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Faktencheck

Ausstellung und virtueller Rundgang von Benjamin Ortmeyer zur Ausstellung


Max Traeger in Frankfurt

https://asta-frankfurt.de/aktuelles/pm-ausstellung-im-dgb-haus-ffm-ns-lehrerbund-
gew-max-traeger-kein-vorbild

https://youtu.be/v8r7VxHGQUY

1. Behauptung
Benjamin Ortmeyer erklärte beim Rundgang mit Blick auf die 1. Ausstellungstafel:
„Die erste Zeitspanne war der Übergang, nachdem Adolf Hitler zum Kanzler gewählt
worden war, das war der Übergang von der Weimarer Republik zur NS-Diktatur. In
den ersten Monaten war noch viel möglich. Es gab Leute, die sich als Lehrer auch
verweigert haben. Und hier hat Max Traeger mit seiner Autorität in Hamburg den
Schub gegeben, in dem er gesagt hat: Ja, ich helfe mit, dass der alten Lehrerverein
in Hamburg in den NSLB geht. Das war der springende Punkt.“

Fakt ist:
Max Traeger war eine herausragende Persönlichkeit der Hamburger
Schulgeschichte. Er stand in der Tradition der reformpädagogischen Bewegung in
Hamburg, die ihn kurz nach der Novemberrevolution, 1920, zum Proponenten, wie
damals der Vorsitzende hieß, der ältesten deutschen Lehrerorganisation, der
„Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens“
wählte. Parallel dazu wurde Max Traeger von seinem Kollegium zum Schulleiter
gewählt, arbeitete in den Selbstverwaltungsorganen der Hamburger Lehrerschaft, im
Lehrerrat, später der Lehrerkammer, im Beamtenrat und wurde 1927 Abgeordneter
für die linksliberale Deutsche Demokratische Partei (DDP). Im Bildungsbereich und
als Abgeordneter in der Bürgerschaft trat er den Nationalsozialisten entgegen, die er
als undemokratisch und pöbelhaft erlebte. Bis zuletzt hatte Max Traeger mit den
Vorstandskollegen versucht, die Übernahme der „Gesellschaft der Freunde“ zu
verhindern. Nachdem die Nazis im ganzen Reich auf dem Vormarsch waren, Hitler
Reichskanzler geworden war, der Terror regierte, wurde Max Traeger mit zwei
anderen Vertretern vom bisherigen Vorstand gebeten, in Verhandlungen zu
erreichen, die Werte und das Vermögen der bisherigen „Gesellschaft der Freunde“,
das Curio-Haus und die sozialen Kassen, zu erhalten.
Dies gelang erst einmal. Vor der Hauptversammlung am 27.4.1933 hatte der
Gauobmann des NSLB, Hinrich von der Lieth, schriftlich zugesichert:
„Hierdurch erkläre ich als hamburgischer Kommissar zur Gleichschaltung der
Lehrerverbände, dass – abgesehen von abweichender reichsgesetzlicher Regelung
– die der ‚Gesellschaft der Freunde’ gehörenden Vermögenswerte, einschließlich
ihrer Kassen und des Curio-Hauses, dem gegenwärtigen Mitgliederbestand der
‚Gesellschaft der Freunde’ als Eigentum verbleiben werden.“ (HLZ Nr. 18/1933, S.
149). Siehe auch: Hans-Peter de Lorent: Max Traeger- Biografie, BeltzJuventa 2017.

2. Behauptung:
„Und man kann hier sehen, die erste Mitgliederkarte von Max Traeger in einer NS-
Organisation, im NSLB. Gleichzeitig hat er auch, wie man aus einem Protokollauszug
sieht, mitgeholfen, dass der alte Lehrerverband liquidiert und in den NSLB überführt
wird.“
Fakt ist:
Max Traeger ist niemals individuell, per unterschriebener Beitrittserklärung, in den
NSLB „eingetreten“. Die bisherige „Gesellschaft der Freunde“ ist in den NSLB auf der
Hauptversammlung am 27.4.1933 „übernommen“ worden. Max Traeger ist von den
Nazis als Schulleiter entlassen und aus allen ehrenamtlichen Funktionen entfernt
worden. Nach den Verhandlungen um das Vermögen des NSLB hat Max Traeger
nie wieder zu politischen Sitzungen und Versammlungen das Curio-Haus
betreten.

3. Behauptung:
Max Traeger habe sich „als Liquidator des alten Hamburger Lehrervereins“ betätigt:

Fakt ist:
Was Ortmeyer nicht weiß oder nicht sagt, ist, dass der Begriff „Liquidation und
Liquidator“ vom NSLB verwandt wurde, weil es diesem um die Auflösung,
Abwicklung und Umwandlung des Vermögens der „Gesellschaft der Freunde“ ging.
Max Traeger war von der „Gesellschaft der Freunde“ mit zwei anderen Kollegen
gebeten worden, in diesem Gremium dafür zu argumentieren, die materiellen Werte
der alten „Gesellschaft der Freunde“ nicht preiszugeben. Denn dies war bei den
früheren Verhandlungen „bis zu einer reichseinheitlichen Regelung“ so vereinbart
worden.
Es ging dabei also um den Versuch einer möglichst weitreichenden Rettung des
Curio-Hauses und der sozialen Kassen. Der Begriff „Liquidation“ diente dem Vortrag
und sonstigen Publikationen sicherlich zur Herstellung eines gewünschten Effektes.
Was den Vortragenden möglicherweise nicht präsent war, ist die Tatsache, dass im
betriebs- und rechtswissenschaftlichen Zusammenhang noch heute bei der
Auflösung einer Gesellschaft und der Klärung, was mit dem Kapital und den Werten
der Gesellschaft geschieht, von „Liquidation“ gesprochen wird und „Liquidatoren“ zu
bestimmen sind. (Wikipedia > Liquidation)

4. Behauptung:
Max Traeger sei ein „Nazi-Kollaborateur“ gewesen. Er habe als Abgeordneter in der
Hamburgischen Bürgerschaft einer Koalition der NSDAP mit der deutschen
Staatspartei, der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen Volkspartei
zugestimmt. „Anders als sein Parteikollege, der ehemalige Bürgermeister Carl
Petersen, trat er nicht zurück“.

