welche sprachlichen Elemente zusammenspielen und wel- • Welchen Einfluss haben Gestik und Mimik?
che Funktion(en) sie erfüllen. Sozio-kulturelle und inter-
kulturelle Aspekte/Elemente werden dadurch in ihrer Aufgabe der Lehrenden als Folge der Sprachbedarfsermitt-
sprachlichen Realisierung erfahrbar und beschreibbar ge- lung und -analyse ist die Beratung aller Kommunikations-
macht. partner: Mit den Lernenden wird sie die Form der Lernbe-
ratung annehmen. Bezüglich der Kommunikationspartner:
So kann z. B. erfasst werden, wie in einer Besprechung (in Kollegen/-innen, Mitschüler/-innen, Ausbilder, Vorgesetzte,
der Arbeit, aber auch in der Schule) der Sprecherwechsel Verantwortliche für die Erstellung schriftlicher Dokumente
zu gestalten ist: etc. zielt die Beratung auf eine Bewusstmachung der be-
nutzten Sprache und auf die Einsicht, einen eigenen Bei-
• wie man unterbricht, ohne unhöflich zu sein, trag zu leisten für die Überwindung von Kommunikations-
• wie man das Wort behält, ohne selbstherrisch zu er- barrieren, die z. B. in Veränderungen des eigenen Sprach-
scheinen, verhaltens münden kann.
• wie man Dissens konstruktiv äußert, ohne aggressiv zu
klingen,
• wie man einen Vorschlag unterbreitet, ohne besserwis- Anstoß und Empfehlungen
serisch zu sein, Es kann hier nur kurz angedeutet werden, in welcher Weise
• wie man in multikulturell besetzen Gruppen im Betrieb, ein arbeitsplatzbezogenes Sprachtraining zur Förderung
in der Schule, in der Nachbarschaft Missverständnisse der Integration von Migrantinnen und Migranten gestaltet
aufspürt und thematisiert bzw. klärt etc. werden kann. Viele Details der Analyse müssen an dieser
Stelle unerwähnt bleiben. Aber der Erfolg des Ansatzes und
Eine solche ganzheitliche Herangehensweise, die den An- seine Verbreitung machen deutlich, dass mit Hilfe des Sze-
spruch hat, die sprachlich-gesellschaftliche Realität zu er- nario-Ansatzes eine Übertragung sowohl auf weitere Bran-
fassen, verändert auch das Verständnis von Sprachunter- chen als auch auf unterschiedliche Altersstufen und Quali-
richt und die Rolle der Lehrkraft. Thematisiert wird nicht fizierungsziele vorgenommen werden kann.
nur der/die Lernende und die Sprache, die ihm/ihr „fehlt“, Wünschenswert ist neben dem Engagement von Führungs-
sondern die gesamte kommunikative Handlung, d. h. auch kräften und Betriebsräten in Unternehmen zur Initiierung
der Anteil der anderen Kommunikationspartner. Der Bei- solcher Qualifizierungen, welche Teilqualifizierte in Unter-
trag von Lehrenden, Ausbildenden, Vorgesetzten etc. wird nehmen ebenso einbeziehen wie qualifizierte Fachkräfte,
analysiert: eine Übertragung auf die Ausbildung und Angebote der
Benachteiligtenförderung in der beruflichen Bildung bei
• Welche Merkmale weist ihr Anteil auf? außerbetrieblichen Bildungsträgern.
• Wird von ihnen verständlich und präzise formuliert?
Anmerkungen
1 Vgl. die Diskussionen auf dem 3 Grünhage-Monetti, M.: „Neue in der beruflichen Bildung durch 7 Vgl. Fürstenau, S.; Gogolin, I.:
Abschlusskongress des forum Zertifikate braucht das Land !?! sprachbezogene Angebote. Bonn, Sprachliches Grenzgängertum.
bildung im Januar 2002 und Das Projekt „Deutsch am 2002 (www.good-practice. Zur Mehrsprachigkeit von
dessen Empfehlungen. Arbeitsplatz“ und das Zertifikat bibb.de), S.30 Migranten. In: List, G., Quer-
2 Vgl. Rützel, J.; Schapfel, F.: „Leben und Arbeiten in Deutsch- 6 Vgl. Szablewski-Cavus, P.: sprachigkeit. Tübingen 2001
Gruppenarbeit und Qualität. land“. In: Tanzer, W. (Hrsg.): Skizze einer Profilierung. Der 8 Vgl. Müller, A.: Berufsbezogener
Alsbach 1998, zur Kritik an der Sprache – Kultur – Politik. Unterricht Deutsch für auslän- Sprachunterricht und Förderung
unreflektierten Übernahme von Regensburg 2000, S. 462–471 dische Arbeitnehmer. In: Deutsch der kommunikativen Kompeten-
Slogans der neuen Anforderun- 4 Im Rahmen des EU-Projekts des als Zweitsprache – Extraheft zen. Ein Beitrag zur inter-
gen in der Arbeitswelt. Vgl.: DIE „Setting up Partnerships 2001, S. 23–34, und Markert, aktionsorientierten Sprachdi-
Plath: Arbeitsanforderungen im against Social Exclusion at the W.: Die Lernstatt. Ein Modell daktik. In: Zielsprache Deutsch
Wandel, Kompetenzen für die Workplace (SEP)“ zur beruflichen Qualifizierung 3/98, S. 114–120
Zukunft – Eine folgenkritische 5 Deutschmann, R.: Sprachförde- von Ausländern am Beispiel der 9 Bspw. die Möglichkeiten von
Auseinandersetzung mit aktuel- rung von Migranten in der BMW AG. Vom Sprachmodell Jobrotation, wie bei der VHS
len Positionen. In: MittAB schulischen Berufsvorbereitung für Ausländer zum betrieblichen Velbert
4/2000, S. 583–593 in Hamburg. In: GPC (Hrsg.): Organisationsmodell. BIBB 10 J. Beneke. In: ZDfB,1995, S.51
Förderung von Migranten/-innen (Hrsg.), Berlin 1985
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