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Dämpfung
Das vorige Kapitel diente der Diskussion der verschiedenen Wellenarten, die
im Festkörper auftreten können. Dabei wurde stets in irgend einer Form das
Hooke’sche Gesetz - also die Proportionalität von Spannung und Dehnung -
benutzt. Dieses Gesetz gilt - wie die meisten der Physik - nur für Idealfälle,
die in der Natur nur als Grenzfälle vorkommen. Für die im letzten Kapi-
tel behandelten, mehr prinzipiellen Betrachtungen spielen die in der Praxis
auftretenden Abweichungen vom Hooke’schen Gesetz keine Rolle. Anderer-
seits stehen die im letzten Kapitel abgeleiteten Beziehungen im Widerspruch
mit der Erfahrung: Während aus dem täglichen Leben bekannt ist, dass jede
Schwingung zeitlich und räumlich abklingt“, besagen die bisher abgeleiteten
”
Beziehungen (siehe beispielsweise (2.11) und (2.12)), dass eine einmal in Gang
gesetzte Bewegung beliebig lange fortdauern könnte.
Dieses Abklingen der Vorgänge, das auf eine Umwandlung der in einer be-
stimmten Schwingung enthaltenen Energie in eine andere Energieform zurück-
zuführen ist, und das im allgemeinen als Dämpfung 1 oder auch Dissipation
bezeichnet wird, soll in diesem Kapitel behandelt werden. Dabei werden nur
die Vorgänge betrachtet, bei denen mechanische Energie in Wärme umge-
setzt wird (Strahlungsdämpfung bleibt also unberücksichtigt). Zunächst wird
die Dämpfung von isotropen Körpern behandelt und anschließend die für
die Lärmbekämpfung sehr wichtigen Mehrschichtsysteme (z.B. Platten mit
Dämpfungsbelägen).
In der Praxis spielt die mechanische Dämpfung nicht nur in der Schwin-
gungsabwehr und Geräuschbekämpfung, sondern auch bei Untersuchungen
über den Aufbau der Stoffe (insbesondere der Hochpolymere) und bei der
Fertigungskontrolle eine Rolle.
1
Zum Unterschied dazu wird in der Akustik die Reflexion mechanischer Schwin-
gungen an Unstetigkeiten etc. (siehe Kapitel 5) als Dämmung bezeichnet.
140 3 Dämpfung
Die Frage, wie die elastischen Grundgleichungen (im einfachsten Fall (2.2))
modifiziert werden müssen, um den Dämpfungserscheinungen Rechnung zu
tragen, beschäftigt die Physiker schon sehr lange. Bereits im Jahre 1874 schlug
O.E. Meyer [3.1] vor, zusätzlich zu den elastischen Kräften noch eine Rei-
bungskraft anzunehmen, die viskoser Natur, also proportional zur zeitlichen
Ableitung der Dehnung ist. Statt (2.2) gilt also für diesen später als Voigt-
Kelvin-Modell bezeichneten Zusammenhang zwischen Spannung σ und Deh-
nung (siehe [3.2])
d
σ =D +ϑ . (3.1)
dt
Setzt man darin den hauptsächlich interessierenden periodischen Dehnungs-
verlauf
= ˆ cos ωt (3.2)
ein, so folgt
(cos ωt − ωϑ sin ωt) = Dˆ
σ = Dˆ 1 + ω 2 ϑ2 cos(ωt + arctan ωϑ). (3.3)
Man sieht also, dass bei gegebenem Dehnungsverlauf Spannung und Dehnung
gegeneinander phasenverschoben sind. Das beinhaltet dann - wie später noch
gezeigt wird - auch, dass während der Schwingungen mechanische Energie
verloren geht, also in Wärme umgesetzt wird.
(3.1) bzw. (3.3) sind etwas unbefriedigend, weil sich in der Praxis die
Größe ϑ als sehr stark frequenzabhängig erweist; außerdem sind viskose Kräfte
bei Festkörpern nur schwer vorstellbar. Aus diesem Grunde wurden später
andere lineare Materialgesetze vorgeschlagen von denen ein sehr wichtiges
auf Boltzmann [3.3] zurückgeht. Er ging davon aus, dass die Kraft, die
aufzuwenden ist, um eine bestimmte Dehnung zu erzeugen, nicht nur von der
Dehnung selbst, sondern auch von früheren Dehnungen (der Vorgeschichte“)
”
abhängt. Nimmt man mit Boltzmann an, dass sich die Wirkungen der früheren
Dehnungen linear superponieren, so lässt sich der Zusammenhang zwischen
Spannung σ(t) zur Zeit t und Dehnung (t) zur Zeit t bzw. (t − Δt) zur
früheren Zeit (t − Δt) wie folgt darstellen:
∞
σ(t) = D1 (t) − (t − Δt)ϕ(Δt)d(Δt). (3.4)
0
Dabei ist ϕ(Δt) die sogenannte Nachwirkungsfunktion, von deren Form die
jeweilige Spannungs-Dehnungs-Beziehung abhängt. Wie man sieht, ergibt sich
für ϕ(Δt) = 0 wie zu erwarten wieder das Hooke’sche Gesetz.
Von den vielen Nachwirkungsfunktionen, die im Prinzip möglich wären,
hat eigentlich nur eine, die sogenannte Relaxationsfunktion, Bedeutung. Man
geht dabei davon aus, dass sich bei einer Dehnung gewisse molekulare Vorgänge
(Platzwechsel, Kristallwandverschiebungen, Veränderung der Molekülstruk-
tur, Anregung von bestimmten Molekülschwingungen, etc.) ereignen, die
3.1 Dämpfungsmechanismen und ihre Darstellungsweise 141
allmählich angeregt werden und auch allmählich wieder abklingen. Wird bei-
spielsweise durch die Dehnung ein Kettenmolekül in Schwingungen versetzt,
so kann man annehmen, dass diese Schwingungen exponentiell wieder abklin-
gen; die Nachwirkungsfunktion“ wird also die Form
”
D2 −Δt/τ
ϕ(Δt) = e (3.5)
τ
haben. Dabei ist D2 eine Konstante und t die sogenannte Relaxationszeit,
also im oben genannten Beispiel eine Art Abklingzeit der Molekülschwingun-
gen. Wie der Spannungsverlauf bei gegebener Dehnung aussieht, kann man
in Bild 3.1 für zwei Beispiele sehen. Bei dem linken Beispiel handelt es sich
um den Kraftverlauf, der notwendig ist, um eine plötzliche Dehnung von 0
auf 0 zu bewirken. Wie man sieht, ist erst eine relativ große Kraft notwen-
dig, die sich nach einiger Zeit, wenn sich der Körper an den neuen Zustand
gewöhnt“ hat, verringert. Das rechte Beispiel zeigt den Spannungsverlauf bei
”
einer periodischen Dehnung. Dieser Fall sei auch noch explizit ausgerechnet,
da er besonders wichtig ist. Setzt man (3.2) und (3.5) in (3.4) ein, so erhält
man ∞
D2
σ(t) = D1 ˆ cos ωt − ˆ cos ω(t − Δt)e−Δt/τ d(Δt)
τ
0
(3.6)
D2 ωτ
= D1 − 2 2 ˆ cos ωt − D2 2 2 ˆ sin ωt.
ω τ +1 ω τ +1
Es wird also auch durch Relaxationsvorgänge eine Phasenverschiebung und
damit Vernichtung von mechanischer Energie bewirkt. Wieviel mechanische
Energie in Wärme umgewandelt wird, hängt vom zweiten Glied in (3.6) also
im Wesentlichen von der Relaxationszeit und der jeweiligen Frequenz ab.
Mit (3.4) und (3.5) lassen sich alle beobachteten linearen Spannungs-
Dehnungs-Beziehungen erklären. Man muss höchstens noch annehmen, dass
gleichzeitig mehrere Relaxationsvorgänge stattfinden, d.h., dass (3.5) durch
eine Summe gleichartiger Formeln mit verschiedenen Relaxationszeiten zu er-
setzen ist. Aus diesem Grunde ist das Relaxationsmodell der Nachwirkung
allgemein als richtig anerkannt.
Neben dem Viskositäts- und dem Relaxationsmodell nach (3.1) bzw. (3.4)
gibt es noch eine Reihe von anderen Vorschlägen zur mathematischen Be-
schreibung der Dämpfung. Relativ bekannt sind die Modelle von Maxwell
[3.4] und von Zener [3.5], für die die Spannungs-Dehnungs-Relationen lauten:
d 1 dσ 1
Maxwell: = + σ,
dt D dt ν
(3.7)
dσ d
Zener: σ + τ1 = D + τ2 .
dt dt
Dabei sind ν die Zähigkeit und τ1 bzw. τ2 Relaxationszeiten. Das Maxwell-
Modell wird hauptsächlich zur Beschreibung von Fließvorgängen benutzt, das
Zener-Modell ist eine Kombination von (3.1) und dem Maxwell-Modell.
142 3 Dämpfung
Dabei ist
D = D + jD = D (1 + jη) (3.9)
der komplexe Elastizitätsmodul. Die Größe
D
η=
D
bedeutet den sogenannten Verlustfaktor.2 Der Verlustfaktor wird im Folgen-
den noch oft vorkommen, weil er zu einer großen Vereinfachung der Rech-
nungen führt. Einem frequenzunabhängigen Verlustfaktor liegt kein physika-
lisches Modell zugrunde; er stellt aber häufig eine sehr gute Näherung dar,
solange man mit einzelnen Frequenzen oder mit Frequenzgemischen rechnet.
Beim Übergang vom Frequenzbereich zum Zeitbereich können sich allerdings
Probleme ergeben.
2
In der Physik der Hochpolymere wird der Verlustfaktor häufig auch mit d be-
zeichnet.
3.2 Komplexer Modul und komplexe Wellenzahl 143
In Tabelle 3.1 sind für die angegebenen Modelle Real- und Imaginärteil
des Moduls sowie der Verlustfaktor angegeben. Bild 3.2 zeigt den prinzipiel-
len Frequenzgang; in Bild 3.3 ist die sogenannte Isolierwirkung“ einer stark
”
idealisierten elastischen Lagerung aufgetragen, also das Kraftverhältnis bei
einem Einmassenschwinger, der eine Feder nach einem der Modelle enthält.
Das Zener-Modell ist in der Tabelle und in den Abbildungen nicht expli-
zit aufgeführt, weil es mit der Substitution D2 /D1 = (τ2 − τ1 )/τ2 in das
Boltzmann-Modell übergeht.
Typ D D η
Voigt-Kelvin D Dωϑ ωϑ
ω 2 ν 2 /D 2 ων/D
Maxwell D 1+ω 2 ν 2 /D 2 D 1+ω 2 ν 2 D2 D/ων
Boltzmann D1 − D2
1+ω 2 τ 2
ωτ
D2 1+ω 2τ 2
D2 ωτ
D1 −D2 +D1 ω 2 τ 2
konstanter Verlust- D η0 D η0
faktor η0
Bild 3.2 zeigt, dass beim Boltzmann-Modell in der Nähe von ωt = 1 der
Modul um den Faktor (1+ηmax ) ansteigt, und der Verlustfaktor ein Maximum
hat. Bild 3.3 zeigt, dass die für das Voigt-Kelvin-Modell typische Verringerung
der Isolierwirkung“ bei hohen Frequenzen bei den anderen Modellen kaum
”
auftritt.
Setzt man den soeben definierten Elastizitätsmodul D in die Wellenglei-
chung ein, so ergibt sich als wesentliche Änderung, dass die Ausbreitungsge-
schwindigkeit komplex wird. Statt (2.13) erhält man also
# #√ #√
D D 2 + D 2 + D 2 D2 + D2 − D
cL = cL + jcL = = +j .
ρ 2ρ 2ρ
(3.10)
(3.10) kann man für schwache Dämpfung, d.h. D
D bzw. η 1 sehr gut
annähern, indem man #
D η
cL ≈ 1+j (3.11)
ρ 2
setzt. Selbst bei η = 0, 5 gibt diese Näherung nur Abweichungen von ca. 4%.
Erst bei η > 1 treten Fehler über 10% auf. Für die Wellenzahl erhält man
natürlich auch einen komplexen Wert, und zwar
"
ω ρ η
kL = = kL − jkL ≈ 1 − j (3.12)
cL D 2
144 3 Dämpfung
Bild 3.2. Frequenzgang des Realteiles des normierten Moduls und des Verlustfak-
tors (Dv , ηv = Voigt-Kelvin; DB , ηB = Boltzmann; DM , ηm = Maxwell
Bei reinen Biegewellen erhält man durch Einsetzen des entsprechenden kom-
plexen Moduls in (2.93)
" "
4 B η 4 m η
cB ≈ ω 1 + j
2 ; kB ≈ ω ω2 1−j . (3.14)
m 4 B 4
(m = Masse pro Längeneinheit).
Die physikalische Bedeutung der komplexen Wellenzahl bzw. Geschwin-
digkeit erkennt man sofort, wenn man die Größe in die entsprechende Zeiger-
gleichung einsetzt. Eine ebene in positiver x-Richtung fortschreitende Welle
kann durch
146 3 Dämpfung
u(x, t) = Re ûejωt−jkx = |û| cos(ωt − kx + ϕ) (3.15)
beschrieben werden. Für die Spannung ergibt sich demnach (siehe 3.3, 3.6,
3.8)
3.2 Komplexer Modul und komplexe Wellenzahl 147
ejωt = D |ˆ
σ(t) = Re Dˆ | 1 − η 2 cos(ωt + arctan η + ϕ) . (3.20)
Wie man sieht, ist die Phasenverschiebung zwischen Spannung und Dehnung
ein Maß für den Verlustfaktor η. Die Dichte der potentiellen Energie ergibt
sich nach (2.6) zu
'
| D
2
|ˆ 1 + η2
EPot = σd = ηωt + cos(2ωt + arctan η + 2ϕ) + C .
0 2 2
(3.21)
Dabei ist C eine von den Integrationsgrenzen abhängige unwichtige Konstan-
te. Der durch (3.21) ausgedrückte zeitliche Verlauf der Energiedichte ist in
Bild 3.4 graphisch dargestellt. Wie man sieht, wächst die mittlere Energie-
dichte mit der Zeit; da jedoch die Schwingungsamplitude und damit die rein
mechanische (reversible) Energie gleich bleibt, muss die zusätzlich zugeführ-
te Energie (das Glied ηωt in (3.21)) in eine andere Energieform (Wärme)
umgewandelt werden. Durch die vom Körperschallanreger ständig zugeführte
Energie wird das Material also letzten Endes erwärmt.
Man kann sich diesen Sachverhalt auch durch das Spannungs-Dehnungs-
Diagramm verdeutlichen. Durch Einsetzen on (3.19) in (3.20) erhält man
Diese Gleichung stellt bekanntlich eine Ellipse dar, deren Mittelpunkt im Ur-
sprung liegt. Sie ist in Bild 3.5 in dimensionsloser Form dargestellt. Es sind
dabei auch die Längen der beiden Halbachsen angegeben. Sie ergeben als El-
lipsenfläche in der dimensionslosen Darstellung:
√ η
SE = π 2 √ = πη .
2
Nun ist aber die innerhalb einer Schwingung der Dauer T verloren gegan-
gene Energie Ev durch
5 5
σ
Ev = σd = D |ˆ = D |ˆ
|2 SE = πD |ˆ
2
| d |2 η, (3.23)
D |ˆ
| |ˆ
|
also gerade durch die Fläche der Ellipse gegeben. Für die innerhalb der Zeit
t verloren gegangene Energie folgt also
t ωt ηωt
Ev = Ev |2 D
= |ˆ ;
T 2π 2
das ist genau derselbe Wert, der sich im Zeitmittel aus (3.21) ergibt.