Fakt ist:
Als Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft sowie als Mitglied des
Lehrerrates und des Beamtenrates in Hamburg in der Weimarer Republik, hatte Max
Traeger in vorderster Linie gegen rechte Lehrerorganisationen und gegen die Politik
der Nationalsozialisten und deren Abgeordneten gestritten. Das ist in den Protokollen
der Bürgerschaft nachzulesen. Max Traeger war 1927 als Mitglied der Deutschen
Demokratischen Partei (DDP) in die Bürgerschaft gewählt worden.
Im Reichstag wie auch in der Bürgerschaft war die DDP über viele Jahre eine relativ
erfolgreiche Partei gewesen, die an fast allen Reichsregierungen bis 1932 beteiligt
gewesen war. In Hamburg stellte sie mit Carl Petersen in Koalition mit der SPD über
viele Jahre den Ersten Bürgermeister. Allerdings hatte sie seit 1919 (18,5 % der
Wählerstimmen) im Reichstag einen abnehmenden Stimmenanteil. Ebenso in
Hamburg.
In ihrer Dissertation „Antisemitismus im Reichstag, judenfeindliche Sprache in Politik
und Gesellschaft der Weimarer Republik“ (Frankfurt am Main 2014) schrieb Susanne
Wein: „Den Rechtsextremen galt besonders die Deutsche Demokratische Partei
(DDP) als Inbegriff der System-und Republikverteidigung und voller ‚Juden’, die im
Parlament antisemitische Angriffe zurückwies“.
Zusätzlich gibt es eine Untersuchung von Martin Liepach über das „Wahlverhalten
der jüdischen Bevölkerung in der Weimarer Republik“ (Tübingen 1996). Danach
haben 1930 64 % der Juden in Deutschland die DDP gewählt, 28 % die SPD. Nach
1930 wählten 19 % der Juden die Deutsche Staatspartei, 62 % die SPD. 1932
äußerten sich die Leser der Zeitung des „Central- Vereins deutscher Staatsbürger
jüdischen Glaubens“: „So war von den Lesern ein dezidiertes Wahlverhalten
empfohlen: In den als sicher anzusehenden Wahlkreisen der Deutschen Staatspartei
(Hamburg, Berlin und Württemberg) sollte der jüdische Wähler für diese Partei
stimmen. In allen anderen außerhalb der genannten Wahlkreise sollen dann das
Zentrum oder die Sozialdemokraten gewählt werden.“ Man brauchte 60.000 Stimmen
für die Erbringung eines Mandates in einem der 35 Reichswahlkreise.
In seiner Arbeit: „Die FDP von 1945 bis 1953“ (Hamburg 2007) bestätigte Christoph
Brauers dies für Hamburg 1930. Er schrieb:
„Für die zu erwartende liberale Mini-Fraktion im neuen Reichstag im Bunde mit den
Jungdeutschen suchte der Vorstand nach sicheren Wahlkreisen für ihre
unverzichtbaren Fachleute. Zu diesen zählte auch der Wirtschaftsexperte der Partei
Gustav Stolper, der von Carl Petersen als Hamburger Kandidat unterstützt wurde.
Auf Empfehlung des Bürgermeisters nominierte der Landesvorstand Mitte August
Gustav Stolper für den ersten Platz der Landesliste. Stolper war ein in Wien
geborener Sohn ostjüdischer Einwanderer. Er hatte sich in den Parteigremien
scharf gegen das Zustandekommen des Wahlbündnisses gewandt. Stolper selbst
wurde im Wahlkampf mit einer üblen Hetzkampagne von Seiten der Nazis wegen
seiner jüdischen Abstammung überzogen.“ (S.76)
Gustav Stolper erzielte 1930 das reichsweit beste Ergebnis für die Deutsche
Staatspartei und blieb Hamburger Abgeordneter bis 1932.

Der Wahlkampf der Deutschen Staatspartei in Hamburg richtete sich gegen den
Antisemitismus und gegen die Nationalsozialisten.
Von einer Veranstaltung des „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen
Glaubens“ berichtete am 16.1.1931 der „Hamburgische Correspondent“. Referentin
war die Hamburger Oberschulrätin und Bürgerschaftsabgeordneten- Kollegin von
Max Traeger, Emmy Beckmann, die über die Gründung und den Ausbau der
Deutschen Staatspartei referierte. „Sie wies darauf hin, dass auch diese Partei,
deren Anfeindung vielfach aus missverständlicher Auffassung ihrer Zielsetzung
geschehe, den Gedanken der Nation in kultureller und sozialer Hinsicht betone. Sie
erkenne und wolle die Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes wieder neu
begründen und stabilisieren. In ihrer Stellung zur Frau, zum Frieden und zum
Judentum habe sich nichts geändert. Auch in diesen drei Fragen ist die
Staatspartei, die auf neuem Boden den in rasender Geschwindigkeit
vorwärtsdrängenden Forderungen des Tages gerecht werden will, der
programmatischen Grundeinstellung der alten Demokratischen Partei treu
geblieben.
Wesentliche Unterschiede zwischen Deutscher Staatspartei und Parteien von rechts
und links herrschen in Bezug auf die kulturellen Belange. Die Staatspartei wehrt sich
gegen jede Einengung deutscher Kultur, weil sie die Geschichte des deutschen
Volkes kennt. Weil sie weiß, dass seine Kultur hervorgegangen ist aus dem
Zusammenwachsen vieler Wurzeln. Sie weiß, dass das deutsche Volk Heidentum,
Christentum und Judentum in sich aufgenommen und in sich verarbeitet hat. Dies
Wissen gibt ihr die Achtung und den Glauben an die Kulturkräfte, die seit
Jahrhunderten in das deutsche Volk hineingetragen sind. Sie möchte deshalb keinen
dieser Ströme missen.
Die mit der Hoffnung auf eine Stärkung ihrer Partei schließenden Ausführungen
lösten lebhafte Sympathiekundgebungen für die Rednerin aus.“

