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Oliver Kühschelm

Julius Meinl

Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst

Betritt man das Areal der Zentrale in der Julius-Meinl-Gasse in Hernais, so springen einem
förmlich die liebgewordenen Meinl-Symbolvorstellungen ins Auge: das altehrwürdige
Firmenschild, der devot-freundliche Portier, der gewiss auch die Meinl-Schule absolviert
hat, die Omnipräsenz des Präsidenten, der - wie in den Schulen der Dr. Kirchschläger -
von den Wänden zahlreicher Zimmer lächelt. Die Silhouette des Mohren, langzeit-
konserviertes Symbol aus jener Zeit, da Handel treiben und Kaffee rösten fast eins war,
da der gute Name des Händlers als Garant für die gute Qualität der
Kolonialware aus fernem exotischem Land galt.'

Mit einigen Sätzen skizziert das Branchenmagazin „Regal" 1977 ein Bild der
Firma Meinl, wie wir es auch in unzähligen anderen Zeitungsartikeln, früheren
ebenso wie späteren, finden können. Allerdings will das Blatt die Gültigkeit
„der liebgewordenen Symbolvorstellungen" bestreiten. Die zitierte Stelle wird
nämlich von der Bemerkung eingeleitet: „Die Fassade trügt." In der Folge ver-
sucht „Regal" seine Leserinnen davon zu überzeugen, dass bei Meinl längst ein
neuer Stil gepflogen wird, der alten Klischees nicht mehr entspricht. Doch be-
trachten wir kurz die Merkmale der trügerischen „Fassade": Sie besteht offen-
bar aus Tradition, unterwürfiger Höflichkeit, einem sympathischen Patriar-
chalismus, dem Mohr als Markenzeichen, dem Paradeprodukt Kaffee und dem
Anspruch, hohe Qualität zu bieten. „Regal" entfaltet hier zwar nicht alle Di-
mensionen des Gedächtnisortes Julius Meinl, nennt aber einige wesentliche
Elemente einer Konstruktion, die an vielen Punkten Bezüge zum Diskurs um
die nationale Identität Österreichs herstellt.
Bevor wir uns dem Mythos Meinl zuwenden, werden wir aber die Firmen-
geschichte Revue passieren lassen. Dass sich Meinl als nationales Symbol eta-
blieren konnte, hängt mit dem ungewöhnlichen Erfolg des Unternehmens in der
ersten Jahrhunderthälfte zusammen. Der beeindruckende Aufstieg zum größten
Handelskonzern der Monarchie und ihrer Nachfolgestaaten bildete die Grund-
lage für die Popularisierung eines Bildes, das wir in unserer Studie zu analysie-
ren gedenken. Vermutlich würde dieses aber längst dem „unbewohnten Speicher-
gedächtnis" angehören, wenn es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gelungen
wäre, die Firma weiterzuführen. Da man bis zum Ende des 20. Jahrhunderts in
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weiten Teilen des Landes bei Meinl einkaufen konnte und häufig genug mit
einschlägiger Werbung konfrontiert wurde, gehörte das Unternehmen zum
Alltag vieler Österreicherinnen. Das sicherte ihm einen Platz im kommunikati-
ven Gedächtnis. Zwar kam Julius Meinl nur schlecht mit den Veränderungen
im Lebensmittelhandel zurecht, die sich seit den Fünfzigerjahren vollzogen,
und verlor dadurch nach und nach die einstige dominierende Marktstellung,
doch die Erinnerungsfigur Meinl wurde von diesem Niedergang kaum bedroht:
Die Unfähigkeit zu profitträchtigem Wandel verstärkte nur den Eindruck
von Traditionsgebundenheit, die seit jeher eine Komponente des Firmenimages
war.
Zwischen dem unternehmerischen Erfolg bzw. Misserfolg und der Be-
deutung des lieu de memoire besteht also ein Zusammenhang, aber keine line-
are Korrelation. Mehr noch: Zwar lässt sich der Erinnerungsort Julius Meinl
nicht völlig vom kommerziellen Schicksal der Julius Meinl AG lösen, doch
können wir nicht von einer fixen und unveränderlichen Beziehung sprechen.
Es gibt keine stets gültige Regel, ob und wie sich z.B. gewonnene oder verlore-
ne Marktanteile auf das Bild auswirken müssen, das sich die Menschen von
dem Unternehmen machen. Der Gedächtnisort Meinl ist nicht der Schatten des
Unternehmens und vollzieht daher nicht jede Bewegung desselben getreulich
nach.
Eine Beschreibung des Verhältnisses von Firma und Firmenimage muss
sich folglich davor hüten, in letzterem ausschließlich eine abhängige Variable
zu sehen. Das Gegenteil kann zutreffen. Angemessener erscheint es, von Wech-
selwirkungen auszugehen. Der Fall Meinl ist in dieser Hinsicht sehr instruktiv:
Seit der Jahrhundertwende kreierte das Unternehmen mit Hilfe von Marketing-
strategien ein Image, das zu einer relativ festen Größe wurde - sowohl für die
Konsumentinnen als auch für die Unternehmer. Der Mythos Meinl entzog sich
daher als Gegenstand des kollektiven Gedächtnisses der willkürlichen Steue-
rung durch Werbefachleute - ein Umstand, der dem Unternehmen Meinl in der
Zweiten Republik gehörig zu schaffen machte. Die Geister, die man gerufen
hatte, wurde man nicht nach Wunsch wieder los: Die Versuche, die Firma neu
zu positionieren, scheiterten nicht nur an der Unentschlossenheit der Eigen-
tümer, sondern auch an der Wirkungsmächtigkeit jener Vorstellungen, die sich
für die Österreicherinnen mit dem Begriff „Meinl" verbanden. „Meinl ist
Meinl", konstatierte „Regal" 1975 2 - eine tautologische Formulierung und doch
enorm aussagekräftig: Was Meinl ist, muss nicht expliziert werden. Man weiß
es ohnehin. Darin bestand die Stärke der Firma ebenso wie ihre Schwäche:
Jahrzehnte hindurch war Meinl eben Meinl und konnte auch nichts Anderes
mehr werden.
Julius M e i n l - Patriarchalisch, ( g r o ß ) b ü r g e r l i c h , ö s t e r r e i c h b e w u s s t 45

Die Firmengeschichte

Vom Kaufmannsladen zum internationalen Lebensmittelkonzern


(1862-1945)3

Julius Meinl, Gründer des gleichnamigen Unternehmens, wurde 1824 im nord-


böhmischen Graslitz [Kraslice] geboren. In Prag [Praha] absolvierte er eine
Kaufmannslehre. Sein weiterer Lebensweg führte ihn aber nach Wien, wo er
am 5. April 1862 den entscheidenden Schritt in die Selbstständigkeit wagte: Er
eröffnete am Fleischmarkt ein eigenes Geschäft, in dem er Kaffee verkaufte.
Infolge der Wirtschaftskrise von 1873 geriet sein Unternehmen in Zahlungs-
schwierigkeiten. Er musste mit den Gläubigern einen Ausgleich suchen und
seinen Laden an eine weniger prominente Stelle verlegen. Bis 1879 hatte er die
Schwierigkeiten allerdings überwunden und konnte sich ein größeres Geschäfts-
lokal, wieder am Fleischmarkt (Ecke Laurenzerberg), leisten. Der Aufschwung
des Unternehmens wird gemeinhin auf eine neue Verkaufsidee zurückgeführt:
Julius Meinl bot Kaffee in bereits geröstetem Zustand an. Dadurch ersparte er
seinen Kundinnen eine lästige Arbeit. Außerdem bemühte er sich durch Mi-
schung von Kaffeesorten um gleichbleibende Qualität.
Nach der Konsolidierung in den Achtzigerjahren folgte eine erste Phase
des Ausbaus. 1891 erwarb die Firma in der Neustiftgasse im 7. Bezirk ein fünf-
stöckiges Haus, um Bohnen-, Feigen- und Malzkaffee en gros herstellen zu
können. Ab 1894 beherbergte das Gebäude eine erste Filiale und 1896 wurde
ein weiterer Laden in der Mariahilferstraße eröffnet. Fast jedes Jahr kamen von
nun an Standorte hinzu. 1899 übersiedelte das Stammgeschäft in ein eigens zu
diesem Zweck am Fleischmarkt errichtetes repräsentatives Haus, dem unver-
kennbar bereits die Rolle einer Unternehmenszentrale zugedacht war. Im sel-
ben Jahr tauschte Meinl den Gewerbeschein für den Verschleiß von Zucker und
Kaffee in jenen für Gemischtwaren um, was den Handel mit einem breiteren
Sortiment erlaubte. All diese Veränderungen ergeben zusammen genommen das
Bild einer Neupositionierung des Unternehmens: Man zielte auf Expansion ab.
Treibende Kraft war aber bald nicht mehr Julius I., sondern bereits sein
1869 geborener Sohn Julius II. Dieser trat 1889 als Gehilfe in das Geschäft
ein. 1892 schien er als Prokurist im Handelsregister auf und vier Jahre später
wurde er Gesellschafter des in eine OHG umgewandelten Unternehmens. Juli-
us II. hatte - Zeichen des sozialen Aufstiegs der Familie - eine bessere Ausbil-
dung erhalten als einst der Vater: Dem Besuch eines humanistischen Unter-
gymnasiums und einer Handelsakademie war als Krönung ein Aufenthalt in
London, dem Mekka des modernen Handelskapitalismus, gefolgt. Die Eindrü-
cke, die er hier sammelte, trugen zweifellos dazu bei, dass er sich nicht mit dem
von seinem Vater geschaffenen Wohlstand zufrieden geben wollte.
Bis zum Ersten Weltkrieg konnte Meinl auf dem Weg zum Einzelhandels-
konzern enorme Fortschritte verzeichnen. 1900 besaß das Unternehmen in Wien
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elf Geschäftslokale. Bis 1914 erhöhte sich ihre Zahl auf 44. Schon 1900 hatte
Meinl Filialen in Budapest, Brünn [Brno] und Mährisch Ostrau [Moravskä
Ostrava] gegründet. Damit begann die Expansion in die „Provinz", die bald alle
wichtigen Städte der Monarchie einbezog. Insgesamt besaß Meinl im Jahr des
Kriegsausbruches 115 Filialen. In der Habsburgermonarchie war die Firma die
unangefochtene Nummer eins in ihrem Metier. Ein Blick ins Deutsche Reich
macht uns allerdings mit Handelsunternehmen der Kaffeebranche bekannt, die
unter den Bedingungen einer weiter gediehenen ökonomischen Entwicklung
und eines höheren Urbanisierungsgrads noch weit größere Filialnetze schaffen
konnten. Das exakte Gegenstück zu Meinl bildete Kaiser's Kaffeegeschäft. Das
Unternehmen mit Stammsitz in Viersen, einer Stadt in Nordrhein-Westfalen,
hatte 1885, also rund ein Jahrzehnt vor Meinl, seine erste Filiale eröffnet. 1914
verfügte es über deren 1.420! Kaiser's Kaffeegeschäft übertraf damit andere
deutsche Einzelhandelsketten um ein Vielfaches: Buchthals Kaffeemagazin aus
Dortmund kam „nur" auf 500 Filialen, Emil Tengelmann aus Mühlheim am Rhein
auf 400. Die Ausdehnung ihrer Geschäftstätigkeit war jeweils regional be-
schränkt, Kaiser's Kaffeegeschäft hingegen als einzige Firma in gesamt Deutsch-
land präsent. Sie baute auch, ausgehend von der Kaffeeröstung, einen bedeu-
tenden eigenen Produktionsapparat auf - eine weitere Ähnlichkeit zu Meinl. 4
Da Kaffee durch lange Transportwege an Qualität verlor, schien es dem
Wiener Unternehmen geraten, in zentralen Orten der Monarchie Röstereien zur
Deckung des regionalen Bedarfs einzurichten. Daneben weitete die Firma die
Produktpalette aus. 1900 wandte sie sich erstmals kaffeeverwandten Erzeug-
nissen zu: Sie nahm die Schokoladen- und Kakaoherstellung auf. Einen Quan-
tensprung bedeutete die Errichtung der neuen Unternehmenszentrale. Zu die-
sem Zweck erwarb Julius II. im 16. Bezirk ein 20.000m 2 großes Grundstück,
das sehr verkehrsgünstig an der Vorortelinie lag. Im Jubiläumsjahr 1912 wurde
der riesige Gebäudekomplex fertiggestellt. Hier fanden Lagerung, Versand und
Verwaltung Platz, außerdem die Röstung von Bohnenkaffee, die Malz- und
Feigenkaffeeherstellung, die Marmeladenfabrikation und ab 1913 die Kekser-
zeugung. Einer Unternehmenspolitik, zu der massive Investitionen in die Pro-
duktion gehörten, entsprach es, auch bei der Einfuhr von Rohprodukten aus
Übersee die Abhängigkeit von anderen Firmen zu scheuen. Im September 1900
lief der Dampfer „Preußen" mit der ersten „Meinl-Ladung" Ceylon-Tee in Ham-
burg ein5 und 1912 schuf Julius II. ein eigenes Importbüro in London.
Der Sommer 1914 brachte dem Konzern Aufträge der Armee und generell
die Integration in die Kriegswirtschaft. Julius II., der als Experte für die schwie-
rige Ernährungsfrage galt, glänzte durch Kooperation mit den Behörden. Eine
weit größere Herausforderung musste er einige Jahre später nach dem Zerfall
der Monarchie bewältigen. Wie auch andere Großindustrielle hatte Julius II.
einen leistungsfähigen Produktionsapparat geschaffen, um die Nachfrage eines
Marktes zu befriedigen, der nun zum Gutteil im „Neuausland" lag. „Business
as usual" wurde dadurch verhindert, dass die Nachfolgestaaten der politischen
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Emanzipation die wirtschaftliche hinzufügen wollten. Sie führten hohe Zölle


ein, die den österreichischen Export erschwerten. Während aber z.B. die Fir-
men der Maschinen- und Fahrzeugindustrie für ihre Produkte auf dem stark
verkleinerten Binnenmarkt schwerlich genügend Abnehmerinnen finden konn-
ten, stellte sich für das Unternehmen Julius Meinl, 1919 in eine Aktiengesell-
schaft umgewandelt, die Lage anders dar: Als Alternative zur Belieferung der
Geschäfte jenseits der Grenzen bot sich die stärkere Durchdringung des natio-
nalen Marktes an. Die Gefahr von nutzlosen Überkapazitäten legte die weitere
Expansion des österreichischen Filialnetzes nahe, die bald nach dem Krieg eine
nie gekannte Intensität erreichte. Zwischen 1919 und 1933 richtete Julius II.
pro Jahr durchschnittlich elf bis zwölf Geschäfte auf dem Gebiet der Republik
Österreich ein. Zugleich trieb er die vertikale Integration energisch voran: Das
Spektrum der Eigenerzeugnisse erweiterte er um Essig, Senf, Bonbons, Teig-
waren, Spirituosen, Margarine und anderes mehr. Von 1927 bis 1930 zog Meinl
ein ambitioniertes Rationalisierungsprogramm durch: Die Produktion wurde
durch Fließbandarbeit, neue Maschinen, etc. effizienter gestaltet, der Personal-
stand im Gegenzug um 35 % vermindert.
Julius II. zog sich aber auch nicht aus den Nachfolgestaaten der Monarchie
zurück - ganz im Gegenteil. Er intensivierte sogar sein Engagement, obwohl er
sich einer drastisch veränderten politischen und wirtschaftlichen Situation ge-
genüber sah. Allerdings konnte Meinl durchaus an früher gemachte Erfahrun-
gen anknüpfen. Innerhalb des Habsburgerreiches existierten zwar keine Zoll-
schranken, seit 1867 bestand es aber aus zwei weitgehend von einander unab-
hängigen Staaten. Diesem Umstand trug Meinl Rechnung, als er in die ungari-
sche Reichshälfte expandierte. 1900 rief er die offene Handelsgesellschaft „Meinl
Gyula" mit Sitz in Budapest ins Leben und 1909 fasste er seine ungarischen
Aktivitäten in einer eigenen Aktiengesellschaft zusammen. Nach demselben
Muster verfuhr Julius nach 1918 in den neuen Staaten: Er gründete jeweils na-
tionale Tochterunternehmen und schuf damit die rechtlichen Voraussetzungen
für die Fortführung seiner Geschäfte.
Natürlich genügte das noch nicht. Meinl musste vor allem die Versorgung
seiner Filialen im Ausland auf eine neue Basis stellen. Er versuchte in den Nach-
folgestaaten parallel zueinander dieselbe Produktpalette aufzubauen - eine Stra-
tegie, wie sie in den 1960er-Jahren viele multinationale Konzerne (z.B. Unilever)
bei ihrer Expansion anwenden sollten. 6 Besonders in Ungarn und der Tsche-
choslowakei 7 richtete Meinl zahlreiche Erzeugungsbetriebe ein. In der Tsche-
choslowakei nahm auch das Filialnetz seinen größten Aufschwung. 1918 hielt
man bei 21 Geschäften, 1937 waren es 111. In Ungarn konnte Meinl seine Prä-
senz auf 57 Filialen erhöhen. Wesentlich geringere Bedeutung erlangten die
Tochterunternehmen in Polen, Jugoslawien und Rumänien, die je 28 Geschäfte
ihr eigen nannten. Am wenigsten Erfolg war Meinl in Italien beschieden, wo
die Firma nicht richtig Fuß fassen konnte. Dafür gelang 1927 der Sprung nach
Berlin. In der deutschen Hauptstadt brachte es Meinl immerhin auf 20 Filialen.
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Mit Fug und Recht kann man behaupten, dass Meinl mit den neuen Ver-
hältnissen in Mitteleuropa ausgezeichnet zurechtkam. 1937 war das Unterneh-
men in acht Staaten tätig, verfügte über 493 Filialen und hatte den schon vor
1914 ansehnlichen Produktionsapparat wesentlich ausgebaut. Es beschäftigte
über 3.000 Arbeiterinnen und Angestellte, ca. die Hälfte davon in Österreich.
Allerdings war auch an Meinl die Weltwirtschaftskrise nicht spurlos vorüber-
gegangen. Die Auswirkungen der Depression verschärften sich für den interna-
tional agierenden Handelskonzern noch dadurch, dass Devisenbewirtschaftung
und Kontrolle des Außenhandels das Standardrepertoire der damaligen Wirt-
schaftspolitik bildeten.
In Österreich endete mit dem „Anschluss" für das Unternehmen eine Pha-
se der Stagnation: 1938 und 1939 erhöhte sich erneut die Zahl der Meinl-Filia-
len. Auch die Umsätze stiegen wieder an. Diese Entwicklung setzte sich nach
Kriegsbeginn fort, da Meinl die Wehrmacht belieferte. 8 Überhaupt konnte Meinl
die deutsche Großraumwirtschaft zu einer gewaltigen Expansion nützen: 1943
besaß der Konzern 687 Filialen; das war gegenüber 1937 eine Steigerung um
fast 40%!

Filialen von Julius Meinl 1900-1943

Vom Branchenieader zum Problemfall (1945-2000)

Der Wachstumsschub, den Meinl während der NS-Zeit erlebte, fand ein jähes
Ende. 1945 stand das Unternehmen vor Problemen, die es nicht mehr in ähnlich
eleganter Weise wie nach dem Ersten Weltkrieg lösen konnte. Meinl verlor sei-
nen Besitz in Ungarn, der Tschechoslowakei, Polen, Rumänien und Jugoslawi-
en; aus Berlin zog sich das Unternehmen 1951 zurück. Insgesamt soll der Kon-
zern durch die Umwälzungen infolge des Zweiten Weltkriegs mehr als zwei
Drittel seiner Substanz verloren haben. Es galt nun, wenigstens den österreichi-
schen Besitz des geschrumpften Konzerns zu festigen. Dieses Ziel erreichte
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 49

Meinl. 1968 rangierte die Aktiengesellschaft, gemessen an ihrem Umsatz, an


elfter Stelle aller österreichischen Unternehmen und war nach wie vor die be-
deutendste Handelskette. 9
Geführt wurde das Unternehmen nun bereits von der dritten Meinl-Gene-
ration. Julius II. war 1944 verstorben; ihm folgte sein Sohn nach, der denselben
Namen wie schon sein Vater und sein Großvater trug. Julius III. wurde 1903
geboren, absolvierte das Gymnasium und anschließend eine Kaufmannslehre.
Den letzten Schliff holte er sich wie einst schon Julius II. in England. Ab 1925
fungierte er als Verwaltungsrat des väterlichen Unternehmens in Budapest und
Lemberg [Lvov, Lviv], 1933 avancierte er zum geschäftsführenden Vizepräsi-
denten der Julius Meinl AG, musste diese Funktion aber 1938 aufgeben, da er
nach Großbritannien emigrierte. Erst 1948 kehrte er aus dem Exil zurück und
übernahm das Amt des Aufsichtsratspräsidenten, das er bis 1987 bekleidete. In
der Unternehmenspolitik verfolgte er jene Strategien weiter, die sein Vater ent-
wickelt hatte.