Aus den Energiebeziehungen kann man eine sehr anschauliche Definition
des Verlustfaktors ableiten. Dividiert man nämlich (3.23) durch die wiederge-
winnbare (reversible) mechanische Energie
1 2
ER = |ˆ
| D ,
2
148 3 Dämpfung
Bild 3.4. Zeitlicher Verlauf der inneren Energie in einem periodisch schwingenden
Material mit Dämpfung, berechnet nach (3.21) für η = 0, 2
so erhält man
Ev
η= . (3.24)
2πER
Der Verlustfaktor gibt also an, wie groß die innerhalb einer Schwingungsperi-
ode in Wärme umgewandelte (verloren gegangene) Energie im Verhältnis zur
wiedergewinnbaren mechanischen Energie ist. Es ist zu beachten, dass im Nen-
ner von (3.24) die reversible Energie und nicht - wie man es von Wirkungsgrad-
Definitionen her gewohnt ist - die gesamte Energie steht. Lediglich bei kleiner
Dämpfung ist dieser Unterschied belanglos. Wie die reversible Energie zu den
3.2 Komplexer Modul und komplexe Wellenzahl 149
Energieschwankungen mit der Zeit in Beziehung steht, ist aus Bild 3.4 ersicht-
lich.
Neben der Energieumwandlung in einem System, dessen Schwingungsam-
plituden durch eine äußere Anregung konstant gehalten werden, ist für die
Praxis auch das zeitliche Abklingen von Interesse, wenn keine Energiezufuhr
erfolgt. Man macht dabei davon Gebrauch, dass die verloren gegangene Ener-
gie Ev nach Mitteilung über je eine Schwingungsperiode nach (3.24) oder
(3.21) Ev = 2πηER beträgt. Der Zeitverlauf des Energieverlusts ist demnach
t
Ev (t) = Ev = ωηER t. (3.25)
T
150 3 Dämpfung
Es sei nun mit ER0 die reversible mechanische Energie zur Zeit t = 0 eines
mit der Kreisfrequenz ω in Resonanz schwingenden System bezeichnet. Von
t = 0 an sei das System sich selbst überlassen; allmählich setzt sich also die
mechanische Energie in Wärme um. Weiter wird angenommen, dass in dem
System nur ein Energiereservoir (z.B. ein Einmassenschwinger) vorhanden
ist und dass die Änderung des Spitzenwertes von Periode zu Periode klein
ist. Bezeichnet man die bis zur Zeit t in Wärme umgewandelte Energie mit
Ev (t), so ist wegen des Energieerhaltungssatzes die zur Zeit t noch verfügbare
reversible mechanische Energie ER (t) = ER0 − Ev (t); die im Zeitintervall von
t bis t + dt umgewandelte Energie ist also [ER0 − Ev (t)]ηωdt. Für die gesamte
bis zur Zeit t umgewandelte Energie folgt daraus
t
Ev (t) = [ER0 − Ev (t)]ηωdt . (3.26)
0
Differenziert man (3.26) nach t, so ergibt sich eine einfache Differentialglei-
chung für Ev (t), die erwartungsgemäß eine Exponentialfunktion als Lösung
hat
Ev (t) = ER0 (1 − e−ηωt ) bzw. ER (t) = ER0 e−ηωt . (3.27)
Die Energie nimmt exponentiell mit der Abklingkonstanten ηω ab.
kL ≈ kL (1 − jη/2) bei Longitudinalwellen Lehrsches Dämpfungsmaß = 2η
k B ≈ kB (1 − jη/4) bei Biegewellen Dämpfungsgrad: ϑ = η/2
Pegelabnahme für ebene Biegewellen: DB = Resonanzgüte Q = 1/η
13, 6η/λ [dB/m]
Pegelabnahme für Longitudinalwellen: Abklingkonstante: δ = ηπf
DL = 27, 2η/λ [dB/m]
E = E (1 + jη) komplexer E-Modul
angeregt wird. In einem unendlich langen Stab würde das zu einer Wellenbe-
wegung der Form
F̂
v̂ 0 (x) = e−jkx (3.28)
Z
führen. Dabei ist Z der wegen der komplexen Ausbreitungsgeschwindigkeit
komplexe Eingangswiderstand (bei Quasilongitudinalwellen und freiem Sta-
bende cLII ρS, siehe Kap.4), k ist die komplexe Wellenzahl.
Wenn die durch (3.28) gegebene Welle am Ende des Stabes ankommt, hat
die Schnelle den Wert
F̂ −jkls
e .
Z
Es folgt nun eine Reflexion, die, wenn der Reflexionsfaktor für die Schnelle an
der Stelle x = ls durch r1 (komplex) gekennzeichnet wird, zu einer rücklau-
fenden Welle der Form
152 3 Dämpfung
F̂
r e−jk(2ls −x) .
Z 1
führt. An der Stelle x = 0 wird die Welle erneut reflektiert und besitzt danach
(der Reflexionsfaktor an der Stelle x = 0 heißt r0 ) die Amplitude
F̂
r r e−jk(2ls +x) .
Z 1 0
Die zweifach reflektierte Welle wird an der Stelle x = ls erneut reflektiert, und
so fort. Die Reflexionen wiederholen sich beliebig oft, im stationären Zustand,
bei dem alle Teilwellen gleichzeitig vorhanden sind, gilt deshalb
F̂ −jkx
v̂(x) = e + r1 e−jk(2ls −x) + r0 r1 e−jk(2ls +x) + r0 r12 e−jk(4ls −x) . . . .
Z
(3.29)
Wie man sieht, bilden das erste, dritte, fünfte, . . . Glied eine geometrische
Reihe mit dem Multiplikator r0 r1 e−2jkls ; genau dasselbe gilt für das zweite,
vierte, sechste, . . . Glied. Man kann also die Summenformel für unendlich lange
geometrische Reihen anwenden und erhält
F̂ F̂
v̂(x) ≈ j k(ls − x) bzw. v̂(0) ≈ jkls , (3.33)
Z Z
3.3 Resonanzschwingungen von gedämpften Stäben 153
Bei kleiner Dämpfung, also bei k ls < 1, wird der Minimalwert dieser Funk-
tion und damit das Maximum der Schnelle für
2k ls − γ0 − γ1 = 2nπ
erreicht. Wie man durch Vergleich mit (2.160) sieht, sind das genau die Re-
sonanzfrequenzen des ungedämpften Stabes. Bei nicht sehr kleiner Dämpfung
muss man die Minima von (3.35) durch Nullsetzen der Ableitung nach k
ermitteln. Man erhält dann Resonanzfrequenzen, die etwas zu tieferen Fre-
quenzen verschoben sind.
Ob die Minima des Nenners von (3.30) mit einem Maximum der Schnel-
le zusammenfallen, das hängt noch vom jeweiligen Beobachtungsort ab. Der
Zähler von (3.30) ist nämlich periodisch in x; es treten also Schwingungsknoten
und Bäuche auf. Zur Verdeutlichung sind in Bild 3.7 die Frequenzabhängigkeit
und die Ortsabhängigkeit der Schnelle für verschiedene Dämpfungen aufgetra-
gen.
In beiden Fällen wurde ein beiderseits freier Stab und eine für alle Fre-
quenzen gleiche anregende Kraft angenommen. Die Schnelle ist also durch
2
F
cosh 2k (ls − x) + cos 2k (ls − x)
|v(x)|2 =
(3.36)
Z cosh 2k ls − cos 2k ls
gegeben. Als Abszisse dient in Bild 3.7 links die mit der Länge multiplizierte
Wellenzahl k , also eine zur Frequenz proportionale Größe, während die Ab-
szisse rechts die Entfernung x multipliziert mit der Wellenzahl k bedeutet.
Die Ordinate wurde auf den willkürlichen Wert v0 bezogen. Man sieht, dass
mit wachsender Dämpfung und Frequenz die Kurven immer flacher werden
und sich allmählich wie eine exponentiell abklingende Funktion verhalten.
Das Verhalten in der Nähe der Resonanzstellen kann man bei kleiner
Dämpfung noch in eine einfache Form bringen, indem man (3.30) um ei-
ne Resonanzstelle entwickelt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sowohl
Zähler als auch Nenner von der Frequenz abhängen. Am einfachsten nimmt
154 3 Dämpfung
Wenn die Dämpfung klein ist und wenn nur das Verhalten in der Nähe der
Resonanzstellen interessiert, dann kann man die Näherungen e−2k ls ≈ 1 −
2k ls = 1 − ηk l und e−j(2k ls −γ0 −γl ) ≈ 1 − 2jΔk ls benutzen und erhält
v0
vB ≈ .
1 − r(1 − 2k ls − 2jΔk ls )
vB 1 − r(1 − 2k ls ) 1
≈
≈ l .
v max 1 − r(1 − 2k ls − 2jΔk ls ) 1 + j kΔk s
l + 1−r s 2r
v B
2 1
≈ 2 . (3.37)
v
max Δk 1
1+ k (k /k )+ 1−r
2rk l
s
in der Nähe der Resonanzfrequenz hat der Frequenzgang den bekannten ty-
pischen Resonanzcharakter (siehe auch (1.39) und Bild 3.8), wobei die Breite
der Resonanzgipfel von den Energieverlusten bei der Reflexion und von der
inneren Dämpfung abhängt.
Bild 3.8. Schwingungsverhalten in der Nähe einer Resonanz bei kleiner Dämpfung
Treten keine Energieverluste bei der Reflexion auf (|r0 rl | = 1), dann wird
aus (3.37)
v B
2 1
≈ Δk 2 . (3.38)
v
max 1 + k
Geht man hier von der Wellenzahl auf die dazu proportionale Frequenz über,
dann wird Δk /k = Δf /fn , wobei Δf der Frequenzunterschied zur Gipfelfre-
156 3 Dämpfung
quenz fn ist; außerdem kann man k = ηk /2 setzen (siehe (3.12)) und erhält
damit
v B
2 1
≈
v
2. (3.39)
max 1 + (2Δf /ηfn )
Die Halbwertsbreite der Resonanzkurve (siehe Bild 3.7) ist also b = ηfn . Wie
man sieht, ist die Ermittlung des Resonanzverhaltens ein einfaches Mittel
zur Bestimmung der Dämpfung vorausgesetzt, dass der Verlustfaktor nicht zu
groß ist und dass in einem Schwingungsbauch gemessen wird.
In ähnlicher Weise kann man auch die Schwingungen in der Nähe der
Knotenstellen entwickeln und erhält bei festgehaltener Frequenz
'
4|r1 |e−2k (ls −x)
|v K | ≈ |v min | 1 +
2 2 2
(kΔx) . (3.40)
(1 − |r1 |e−2k (ls −x) )2
Wie man sieht, besteht eine enge Verwandtschaft zwischen dem Verhalten
einer Stabschwingung um eine Resonanzstelle und um einen Knotenpunkt.
Der Resonanzstelle fn entspricht dabei der Ort xn des Schwingungsknotens,
der Frequenzverschiebung Δf die örtliche Verschiebung Δx; dass in einem
Fall der Ausdruck 1 + . . . im Nenner, im anderen Fall im Zähler auftritt, ist,
besonders wenn man die Schnelle in einer logarithmischen Einheit misst, nicht
entscheidend.
Neben der eben behandelten Methode, die Schwingungen eines Stabes dar-
zustellen, gibt es noch mehrere andere, von denen die wichtigste die sogenann-
te Vierpoldarstellung ist. Man gewinnt diese Darstellung, wenn man davon
ausgeht, dass das Wellenfeld auf einem Stab aus hin- und zurücklaufenden
Wellen besteht. Die Schnelle kann also durch
v 0 = v+ + v− , F 0 = Z(v + − v − ).
Setzt man die sich dabei ergebenden Werte für v+ und v− in (3.43) und (3.44)
ein, dann erhält man beispielsweise für die Stelle x = ls
F0
v 1 = v 0 cos kls − j sin kls
Z (3.45)
F 1 = −jZv 0 sin kls + F 0 cos kls .
(3.45) stellt eine Vierpolgleichung des Stabes dar. Sie verknüpft Schnelle und
Kraft am Stabanfang mit den entsprechenden Größen am Ende. Die Umkeh-
rung von (3.45) lautet
F1
v 0 = v 1 cos kls + j sin kls
Z (3.46)
F 0 = jZv 1 sin kls + F 1 cos kls .
3.3.2 Biegewellen
Wollte man das im letzten Abschnitt benutzte Verfahren auch auf Biegewel-
len anwenden, dann müsste man statt der einfachen Exponentialfunktionen in
(3.28) bis (3.30) die komplizierteren Ausbreitungsfunktionen der Biegewellen,
die aus Nah- und Wellenfeldern bestehen, benutzen. Auf diese Weise würde
man jedoch zu relativ langen und umständlichen Rechnungen kommen3 . Aus
diesem Grunde sollen die Biegewellen auf Stäben nach einem anderen Verfah-
ren untersucht werden.
3
Wenn der Stab nicht zu kurz ist, stellt übrigens (3.30) auch für Biegewellen ei-
ne sehr gute Näherung dar, vorausgesetzt, dass die richtigen Reflexionsfaktoren
eingesetzt werden (also beispielsweise r0 = r1 = −j beim freien Stab). Da die
Näherung darin liegt, dass nur die Nahfelder vernachlässigt werden, kann man
die im letzten Abschnitt gewonnenen Ergebnisse auch auf Biegewellen anwenden,
wenn man ein Gebiet von je einer halben Wellenlänge an beiden Enden des Stabes
von der Betrachtung ausschließt.
158 3 Dämpfung
Wie (2.131) zeigt, besteht die Biegeschwingung eines Stabes aus vier
Lösungsbestandteilen der Wellengleichung
Je nach Problem ist die eine oder andere Methode einfacher in der Handha-
bung.
Die vier Unbekannten v+ , v− , v+j , v−j bzw. v1 , v2 , v3 , v4 ergeben sich
aus den vier Randbedingungen. So gilt beispielsweise beim beiderseits freien
Stab, der an der Stelle x = 0 von der Kraft F0 angeregt wird (siehe Kapitel
2.4.2)
Bk 2 $ %
M (ls ) ≡ − −v + e−jkls − v − ejkls + v +j e−kls + v −j ekls = 0
jω
Bk 3 $ %
F (ls ) ≡ jv + e−jkls − jv − ejkls − v +j e−kls + v −j ekls = 0
jω
(3.49)
Bk 2 $ %
M (0) ≡ − −v + − v − + v +j + v −j = 0
jω
Bk 3 $ %
F (0) ≡ jv + − jv − − v +j + v −j = F 0 .
jω
Rechnet man aus (3.49) die verschiedenen Koeffizienten aus, so erhält man
nach etwas langwierigen Rechnungen für die Schwingungen eines zu Biege-
schwingungen angeregten beiderseits freien Stabs folgende Gleichung
jωF 0 A+B
v(x) = 3 2(1 − cos kl cosh kl )
Bk s s
(3.50)
mit A = sinh kls cos k(ls − x) − sin kx − cosh kls sin k(ls − x)
B = − sin kls cosh k(ls − x) + sinh kx + cos kls sinh k(ls − x).
2F 0
v(ls ) ≈ (3.52)
jωm ls
3.3 Resonanzschwingungen von gedämpften Stäben 159
gilt. Das selbe Ergebnis erhält man auch, wenn man die (aus einer Rotati-
on und einer Translation bestehende) Bewegung eines einseitig angeregten
starren Stabes berechnet.