Staatspartei gegen Nationalsozialismus


Fast zur selben Zeit berichtete der „Hamburger Anzeiger“ am 4.2.1931 von einer
Kampagne der Deutschen Staatspartei:
„Die Deutsche Staatspartei hat gestern einen energischen politischen Feldzug
begonnen. In 15 Versammlungen in allen Stadtteilen, Vororten und in den
Walddörfern, traten die Führer der Hamburger Organisation dem Nationalsozialismus
entgegen.“
Einer der Referenten war Max Traeger, der auf einer Veranstaltung in
Rothenburgsort sprach, wie der „Hamburger Anzeiger“ berichtet:
„Überall wurde die Kampfmethode der nationalsozialistischen Bewegung scharf
charakterisiert: Mit Terror, Verleumdung des Gegners und gewissenloser Agitation
will eine Partei, die den Idealismus für sich reklamiert, an die Macht gelangen. Der
blinde Wille zur Macht leitet die Nationalsozialisten, kein Programm und keine Idee.
In Arbeiterversammlungen sprechen sie radikaler als die Kommunisten, in
Festsitzungen der Industriellen versprechen sie, die Gewerkschaften schachmatt zu
setzen. Es kommt ihnen nicht auf eine neue Inflation an, es kommt ihnen auch nicht
auf eine schwere Schädigung der Hamburger Interessen an, wie die
Einfuhrmonopole zeigen, die von den Nationalsozialisten verlangt werden. Ihre
politischen Pläne sind absurd; aber das Gefährlichste ist die Atmosphäre, in die sie
das deutsche Volk gerissen haben, der Geist der persönlichen Verleumdung, die das
politische Wissen und das politische Argument ersetzen muss.
Die Versammlungen waren gut besucht, die Diskussionen durchweg lebendig.“

5. Behauptung auf Tafel 4:

„Max Traeger beteiligte ich sich stattdessen an der Etablierung des


Nationalsozialismus. Er widersprach nicht den nazistischen Beschlüssen und Taten
der neuen Hamburger Landesregierung wie ‚Judenboykott’, Bücherverbrennung,
Einrichtung der Konzentrationslager Kiwittmoor und Fuhlsbüttel, Einsatz des
‚Kommandos zur besonderen Verwendung’.“

Fakt ist:
Erst einmal wurde Max Traeger von den Nationalsozialisten aus seinem vom
Kollegium um und Elternbeirat gewählten Amt als Schulleiter entlassen, aus dem
Ehrenamt als Aufsichtsrat der Hochbahn ebenso wie als Mitglied des Vorstandes der
Wohltätigen Schülerheims und als Mitglied der Verwaltung des Curio-Hauses
entfernt. Also auch aus allen ehrenamtlichen Funktionen. Sein Mandat als gewählter
Bürgerschaftsabgeordneter nahm er wahr, auch in hoch dramatischer Zeit.
Die DDP und später Deutsche Staatspartei waren geprägt durch Carl Petersen, der
jahrelang Bürgermeister in Hamburg gewesen war, zeitweise Parteivorsitzender der
DDP, ein linksliberaler Kaufmann, der sich in den letzten Jahren vor 1933 mit Rudolf
Roß von der SPD als Bürgermeister abwechselte. Petersen war ein strikter Gegner
der NSDAP. Noch 1932 hoffte er, „dass die Hamburger Bürger es ablehnen werden,
sich von Herrn Hitler kommandieren zu lassen. Er rief auf „gegen allen Radikalismus
von rechts und von links, gegen Demagogie und Phrasenlärm, gegen politischen
Dilettantismus und zersetzende Kräfte.“ (Erich Lüth: Carl Petersen – Wegbereiter des
Bündnisses zwischen Bürger und Arbeiter in Hamburg, Hamburg 1971, S. 27)
Max Traeger verehrte sowohl Carl Petersen wie auch Rudolf Roß, (der Lehrer
gewesen war und Mitglied der „Gesellschaft der Freunde“) und hatte einen sehr
engen Kontakt zu den anderen PädagogInnen, die als Abgeordnete in der
Hamburgischen Bürgerschaft als SPD- oder DDP-Mitglieder dem Parlament
angehörten. Erich Lüth nennt in seinen diversen Büchern zur Geschichte der
Bürgerschaft immer wieder Max Traeger in einem Zusammenhang mit Richard
Ballerstaedt, Heinrich Landahl, Emmy Beckmann, Theodor Blinckmann und
Johannes Schult und Rudolf Roß, allesamt eindeutige Nazigegner. (Erich Lüth:
Hamburgs Schicksal lag in ihrer Hand, Geschichte der Bürgerschaft, Hamburg 1966)
Unter der Führung von Carl Petersen forderte die DDP/Dt. Staatspartei bei jeder
Gelegenheit eine härtere Gangart gegenüber den Nationalsozialisten. Petersen
warnte davor, das Bündnis mit den Sozialdemokraten zu gefährden. (Christof
Brauers: Die FDP in Hamburg 1945-1953, Hamburg 2007, S. 79). Er sagte im
Bürgerschaftswahlkampf 1931: „Welchen Hamburger packt nicht bei dem Gedanken
ein Grauen, dass Hitler Hamburgs Senatoren ernennen würde.“ (S. 80).
Carl Petersen legte sein Mandat nieder als er schwerkrank an sein Bett gefesselt
war.
Die politische Situation in Hamburg war schon seit der Wahl von 1931 fragil. Das
Ergebnis brachte keine arbeitsfähige Mehrheit, bei der Neuwahl 1932 wurde die
NSDAP stärkste Fraktion.
Nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 erließ Hitler die Notverordnung
„zum Schutz von Volk und Staat“, die der Verfolgung der Opposition einen legalen
Anstrich gab. Der geschäftsführende Hamburger Senat bekam die Folgen der
Verordnung bald zu spüren. Innenminister Frick verlangte ein auf zwei Wochen
befristetes Verbot des sozialdemokratischen „Hamburger Echos“ wegen
„verleumderischer Artikel“ gegen die Reichsregierung. Eine beabsichtigte Zumutung
für die SPD-Senatoren.