JitliHr Mein! F l i i a i r n

Das Land ein Schnitzel, die Hauptstadt eine Zitronenscheibe, die Filialen
Zitronenstücke (Meinl-Geschäftsbericht 1995)

Die Veränderungen, die als Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt be-
schrieben werden, konfrontierten jedoch die Julius Meinl AG mit neuen Anfor-
derungen, die sie nur schlecht bewältigte, weil sie an überkommenen Erfolgs-
rezepten starr festhielt. Auf diese Weise verspielte sie die dominierende Stel-
lung im Handel mit Kaffee, nachdem 1961 der deutsche Konzern Jacobs in den
österreichischen Markt eingestiegen war. Während Meinl daran festhielt, den
eigenen Kaffee nur in den eigenen Geschäften zu verkaufen, belieferte Jacobs
Supermärkte ebenso wie Diskonter, partizipierte so an deren Wachstum und
überrundete seinen alteingesessenen Konkurrenten. Dennoch rang sich die Fir-
ma Meinl erst 1993 (!) dazu durch, ihre Kaffeeprodukte dem gesamten Handel
zu öffnen. 1 0
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Generell trat Meinl nur sehr ungern und zögernd in Beziehung zur Außen-
welt. Mit großer Ausdauer verfolgte die Firma das Ziel, bei der Versorgung
ihrer Geschäfte möglichst nicht von fremden Produkten abhängig zu sein. Was
man nicht selbst herstellte oder importierte, wollte man nicht verkaufen. Der
„Trend" hat in einem Firmenporträt diese Politik sehr pointiert zusammengefasst:
„Die Hausfrau, die einen halben Liter Milch, zehn Deka Aufschnitt oder Obst
haben wollte, ließ man zunächst leichten Herzens zum billigen Jakob um die
Ecke gehen."" Die Filialleiterinnen aber erkannten die Gefahr für die Attrakti-
vität der Geschäfte. Sie drängten auf Erweiterung des Sortiments und auf seine
Bereicherung durch Markenprodukte.' 2
Die Philosophie hinter der nie ganz überwundenen Fixierung auf die eige-
ne Produktion erklärte die Firmenzeitung „Meinl-Post" 1978 folgendermaßen:
Markenartikel ließen sich zwar leicht verkaufen, aber da sie die Konkurrenz zu
niedrigen Preisen verschleudere, seien nur geringe Spannen möglich. „Bei der
,eigenen' Ware ist dies anders." 13 Allerdings hatte die Sache einen Haken: An-
dere Unternehmen boten vergleichbare Produkte wesentlich günstiger an, auch
wenn man dies bei Meinl als „Verschleuderung" sehen wollte. Lebensmittel-
ketten wie Billa und Spar erzielten auf diese Weise zunehmend höhere Umsät-
ze, die sich letztlich in größeren Profiten niederschlugen. Nach und nach liefen
sie Meinl den Rang ab.
Schon Mitte der 1960er-Jahre hatte die Meinl AG laut „Trend" „ein spür-
bares Absacken der Filialumsätze" verzeichnet. Julius III. visierte seit damals
eine Umstrukturierung an. Einerseits bemühte er sich, das elitäre Image zu be-
wahren: Im Oktober 1967 wurde der „Meinl am Graben" eröffnet, der als Deli-
katessengeschäft das Aushängeschild des Unternehmens werden sollte. Ande-
rerseits wollte Meinl sich auch jene Kundinnen nicht entgehen lassen, die es
weniger exklusiv liebten. Als billigere Anbieter betrieb man daher jene Ge-
schäfte, die nicht unter dem Markenzeichen Meinl firmierten: Dazu gehörten
die Kunz-Filialen, seit 1935 im Besitz des Konzerns, sowie die 1967 erworbene
Dittrich-Kette.
In den Siebzigerjahren versuchte Meinl außerdem den Einstieg in die Welt
der großen Verbrauchermärkte. 1972 öffnete der erste PamPam-Markt in Wien
seine Pforten. Das Sortiment enthielt nicht bloß Lebensmittel, sondern z.B. auch
Elektrogeräte und Möbel. Bis 1996 wurden 41 PamPam-Märkte eingerichtet,
konnten sich aber auf Dauer gegen die Konkurrenz nicht behaupten. Sie gerie-
ten nicht zuletzt durch die Expansion der Karl Wlaschek gehörenden Merkur-
Kette enorm unter Druck. 14 Versuche, einen Relaunch durchzuziehen, fruchte-
ten wenig. PamPam setzte sich zwischen alle Stühle und bot weder Diskont
noch Qualität. 15
Ähnlich erging es Meinl mit dem ab 1979 betriebenen Diskonter „Ren-
ner". Um in diesem Bereich mit seinen sehr niedrigen Margen erfolgreich zu
sein, war die Meinl AG einerseits zu schwerfällig, andererseits konnte sie sich
nicht zu einem eindeutigen Konzept durchringen. Aufschlussreich ist in dieser
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Hinsicht ein Artikel der „Meinl-Post", die Renner als den „Diskonter mit Ni-
veau" feierte. Stolz verwies man darauf, dass Renner zu 2 0 % eine hochqualita-
tive und damit kostenintensivere Sortimentstruktur aufweise. Das Wesen des
Diskonts besteht aber im Angebot einer begrenzten Auswahl von schnelldre-
henden Produkten zu Niedrigpreisen. Renner wurde schließlich 1989 an Spar
verkauft.
Weit erfolgreicher bemühte sich Meinl um eine Rückkehr in jene Länder,
in denen sich nach 1945 kommunistische Regime etabliert hatten. Meinl verlor
seine angestammten Märkte nie völlig aus den Augen. So berichtete die Firmen-
zeitschrift über den „neuen Kontakt mit alten Bekannten" bei der Budapester
Messe des Jahres 1967, an der sich Meinl mit zwei Schauvitrinen und einer
Tonbildvorführung beteiligte. 16 In den frühen Achtzigerjahren begann Meinl
eine Zusammenarbeit mit der ungarischen Lebensmittelkette Csemege, 17 die
nach dem Krieg 45 Meinl-Filialen übernommen hatte. Die Kooperation führte
1989 zur Gründung der Csemege-Julius Meinl AG. Anfangs hielt die Julius Meinl
International AG (JMI), die Holdinggesellschaft für die Engagements im Aus-
land, nur einen Minderheitsanteil an dem Joint Venture, letztlich ging das Un-
ternehmen aber ganz in ihren Besitz über. 1996 verfügte die JMI in Ungarn
über 110 Csemege-Julius Meinl-Geschäfte, 70 Jeee-Diskonter und 5 Cash-and-
carry-Läden für Großverbraucherinnen. 18 Damit hatte man den in der Zwischen-
kriegszeit erreichten Stand bei weitem übertroffen. Der Erfolg beruhte darauf,
dass sich Meinl im Nachbarland zwar nicht als elitär verstand, aber trotzdem
für ungarische Verhältnisse einen hohen Standard bot. Außerdem befand sich
Csemege-Julius Meinl mit 9% Marktanteil 1998 in der Position des Branchen-
leaders, so dass die Markenartikler größeres Interesse als in Österreich zeigten,
gelistet zu werden. Dafür mussten sie aber entsprechende Konditionen bieten. 19
Der revolutionäre Umbruch der Jahre 1989/90 ebnete auch in anderen ehemals
kommunistischen Staaten den Weg für Investitionen der Firma Meinl. Vor al-
lem in Tschechien gelang ein erfolgreicher Neueinstieg. Ende 1995 verfügte
der Konzern hier über 50 Filialen und schon zwei Jahre später hatte er auf 90
Geschäfte aufgestockt. 20 Man bewegte sich also bald wieder in den Größenord-
nungen der Zwischenkriegszeit.
Meinl hatte die Chancen, die sich auf den neuen Märkten boten, in einer
für den behäbigen Konzern unüblichen Schnelligkeit wahrgenommen und konnte
dadurch Profite in einem Ausmaß erzielen, das viele Beobachterinnen über-
raschte. Noch 1990 erwartete die „Wirtschaftspresse" von der Expansion im
einstigen „Ostblock" „wahrscheinlich erst in fernerer Zukunft" Positives für
das Unternehmen.21 Sechs Jahre später bezeichnete dieselbe Zeitschrift die
„Geschäfte in den früheren Kronländern" bereits als „Cash-cow". 22
Recht günstig entwickelte sich für Meinl seit den 1980er-Jahren auch ein
Geschäftsfeld jenseits von Lebensmittelhandel und -produktion: die hauseige-
ne Bank. Ihre Existenz verdankte sie - wie so viele andere Konzernunter-
nehmungen - dem Autarkiestreben der Meinls. Julius II. hatte 1923 den „Spar-
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und Konsumverein der Angestellten und Freunde der Julius Meinl AG" gegrün-
det, um sich durch die zu erwartenden Einlagen günstige Finanzierungsmög-
lichkeiten zu schaffen. Julius III. wiederum kaufte 1969 die Bankkonzession
der Brunner & Co KG. Zehn Jahre später wurden beide Kreditunternehmen zur
Meinl-Bank verschmolzen. 1983 trat Julius V., der in St. Gallen Bankwirtschaft
studiert hatte, als Vorstand in die Bank ein und versuchte mit einigem Erfolg,
sie „von einer Art Sparkasse zu einer Investmentbank mit Vermögensverwal-
tung" 23 umzuwandeln.
Ende der Achtzigerjahre häuften sich Berichte über die Schwierigkeiten,
mit denen Meinl im österreichischen Lebensmittelgeschäft schon seit langem
kämpfte. Man sprach vom „traditionsbeladenen Handelsriesen", der in einer
„Ideologiekrise" stecke, kritisierte die antiquierte Struktur und fehlende Dyna-
mik und verwendete wenig schmeichelhafte Wortschöpfungen wie „Meinl-Le-
thargie", um den Zustand des Unternehmens zu beschreiben. 24
Nachdem sich im Management ein überfälliger Generationswechsel voll-
zogen hatte, versuchte der neue Finanzvorstand Ferdinand Hacker in den
Neunzigerjahren, das bisherige Hochpreis-Image von Meinl abzubauen. Er gab
die Losung aus: Qualität muss nicht teuer sein. In einem Interview konfrontier-
te ihn die „Wirtschaftswoche" allerdings mit der berechtigten Frage, ob Meinl
nicht Gefahr laufe, profillos zu werden, zumal Billa die Werbebotschaft „Qua-
lität zu einem angemessenen Preis" bereits seit Jahren glaubhaft vermittle. 25
Erleichtert wurde die angestrebte Neupositionierung auch dadurch nicht, dass
konzernintern anscheinend keine Klarheit darüber herrschte, welche Richtung
man einschlagen sollte. So beschrieb die Firmenzeitschrift den Mitarbeiterinnen
die neue Strategie, als „Meinl für alle", „der aber trotzdem ganz besonders ex-
klusive Waren anbietet". 26 Das Dilemma des Unternehmens brachte der Chef
einer konkurrierenden Kette auf den Punkt: „Meinl ist immer schon zwischen
zwei Sesseln gesessen: Man geht mit der Meute mit, will aber auch mit Qualität
punkten." 27 Den Bemühungen, die Konsumentinnen von der Preisgünstigkeit
des Einkaufs bei Meinl zu überzeugen, blieb der Erfolg tatsächlich versagt, da-
für lief man Gefahr, die Marke Meinl zu beschädigen. Dass Artikel wie Toilet-
tenpapier mit dem Mohrenkopf versehen wurden, sorgte branchenintern für
Unverständnis, aber eben nicht für höhere Umsätze. In der zweiten Hälfte der
Neunzigerjahre setzte man daher wieder auf eine exklusivere Positionierung
und eine neue Gourmet-Linie.
Um aber betuchte Käuferinnen anzulocken, muss man das entsprechende
Ambiente bieten. Meinl wurde in diesem Punkt seinem Anspruch nicht mehr
gerecht. Der vielgerühmte „Meinl am Graben" und einige andere Filialen gal-
ten als untypisch. Das Bild prägten eher Geschäfte wie jenes am Ring schräg
gegenüber der Oper, das einst zu den Prestigeobjekten des Konzerns gehört
hatte, über das man nun aber in einer Wirtschaftszeitschrift das Urteil lesen
konnte: „abgewohnt und durchweht von einem Hauch Osteuropa". 28 Die Filia-
len von Meinl bedurften indes nicht nur der Renovierung, sondern waren oft
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 53

auch zu klein. Nur 45% der Standorte wiesen 1995 mehr als 450m 2 auf, 29 Su-
permärkte benötigen heute aber eher noch größere Flächen, um eine adäquate
Höhe der Umsätze zu ermöglichen.
In den Neunzigerjahren bewegte sich Meinl auf einer schiefen Ebene. Die
Marktanteile fielen, die Umsätze sanken, die Margen seit dem EU-Beitritt gleich-
falls. Scharfe Rationalisierungschnitte wie der Abbau von 500 Arbeitnehmer-
innen bis 1997 brachten ebenso wenig eine Trendwende wie die Schließung
von unrentablen Filialen und die Einleitung des Rückzugs aus Westösterreich,
wo dem Unternehmen aufgrund der geringen Dichte des Filialnetzes die Belie-
ferung mit Waren zu teuer kam. Wenn man die Probleme von Meinl zu resümie-
ren versucht, so erhält man eine lange Liste: Zu hohe Personalkosten; zu gerin-
ger Umsatz und folglich zu geringe Rentabilität; zu geringe Einkaufsmacht und
daher zu hohe Preise; exklusiver Anspruch und traurige Realität abgetakelter
Filialen; zu kleine Filialen; Interessengegensätze zwischen den eigenen Pro-
duktionsbetrieben und der Handelskette; unklare Strategie in bezug auf die Ei-
genmarken; wiederholt fehlgeschlagener Einstieg in den Diskont.
Die Familie Meinl zog 1998 die Notbremse. Nachdem schon monatelang
einschlägige Gerüchte geschwelt hatten, schlug die Nachricht Ende Juli doch
wie eine Bombe ein: Das gesamte Filialnetz sollte an den Billa-Konzern veräu-
ßert werden, den seinerseits zwei Jahre zuvor das deutsche Handelsunterneh-
men Rewe von Karl Wlaschek erworben hatte. Die Brüsseler Kartellbehörde,
der die Überprüfung von Transaktionen dieser Größenordnung obliegt, geneh-
migte den Verkauf aber nicht im vollen Umfang. Eingedenk ihrer dominanten
Marktstellung durfte die Billa-Kette nur 162 von den 341 Filialen der Meinl-
Gruppe erwerben. Meinl veräußerte in der Folge noch 21 PamPam-Märkte an
Spar und 19 Filialen an Löwa. Für weitere 38 Geschäfte kam bald das Aus. Mit
dem verbleibenden Rest versuchte man einen Neustart.
Meinl, im Massenmarkt gescheitert, erwartete nun von einer Gourmet-Li-
nie höhere Quadratmeterumsätze und Margen. Sie sollte das geschrumpfte Un-
ternehmen in die Gewinnzone zurückbringen. 30 Damit schwenkte Meinl wie-
der auf eine eindeutige Linie ein, nachdem man in der Vergangenheit wider-
sprüchliche Signale an die Konsumentinnen gesendet hatte. Vieles deutete aber
bereits darauf hin, dass Meinl zukünftig im Lebensmittelhandel nicht mehr das
Hauptfeld seiner geschäftlichen Aktivitäten erblicken würde. So trennte sich
die Julius Meinl International AG im Juni 1999 von ihrer ungarischen Kette,
die nach Aussage des Finanzchefs als „Filetstück des Konzerns" zu gelten hat-
te. Neuer Besitzer wurde die belgische Lebensmittelhandelsgruppe Louis
Delhaize.
In Österreich zeichnete sich die Verschiebung des Gewichts vom Handel
auf eine ebenfalls reduzierte Produktion ab. In der Vergangenheit war dem Meinl-
Konzern seine zwiespältige Politik nicht gut bekommen: Einerseits am Bedarf
der eigenen Geschäfte ausgerichtet, hatte er andererseits mit renommierten Pro-
dukten wie Kaffee und Tee am Gesamtmarkt reüssieren wollen. 1989 begann
54 Oliver Kühschelm

mit der Trennung der Fabriken vom Filialgeschäft ein Klärungsprozess, der durch
die Schließung einer Reihe von Erzeugungsbetrieben begleitet wurde und zehn
Jahre später in der Übertragung der Markenrechte an die Produktionsfirma gip-
felte. Außerdem bereinigte man das Sortiment und beseitigte damit die Spuren
der Abwege in den Diskont: 4 0 0 von 6 0 0 Produkten, die bislang unter dem
Namen Meinl firmiert hatten, wurden eliminiert. 31
Im April 2 0 0 0 machte Meinl wieder mit einem „Paukenschlag" von sich
Reden: Die Firma gab alle Filialen mit Ausnahme des „Meinl am Graben" an
den Konkurrenten Spar ab. Der Plan eines (fast) völligen Rückzuges aus dem
österreichischen Lebensmittel-Einzelhandel war endgültig verwirklicht. Heute
besteht das Unternehmen nur noch in profitablen Restbeständen weiter.

Probekochen, Auswahlläden und Meinl-Mohr - Grundzüge von


Werbung und Marketing der Firma Julius Meinl

Die Geschichte der Entwicklung von Meinl zu einem profitablen Industrie- und
Handelskonzern ist zugleich eine Geschichte geschickten Werbens. Das Unter-
nehmen war ein Pionier auf diesem Gebiet, seit Julius II. die Zügel in der Hand
hielt. Die Schaffung eines durchkomponierten Firmenimages bildete ein we-
sentliches Element seiner ehrgeizigen Pläne. Entscheidungen über werbliche
Maßnahmen waren deshalb der Zentrale vorbehalten und das letzte Wort sprach
der Chef selbst. 32
Ab 1926 verfügte Meinl über ein eigenes Werbeatelier. Im selben Jahr trat
der Grafiker Otto Exinger 3 3 in die Dienste der Firma. Er wurde federführend in
der Gestaltung ihres Werbebildes und gab bis in die Fünfzigerjahre sehr erfolg-
reich die Linie vor. Auch nach dem Ende der Ära Exinger, der 1957 verstarb,
stellte Meinl seine Werbemittel selbst her, wie es der generellen Unternehmens-
politik entsprach, die stets auf möglichste Unabhängigkeit von fremden Dienst-
leistungen und Produkten Bedacht nahm. Noch in den Achtzigerjahren verließ
man sich zumindest in der Ausführung nach wie vor auf die hauseigene Abtei-
lung, wenn man auch als Ideenlieferant die Werbeagentur G G K zu Rate zog. 34
Erst im Zuge von Umstrukturierungen im Jahre 1996 gab das Unternehmen sein
grafisches Atelier und sein Fotostudio auf. 35
Das Spektrum an Werbemitteln, die Meinl einsetzte, war schon in der
Zwischenkriegszeit äußerst umfangreich: Neben Zeitungsinseraten betrieb die
Firma eine sehr intensive Plakatwerbung, die sie äußerst effektvoll in Szene zu
setzen wusste. 1931 reservierte das Unternehmen Wiener Anschlagflächen und
ließ sie vorerst einige Tage weiß. Sodann trat Otto Exinger auf den Plan und
malte vor den Augen der Schaulustigen in wenigen Minuten ein Plakat. Meinl
erregte mit dieser Aktion, die in der Presse sehr positiv kommentiert wurde,
einige Aufmerksamkeit. 3 6 Für ein gutes Image der Firma sorgten auch die
Reklamewagen, mit denen die Firma bei sportlichen und karitativen Veranstal-
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 55

tungen Flagge zeigte - und natürlich Kaffee ausschenkte: Ob Eröffnung der


Großglocknerstraße oder Notstandsausspeisung in Wiener Neustadt, ob Fußball-
länderkampf Österreich-Tschechoslowakei oder Sängerfahrt nach Hartberg, die
Meinl-Reklamewagen waren überall mit dabei. 37 Meinl verstand es, jede sich
bietende Gelegenheit für Werbung zu nützen, sodass es keine Übertreibung war,
wenn die Firmenfestschrift von 1962 konstatierte: „Das Haus Julius Meinl ist
heute bis ins kleinste von Werbung durchzogen." 38 Gegenüber dem damals ge-
rade populär werdenden Fernsehen kultivierte man allerdings eine abwartende
Haltung. Bis Mitte der 1960er-Jahre bevorzugte die Firma weiterhin grafische
Werbemittel wie das Plakat. 39
In der Öffentlichkeit war Meinl vor allem auch durch seine Filialen prä-
sent, die von Anfang an sehr bewusst dazu eingesetzt wurden, ein geschlosse-
nes Bild des Unternehmens zu formen. Der frühe Reklamefachmann Hans Kropff
betonte 1913, dass die Werbung der großen Kaufhäuser bereits mit der Archi-
tektur des Hauses beginne und „bis zur Erziehung des letzten Laufburschen"
reiche. 40 Julius II. setzte dieses Konzept nicht nur für ein Geschäft, sondern für
eine ganze Ladenkette um, womit er in Österreich Neuland betrat. Jede Filiale
des Unternehmens sollte die unverwechselbare Corporate Identity der Firma
Meinl ausstrahlen. Man strebte daher eine möglichst einheitliche Fassaden-
gestaltung an, wenngleich das Erscheinungsbild im Laufe der Zeit immer wie-
der modernisiert wurde. Ab den Dreißigerjahren wurde die Fassade mit gelben
Kacheln verfliest, während der Sockel meist in braun gehalten war.41 Dieser
neue Filialtypus hielt sich bis in die Nachkriegszeit. Als zusätzliches Merkmal
kreierte Otto Exinger damals die orange-gelb gestreifte Markise vor den Schau-
fenstern. 42 Jedes Geschäftslokal wurde auch nach demselben Muster eingerich-
tet: Das Zentrum bildete die Stellage mit den Kaffeedosen, die sich unmittelbar
hinter dem Verkaufspult befand. Auf diesem stand eine Balkenwaage aus Mes-
sing, mit deren Hilfe die Verkäuferinnen den Kaffee abwogen. Zum Grund-
inventar zählten weiters eine Wanduhr und ein Porträt des Firmeninhabers. Die
Schaufenster zeigten ebenfalls in allen Filialen das gleiche Bild: Bis in die
Zwanzigerjahre war der Boden mit Rohkaffee bedeckt. Damit wurde symbo-
lisch darauf verwiesen, dass dieses Produkt dem kommerziellen Erfolg von Meinl
zugrunde lag. Den Blick der Betrachterinnen sollten typische Meinl-Waren auf
sich ziehen, die zu Pyramiden, Treppen oder Säulen aufeinander geschichtet
wurden. Die standardisierte Außen- und Innenausstattung wurde durch ein per-
fekt auf Linie gebrachtes Personal ergänzt: Das begann bei der einheitlichen
Arbeitskleidung und ging bis zu ritualisierten Formeln, die im Verkaufsgespräch
ihre Anwendung finden mussten.
Als sich die Firma Meinl um die Jahrhundertwende auf Expansionskurs
begab, konnte sie sich nicht damit begnügen, den Konsum in Richtung der ei-
genen Filialen zu kanalisieren. Sie musste ihn zum Teil erst schaffen, denn da-
mals war man noch längst nicht dazu übergegangen, den gesamten Nahrungs-
bedarf durch den Einkauf in Lebensmittelgeschäften abzudecken. In der vor-
56 Oliver Kühschelm

industriellen Gesellschaft hatte der Haushalt nicht bloß die Aufgabe einer
Rekreationssphäre erfüllt, die ihm das bürgerliche Familienkonzept zuschrei-
ben wollte, sondern mannigfache Produktionsfunktionen wahrgenommen. Die
Substitution einer weitgehenden Selbstversorgung durch die Inanspruchnahme
von Dienstleistungen des Handels war ein allmählicher, von Kriegen und wirt-
schaftlichen Krisen verzögerter Prozess. Seit dem 19. Jahrhundert erfasste er
zuerst die städtischen Oberschichten und erreichte parallel zur Wohlstands-
entwicklung immer weitere Bevölkerungsgruppen, bis er im Gefolge des „Wirt-
schaftswunders" die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit einbezog. Meinl nahm
seit seiner Gründung an dieser Entwicklung aktiv Anteil. Den Aufstieg der Fir-
ma hatte ja die Idee begründet, das Rösten des Kaffees nicht mehr den Konsu-
mentinnen zu überlassen. Als das Unternehmen z.B. 1912 in seiner neuen Zen-
trale die Herstellung von Marmelade begann, war das Einkochen von Obst noch
eine Selbstverständlichkeit. Im Wettbewerb mit der hausgemachten Konkur-
renz kam dem Einsatz von Werbemethoden eine essenzielle Rolle zu: Man lob-
te in Broschüren die Naturechtheit des eigenen Produktes oder ermäßigte des-
sen Preis zu Anfang des Sommers, da dieser Zeitpunkt geeignet schien, die
Hausfrauen davon abzuhalten, selbst Marmelade zu erzeugen. 43
Der Meinl-Konzern hielt sich aber zugute, dass seine Werbung nie „vom
rein verkaufsegoistischen Sinn" beherrscht gewesen sei, sondern immer „eine
künstlerisch lehrreiche oder charmante Note" aufgewiesen habe.44 In die Schau-
fenster legte man Kaffeezweige als Ergänzung zu Messingschalen mit dem ge-
brannten Fertigprodukt, um den Kundinnen dessen Herkunft zu verdeutlichen.
Die Firmenzeitschrift der 1950er-Jahre brachte wiederum häufig Informatio-
nen über ferne Weltgegenden, aus denen Meinl importierte, oder erzählte die
Geschichte von Nahrungsmitteln, wie Kaffee, Tee, Zucker, Reis, etc. In dieser
Tradition stehen noch die Poster, die 2000 exklusive Kundschaft in das reno-
vierte Delikatessengeschäft am Wiener Graben locken sollten. Unter dem Titel
„Edition Meinl am Graben" wurden teure Produkte abgebildet und ihre Beson-
derheiten, ihre Geschichte, etc. erläutert.
Die Firma Meinl wollte nie bloß verkaufen, sondern auch erziehen - oder
präziser gesagt: Für Meinl ging das eine stets mit dem anderen einher. Objekt
dieser Bemühungen waren in erster Linie die Frauen, denen es durch den Kauf
und die richtige Veredelung von Meinl-Waren gelingen sollte, den Ansprüchen
ihrer Ehemänner gerecht zu werden. 1962 informierte eine PR-Beilage zur „Pres-
se" darüber, dass Julius III., der damalige Chef des Hauses, „am liebsten jeder
Kunde einzeln zeigen [würde], wie man Kaffee richtig kocht - die periodischen
Gratiskostproben in den einzelnen Filialen erscheinen ihm beinahe ein noch zu
geringer Ersatzunterricht." 4 5 Schon in den Zwanzigerjahren hatte Meinl
„Hausfrauennachmittage" organisiert und außerdem die „hauswirtschaftliche
Beratungsstelle" eingerichtet, an die sich die besorgte Hausfrau mit Fragen über
„Küche, Haushalt, Einkauf" etc. wenden konnte. Einschlägige Publikationen
begleiteten seit jeher das Engagement.
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 57