Die aus (3.50) und (3.51) berechnete Frequenzabhängigkeit am Staben-
de x = ls sowie die Ortsabhängigkeit bei der durch k ls = 9π/2 gegebenen
konstanten Frequenz sind in Bild 3.9a) und 3.9b) aufgetragen. Dabei dient als
Ordinate wieder der Logarithmus des Betrages der Schnelle, während k ls bzw.
k x als Abszisse gewählt wurden. Wegen k = ω 1/2 (m /B)1/4 , ist in Bild 3.9a)
die Abszisse proportional zur Wurzel aus der Frequenz.
(3.51) - jedoch nicht (3.50) - hätte man wesentlich schneller mit Hilfe der
sogenannten Achtpolgleichungen (Cremer [3.8]) ableiten können. Zu dieser
Darstellung gelangt man, wenn man die trigonometrischen und hyperbolischen
Funktionen in (3.48) durch folgende Funktionen ersetzt
160 3 Dämpfung
1 1
(cosh kx + cos kx) = C(kx), (cosh kx − cos kx) = c(kx)
2 2
1 1
(sinh kx + sin kx) = S(kx), (sinh kx − sin kx) = s(kx).
2 2
Der Vorteil dieser Funktionen ist, dass sie durch Differentiation ineinander
übergehen und zwar in der Reihenfolge C(kx), s(kx), c(kx), S(kx), C(kx);
außerdem gilt C(0) = 1, S(0) = s(0) = c(0) = 0. Schreibt man nun Schnelle
und Winkelgeschwindigkeit in der Form
v x = αC(kx) + βS(kx) + γc(kx) + δs(kx)
wx = k[αs(kx) + βC(kx) + γS(kx) + δc(kx)],
dann sieht man sofort, dass die Schnelle v0 am Stabanfang identisch mit α
sein muss, während für die Winkelgeschwindigkeit am Stabanfang ω0 = kβ
gelten muss. Für Moment und Kraft gelten entsprechende Beziehungen, so
dass sich nach einigen Umrechnungen ergibt:
1 1 1
v x = v 0 C(kx) + w0 S(kx) − M 0 c(kx) + F 0 s(kx)
k jW jW k
1 1
wx = v 0 ks(kx) + w0 C(kx) − M 0
S(kx) + F 0 c(kx)
jW jW k (3.53)
jW 1
M x = −v 0 jW c(kx) − w0 s(kx) + M 0 C(kx) − F 0 S(kx)
k k
F x = v 0 jW kS(kx) − w0 jW c(kx) − M 0 ks(kx) − F 0 C(kx).
ωF 0
2 2
|v(ls )|2 ≈
(3.54)
Bk 3
cosh 2k ls + cos 2k ls
ausgedrückt werden. Für die Ortsabhängigkeit ergibt sich im Gebiet π <
k x < k ls − π näherungsweise
ωF 0
2 cosh 2k (ls − x) − sin 2k (ls − x)
|v(x)|2 ≈
. (3.55)
Bk 3
cosh 2k ls + cos 2k ls
Man kann sich leicht davon überzeugen, dass sich diese Formeln auch ergeben,
wenn man in (3.30) r0 = r1 = −j einsetzt. Wie bereits erwähnt kann man also
3.3 Resonanzschwingungen von gedämpften Stäben 161
die einfachen Formeln von Abschnitt 3.3.1 auch auf die Biegeschwingungen
eines langen Stabes anwenden, wenn man die richtigen Reflexionsfaktoren
einsetzt. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Wellenarten treten erst
auf, wenn man von den Wellenzahlen k und k auf die Frequenz und den
Verlustfaktor übergeht. Im Gegensatz zu Longitudinal- und Torsionswellen
gilt nämlich für Biegewellen k /k = η/4 (siehe auch 3.12 bis 3.14).
Genauso wie bei Longitudinal- und Torsionswellen kann man auch bei
schwach gedämpften Biegewellen die Dämpfung aus der Halbwertsbreite er-
mitteln. Ganz die selbe Rechnung wie in Abschnitt 3.3.1 führt auf
vB 1
= l . (3.56)
v max 1 + j Δk
k ls
s
√
Für die Biegewellen gilt k = ω 4 m /B, deshalb ist Δk ≈ k Δf /2fn =
2k Δf /ηfn . Es folgt also
2
vB
1
= . (3.57)
v
1 + ( 2Δf 2
max ηfn )
Wie man sieht, gilt auch bei Biegewellen für die Halbwertsbreite der Reso-
nanzkurve
b = ηfn . (3.58)
Für das Schwingungsverhalten in der Nähe eines Schwingungsknotens gelten
ebenfalls die in Abschnitt 3.3.1 abgeleiteten Formeln. Man kann also (3.30 -
3.32) außerhalb der Nahfelder direkt auf Biegewellen anwenden.
Der Frequenzgang der Stabschwingungen in der Nähe der Resonanzstellen
ist nicht nur für die messtechnische Anwendung - insbesondere bei der Bestim-
mung des Verlustfaktors - von Interesse, man kann auch ganz allgemein die
Stabschwingungen als eine Summe von Resonanzschwingungen (Eigenschwin-
gungen) darstellen. Diese Frage wird im Kapitel 4.4 ausführlich behandelt.
Dort wird gezeigt, dass die Schnelle eines Stabes durch
∞
An ϕn (x)
v(x) = 2 (1 − jη) − ω 2
(3.59)
ω
n=0 n
Bild 3.10 zeigt das Prinzip eines direkten Verfahrens zur Ermittlung eines
komplexen Elastizitätsmoduls. Das Probestück wird an einem Ende starr be-
festigt, am anderen Ende wird es von einer periodischen Kraft F angeregt.
Die dadurch hervorgerufene Auslenkung ξ wird gemessen. Aus dem Abso-
lutbetrag der Kraft und der Auslenkung ergibt sich der Absolutbetrag des
Elastizitätsmoduls nach der Gleichung
|F | S S
= |E| = E 1 + η2 (3.61)
|ξ| lp lp
η = tan ϕ. (3.62)
messen. Zur weiteren Verarbeitung der Signale eignet sich ein Zweikanal-
Echtzeitanalysator, der gestattet, per Knopfdruck“ sogenannte Transferfunk-
”
tionen zu bestimmen (siehe auch 4.1). Diese Funktionen sind definiert als das
Verhältnis zweier komplexer Amplituden bei gegebener Frequenz. Wenn ein
Signal die Kraft, das zweite den Anschlag repräsentiert, ist die Transferfunkti-
on F /ξ gerade die gesuchte komplexe Steife ES/lp . Weniger aufwendig - aber
zeitraubender - ist es, die beiden elektrischen Signale auf die Platten eines
Oszillographen zu geben, man erhält so eine Ellipse, aus deren Abmessungen
sich Real- und Imaginärteil des Moduls ergeben (siehe (3.22) und Bild 3.10),
außerdem kann man Unregelmäßigkeiten (Nichtlinearitäten durch seitliches
Ausknicken des Probestückes, Auftreten von Schwingungen höherer Ordnung,
Resonanzen des Halterungssystems) an der Verzerrung der Ellipse sehr leicht
erkennen.
Man kann das Probestück auch auf Biegung oder Torsion beanspruchen
und aus den Kräften bzw. Momenten und den Auslenkungen bzw. Verdre-
hungen die komplexe Biegesteife und den komplexen Schubmodul ermitteln.
Außerdem kann man statt einer Kraft eine periodische Auslenkung z.B. durch
einen Excenter vorgeben; bei dieser Methode kann man ohne große Schwie-
rigkeiten eine statische Vorspannung einstellen (siehe Bild 3.10 unten).
Die Hauptschwierigkeit bei der eben beschriebenen Messmethode besteht
in der genauen Messung des Phasenwinkels und in der Herstellung eines star-
”
ren Endes“. Letzteres ist ebenso schwer herstellbar wie beispielsweise ein ab-
solutes Vakuum. Um Verlustfaktoren von η ≈ 10−2 (dieser Wert wird z.B.
von Holz erreicht) auf 10% genau zu messen, muss man den Phasenwinkel
zwischen Kraft und Auslenkung bis auf etwa 0, 06◦ genau messen.
Selbst wenn eine gute elektrische Apparatur das zu leisten imstande ist,
so werden doch in der Probenhalterung meistens Verluste auftreten, die zu
größeren Phasendrehungen führen. Aus diesem Grunde ist der praktische An-
wendungsbereich der Methode auf relativ weiche Materialien mit nicht zu
kleinen Verlusten (z.B. Gummi) beschränkt [3.10].
Selbstverständlich muss die tiefste Resonanzfrequenz der Messapparatur
wesentlich höher sein als die höchste zu messende Frequenz. Der Befesti-
gung der Probenenden muss ebenfalls Beachtung geschenkt werden. Wird
eine Klemmvorrichtung benutzt, so ist zu beachten, dass die Länge des Pro-
bestückes nicht genau definiert ist, da ein Teil des eingeklemmten Probestabes
noch mit gedehnt wird. Es ist daher günstig schlanke“ Probestücke zu ver-
”
wenden, bei denen dieser Einfluss gering ist. Allerdings ist dann auch die
Gefahr des seitlichen Ausknickens größer. Auch bei Probestücken, die stumpf
angeklebt werden, können Schwierigkeiten auftreten. Das ist darauf zurück-
zuführen, dass an der Klebestelle die Querkontraktion verhindert ist, dass
also an dieser Stelle der Modul größer ist. Besonders bei Gummi mit einer
Querkontraktionszahl μ ≈ 0, 5 ist dieser Einfluss zu beachten.
Eine physikalische Grenze für die Verwendbarkeit des beschriebenen Mess-
verfahrens ergibt sich aus der Länge der Probe. Wie (3.32) zeigt, ist die
Steife einer einseitig eingespannten Probe durch ωZ cot klp gegeben. Wegen
3.4 Messung des komplexen Moduls 165
klp = 2π lp /λ gilt (3.61) nicht mehr, wenn die Länge des Probestückes ver-
gleichbar mit der Longitudinalwellenlänge wird (bei Beanspruchung auf Bie-
gung oder Torsion sind die entsprechenden Wellenlängen einzusetzen). Eine
Entwicklung von cot klp zeigt, dass der relative Fehler, der durch die endliche
Länge der Probe verursacht wird, von der Größenordnung k 2 lp2 /3 ist. Bei einer
Probe, deren Länge ein Fünfzigstel der Wellenlänge beträgt, ist der Fehler ca.
0,6%, bei einem Zehntel der Wellenlänge bereits 13%.
Ein großer Vorteil der beschriebenen Methode besteht darin, dass man
die Messfrequenz ohne Änderungen an der Probe beliebig einstellen kann (bei
allen Resonanzmethoden ist das nicht der Fall). Man kann also die Frequenz-
abhängigkeit des Moduls und des Verlustfaktors ohne Schwierigkeit über den
ganzen Messbereich der Apparatur ermitteln.
Wenn die Massen als starr, die Federelemente als vergleichsweise masselos
und die Halterungen bzw. Anordnungen zur Aufbringung von statischen Vor-
lasten als entkoppelt (also mit extrem weichen Federn versehen) betrachtet
166 3 Dämpfung
Während bei den bisher behandelten Verfahren zwei Größen gemessen werden
müssen, genügt bei allen Methoden, die das Resonanzverhalten einer Anord-
nung ausnützen, die Bestimmung nur einer Größe, meist Dehnung, Schnelle
oder Beschleunigung. Ein Nachteil besteht darin, dass man nur bei einer Fre-
quenz, nämlich in der Resonanzfrequenz, messen kann. Ein sehr bekanntes
Verfahren dieser Art ist der Torsionsschwingversuch (Bild 3.12), der beson-
ders für Hochpolymere bei tiefen Frequenzen (DIN 53 445) benutzt wird, dabei
jedoch nicht auf diese Anwendung beschränkt ist. Um eine Dehnung der Pro-
be durch das Gewicht der Scheiben zu vermeiden, wird die ganze Anordnung
an einem dünnen Faden aufgehängt.
Man benutzt sehr häufig eine optische Anordnung bestehend aus einer
Lichtquelle, einem kleinen Spiegel und einem mit konstanter Geschwindigkeit
vorbeilaufenden Registrierpapier (bei höheren Frequenzen werden elektrische
Messverfahren benutzt). Auf diesem Papier werden dann die Schwingungen
direkt angezeigt und man kann beispielsweise aus dem Abstand der Maxima
und der Registriergeschwindigkeit sofort die Eigenfrequenz f0 ermitteln. Für
die Messung der Dämpfung wird meist das sogenannte logarithmische Dekre-
ment Λ benutzt. Es ist definiert aus den Amplitudenabnahmen pro Periode.
Ist also An der zu irgendeiner Zeit gemessene Maximalausschlag und An+1
der Maximalausschlag eine Periode später, dann ist
η = Λ/π . (3.67)
Für hohe Dämpfung ist noch eine Korrektur notwendig, die auf
Λ/π
η= (3.68)
1 + (Λ/2π)2
führt. Wenn man über viele Perioden misst, so lässt sich Λ ziemlich genau be-
stimmen; man verfügt so also über eine einfache und ziemlich exakte Methode
zur Bestimmung von η.
Für die zweite interessierende Größe - die Torsionssteife T der Probe - gilt
Λ2
|T | = (2π fn )2 Θ 1 + 2 (3.69)
4π
(Θ = Trägheitsmoment der Scheibe).
Aus der Torsionssteifigkeit und den Abmessungen der Probe ergibt sich der
Absolutbetrag des Schubmoduls. Für die häufig verwendeten, bändchenförmi-
gen Probekörper gilt
3l
|G| = G 1 + η 2 = |T | (3.70)
b3 h(1 − 0, 63b/h)
Dabei ist l die Länge, h die Breite und b die Dicke der Probe (h > b). Nebenbei
sei erwähnt, dass die in DIN 53 445 für Hochpolymere empfohlenen Abmes-
sungen l ≈ 60 mm, η ≈ 10 mm, b ≈ 2 mm betragen. Über den Zusammenhang
zwischen Torsionssteife und Schubmodul siehe auch (2.72).
Der Hauptvorteil des Torsionspendels ist die große Einfachheit. Es können
damit Stoffe in relativ kurzer Zeit bei vielen Temperaturen untersucht werden.
Der Nachteil ist, dass man jeweils nur bei einer durch das Trägheitsmoment Θ
bestimmten Frequenz messen kann. Die Frequenzabhängigkeit eines Moduls
ist also mit dem Torsionspendel nur auf relativ umständliche Weise, durch
Variation von Θ, l, b und h, zu bestimmen. Nach tiefen Frequenzen ist der
Verwendung des Torsionspendels kaum eine Grenze gesetzt; es muss nur si-
chergestellt sein, dass durch die bei tiefen Frequenzen notwendigen großen
Scheiben die Probe nicht unzulässig belastet wird. In der Praxis kommen Fre-
quenzen von 0,1 Hz vor. Nach hohen Frequenzen hin ist der Messbereich durch
die Probelänge bestimmt; für Messungen mit einer Genauigkeit von 1% sollte
sie nicht größer sein als ein Fünfzigstel der Torsionswellenlänge. Man wird
also nur sehr selten auf Messfrequenzen über 500 Hz kommen.
Steife. Bei diesen Anordnungen, die sehr oft zur Untersuchung von Faser-
matten, Schaumstoffen, Kork und ähnlichen Stoffen verwendet werden, wird
das Probestück ebenfalls als Federelement in einem mechanischen Resonanz-
kreis benutzt. Im einzelnen wird das Probestück an einem Ende auf einem
starren Fundament oder auf einer großen, sehr weich gelagerten Masse befes-
tigt. Am anderen Ende wird eine bekannte Masse angebracht, die von einer
Wechselkraft angeregt und deren Schnelle gemessen wird (Bild 3.13).