Am 3. März 1933 erklärten der zweite Bürgermeister Rudolf Roß und die SPD-
Senatoren Schönfelder, Krause, Neumann, Eisenbarth und Ehrenteit ihren Austritt
aus dem Senat. Auch der schwerkranke Carl Petersen resignierte. In seinem
Rücktrittsschreiben als erster Bürgermeister kam seine ganze Enttäuschung über die
politische Entwicklung der letzten Wochen zum Ausdruck:
„Ich habe an Herrn Bürgermeister Roß unter dem 1. März 1933 ein Schreiben
gerichtet, in dem ich mein Amt zur Verfügung gestellt habe. Der dringenden Bitte, die
Herr Bürgermeister Roß und die Herren Senatoren Dr. Matthaei und Dr. de
Chapeaurouge mir gegenüber aussprachen, dass ich die ohnedies zugespitzte Lage
nicht durch meinen Rücktritt noch erschweren möge, habe ich mich dann gefügt. Ich
habe in dieser Unterredung darauf hingewiesen, dass ich meine Lebensaufgabe in
einer Versöhnung von Arbeiterschaft und Bürgertum gesehen habe. Die
Entwicklungen, die jetzt vor sich gehen, scheinen mir an den Präsidenten des
Hamburgischen Senats Forderungen zu stellen, die weder mit der Hamburgischen
Überlieferung noch mit der Besonderheit dieses Amtes vereinbar sind.“
Die Nationalsozialisten in Hamburg erhöhten nach der Reichstagswahl am 5. März
1933 die Bedingungen für eine Koalition. „Statt eines Kandidaten der bürgerlichen
Parteien für das Amt des Ersten Bürgermeisters bestanden sie darauf, dieses Amt
mit einem Mann ihrer Wahl – dem Kaufmann Carl Vincent Krogmann – zu besetzen.“
(Brauers, S. 85)
Die Diskussion innerhalb der Fraktion der Deutschen Staatspartei war
langandauernd, kontrovers und heftig. Die Befürworter einer Koalition wollten so
versuchen, der dem Hamburger Handel und Hafen schadenden Autarkiepolitik die
Spitze zu nehmen. Außerdem wollten sie die Polizei nicht einem Nazi überlassen
und generell einen terroristischen Maßnahmenstaat verhindern.
„Am Ende war nach einer nächtlichen Marathonsitzung die Mehrheit in der 18-
köpfigen DStP-Fraktion zur Koalition mit den Nazis bereit. Abgesehen vom
erkrankten Carl Petersen gab es nur eine Handvoll Aufrechte in der liberalen
Fraktion.“ (Brauers, S. 85)
Es gibt keine personenbezogenen Unterlagen darüber, wer sich innerhalb der
Fraktion für oder gegen einen Koalitionssenat aussprach. Die Haltung von Max
Traeger ist somit nicht dokumentiert, ich vermute, dass er auf Seiten des von
ihm verehrten Carl Petersen stand.
Auch an der Neuwahl des Senats, von den Nazis auf den 8. März festgelegt, wollte
und konnte der ans Bett gefesselt Petersen nicht mehr teilnehmen und legte am
Vortag sein Mandat nieder. Carl Petersen erholte sich nicht wieder und starb am 6.
November 1933.

6. Behauptung auf Tafel 4 der Ausstellung:


„Max Traeger ließ sich vielmehr von den Nazis in verschiedene Ausschüsse der
Bürgerschaft wählen – ein Kollaborateur durch und durch. Max Traeger blieb bis zur
zwangsweisen Auflösung der Hamburgischen Bürgerschaftsabgeordneter der NS-
geführten Regierung.

Fakt ist:
Es fanden nur noch drei Bürgerschaft-Sitzungen statt, in denen es keine Debatten
und inhaltlichen Auseinandersetzungen gab. Dabei wurden für die einzelnen
Behörden Vertreter der Bürgerschaft gewählt. Max Traeger wurde, wie in den Jahren
zuvor schon, als Bürgerschafts-Vertreter in die Landesunterrichtsbehörde gewählt,
von der Bürgerschaft, nicht von „den Nazis“. Und auch diese Wahl hatte keine
faktische Bedeutung mehr, weil diese Vertretung niemals stattfand.
Max Traeger war als Abgeordneter in der Bürgerschaft seit 1927 gewählt worden. Er
gehörte auch der Fraktion der Deutschen Staatspartei an, von denen fünf
Abgeordnete bei der Wahl des Senates am 8. März 1933 ihre Stimme den
nationalsozialistischen und deutschnationalen Kandidaten verweigerten, die
lediglich 79 Stimmen erhielten, während Walter Matthaei (Staatspartei) und Wilhelm
Burchard-Motz (DVP), die schon dem vorigen Senat angehört hatten, 84 Stimmen
bekamen. „Offenbar hatten fünf Abgeordnete der DStP den Rechten die Zustimmung
verweigert.“ (Ursula Büttner: Der Aufstieg der NSDAP, in: Hamburg im Dritten Reich,
hrsg. von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg, Göttingen 2005, S.
64).
Da es eine geheime Abstimmung war, ist nicht gesichert, wer diese fünf
Abgeordneten waren. Aus meiner Sicht spricht in Kenntnis der Biografie von
Max Traeger alles dafür, dass er niemals einem Schulsenator Karl Witt und den
anderen Nationalsozialisten seine Stimme gegeben haben konnte, die er über
zehn Jahre vehement bekämpft hatte, genauso wie seine sozialistischen
Kollegen, die als SPD-Abgeordnete der Abstimmung ferngeblieben waren, es
gemacht hätten. Belegt ist dies nicht, ebenso wenig wie das Gegenteil. Völlig
absurd ist die von Bernhard Nette und Stefan Romey aufgestellte Vermutung, Max
Traeger könnte im Oktober Hospitant der NSDAP-Fraktion in der Bürgerschaft
gewesen sein. Der Hamburger Landesverband der Deutsche Staatspartei hatte sich
am 26.6.1933 aufgelöst, am 7.7.1933 waren die Mandate der SPD und der
Staatspartei in der Hamburgischen Bürgerschaft durch Reichsverordnung annulliert
worden (Ursula Büttner/Werner Jochmann (Hrsg.): Zwischen Demokratie und
Diktatur, Hamburg 1980, S. 163). Nach dem 28.6.1933 haben überhaupt keine
Sitzungen der Hamburgischen Bürgerschaft mehr stattgefunden! Und Max Traeger
war von den Nationalsozialisten aus seinem Schulleiteramt und allen
Ehrenämtern entlassen worden.
Mit wilden Spekulationen und absurden Vermutungen wird versucht, einen
Mann in die Nähe der Nationalsozialisten zu rücken, der mit diesen
nachweislich überhaupt nichts zu tun hat. Beschämend.

7. NSLB-Tafeln
Ortmeyer gibt selbst an, dass 97 % der Lehrerinnen und Lehrer Mitglied im NSLB
waren. Er ergänzt beim Rundgang: „Man musste nicht Mitglied sein, man konnte
auch austreten. Ein Drittel der NSLB-Mitglieder waren auch NSDAP-Mitglieder 1937“.