Einerseits sah sich der Meinl-Konzern gegenüber den Kundinnen als Er-
ziehungsberechtigter, andererseits - und komplementär dazu - sollten sie mit
devoter Dienstbeflissenheit umgarnt werden. Beiden Konzepten ist gemeinsam,
dass sie das Verhältnis zwischen der Firma und den Konsumentinnen als hierar-
chisch strukturiert betrachten. Meinl repräsentierte eine altmodische Höflich-
keit, die nie das Bewusstsein für Rangordnungen verlor. Das Verkaufsritual kreis-
te um die geheiligte Formel: „Womit kann ich dienen?" Sie entstammt einer
Zeit, als das Verfügen über Dienstboten für das Bürgertum zum guten Ton ge-
hörte und die Umgangsformen noch einen feudalen Geist atmeten. Ein Branchen-
magazin skizzierte 1978 den typischen Meinl-Filialleiter folgendermaßen: „Den
blütenweißen Hemdkragen des Mannes ziert ein exakt sitzendes kaffeebraunes
Mascherl. Von den Lippen fließt ein gekonntes ,Küß die Hand, gnädige Frau,
womit darf ich dienen?'. Sooft nur eine Gnädige das Geschäft verlässt, voll-
führt der Rücken eine Anzahl kleiner, ruckartiger Verbeugungen." 46 Das be-
sondere Service, das eine unverzichtbare Komponente der Werbebotschaft von
Meinl bildete, war in der Zweiten Republik ein liebenswertes Residuum ver-
gangener Zeiten, dessen Anziehungskraft die Firma allerdings überschätzte.
Meinl baute auf eine Stammkundschaft, der - so dachte man - daran lag, sich
von den Verkäuferinnen ihres Vertrauens bedienen zu lassen. Der Lebensmit-
telhandel entwickelte sich jedoch weg vom Greißlerladen und hin zum Super-
markt. Die damit einhergehende Anonymisierung verkraftete Meinl nur schlecht.
Die PR-Beilage von 1962 entwarf das Horrorszenario des modernen Einkaufs:
„In unserer neonbeleuchteten Gegenwart der chromblitzenden Supermarkets,
in der sich die von der Arbeit abgehetzte berufstätige Hausfrau hoffnungslos
zwischen Warengebirgen zu verlaufen droht, hat der Personalmangel den Dienst
am Kunden zum mechanischen Angebot degradiert. , Bediene Dich selbst und
stör uns nicht weiter!'" Meinl hingegen offerierte Geborgenheit. Der Terminus
Selbstbedienung erschien als fluchwürdiges Wort. Man entschied sich daher,
die eigenen Geschäfte, die nach diesem neuen System funktionierten, als „Aus-
wahlläden" zu bezeichnen, „um die mechanisierte Kontaktlosigkeit zwischen
Käufer und Verkäufer wenigstens der Formulierung nach von den gelb-braunen
Portalen fernzuhalten". 47 Die Firma Meinl war in all ihren Auffassungen einer
bürgerlichen Weltanschauung verpflichtet, die mit dem Zeitalter von Massen-
demokratie und Massenkonsum kaum zu Rande kam. 48 Die zunehmende
Individualisierung, die Auflösung von substanziellen Bindungen wollte man
nicht zur Kenntnis nehmen - erst recht nicht, wenn es um die Beziehung von
Verkäuferinnen und Kundinnen ging: Erstere hatten zu bedienen, letztere sich
bedienen zu lassen. Unter dem Druck der Konkurrenz war eine gewisse Anpas-
sung an die geänderten Verhältnisse nicht zu vermeiden, aber auch der „Aus-
wahlladen" sollte die Kundinnen nicht zur Gänze in die schrankenlose Freiheit
des Konsums entlassen. Sie sollten zumindest idealiter unter wohlwollender
Aufsicht der Verkäuferinnen bleiben. Ihnen gedachte man die Rolle zu, den
strauchelnden Irdischen wie Sendboten von Göttervater Julius zu Hilfe zu ei-
58 Oliver Kühschelm

len: „Im Hintergrund stehen sie bereit bis zu dem Augenblick, da eine gequälte
Hausfrau ein wenig hilflos stehen bleibt und sichtlich nicht weiter weiß. Dann
taucht der Meinl-Verkäufer im lichtbraunen Hemd mit der türkisfarbenen Kra-
watte auf [,..]"49
Nicht zufällig baute Meinl bis in die Zwischenkriegszeit auf einen Kunden-
stock, der sich in erster Linie aus dem Bürgertum rekrutierte. Die Firma brachte
daher Zeitungsanzeigen nach Möglichkeit auf den Theaterseiten unter. Damit
trug sie der Bedeutung dieser Institution für das kulturelle Selbstverständnis
des Bürgertums Rechnung. Auch die Plakatwerbung wollte - wie man später
selbst eingestand - nur „eine bestimmte Schichte von Menschen" ansprechen.
So zeigen in der Zwischenkriegszeit affichierte Plakate für den von Meinl her-
gestellten Likör z.B. „eine Parforcereiterin hoch zu Roß" oder einen Mann in
Frack und Zylinder, der mit Kennermiene auf die Flasche mit dem exquisiten
Getränk blickt. 50 Meinl schuf durch seine Werbelinie ein Bild des Unterneh-
mens, das bis in die Gegenwart fortwirkt. 1990 berichtete die „Meinl-Post" zu-
frieden, dass eine Studie ergeben habe: „Für die Kunden steht Meinl vor allem
für (groß-)bürgerliche Lebensart, für ein bißchen Luxus, Verwöhnen und Qua-
lität - eben einfach für ,etwas Besseres'." 51
Ein Hauptmerkmal der Werbung von Meinl war in der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts der Verweis auf den exotischen Charakter der angebotenen
Waren. Die wichtigsten Bestandteile des Repertoires, das die Firma hierbei ein-
setzte, versammelt schon die Fassade des 1898/99 errichteten imposanten Hau-
ses am Wiener Fleischmarkt, das bis 1912 als Unternehmenszentrale dienen
sollte. Ein mehrteiliges Relief zeigt zwei Bildelemente, die in den folgenden
Jahrzehnten in unzähligen Variationen zum Einsatz kamen: 52 das Schiff und die
„Exoten", in diesem Fall die schwarzen Kaffeepflücker.
Als Firmensymbol verwendete Meinl bis nach dem Zweiten Weltkrieg das
Segelschiff. Man sah es im Glasbild über dem Eingang zu der Filiale am Fleisch-
markt ebenso wie als Gütezeichen auf Waren des Unternehmens. 53 Auch viele
Plakate griffen auf das Motiv zurück: Das Schiff am Horizont bildete den Flucht-
punkt der Sehnsucht, die den Produkten von Julius Meinl gelten sollte. Die
zweite dominante Linie der Meinl-Werbung, die mit der ersten vielfach ver-
knüpft wurde, baute auf den exotischen Reiz, der von fremden Kulturen aus-
ging: Mit einer Frau in japanischer Tracht, dazu einer Konifere und der Son-
nenscheibe im Hintergrund warb man für Meinl-Tee; zur Popularisierung des
Meinl-Kaffees zeigte man einen türkisch gekleideten Mann, der in einem Zelt
am Boden sitzend Wasserpfeife rauchte - vor ihm ein kleines Tischchen mit
einer Schale des Getränks.
Dem Kontext von Exotismus und Kolonialismus entstammt auch das er-
folgreichste Symbol des Unternehmens: der Meinl-Mohr. Die deutsche Künst-
lerin Aenne Koken malte das erste Kaffee-Plakat für Meinl, das einen „Moh-
ren" zeigte: Dieser steht zwischen zwei Fässern mit überdimensionalen Kaffee-
bohnen. Jahrzehntelang fand man das Motiv als Relief in den Auslagen aller
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 59

Filialen des Unternehmens. Die Grundform des heutigen Firmenlogos geht aber
auf den bedeutenden Werbegrafiker Joseph Binder zurück. Im Auftrag von Juli-
us Meinl schuf er Verpackungen, malte Plakate und entwarf 1924 den berühm-
ten Meinl-Mohren: Vor einem weißen Hintergrund sehen wir einen schwarzen
Knaben, der einen roten Fez trägt und eine Schale Kaffee zum Mund führt.
Binder nannte seine Schöpfung aufgrund der Kombination aus runder Kopf-
form und langem Fez „das Ausrufezeichen". 54 Die Werbeabteilung von Meinl
unterzog in der Folgezeit die Komposition, die 1961 das Segelschiff als Firmen-
logo ablöste, einigen Veränderungen. Die Umrisse wurden immer runder und
geschwungener, der Stil flächiger und das Bildzeichen insgesamt geschlosse-
ner. Ab 1953 trug der Mohr keinen Ohrring mehr. 1955 wurde sein ehemals
gestreifter Kragen einfarbig rot und vor allem verschwand selbst die Kaffeetas-
se als direkter Hinweis auf das Paradeprodukt von Meinl. 55

Pleinl Kaffee
Der „Meinl-Mohr" von Joseph Binder (1924)

Schon bald nach seiner „Geburt" stand der Meinl-Mohr im Zentrum vieler Werbe-
aktivitäten: In der Zwischenkriegszeit engagierte die Firma z.B. einen Schwarz-
afrikaner, der bei der Veranstaltung von Kaffeekostproben den Meinl-Mohren
zu geben hatte,56 und nach 1945 buhlte das Unternehmen um die Gunst der
Kinder, indem es „Jumei", den kleinen Meinl-Mohren, in Comics Abenteuer
bestehen ließ. Der Mohr wurde auf unzähligen Plakaten in immer wieder neuen
Posen dargestellt und schließlich figurierte er als Star zahlreicher Trickfilme,
60 Oliver Kühschelm

die im Werbefernsehen des ORF liefen. Das Mohrensymbol erfreute sich einer
derart großen Bekanntheit, dass es nicht mehr der Nennung des Markennamens
bedurfte, um eine eindeutige Zuordnung durch die Konsumentinnen zu gewähr-
leisten. So affichierte die Firma 1953 eine volle Tasse Kaffee, auf dessen Ober-
fläche sich das Gesicht des Meinl-Mohren spiegelte. Überschrieben war das
Bild mit dem Ausruf: „Ich bin's!". 57

Ein Plakat von Otto Exinger als Test der Bekanntheit des „Meinl-Mohren"

Auch die Medien machen sich seit langem die Popularität des Firmensymbols
zunutze, indem sie den Mohren als prägnante metonymische Bezeichnung für
das Unternehmen und die Eigentümerfamilie verwenden. Kein Artikel kommt
ohne einschlägige Wortspiele aus, auf denen oft schon die Überschrift basiert.
Besonderer Beliebtheit erfreute sich die Abwandlung eines Zitates von Schil-
ler: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan." Auch über die Repräsentation
der Firma hinausgehend gehört das Markenzeichen fest zum Inventar jener Bil-
der, die im kollektiven Gedächtnis der Österreicherinnen gespeichert sind. Der
Meinl-Mohr gilt als „urösterreichisches Emblem", wie das „Industriemagazin"
schrieb. 58
Jedoch fragt man sich, warum der Meinl-Mohr als „urösterreichisch" er-
scheint, wenn andererseits Menschen mit dunkler Hautfarbe von den Öster-
reicherlnnnen kaum als „echte" Landsleute akzeptiert werden, mögen sie auch
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 61

noch so lange die entsprechende Staatsbürgerschaft besitzen? Das Unterneh-


men selbst versuchte sich den Erfolg seines Signets damit zu erklären, dass der
Meinl-Mohr in Wahrheit weder ein „Neger" sei, wie seine Hautfarbe andeutet,
noch ein Türke, wie man aufgrund des Fez annehmen könnte. Als Ergebnis des
konstanten Faceliftings, das den Meinl-Mohren aller negroiden Züge entledig-
te, sei dieser zu einem „wienerischen Mohrenkind" geworden: „bunt, wie Kin-
der es so gern haben, mit lustigen Augen und kleiner Stupsnase". 59 Wie nahe
Exotismus und Rassismus auch im Fall des Meinl-Mohren beieinander liegen,
zeigt die folgende Formulierung schlagend auf: „Otto Exinger ersetzte 1935
den Negerkopf durch ein charmantes, europäisiertes Kinderprofil. Der Mohr
wurde liebenswürdiger gemacht und vermenschlicht." 60 Als „Neger" hatte das
Symbol offenbar nicht ausreichend menschlichen Charakter. Das scheinbar
harmlose Markenzeichen fußt auf einer langen Tradition, dunkelhäutige Men-
schen der Natur zuzuordnen, während der Bereich der Kultur den Weißen vor-
behalten wurde. Die Verbindung aus dunkler Farbe, die an jene des Kaffees
gemahnte, und dem Stereotyp vom Schwarzen als Diener des weißen Mannes
helfen die Wirksamkeit des Symbols zu verstehen. Um nicht durch einen realis-
tisch gezeichneten Schwarzen negative Emotionen zu wecken, verwandelte man
ihn außerdem gemäß dem Kindchenschema.
Der Meinl-Mohr ist nur eines von zahlreichen Beispielen der Verwendung
von Schwarzen als Markenzeichen der Nahrungsmittelindustrie. In den USA
wirbt „Aunt Jemima" seit einem Jahrhundert für Pfannkuchenpulver. Die Mar-
ke, seit 1925 im Besitz der Quaker Oats Company, wurde für die haushalts-
praktischen wie symbolischen Bedürfnisse von weißen Konsumentinnen kon-
zipiert. 61 Ein noch engerer Verwandter des Meinl-Mohren ist die Schutzmarke
der Sarotti Chocoladen- und Cacao-Aktiengesellschaft aus Berlin. 1918 ließ sie
drei Mohren mit Tablett als neues Signet eintragen und 1922 einen Mohren-
knaben. Im Unterschied zu seinem Wiener Gegenstück trägt er keinen Fez, son-
dern einen Turban. Das galt auch für die Mohrenfigur, die mehrere Jahrzehnte
lang für Eigenmarken der österreichischen Konsumgenossenschaften verwen-
det wurde: Der Mohr, dessen Turban ein Halbmond zierte, saß mit verschränk-
ten Beinen, eine Kaffeetasse in der Hand und lachte den Käuferinnen entgegen.
Die Konsumgenossenschaften traten mit ihrer Kaffeeproduktion unter ande-
rem in Konkurrenz zu Meinl - eine Situation, die sich in den Markenzeichen
spiegelte.
Angesichts einer gestiegenen Sensibilität für rassistische Stereotypen for-
dern Signets wie der Meinl-Mohr Kritik heraus. Georg Hoffmann-Ostenhof
meinte 1996 im „Profil": Die Negerküsse, Mohren im Hemd, etc. hätten ihre
Unschuld längst verloren. Er kam zu dem Schluss: „Höchste Zeit, daß Julius
Meinl ein neues Emblem sucht. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der
Mohr kann gehen." 62 Bei Meinl dachte man aber nicht daran, auf das einge-
führte Firmensymbol zu verzichten. 1998 lautete der Slogan einer Kampagne,
die für Kaffee, Marmelade und Konfitüre warb: „Der Mohr bleibt." Für ein
62 Oliver Kühschelm

2002 in Chicago eröffnetes Kaffeehaus gab man freilich dem Mohren zumin-
dest ein goldfarbenes Antlitz, denn wie - Thomas Meinl erklärte - in den USA
müsse man aufgrund besonderer Sensibilitäten „mit einem schwarzen Mohren-
gesicht sehr aufpassen". 63
Generell zehrt das Unternehmen bis in die Gegenwart von der Prägnanz,
durch die sich seine Werbung in der Zwischenkriegszeit ausgezeichnet hatte.
Im Herbst 1983 z.B. wurden für die Kampagne „Meinl-Corso" alte Plakate der
Firma auf die Größe von Sammelmarken verkleinert und auf allen Viertelkilo-
Packungen Meinl-Kaffee angebracht. Außerdem entwarf man eine passende
Sammelkarte: Sie zeigte eine nostalgische Straßenszene mit sechs leeren An-
schlagflächen, die zum Aufkleben der Miniaturplakate aufforderten. 64 Die al-
ten Werbesujets gewannen in der Folge derart an Beliebtheit, dass Meinl sie als
Poster neu auflegte, die mittlerweile auch über das Internet feilgeboten werden.
Die Firma verwendete nicht nur alte Slogans in späteren Kampagnen als Prätexte
oder griff auf gut eingeführte Symbole und Sujets zurück - beides gängige Phä-
nomene sondern sie steigerte den Selbstbezug bis zu dem Punkt, an dem die
eigene Werbung früherer Zeiten ins Zentrum der aktuellen Werbebotschaft rück-
te. Dass sich Meinl das erlauben konnte, verweist nicht nur auf Markenqualität,
sondern auch auf die Rolle der Firma als Erinnerungsort.

Julius Meinl - Symbolinhalte

Meinl und die (Re)Konstruktion des Österreichischen in der Nachkriegs-


zeit

„Meinl ist ein Stück Österreich", lautet der Zwischentitel in einer Public Re-
lations Beilage zu einer Ausgabe der „Salzburger Nachrichten" aus dem Jahre
1990. „Meinl ist ein Stück Österreich", meint auch Georg Markus in der „Kronen-
zeitung" 1998.65 Selbst- und Fremdbild des Unternehmens stimmen in diesem
zentralen Punkt überein - und nicht erst seit den 1990er-Jahren. Dafür lassen
sich zahlreiche Belege anführen, die uns in die Frühzeit der Zweiten Republik
zurückführen, als sich Österreich als Staatsnation neu konstituierte.
Das erste Beispiel entstammt einer Satire von Helmut Qualtinger und Carl
Merz aus dem „Neuen Kurier" vom 23. April 1955. Sie erschien in ihrer kurz
zuvor eingerichteten allwöchentlichen Kolumne „Blattl vor'm Mund". 66 Der
Text nimmt Bezug auf den Staatsvertrag, denn kurz zuvor hat die österreichi-
sche Delegation in Moskau die entscheidende Zusage erhalten. Er ist betitelt:
„Die Befreiung der UdSSR und der USA". Entworfen wird eine verkehrte Welt,
in der Österreich als Besatzer aufscheint, während die beiden Siegermächte und
Hauptkontrahenten des Kalten Krieges über ihre wiedergewonnene Freiheit ju-
beln. Die folgende Passage skizziert das Bild der von Österreich besetzten USA
in einer Reihe von Sätzen, die im Stil von Zeitungsschlagzeilen gehalten sind:
Julius M e i n l - Patriarchalisch, ( g r o ß ) b ü r g e r l i c h , ö s t e r r e i c h b e w u s s t 63

„Das dämonische ,Naa!' des österreichischen Außenministers blieb zum


erstenmal ungesprochen! ... Die Lohner-Roller der österreichischen Militärpo-
lizei verschwinden aus dem New Yorker Stadtbild ... Die österreichischen Be-
satzungstruppen werden mit dem Persil-Hubschrauber evakuiert... ÖROP-Tank-
stellen aufgelassen! Endlich wieder amerikanisches Benzin! ... Kaiserfilmflut
gestoppt! Kein jugendlicher Krimineller kann sich mehr auf K.u.K.-Filme aus-
reden! ... An allen Straßenwänden prangt die Aufschrift: Sandler go home! ...
.Wieners Digest' stellt Erscheinen ein ... Meinl-Mohr bleibt Wahrzeichen von
New Orleans ... das ,Österreichhaus' im Empire-State-Building ist weiterhin
für jeden Parteienverkehr gesperrt..."
Die Sätze lassen sich als eine Serie, ein Paradigma von Österreich-Bildern
lesen, die in Entsprechung zu USA- und Sowjetunion-Klischees gesetzt sind.
Der Meinl-Mohr, real das Warenzeichen einer Firma, taucht hier als das Wahr-
zeichen von New Orleans auf. Qualtinger und Merz verwenden ihn somit als
eines der Symbole für einen fiktiven österreichischen Konsum- und Kultur-
imperialismus. Das dokumentiert die Position von Meinl als Unternehmen, dem
ein typisch österreichischer (und wienerischer) Charakter zugeschrieben wird,
weshalb es sich als Element der satirischen Auseinandersetzung mit dem Staats-
vertrag anbot. Dieser wurde ja erfolgreich als identitätsstiftendes Ereignis der
Zweiten Republik inszeniert, als politische Grundlage für ein selbstbewusstes
Österreichertum oder - anders formuliert - als politisches Gefäß, das mit natio-
naler Substanz aufgefüllt werden musste. Dabei konnte eben unter anderem Sissi-
Filmen, Lohner-Rollern und dem Meinl-Mohr eine mehr oder minder wichtige
Funktion zuwachsen.
Meinl eignete sich, um für die (Re-)Konstruktion des Österreichischen in
Dienst genommen zu werden. Eine Ende 1949 begonnene Serie in der „Wiener
Wochenausgabe", 67 die in sechs Folgen die Biographien von Julius II. und sei-
nem Vater erzählt, zielt unverkennbar auf die Festigung von Nationalstolz ab.
Ihr Titel lautet: „Julius der Österreicher". Er bezieht sich primär auf Julius II.,
aber die referenzielle Undeutlichkeit, die sich aus der zwischen dem Firmen-
gründer und seinem Nachfolger bestehenden Namensgleichheit ergibt, steht in
Einklang mit der Absicht, zwei historische Persönlichkeiten zu einer mythi-
schen Figur des Österreichers zusammenzufassen. Die Verwendung des bestimm-
ten Artikels unterstreicht die Funktion von Julius als positiver Held, als Inte-
grationsmodell: Nicht um irgendeinen Österreicher sollte es gehen, sondern um
den Österreicher. Bezeichnenderweise erwähnt der Serientitel auch nicht, dass
es sich bei Julius um einen Unternehmer handelt. Sein Österreichertum ist das
übergeordnete Allgemeine, dem das Unternehmertum nachgeordnet erscheint.
Erst der Untertitel von Folge eins bezieht sich daher auf die konkrete Tätigkeit
von Julius: „Das Werden einer Weltfirma - vom Wiener Fleischmarkt über ganz
Europa". Das Faktum, dass der Firma Meinl ein bemerkenswerter kommerziel-
ler Aufstieg gelang, wird in eine Form gegossen, die ihm die Qualität eines
nationalen Mythos verleihen soll: Julius schuf eine „Weltfirma", indem er von
64 Oliver K ü h s c h e l m