Bild 3.13. Messung der dynamischen Steife und des Verlustfaktors aus der Reso-
nanzfrequenz und der Halbwertsbreite
Verändert man die Frequenz der anregenden Kraft, wobei die Kraft-
Amplitude jedoch einigermaßen konstant gehalten wird, dann beobachtet man
im allgemeinen eine Resonanzfrequenz fR , deren Halbwertsbreite ohne Schwie-
rigkeit gemessen werden kann. Der Realteil des Elastizitätsmoduls ergibt sich
aus der Resonanzfrequenz nach der Gleichung
lp
E = 4π 2 fR2 m . (3.71)
S
Dabei ist lp die Proben-Dicke und S ihre Fläche. Bei Befestigung auf einem
starren Fundament bedeutet m die obere Masse. Bei einer Tonpilz-Anordnung
(siehe Bild 3.11) ist m = m1 m2 /(m1 + m2 ) zu setzen. Falls die Masse mP des
Proben-Körpers nicht zu vernachlässigen ist, erhält man eine erste Korrektur,
indem man bei einer Anordnung nach Bild 3.13 die Masse m + mP /3 in (3.71)
einsetzt und beim Tonpilz die Proben-Masse anteilig zu den beiden Massen
m1 und m2 addiert. Für den Verlustfaktor gilt unmittelbar
b
η= . (3.72)
fR
Will man die Eigenschaften der Probe bei verschiedenen Frequenzen unter-
suchen, so muss man die obere Masse variieren, um andere Resonanzen zu
erhalten. Dabei genügt es häufig nicht, einfach Zusatzgewichte aufzulegen,
vielmehr sollen die Gewichte angeschraubt oder auf andere Weise starr befes-
tigt werden; nur so ist gewährleistet, dass die Masse m als Einheit wirkt und
nicht ihrerseits Resonanzen aufweist. Manchmal interessiert die Abhängigkeit
170 3 Dämpfung
von einer statischen Vorlast. Letztere wird meist durch Zusatzgewichte her-
gestellt, die über sehr weiche Federn angekoppelt werden.
Wie alle Messmethoden, bei denen der Verlustfaktor aus der Halbwerts-
breite bestimmt wird, ist auch das hier beschriebene Verfahren nur für kleine
Verlustfaktoren geeignet. Ist nämlich der Verlustfaktor zu hoch, dann wird
die Resonanzkurve so flach, dass eine Halbwertsbreite nicht mehr zugeord-
net werden kann. Wenn man die beiden Frequenzen (oberhalb und unterhalb
der Resonanz) bestimmt, bei denen die Amplitude gerade das 0,707fache (-3
dB) der Resonanzamplitude beträgt, und daraus b berechnet, so beträgt der
relative Fehler etwa η 2 /2.
Eine weitere physikalische Grenze für die Verwendbarkeit derartiger Vi-
brometer ist durch die Probendicke gegeben, die wieder sehr viel kleiner sein
soll als die entsprechende Wellenlänge.
Praktische Schwierigkeiten, die beim Betrieb der Apparaturen auftreten,
bestehen in Resonanzen der Lagerung und im durch unsymmetrische An-
regung bedingten Auftreten von Kippbewegungen der Probe. Beide Effekte
führen dazu, dass keine eindeutige Resonanz und damit auch keine eindeuti-
ge Steife gemessen werden kann. Weiter soll das Anregesystem keine zusätz-
liche Dämpfung verursachen. Bei Proben, die Luft enthalten (Fasermatten,
Schaumstoffe), ist unter Umständen die Größe der Probe von großem Ein-
fluss auf das Messergebnis. Man muss hier zwei Fälle unterscheiden: Hat die
Probe nur offene Poren, so kann man die Steife des Skelettmaterials allein
bestimmen, da bei kleinen Proben und tiefen Frequenzen die Luft nur aus-
und ein“gepumpt“ wird. (Für Messungen an Fasermatten benutzt man nach
DIN 52 214 im allgemeinen Proben von 20 × 20 cm2 und Frequenzen von
20 - 200 Hz). Bei hohen Frequenzen kann die Luft nicht mehr schnell ge-
nug hin- und herbewegt werden; sie wird also komprimiert und liefert unter
Umständen einen erheblichen Anteil zur Gesamtsteife. Bei Proben mit ge-
schlossenen Poren ist es nicht möglich, zwischen der Steife des Skeletts und
der eingeschlossenen Luft zu unterscheiden. Man kann in diesem Fall nur die
Gesamtsteife bestimmen, die - ähnlich wie bei Gummi - sehr stark von der
Probenfläche abhängt. Man kann sich leicht vorstellen, dass sich solche Pro-
ben beinahe wie Flüssigkeiten verhalten, also eine Querkontraktionszahl von
etwa 1/2 haben.
Wie im zweiten Kapitel ausführlich dargelegt wurde, treten bei Stäben Quasi-
longitudinal-, Torsions- und Biegewellen auf; erst bei relativ hohen Frequenzen
kommen noch die Oberflächenwellen hinzu. Man kann also diese drei Wellen-
arten zur Untersuchung von Stäben benutzen. In der Praxis begnügt man sich
meist damit, mit Biegewellen zu messen, da dieser Wellentyp für die Schallab-
strahlung am wichtigsten ist. Außerdem lassen sich Biegewellen am leichtesten
und saubersten“ anregen, da sie von den drei Wellenarten den kleinsten Ein-
”
gangswiderstand besitzen. Die Biegewellenmethoden wurden hauptsächlich
3.4 Messung des komplexen Moduls 171
In diesem Falle ist man sicher, dass sich sowohl Anreger als auch Aufneh-
mer bei allen Frequenzen in einem Schwingungsbauch befinden; die mit den
- frequenzabhängigen - stehenden Wellen auf der Probe zusammenhängenden
Schwierigkeiten treten damit nicht auf. Als Anregesystem eignen sich fast al-
le lose gekoppelten elektro-mechanischen Systeme (der Elektromagnet eines
alten Kopfhörers und eine auf die Probe geklebte Rasierklinge ergeben be-
reits ein brauchbares Anregesystem). Die lose Kopplung ist wichtig, da der
Probekörper durch die Anregung nicht gedämpft und nicht belastet werden
darf. Dasselbe gilt für das Abtastsystem. Für sehr leichte Proben eignen sich
kapazitive Sonden oder ein Laser-Doppler-Vibrometer am besten. Ein in 0,5
- 1 mm Abstand vom Stab angebrachtes Mikrophon, das den Luftschall auf-
nimmt, ist oft ein brauchbarer Notbehelf. Bei größeren Proben können auch
andere Aufnehmer verwendet werden. Für genaue Messungen empfiehlt es
sich, die Masse des Abtastsystems kleiner zu halten als M/30n. Dabei ist M
die Gesamtmasse der Probe und n die Anzahl der Schwingungsknoten auf
dem Stab bei der höchsten Messfrequenz. Bei dieser Abschätzung wurde da-
von ausgegangen, dass der Massenwiderstand des Aufnehmers kleiner sein soll
als ein Zehntel des Biegewelleneingangswiderstandes eines Stabes (siehe Ab-
schnitt 4.3.2). Ist die genaue Lage der Resonanzfrequenzen höherer Ordnung
nicht von großer Bedeutung, dann kann der Aufnehmer auch schwerer sein.
Die Aufhängung der Proben soll so beschaffen sein, dass keine zusätzliche
Dämpfung verursacht wird. Sind die zu messenden Verlustfaktoren größer als
10−3 , so wird diese Forderung durch eine einfache Aufhängung mit Fäden
verwirklicht. Bei kleineren Verlustfaktoren und leichten Proben muss die La-
gerung in den zu erwartenden Schwingungsknoten vorgenommen werden. Auf
diese Weise wird dem System am wenigsten Schwingungsenergie entzogen;
172 3 Dämpfung
es bedeutet allerdings, dass die Lagerung für jede Resonanz geändert wer-
den muss. Eine weitere Quelle unerwünschter Dämpfung kann (im Gebiet
η < 10−4 ) die Abstrahlung von Luftschallenergie sein. Sie lässt sich zum Teil
durch geeignete Formgebung, sicher jedoch durch Messung im Vakuum aus-
schalten.
Die Messung besteht in der Bestimmung der Resonanzfrequenzen fn und
der dazugehörigen Halbwertsbreiten b. Einen typischen Frequenzgang zeigt
Bild 3.15. Der Realteil der Biegesteife ergibt sich nach (2.139) zu
64
B = m lp4 fn2 . (3.73)
π 2 (2n − 1)4
Bild 3.15. Gemessener Frequenzgang eines frei-freien Stabes. Der Stab war mit
einem dünnen Dämpfungsbelag versehen (η ≈ 2 · 10−2 frequenzabhängig).
(3.73) gilt nicht ganz genau, da vernachlässigt wurde, dass die Resonanz-
frequenz durch die Dämpfung etwas verringert wird. Der dadurch verursach-
te relative Fehler beträgt maximal η/4 (siehe Bemerkung zu (3.35)). Er hat
jedoch stets eine geringe Bedeutung, da mit dem Resonanzverfahren nur Ver-
lustfaktoren bis etwa 0,1 gut gemessen werden können. Bei noch größerer
Dämpfung bilden sich überhaupt keine Resonanzen mehr aus. Bild 3.9 zeigt,
dass für k /k = 0, 1 also η ≈ 0, 4, die Überhöhung bereits bei der drit-
ten Resonanzfrequenz kaum mehr als 3 dB beträgt. Eine Berücksichtigung
höherer Glieder zeigt, dass die Darstellung der Stabschwingungen durch eine
3.4 Messung des komplexen Moduls 173
Resonanzkurve, also der Übergang von (3.54) auf (3.56), für k lp > 1 sehr
ungenau wird. Der sich ergebende relative Fehler bei der Bestimmung von η
beträgt ungefähr n2 η 2 /5 (n = Anzahl der Schwingungsknoten); oder anders
ausgedrückt, wenn der Abstand zwischen den Resonanzen vergleichbar wird
mit der Halbwertsbreite, ist keine genaue Messung mehr möglich.
Bei sehr kleinen Dämpfungen ist es meist genauer, statt der Halbwertsbreiten
der Resonanzen deren Abklingzeiten zu ermitteln (für f = 100 Hz, und η =
10−3 beträgt die Halbwertsbreite nur 0,1 Hz, ist also mit einfachen Mitteln
nicht mehr gut zu messen). Man verwendet dazu denselben Aufbau, wie in
Abschnitt 3.4.2.1 beschrieben, jedoch wird nicht der Frequenzgang in der Nähe
der Resonanzen untersucht, sondern es wird das Abklingen der Schwingung
beobachtet, wenn die Erregung plötzlich abgeschaltet wird. Wie (3.27) zeigt,
erfolgt der Abklingvorgang für die Energie nach der Funktion e−ηωt . Man kann
also beispielsweise wie in der Raumakustik die Nachhallzeit T messen, in der
die Schwingungsenergie auf ein Millionstel ihres Ausgangswertes absinkt. Es
gilt dann nach (3.27)
ln 106 2, 2
η= ≈ . (3.75)
ωT fT
Statt der Nachhallzeit T kann man natürlich auch jede andere für den Ab-
klingvorgang charakteristische Größe, z.B. das Dekrement oder die Abkling-
konstante, messen und daraus η ausrechnen.
Soll nur der Verlustfaktor, nicht aber die Biegesteife gemessen werden,
genügt die Messung der Nachhallzeit, wenn der Probestab dazu durch An-
schlagen (z.B. mit einem Hammer) angeregt wird. Das vom Aufnehmer abge-
gebene elektrische Signal muss noch gefiltert werden, um auch den Frequenz-
gang des Verlustfaktors zu erhalten. Die Genauigkeit dieser Messung ist nicht
besonders groß, weil möglicherweise zwei oder mehrere Eigenschwingungen
mit verschiedenen Abklingzeiten innerhalb des Filter-Durchlassbandes liegen;
man erhält dann gekrümmte“ Nachhallkurven und damit keinen eindeutigen
”
Verlustfaktor.
Unregelmäßigkeiten in den Abklingvorgängen können auch bei periodi-
scher Anregung auftreten und zwar dann, wenn Anregefrequenz und Eigen-
frequenz nicht genau übereinstimmen. (3.27) wurde nämlich unter der Voraus-
setzung abgeleitet, dass nur ein Energiereservoir vorhanden ist. Ist das nicht
der Fall, treten also zwei Wellentypen oder mehrere Eigenschwingungen gleich-
zeitig auf (wie bei Anregung außerhalb der Resonanz), dann kann die mecha-
nische Energie nicht nur in Wärme umgesetzt werden, sondern auch zwischen
den Energiereservoirs hin- und her pendeln und so zu den merkwürdigsten
Abklingvorgängen Anlass geben. Sicher ist in solchen Fällen nur, dass zum
Schluss nur der Vorgang mit der längsten Nachhallzeit übrig bleibt.
174 3 Dämpfung
Im Prinzip wäre die Bestimmung der Nachhallzeit eine bis zu relativ großen
Werten von η brauchbare Methode. Wegen der Trägheit der dabei meist ver-
wendeten Messgeräte wird sie jedoch im allgemeinen nur bei kleinen Dämp-
fungen angewandt.
v0
|v 2 |
ln
Praktisch geht die Messung so vor sich, dass man den Probestab an einem
Ende anregt und mit einem verschiebbaren Aufnehmer die Schwingungen ent-
lang des Stabes misst. Erfolgt die Abtastung mit konstanter Geschwindigkeit,
so kann man aus der Neigung des registrierten Pegels direkt D und damit
k bestimmen. Die Messung der Phasenverschiebung erfolgt am einfachsten
dadurch, dass man die anregende Spannung und das Signal des Aufnehmers
auf die Plattenpaare eines Oszillographen gibt und die Punkte auf dem Stab
markiert, bei denen die Phasenverschiebung gegenüber der Anregung 180◦
bzw. 360◦ beträgt.
Die Aufhängung der Probe und die Befestigung des Anregers ist beim
vorliegenden Verfahren ziemlich unkritisch. Dagegen soll der Aufnehmer nicht
3.4 Messung des komplexen Moduls 175
zu schwer sein. Es ist oft günstig, ein Ende des Stabes in Sand zu betten, um
die Reflexion am Stabende zu reduzieren.
Ist es nicht möglich, Reflexionen am Ende und damit stehende Wellen voll-
kommen zu vermeiden, dann ist die Amplitudenabnahme nicht mehr durch
e−k x , sondern durch das Verhalten des Zählers in (3.55) gegeben. In die-
sem Falle liegen die Amplitudenmaxima auf einer durch (cosh 2k (lp − x) +
1)1/2 = 21/2 cosh k (lp − x) gegebenen Kurve, während die Minima durch
21/2 sinh k (lp − x) gegeben sind. Aus diesen beiden Bedingungen lässt sich
k und damit η ermitteln, wenn man Nahfelder an den Stabenden ausschließen
kann.
Die Messung der Pegelabnahme kann erst für ηk lp > 10 genügend genau
vorgenommen werden (mit einer guten Sanddämpfung kann diese Grenze noch
etwas heruntergesetzt werden). Andererseits eignet sich die Halbwertsbreiten-
methode nur bis etwa ηk lp = 2 (siehe auch Bild 3.9a) und 3.9b)). Es wird
also im Zwischengebiet notwendig sein, die Probenlänge etwas zu variieren,
um die eine oder andere Messmethode benutzen zu können.