Fakt ist:
Max Traeger ist niemals in die NSDAP eingetreten.
Am 7.4.1933 war das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in Kraft
getreten. § 4 lautete: „Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht
die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat
eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden .“ Dies galt natürlich besonders
auch für Beamte die vorher anderen Parteien angehört hatten. Ein Austritt aus dem
NSLB wäre zwangsläufig auch mit einer Entlassung aus dem Schuldienst verbunden
gewesen. Und Max Traeger war bereits aus seinem Amt als Schulleiter entlassen
worden.
Bei meinen Recherchen über Nicht-NSLB-Mitglieder in Hamburg sind mir
ausnahmslos Personen aufgefallen, die dies mit tiefen religiösen Überzeugungen
begründeten. Das führte offenbar nicht zu Entlassungen aus dem Schuldienst, die
KollegInnen spielten aber auch keine besondere Rolle in der Schule.
Es bleibt die Frage, was die „üble Ausrichtung des NSLB, Julius Streicher, der
Antisemitismus des NSLB, die Euthanasieverbrechen“, von Ortmeyer benannt, mit
der Person Max Traeger zu tun hat. Dafür können Benjamin Ortmeyer und die
Ausstellung keinen einzigen konkreten Beleg nennen.

8. Behauptung:
Ortmeyer behauptet beim Rundgang wörtlich: „Die Verteidiger von Max Traeger und
des NSLB für die ist ein wesentlicher Punkt, dass sie nie auf die Zeugnisse der
jüdischen Schüler eingehen und sagen, ‚so schlimm war es doch gar nicht, alles
Übertreibung, die jüdischen Schüler haben übertrieben, die Lehrer waren gar nicht so
schlimm’.“

Fakt ist:
Es gibt keine „Verteidiger von Max Traeger und des NSLB“. Das Schreiben einer
Biografie über Max Traeger ist keine Verteidigung. Und die Hamburger GEW hat in
meiner Person als verantwortlicher Redaktionsleiter der Hamburger Lehrerzeitung in
Zusammenarbeit mit der Landes-Geschichtskommission der „Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten“ in einer Serie der Hamburger
Lehrerzeitung und dem Buch „Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz“, dass ich 1985
mit Ursel Hochmuth, der Tochter eines von den Nazis 1944 ermordeten KPD-
Bürgerschaftsabgeordneten, herausgegeben habe, zum ersten Mal die Situation im
Hamburger Schulwesen während der Naziherrschaft dargestellt und vielen
Antifaschisten in der Lehrerschaft mit deren Biografien ein Denkmal gesetzt. Ein
Beitrag in dem Buch setzt sich mit der Zerschlagung des jüdischen Schulwesens
auseinander. In einem zweiten Band, den ich 1986 mit dem
Erziehungswissenschaftler Prof. Reiner Lehberger herausgegeben habe, „Die Fahne
hoch“. Schulpolitik und Schulalltag in Hamburg unterm Hakenkreuz, haben wir in
einem großen Kapitel den jüdischen Schulen, jüdischen Schüler- und
Lehrerschicksalen gewidmet. Es war die Hamburger GEW, die intensiv an diesem
Thema gearbeitet und veröffentlicht hat.

9. Aussage
Ortmeyer zitiert „einen wichtigen Mann in der GEW“, den Vorsitzenden der GEW von
1960 bis 1968, Heinrich Rodenstein, „der sich 1933 entschlossen hat , zu emigrieren
und ein schöner Satz von ihm ist“:
„Es muss ja schließlich im Vierten Reich ein paar geben, die sich nicht bekleckert
haben“. „Ich hatte zu keinem Zeitpunkt erwogen, einen Versuch einer Anpassung zu
machen.“

Fakt ist:
Der Lehrer Heinrich Rodenstein in Braunschweig war aktiver Sozialist und ihm war
zum 31.7.1933 von den Nationalsozialisten seine Lehrerstelle gekündigt worden.
Erich Frister schreibt in der Biografie über Heinrich Rodenstein, dass dieser von den
Nazis und der SA gesucht und dass seine Frau Marta kurzfristig verhaftet wurde, um
ihren Mann zu verraten. Die Rodensteins flüchteten über Saarbrücken nach Paris
und kehrten erst 1945 nach Braunschweig zurück. (Erich Frister: Heinrich
Rodenstein. Lehrer und Gewerkschafter 1902-1980, Frankfurt 1988)
Ortmeyer versucht, Heinrich Rodenstein als positive Alternative zu Max Traeger
hinzustellen. Was er dabei unterlässt, verheimlicht oder vielleicht auch gar nicht
weiß: Heinrich Rodenstein hat Max Traeger sehr verehrt und über Jahre mit ihm als
zweiter Vorsitzender der GEW nach der Gründung 1945 eng und vertrauensvoll
zusammengearbeitet. Für Rodenstein hatte auch Max Traeger sich in keiner Weise
„bekleckert“.
In seiner Biografie von Heinrich Rodenstein beschrieb Erich Frister die erste
Begegnung Rodensteins mit dem früheren Geschäftsführers des ehemaligen
Preußischen Lehrervereins, Fritz Thiele, und Max Traeger, die gemeinsam eine neue
demokratische Lehrerorganisation nach 1945 vorbereiten wollten. Frister stellte fest:
Rodenstein „hatten beide Gesprächspartner imponiert. Der kleine, etwas
verwachsene, rundköpfige Traeger, der mit lebhaften wandernden, aber auch scharf
fixierenden Augen seinen klaren Fragen, durchdachten Ansichten und präzisen
Antworten Nachdruck verliehen hatte. Er (Rodenstein, d.L.) hatte Traeger nach
dieser ersten Besprechung als vertrauenswürdig eingestuft.
Auch die Rangordnung zwischen Traeger und ihm hatte sich ohne förmliche
Festlegung ergeben. Traeger war fünfzehn Jahre älter, der Genitivverein war
mindestens dreimal stärker als der braunschweigischer Gesamtverband, zudem trat
Traeger entschlossen als der Führende auf, und – er war froh gewesen, diese
Führungsrolle nicht übernehmen zu müssen.“ (S. 165f.)1