Wien ausging. Welt - Wien - Europa sind die Koordinaten, den Mittelpunkt
bildet nicht zufällig die österreichische Hauptstadt.
Besonders deutlich manifestiert sich die im Titel angekündigte Absicht ei-
ner Inszenierung von Österreichertum in der ausgedehnten Schilderung eines
Disputs zwischen Julius I. und seinem Sohn: 68 Dieser äußert den Wunsch,
nach Brasilien zu gehen, um sich dort selbstständig eine Existenz aufzubauen.
Julius I. warnt ihn vor einem solchen Schritt, den er mit einer Desertion gleich-
setzt: „Man rennt nicht aus dem Vaterland fort, wenn man ein Österreicher ist."
Julius II. lässt sich jedoch von seinem Plan nicht abbringen, die Situation
spitzt sich zu: „Jetzt und jetzt kann es, muß es zum Bruch kommen." In diesem
Moment tritt die Schwester von Julius II. als dea ex machina auf. Gemäß
dem traditionellen Rollenmuster fällt ihr die Aufgabe zu, zwischen Vater und
Sohn, beide männlich stur, zu vermitteln. Selbstverständlich gelingt es ihr,
die Versöhnung einzuleiten. Julius II. bleibt und steigt als Juniorchef in die
Firma ein.
Der Disput spielt im Gesamtzusammenhang der Serie über die Meinls nicht
bloß eine anekdotische Rolle, sondern die „erste und einzige harte Ausein-
andersetzung zwischen Vater und Sohn" wird zu einem Wendepunkt erhoben:
Indem sich Julius II. für Heimat und Familie entscheidet, sind die Würfel ge-
fallen. Ein glänzender Aufstieg beginnt. Die Schilderung legt als mythische
Erzählung den Leserinnen Heroen ans Herz. Wenn wir uns vor Augen halten,
dass die Artikelserie der unmittelbaren Nachkriegszeit entstammt, können wir
die allegorische Bedeutung der Streitszene weiter konkretisieren. Das Verhal-
ten von Julius II. lässt sich als Verweis auf den Wiederaufbauwillen der Öster-
reicherinnen interpretieren. Einerseits mag man darin die indirekte Berüh-
mung der heimattreuen Österreicherinnen (im Unterschied zu den fahnenflüch-
tigen Emigrantinnen) sehen, andererseits auch eine Handlungsaufforderung:
es dem vorbildlichen Julius gleichzutun.
Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob die Passage vielleicht auf einer
Familienüberlieferung basiert. Aber selbst wenn die „Wochenausgabe" auf In-
formationen zurückgegriffen haben sollte, die uns nicht zugänglich sind, dien-
ten ihr diese nur als Vorwand, um die Treue zu Familie und Heimat als zentrale
Werte vorzuführen. Insgesamt gilt für die Serie: Die Geschichte der Meinls und
ihres Unternehmens stellt bloß ein Material zur Verfügung, das die Grundlage
für Botschaften über den mustergültigen Österreicher abgibt und sogar nach
Bedarf ergänzt werden kann. Die Schaffung eines stimmigen Bildes genießt
Vorrang gegenüber einem sorgsamen Umgang mit Fakten. Daher wird auch die
Etablierung des Mohrenkopfs als Markenzeichen fälschlicherweise auf die Zeit
um 1865 vordatiert. Auf diese Weise erhält das Erscheinungsbild, das die Firma
Meinl in der Gegenwart der Jahre 1949/50 bietet, die Würde hohen Alters. Das
Verfahren erinnert an mittelalterliche Heiligenviten, deren Verfasser sich durch-
aus nicht an Quellen und Überlieferung gebunden fühlten, da Heiligkeit mit
einem relativ festen Inventar an Wundern und anderen typischen Taten in Ver-
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 65

bindung gebracht wurde. Der nationalistische Diskurs charakterisiert sich aber


durch eine quasi-religiöse Disposition.
Das Auftauchen des „Meinl-Mohren" in der Kolumne „Blattl vor'm Mund"
und die Darstellung von Julius I. und Julius II. als ideale Österreicher in der
„Wochenausgabe" bezeugen, dass die Firma und ihre Eigentümer bereits in den
frühen Jahren der Zweiten Republik feste Bestandteile des kulturellen Gedächt-
nisses der Österreicherinnen bildeten. Mit der Wahrnehmung von Meinl, die
sich durch dichte Bezüge zu Österreich auszeichnete, korrespondierte die kon-
sequente Arbeit der Firma an ihrem patriotischen Image. Das Unternehmen,
das selbst schon eine mit Österreich und speziell Wien verbundene Erinnerungs-
figur war, suchte in dem Bild, das es nach außen vermittelte, den Anschluss an
andere österreichische Gedächtnisorte, die, wollte man eine Skala erstellen, ei-
nen übergeordneten Rang einnehmen würden. Diese Strategie fand z.B. in den
Titelbildern der Firmenzeitung „Meinl-Post" ihren Ausdruck. Betrachten wir
die 55 Ausgaben von Nummer 30/1955 bis 84/1962, so treffen wir auf Abbil-
dungen von Hafenanlagen in fernen Ländern, Reproduktionen von Werken be-
rühmter Künstler, Fotos des Weinkellers von Meinl oder der Ringfiliale. Über
ein Viertel der Sujets (genau 29%) signalisieren aber vor allem eines: Öster-
reich. Das Schwergewicht ruht eindeutig auf Wien, das sich uns auf 11 von 16
Abbildungen darbietet. Die Firmenzeitschrift zierten in dem von uns erfassten
Zeitraum unter anderem eine alte Ansicht von Grinzing, eine Aufnahme der
Liliputbahn im Prater und Fotografien von Denkmälern der imperialen Vergan-
genheit, wie der Schlossanlagen Belvedere und Schönbrunn, die je zweimal
abgebildet wurden, sowie des Stephansdoms. Der Staatsoper als einer der heili-
gen Orte der Kulturnation gedachte man 1951 und 1955, dem Jahr ihrer Wie-
dereröffnung.

M e i n l - P o s i

Österreichische Symbole auf dem Titelblatt der Firmenzeitung, hier das Belvedere
66 Oliver Kühschelm

Das Titelbild einer Ausgabe von 1956 will Österreich in seiner Gesamtheit
darstellen: Es zeigt uns einen Gobelin, der im Konferenzsaal der Meinl-Zentra-
le in Wien hing und nach einer Idee von Julius III. ausgeführt wurde. Sein The-
ma: „Eine Allegorie auf Österreich". Diese wurde im beigefügten Text folgen-
dermaßen entschlüsselt: „Das Lebenselement Wasser, im Hochgebirge noch
Schnee und Eis, findet den Weg durch Quellen und Bäche zum großen Strom.
Der monumentale Bau an seinen Ufern repräsentiert das für Österreich charak-
teristische Barock. In der ornamentalen Umrahmung ist die Wirtschaft in ihren
vielen Verzweigungen in verschiedenen Emblemen bildhaft zum Ausdruck ge-
bracht." Die Darstellung ist in mehrerer Hinsicht charakteristisch für ihre Ent-
stehungszeit: Gerade in den Jahren nach 1945 berief man sich auf das Barock
als „lebendiges Geheimnis" des Österreichischen, zog man Parallelen zwischen
dieser Blütezeit der Habsburgermonarchie und der Zweiten Republik. Beide
wollte man als Produkt einer „Überwindung von Todesnot, Seelenangst und der
Gefahr einer Übermachtung durch das Fremde" ansehen, wie es Ernst Marboe
in seinem 1948 publizierten Österreich-Buch formulierte. 69 Auf die Ära des
Wiederaufbaus verweist außerdem das unproblematische Nebeneinander von
Natur und Technik. In der Bordüre erkennt man eine E-Lok, Utensilien des
Weinbaus, einen Traktor, Strommasten, Frachtschiffe, etc. Diese Symbole des
ökonomischen und technischen Fortschritts empfindet man offensichtlich
nicht als unvereinbar mit der Darstellung erhabener Gebirgszüge und eines mäch-
tigen Stromes, sondern als ihre notwendige Ergänzung. Allerdings wird zwi-
schen schöner Landschaft und Technik penibel ein Trennstrich gezogen. Erste-
re nimmt das Bildfeld selbst ein, zweitere ist nur die Umrahmung. Obwohl real
die Veränderung und Zerstörung der Natur in der Nachkriegszeit durch den Wirt-
schaftsaufschwung eine neue Qualität erreicht, wird die unberührte Landschaft
als Kern des Österreichischen präsentiert. Im Zentrum dieses nationalen Idylls
hat nur ein dem Stift Melk nachempfundener Barockbau Platz, der durch die
Würde des Alters nicht mehr als Fremdkörper gilt. Die (technologische) Mo-
derne, die uns in der Bordüre entgegentritt, erscheint nicht als zur Substanz des
Österreichischen gehörend. Wenn man den bei Meinl hängenden Gobelin als
aussagekräftigen Hinweis auf die Struktur der nationalen Identität nimmt, so
bietet er auch eine Erklärung dafür, weshalb seit den Siebzigerjahren techni-
sche und wirtschaftliche Leistungen als Objekte nationalen Stolzes an Bedeu-
tung verlieren konnten.
In der Firmenzeitschrift spielte also die Inszenierung Österreichs eine we-
sentliche Rolle. Für den patriotischen Kurs, der zur Unternehmenskultur der
Julius Meinl AG gehörte, ließen sich noch viele andere Beispiele finden, die
weit über die Nachkriegszeit hinausreichen. Wir wollen aber an diesem Punkt
abbrechen und die Perspektive verändern: Statt von einer bestimmten Zeitperiode
auszugehen, soll unser Interesse nun einzelnen Inhalten gelten, mit denen sich
Meinl in einen nationalen Rahmen stellt bzw. auch gestellt wird. Chronologi-
sche Gesichtspunkte werden dennoch zwangsläufig einfließen: Zu jenen Inhal-
Julius M e i n l - Patriarchalisch, ( g r o ß ) b ü r g e r l i c h , ö s t e r r e i c h b e w u s s t 67

ten, die erklären, warum Meinl sich als österreichischer Gedächtnisort etablie-
ren konnte, gehört z.B. die Bezugnahme auf die Zeit der Monarchie. Außerdem
verlangt die Beschäftigung mit dem Traditionsbewusstsein, das in der Zweiten
Republik das Image von Meinl prägt, die Berücksichtigung der Zwischenkriegs-
zeit, als der Firmenname Meinl nicht für Schwerfälligkeit, sondern für unter-
nehmerische Dynamik stand.

Die Firma als absolute Monarchie

Ein auffälliges Merkmal von Zeitungsberichten über die Julius Meinl AG ist
die Häufigkeit der metaphorischen Verwendung von Ausdrücken aus dem Be-
reich monarchischer Herrschaft: Der Unternehmer wird als König oder Herr-
scher tituliert, seine Mitarbeiterinnen als Untertanen, sein Sohn als Kronprinz,
die Familie als Dynastie, ihre Firma als Imperium, Reich oder „Meinl-Staat".
Geschäftliche Verbindungen werden als Mesalliance oder standesgemäße Ehe
gewertet, die Nachfolge mit der Phrase „das Zepter übernehmen" umschrieben
und der Führungsstil als feudal etikettiert.
In diesem Sprachgebrauch spiegelt sich die Wahrnehmung des unbestreit-
baren Faktums, dass die Firma Meinl über viele Jahrzehnte das perfekte Bei-
spiel einer patriarchalischen Unternehmenskultur darstellte. Vorbild dieses
Modells ist der absolutistische Staat. So wie die Donaumonarchie trotz konsti-
tutioneller Reformen im Grunde das Herrschaftsgebiet des Hauses Habsburg
blieb, so unterstand die Firma Meinl schlicht dem Haus Meinl, selbst nachdem
sich Julius II. für die „konstitutionelle" Form einer Aktiengesellschaft ent-
schieden hatte. Mit seinem paternalistischen Führungsmodell bildete Meinl
selbst im Österreich der Zweiten Republik keine Ausnahmeerscheinung. Das
erklärt sich aus Besonderheiten der österreichischen Wirtschaftsgeschichte des
20. Jahrhunderts: Als nach dem Ersten Weltkrieg modernere Management-
konzeptionen aufkamen, durchlebte Österreich eine krisenhafte Phase, in der
nur wenige Unternehmen gegründet wurden. Der Einfluss von „rationalen"
Führungsmodellen, die sich vor allem in den USA durchsetzten, blieb daher
gering. Nach 1945 hielten zwar auch hierzulande neue Managementtechniken
Einzug, jedoch gingen viele alteingesessene Familienunternehmen nicht von
ihren überkommenen Konzeptionen ab. Erst nach Ende des Booms der Nach-
kriegszeit sahen sich auch diese Firmen vermehrt zum Bruch mit ihrer traditio-
nellen Unternehmenskultur veranlasst. Meinl machte allerdings unter Julius III.
kaum Anstalten zu Veränderung. Diesem Umstand kommt für die Frage nach
der Firma Meinl als Gedächtnisort einige Bedeutung zu: In ihrem Buch über
„Unternehmenskultur in Österreich" weisen Dieter Stiefel und Herbert Matis
darauf hin, dass es gerade die patriarchalisch geführten Unternehmen seien, die
gemeinhin als typisch österreichisch gelten.70
Nominell war Julius III. zwar bloß Vorsitzender des Aufsichtsrates, hatte
also nur eine kontrollierende Funktion inne, während der Vorstand die Geschäf-
68 Oliver Kühschelm

te führen sollte. De facto behielt sich der Enkel des Firmengründers jedoch alle
wichtigen Entscheidungen vor - und oft auch die unwichtigen. Dem „Trend"
klagte ein Prokurist: „Der Alte kümmert sich manchmal auch um die Arbeits-
mäntel der Lehrlinge." Der Herrscher liebte folglich keine starken Persönlich-
keiten in seiner Umgebung. Ein Manager bei Meinl musste weniger über Durch-
schlagskraft und Entscheidungsfreude als über diplomatische Fähigkeiten ver-
fügen. Julius III. ließ sich in seiner Allgewalt auch nicht durch gesetzliche Be-
stimmungen einschränken, die Arbeitnehmerinnen oder Aktionärinnen Ein-
flussmöglichkeiten geben sollten: Die Vorstellung, dass andere mitreden oder
von ihm Rechenschaft fordern könnten, erschien ihm absurd genug, dass er
humorig meinte: „Ich bin gar nicht gegen die Mitbestimmung. Jetzt kann ich
endlich auch mitbestimmen." 71 Die jährliche Hauptversammlung der Aktien-
gesellschaft war eine Farce, denn gegenüber der Öffentlichkeit geizte Meinl
aus Prinzip mit Informationen.
Da sich bei der Firma Meinl die gesamte Macht auf den Eigentümerunter-
nehmer konzentrierte, stand dieser im Mittelpunkt eines ausgefeilten Herr-
scherkultes. Die Repräsentation von Julius III. baute im Sinne einer Sakra-
lisierung der Macht einen unüberbrückbaren Abstand zu allem Irdischen auf.
Julius III. erhob den Anspruch, sich nicht um die kleinlichen Probleme des Tages-
geschäftes kümmern zu müssen, wenngleich sein uneingeschränktes Durchgriffs-
recht in jeder Frage, selbst der geringsten, außer Z w e i f e l zu stehen hatte. Als
Aufsichtsratsvorsitzender wollte er aber vor allem über die prinzipielle Einhal-
tung der ehernen Meinl-Gebote wachen: „Er unterschreibt keine Briefe - das
machen die Abteilungsleiter. Er führt auch keine Telephongespräche - das heißt:
Er ist am Telephon nicht zu sprechen, man wird nicht mit ihm verbunden, und
er telephoniert nur, wenn er jemanden sprechen will." 7 2 Die Chefsekretärin war
daher nicht schlicht eine Angestellte, sondern jene Priesterin, deren „heiligste
Funktion" darin bestand, über den Zugang ins Herz des Tempels, des Büros von
Julius III., zu wachen. Sie allein betätigte den Druckknopf der elektrischen Tür,
die außen keine Klinke hatte, damit kein Unberufener Julius III. stören konn-
te.73 Von den Angestellten erwartete man nicht vergebens gebührende Ehrfurcht.
„Die Familie Meinl wird von den Mitarbeitern des Hauses verehrt wie sonst nur
noch Monarchen von wohlgesonnenen Untertanen", konstatierte die „Wirt-
schaftswoche" 1991.74
Die Distanz, die Julius III. von allen seinen Untertaninnen trennte, bedeu-
tete nicht Abwesenheit. Die Firmenschriften versuchten stets den Eindruck zu
vermitteln, dass Meinl gottgleich der Welt entrückt und doch in allen Dingen
gegenwärtig sei. Die mehrseitige PR-Beilage von 1962 versichert: Wer eine der
Filialen betrete und von einem Verkäufer bedient werde, habe stets das Gefühl,
dem Herrn Meinl selbst gegenüberzustehen, und wer K a f f e e bei Meinl erwerbe,
müsse wissen, dass „Meinl in diesem Fall keine A G darstellt, sondern einen
Mann persönlich." In der Werbebeilage finden sich noch viele andere Passagen,
die immer wieder auf der Omnipräsenz von Julius III. insistieren. Ein wesentli-
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 69

ches Element dieser Botschaft ist die Phantasie der totalen Kontrolle des Unter-
nehmers. Schon der Vorspann des ersten Artikels führt uns daher Julius III. vor,
wie er gerade eine seiner Filialen überprüft:
„Ein Mann im dunkelblauen Anzug steht im Hintergrund. Unter dem sil-
berweißen Haar ist das Gesicht jung geblieben. Die Augen wandern hin und
her. Ein Bleistiftstummel macht Notizen auf kleinen Zetteln. Der Mann sieht
und beobachtet. Der Blick trifft haarscharf die Fingernägel des jüngsten Lehr-
lings und beobachtet den Sauberkeitsgrad. Der nächste Blick gilt den unschlüs-
sig suchenden Fingern einer Hausfrau zwischen den aufgestapelten Waren in
der Verkaufsgondel. Sein Zettel registriert, ob der Verkäufer schnell genug da
ist, um zu beraten. Das Ohr lauscht gleichzeitig aufmerksam in die andere, ent-
legenste Ecke des Lokals, ob es dort, wo eben auf der messingglänzenden Bal-
kenwaage Kaffee eingewogen wird, die Formel hört: „Womit kann ich sonst
noch dienen?" 75
Diese Darstellung des Unternehmers hatte bei Meinl lange Tradition. Be-
reits über Julius II. wurden einschlägige Anekdoten in Umlauf gebracht. Zu den
beliebtesten Legenden, die sich um Monarchen ranken, gehören jene über Herr-
scher, die sich inkognito unters einfache Volk mischen. Was man sich über Jo-
sef II. erzählt, berichtet man daher auch über Julius II. und Julius III:76 Über
beide ging die Fama, dass sie bisweilen unerkannt nach dem Rechten sahen.
Ein Mittel, Allgegenwärtigkeit symbolisch ins Werk zu setzen, stellte das
Konterfei des Unternehmenschefs dar, das zur Grundausstattung aller Filialen
zählte. Unwillkürlich erinnert man sich des Kaiserporträts, das in den Amtsstu-
ben der Monarchie unvermeidlich war. Die stets wohlwollende Branchenzeitung
„Regal" assoziierte auch - ebenfalls naheliegend - das Porträtbild des Bundes-
präsidenten, des Ersatzmonarchen der Republik. 77 Der weniger wohlwollende
„Trend" sprach indes von Orwells „großem Bruder", weil das Bild von Julius
III. auch alle Büroräume zierte. Nur die beiden Söhne Julius IV. und Thomas
durften auf diesen Wandschmuck verzichten. Der unternehmensinternen Hier-
archie wurde außerdem dadurch Rechnung getragen, dass auf die Vorstands-
direktoren ein Foto jüngeren Datums herabblickte, während sich die gewöhnli-
chen Angestellten mit einer älteren Protokollaufnahme begnügen mussten. 78
Als sich in den Achtzigerjahren der Chef des zum Konzern gehörenden Dis-
konters Renner als einziger Meinl-Direktor erlaubte, ohne das Bild von Julius
III. seinen Arbeitsalltag zu verleben, wurde dies unternehmensintern und -ex-
tern als Zeichen besonderer Aufsässigkeit gewertet. Nicht zufällig empfand man
bei Meinl die Diskontkette als Fremdkörper, der nicht recht zur Unternehmens-
kultur passte. 79
Das dynastische Prinzip wurde bei den Meinls dadurch betont, dass der
älteste Sohn und Nachfolger stets den Namen Julius erhielt. Derzeit halten wir
bereits beim sechsten Julius en suite. Um die Unterscheidung zu erleichtern,
erhielt jeder Julius einen Beinamen - wie es eben bei Herrschern üblich ist. Der
erste Julius wurde ehrfurchtsvoll als „der Gründer" bezeichnet, der zweite als
70 Oliver Kühschelm

„der Konsul", weil er seit 1933 das Amt des dänischen Generalkonsuls innehat-
te. Julius III. führte den Ehrentitel „der Präsident". An Julius IV., über lange
Jahre hinweg als Thronfolger in Warteposition, blieb ein Spitzname aus der
Kindheit hängen: Er wurde firmenintern „Jackie" genannt, weil man - so ein
Vorstandsmitglied der Firma - „net allerweil der Klaane sagen kann". 80 Auch
nachdem sich sein Vater im Alter von 84 Jahren endlich zurückgezogen hatte,
gewann er nie dessen Format. Nach einer vergleichsweise kurzen Regentschaft
trat Julius IV. ab und übertrug in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre Julius V.
die Vertretung der Familieninteressen. Dieser trägt wieder einen Beinamen, der
nach Ehrerbietung heischt. Ihn nennt man „der Lizentiat" - nach dem Titel, den
er an der angesehenen Universität St. Gallen erworben hat.
„Eine Epoche ist zu Ende", verkündete „Regal" bedeutungsschwanger,
als Julius III. 1987 das Feld räumte. In der Tat gerieten nun die autoritären
Attitüden der Meinls und ihre Geheimniskrämerei gegenüber der Öffentlich-
keit verstärkt ins Schussfeld der Kritik. 1992 begehrte die Börsekammer auf-
grund eines neuen Gesetzes, das Investorinnen schützen sollte, Aufschluss über
die Eigentumsverhältnisse - bei Meinl ein Tabuthema ersten Ranges. Trotz
heftigen Drängens ließ sich die Firma nicht mehr entlocken, als dass der
Schweizerische Bankverein 92% der Stimmrechtsanteile als Fremdbesitz
halte. In letzter Konsequenz drohte der Julius Meinl AG die Widerrufung ihrer
Zulassung zum amtlichen Handel. Die Turbulenzen trugen dazu bei, innerhalb
eines Jahres den Kurswert der Meinl-Aktien mehr als zu halbieren. Nun bot
sich die ideale Gelegenheit zum Rückzug von der Börse: Den Kleinaktio-
närlnnen, die begonnen hatten, lästige Fragen zu stellen, unterbreitete man ein
Abfindungsangebot, das sich am aktuellen Tiefstand des Aktienkurses orien-
tierte. Allgemein wurde es als wenig großzügig eingestuft, weil es den hohen
Substanzwert des Unternehmens unberücksichtigt ließ.81 Daher verlief 1993
die Hauptversammlung sehr aufgeregt. Das „Profil" berichtete: „Um 17 Uhr riß
einem Noch-Aktionär des Kaffeerösters Julius Meinl die Geduld. ,Ich fühle
mich verarscht', rief der Kleinkapitalist vor den 200 Anwesenden Vorstand und
Aufsichtsrat des Feinkostkonzerns mit überkippender Stimme zu, .nehmen Sie
das zu Protokoll.' Der Schriftführer flüsterte betreten: ,So etwas ist nicht üb-
lich.'" 82
Angesichts der offensichtlichen Probleme der Handelskette, deren Umsatz-
schwäche den Gesamtkonzern immer stärker belastete, wurden Gerüchte laut,
dass die Familie plane, ihr Filialnetz abzustoßen. Julius IV. betonte zwar noch
im Jahr vor dem Verkauf: „Es hängt viel Liebe an diesem Unternehmen. Vor
allem sind Nachfolger da [...]"83 Sein Sohn präsentierte sich jedoch als stren-
ger Rechner: „Aus Sentimentalität hänge ich mir bestenfalls ein Bild an die
Wand", verlautbarte er.84 Was zähle, sei allein der steigende Wert, den zu reali-
sieren man bei günstiger Gelegenheit bereit sein müsse. 85 Julius V. versuchte
in seiner Selbstinszenierung den Bruch mit der quasi-imperialen Tradition, die
auf eine Identifikation von Unternehmen und Unternehmer gebaut hatte. Julius
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 71

III. erschien als „die unsterbliche Seele seines Geschäftes", 8 6 sein Enkelsohn
verspürte nicht mehr den Wunsch, ein solches Bild zu vermitteln.