Proben, die aus Platten, Ringen, Zylindern oder aus anderen Formen beste-
hen, können, ähnlich wie Stäbe, durch Messung der Resonanzfrequenz und
der Halbwertsbreite oder der Abklingzeit untersucht werden. Allerdings ist
die Auswertung der Messergebnisse etwas schwieriger, da nur für kreisrunde
176 3 Dämpfung
und momentenfrei gelagerte, rechteckige Platten sowie für Ringe einfache Be-
ziehungen für die Resonanzfrequenzen bekannt sind. In allen anderen Fällen
ist man auf Näherungen oder Tabellen zur Berechnung des Elastizitätsmoduls
aus den Resonanzfrequenzen angewiesen. Für die Bestimmung des Verlustfak-
tors aus der Halbwertsbreite (oder der Abklingkonstanten aus der Nachhall-
zeit) gilt auch bei nicht stabförmigen Körpern (3.74) und (3.75). Da jedoch
bei derartigen Proben die Resonanzfrequenzen dichter liegen als bei Stäben
und oft auch ziemlich unregelmäßig verteilt sind (Zylinder und langgestreckte
Platten weisen beispielsweise eine Art Bandstruktur auf mit Häufungsstellen
der Resonanzfrequenzen), muss man besonders sorgfältig darauf achten, dass
der Abstand der Resonanzfrequenzen größer ist als die Halbwertsbreite. Auch
ist es wegen der komplizierten Verteilung der Knotenlinien oft nicht leicht,
geeignete Messpunkte zu finden.
Bei gekrümmten Probekörpern kommt noch hinzu, dass bestimmte Schwin-
gungsformen (bei Zylindern sind es Wellen, die sich in axialer Richtung aus-
breiten) sehr stark gedämpft sind, während andere Schwingungsformen eine
wesentlich geringere Dämpfung haben. Man muss in derartigen Fällen ent-
weder alle Resonanzfrequenzen mühsam auswerten und alle Feinheiten im
Frequenzgang des Verlustfaktors ermitteln, oder man kann - um einen nähe-
rungsweisen Überblick zu gewinnen - den Probekörper mit Rauschen von Terz-
oder Oktavbreite anregen und die Nachhallzeit bestimmen. Dieses letzte Ver-
fahren, das dem Hallraumverfahren in der Raumakustik entspricht, eignet sich
besonders bei Proben mit sehr vielen Resonanzen und vor allem auch dann,
wenn eine starke Kopplung zwischen den einzelnen Wellentypen stattfindet.
Letztere kann beispielsweise durch Inhomogenitäten verursacht werden.
Eine weitere denkbare Möglichkeit besteht darin, die in eine Probe einge-
speiste Leistung und das mittlere Schnellequadrat zu messen. Dazu muss man
die anregende Kraft F (t) und die Schnelle v(t) an der Anregestelle phasenrich-
tig bestimmen. Das Produkt F (t)v(t), das man z.B. über die Kreuzleistungs-
dichte ermitteln kann, stellt die eingespeiste und damit im eingeschwungenen
Zustand auch die Verlustenergie Pv dar. Falls die Probe die Gesamtmasse m
hat und in einer oder mehreren Resonanzen schwingt, ist der Energieinhalt
E = mv 2 . Bei nicht zu großer Dämpfung ist das in etwa gleich der reversiblen
Energie. Damit kann man (3.24) anwenden und erhält
Ev Pv T Pv
η= = = . (3.81)
2πER 2πmv 2 ωmv 2
Es wurde dabei davon Gebrauch gemacht, dass die pro Schwingungsperiode
T verloren gegangene Energie Ev = Pv T = 2πPv /ω beträgt.
3.5 Messergebnisse
In der Literatur wird die Materialdämpfung durch mehrere verschiedene
Kenngrößen charakterisiert. Um dem Leser die Umrechnung zu erleichtern,
3.5 Messergebnisse 177
sind in Tab. 3.2 auf Seite 150 die wichtigsten Kenngrößen zusammen mit den
Umrechnungsformeln angegeben. Die meisten Formeln gelten nur für η < 1.
3.5.1 Metalle
Während Dichte, Elastizitätsmodul und Poissonzahl und damit auch die
Schallgeschwindigkeit in Metallen relativ unabhängig von der Vorgeschichte,
der Dauer der Beanspruchung, der Frequenz, etc. sind, ist das beim Verlust-
faktor durchaus nicht der Fall. Es wurde durch zahlreiche und umfangreiche
Untersuchungen erwiesen, dass die innere Dämpfung von Metallen schon durch
relativ kleine Änderungen im Metallgefüge, z.B. durch Kaltwalzen, Tempern,
Bestrahlung, etc. beeinflusst werden kann [3.14][3.5]. Man kann daher den Ver-
lustfaktor von Metallen nicht als Materialkonstante betrachten, sondern kann
umgekehrt Verlustfaktormessungen dazu benutzen, kleine Änderungen in Me-
tallen nachzuweisen. Derartige Untersuchungen werden auch häufig durch-
geführt; sie geben ein Beispiel dafür, wie Messmethoden der Akustik in der
Metallkunde und in der Festkörperphysik von großem Nutzen sein können.
Wenn trotzdem in Tab. 3.3 auf der nächsten Seite Verlustfaktoren angegeben
sind, so geschah das nur, um einen Eindruck von den auftretenden Größen-
ordnungen zu vermitteln. Als historische Besonderheit sei noch erwähnt, dass
der Einfluss von Ermüdungserscheinungen schon vor vielen Jahren [3.15] durch
ganz einfache Experimente an Drähten, die Torsionsschwingungen ausführten,
nachgewiesen wurde.
Die physikalischen Vorgänge, die die innere Dämpfung von Metallen bewir-
ken, sind sehr verwickelt und auch noch nicht ganz erforscht. Hinzu kommt
noch, dass es gar nicht leicht ist, die oft sehr geringen Verlustfaktoren zu
messen und dass daher manche in der Literatur angegebenen Werte nicht
die Verluste im untersuchten Material, sondern in der Messapparatur (Halte-
rung, Anregung etc.) oder durch Schallabstrahlung (speziell bei Biegewellen)
wiedergeben.
Die Hauptgründe für die innere Dämpfung in Metallen sind Versetzungs-
vorgänge im kristallinen Gefüge und Wärmeleitung zwischen Gebieten ver-
schiedener Dehnung. Während sich die Forschung [3.16]-[3.18] über die Ver-
setzungsvorgänge noch voll im Fluss befindet, ist die Deutung der Wärme-
leitungserscheinungen wesentlich einfacher, weil man dabei auf die klassi-
sche Wärmeleitungsgleichung und auf lineare thermo-elastische Beziehungen
zurückgreifen kann. Führt man die entsprechenden Rechnungen durch [3.5],
so findet man, dass die Dämpfung durch Wärmeleitung den Charakter eines
Relaxationsvorgangs hat. Die Relaxationszeit ist dabei
bei Dehnwellen τ = (λ/2π)2 CV ρ/Λ,
(3.82)
bei Biegewellen τ = (h/π)2 CV ρ/Λ.
In diesen Gleichungen bedeuten CV = spezifische Wärme, Λ = Wärmeleitzahl,
ρ = Dichte, λ = Dehnwellenlänge, h = Plattendicke. Setzt man hier Zahlen-
werte ein (für die meisten Metalle ist CV ρ/Λ von der Größenordnung 10−3 ),
Tabelle 3.3. Mechanische Daten von Metallen bei Normalbedingungen (ca. 20◦ C). [109 N/m2 =101 0 dyn/cm2 ≈ 104 kp/cm2 ]
Stoff Dichte E-Modul Schubm. Poisson- cLII cT Verlustfaktor Bemerkungen
kg/m3 N/m2 N/m2 Zahl m/s m/s Biegung Longitudinal
Aluminium 2700 72 · 109 27 · 109 0,34 5200 3100 0,3-10·10−5 ≈ 10−4 [3.19][3.20][3.24]
Blei 11300 17 · 109 6 · 109 0,43 1250 730 5-30·10−2 ≈ 2 · 10−2 [3.19] chem. rein
1 − 4 · 10−3 [3.19] Antimon
Eisen, rein 7800 200 · 109 77 · 109 0,30 5050 3100 1-4·10−4 2 − 6 · 10−4 [3.19][3.21][3.24]
Stahl 7800 210 · 109 77 · 109 0,31 5100 3100 0,2-3·10−4
Gold 19300 80 · 109 28 · 109 0,423 2000 1200 ≈ 3 · 10−4 [3.23]
Kupfer 8900 125 · 109 46 · 109 0,35 3700 2300 2·10−4 ≈ 2 · 10−3 Polykristallin
2 − 7 · 10−4 Einkristall
Magnesium 1740 43 · 109 17 · 109 0,29 5000 3100 ≈ 10−4 [3.24]
Messing 8500 95 · 109 36 · 109 0,33 3200 2100 0,2-1·10−3 < 10−3 [3.19]
Nickel 8500 205 · 109 77 · 109 0,30 4800 2900 < 10−3 [3.24]
80 · 109 29 · 109 2700 1600 ≈ 4 · 10−4 < 10−3
3 Dämpfung
so findet man, dass Biegewellen durch die Wärmeleitung bei tiefen Frequen-
zen (etwa bis 200 Hz) und Dehnwellen im Ultraschallbereich etwas gedämpft
werden. Der Effekt ist allerdings nie groß; beim Relaxationsmaximum ωτ = 1
ist der Verlustfaktor nur von der Größenordnung 10−3 .
Eine Deutung des Phänomens der Dämpfung durch Wärmeleitung ist
leicht möglich, wenn man bedenkt, dass ein Material durch Dehnung etwas
abgekühlt und durch Kompression etwas erwärmt wird. Ist nun die Schwin-
gungsdauer zu kurz, um einen vollständigen Temperaturausgleich zu ermögli-
chen (isothermer Fall) und zu lang um ideale adiabatische Verhältnisse zu
ermöglichen, dann verbleibt bei jeder Schwingungsperiode eine sehr kleine
Restenergie, die zur Erwärmung des schwingenden Körpers führt. Dass in
(3.82) einmal die Dehnwellenlänge und einmal die Stab- bzw. Plattendicke
erscheinen, folgt daraus, dass bei Dehnwellen gedehnte und gestauchte (also
kältere und wärmere) Zonen etwa eine halbe Wellenlänge voneinander entfernt
sind, während bei den Biegewellen Dehnung und Stauchung an der Ober- bzw.
Unterseite einer Platte erfolgen und somit nur eine Plattendicke voneinander
entfernt sind.
Die Dämpfung von Biegewellen durch Wärmeleitung wurde bereits mehr-
fach experimentell bestätigt. Es zeigte sich jedoch, dass nur in der Nähe des
Relaxationsmaximums die gemessene Dämpfung mit den theoretischen Wer-
ten übereinstimmt. Nach höheren Frequenzen hin überwiegen sehr bald andere
Dämpfungsmechanismen (Wärmeleitung zwischen den einzelnen Kristalliten,
Versetzungsvorgänge etc.). Diese Mechanismen führen dann zu den in Tab. 3.3
auf der vorherigen Seite angegebenen Werten unter normalen“ Bedingungen.
”
Wie man sieht, ist - abgesehen von Blei, Zinn, Silber, Kupfer - im allgemei-
nen damit zu rechnen, dass der Verlustfaktor eines Metalls wesentlich kleiner
als 10−3 ist.
Bei zusammengesetzten Strukturen wie Maschinen oder Fahrzeugen, kom-
men die großen Unterschiede in der Dämpfung nie zum Tragen, da in den
meisten Fällen in der Praxis die tatsächlich vorhandene Dämpfung nicht durch
die Verluste in den Metallen, sondern durch Reibung an Verbindungsstellen,
Schrauben, etc. (siehe Abschnitt 3.7) gegeben ist. Auf Grund vieler Messun-
gen kann man als Faustregel angeben, dass eine vernietete oder geschraubte
Konstruktion aus dünnen Blechen (z.B. Auto) einen Verlustfaktor von et-
wa 2 · 10−2 hat. Bei geschweißten Konstruktionen aus dickeren Blechen (z.B.
Schiff) muss man mit η ≈ 10−3 rechnen. Kleinere Werte werden nur ganz
selten beobachtet. Größere Werte als 10−2 erhält man nur, wenn besondere
zusätzliche Dämpfungs-Maßnahmen getroffen werden.
3.5.2 Kunststoffe
Die Messung der inneren Verluste wird schon seit geraumer Zeit zur Unter-
suchung von Hochpolymeren benutzt. Außerdem werden derartige Stoffe sehr
häufig als Dämpfungsmaterialien für Entdröhnbeläge verwendet. Es lohnt sich
180 3 Dämpfung
fast alle Hochpolymere einen Elastizitätsmodul von ca. 5 · 109 N/m2 . Der
Verlustfaktor ist ziemlich klein; er liegt jedenfalls unter 0,1. Unterhalb der
Einfriertemperatur sind also Kunststoffe nicht zur Dämpfung geeignet.
Oberhalb der Einfriertemperatur exisitiert ein mehr oder weniger breiter
Temperaturbereich, in dem sich Kunststoffe nicht mehr wie richtige Festkörper
verhalten, aber auch noch nicht das rein plastische Verhalten zeigen. In die-
sem Bereich sind Kunststoffe am besten als Dämpfungsmaterialien geeignet,
da ziemlich hohe Verlustfaktoren auftreten (siehe Tab. 3.4). Die Elastizitäts-
moduln - die für Entdröhnbeläge von Bedeutung sind - liegen in diesem Über-
gangsbereich bei linearen“ Stoffen (also solchen mit Fadenmolekülen) im Be-
”
reich von 106 - 107 N/m2 , und bei vernetzten Stoffen bei etwa 108 N/m2 .
Der Elastizitätsmodul kann durch Beimengung von Füllstoffen (z.B. Vermi-
kulite) noch etwas erhöht werden. Auf diese Weise gelingt es, Verlustmoduln
mit Werten bis zu E = E η = 109 N/m herzustellen.
2
bei
η E
ϑ [◦ C] f [Hz]
Polyvinylchlorid (rein) 1,8 3 · 107 92 20
Polystyrol 2,0 30 · 107 140 2000
Polyisobutylen 2,0 0, 6 · 107 20 3000
Nitrilkautschuk 0,8 33 · 107 20 1000
Hartgummi 1,0 20 · 107 60 40
Polyvinylchlorid mit 30% Weichmacher 0,8 2 · 107 50 100
3.5.3 Baustoffe
Während bisher nur von mehr oder weniger homogenen Stoffen die Rede war,
sollen im Folgenden auch inhomogene Anordnungen behandelt werden. Für
die Praxis der Körperschalldämpfung sind gerade geschichtete Platten von
besonderer Bedeutung. Auf eine Metallplatte werden dabei eine oder mehre-
re Schichten eines viskoelastischen Dämpfungsmaterials (z.B. Hochpolymere)
und eventuell noch weitere Metallplatten aufgebracht. Es handelt sich hier
sozusagen um Platten mit Arbeitsteilung“; die Metallplatten geben die Fes-
”
tigkeit und das Dämpfungsmaterial die günstigen Körperschalleigenschaften.
Besonders zu beachten ist, dass der Verlustfaktor von geschichteten Plat-
ten für verschiedene Beanspruchungsarten sehr unterschiedlich sein kann. Man
muss also immer klarstellen, für welche Beanspruchungsart der jeweilige Ver-
lustfaktor gilt. Ein Beispiel für die Unterschiede des Verlustfaktors bei Anre-
gung von Longitudinal- bzw. Biegewellen gibt bereits die als nächstes behan-
delte Platte mit einem einfachen Belag.