Auch Rodenstein selbst hat seine erste Begegnung mit Max Traeger 1945
beschrieben:
„Meine erste Bekanntschaft mit Max Traeger geht auf das Ende des Jahres 1945 zu-
rück. Wir bereiteten die Neugründung der Braunschweiger Lehrerorganisation vor
und hatten erfahren, dass uns Hamburg bereits vorangegangen war. Da wir in
Braunschweig entschlossen waren, keine restaurative Lehrervereinspolitik zu
betreiben, sondern unserer Katastrophenzeit entsprechen d Neuland zu betreten,
interessierte es uns besonders, wie die Hamburger Kollegen in ihrer Satzung neue
Organisationsformen gefunden haben könnten. Was diesem Besuch seinen großen
Wert gab, war die Bekanntschaft mit dem damaligen Vorsitzenden des Hamburger
Genitiv-Vereins, Max Traeger.Vor uns saß hinter seinem Schreibtisch ein kleiner, auf
den ersten Blick unscheinbar aussehender Mann. Hellwache, unruhige, dunkle
Augen, aus denen von Zeit zu Zeit der Schelm herauslugte. Der zur Seite geneigte
Kopf und die spürbare innere Verhaltenheit gaben meinem Gegenüber etwas
Listiges. Seine spärlichen Haare schien er mit betonter Zärtlichkeit zu pflegen.
Wenigstens versuchte er auch hier mit den von der Natur allerdings nur spärlich
gebotenen Mitteln ein Maximum von Effekt zu er- reichen dadurch, dass er sie unter
ständigem Wechsel der Anordnung bald so bald anders mit der Hand zurechtschob.
Unvergesslich ist weiterhin die große Präzision und eine aus seinem Wesen
fließende Aggressivität in der Argumentation. Aber schon in dieser ersten
Begegnung wurde mir deutlich, dass man es hier mit einem ‚Kämpfer wider Willen‘ zu
tun hatte. Es ist schwer, in den Spalten einer Zeitung über das Innerste eines
Menschen etwas auszusagen. Aber deutlich zu empfinden war doch, dass ein sehr
sensibler Mensch von großer innerer Vornehmheit hinter diesem so präzisen und
markanten Sprecher lebte.“ (GEW-interne Korrespondenz, 1952, S.165)

Rodenstein bewunderte bei dem 15 Jahre älteren Max Traeger dessen Kunst,
komplizierte Versammlungen zu leiten:

„In diesen Sitzungen haben wir an ihm immer wieder bewundert, wie er scheinbar
unbeteiligt, fast abwesend die Diskussion laufen ließ und dann plötzlich mit
imponierender Sicherheit den entscheidenden Punkt aufgriff und das Ei des
Kolumbus fand. Immer wieder haben wir ihn um seine Findigkeit bei der Suche nach
Auswegen aus einer komplizierten Situation beneidet. Diese seine große Fantasie
beschränkt sich auf die Aufgabe von Schule und Lehrerschaft, und zwar im
Schulpolitischen, Gewerkschaftlichen und Organisatorischen.“

Für Heinrich Rodenstein war es Max Traeger, der für Rodensteins eigenes Ziel, die
Lehrerschaft mit der Arbeiterbewegung zu verknüpfen, den entscheidenden
Durchbruch bewirkte:

„Hunderte unserer Mitglieder haben ihn 1948 auf der Vertreterversammlung in


Dortmund erlebt. Ein schlecht beratender Regierungsvertreter eines deutschen
Landes, der übrigens weit besser ist als sein Dortmunder Ruf, hatte auf einer
Vertreterversammlung, auf der der Anschluss an den DGB auf der Tagesordnung
stand, von einem ‚gewerkschaftsimitierenden Verhalten’ der Lehrerschaft
gesprochen. Ich höre noch heute Max Traeger neben mir am Vorstandstisch wie
einen gereizten Tiger knurren. Unvergesslich ist allen Beteiligten, wie er den Vorsitz
der Vertreterversammlung abgab und dann wie ein Stier mit gesenkten Hörnern in
die Arena stieg und in wild hingeworfene Sätzen, die jeder ein Keulenschlag waren,
die Unabhängigkeit der Lehrerschaft und ihren Willen zur eigenen Gestaltung ihres
Schicksals verkündete. Unvergessen auch, wie ein Landesverband nach dem andern
und auch die Vertreter der amerikanischen, französischen und sowjetischen
Besatzungszone auf die Frage Traegers, ob sie dem angegriffenen
Regierungssprecher oder ihm folgen wollen, Mann für Mann und Fähnlein für
Fähnlein aufstanden und sich für Max Traeger erklärten, der in diesem Augenblick
die Periode der durch Krieg und Entnazifizierung demoralisierten Lehrerschaft
abschloss.“ ( de Lorent: Max Traeger, S. 111ff.)

Zu den Menschen, die sich in der NS-Zeit „nicht bekleckert hatten“ zählte
Heinrich Rodenstein insbesondere auch Max Traeger, mit dem er nach 1945
vertrauensvoll zusammengearbeitet hatte.

10. Behauptung

Ortmeyer beim Rundgang und auf Tafel 22 und 23 wörtlich: „Max Traeger hat einen
Eid auf Adolf Hitler geleistet. Das war nicht der einzige Punkt, wo er sich angebiedert
hat. Und er hat auch 1939 die silberne Treuen-Ehrennadel für treue Dienste, von
Adolf Hitler unterzeichnet, erhalten. Das ist also ein Beleg, dass er bis 1940 in
diesem Nazisystem mitgewirkt hat in der Schule.- Als Schulleiter war er 1933
abgesetzt worden, weil alle gewählten Schulleiter abgesetzt worden waren. Er hat
natürlich an seiner Schule die Nazifeiern, das Horst-Wessel-Lied und so weiter
mitgemacht. Das ist in allen Schulen gewesen, wer von 1933 bis 45 Lehrer war,
Ausnahmen bestätigen die Regel, hat mit teilgenommen.“

Fakt ist:

Nach 1933 mussten alle Lehrerinnen und Lehrer, auch Beschäftigte der Hochschulen
diesen Diensteid ableisten und für 25-jährige Dienstzeit gab es für alle Beschäftigten
das Silberne Treuedienst-Ehrenzeichen, die ersichtlich auch nicht von Adolf Hitler
abgezeichnet waren. Das ist plakativ für eine Ausstellung, sagt aber nichts über Max
Traeger. Traeger wurde auch nicht „wie alle gewählten Schulleiter abgesetzt 1933“.
Sondern er gehörte zu denjenigen, denen das neue Regime nicht vertraute. Nur alle
Nicht-Nationalsozialisten wurden ausgetauscht und dafür regimetreue Personen
eingesetzt. Insbesondere an den höheren Schulen blieben viele bisherige Schulleiter
im Amt, die auch vorher schon eine deutsch-nationale Haltung gehabt hatten.