Die Firma als Familie

„Alle Arbeiter und Angestellten unseres Unternehmens bilden die große Meinl-
Familie, in welcher sie sich geborgen und sicher fühlen können", verkündete
die Festschrift von 1962. 8 7 Diese Vorstellung hängt eng mit der Stilisierung des
Unternehmers zum absoluten Monarchen zusammen. Der Herrscher wird als
pater familias imaginiert, die Untertaninnen als seine Söhne und Töchter. Diese
schulden ihm Ehrfurcht und Treue, jener kümmert sich im Gegenzug väterlich
um ihr Wohlbefinden. Bei einer Belegschaft, die schon zu Zeiten der Monar-
chie in die Tausende ging, musste der direkte Kontakt zwischen dem Unterneh-
mer und den Beschäftigten eine Fiktion sein. Trotzdem versuchten Julius II.
und Julius III. keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, dass ihnen das
Schicksal jedes einzelnen Mitarbeiters und jeder einzelnen Mitarbeiterin am
Herzen lag.
In einem internen Rundschreiben vom Juli 1948 erläuterte Julius III., der
nach zehnjährigem Exil in die Heimat zurückgekehrt war, das Verhältnis, das
die Mitarbeiterinnen zur Firma pflegen sollten - oder besser: zum „Haus Julius
Meinl", wie es im Briefkopf hieß. Er bestimmte die Würde des Menschen als
„Selbstgefühl, das die Zugehörigkeit zu einem übergeordneten, geachteten Gan-
zen, in unserem Falle zu unserem Unternehmen, verleiht" und folgerte daraus
die Notwendigkeit zur Treue: „Manche werden fragen, was dies mit einem kauf-
männischen Unternehmen zu tun habe? Alles! Kein Staat, kein Orden, keine
Gruppe von Gleichgesinnten, nicht die Familie und ebensowenig die Freund-
schaft könnten lange bestehen, gehörte nicht die Treue, die Anhänglichkeit zu
den schönsten menschlichen Eigenschaften." 8 8 Julius III. bestimmte die Rolle
der Mitarbeiterinnen in der für eine patriarchalische Führungskultur charakte-
ristischen Weise: Er forderte weniger Dynamik und Spitzenleistungen als viel-
mehr die jahrzehntelange gewissenhafte Pflichterfüllung und die strenge Be-
achtung der Unternehmenshierarchie.
An diesem Konzept hielt Julius III. zeit seines Lebens fest. Ein Quell gro-
ßen Stolzes war für ihn daher die hohe Zahl von Arbeiterinnen und Angestell-
ten, die ihre gesamte Berufslaufbahn bei Meinl absolvierten. Besondere Auf-
merksamkeit widmete das Unternehmen der Rekrutierung und Sozialisierung
von neuen Familienmitgliedern. Die Meinl-Laufbahn begann im Idealfall mit
der Absolvierung einer Lehre in einer der Filialen. Der gute Eindruck, den die
beim Vorstellungsgespräch anwesenden Eltern der Jugendlichen machten, bil-
dete bezeichnenderweise ein entscheidendes Kriterium für die Beurteilung der
Bewerberinnen. Die Ausbildung erfolgte schließlich bei den Wiener Lehrlin-
gen zur Gänze im eigenen Haus, denn seit 1906 verfügte die Firma in der öster-
reichischen Hauptstadt über eine eigene Berufsschule mit Öffentlichkeitsrecht. 89
72 Oliver Kühschelm

Aus dem Kreis derjenigen, die als Lehrlinge bei Meinl begannen, sollten auch
die Spitzenkräfte kommen, die im Unternehmen die höchsten Positionen ein-
nahmen. Betriebsfremde Manager zu engagieren erschien die längste Zeit un-
denkbar und auch als man langsam den mittleren und oberen Unternehmensbe-
reich für Zugänge von außen öffnete, blieben Aufsteiger aus den eigenen Rei-
hen generell bevorzugt. Noch Mitte der Siebzigerjahre galt außerdem selbst
für Akademikerinnen, die bei Meinl einen Posten antraten, dass sie zunächst
einige Zeit hinter der „Budel" verbringen mussten, um den Verkaufsalltag in
einer Filiale kennen zu lernen. Das Ergebnis der Personalpolitik war letztlich
allerdings ein überaltertes Management, das - so das Branchenblatt „Cash" 1989
- das Durchschnittsalter eines „altehrwürdigen britischen Herrenklubs" auf-
wies. 90
Um der Vorstellung einer umfassenden Gemeinschaft Leben einzuhauchen,
versuchte das Unternehmen zu erreichen, dass die Mitarbeiterinnen möglichst
alle Lebensbedürfnisse im Rahmen der „Meinl-Familie" befriedigen konnten:
Wer sich für Gesang begeisterte, konnte dem „Meinl-Bund 1907" beitreten, und
wer sich für Fotografie interessierte, für den waren die „Lichtbildfreunde" das
Richtige. Im Sommer stand der Belegschaft das Meinl-Bad an der Alten Donau
zur Verfügung. Sportliche Aktivitäten, wie Tennis oder Schifahren, ermöglichte
die Firma ebenfalls. Mit Lesestoff konnte man sich in der Werksbibliothek
eindecken und natürlich gab es die Firmenzeitschriften. 1907 war die erste er-
schienen, seither wurden die Mitarbeiterinnen (und Kundinnen) des Hauses re-
gelmäßig informiert, belehrt und unterhalten. Konto und Sparbuch sollten die
Mitarbeiterinnen bei der Meinl-Bank einrichten und ihren täglichen Bedarf
in Meinl-Filialen decken, wo sie Preisvergünstigungen erhielten. Wer in Not
geriet, dem half der Meinl-Unterstützungsverein, wer Erholung suchte, dem wur-
den günstige Zimmer in Vertragspensionen vermittelt.
„Die sozialen Bestrebungen sind seit jeher ein unverrückbarer Teil des Etats
des Konzerns, vor allem die besondere Obsorge des Chefs des Hauses. Wir ha-
ben mit der öffentlichen Sozialverwaltung immer Schritt gehalten, wenn nicht
öfter sogar geführt", verkündete die „Meinl-Post" 1950 voller Stolz.91 Noch zu
Zeiten der Habsburgermonarchie schuf die Firma eine selbstständige Pensions-
versorgung, gewährte bezahlten Urlaub und Abfertigungen. 1907 führte sie die
Sonntagsruhe ein, die erst durch die Sozialgesetzgebung nach 1918 im Handel
obligatorisch wurde. In der Zwischenkriegszeit richtete sie eine Werksküche
und einen Gesundheitsdienst ein. Ab Jänner 1932 wurde bei Meinl nur mehr 43
Stunden pro Woche gearbeitet und 1935 ging das Unternehmen bei vollem Lohn-
ausgleich für die Beschäftigten zur 40-Stunden-Woche über.92 Auch nach 1945
erkannte es Meinl als wichtige Aufgabe, für die Seinen zu sorgen. „Wenn je-
mand einen sicheren Arbeitsplatz sucht, wo er weiterkommen kann, wenn er
etwas leistet und wo er auch nicht fallengelassen wird, wenn er einmal nicht
mehr so kann wie früher - dann ist er bei uns richtig", erläuterte 1989 einer der
Meinl-Direktoren die Unternehmensphilosophie. 93 Verkäuferinnen, denen das
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 73

viele Stehen gesundheitlich zu schaffen machte, konnten auf eine Stelle im


Hauptbüro hoffen, und wenn Filialleiterinnen nicht mehr die gewünschte Lei-
stung brachten, drückte man entweder ein Auge zu oder versetzte sie in den
Innendienst.
So wie Swarovski oder Manner war Meinl die patriarchalische Variante
des sozialpartnerschaftlichen Klimas von Konsens und Zusammenarbeit, das
die Zweite Republik jahrzehntelang prägte. Während in den verstaatlichten
Betrieben die Vertretung der Arbeiternehmerinnen großen Einfluss ausübte,
konnte sich bei Meinl zwar der Unternehmer als uneingeschränkter Alleinherr-
scher fühlen, jedoch begriff Julius III. seine Rolle nach dem Muster des auf-
geklärten Absolutismus: Nichts durch die Belegschaft, aber doch einiges für
sie. Die Unternehmenskultur von Meinl unterschied sich in dieser Hinsicht
drastisch von jener des Konkurrenten Billa. Karl Wlaschek stellte zwar einen
ebenso unangefochtenen Führungsanspruch wie Julius III., doch betrieb er eine
wesentlich härtere Personalpolitik, die den Mitarbeiterinnen maximale Leis-
tung abforderte. Sentimentalitäten wurden Wlaschek keine nachgesagt. Hier
muss man einen Teil der Erklärung dafür suchen, dass Meinl als „typisch öster-
reichisch" galt, während dem Billa-Konzern, der die längste Zeit ebenfalls in
österreichischer Hand war und nur auf österreichischem Boden agierte, diese
Qualität nicht im selben Maß zugeschrieben wurde.
In den Neunzigerjahren ging aber bei Meinl die Epoche der patriarchali-
schen Gemütlichkeit ihrem Ende zu, so wie auch bei den verstaatlichten Ge-
genstücken zum sozial gesinnten Privatkapitalismus neue Zeiten anbrachen
bzw. teils schon im Jahrzehnt zuvor angebrochen waren. Indem der Konzern
Personalabbau erheblichen Ausmaßes in Angriff nahm, brach er mit der Tradi-
tion, sichere Arbeitsplätze zu garantieren. „Sogar Filialleiter, die die geforder-
ten Umsatzsteigerungen nicht schaffen, müssen wir heute auswechseln", klagte
Julius IV. gegenüber „News" und meinte: „Wir haben das Gegenteil betrieben
von dem, was heute unter dem Stichwort Shareholder value so hoch gepriesen
wird. Ich habe da gerade im ,Spiegel' von so einem Amerikaner gelesen [,..]"94
Sein Sohn Julius V. hingegen pochte auf die Notwendigkeit, Unternehmen „nach
Aktionärskriterien" zu führen. 95 Als Meinl im Sommer 1998 die Handelskette
zur Gänze an Billa veräußern wollte, zitierte die „Presse" die Mitarbeiterin ei-
ner Filiale: „Der Meinl hat immer auf seine Leute geschaut. Wir waren immer
so etwas wie eine Familie. Jetzt hat er uns irgendwie alle verkauft [...]"96

Wiener Kaffee- und Esskultur

Als Julius Meinl 1862 sein erstes Geschäft gründete, erfreute sich der Kaffee in
der Hauptstadt des Habsburgerreiches längst großer Popularität. Meinl stand
also nicht an der Wiege der Kaffee(haus)kultur Wiens. Diese Scharte merzte
das Unternehmen jedoch aus, indem es später oft Bezüge zu den legendären
Anfängen des Kaffeegenusses herstellte. Die Festschrift von 1962 erzählt, dass
74 Oliver K ü h s c h e l m

die erste Meinl-Filiale in der Neustiftgasse zufälligerweise genau an jener Stel-


le errichtet wurde, an der 1683 das Zelt von Kara Mustapha gestanden sei. Die
siegreichen Wiener hätten sich aber der Kaffeevorräte des türkischen Feldherrn
bemächtigt und solcherart Bekanntschaft mit dem Getränk geschlossen. 97 „Wien
und Kaffee wurden seitdem, besonders von Fremden, ähnlich identifiziert wie
Wien und Wein", betonte die PR-Beilage von 1990. Meinl sei „gleichbedeutend
mit exquisitem Kaffee und Tee", verlautbarte sie außerdem. 98 Die Identifizie-
rung von Meinl mit Kaffee und von Kaffee mit Wiener Kultur ergaben zusam-
men genommen die Prämissen eines Syllogismus, mit dem das Unternehmen
stets operierte: Die Conclusio erwies Meinl als unverzichtbaren Bestandteil ei-
ner auf Wien zentrierten österreichischen Identität.
Rund um den Kaffeeverkauf pflegte die Firma einen eigenen Kult. Obwohl
sich im Handel seit den Fünfzigerjahren mehr und mehr die Selbstbedienungs-
geschäfte durchsetzten, hielt Meinl lange daran fest, dass die Verkäuferlnnnen
den Kaffee vor den Augen der Kundinnen wiegen mussten. Daher stand in jeder
Filiale am Verkaufspult, dem „Hochaltar im Tempel der Kunst, Kaffee zu ver-
kaufen", die Balkenwaage aus Messing. 99 Dieses „vornehm-altmodische" Ge-
rät symbolisierte perfekt die konservativen Inhalte, die Meinl in seiner Wer-
bung vermitteln wollte. Auch innerhalb der Firma bildete der Kaffee Gegen-
stand von Ritualen, die sich jahrzehntelang nicht veränderten. Der „Trend" be-
richtete über das tägliche Probekosten um halb zwölf Uhr mittags, bei dem
der Leiter der Kaffeeabteilung und die Rösttechniker den Geschmack der lau-
fenden Produktion überprüften. Auch Julius III. soll häufig daran teilgenom-
men haben.' 00 Das entsprach dem Selbstverständnis von jemandem, der sich
als Hohepriester des Kaffeegeschmacks feiern ließ: „Bei den Meinl vererbt
sich die Kaffeezunge", ließ man die Öffentlichkeit wissen.101 Konsequenter-
weise benannte das Unternehmen eine Kaffeesorte nach dem Beinamen, den
Julius III. firmenintern trug: „Der Präsident".
Dem Kaffee verdankte Meinl maßgeblich seinen Ruf der Exklusivität. Das
Getränk hatte sich zunächst in der Wiener Oberschicht etabliert, die es Mitte
des 18. Jahrhunderts bereits anstelle des bis dahin üblichen Alkohols zum Früh-
stück genoss. Zwar erfreute sich der Kaffee (bzw. billigere Ersatzstoffe) schon
bald auch bei den minder privilegierten Bevölkerungsteilen großer Beliebtheit,
doch haftete ihm während des 19. Jahrhunderts weiterhin der Nimbus des Vor-
nehmen an.102 „Das Meinl-Konzept [...] war von seinen Wurzeln her sehr eli-
tär: Für Kaffee und Kolonialwaren mußte man damals viel bezahlen", erläuter-
te Julius V. die Genese der Firmenphilosophie. 103 Den Anspruch auf gehobene
Klasse hielt das Unternehmen bis in die Gegenwart aufrecht, ohne allerdings
den gesellschaftlichen Wandel ausreichend zu berücksichtigen. Traditionell an
den Codes der bürgerlichen Oberschicht orientiert, übersah Meinl nach 1945,
dass mit dem „Wirtschaftswunder" der Übergang zu einer Wohlstandsgesell-
schaft begonnen hatte, die nicht mehr den alten, ständisch fraktionierten Kon-
sum kannte. Julius IV. verdeutlichte die Unternehmenspolitik 1997 mit einer
Julius M e i n l - Patriarchalisch, ( g r o ß ) b ü r g e r l i c h , ö s t e r r e i c h b e w u s s t 75

Redensart, die nur noch wenig mit der heutigen Realität gemein hat: „Die Wahr-
heit ist doch: Um drei Kreuzer kriegt man keine Gräfin." 104 Folglich erübrigte
die Julius Meinl AG nur Verachtung für die aggressive Konkurrenz, die mit
preisgünstigeren Angeboten die Kundinnen lockte. Man wiegte sich in der
Gewissheit, dass „Schleuderpreise" letztlich kein wirksames Verkaufsargument
seien: „The bitterness of poor quality remains long after the sweetness of low
price is forgotten", dozierte die „Meinl-Post" 1970.105
Verbraucheranalysen belegen, dass die Österreicherinnen gutem Essen und
Trinken großen Wert zumessen. Für das Nationalbewusstsein spielt die Über-
zeugung, eine spezifische (in erster Linie: Wiener) Esskultur zu besitzen, eine
wesentliche Rolle und tritt meist in Verbindung mit dem Bild des genuss-
freudigen, gemütlichen und friedliebenden Österreichers auf.106 Deshalb ver-
dient Meinls beharrlicher Verweis auf hochwertige Nahrungsmittel einige
Aufmerksamkeit. Die Reputation der Firma beruhte aber nicht bloß darauf, dass
sie mit Nahrungsmitteln handelte, sondern auch darauf, wie sie dies tat: Indem
sie den Verkaufsakt sakralisierte und die Ware Kaffee mit besonderer Bedeu-
tung auflud, indem sie auf Tradition pochte und die Wärme des Altvertrauten
vermittelte, indem sie durch ihre Behäbigkeit zwar Marktanteile verlor, aber
gleichzeitig das als konservativ geltende österreichische Wesen perfekt zu ver-
körpern schien.
Als vor dem Beitritt zur Europäischen Union Ängste vor dem Verlust öster-
reichischer Identität kursierten, artikulierten sich diese nicht zuletzt im kulina-
rischen Bereich. Das Eindringen von „Blutschokolade" auf den österreichischen
Markt wurde ebenso befürchtet wie die Verdrängung österreichischer Bezeich-
nungen für einzelne Speisen und Nahrungsmittel durch bundesdeutsche Aus-
drücke. 107 „Erdäpfelsalat bleibt Erdäpfelsalat", beruhigte die Bundesregierung
in ihrer Werbekampagne. Die Firma Meinl verfocht seit langem den kulinari-
schen Patriotismus. Ende der Siebzigerjahre startete sie eine Werbeaktion mit
dem Motto: „Echt österreichisch, echt Julius Meinl". Im Mittelpunkt sollten
heimische Qualitätsprodukte stehen, die gleichzeitig aus den unternehmensei-
genen Erzeugungsbetrieben stammten. 108 In der Firmenzeitschrift mokierte sich
Meinl über „manche unserer Mitbewerber", die den Großteil ihrer Waren aus
dem EG-Raum einführten. 109 Das minderwertige Fremde und das hochqualita-
tive Eigene (im doppelten Sinne: österreichisches Produkt und Eigenmarke)
wurden sorgfältig unterschieden. Auch nachdem sich Österreich der Euro-
päischen Union angeschlossen hatte, änderte Meinl sein Sortiment nur unwe-
sentlich. Die Branchenzeitung „Regal" zitierte die Devise: „Wir sind ein öster-
reichisches Unternehmen und halten den österreichischen Lieferanten die
Treue!"" 0 Auf dieser Linie lag z.B. die Entscheidung, nur noch Eier österrei-
chischer Herkunft anzubieten. Laut Bericht der „Presse" garantierte man den
Kundinnen, „daß nicht nur das Ei, sondern sogar die jeweilige Legehenne in
Österreich das Licht der Welt erblickt hat (die Großeltern dürfen auch Auslän-
der sein)."111
76 Oliver Kühschelm

1999 begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Unternehmens,


das einen Großteil seiner Filialen an Konkurrenten abgegeben hatte und einen
Neustart beabsichtigte. Man versuchte den Bruch mit der jüngeren Vergangen-
heit, in der Meinl Exklusivität nicht mehr ausreichend glaubwürdig vermittelt
hatte. Die Renovierung der Filiale am Graben, des Flaggschiffs von Meinl, wurde
zum nationalen Ereignis aufgebauscht - mit tatkräftiger Unterstützung der
Medien. Nach der Eröffnung des Geschäfts jubelte die Zeitschrift „Format":
„Die Wiener City hat ein neues Glanzstück." Meinl biete am Graben eine
„Theaterkulisse für den Einzelhandel", ein „Weltstadtfeinkosthaus". 112 Den
Leserinnen wurde auf diese Weise dargelegt: Wien ist/ißt Weltstadt. Als Spiel-
verderber in der Euphorie über das jüngste Aushängeschild der Wiener Esskultur
trat hingegen die Stadtzeitung „Falter" auf den Plan. Sie höhnte über das
„Weltstadteinkaufswagerl", dessen Handgriffe mit Leder und nicht mit ordinä-
rem Plastik überzogen sind. Für das Blatt war klar: „Endlich haben ,News'-
und ,Format'-Leser das Weltstadtkaufhaus, das sie verdienen." 113

Julius Meinl und die nostalgisch verklärte Habsburgermonarchie

1936 konstatierte die Unternehmenszeitschrift mit berechtigtem Stolz: „Die


Firma Meinl war ja schon vor dem Kriege, da sie im alten Österreich fast in
jedem Kronlande und bei jeder Nationalität vertreten war, international im
wahrsten Sinne des Wortes. Sie hat aber erst nach dem Kriege ihre ganz große
Entwicklung vollzogen [.,.]"114 Dennoch schreibt 1959 der Historiker Josef
Mentschl in einem biographischen Text über Julius II., dass „die Katastrophe
von Sarajewo" das Bild eines blühenden Unternehmens düster umschattet habe.
Das mag man ja noch gelten lassen, sofern man den rhetorischen Überschwang
abzieht und nicht weiter berücksichtigt, dass sich Meinl recht gut in die Kriegs-
wirtschaft einfügte. Wenn Mentschl aber in Bezug auf die Zwischenkriegszeit
behauptet: „Das Unternehmen mit demselben Tempo wie vor dem Krieg auszu-
bauen, war jedoch nicht mehr möglich", sitzt er seinen eigenen Projektionen
auf.115 Die negative Einschätzung der Ersten Republik, die sich als Common
Sense durchgesetzt hat,116 verträgt sich offenbar schlecht mit einer adäquaten
Wahrnehmung des Faktums, dass die Firma Meinl nach 1918 ihre Hochblüte
erlebte.
Wenn in einem Zeitungsartikel die einstige Bedeutung von Meinl in größt-
möglicher Kürze angedeutet werden soll, greifen daher die Verfasserinnen oft
zu Formulierungen wie der folgenden: „Meinl, der während der Monarchie im-
merhin über ein Filialnetz von Innsbruck bis Kronstadt und von Czernowitz bis
zum Adria-Kriegshafen Pola verfügte". 117 Mit der Zeitangabe „während der
Monarchie" verbindet sich eine räumliche Vorstellung, die durchaus zutreffend
den Einflussbereich von Meinl umreißt. Schließlich hielt sich das Unterneh-
men, sieht man vom Engagement in Berlin ab, stets an Länder, deren Staatsge-
biet wenigstens teilweise zum Habsburgerreich gehört hatte.
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 77