Tabelle 3.5. Mechanische Daten von Baustoffen bei Normalbedingungen [109 N/m2 =1010 dyn/cm2 ≈ 104 kp/cm2 ]
Eine sehr einfache Methode zur Erhöhung der Körperschalldämpfung von Me-
tallplatten besteht im Aufbringen eines sogenannten Entdröhnbelages. Den
auf diese Weise erzeugten Verlustfaktor kann man leicht ausrechnen, wenn
man auf die Definitionsgleichung (3.24) zurückgeht. Betrachtet man zuerst
Quasilongitudinalwellen, dann ist offensichtlich, dass sich die wiedergewinn-
bare mechanische Energie aus der maximalen potentiellen Energie in Grund-
platte und Belag zusammensetzt. Für die gesamte reversible Energie (hier wie
im Folgenden wird stets mit Energien pro Oberflächeneinheit gerechnet) gilt
also nach (2.6)
2
1 1
dξ
. (3.83)
2 2 dx
WV = πη2 E2 d2
. (3.84)
dx
Damit wird der Verlustfaktor ηL für longitudinale Beanspruchung
WV E d2
ηL = = η2 2 . (3.85)
2πWR E1 d1 + E2 d2
WV = πη2 E2 d2
. (3.86)
dx
Die reversible mechanische Energie bei Verbiegung ist dagegen durch
3.6 Dämpfung von geschichteten Platten 185
2
2
1
d2 η
dβ
WR = B
= (3.87)
2 dx
2
dx
gegeben. Dabei ist B die Biegesteife des Systems aus Platte und Belag und
β der Biegewinkel. Bezeichnet man den Abstand von der neutralen Faser bis
zur Mitte des Belages mit a, dann ist offensichtlich ξM = aβ. Damit ergibt
sich für den Verlustfaktor ηB für Biegewellen
WV E d2 a2
ηB = = η2 2 . (3.88)
2πWR B
Diese Gleichung enthält noch die beiden unbestimmten Größen a und B.
Man kann dafür relativ gute Näherungen (siehe auch Kurtze [3.34]) und
Abschnitt 3.6.2.2) angeben, wenn man annimmt, dass a = (d1 + d2 )/2 gleich
dem Abstand von Mitte Grundplatte zur Mitte Belag ist. Für B kann man
E1 d31
B≈ + E2 d2 a2 . (3.89)
12
setzen, wobei der zweite Term nur bei relativ dicken Belägen (d2 > d1 ) eine
Rolle spielt.
In Bild 3.18 ist das Verhältnis der Verlustfaktoren ηB /η2 über dem Di-
ckenverhältnis nach der strengen Rechnung von Oberst [3.12] eingezeichnet.
Außerdem sind noch Punkte eingetragen, die nach (3.88) berechnet wurden.
Wie man sieht, stellt (3.88) eine sehr gute Näherung dar.
Die Verlustfaktoren für Biegewellen sind also ebenfalls frequenzunabhängig
und wesentlich höher als für Longitudinalwellen. Während der Verlustfaktor
bei Longitudinalwellen für E2 η2 = 109 N/m2 , d1 = d2 und E1 = 2 · 1011
N/m2 etwa ηL ≈ 5 · 10−3 betrug, wird bei den gleichen Materialdaten und
Dimensionen der Verlustfaktor für Biegewellen mit ηB ≈ 5, 5 · 10−2 mehr als
zehnmal so hoch.
186 3 Dämpfung
Bild 3.18. Verlustfaktor von Stäben und Platten mit einfachen visko-elastischen
Belägen nach Oberst nach den Näherungsgleichungen (3.88) und (3.89)
erhaltene Werte für E2 /E1 = 3 · 10−3
Bild 3.19. Abstandshalter zur Vergrößerung der Wirkung eines einfachen visko-
elastischen Belages
. (3.90)
d2
(G2 = Schubmodul der Mittelschicht).
Die wiedergewinnbare Formänderungsarbeit beträgt genauso wie oben
dβ
1 2 2
WR = B
= Bk |β| . (3.91)
2 dx 2
188 3 Dämpfung
Aus (3.90) und (3.91) folgt unmittelbar für den Verlustfaktor einer Plat-
tenkombination, bei der die mechanischen Verluste vorwiegend durch Schub-
beanspruchung einer viskoelastischen Schicht entstehen,
G2 d2 |γ2 |2
η = η2 . (3.92)
Bk 2 |β|2
Diese Gleichung enthält noch zwei unbekannte Größen, die Biegesteife der
Gesamtanordnung und das Verhältnis von Schubwinkel zu Biegewinkel. Diese
beiden Größen werden im Folgenden für zwei Spezialfälle berechnet. Man sieht
aber auch so schon, dass große Verhältnisse γ2 /β für eine gute Dämpfung
günstig sind.
Wird eine Platte mit dünnen Belägen (z.B. damping tape) versehen, so kann
man in erster Näherung die Biegesteife der Grundplatte und der Plattenkom-
bination gleichsetzen. Mit dieser Näherung gilt aber auch, dass die Verschie-
bung der viskoelastischen Schicht aβ beträgt (siehe Bild 3.21). Daraus ergibt
sich aber noch nicht der Schubwinkel γ2 , vielmehr muss man noch berück-
sichtigen, dass die Abdeckplatte durch die Schubkräfte um einen Betrag ξ3
verlängert wird. Für den Schubwinkel γ2 gilt also
d2 γ2 = ξ2 = aβ − ξ3 . (3.93)
Die Größe ξ3 ergibt sich aus der auf die Platte 3 wirkenden Kraft G2 γ2 und der
Rückstellkraft dieser zu Longitudinalbewegungen angeregten Platte. Unter
Benutzung von (2.2) und (2.3) (wobei statt der Trägheitskraft die Schubkraft
eingesetzt wird) erhält man
d2 ξ3
E3 d 3 = −G2 γ2 (3.94)
dx2
(E3 = Elastizitätsmodul der Abdeckplatte). Da die Ableitung nach x wieder
gleichbedeutend ist mit einer Multiplikation mit k, erhält man aus (3.93) und
(3.94)
γ2 a 1
= G2
. (3.95)
β d2 1 + 2
E3 d3 d2 k
Hier tritt der komplexe Modul G2 = G2 (1 + jη2 ) auf. Setzt man (3.95) in
(3.92) ein, so ergibt sich für den Verlustfaktor
E3 d3 a2 gd
η = η2 . (3.96)
B|1 + (1 + jη2 )gd |2
E3 d3 a2 η2 3 E3 d 3 η2
ηopt = ≈ . (3.99)
2B 1+ 1+η 2 2 E d
1 1 1+ 1 + η2
2 2
Wie man sieht, ist der für η2 = 2 (höhere Werte dürften nur selten auftre-
ten) maximal erreichbare Verlustfaktor etwa 0, 9E3 d3 /E1 d1 . Etwa 80% dieses
Wertes sind in einem breiten Frequenzband auch tatsächlich erreichbar, vor-
ausgesetzt nur, die Materialdicken und der Schubmodul sind entsprechend den
angegebenen Gleichungen aufeinander abgestimmt.
einzuführen.
Dabei sind B1 und B3 die Biegesteifen der Grundplatte und der Abdeck-
platte alleine, a ≈ d2 + (d1 + d3 )/2 bezeichnet den Abstand der neutralen
Fasern.
192 3 Dämpfung
Mit den genannten Abkürzungen ergibt sich für den Verlustfaktor der Ge-
samtanordnung
hg
η = η2 . (3.102)
|1 + (1 + jη2 )g|2 + gh[1 + g(1 + η22 )]
Wegen
G2 a2
gh = 2
(3.103)
d2 k B1 + B3
ist die Analogie zu (3.96) offensichtlich. Ähnliches gilt für das Verhalten beim
Dämpfungsmaximum, dessen Frequenz durch
1 1
gopt = √ (3.104)
1 + h 1 + η22
gilt, aber damit ist das Problem nicht gelöst, denn zur Berechnung von B
bräuchte man g und damit auch k, das aber seinerseits von B abhängt. Man
könnte zwar k direkt berechnen (siehe Abschnitt 3.6.3) aber da das auf Poly-
nome höherer Ordnung führt, scheint es einfacher, sich an den richtigen Wert
von k 2 heranzuiterieren“ indem man B = B1 + B3 oder die Biegesteife mit
”
g = gopt als Startwert benutzt. Für den Spezialfall eines Verbundbleches aus
zwei gleich dicken Platten (E1 = E3 , d1 = d3
d2 ) findet man h ≈ 3 und
damit
3
ηopt = η2 < 0, 75. (3.107)
5 + 4 1 + η22
Dieses Optimum wird bei einer Frequenz erreicht, die um den Faktor vier
höher ist als der nach (3.98) berechnete Wert.
Messbeispiele für zwei entdröhnte Bleche zeigt Bild 3.23. Obwohl sich
der Verlustfaktor einer Mehrschichtplatte (Verbundplatte) über ein sehr brei-
tes Frequenzband erstreckt (Bilder 3.22 und 3.23), wird der Dämpfungsab-
fall zu tiefen Frequenzen manchmal als Nachteil empfunden. Glücklicherweise
3.6 Dämpfung von geschichteten Platten 193
ist dieser Nachteil relativ leicht behebbar; es lässt sich nämlich zeigen (siehe
[3.37],[3.38]), dass aus kurzen Stücken bestehende Abdeckplatten eine höhe-
re Schubbeanspruchung und damit auch eine stärkere Dämpfung bei tiefen
Frequenzen aufweisen. Die günstigste Länge der Teilstücke der Abdeckplatte
beträgt lT = 3, 3/α, wobei α in Bild 3.25 definiert ist.
α lT
1
B≈ E1 (d1 + d3 )3 für g
1 (3.108)
12
aufweisen, während bei hohen Frequenzen nach (3.106)
1
B ≈ B1 + B3 = E1 (d31 + d33 ) für g 1 (3.109)
12
gilt; das bedeutet, dass die für die Schalldämmung ungünstige Grenzfrequenz
der Spuranpassung (siehe Kap. 6) zu höheren Frequenzen verschoben wird
[3.39].
Für manche Anwendungsfälle kann es interessant sein, nicht nur den nach
einem im Prinzip rein statischen Verfahren ermittelten Verlustfaktor zu ken-
nen, sondern auch weitere Einzelheiten des Schwingungsverhaltens (z.B. die
Kopplung von Biege- und Dehnwellen) im Detail zu verstehen; d.h. die vol-
len Bewegungsgleichungen zur Verfügung haben. Um diese Aufgabe zu lösen,
empfiehlt sich die Verwendung des in Abschnitt 2.2.2 bereits eingeführten
Hamiltonsche Prinzips.
Geht man davon aus, dass die Bewegungen eines Doppelbalkens in der
Ebene y = 0 durch eine longitudinale Bewegung ξL , eine Transversalbewegung
ξ2 und einen Winkel β beschrieben werden (siehe Bild 3.26), dann gilt für die
Bewegung ξ1 (in x-Richtung) in jeder beliebigen y-Ebene
3.6 Dämpfung von geschichteten Platten 195
ξ1 = ξL + yβ . (3.110)
Hinsichtlich der Lage der y = 0 Ebene bezüglich der Trennfläche der beiden
Schichten wird vorläufig noch keine Aussage gemacht. Die Wahl der Ebene y =
0 ist willkürlich und braucht nicht mit der neutralen Faser zusammenzufallen.
Das bedeutet natürlich, dass auch ξL von der Wahl der y = 0 Ebene abhängt.
Darauf wird später noch eingegangen.
Bild 3.26. Koordinatensystem bei einem Doppelbalken mit den Dichten ρ1 , ρ2 und
den E-Moduln E1 , E2
Für die Dehnung ergibt sich nach (2.151) bis (2.158) unter Benutzung von
(3.110)
∂ξ1 ∂ξL ∂β
x = = +y
∂x ∂x ∂x
(3.111)
∂ξ1 ∂ξ2 ∂ξ2
γxy = + =β+
∂y ∂x ∂x
Beschränkt man sich auf eine Genauigkeit, die der Bernoullischen Biegetheorie
entspricht, dann wird γxy = 0. Deshalb gilt
∂ξ2
β=− = −ξ2 . (3.112)
∂x
Da in diesem Abschnitt von nun an nur mehr Ortsableitungen nach der x-
Koordinate vorkommen, werden sie der Einfachheit halber durch einen Strich
gekennzeichnet. Zeitableitungen erhalten, wie üblich, einen Punkt.
Man hätte die Näherung (3.112) für die weitere Rechnung auch vermeiden
können. Das hätte bedeutet, dass man ähnlich hätte vorgehen müssen wie bei
der Behandlung des Timoshenko Balkens in Abschnitt 2.8.2. Die entsprechen-
de Rechnung wurde aus Gründen der Platzersparnis unterlassen, weil sie zu
keinen qualitativ neuen Ergebnissen führt.
Die für die Anwendung des Hamiltonschen Prinzips notwendigen Glei-
chungen für die kinetische und potentielle Energie eines sich in −l ≤ x ≤ l
erstreckenden Balkens lauten
l h1 l h2
ρ1 ρ2
Ekin = (ξ˙12 + ξ˙22 )dxdy + (ξ˙12 + ξ˙22 )dxdy (3.113)
2 −l −h3 2 −l h1
196 3 Dämpfung
und
l h1 l h2
E1 E2
Epot = ε2x dxdy + ε2x dxdy =
2 −l −h3 2 −l h1
l h1 l h2
E1 E2
= (ξL − yξ2 )2 dxdy +
(ξL − yξ2 )2 dxdy .
2 −l −h3 2 −l h1
(3.114)
Führt man die Integration über y durch und benutzt die Abkürzungen
h1 h2
mE = ρ1 dy + ρ2 dy = ρ1 d1 + ρ2 d2
−h3 h1
h1 h2
ρ1 ρ2
mZ = ρ1 ydy + ρ2 ydy = d1 (h1 − h3 ) + d2 (h1 + h2 )
−h3 h1 2 2 (3.115)
h1 h2
mD = ρ1 y 2 dy + ρ2 y 2 dy =
−h3 h1
ρ1 ρ2
= d1 (h21 − h1 h3 + h23 ) + d2 (h21 + h1 h2 + h22 )
3 3
und entsprechend
EE = E1 d1 + E2 d2
E1 E2
EZ = d1 (h1 − h3 ) + d2 (h1 + h2 ) (3.116)
2 2
E1 E2
ED = d1 (h21 − h1 h3 + h23 ) + d2 (h21 + h1 h2 + h22 ) ,
3 3
dann erhält man
l
1
Ekin = (mE ξ˙L
2
− 2mZ ξ˙L ξ˙2 + mD ξ˙22 + mE ξ˙22 )dx
2 −l
l
(3.117)
1 2
Epot = (EE ξL − 2EZ ξL ξ2 + ED ξ22 )dx .
2 −l
Ziel der weiteren Rechnung ist es, die bei der Bildung des Hamilton’schen
Integrals
t2
δ (Ekin − Epot )dt
t1
E1 d21 − E2 d22
h1 = , (3.119)
2(E1 d1 + E2 d2 )
Dieser Ausdruck ist gleich dem von Oberst [3.12] benutzten und fast gleich
(3.89). Man kann nun (3.120) dazu benutzen die Biegewellenzahl eines Dop-
pelbalkens und, wenn E2 und/oder E1 komplex sind, den Verlustfaktor zu
berechnen. Das Ergebnis ist identisch mit den Resultaten von Abschnitt 3.6.1
(siehe insbesondere Bild 3.18). Dasselbe gilt für den Verlustfaktor von Dehn-
wellen in der neutralen Faser, denn bei Vernachlässigung der Kopplung (d.h.
für ω 2 mZ > 0) ergibt sich diese Wellenzahl zu
2 ρ1 d1 + ρ2 d2
kL = ω2 . (3.121)
E1 d 1 + E2 d 2
Man kann sich davon überzeugen, dass die Koeffizienten dieses Polynoms -
wie man verlangen muss - unabhängig von der Lage der y = 0 Ebene sind, die
am Anfang dieses Abschnitts willkürlich an eine beliebige Stelle gelegt wurde.