Max Traeger wurde an seiner Schule Borgesch als Schulleiter entlassen und durch
den Nationalsozialisten Gustav Carpie ersetzt, der als Lehrer der Schule schon
vorher gegen Traeger intrigiert hatte. Max Traeger wurde an eine kleine
Knabenschule versetzt, Wrangelstraße 85, wo es neben der Schulleitung nur noch
acht weitere Lehrer gab, unter anderem einen derjenigen, die 1933 als kleine
antifaschistische Lehrergruppe, die „Interessengemeinschaft Oppositioneller Lehrer“
massiv gegen den NSLB agitiert hatte. Diese kleine neue Schule stand nicht im
Fokus der Beobachtung.

11. Behauptung

Ortmeyer beim Rundgang: „Nach Stalingrad wurde es ja langsam klar, der stärkere
gewinnt nicht immer, wie es Hitler erzählt hat und nun begann ein Teil sich von der
Naziideologie bzw. der Siegesideologie abzukehren.“

Auf der dazugehörigen Tafel steht: „Als klar wurde, dass der NS-Krieg verloren war,
begann Max Traeger wie so viele andere die Karriereplanung für die Zeit nach den
Nazis. Das hatte mit Widerstand nun aber gar nichts zu tun. Die Weiße Rose ahnte
schon, dass die Wendehälse, Nazi-Kollaborateure und charakterlosen,
opportunistischen Schurken so tun werden, als hätten sie nicht mitgemacht und als
sei nichts gewesen.“

Fakt ist:

Max Traeger hatte während der gesamten NS-Zeit den Kontakt zu den ehemals
führenden Mitgliedern der Gesellschaft der Freunde, den ehemaligen
Vorstandskollegen, niemals verloren.

Traeger traf sich während der zwölf Jahre der NS-Herrschaft mit anderen
ehemaligen Vorsitzenden der ‚Gesellschaft der Freunde‘, ausnahmslos Nazigegner,
regelmäßig konspirativ in einem ‚Untergrundvorstand‘ und bereitete sich, als das
Ende des ‚Tausendjährigen Reiches‘ absehbar war, mit anderen, die niemals in die
NSDAP eingetreten waren, darauf vor, ein demokratisches Schulwesen wieder
aufzubauen“.

Da diese Treffen gefährlich waren und vor der Gestapo verborgen bleiben mussten,
fanden sie regelmäßig in wechselnden Cafés oder Gaststätten statt. Man tauschte
sich aus, hielt Verbindung zu Oberschulrat Fritz Köhne, der noch in der
Schulbehörde verblieben war, der wusste, welche Kollegen gefährdet waren und
geschützt werden mussten, so dass diese aufgesucht werden konnten.
Dies ist durch verschiedene Aufzeichnungen verbrieft. Der Kreis, der sich auf
maximal zehn Personen beschränkte, war nicht konstant, da es zu Einberufungen
zur Wehrmacht oder zur Kinderlandverschickung kam. Sie betrachteten diese
Zusammenkünfte als Treffen des „Untergrundvorstandes“.
Benjamin Ortmeyer und Micha Brumlik haben sich darüber lustig gemacht: mit
Worten wie „gelegentliche Skatrunden Traegers in Kneipen würden als Widerstand
verklärt“. Es wurden mittlerweile verschiedene Dokumente gefunden, die belegen,
wie wichtig diese konspirativen Kontakte waren und wie dadurch Kollegen, die sich in
Gefahr oder Verzweiflung befanden, geholfen werden konnte.
Kurt Zeidler schrieb über diesen Kreis: „Für jeden Nazigegner war es eine
Erquickung, mit Gleichgesinnten ein offenes Wort sprechen zu können. Freilich war
dabei Vorsicht geboten. Bei dem geringsten Anschein politischer Gegnerschaft
musste man mit dem Verlust der Beamtenstellung rechnen, Und wenn der Fall vor
die Gerichte kam, war sogar ein Todesurteil nicht ausgeschlossen. Mit dem von
Goebbels eingeführten Begriff der Heimtücke war der Willkür Tür und Tor geöffnet.“
Und an anderer Stelle schrieb Kurt Zeidler über diese Gruppe um Max Traeger: „Wie
immer wir Mitglieder des Untergrundvorstandes in Einzelfragen auch dachten, in
einem Punkt waren wir uns einig: Nie wieder sollte es für den Fall, dass wir in
Deutschland die Auferstehung einer demokratischen Ordnung erleben würden,
geschehen, dass dieser Staat von innen her mit Hilfe seiner eigenen Prinzipien
ausgehöhlt und zu Fall gebracht werden könnte. Die kommende Demokratie müsse
stark und streng sein und den Mut haben, ihre offenen und verkappten Feinde
schonungslos zu bekämpfen.“ (Kurt Zeidler: Pädagogischer Reisebericht durch acht
Jahrzehnte, Hamburg 1975, S. 88)

Die Personen dieser Gruppe von Nazigegnern, die auch nicht in Versuchung
gekommen waren, ihre vorherigen Positionen als Schulleiter oder in der
Schulverwaltung durch den Parteieintritt zu behalten, hatten ab 1945 eine wichtige
Funktion im Sinne des Aufbaus eines demokratischen Schulwesens:
Sie unterstützten Max Traeger dabei, eine einheitliche Lehrerorganisation in
Hamburg wieder aufzubauen. Max Traeger wurde darüber hinaus Leiter der
Schulfürsorge und sorgte im Kontakt mit der britischen Militärregierung dafür, dass
nach kurzer Zeit alle Schülerinnen und Schüler eine tägliche Schulspeisung
bekamen, die Schulen Heizmaterial erhielten und wenig später auch alle Lehrerinnen
und Lehrer an dieser Schulspeisung beteiligt waren.
Kurt Zeidler und Friedrich Wilhelm Licht besetzten entscheidende Funktionen in den
Entnazifizierungsausschüssen und sorgten im Volksschulbereich dafür, dass keine
aktivistischen ehemaligen Nazis in den nächsten Jahren wieder in den Hamburger
Schuldienst gelangen konnten.
Sie verhinderten auch gemeinsam mit Max Traeger, dass die Personen, die im NSLB
eine führende Rolle gespielt hatten, wieder eingestellt wurden.
Mit dem Vorsitzenden der Gesellschaft der Freunde, Max Traeger und nach 1948,
Hermann Lange, passten sie auch darauf auf, dass Nazi-Aktivisten nicht wieder
Mitglieder in der Gesellschaft der Freunde/GEW wurden. Niemand der NS-Aktivisten
stritt um Wiedereinstellung in den Hamburger Schuldienst mit Rechtschutz und
Unterstützung der GEW. In der entscheidenden Zeit bis 1948 bestand der GEW-
Landesvorstand in Hamburg ausnahmslos aus eindeutigen Gegnern des
Nationalsozialismus. Das habe ich Name für Name nachgeprüft!
In einer jüngsten Studie über die Gleichschaltung der Gesellschaft der Freunde mit
dem NSLB in Hamburg hat der Historiker Marcel Bois noch weitere Belege für die
Arbeit diese „Untergrundvorstandes“ um Max Traeger festgestellt.
„Gründe für eine Oppositionshaltung gegenüber dem nationalsozialistischen Regime
hatten die zehn Personen zweifellos, die Zeidler als Teilnehmer der regelmäßigen
Treffen nannte. Er selbst und Richard Ballerstaedt wurden 1933 als Schulräte
entlassen, Albert Herzer, Gustav Küchler, Friedrich Wilhelm Licht, Max Traeger und
Herbert Wiencken mussten im selben Jahr ihre Posten als Schulleiter räumen.
Mindestens die Hälfte der Gruppe, nämlich Ballerstaedt, Lange, Niebank, Wiencken
und Zeidler, gehörten vor 1933 der SPD an – und damit einer Partei, die zu den
ersten gehörte, die von den Nationalsozialisten verboten worden war.“ (Marcel Bois:
Volksschullehrer zwischen Anpassung und Opposition, BeltzJuventa, 2020, S.164ff.)

