Sie sind auf Seite 1von 2

Die drei Spinnerinnen

Es war ein Mädchen faul und wollte nicht spinnen, und einen breiten Daumen. Die blieben vor dem Fenster
die Mutter mochte sagen, was sie wollte, sie konnte es stehen, schauten hinauf und fragten das Mädchen, was
nicht dazu bringen. Endlich überkam die Mutter ihm fehlte. Es klagte ihnen seine Not, da trugen sie
einmal Zorn und Ungeduld, daß sie ihm Schläge gab, ihm ihre Hilfe an und sprachen: "Willst du uns zur
worüber es laut zu weinen anfing. Nun fuhr gerade die Hochzeit einladen, dich unser nicht schämen und uns
Königin vorbei, und als sie das Weinen hörte, ließ sie deine Basen heißen, auch an deinen Tisch setzen, so
anhalten, trat in das Haus und fragte die Mutter, wollen wir dir den Flachs wegspinnen, und das in
warum sie ihre Tochter schlüge, daß man draußen auf kurzer Zeit."
der Straße das Schreien hörte. Da schämte sich die "Von Herzen gern," antwortete es, "kommt nur herein
Frau, daß sie die Faulheit ihrer Tochter offenbaren und fangt gleich die Arbeit an."
sollte, und sprach: "Ich kann sie nicht vom Spinnen Da ließ es die drei seltsamen Weiber herein und
abbringen, sie will immer und ewig spinnen, und ich machte in der ersten Kammer eine Lücke, wo sie sich
bin arm und kann den Flachs nicht herbeischaffen." Da hinsetzten und ihr Spinnen anhuben. Die eine zog den
antwortete die Königin: "Ich höre nichts lieber als Faden und trat das Rad, die andere netzte den Faden,
spinnen und bin nicht vergnügter, als wenn die Räder die dritte drehte ihn und schlug mit dem Finger auf den
schnurren. Gebt mir Eure Tochter mit ins Schloß, ich Tisch, und sooft sie schlug, fiel eine Zahl Garn zur
habe Flachs genug, da soll sie spinnen, soviel sie Lust Erde, und das war aufs feinste gesponnen. Vor der
hat." Die Mutter war's von Herzen gerne zufrieden, Königin verbarg sie die drei Spinnerinnen und zeigte
und die Königin nahm das Mädchen mit. ihr, sooft sie kam, die Menge des gesponnenen Garns,
Als sie ins Schloß gekommen waren, führte sie es daß diese des Lobes kein Ende fand. Als die erste
hinauf zu drei Kammern, die lagen von unten bis oben Kammer leer war, ging's an die zweite, endlich an die
voll vom schönsten Flachs. dritte, und die war auch bald aufgeräumt. Nun nahmen
"Nun spinn mir diesen Flachs," sprach sie, "und wenn die drei Weiber Abschied und sagten zum Mädchen:
du es fertigbringst, so sollst du meinen ältesten Sohn "Vergiß nicht, was du uns versprochen hast, es wird
zum Gemahl haben; bist du gleich arm, so acht ich dein Glück sein."
nicht darauf, dein unverdroßner Fleiß ist Ausstattung Als das Mädchen der Königin die leeren Kammern
genug." Das Mädchen erschrak innerlich, denn es und den großen Haufen Garn zeigte, richtete sie die
konnte den Flachs nicht spinnen, und wär's dreihundert Hochzeit aus, und der Bräutigam freute sich, daß er
Jahre alt geworden und hätte jeden Tag vom Morgen eine so geschickte und fleißige Frau bekäme, und lobte
bis Abend dabeigesessen. Als es nun allein war, fing sie gewaltig.
es an zu weinen und saß so drei Tage, ohne die Hand "Ich habe drei Basen," sprach das Mädchen, "und da
zu rühren. Am dritten Tage kam die Königin, und als sie mir viel Gutes getan haben, so wollte ich sie nicht
sie sah, daß noch nichts gesponnen war, verwunderte gern in meinem Glück vergessen. Erlaubt doch, daß
sie sich, aber das Mädchen entschuldigte sich damit, ich sie zu der Hochzeit einlade und daß sie mit an dem
daß es vor großer Betrübnis über die Entfernung aus Tisch sitzen." Die Königin und der Bräutigam
seiner Mutter Haus noch nicht hätte anfangen können. sprachen: "Warum sollen wir das nicht erlauben?"
Das ließ sich die Königin gefallen, sagte aber beim Als nun das Fest anhub, traten die drei Jungfern in
Weggehen: "Morgen mußt du mir anfangen zu wunderlicher Tracht herein, und die Braut sprach:
arbeiten." "Seid willkommen, liebe Basen."
Als das Mädchen wieder allein war, wußte es sich "Ach," sagte der Bräutigam, "wie kommst du zu der
nicht mehr zu raten und zu helfen und trat in seiner garstigen Freundschaft?" Darauf ging er zu der einen
Betrübnis vor das Fenster. Da sah es drei Weiber mit dem breiten Plattfuß und fragte: "Wovon habt Ihr
herkommen, davon hatte die erste einen breiten einen solchen breiten Fuß?"
Plattfuß, die zweite hatte eine so große Unterlippe, daß "Vom Treten," antwortete sie, "vom Treten." Da ging
sie über das Kinn herunterhing, und die dritte hatte der Bräutigam zur zweiten und sprach: "Wovon habt

www.grimmstories.com 1
Ihr nur die herunterhängende Lippe?"
"Vom Lecken," antwortete sie, "vom Lecken."
Da fragte er die dritte: "Wovon habt Ihr den breiten
Daumen?"
"Vom Fadendrehen," antwortete sie, "vom
Fadendrehen." Da erschrak der Königssohn und
sprach: "So soll mir nun und nimmermehr meine
schöne Braut ein Spinnrad anrühren." Damit war sie
das böse Flachsspinnen los.

***

www.grimmstories.com 2

Das könnte Ihnen auch gefallen