Beschränkt man sich auf die neutrale Faser, d.h. setzt EZ = 0, dann wird
(3.123) zwar einfacher, aber sie zerfällt nicht in zwei Gleichungen (dazu müsste
man ω2 mZ = 0 setzen, also quasistatisch rechnen). Setzt man (3.123) gleich
Null um die freien Wellenzahlen zu erhalten, dann ergeben sich die Lösungen
±kL , ±kBF , ±jkBN , also die Wellenzahlen für Dehnwellen, für Biegewellen
und für Biegewellennahfelder. Die Zahlenwerte, die eine numerische Lösung
von (3.123) liefert, liegen sehr nah an den Ergebnissen der quasistatischen
Rechnungen.
Aus (3.122) lässt sich auch die Stärke der Kopplung zwischen der Dehn-
wellenbewegung der neutralen Faser mit der Amplitude ξLN und der Biegebe-
wegung ξ2 ermitteln. Die obere der Gleichungen (3.122) liefert wegen EZ = 0
Dabei ist λL1 die Dehnwellenlänge im Teilbalken 1 und λ = 2π/k die Wel-
lenlänge der interessierenden Bewegung (z.B. Biegung der Gesamtanordnung).
Bei der Näherung wurde λL1 > l und E1 /ρ1 > E2 /ρ2 vorausgesetzt. Man
sieht, dass die Kopplung zwischen ξ2 und ξLN zwar stets vorhanden, aber
besonders bei tiefen Frequenzen sehr schwach ist, weil λ < λL1 und erst recht
d1 + d2 < λL1 . Die getrennte Behandlung der beiden Bewegungsarten ist also
bei den üblichen Anwendungsfällen berechtigt.
Aus (3.122) lässt sich auch die in Abschnitt 2.2.2 eingeführte Trennimpe-
danz errechnen. Man erhält mit EZ = 0
p̂A p̂A k 4 ED k 2 mD k 2 ω 2 m2Z
Zτ = = = jωmE 1 − 2 + − .
v̂A jω ξˆA ω mE mE mE (ω 2 mE − k 2 EE )
(3.125)
Mit den soeben benutzten Näherungen und mit k 2 mD mE (also einer
Näherung, die auch bei der üblichen Biegetheorie gemacht wird) folgt daraus
k 4 ED ω 2 m2Z
Zτ = jωmE 1 − 2 +
ω m EE mE
' 2 (3.126)
4
k ED ρ1 d1 π(d1 + d2 )
≈ jωmE 1 − 2 + .
ω mE ρ2 d 2 λL1
Bis auf die geschweifte Klammer ist das die Trennimpedanz eines Balkens.
Die Korrektur durch die Kopplung ist wegen d1 + d2 lL1 wieder sehr klein.
3.6 Dämpfung von geschichteten Platten 199
ξI = ξL + yβI
ξII = ξL + h1 βI + (y − h1 )βII (3.127)
ξIII = ξL + h1 βI + d2 βII + (y − h1 − d2 )βIII .
e−jωx ejωt ,
200 3 Dämpfung
dann entspricht jede Zeitableitung einer Multiplikation mit jω und jede Orts-
ableitung einer Multiplikation mit −jk. Damit wird die Gleichung für die
komplexen Amplituden ξL , ξ2 etc. und für die anregende Kraft (pro Flächen-
einheit) pA in y-Richtung
⎡ ⎤⎡ ˆ ⎤ ⎡ ⎤
α11 0 α13 α14 α15 ξL 0
⎢ ⎥⎢⎢ ˆ
⎥ ⎢ ⎥
⎥
⎢ 0 α22 α23 α24 α25 ⎥ ⎢ ξ2 ⎥ ⎢pA ⎥
⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ⎥
⎢α13 α23 α33 α34 α35 ⎥ ⎢ β̂I ⎥ = ⎢ 0⎥
⎢ ⎥⎢ ⎥ ⎢ ⎥ (3.129)
⎢ ⎥⎢ ⎢ ⎥
⎣α14 α24 α34 α44 α45 ⎦ ⎢ ⎥
⎣ β̂II ⎦ ⎣ 0 ⎦
α15 α25 α35 α45 α55 β̂III 0
Dabei ist
1 1
α11 = k 2 EE − ω 2 mE ; α13 = EE h1 − E1 d21 k 2 − mE h1 − ρ1 d21 ω 2 ;
2 2
1 1
α14 = E2 d22 + E3 d2 d3 k 2 − ρ2 d22 + ρ3 d2 d3 ω 2 ;
2 2
1 1
α15 = E3 d23 k 2 − ρ3 d23 ω 2 ; α22 = −G2 k 2 + ω 2 mE ;
2 2
α23 = −jkG1 d1 ; α24 = −jkG2 d2 ;
α25 = −jkG3 d3 ; α34 = α14 h1 ; α35 = α15 h1 ;
α33 = [EE h21 − E1 d21 (h1 − d1 /3)]k 2 − [mE h21 − ρ1 d21 (h1 − d1 /3)]ω 2 + G1 d1 ;
1 1
α44 = E2 d32 + E3 d22 d3 k 2 − ρ2 d32 + ρ3 d22 d3 ω 2 + G2 d2 ;
3 3
1 1
α45 = α15 d2 ; α55 = E3 d33 k 2 − ρ3 d33 ω 2 + G3 d3 ;
3 3
EE = E1 d1 + E2 D2 + E3 d3 ; mE = ρ1 d1 + ρ2 d2 + ρ3 d3 ;
GE = G1 d1 + G2 d2 + G3 d3 .
Aus (3.129) kann man durch Nullsetzen der Determinante die freien Wellen-
zahlen und, wenn E bzw. G komplex ist, die Verlustfaktoren bestimmen. Da
die Determinante ein Polynom fünfter Ordnung in k 2 ist, findet man für jede
Frequenz fünf Lösungen, von denen aber nur zwei, nämlich eine Art Quasi-
longitudinalwelle und eine Art Biegewelle, ausbreitungsfähig sind. Die übrigen
freien Wellenzahlen gehören zu exponentiell abklingenden Nahfeldern.
Man kann auch analog zu (3.125) die Trennimpedanz berechnen. Es zeigt
sich dabei, dass sowohl die freien Wellenzahlen als auch die Trennimpedanz
für Anregung und Bewegung in y-Richtung von der willkürlichen Wahl von
h1 unabhängig sind.
Eine wesentliche Vereinfachung von (3.129) ergibt sich, wenn man, wie es
bei der unkorrigierten Biegewelle üblich ist, in den Schichten I und III die
Schubdehnungen εI 12 bzw. εIII 13 zu Null setzt, also den Ansatz
3.6 Dämpfung von geschichteten Platten 201
macht. Für die weitere Rechnung empfiehlt es sich, die dritte und fünfte Zeile
im linearen Gleichungssystem (3.129) mit jk zu multiplizieren und zur zwei-
ten Zeile zu addieren (das Gleichungssystem bleibt dann symmetrisch). Man
erhält so nach einigen Zwischenrechnungen
⎡ ⎤
α2
α11 − α14 +jk α13 + α15 − α14 γ23
⎣ 44 2
α44 ⎦ (3.130)
2 γ23
+jk α13 + α15 − α14 γ23
α44 γ22 + k α44
Dabei ist
γ22 = − k 2 G2 d2 + ω 2 mE − k 4 [B1 + B3 + E1 d1 h211 + E3 d3 h213 + E2 d2 h21 ]
+ ω 2 k 2 [M1 + M3 + ρ1 d1 h211 + ρ3 d3 h213 + ρ2 h2 h21 ];
1 1
γ23 = − G2 d2 + k 2 E3 d2 d3 h13 + E2 d22 h1 − ω 2 ρ3 d2 d3 h13 + ρ2 d22 h1
2 2
h11 =h1 − d1 /2, h13 = h1 + d3 /2.
mit
G2
g3 =
E3 d 2 d 3 k 2
ist. (3.131) stellt offensichtlich die Gleichung für die Lage der neutralen Faser
eines Dreischichtbalkens dar. Unter Benutzung der obigen Näherungen wird
aus (3.130)
E3 d 3 k 2 ˆ
k 2 E E − ω 2 mE − ξLN F = 0
1 + g3
, ' 2 -
E1 d 1 E 3 d 3 d1 d3
ω mE − k B1 + B3 + g3
2 4
+ + d2 ξˆ2 = p̂A .
E1 d1 (1 + g3 ) + E3 d3 g3 2 2
(3.132)
Die erste dieser Gleichungen beschreibt die Quasilongitudinalwellen in der
neutralen Faser eines Dreischichtbalkens. Die zweite Gleichung bezeichnet of-
fensichtlich Biegewellen, wobei der in eckigen Klammern stehende Ausdruck
der Biegesteife nach (3.106) entspricht. Mit den eben durchgeführten Nähe-
rungen erhält man also wieder die einfachen Beziehungen des Abschnitts 3.6.2.
Es sei noch erwähnt, dass (3.132) die Lösung einer Gleichung zweiter bzw.
dritter Ordnung in k 2 erfordert, weil k 2 auch in der Hilfsgröße g3 enthalten
ist. Meist geht man aber so vor, dass man in g3 einen Näherungswert von k 2
einsetzt und dann einige Iterationsschnitte durchführt.
b b
s = GF = GF (1 + jηF ) . (3.134)
lF lF
Für die Bewegung der Masse pro Längeneinheit m folgt aus dem Trägheits-
gesetz
F̂ = −ω 2 m ξˆM . (3.135)
Führt man nun noch die Schnelle vS = jωs ξs ein, dann erhält man
jωm v̂S
F̂ = , (3.136)
1 − ω 2 /ω02
wobei
s G b
ω 20 =
= F (1 + jηF ) = ω 2 (1 + jηF ) (3.137)
m lF m
das Quadrat der komplexen Eigenfrequenz des Feder-Masse Systems ist.
Zur Berechnung der Schwingungen benötigt man nun nur noch das Glei-
chungspaar (2.35) und (2.36), das um die durch (3.136) gegebene Kraft erwei-
tert wird. Man erhält so für die Longitudinalbewegung des mit Federn und
Massen belasteten Stabes
dF̂ jωm
− = jωρSv̂S + v̂S
dx 1 − ω 2 /ω 20 (3.138)
dv̂S
−ES = jω F̂ .
dx
Der Einfluss der zusätzlich angebrachten Federn und Massen besteht darin, die
2
beim unbehandelten Stab durch kL0 = ω 2 /c20 = ω 2 ρ/E gegebene Wellenzahl
in
m 1 − ν 2 + ηF2 m ν2
k 2 = kL0
2
1+ − jη F (3.140)
ρS (1 − ν 2 )2 + ηF2 ρS (1 − ν 2 )2 + ηF2
204 3 Dämpfung
umzuwandeln (ν = ω/ω0 ).
Die Änderung der Wellenzahl, die in (3.140) zum Ausdruck kommt, bezieht
sich sowohl auf den Real- als auch den Imaginärteil, durch die aufgesetzten
Federn und Massen werden also Ausbreitungsgeschwindigkeit und Dämpfung
des ursprünglichen Systems geändert.
Für Zusatzmassen, die insgesamt 10% der Stabmasse haben, ist in Bild 3.29
die Ausbreitungsgeschwindigkeit und die Dämpfung eingezeichnet. Wie man
sieht, wird eine kleine Änderung der Ausbreitungsgeschwindigkeit und - nahe
der Resonanzstelle - eine beträchtliche Dämpfung bewirkt. Die Dämpfung
wird sogar so hoch, dass die Voraussetzung der Rechnung (η < 1) nicht mehr
erfüllt ist.
Bild 3.29. Dämpfung und Ausbreitungsgeschwindigkeit für einen Stab mit zusätz-
lichem Feder-Masse-System M /ρS = 0, 1
(3.133) bis (3.140) kann man ohne Schwierigkeiten auf andere voneinander
unabhängige Zusatzsysteme erweitern. Benutzt man nämlich statt (3.136) den
Eingangswiderstand
3.7 Dämpfung durch Resonatoren 205
F̂
Z =
v̂S
eines Zusatzsystems (pro Länge gerechnet), dann erhält man statt (3.139)
d2 v̂S 2 ρ Z
+ ω 1 − j v̂S = 0. (3.141)
dx2 E ωρS
Der Realteil des Eingangswiderstandes gibt also an, wie groß die Dämpfung
ist. Besonders hohe Dämpfungen erhält man für rein reelle Widerstände. Ein
Beispiel eines derartigen reellen Widerstandes ist der Eingangswiderstand ei-
ner Platte (4.59). Man kann also durch Anbringen von dünnen, gedämpften
Platten, die senkrecht zur Stabachse stehen, ganz beachtliche Dämpfungen
von Quasilongitudinalwellen erzielen (Verlustfaktoren von 0,3 sind für derar-
tige Kombinationen nicht ausgeschlossen).
Die durch (3.140) gegebene Dämpfung hätte man natürlich auch mit Hilfe
der Energiemethoden herleiten können, die in Abschnitt 3.6 benutzt worden
sind. Wenn die Belastung durch die zusätzlich angebrachten Federn und Mas-
sen nicht allzu groß ist, dann beträgt die reversible mechanische Energie in
einem Stab der Länge ls
1
WR = ρSls |v̂S |2 .
2
Für die pro Zeiteinheit - für den Stab - verlorengegangene Energie gilt
1 n
nRe v̂S F̂ ∗ = |v̂S |2 Re {Z E } .
2 2
Dabei ist n die Anzahl der Zusatzelemente und Z E der Eingangswiderstand
eines Elementes. Die pro Schwingungsperiode T verlorengegangene Energie
beträgt entsprechend
n nπ
WV = |v̂S |2 T Re {Z E } = |v̂S |2 Re {Z E } .
2 ω
Nach der Definitionsgleichung (3.24) ergibt sich also für den Verlustfaktor der
gesamten Anordnung
n Re {Z E }
η= . (3.142)
ls ωρS
Da nZ E /ls der Eingangswiderstand pro Längeneinheit ist, ergeben (3.140)
und (3.142) beinahe dasselbe Ergebnis (der noch bestehende kleine Unter-
schied ist darauf zurückzuführen, dass die in den Zusatzelementen enthaltene
reversible Energie vernachlässigt wurde).
Die gleiche Rechnung wie bei Quasilongitudinalwellen kann man auch bei
Torsions- und Biegewellen durchführen. Man braucht auch hier lediglich zu
den Trägheitskräften die von außen angreifenden Kräfte zu addieren. Für Bie-
gewellen erhält man auf diese Weise statt (2.130)
d4 v̂ Z
− kB0 1 − j
4
v̂ = 0. (3.143)
dx4 ωρS
206 3 Dämpfung
Bild 3.30. Gemessene und (nach Gl.(3.142)) gerechnete Verlustfaktoren eines Sta-
bes mit seitlich angebrachten Blechstreifen als Resonatoren
Wie man sieht, erhält man auf diese Weise immerhin Verlustfaktoren von
0,01 - 0,02. Dieser Wert ist zwar nicht besonders hoch: Das Gewicht der Blech-
streifen beträgt etwa 9% des Stabgewichtes; bei demselben Gewichtsverhältnis
könnte man durch einen einfachen viskoelastischen Belag den 3- bis 4-fachen
3.7 Dämpfung durch Resonatoren 207
eintritt. Da s die Federsteife der Zwischenschicht je Fläche und m1 bzw. m2
die Masse je Fläche der beiden Platten sind, stellt ω0 gerade die Tonpilzfre-
quenz des Systems dar. Oberhalb und unterhalb von ω0 ist die Dämpfung
ziemlich klein. Diese Tatsache ist für Mehrschichtplatten mit sehr weichen
oder dicken Zwischenschichten manchmal von Bedeutung. Die in Abschnitt
3.6.2 berechneten relativ hohen Verlustfaktoren werden nämlich oberhalb von
ω0 meist nicht mehr erreicht. Man sollte also immer darauf achten, dass die
Zwischenschichten von Mehrschichtplatten nicht zu weich sind.