Die Behandlung der Firmengeschichte durch die Medien kennt die Zwan-
ziger- und Dreißigerjahre nicht als eigenständige Periode großen unternehmeri-
schen Erfolges, sondern betrachtet sie bestenfalls unter dem Gesichtspunkt der
Erhaltung eines alten Idealzustandes: In Meinl will man den Geist der Monar-
chie fortleben sehen. So schrieb die „Wiener Wochenausgabe" in ihrer Serie
„Julius der Österreicher": „Das Reich zerfiel in Nationalstaaten, der Chauvi-
nismus trieb Blüten, der Haß gegen das Alte zerschlug sich in tollen Kapriolen.
Da aber bewährte sich wunderbar die geniale Konzeption der Meinl-Dynastie,
die Erziehungsarbeit an allen Mitarbeitern der Firma, die bindende Kraft des
,Meinl-Staates'."" 8 Die Passage stilisierte das Unternehmen zum eigentlichen
Nachfolgestaat des Habsburgerreiches.
Die Firma selbst präsentierte sich schon in der Zwischenkriegszeit gerne
als legitime Erbin der Donaumonarchie. Das war damals nicht bloße Nostalgie,
sondern durchaus funktional, denn Meinl wandte sich mit seinem Warenange-
bot vor allem an die bürgerlichen Schichten. Diese hatten mit dem Zerfall der
Monarchie zum Teil erhebliche Statuseinbußen hinnehmen müssen und standen
der Republik, die sie in der Anfangsphase als „rot" erlebten, skeptisch gegen-
über. Bei Meinl war die Welt aber noch heil. Das Unternehmen hatte es nicht
nur geschafft, nach 1918 sein angestammtes Terrain zu wahren, sondern der
„Meinl-Staat" erreichte sogar eine neue Größe. Wir sind in ganz Mitteleuropa
präsent, lautete die oft wiederholte Botschaft.
Mit dem Schicksal der Monarchie ist Meinl auch durch das persönliche
Engagement von Julius II. verbunden, der sich während des Ersten Weltkriegs
für die Rettung des Habsburgerreiches einsetzte. Die vaterländischen Anstren-
gungen des Unternehmers, der zuvor politisch nicht hervorgetreten war, began-
nen, als er 1915 gemeinsam mit dem Industriellen Max Friedmann die Österrei-
chische Politische Gesellschaft ins Leben rief. Diese wollte dem liberalen Groß-
bürgertum ein Gesprächsforum bieten, das die Heranbildung gemeinsamer Auf-
fassungen in zentralen politischen Fragen ermöglichen sollte. Davon erhoffte
man sich auch eine Stärkung des eigenen Einflusses auf die Regierung. Ab De-
zember 1916 engagierte sich Meinl immer intensiver in den Debatten, die er für
einige Zeit dominierte. Als Großindustrieller besaß er den nötigen Einblick, um
zu erkennen, dass es in wirtschaftlicher Hinsicht um Österreich-Ungarn mise-
rabel stand. Beunruhigt über die Zukunftsaussichten des Habsburgerreiches,
trachtete er, die Gesellschaft, die er als eine Art Nebenparlament ansah, auf
Friedenskurs zu bringen. Im Oktober 1917 gewannen jedoch seine Gegner die
Oberhand. Im Winter 1917/18 entfaltete Meinl unverdrossen eine lebhafte Reise-
diplomatie, die ihn nach Berlin und in die Schweiz führte. Dort verhandelte er
mit britischen Diplomaten und einem Vertrauensmann des US-amerikanischen
Präsidenten Wilson. Freilich scheint ihn das State Department nicht sonderlich
ernst genommen zu haben.119
Dieser Teil der Biographie von Julius II. gehört zu einem Fundus an histo-
rischem Wissen, das im kommunikativen Gedächtnis längst nicht mehr präsent
78 Oliver K ü h s c h e l m

ist. Bei Bedarf kann es aber hervorgeholt werden, um zu bekräftigen, dass sich
Meinl seit jeher als Österreich-patriotisches Unternehmen verstand. Als die Fir-
ma 1998 ins Zentrum des medialen Interesses geriet, informierte der „Kurier"
in einem kurzen Resümee von 136 Jahren Firmengeschichte, dass Julius II.
„für den Kaiser in diplomatischen Missionen unterwegs" war. Auch Georg
Markus berichtete damals in der „Kronenzeitung" über die Friedensinitiative
von Julius II. Dieser habe zwischen den Staaten zu vermitteln versucht, sei je-
doch an der unnachgiebigen Haltung des Deutschen Reichs gescheitert. Wir
sehen hier übrigens das friedensliebende Österreich in seiner Paraderolle: als
unschuldiges Opfer Deutschlands.
Als sich Meinl in den 1980er-Jahren und besonders nach dem Umbruch
1989/90 wieder in Nachfolgestaaten der Monarchie einkaufte, wies man zwar
Sentimentalitäten als Motiv für die „Rückkehr" von sich, 1 2 0 doch bildete der
einstige Besitzstand unleugbar den Maßstab, an dem man die Erfolge in Län-
dern wie Ungarn, Tschechien und Polen maß. „Von der großen Vergangenheit
in die blühende Zukunft", formuliert die „Meinl-Post" 1990 in einem Beitrag
über die Tschechoslowakei. Ergänzt wird der Artikel durch eine Karte des Lan-
des mit den Standorten der Meinl-Filialen im Jahre 1937. 1 2 1
Kein Zweifel herrschte bei Meinl darüber, dass die Expansion nicht nur
den eigenen Profit steigerte, sondern ihr eine darüber hinausgehende Bedeu-
tung zukam. „Wir haben das Gefühl, daß wir in den Ländern der ehemaligen
Monarchie, die j a unser ursprüngliches Tätigkeitsfeld war, eine gewisse Sen-
dung haben", werden Thomas Meinl, der jüngere Sohn von Julius III., und
Vorstandsvorsitzender Friedrich Hofinger im „Gewinn" zitiert. 122 Diese Über-
zeugung hat bei Meinl Tradition. Ein mit deutlichen Überlegenheitsgefühlen
gepaartes Sendungsbewusstsein strahlt ein Artikel aus, der 1936 in der Firmen-
zeitschrift erschien. Er schildert eine Eisenbahnfahrt durch die rumänische
Landschaft zu einer nicht näher genannten Stadt. Die Reise gipfelt in der An-
kunft bei einer Meinl-Filiale - der Titel des Berichtes: „Auf vorgeschobenem
Posten".
„Stundenlange rollt der Schnellzug durch endlose Weiten. Ackerboden
wechselt mit Weideflächen. Hie und da die Spur einer Ansiedlung: Ein schräg
gestellter Lehmbau mit wenigen Miniaturfenstern. [ . . . ]
Dann geht die Fahrt durch schlecht beleuchtete, dorfartig breite Straßen
dem Stadtzentrum zu. Auf dem Gehsteig sieht man immer wieder Tische, wo
auf weißem Packpapier als Tischtuch Leute ihr Abendbrot verzehren. [...] Die
Straßen werden heller. Asphalt umsäumt die Fahrstraße und plötzlich fühlt man
sich wie nach West-Europa versetzt.
Winkt da nicht ein Meinl-Schild? Die gekachelten Mauerpfeiler, das Eichen-
portal, der Firmenkopf mit schwarzem Glas und den charakteristischen Buch-
staben! Du träumst von Wien? Von der lichterfüllten Mariahilferstraße? Ein ganz
kleines Stück davon grüßt dich hier. Sogar das Auslagenarrangement ist zum
Verwechseln ähnlich. Und wenn du erst den Laden betrittst, Fremder, dann fühlst
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 79

du dich ganz wie zu Hause. Der Gruß klang noch ungewohnt fremd, dann aber
hörst du deutsche Worte, siehst die bekannte Einrichtung und spürst den Duft
des Meinl-Kaffees. [...]

„Auf vorgeschobenem Posten": Filiale im rumänischen Galatz [Galati] um 1930

Reise getrost! Irgendwo, auch im fernsten Zipfel Europas, wirst du ein Stück
Heimat finden: Die Meinl-Filiale!" 123
Das Unternehmen Meinl gibt sich hier als Entwicklungshelfer. Der Be-
schreibung eines rückständigen Agrarlandes wird jene der eigenen Filiale als
Inbegriff eines gehobenen zivilisatorischen Niveaus gegenübergestellt. Das
Meinl-Geschäft erscheint in einer Stadt mit „schlecht beleuchteten, dorfartig
breiten Straßen" als kleines Stück der „lichterfüllten Mariahilferstraße". Meinl
rückt sich somit als Botschafter der Heimat Wien ins Blickfeld. Diese aber ist
Teil des fortschrittlichen Westeuropas, während Rumänien zu den „fernsten
Zipfeln" des Kontinents gehört.
Man erkennt bereits eine Zweiteilung zwischen Westen und Osten, die in
Zeiten des Kalten Krieges mit besonderer Energie inszeniert wurde. Die Erin-
nerung an das Meinl-Imperium ließ sich gut dazu verwenden. Ein Beispiel fin-
det sich in einem Artikel der Zeitschrift „Regal" von 1985: „Gegenüber dem
recht schmuddelig wirkenden Hauptbahnhof von Brünn liegt am Beginn der
Fußgängerzone ein großes tschechisches Feinkostgeschäft. Statt sauberer Fas-
saden gibt es dort nur mehr abbröckelndes Mauerwerk. Im Inneren erblickt man
die ganze Erbärmlichkeit kommunistischer Planwirtschaft made in Praha. Es
80 Oliver K ü h s c h e l m

sieht aus wie bei uns in den Fünfzigerjahren. Ältere Brünner sagen einem frei-
lich, daß es hier einmal anders war. .Früher war dieses Geschäft ein strahlender
Meinl.""24

Unternehmerische Dynamik, Wirtschaftsliberalismus und Konsens-


demokratie - das Bild von Meinl in der Zwischenkriegszeit

Wesentliche Züge des Images von Meinl wurden bereits vor 1914 und mehr
noch in den Zwanziger- und Dreißigerjahren grundgelegt. Dennoch müssen wir
davon ausgehen, dass sich die Selbstdarstellung des Unternehmens und seine
Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit in manchen Punkten vor dem Zweiten
Weltkrieg anders gestalteten als danach. Quellen aus der Zwischenkriegszeit
lassen dies ebenso vermuten wie die Unterschiede in der Firmenpolitik, die da-
mals noch nicht dem bloßen Bewahren galt, sondern vor allem der Expansion.
Meinl scheint sogar als ein Paradebeispiel modernen Unternehmertums
gegolten zu haben. Das „Wiener Tagblatt" betitelte 1928 einen Bericht über den
Konzern: „Ein rationalisiertes Großunternehmen". Man sprach von der „restlo-
sen Anwendung wissenschaftlicher Ergebnisse auf den ganzen Arbeitsprozeß",
von einem „Standardwerk", „das in der Lebensmittelbranche in ganz Europa
einzig darsteht". 125
Die Maßnahmen, mit denen Meinl sein Unternehmen wettbewerbsfähiger
machte, fanden natürlich nicht in allen Blättern denselben begeisterten Wider-
hall wie im „Tagblatt". Die linksgerichtete Tageszeitung „Der Abend" setzte
die Leserinnen über „Terrormethoden bei der Firma Julius Meinl" in Kenntnis
und die kommunistische „Rote Fahne" schäumte über die „rationalisierte
Schinderbude", der man auch den wenig schmeichelhaften Namen „Meinlhölle"
gab. Während sich Meinl für Reklamezwecke human gebe, setze er Arbeiterinnen
auf die Straße und beute die verbleibenden bis aufs Mark aus. 126 In der Tat
reduzierte Meinl die Beschäftigtenzahl vom 1924 verzeichneten Höchststand
bis 1930 von 2.100 auf ca. 1.500 Personen. 127
Nicht nur von links geriet das Unternehmen wegen der von ihm entfalteten
kapitalistischen Dynamik unter Beschuss. Die energisch vorangetriebene Ex-
pansion der Meinl AG beunruhigte die Konkurrenz. Der Zentralverband der
Lebensmittelhändler betrieb in seinem Organ den publizistischen Kampf gegen
die Firma Meinl, die in puncto Marketing zu den Pionieren in Österreich zählte
und deren Methoden folglich von kleinen Gewerbetreibenden als aggressiv
empfunden wurden. 128
In der Zwischenkriegszeit wurde die Julius Meinl AG ob ihrer unterneh-
merischen Durchschlagskraft bewundert und gefürchtet, der Kontrast zu ihrem
betulichen Image in der Zweiten Republik könnte größer nicht sein. Das ist
jedoch nicht die einzige Veränderung im Bild der Firma und ihrer Eigentümer.
Julius III. und seine beiden Söhne vermieden nach Tunlichkeit jede mediale
Julius M e i n l - Patriarchalisch, ( g r o ß ) b ü r g e r l i c h , ö s t e r r e i c h b e w u s s t 81

Präsenz und fielen nicht durch Engagement abseits ihrer unternehmerischen


Tätigkeit auf. Hingegen war Julius II. eine Figur des öffentlichen Lebens, seit
er in der Österreichischen Politischen Gesellschaft eine tragende Rolle gespielt
hatte. Dieser Vereinigung gehörte er auch nach dem Ende des Ersten Weltkrie-
ges weiterhin an. 1929 gründete er den Österreichischen Klub, der wie die Ge-
sellschaft als „eine überparteiliche Institution zur Erleichterung der Fühlung-
nahme zwischen den verschiedensten politischen Richtungen und zur zwangs-
losen Erörterung kultureller und politischer Themen" 129 dienen sollte. Julius II.
stand als Präsident an der Spitze, dem Vorstand gehörten z.B. Anton Wildgans
und Bertha Zuckerkandl an.130 Der Unternehmer meldete sich darüber hinaus
immer wieder zu politischen und wirtschaftlichen Fragen zu Wort, indem er
seine Gedanken in Form von Broschüren veröffentlichte und Artikel in ver-
schiedenen Zeitungen schrieb. So trat er nach dem Auseinanderbrechen des
Habsburgerreichs vehement gegen den Anschluss an Deutschland auf - seine
eigenen Handelsinteressen konzentrierten sich ja auf die Nachfolgestaaten der
Monarchie. 131
Mit großer Ausdauer verbreitete Meinl vor allem sein Credo eines bedin-
gungslosen Wirtschaftsliberalismus. Während des Ersten Weltkrieges bezog er
gegen die gesteigerte Macht der Bürokratie Stellung. Hier sah er die Wurzel
allen ökonomischen Übels. Als Lösung der gewaltigen finanziellen Probleme
Österreichs favorisierte Julius II. - womit er heutzutage wieder voll im Trend
läge - den Abbau staatlichen Einflusses und die Privatisierung von staatlichen
Unternehmen. 132 In den 1920er-Jahren verfolgte die österreichische Regierung
eine Linie, die eher nach seinem Geschmack gewesen sein dürfte als die
„Zwangswirtschaft" der Kriegszeit. Durch die Genfer Protokolle war sie auf
eine Politik des Budgetgleichgewichtes festgelegt. Nach außen hielt sie an ei-
ner freihändlerischen Linie fest. Das Jahr 1930 brachte aber die massive Erhö-
hung der Zollsätze bei Produkten von Landwirtschaft und Industrie. Damit
schwenkte Österreich auf eine Politik um, die das Gewicht auf den Schutz des
Inlandsmarktes legte. Das trieb Meinl publizistisch auf die Barrikaden, denn er
sah erstens die Interessen seines Konzerns gefährdet und zweitens die ihm hei-
ligen Prinzipien des orthodoxen Liberalismus verletzt.133 Die Auffassungen von
Julius II. vertrat auch die „Wirtschaftliche Rundschau", die sein Unternehmen
ab 1934 herausgab. Die Blätter sollten - so das Geleitwort der ersten Nummer -
„einer völlig unvoreingenommenen Untersuchung wichtiger Tendenzen der in-
ternationalen Wirtschaftspolitik dienen". Diesen Anspruch sah man im energi-
schen Kampf für den Freihandel eingelöst.
Mit seinem Lobbying gegen Protektionismus machte sich Meinl mancher-
orts eher unbeliebt. Als Julius II. seine Broschüre „Mahnung" 1929 an Bundes-
präsident Miklas sandte, vermerkte die Kanzlei, dass diese „in eher oberflächli-
cher Weise" Freihandelspolitik propagiere. Drei Jahre später notierte man deut-
lich ungehalten über eine weitere Schrift von Julius II.: „Es ist die ewig gleiche
Meinl'sche Melodie. Der an den Staat gerichtete Appell bezieht sich auf die
82 Oliver Kühschelm

Grundsätze des Manchestertums. Man mag über staatliche Eingriffe in die Wirt-
schaft denken, wie man will, daß der Meinl'sche Weg des reinen Individualis-
mus in der gegenwärtigen Zeit indiskutabel ist und zum raschesten Ruin führen
würde, ist klar."134
Mit der Propagierung wirtschaftsliberaler Ideen korrespondierte bei Julius
II. das Eintreten für die Demokratie. Das war nicht selbstverständlich. Für ei-
nen autoritären Staat plädierten Anfang der Dreißigerjahre z.B. bedeutende
Vertreter der österreichischen Schule der Nationalökonomie, wie Friedrich von
Wieser oder Ludwig Mises, die sich auf wirtschaftlichem Gebiet der liberalen
Orthodoxie verpflichtet fühlten. Meinl hingegen konstatierte in einem Artikel,
den er im Dezember 1932 veröffentlichte: „Geht die politische Freiheit verlo-
ren, dann ist es auch aus mit der wirtschaftlichen Freiheit." 135
Meinl gehörte zweifellos nicht zu jenen Unternehmern, die, wie die maß-
geblichen Teile der Christlichsozialen Partei, in der gewaltsamen Ausschaltung
der linken Opposition die einzige Lösung für die Probleme des Landes erblick-
ten. Mit der Sozialdemokratie verband Julius sogar manche Gemeinsamkeit in
der Beurteilung der protektionistischen Maßnahmen, die in den Dreißigerjahren
von der Regierung ergriffen wurden: Auch die Arbeiterpartei setzte trotz der
Weltwirtschaftskrise ihre Hoffnungen auf den Außenhandel und nicht auf den
Binnenmarkt. 136 Für die Nationalsozialisten lag es deshalb auf der Hand, dass
die Sozialdemokratie mit dem Kapitalisten Meinl gemeinsame Sache machte.
Scharf attackierten sie die „Meinl-Marxisten": Wenn die „roten Betrüger" ge-
gen die Erhöhung von Kaffee- und Teezöllen aufträten, gehe es ihnen nicht um
die notleidende Bevölkerung, sondern darum, der Meinl AG und ihren Aktionä-
ren, d.h. den „Handelsjuden", die fetten Dividenden zu erhalten. 137
Julius II. positionierte sich somit in der Öffentlichkeit als prononcierter
Liberaler in wirtschaftlicher wie politischer Hinsicht, der unter Ausschluss von
Extremen, wie dem Kommunismus oder dem Nationalsozialismus, nach links
und nach rechts gleichermaßen Anknüpfungspunkte suchte. Dieses Bild ver-
mittelte er durchaus erfolgreich: Meinl habe seine Kräfte stets in den Dienst der
„inneren Versöhnungspolitik" gestellt, betont das „Jahrbuch der Wiener Gesell-
schaft" von 1929.138 Die Orientierung am Konsens, die Julius II. an den Tag
legte, hatte prinzipielle und pragmatische Aspekte. Einerseits entsprach es ei-
ner liberaldemokratischen Haltung, sich nicht mit Haut und Haar einem der
beiden Lager zu verschreiben, die einander in der Ersten Republik zunehmend
unversöhnlich gegenüberstanden. Andererseits wollte es sich Meinl mit nie-
mandem nachhaltig verderben, was sich negativ auf sein Unternehmen hätte
auswirken können.
Generell verlor Julius II. seine kommerziellen Interessen nie aus den Au-
gen. Dass sich der Eigentümer zu Demokratie und Parlamentarismus bekannte,
hinderte die Julius Meinl AG nicht daran, in der „Heimwehrzeitung" den Auf-
ruf zu inserieren: „Kameraden! Deckt euren Bedarf an Kaffee und Tee nur bei
Julius Meinl." 139 Die „Arbeiterzeitung" zeigte sich zwar erbost ob des Wider-
Julius M e i n l - Patriarchalisch, ( g r o ß ) b ü r g e r l i c h , ö s t e r r e i c h b e w u s s t 83

spruchs zwischen der Haltung des Chefs, „der sich persönlich immer für eine
Politik der Versöhnung eingesetzt hat", und jener des Unternehmens, das sich
nicht scheute, die Mitglieder der teilfaschistischen Heimwehr als „Kameraden"
anzusprechen. 140
Jedoch lautete für Meinl die Grundregel offenbar stets: Das Geschäft hat
Vorrang.

Die Firma Meinl und ihre Eigentümer in der Zeit des Nationalsozialis-
mus - die verzerrte Wahrnehmung einer diffizilen Geschichte

Auch nach dem „Anschluss" an Deutschland hielt Julius II. am Primat einer
gedeihlichen Weiterentwicklung seines Unternehmens fest. Er trachtete, sich
mit dem nationalsozialistischen Regime zu arrangieren, obwohl ihm dessen Ideo-
logie fern stand. Ein Schreiben des Gaupersonalamts gibt Einblick in die An-
strengungen, die Julius II. in diese Richtung unternahm: „Nach dem Umbruch
hat er in der zuständigen Ortsgruppe einen Fragebogen eingereicht, in dem er
ausführt, daß er von der früheren Regierung verfolgte Nationalsozialisten trotz
vorübergehenden Strafen eingestellt hat und illegale Kämpfer seiner Firma trotz
bekannter Vorstrafen neu einstellte." 141
Im Sinne guter Kontakte zu den nationalsozialistischen Machthabern rückte
die Firma außerdem Personen in den Vordergrund, die dem Regime zu Gesicht
standen: Betriebsführer der Julius Meinl AG wurde Friedrich Schüngel, der bis
Mitte 1939 das Berliner Tochterunternehmen geleitet hatte und seit 1932 Mit-
glied der NSDAP war. Für Interventionen bei NS-Stellen war Rudolf Starke,
ein Schwager von Reichsstatthalter Seyß-Inquart, in besonderem Maß geeig-
net. Über den künftigen Erben des Firmenimperiums hingegen konstatierte die
Reichsstatthalterei Bürckel in einer Korrespondenz von Anfang 1940 mit Be-
friedigung: „Julius Meinl jun., der mit einer Jüdin verheiratet ist, ist seit Juni
1939 gänzlich aus dem Unternehmen ausgeschieden und befindet sich außer-
halb der Reichsgrenzen." 142
In der Tat hatte Julius III., Vizepräsident der Julius Meinl AG, sein Amt
aufgegeben und war über Jugoslawien nach England emigriert. Dort engagierte
er sich in verschiedenen Organisationen des österreichischen Exils. 1940 ge-
hörte er zu den Exponenten des Austria Office, das als offizielle österreichische
Exilvertretung gedacht war, von der britischen Regierung allerdings nicht aner-
kannt wurde. 1941 gründete er gemeinsam mit anderen Vertretern des liberalen
Bürgertums die Austrian Democratic Union, als deren Präsident er auch fun-
gierte. Die Gruppe um Meinl propagierte ein demokratisches Österreich mit
prowestlicher Orientierung und - natürlich - kapitalistischer Wirtschaftsord-
nung.143
Während sich Julius III. in der Emigration für ein freies Österreich ein-
setzte, wachte sein Vater weiterhin als Aufsichtsratspräsident über die Julius
84 Oliver Kühschelm

Meinl AG. Das Unternehmen machte während des Krieges gute Geschäfte und
konnte enorm expandieren. Dem mittlerweile über 70-jährigen Julius II. musste
es allerdings Kopfzerbrechen bereiten, dass sein logischer Nachfolger im „feind-
lichen" Ausland weilte. 1942 adoptierte er deshalb Friedrich Hiksch, der ein
guter Freund seines Sohnes gewesen sein soll. Hiksch leitete damals das rumä-
nische Tochterunternehmen des Konzerns. 144 Binnen kurzem wurde er zum
Nachfolger aufgebaut und im Testament auch als Erbe eingesetzt. Als Julius II.
im Mai 1944 verstarb, übernahm Fritz als neuer Eigentümer die alleinige Füh-
rung des Unternehmens.
Schon ein Polizeibericht von Juli 1944 äußerte freilich den Verdacht, dass
es sich um eine Tarnung gegenüber Öffentlichkeit und Behörden handle: „Dies
insbesondere deshalb, um die Erbansprüche des seit Jahren sich im Auslande -
derzeit angeblich in New York - aufhaltenden Sohnes des Generalkonsuls zu
wahren. Generalkonsul Julius Meinl war alles andere als national eingestellt
und hätte es angeblich lieber gesehen, wenn die Feinde Deutschlands den Krieg
gewinnen würden und er und seine Nachkommen somit ihren kapitalistischen
Tendenzen freien Lauf geben könnten." 145
Wie von den NS-Behörden geargwöhnt, hatte das Testament von Julius II.
einen doppelten Boden: Im Fall eines Sieges der Alliierten, der beim Tod von
Julius II. längst absehbar war, sollte der leibliche Sohn Julius III. 53 % des Ak-
tienbesitzes erhalten und Fritz an der Spitze des Unternehmens ersetzen. 146
Dieser zog sich daher nach dem Krieg plangemäß aus der Meinl AG zurück und
lebte fortan als Privatier in Wien.147
Die Zeit des Nationalsozialismus, die dem „Regierungsantritt" von Julius
III. unmittelbar vorauslag, bildete auch im Fall der Julius Meinl AG eine Phase
der Geschichte, über die man sich nur mit einigen Floskeln äußerte, wenn man
sie nicht gänzlich überging. Man sprach jedenfalls nicht über eine Konzernpo-
litik, die von der NS-Großraumwirtschaft profitiert hatte. Ein sehr heikler Punkt
war ferner die Emigration von Julius III. In einer Serie über die Unternehmens-
geschichte, die zu Beginn der Fünfzigerjahre in der „Meinl-Post" erschien, wurde
lapidar festgehalten: „Nach Einstellung der Kampfhandlungen in Europa
konnten die Mitarbeiter des Hauses den heutigen Chef in ihrer Mitte begrüßen
[...]" Indem die Firmenzeitschrift vermied, das Exil von Julius III. zu thema-
tisieren, trug sie dem politischen Klima in Österreich Rechnung. Leopold Figl
meinte 1945 bei einer Versammlung in Salzburg: „Es war für die Emigranten
sicherlich bequemer, in ihren Clubsesseln zu sitzen, als für Österreich zu lei-
den." 148 Die Unterstellung, die der damalige Bundeskanzler formulierte, ist be-
zeichnend für die damals in Österreich vorherrschende Meinung über jene, die
aus dem NS-Staat geflüchtet waren. Für die Julius Meinl AG, die sich als Inbe-
griff eines österreichischen Unternehmens verstehen wollte, bildete die Emi-
gration ihres Eigentümers einen dunklen Fleck auf der heimattreuen Weste; um-
so mehr als Julius III. sich im Exil tatsächlich einer materiell privilegierten
Position erfreut hatte, wie sie Figl mit seiner Metapher der Clubsesseln als ty-
Julius M e i n l - Patriarchalisch, ( g r o ß ) b ü r g e r l i c h , ö s t e r r e i c h b e w u s s t 85

pisch hinstellte. Der Industrielle war zwar für ein demokratisches Österreich
eingetreten, doch darf bezweifelt werden, ob ihm und seiner Firma die Erwäh-
nung dieses Engagements besondere Sympathie unter jenen Landsleuten und
Konsumentinnen hätte einbringen können, die auf Seiten des Deutschen Rei-
ches den Krieg erlebt und „ihre Pflicht" getan hatten.
Auch Printmedien, die dem Konzern Wohlwollen entgegenbrachten, ach-
teten darauf, die Zeit des Nationalsozialismus nur flüchtig zu berühren. Sie
berücksichtigten sorgsam Empfindlichkeiten des Unternehmens wie der Mehr-
heit der Österreicherinnen. Wenn hingegen eine kritische Beschäftigung mit
der Firma Meinl und ihren Eigentümern versucht wurde, so hakte man gerade
beim Verhalten der Meinls während des NS-Regimes ein. Ein frühes Beispiel
dafür gibt die „Volksstimme". Sie nahm 1956 in ihrer Serie „Österreichs größte
Geldsäcke" den „Meinl-Mohr und seine Eltern" aufs Korn. Das kommunisti-
sche Blatt beschreibt die Meinls als „Großmeister in der Kunst, Beziehungen
zu pflegen": Dank ihrer Fähigkeit, sich nach dem Wind zu drehen, hätten sie
die NS-Zeit gut überstanden. Ins Auge stach der Zeitung natürlich „das einzig-
artige Testament" von Julius II., der sich „gegen alle Eventualitäten" abgesi-
chert habe. Gestützt auf den gut recherchierten, aber sehr tendenziösen Artikel
der „Volksstimme" übernahmen später liberale und konservative Blätter wie
der „Trend", die „Wirtschaftswoche" oder der „Kurier" diese Linie der Ausein-
andersetzung. 149 Man übersah geflissentlich, dass Julius II. sich nicht die Mühe
eines „kreativen" Testamentes hätte machen müssen, wären er und sein Sohn so
wie viele ihrer Kollegen begeisterte Nationalsozialisten gewesen.

Tradition - Hauptelement des Images von Meinl in der Zweiten


Republik

Der Begriff Tradition spielt für das Fremd- und Selbstbild Österreichs eine zen-
trale Rolle. Einerseits vermarktet die Tourismuswerbung Österreich als History-
land, von dem sich die Besucherinnen das Erlebnis eines imperialen Erbes und
klassischer (Musik-)Kultur erwarten können. Andererseits sind für den Natio-
nalstolz der Österreicherinnen „eher biedermeierliche Assoziationen" 150 cha-
rakteristisch: Ihr Selbstbewusstsein stützt sich maßgeblich auf Unveränderli-
ches wie die Landschaft und auf kulturelle Leistungen, die in ferner Vergangen-
heit erbracht wurden.151
Ein Artikel in der „Presse" von 1957 thematisierte Traditionsbewusstsein
anhand der Meinl-Filiale gegenüber der Oper.152 Diese galt als „hypermodern",
denn in das Geschäft konnte man sich über eine Rolltreppe von der Opern-
passage aus befördern lassen. Weiters verfügte es über eine Klimaanlage und
war - so versicherte die „Presse" - „mit allen Finessen der modernen Verkaufs-
technik ausgestattet". Trotz aller Modernität ließ die Filiale nach Ansicht der
Zeitung jedoch „die wienerische Eigenschaft [erkennen], der Tradition treu zu
86 Oliver Kühschelm

bleiben, wo immer dies möglich ist". Der Kaffee werde nicht mit automati-
schen Geräten gewogen, sondern auf der „blitzblanken Messingwaage". Diese
sei „nicht anders beschaffen, als jene am Laurenzerberg [wo sich das Geschäft
von Julius I. ab 1879 befand, O.K.] es gewesen sein mag." Auch habe man den
Kaffee am Eröffnungstag nicht mit der Espressomaschine zubereitet, sondern
„nach dem alt-wienerischen Rezept". Fazit: „Das Nebeneinander von Hyper-
modernem und Althergebrachten an der Opernkreuzung ist typisch für Wien,
für den baulichen Charakter der Stadt ebenso wie für die Wesensart der Bewoh-
ner."

Wiederaufbau: die neue Meinl-Filiale an der Opernkreuzung in Wien (1957)

Recht instruktiv ist auch, wie die „Wiener Wochenausgabe" die Laufbahn von
Julius II. auf eine mit Österreich-Klischees verträgliche Dimension zurechtstutzt:
„Es war kein amerikanischer Aufstieg vom Stiefelputzer bis zum Chef des Groß-
konzerns, den Julius Meinl nahm. Sein Weg war typisch österreichisch. Ein
langsames Wachsen aus gegebenen Verhältnissen, ein kluges Entwickeln einer
schon vorhandenen Voraussetzung zu einem - allerdings im Vorhinein kaum
abschätzbaren - Erfolg." 153 Kein Selfmademan zu sein wird hier zur österrei-
chischen Qualität stilisiert. Wenn wir diese Spur verfolgen, stoßen wir auch auf
eine weitere mögliche Erklärung, warum Billa als Gedächtnisort eine ver-
gleichsweise geringe Bedeutung erlangt hat. Über Karl Wlaschek, den Gründer
des Lebensmittelkonzerns, urteilte der „Trend": „Er machte den importierten
amerikanischen Traum von der Karriere des kleinen Mannes wahr." 154 Das
Handelsmagazin „Cash" meinte 1989 über die steile Karriere Wlascheks seit
Julius M e i n l - Patriarchalisch, ( g r o ß ) b ü r g e r l i c h , ö s t e r r e i c h b e w u s s t 87

Erfindung des Labels „Billa": „Was danach kam, liest sich wie aus einem jener
unzähligen amerikanischen ,Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Biographi-
en. l " 155 Generell wurde die Laufbahn von Wlaschek als Ausnahmeerscheinung
dargestellt - nicht nur, weil seine Bilanz als Unternehmer objektiv betrachtet
ungewöhnlich ist, sondern weil man diese Art von Erfolg als untypisch für Öster-
reich ansah. Das (Un)Typische ist aber keine statistische Kategorie, denn auch
in den USA bringen es nur wenige zu Millionärinnen. Während jedoch der Self-
mademan dem Bild entspricht, das man sich von diesem Land der kapitalisti-
schen Freiheit macht, gilt das für Österreich offenbar nicht.
Meinl wurde in den vergangenen Jahrzehnten von den Medien stets mit
einer konservativen Haltung, mit Beständigkeit und Behäbigkeit in Verbindung
gebracht. Komplementär dazu unterließ Meinl es nie zu betonen, als welch ho-
hen Wert man Tradition erachtete. „Tradition ist hier keine leere Phrase", ver-
kündete die „Meinl-Post" 1952 als Motto.156 Es ist hilfreich, sich der ursprüng-
lichen Bedeutung des Begriffes zu erinnern. Im römischen Erbrecht meinte
traditio eine Eigentumsübertragung: „Das Ideal dieser Form von Tradition be-
steht darin, Besitzverhältnisse trotz widerständiger Umstände ungeschmälert in
einer Familie zu erhalten." 157
Gegenüber allem Neuen kultivierte die Firma eine demonstrative Skepsis,
obwohl Julius III. den Begriff Fortschritt nach altliberaler Sitte stets im Munde
führte. „Der Einsatz moderner Maschinen bedeutet für Präsident Meinl viel,
aber nicht alles", ließ man 1978 die Öffentlichkeit wissen, denn sie könnten
„die heute vielfach minderbewertete Erfahrung" nicht ersetzen. Auch moderne
Marketing-Methoden hielt man für überschätzt, während man den „traditionel-
len Kaufmannsgeist" als ungebrochen aktuell ansah. In dieser Selbstdarstel-
lung scheint ein Unbehagen mit den Entwicklungen der Jahrzehnte nach 1945
durch. Julius III. konnte sich im Grunde genommen mit der seit den Sechziger-
jahren entstehenden Überflussgesellschaft nie richtig anfreunden. Der Besitzer
eines Handelskonzerns erachtete es vielmehr als seine Mission, die „Euphorie
der Konsumgesellschaft" zu verurteilen und die Gefangenschaft der Menschen
„in ihrem reißenden Bedürfnisstrom" zu bedauern. 158
Einen tiefen Einblick in die Mechanismen der Selbststilisierung des Meinl-
Konzerns gibt ein Gespräch, das die „Wirtschaftswoche" 1995 mit dem Vor-
stand Ferdinand Hacker führte. Dieser räsonierte über die Lehren aus der spek-
takulären Pleite des Konsums: „Bis vor 20 Jahren war der Konsum nicht nur
das Synonym für den Lebensmitteleinzelhandel, sondern eine Religion. Ich stelle
mir natürlich die Frage, wie aus einer Religion eine Insolvenz werden kann."
Die Interviewerin replizierte treffend: „Der katholischen Kirche laufen auch
die Gläubigen davon." 159 Wenn Hacker über den Konsum nachdachte, so war
ihm zweifellos bewusst, dass man genau dasselbe über Meinl hätte sagen kön-
nen, der in dieser Hinsicht das bürgerliche Pendant zum „roten Riesen" bildete:
Auch Meinl verstand sich als Religion mit ihrer eigenen Liturgie des Einkaufs
und auch Meinl liefen die Gläubigen davon.
88 Oliver Kühschelm

Im „Trend" wurde Julius III. 1974 mit der sehr bezeichnenden Aussage
zitiert: „Die Menschen bewundern am liebsten, was Dauer hat." 160 Wenn man
sich die Befunde über die nationale Identität der Österreicherinnen vor Augen
hält, mag man Julius III. in diesem Punkt Recht geben. Jedoch übersah er ge-
flissentlich, dass Bewunderung nicht automatisch die Bereitschaft zum Einkauf
im Meinl-Laden zur Folge haben muss. Meinl wurde zum Inbegriff eines alt-
modischen Konsumstils, zum Gedächtnisort im Sinne der Erinnerung an eine
nostalgisch verklärte Gewohnheit der Vergangenheit, die man jedoch in der
Gegenwart keineswegs aufrechterhalten oder wiederbeleben will. Eine Journa-
listin meinte anlässlich des Verkaufs von Meinl 1998: „Sehen Österreicher den
typischen Meinl-Marken-Mohr mit dem roten Fez, weht imaginärer Kaffeeduft,
werden Kindheitserinnerungen vom Einkauf an der Hand der Großmutter wach
[,..]"161 Der Satz enthält eine Reihe von Signalen, dass Meinl einer unwieder-
bringlichen Vergangenheit angehört: Das Mohrenzeichen auf gelbem Grund
weckt Erinnerungen an die Kindheit, der man ebenso wie dem Meinl-Geschäft
entwachsen ist, und an die Großmutter - als alter Mensch die typische Kund-
schaft der Meinl-Filiale.
Tradition macht in der Zweiten Republik die Stärke von Meinl als österrei-
chischem Gedächtnisort aus und zugleich seine Schwäche als Handelsunter-
nehmen. Freundliche Firmenporträts schwärmten vom Konzern, „getragen von
einer großen Tradition", 162 kritische Artikel sprachen schlicht von „Tradition
als Bremsklotz". 163

Der Verkauf der Meinl-Filialen - Ausverkauf österreichischer Identität?

Als Ende Juli 1998 bekannt wurde, dass der Meinl-Konzern sein Filialnetz an
Rewe zu veräußern gedachte, wirbelte die Neuigkeit - wie nicht anders zu er-
warten - gehörig Staub auf. Die zum Teil recht emotionellen Reaktionen auf
den „Deal" mit dem deutschen Lebensmittelkonzern kamen nicht aus heiterem
Himmel: Die Debatte um den Beitritt zur Europäischen Union und generell die
Diskussionen um die Internationalisierung der Wirtschaft, die unter dem Schlag-
wort der Globalisierung geführt werden, hatten das Feld entsprechend aufbe-
reitet. Auch war Meinl nicht die erste Firma, die in ausländisches Eigentum
wechselte. Gerade der Rewe-Konzern, der nun Meinl „schlucken" wollte, hatte
erst 1996 Billa von Karl Wlaschek erworben. „Wieder ist ein Konzern ins
feindliche Ausland verkauft worden", ironisierte damals das „Wirtschaftsblatt"
die Stimmung in Österreich. 164 In den Kommentaren zur Übernahme von Billa
durch Rewe entdeckt man bereits all jene Motive, die sich auch in den Zei-
tungsartikeln finden, die zwei Jahre später anlässlich des Geschäftes zwischen
Meinl und Rewe verfasst wurden. Allerdings regte der Besitzwechsel bei Billa
weniger auf. Zwar spielte die Julius Meinl AG eine viel kleinere Rolle im hei-
mischen Lebensmittelhandel, doch ihr Symbolwert war ungleich höher.
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 89

„Beim Meinl werden sie weich. Plötzlich werden Menschen von Bedenken
über den .Ausverkauf' der heimischen Wirtschaft geplagt, denen Übernahmen
von Steyr-Daimler-Puch, Leykam oder Atomic durch ausländische Mehrheits-
eigentümer so ziemlich egal sind", notierte das „Industriemagazin". 165 Meinl
wurde als vorläufiger Schlusspunkt in einer identitätsgefährdenden Kette von
Firmenübernahmen durch ausländische Eigentümer thematisiert. Die Zeitun-
gen schrieben allerdings durchwegs gegen diese Sichtweise an, von der sie ver-
muteten, dass sie die Meinung der Österreicherinnen beherrsche. Gleichzeitig
(re)produzierten sie jene Mythen, als deren Bekämpfer sie sich deklarierten.
Worin man das typisch Österreichische bei Meinl sieht, müssen wir wohl nicht
mehr in extenso ausführen. Um ihren Leserinnen die entsprechenden Inhalte zu
vergegenwärtigen, brachten die Zeitungen Hintergrundinformationen über das
Unternehmen und seine Geschichte. Sie riefen jene Bilder ab, die das kulturelle
Gedächtnis über Meinl aufbewahrt, und nie fehlte die Feststellung, dass die
Firma in einem besonderen Maß österreichische Tradition verkörpere.
Richard Nimmerrichter erklärte aber als „Staberl" in der „Kronenzeitung":
„Fruchtlos ist die Nostalgie." 166 Als Beleg listete er Objekte nationalen Stolzes
auf, die durch gesellschaftlichen Wandel unter Druck geraten waren. Etwas Frem-
des und/oder Modernes verdrängte aus seiner Perspektive jeweils das typisch
Österreichische: Manches bodenständige Wirtshaus habe schon wegen der Kon-
kurrenz eines „unfeinen amerikanischen Fleischlaberltempels" schließen müs-
sen; die sublime Erotik des 19. Jahrhunderts sei durch Pornografie ersetzt wor-
den; „wildgewordene linke Regisseure" profanierten das Theater, einst Stätte
eines „edlen Pathos", und „was sind schon in der Musik Mozart, Beethoven
oder Bruckner, wenn zeitgenössische Komponisten, die den Kontrapunkt eben-
so geschwänzt haben wie die Harmonielehre, heute Nähmaschinen rattern oder
Staubsauger brummen lassen?" Nimmerrichter suggerierte: Wenn es nicht ge-
lungen war, diese leidigen Veränderungen zu verhüten, so konnte man auch
nicht verhindern, dass Meinl an ein deutsches Unternehmen veräußert würde.
Der Journalist problematisierte nicht ein nationalistisches Wir-Gefühl, mit dem
die „Kronen Zeitung" immer sehr geschickt spielt, sondern er versuchte, ein-
schlägige Ressentiments zu bedienen. Gleichzeitig nahm er den Verkauf von
Meinl aus der Schusslinie, indem er dumpfen Nationalismus zu einer resignati-
ven Klage über moderne Zeiten formte. Als Objekt der Abneigung wurden
Komponistinnen oder Theaterregisseurlnnen vorgeschoben.
In den Medienberichten klingt immer wieder an, dass der Verkauf von Meinl
deshalb besonders schmerze, weil der neue Besitzer ein deutsches Unterneh-
men sei. Richard Nimmerrichter zeigt Verständnis für den Unmut: „Tatsächlich
muß man ja in der Geschichte unseres Landes bis ins Jahr 1938 zurückgehen,
um auf eine ähnlich rabiate Einverleibung österreichischer Vermögenswerte
durch deutsche Heilsbringer zu stoßen."167 Wenn Rewe 1998 die Firma Meinl
erwirbt, so gemahnt diese „Eroberung" daran, wie Österreich - so das von der
„Kronen Zeitung" gerne strapazierte Selbstbild der Zweiten Republik - schon
90 Oliver Kühschelm

1938 zum wehrlosen Opfer des deutschen Imperialismus wurde. Die Akquisiti-
on einer großen österreichischen Firma durch eine deutsche ist also kein x-
beliebiges Geschäft, sondern es erfährt vor dem Hintergrund des diffizilen Ver-
hältnisses Österreichs zu seinem nördlichen Nachbarn eine spezielle Deutung.
Bekannte Stereotype kommen zum Zug: „Die Deutschen san da sehr knaschtig,
die legen gleich alles auf die Waagschale", äußern laut einem Bericht der „Pres-
se" die Mitarbeiterinnen einer Meinl-Filiale, die sich um ihre Zukunft sorgen.168
Die Zeitung gibt sich hier nur als Spiegel von Gefühlen der Beschäftigten, doch
fügt sich das Zitat in das von den Medien gezeichnete Bild von Meinl als Re-
präsentant einer typisch österreichischen Liebenswürdigkeit. Dem steht Rewe
als Beispiel einer typisch deutschen unternehmerischen Tüchtigkeit gegenüber,
die sich durch Effizienz und Kostenbewusstsein auszeichnet. Unter negativen
Vorzeichen betrachtet erscheint der Kauf von Meinl durch Rewe/Billa als der
eines Unternehmens, das (ehemals) für hohe kulinarische Qualität stand, durch
einen (ehemaligen) Billiganbieter und entpuppt sich auch in diesem Sinn als
eine Attacke auf das österreichische Wesen, dem - so ein gängiges Stereotyp -
das gute Essen heilig ist.169

Wirtschaftsminister Hannes Farnleitner gegen den deutschen Michel, der Meinl geschluckt hat.
Karikatur aus der „Kleinen Zeitung"