Bei dicken Schichten entsteht die Dämpfung durch Abstrahlung von in Form
von mechanischen Wellen vorhandener Körperschallenergie in ein stark dämp-
fendes Material hinein. Es besteht also eine gewisse Verwandtschaft zu der in
Kapitel 6 behandelten Luftschallabstrahlung. Wie dort erklärt wird, findet
eine Schallabstrahlung in die dicke Schicht nur dann statt, wenn die Wel-
lenlänge λp der schwingenden Struktur größer ist als die Wellenlänge cM /f
der dämpfenden Schicht. Weil nur dieser Fall praktisch interessiert, wird hier
für das Folgende λp > cM /f vorausgesetzt. Für den in Kapitel 6 definierten
Abstrahlgrad gilt also σ ≈ 1.
Die genannte Voraussetzung erlaubt die Behandlung der Schicht als eindi-
mensionalen Wellenleiter mit der Dichte ρM und der komplexen Ausbreitungs-
geschwindigkeit cM . Wenn dieser Wellenleiter an seinem Ende frei ist und die
Länge d (= Dicke der Schicht) besitzt, dann beträgt seine Eingangsimpedanz
pro Flächeneinheit
Z = jρM cM tan (ωd/cM ) (3.145)
mit
cM = cM 1 + jηM .
Darin bedeutet ηM den Verlustfaktor des Schichtmaterials. Falls die ursprüng-
liche Anordnung Biegewellen ausführt, wird für cM die Longitudinalwellenge-
schwindigkeit eingesetzt. Falls Dehnwellen gedämpft werden sollen, wird die
Schubwellengeschwindigkeit benutzt.
208 3 Dämpfung
Setzt man (3.145) in (3.141) oder in (3.142) ein, so kann man den Verlust-
faktor der Gesamtanordnung näherungsweise bestimmen. Ein Beispiel, bei
dem Dehnwellen auf einem 10 mm dicken Aluminiumstab gedämpft wurden,
zeigt Bild 3.31. Zur Dämpfung wurde eine weiche Gummischicht mit cM ≈ 100
m/s und ηM ≈ 0,9 verwendet. Die erste Dickenresonanz ωd/cM = π/2 liegt
bei etwa 2000 Hz. Unterhalb der Resonanzfrequenz nimmt der Verlustfaktor
rasch ab, weil nur noch wenig Energie in die Schicht übertragen wird. Höhere
Dickenresonanzen oberhalb der tiefsten Resonanzfrequenz sind nur noch an-
deutungsweise vorhanden, weil der Verlustfaktor hier sehr hoch ist. In diesem
Frequenzbereich gilt näherungsweise Re{Z } ≈ ρM cM .
haben zwar einen hohen Platzbedarf, können aber eventuell zur Luftschall-
schluckung mit ausgenutzt werden.
In [3.42] wurden auch diejenigen Verlustfaktoren berechnet, die man un-
ter Berücksichtigung der seitlichen Kopplung im Dämpfungsmaterial erhalten
würde. Bei der entsprechenden Rechnung wurde von der elastischen Grund-
gleichung ausgegangen, d.h. es wurde Longitudinal- und Transversalbewegung
in der Schicht erfasst. Vergleicht man die so erhaltenen Werte mit denen, die
sich mit Z nach (3.145) aus (3.141) und aus (3.143) ergeben, so findet man
fast keine Unterschiede. Es lässt sich zeigen, dass das immer dann gilt, wenn
cM kleiner ist als die Wellengeschwindigkeit in der Ausgangskonstruktion, also
beispielsweise die Biegewellengeschwindigkeit.
Die für dicke Schichten geltenden Überlegungen lassen sich auch auf eine in
der Praxis beliebte - weil billige und temperaturunempfindliche - Dämpfungs-
methode, nämlich die Aufbringung von Sandschüttungen, anwenden. Auch in
diesem Fall tritt eine deutliche Wirkung erst in der Nähe und oberhalb der
ersten Dickenresonanz ein und der Mittelwert der Dämpfung ist durch
Re Z ≈ ρM cM
bestimmt. Dabei bedeuten ρM die Sanddichte und cM die Schallausbreitungs-
geschwindigkeit im Sand, die nur schwer angebbar ist. Zwar weiß man, dass
bei dünnen, trockenen, lockeren Sandschichten [3.43] etwa
cL = 150 m/s, cT = 100 m/s, η ≈ 0, 1
gilt. Die genannten Zahlen stellen jedoch die günstigsten Werte dar; denn
meist ist Sand etwas feucht, außerdem wird er durch sein Eigengewicht und
durch ständiges Schütteln etwas verdichtet. Beide Effekte führen zu einer
höheren Schallgeschwindigkeit und somit zu kleinerer Dämpfung im tieffre-
quenten und mittelfrequenten Bereich. Trotzdem ist handelsüblicher, tro-
ckener Sand im mittleren und hohen Frequenzbereich, in dem cL größer ist
als die Biegewellengeschwindigkeit der Ausgangskonstruktion, ein gutes und
preiswertes Entdröhnmaterial.
Beschränkt man sich auf Vorgänge, bei denen alle Feldgrößen wellenförmi-
ge Verteilungen der Form
ejωt e−jkx x e−jky y
aufweisen, dann entsteht aus (3.146) ein homogenes, lineares Gleichungssys-
tem, das nur dann lösbar ist, wenn die Determinante verschwindet, wenn also
ω2 1 ω2
2
ky1 = 2 2 − kx2 ≈ 2 − kx2
c0 1 + jων/c0 c0
2 (3.147)
jω −jω 1−j
2
ky2 =− − kx ≈
2
≈
ν ν δ
gilt. Die hier benutzten Näherungen beruhen darauf, dass ν sehr klein ist
und dass die daraus gebildete akustische Grenzschichtdicke δ = (2ν/ω)1/2
normalerweise von der Größenordnung 10−4 m ist, während die Wellenlängen
um einige Zehnerpotenzen größer sind. Die allgemeine Lösung von (3.146) für
wellenförmige Vorgänge ist demnach
v̂x = A1 e−jky1 y + A2 e−jky2 y e−jkx x
v̂y = A3 e−jky1 y + A4 e−jky2 y e−jkx x (3.148)
−jky1 y −jky2 y
−jkx x
p̂ = A5 e + A6 e e .
Setzt man (3.148) in (3.146) ein, so ergeben sich, da die Gleichungen für jedes
x und y erfüllt sein müssen, noch folgende Beziehungen zwischen den vorläufig
unbekannten Größen A1 bis A6 .
A3 ky1 A4 −kx A5 ωρ0 1
= ; = ; = ; A6 = 0.
A1 kx A2 ky2 A1 kx 1 + jωνc20
Die noch verbleibenden Unbekannten A1 und A2 gewinnt man aus den Rand-
bedingungen in der Ebene y = 0. An diesen Stellen muss die Normalkom-
ponente der Flüssigkeitsschnelle gleich der Plattenschnelle sein und die Tan-
gentialkomponente muss - da es sich um ein viskoses Medium handelt - ver-
schwinden. Es gilt also
212 3 Dämpfung
Hierbei ist kP = 2π/λP die Wellenzahl der Plattenschnelle und v̂P ihre Am-
plitude. Setzt man die entsprechenden Gleichungen ein, so folgt wegen kx =
kP
v̂P
vy (x, y) = ky1 ky2 e−jky1 y − kP2 e−jky2 y e−jkp x
ky1 ky2 − kP2
(3.150)
v̂P ky2
p̂(x, y) = e−jky1 y e−jkp x .
1 + jων/c0 ky1 ky2 − kP2
2
Wie man sieht, besteht das Schallfeld vor der schwingenden Platte aus ei-
nem Anteil mit der Wellenzahl ky1 , die eine ähnliche Größenordnung hat wie
die vorgegebene Wellenzahl kP der Platte. Dieser Anteil repräsentiert entwe-
der ein hydrodynamisches Nahfeld oder den ins Fernfeld abgestrahlten Schall
(siehe auch Kap. 6). Der zweite Anteil besitzt die sehr große Wellenzahl ky2 .
Er ist auf die sehr dünne Zähigkeitsgrenzschicht zurückzuführen. Normaler-
weise wird diese Grenzschicht mit einer Dicke von weniger als 10−3 m ver-
nachlässigt. Im vorliegenden Fall muss sie jedoch berücksichtigt werden, weil
die in ihr vorhandenen kleinen Wirbel aufgrund der Viskosität Schwingungs-
energie in Wärme umsetzen und so für die Platte als Energieentzug und damit
als Dämpfung wirken.
Um die Dämpfung zu berechnen, ist es notwendig, die von der schwin-
genden Platte in das umgebende Medium übertragene Leistung zu ermitteln.
Allgemein gilt hierfür
, -
lp lp
1
P = Re {p(x, 0, t)} Re {vy (0, x, t)}dx = Re p̂(x, 0)v̂ ∗y (x, 0)dx .
0 2 0
(3.151)
Da die Plattenwellenlänge λP in allen praktisch interessierenden Fällen we-
sentlich größer ist als die Grenzschichtdicke δ, gilt Re {ky1 } Im {ky2 }. Das
bedeutet, dass der erste Term in (3.151) die als Schall abgestrahlte Energie
darstellt und der zweite Term die in der Zähigkeitsgrenzschicht in Wärme
umgewandelte Energie. Der dritte Term ist unbedeutend.
Den Verlustfaktor erhält man durch Einsetzen von (3.151) in die Definiti-
onsgleichung (3.24), wobei zu berücksichtigen ist, dass die pro Schwingungs-
periode der Dauer T verlorengegangene Energie durch Ev = P · T = 2πP/ω
gegeben ist. Berücksichtigt man außerdem, dass die reversible Energie etwa
3.8 Dämpfung von Fügestellen 213
1
ER = ρh|v̂P2 |lP
2
beträgt, dann folgt
2P
η= . (3.152)
ωρh|v̂P2 |lP
Dabei ist ρ die Materialdichte der schwingenden Platte und h ihre Dicke. Bei
dünnen Blechen ist in den meisten Fällen |ky2
2
|
kP2
ω 2 /c2 . Damit wird
Re {ky1 } = 0 und es verbleibt
einen dem Ausdruck (λP /d)2 proportionalen Faktor größer ist als der Wert
nach (3.153). Das ist auch der Fall, denn die ausführliche Rechnung liefert für
den Verlustfaktor einer Doppelplatte, bei der gas pumping“ der entscheiden-
”
de Verlustmechanismus ist, für den Verlustfaktor
2
ρ0 δ λP
η≈ . (3.154)
ρh 2πd
Bild 3.34 zeigt einige Messbeispiele [3.45], wobei zur Vereinfachung eine Plat-
te fast starr war. Man erkennt den mit der 1,5-fachen Potenz der Frequenz
abnehmenden (weil sowohl δ als auch λP mit ω −1/2 kleiner werden) Ver-
lustfaktor, der gut mit den Rechenwerten übereinstimmt. Bild 3.34 enthält
auch zwei Vergleichsmessungen. Sie zeigen, dass die Luft in der Zwischen-
schicht hauptsächlich für die Dämpfung verantwortlich ist. Gas pumping“
”
ist zwar nicht der einzige, aber der wichtigste Dämpfungsmechanismus von
dünnen Doppelplatten, die sich in Normalenrichtung relativ zueinander bewe-
gen können. Die neben dem gas pumping“ noch vorhandenen Verluste kann
”
man erfassen, indem man eine Doppelplatte als eine Anordnung betrachtet,
die durch viele kleine gedämpfte Kontaktfedern verbunden ist und für die das
bei (3.144) gesagte gilt.
Bei Konstruktionen, die aus relativ dicken Bauteilen bestehen - z.B. Motoren
oder Werkzeugmaschinen -, ist die Bewegung senkrecht zur Fügestellenfläche
meist sehr klein und kann damit auch keine Dämpfung bewirken. In solchen
Fällen ist die tangentiale Relativbewegung entscheidend.
3.8 Dämpfung von Fügestellen 215
Bild 3.34. Gemessene und nach (3.154) berechnete Dämpfung einer 1 mm Alu-
Platte bedämpft durch eine Luftschicht
Falls die Fügestelle mit einer dünnen viskosen Schicht versehen ist (Öl,
Schmutz, etc.), liegt im Prinzip dasselbe Verhalten vor wie bei den in Ab-
schnitt 3.6.2 behandelten Platten mit Mehrschichtbelägen: die verlustbehafte-
te Zwischenschicht wird auf Schub beansprucht und wandelt so einen Teil der
Körperschallenergie in Wärme um. Eine rechnerische Bestimmung des Ver-
lustfaktors ist für harmonische Bewegungen im Prinzip möglich, indem man
die Viskosität durch eine komplexe Schubsteife berücksichtigt. Man macht da-
bei von den Definitionsgleichungen für die Viskosität ν und dem Schubmodul
G Gebrauch und berücksichtigt, dass bei rein sinusförmiger Bewegung
v̂ = jω ξˆ
G = jων. (3.156)
Wendet man diesen Ausdruck auf die Formeln in Abschnitt 3.6.2 an, so muss
man berücksichtigen, dass die Schubsteife bei viskosen Materialien imaginär
216 3 Dämpfung
ist. Man muss also zur Berechnung der Dämpfung durch eine dünne, auf Schub
beanspruchte Schicht folgende Umbenennung in (3.96)-(3.106)) vornehmen:
Setzt man Zahlenwerte ein, so findet man Verlustfaktoren, die umso größer
sind, je kleiner die Zwischenschichtdicke d2 ist.
Relativ verwickelt liegen die Verhältnisse, wenn in der Fügestelle trockene
Reibung vorliegt. Nach dem derzeitigen Stand der Kenntnisse muss man in
solchen Fällen zwei Mechanismen unterscheiden.
a) Wenn die Amplituden der tangentialen Relativbewegung nicht allzu klein
sind (größer als einige μm), also vor allem bei tiefen Frequenzen, kann man
mit dem statischen (Coulombschen) Reibungsgesetz rechnen. Das bedeu-
tet allerdings, dass die Vorgänge nichtlinear sind, weil für Haftreibung und
Gleitreibung unterschiedliche Gesetze gelten. Entsprechende Rechnungen
wurden durchgeführt [3.46]-[3.48] und ergeben die erwarteten, mit wach-
sender Amplitude zunehmenden Verlustfaktoren. Es würde den Rahmen
dieses Buches sprengen die dazugehörigen, ziemlich komplizierten Rech-
nungen hier wiederzugeben.
b) Wenn die Bewegungsamplituden klein sind, wenn es sich also um mittel-
und hochfrequente Schwingungen handelt, zeigen die Messungen fast kei-
G2
= 800(pAD )2/3
d2
gegeben ist, wobei pAD den Anpressdruck in N/mm2 bedeutet und G2 /d2
in N/mm3 angegeben wird. In Bild 3.35 sind einige Messwerte wiedergege-
ben. Erwartungsgemäß nimmt die Zwischenschichtsteife mit wachsendem
Anpressdruck zu. Der Verlustfaktor liegt zwischen 10−2 und 10−1 . Er ver-
ringert sich mit wachsendem Anpressdruck. Innerhalb des im Maschinen-
bau üblichen Bereiches von Rauhigkeiten sind die Zwischenschichtsteifen
und die Verlustfaktoren von trockenen Fügestellen aus Metall bemerkens-
wert ähnlich. Bei Messungen nahm die Fügestellensteife und der Verlust-
faktor bei einer Änderung der (mittleren) Rauhigkeitstiefe von 5 μm auf
40 μm kaum merklich ab.
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