Als Grund dafür, dass der Verkauf von Meinl an ein deutsches Unternehmen
keinen Anlass zu Besorgnis gebe, wurde von den Zeitungen gerne angeführt,
dass Österreich ja Mitglied der Europäischen Union sei. Innerhalb ihrer Gren-
zen entpuppe sich aber aufgrund des Binnenmarktes die alte Gegenüberstellung
von Inland und Ausland als nichtig. Christian Rainer verfasste im „Profil" ei-
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 91

nen Leitartikel mit dem interessanten Titel „Der europäische Mohr". Schon im
Vorspann legte er mit demonstrativer Kaltschnäuzigkeit klar, dass Jammern
keinen Sinn habe. Barsch gab er den Befehl aus: „Wer sich vor dem Verkauf der
österreichischen Identität fürchtet, der sollte sich schleunigst eine neue zule-
gen." Rainer war sich allerdings bewusst, dass die „bleischweren rationalen
Erklärungen" alleine nicht ausreichen würden. Deshalb legte er den Öster-
reicherinnen Europa als „Andockstation für Orientierung suchende Seelen" ans
Herz. 170
In der Diskussion um den Meinl-Verkauf schwingt als Unterton die Mysti-
fizierung von Kleinstaatlichkeit mit, wie sie in unterschiedlicher Akzentuie-
rung für die Erste und die Zweite Republik von wesentlicher Bedeutung war.
Während die politischen Eliten und die Bevölkerung in der Zwischenkriegszeit
an der Lebensfähigkeit des geschrumpften Österreichs zweifelten, erfuhr die
Kleinheit des Staates nach 1945 eine positive Deutung, denn Österreich insze-
nierte sich als harmlose Unschuld, was besonders hinsichtlich der nationalso-
zialistischen Vergangenheit einigen Reiz hatte. Die ökonomische Erfolgsstory,
die mit dem „Wiederaufbau" begann, schien außerdem den Beweis zu erbrin-
gen, dass die geringe Größe des Binnenmarktes keinesfalls den Weg zu Wohl-
stand versperrt. Die Bemühungen um den Beitritt zur EG/EU führten einen
P a r a d i g m e n w e c h s e l herbei: Die Ü b e r z e u g u n g , dass Österreich ohne den
Anschluss an einen großen Wirtschaftsraum nicht existieren kann, gewann wie-
der an Boden. 171 Im Zeitalter der Globalisierung hielt man zunehmend den Klein-
staat für ein hilfloses Opfer von „global players". In seiner Kronenzeitungs-
Kolumne „anders gesehen" nahm Günther Nenning diese Betrachtungsweise
aus Anlass des Verkaufs von Meinl an Rewe aufs Korn. 172 Sein Artikel ist eine
eigenwillige Kombination aus kritischer Auseinandersetzung und Rückgriff auf
Österreich-Klischees. Er beginnt mit der Sentenz: „Verkauft's mei' Gwand, Γ
fahr' in' Himmel." Diese sei das „Prinzip der alt-österreichischen Ökonomie",
aber auch der gegenwärtigen: „Wir verkaufen alle unsere Gwandeln, soweit wir
noch im Besitze solcher sind, und f a h r ' n kerzengrad in den EU-Himmel."
Nachdem Meinl in der Gegenwart die Präsenz verloren hat, die ein dichtes
Filialnetz im kommunikativen Gedächtnis gewährleistete, wird die zukünftige
Bedeutung des Unternehmens als Erinnerungsfigur stärker vom kommerziellen
und symbolischen Erfolg seiner Markenprodukte, des Kaffees und der Marme-
lade, abhängen. Wir können getrost annehmen, dass sich der Zeitraum von 1998
bis 2000 (Verkauf der restlichen Filialen an Spar) in einem späteren Rückblick
als Wendepunkt in der Geschichte des Erinnerungsortes „Julius Meinl" darstel-
len wird. 173
92 Oliver Kühschelm

1
Regal 1/1977, 7.
2
Regal 7/1975.
3
Die Darstellung der Unternehmensgeschichte bis zum Zweiten Weltkrieg stützt sich weitge-
hend auf: Ingrid Proksch, Das Haus Julius Meinl. Die Entwicklung eines österreichischen
Unternehmens von 1862-1937, Phil. Diss. Univ. Wien 1970.
4
Uwe Spiekermann, Basis der Konsumgesellschaft. Entstehung und Entwicklung des moder-
nen Kleinhandels in Deutschland 1850-1914, München 1999, 325-330.
5
Josef Mentschl, Julius Meinl. Der Organisator des Meinl-„Staates", in: ders., Österreichische
Wirtschaftspioniere, Wien 1959, 148.
6
Herbert Matis und Dieter Stiefel, Die Weltwirtschaft. Struktur und Entwicklung im 20. Jahr-
hundert, Wien 1991,212.
7
Zum tschechoslowakischen Tochterunternehmen siehe Jana Gerslovä, Julius Meinl: im Kaffee-
rausch einer altehrwürdigen Firma, in: Kontakte und Konflikte. Böhmen, Mähren und Öster-
reich: Aspekte eines Jahrtausends gemeinsamer Geschichte, hg. von Thomas Winkelbauer,
Waidhofen/Thaya 1993, 355-362.
8
Rudolf Maurer, Die Finanz- und Absatzpolitik der Firma Julius Meinl von der Gründung bis
1971, Diplomarbeit Hochschule für Welthandel Wien 1972, 55 u. 71.
9
Meinl-Post 15/1969: Hier wurde eine von der „Wochenpresse" veröffentlichte Aufstellung
abgedruckt.
10
Trend 1974, Nr. 6, 72 f.; Margareta Lehrbaumer, Womit kann ich dienen? Julius Meinl - auf
den Spuren einer großen Marke, Wien 2000, 247.
11
Trend 1974, Nr. 6, 67.
12
Ebd., 76.
13
Meinl-Post 36/1978.
14
Cash. Das Handelsmagazin 1989, Nr. 5, 18.
15
So das Urteil von Dieter Weihs, dem Chef der ZEV-Einkaufsorganisation, zitiert in: News
1996, Nr. 42, 108.
16
Meinl-Post 8/1967.
17
Cash 1992, Nr. 5, 30.
18
Wirtschaftswoche, 17. Oktober 1996, 44.
19
Cash 1998, Nr. 7 - 8 .
20
Wirtschaftswoche, 17. Oktober 1996, 44; Trend 1997, Nr. 12, 88.
21
Wochenpresse, 29. Juni 1990.
22
Wirtschaftswoche, 17. Oktober 1996, 40.
23
Trend 1997, Nr. 12, 93.
24
Die zitierten Wendungen stammen aus: Cash 1989, Nr. 5; Arbeiterzeitung, 23. März 1990;
News, 17. Oktober 1996.
25
Wirtschaftswoche, 1. Juni 1995, 32.
26
Meinl-Post 86/1993.
27
News, 17. Oktober 1996.
28
Industriemagazin 1998, Nr. 9.
29
Julius Meinl. Geschäftsbericht 1995, 15.
30
Cash 1999, Nr. 2; Wirtschaftsblatt, 4. Februar 1999; Profil 1999, Nr. 40.
31
Trend 1999, Nr. 6, 75; Lehrbaumer, Womit kann ich dienen, 147, 155 u. 164.
32
Proksch, Haus Meinl, 85-90.
33
Eine Kurzbiographie bei Bernhard Denscher, Österreichische Plakatkunst 1898-1938, Wien
1992, 195; Meinl-Post 43/1956.
34
Extradienst, 19. November 1987.
35
Lehrbaumer, Womit kann ich dienen, 189.
36
Im Zeichen des Mohren 2/1936, 5 - 7 .
37
Im Zeichen des Mohren 3/1936.
38
Julius Meinl. Die Unternehmungen des Hauses von 1862 bis heute, Wien 1962, 41.
39
Maurer, Finanz- und Absatzpolitik, 156.
40
Zitiert nach Stefan Haas, Die neue Welt der Bilder: Werbung und visuelle Kultur der Moderne,
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 93

in: Bilderwelt des Alltags. Werbung in der Konsumgesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts.
Festschrift für Hans Jürgen Teuteberg, hg. von Peter Borscheid und Clemens Wischermann,
Stuttgart 1995, 64-77, hier 77.
41
Proksch, Haus Meinl, 270 f.; Maurer, Finanz- und Absatzpolitik, 158.
42
Lehrbaumer, Womit kann ich dienen, 125.
43
Proksch, Haus Meinl, 118.
44
Meinl-Post 3/1950.
45
Die Presse, 26. September 1962, PR IV.
46
Regal 1978, H. 3.
47
Die Presse, 26. September 1962, PR IV.
48
Siehe Panajotis Kondylis, Der Niedergang der bürgerlichen Denk- und Lebensform. Die libe-
rale Moderne und die massendemokratische Postmoderne, Weinheim 1991.
49
Die Presse, 26. September 1962, PR II.
50
Meinl-Post 42/1956.
51
Meinl-Post 76/1990.
52
Vgl. Sylvia Amonn, Das österreichische Wirtschaftsplakat während der Zwischenkriegszeit,
Diplomarbeit Univ. Wien 1996, 105-113.
53
Unternehmungen 1862 bis heute, 21.
54
Denscher, Plakatkunst, 168.
55
Lehrbaumer, Womit kann ich dienen, 206.
56
1938 musste der Darsteller des Meinl-Mohren übrigens Österreich verlassen. Er ging
nach Monrovia, der Hauptstadt von Liberia, wo er einen Nachtklub eröffnete. Meinl-Post 10/
1951.
57
Das von Otto Exinger gestaltete Sujet wurde 2002 übrigens als Bildunterlage eines Inserats
verwendet, das im Fließtext die Anekdote erzählt, wie ein Grazer Afrikareisender in Monrovia
zufällig auf den ehemaligen Darsteller des Meinl-Mohren traf. Der Standard, Rondo, 18. Ok-
tober 2002.
58
Industriemagazin 1998, Nr. 7 - 8 .
59
Die Presse, 26. September 1962, PR III.
60
Meinl-Post 10/1968.
61
Slave in a Box: The Strange Career of Aunt Jemima, by M.M. Manring, Rezension von Robert
E. Weems, in: Business History Review 73 (1999), 298-300.
62
Profil 1996, Nr. 35, 78.
63
Format 2002, Nr. 37, 77.
64
Meinl-Post 52/1983.
65
Salzburger Nachrichten (Wirtschaft im Bild), 20. Juli 1990,2; Neue Kronenzeitung, 2. August
1998, 28.
66
Neuer Kurier, 23. April 1955, 4; allgemein zur Kolumne „Blattl vorm Mund" siehe: Helmut
Qualtinger, Werkausgabe 5, hg. von Traugott Krischke, Wien-München 1997, 237.
67
Wiener Wochenausgabe, 26. November 1949, 6; 24. Dezember 1949, 7; 31. Dezember 1949,
8; 7. Jänner 1950, 7, 9; 14. Jänner 1950, 7; 21. Jänner 1950, 7. Der Verfasser oder die Verfas-
serin wird nicht namentlich ausgewiesen.
68
Wiener Wochenausgabe, 7. Jänner 1950, 7, 9.
69
Siehe das Stichwort „Barock" in: Susanne Breuss, Karin Liebhart und Andreas Pribersky,
Inszenierungen. Stichwörter zu Österreich, Wien 1995, 68 f.
70
Herbert Matis und Dieter Stiefel, Unternehmenskultur in Österreich. Ideal und Wirklichkeit,
Wien 1987, bes. 18 f., 105-114, 137, 113.
71
Die Meinl-Saga, in: Trend 1974, Nr. 6, 55.
72
Die Presse, 26. September 1962, PR II.
73
Ebd.
74
Wirtschaftswoche 1991, Nr. 38, 50 f.
75
Die Presse, 26. September 1962 PR I.
76
Wiener Wochenausgabe, 21. Jänner 1950, 7; Trend 1974, Nr. 6, 59.
77
Regal 1977, Nr. 1,38.
94 Oliver Kühschelm

78
Trend 1974, Nr. 6, 57.
79
Cash-Flow 1990, Nr. 2, 33.
80
Ebd.
81
Wirtschaftswoche, 9. Juli 1992 u. 21. Jänner 1993; Kurier, 16. Jänner 1996; Die Presse, 11.
Februar 1993.
82
Profil 1993, Nr. 27, 40.
83
News 1997, Nr. 16, 102.
84
Format 1999, Nr. 47.
85
Format 1999, Nr. 6, 73.
84
Wirtschaftswoche 1991, Nr. 38, 50.
87
Unternehmungen 1862 bis heute, 15.
88
Rundbrief von Julius III., Wien 29. Juli 1948, Archiv der Julius Meinl A G (JMAG-
Archiv).
89
Die Presse, 28. Juli 1956; Wiener Wirtschaft 1985, Nr. 11, 24; Isabell Baner und Daniela
Kalmar, Die Meinl-Schule. Ein Beispiel für erfolgreiche Lehrlingsausbildung in Österreich,
1903-1999, Diplomarbeit Wirtschaftsuniv. Wien 2001.
90
Cash 1989, Nr. 5, 20.
91
Meinl-Post 2/1950.
92
5-Tage-Arbeitswoche, in: Neues Wiener Tagblatt, 22. Jänner 1932; Lehrbaumer, Womit kann
ich dienen, 58.
93
Cash 1989, Nr. 5, 20.
94
News 1997, Nr. 16, 99 u. 100.
95
Trend 1992, Nr. 12, 93.
96
Die Presse, 30. Juli 1998.
97
Unternehmungen 1862 bis heute, 11.
98
Salzburger Nachrichten (Österreichs Wirtschaft im Bild), 20. Juli 1990; vgl. auch den PR-
Artikel in: Salzburger Nachrichten, 10. November 1978.
99
Die Presse, 26. September 1962, PR IV; Maurer, Finanz- und Absatzpolitik, 36.
100
Trend 1974, Nr. 6, 74.
101
Die Presse, 26. September 1962, PR IV.
102
Roman Sandgruber, Bittersüße Genüsse. Kulturgeschichte der Genußmittel, Wien-Köln-
Graz 1986, 5 9 - 8 8 .
103
Trend 1997, Nr. 12, 93.
104
Ebd., 91.
105
Meinl-Post 17/1970.
106
Stichwörter „Essen und Trinken", „Gemütlichkeit" und „Kaffeehaus" in: Breuss, Liebhart
und Pribersky, Inszenierungen, 117-126, 135-139, 154-156.
107
Ebd., 125 f.
108
Regal 1978, Nr. 2, 30.
109
Meinl-Post 36/1978.
1,0
Regal, 1. März 1995, 18.
111
Die Presse, 24. Mai 1996.
1,2
Format 1999, Nr. 49.
113
Falter 2000, Nr. 1,60.
114
Im Zeichen des Mohren 2/1936, 21.
115
Mentschl, Meinl, 149.
116
Siehe auch die Ergebnisse von 1995 geführten Gruppendiskussionen: Ruth Wodak u.a., Zur
diskursiven Konstruktion nationaler Identität, Frankfurt/Main 1998, 334 f.
1,7
Cash-Flow, 1. Februar 1990, 35.
118
Wiener Wochenausgabe, 14. Jänner 1950, 7.
119
Siehe: Birgit Morgenbrod, Wiener Großbürgertum im Ersten Weltkrieg. Die Geschichte der
„Österreichischen Politischen Gesellschaft 1916-1918", Wien-Köln-Weimar 1994; Heinrich
Benedikt, Die Friedensaktion der Meinlgruppe 1917/18. Die Bemühungen um einen Ver-
ständigungsfrieden nach Dokumenten, Aktenstücken und Briefen, Graz-Köln 1962; derselbe,
Julius Meinl - Patriarchalisch, (groß)bürgerlich, österreichbewusst 95

Julius Meinl, in: Neue Österreichische Biographie XVI, Wien-München-Zürich 1965,


140-152.
120
Interview mit Vorstand Hofinger in der Arbeiterzeitung: „Nostalgie steckt weniger dahinter,
wir wollen aber dorthin, wo wir einmal waren." Arbeiterzeitung, 23. März 1990.
121
Meinl-Post 75/1990.
122
Gewinn 1990, Nr. 6, 28.
123
Im Zeichen des Mohren 2/1936, 15 f.
124
Regal 1985, Nr. 5, 114.
125
Neues Wiener Tagblatt, 29. November 1928; der Artikel findet sich in einer Mappe mit Zei-
tungsausschnitten im JMAG-Archiv.
126
Der Abend, 28. November 1931; Rote Fahne, 14. Juni 1930; dazu noch ein weiterer Artikel
ohne Datum - alle Zeitungsausschnitte im JMAG-Archiv.
127
Proksch, Haus Meinl, 285.
128
Der österreichische Lebensmittelhändler 20/1929, 6 u. ein weiterer undatierter Artikel im
JMAG-Archiv.
129
Telegraf, 14. Jänner 1933, JMAG-Archiv.
130
Lehrbaumer, Womit kann ich dienen, 55.
131
„Über den Anschluß", abgedruckt in: Benedikt, Friedensaktion, 297 ff.
132
Morgenbrod, Großbürgertum, 85, 167.
133
Siehe z.B.: Julius Meinl, Der Irrglaube von der passiven Handelsbilanz/passiven Zahlungs-
bilanz; ein Exemplar der Denkschrift in: Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA), Präsident-
schaftskanzlei (Pk) 5037/1932.
134
AVA, Pk 7991/1929.
135
Julius Meinl, Demokratie und Kaufmann, in: Der Wiener Tag, 8. Dezember 1932, JMAG-
Archiv.
136
Zur Haltung der Sozialdemokratie vgl. Dieter Stiefel, Die große Krise in einem kleinen
Land. Österreichische Finanz- und Wirtschaftspolitik 1929-1938, Wien-Graz-Köln 1988,
355 f.; siehe auch: Die Zollpolitik der europäischen Staaten, in: Arbeiterzeitung, 7. Feb-
ruar 1930. Das Blatt berichtet hier zustimmend über einen einschlägigen Vortrag Meinls.
137
Abschrift eines Straßenplakates aus dem Herbst 1932, JMAG-Archiv.
138
Franz Planer, Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft, Wien 1929, 412; „Überaus große Opfer
hat J.M. für die innere Versöhnungspolitik gebracht", liest man auch in: Die geistige Elite
Österreichs. Ein Handbuch der Führenden in Kultur und Wirtschaft, Wien 1936, 5 9 9 - 6 0 1 ,
hier 601.
139
Heimwehrzeitung, 18. August 1929, JMAG-Archiv.
140
Arbeiterzeitung, 30. August 1929, JMAG-Archiv.
141
Politische Beurteilung von Julius Meinl, Wien 15. Dezember 1939, Archiv der Republik (AdR),
Bürckel-Korrespondenz, K. 124.
142
Schreiben an Reichsstatthalter Forster in Danzig, 23. Januar 1940, Ebd.
143
Zur Tätigkeit von Julius III. im Exil: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen
Emigration nach 1933. Bd. 1 Politik, Wirtschaft, öffentliches Leben, M ü n c h e n - N e w
York-London-Paris 1990, 487; Helene Maimann, Politik im Wartesaal. Österreichische
Exilpolitik in Großbritannien 1938 bis 1945, Wien-Köln-Graz 1975, 99 f., 2 2 5 - 2 2 7 ;
Österreicher im Exil. Großbritannien 1938-1945, hg. vom Dokumentationsarchiv des öster-
reichischen Widerstands, Wien 1992, 162, 238 f.
144
Zeugnis für Fritz Meinl, Wien 5. September 1949, JMAG-Archiv.
145
Bericht des Polizeipräsidenten in Wien, Wien 26. Juli 1944, JMAG-Archiv.
146
Internationale Wirtschaft 1947, Nr. 9, 4.
147
Trend 1974, Nr. 6, 72; Lehrbaumer, Womit kann ich dienen, 123.
148
Albert Stemfeld, Betrifft: Österreich, Wien 1990, 19.
149
Wirtschaftswoche 1991, Nr. 38, 52 f. u. 1996, Nr. 4 3 , 4 0 ; Profil 1995, Nr. 16, 52; Die Presse,
29. Juli 1998; Kurier, 29. Juli 1998, 15.
150
Emst Bruckmüller, Österreichbewußtsein im Wandel. Identität und Selbstverständnis in den
90er Jahren, Wien 1994, 58.
96 Oliver Kühschelm

151
Stichwort „Tradition", in: Breuss, Liebhart und Pribersky, Inszenierungen, 330-333.
152
Die Presse, 3. April 1957, 5.
153
Wiener Wochenausgabe, 26. November 1949, 6. Fast den gleichen Satz findet man bei
Josef Mentschl: „Julius Meinl machte keinen amerikanischen Aufstieg durch, der den Zei-
tungsjungen oder Tellerwäscher nach den Sternen am Wirtschaftshimmel greifen läßt."
Mentschl, Meinl, 144.
154
Trend 1980, Nr. 1,44.
155
Cash 1989, Nr. 1, 16.
156
Meinl-Post 12/1952.
157
Aleida Assmann, Zeit und Tradition. Kulturelle Strategien der Dauer, Köln-Weimar-Wien
1999, 93.
158
Regal 1978, Nr. 5.
159
Wirtschaftswoche, 1995, Nr. 23, 32.
160
Trend 1974, Nr. 6, 67.
161
Oberösterreichische Nachrichten, 1. August 1998.
162
Regal 1975, Nr. 7, 9.
163
News 1996, Nr. 42, 107.
164
Wirtschaftsblatt, 18. Juli 1996.
165
Industriemagazin 1998, Nr. 9.
166
Neue Kronenzeitung, 9. August 1998, 8.
167
Neue Kronenzeitung, 31. Juli 1998, 6.
168
Die Presse, 30. Juli 1998.
169
Textstellen, die auf diesen Aspekt Bezug nehmen: Kommentar von Andreas Zenker, Der Mohr
hat ausgedient, in: Die Presse, 29. Juli 1998; Kolumne von „Staberl" in: NKZ, 9. August
1998, 8.
170
Profil 1998, Nr. 29, 17.
171
Vgl. Robert Menasse, Das Land ohne Eigenschaften, Wien 1992, 7-12, 52 f.
172
Neue Kronenzeitung, 10. August 1998, 12.
173
Im kulturellen Gedächtnis ist Meinl jedenfalls fest eingeschrieben. Ein wesentlicher Bezugs-
punkt wurde erst im Jahr 2000 geschaffen, als Margareta Lehrbaumer eine üppig bebilderte
Monographie über Meinl veröffentlichte. Die Autorin, eine ehemalige Angestellte des Unter-
nehmens, schildert kenntnisreich seinen Werdegang. Zugleich lässt sich das populär ange-
legte Werk als Inventar all jener Motive lesen, die mit Meinl verbunden sind. Indem es
die verschiedenen Elemente der konnotativen Aura des Unternehmens und seiner Parade-
produkte bündelt, bietet es eine kanonisierende Gesamtschau und somit einen guten Ansatz-
punkt für die publizistischen Spezialistinnen des kulturellen Gedächtnisses. Das Buch „Wo-
mit kann ich dienen?" wurde nach Abschluss der ersten Fassung unseres Manuskripts veröf-
fentlicht. In der vorliegenden Version haben wir es - wie in den Anmerkungen ausgewiesen -
dort berücksichtigt, wo es gegenüber unserer eigenen Auseinandersetzung Präzisierungen
erlaubte.

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