12. Aussage Ortmeyer und Tafel 25 der Ausstellung

„Allein in Hamburg sind über 70 Lehrerinnen und Lehrer von den Nazis ermordet
worden die im Widerstand aktiv waren. Diese Leute wurden nach 45 von Max
Traeger keineswegs in den Mittelpunkt seiner Arbeit gestellt. Ich gehe davon aus
dass keiner dieser Leute in irgendeiner Form von der GEW geehrt wurde. Bis 2005,
als diese Liste erstellt worden war, war es kein Thema.

Fakt ist:
In unserem Buch „Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz“ haben Ursel Hochmuth
(VVN) und ich als Redaktionsleiter für die Hamburger Lehrerzeitung diese Liste 1985
erstellt und veröffentlicht und über diverse Personen dieser Liste Biografien schon
vorher in der Hamburger Lehrerzeitung geschrieben. (Hochmuth/de Lorent:
Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz, Hamburg 1985, S. 315ff.)

13. Aussage Benjamin Ortmeyer und Tafel 28 der Ausstellung

Auszug aus der Rede von Max Traeger am 1.11.1945: „Wir gedenken all der
Kollegen, die hier und fern von Hamburg im Dienste des Vaterlandes ihr Leben
ließen.“
Darunter:
„Im Dienste des Vaterlandes? Der alte verbrecherische deutsche Nationalismus ist
beim Nationalist und Nazikollaborateur Max Traeger ungebrochen.

Fakt ist:
Am 1. November 1945, zwei Tage vor dem 140. Gründungstag der Gesellschaft der
Freunde, wurde im großen Saal der Musikhalle Hamburgs, den die Militärregierung
für diesen Zweck freigegeben hatte, die Neugründung der Gesellschaft in einer
Feierstunde zelebriert. Im Beisein der Vertreter der Brit. Militärregierung und vieler
Ehrengäste hielt Max Traeger als erster Vorsitzender die Eröffnungsrede und
gedachte zu Beginn, wie es bei solchen Versammlungen üblich und auch
angemessen ist, der Verstorbenen. Man hätte es sicherlich auch anders formulieren
können – aber lesen wir noch einmal im Kontext nach, was Max Traeger tatsächlich
sagte:
„Freude und Trauer, Schmerz und Hoffnung durchziehen die Seelen vieler unter uns:
Freude, dass wir endlich wieder die Möglichkeit haben, zu arbeiten, zu diskutieren,
Probleme zu lösen und zu helfen an der Gestaltung des Hamburgischen
Schulwesens; Trauer erfüllt uns wenn wir an den Weg durch Not und Elend denken,
den das deutsche Volk zurücklegen musste, ehe wir wieder zu dieser
Arbeitsmöglichkeit kamen. Wir gedenken alle unserer Toten, und wenn ich aus der
Reihe der vielen nur einen Namen nenne, Gustav Küchler* ( der letzte Vorsitzende
der Gesellschaft der Freunde bis 1933, gestorben 1940, Anm. d.L.), so geschieht
das, weil dieser eine Mann uns Vorbild ist und während der ganzen zwölf Jahre war.
Wie er damals mit unerschütterlicher Ruhe die Gesellschaft gegen jeden Ansturm
verteidigte, so ist er uns ein Vorbild gewesen. Wir gedenken aller Kollegen, die hier
und fern von Hamburg im Dienste des Vaterlandes ihr Leben ließen, und wir werden
das dadurch zum Ausdruck bringen, dass wir ihren Kindern und ihren Frauen unsere
Hilfe zuteil werden lassen. Wir werden unseren Idealen treu bleiben, das
hamburgische Schulwesen nach alten und neu erarbeiteten Grundsätzen gestalten
und in der Gesellschaft arbeiten, wie wir es einst getan und wie unsere Vorgänger es
uns gelehrt haben. Jetzt haben sich Lehrer aller Schulgattungen zusammengefunden
zu einem einzigen Verein, der Gesellschaft der Freunde … Von der Gesellschaft aus
soll der Gedanke der Selbstverwaltung wieder ausstrahlen auf die Schulen. Das
höchste Ziel jeder Schulverwaltungspolitik in Hamburg muss die Erziehung zur
Selbstverwaltung innerhalb der Kollegien sein.“ (150 Jahre Gesellschaft der Freunde
des vaterländischen Schul- und Erziehungswesen, Hamburg 1955, S. 89)

14. Behauptung Entnazifizierung.

Ortmeyer: „Die Engländer haben ziemlich rasch und ziemlich milde, anders als in der
amerikanischen Besatzungszone entnazifiziert, denazifiziert im Sinne, dass sie einen
Persilschein gekriegt haben. So auch bei Max Traeger, der relativ rasch dann so
eingestuft wurde, als wäre er kein Mitläufer. Das wäre in der amerikanischen
Besatzungszone so nicht gelaufen.“
Auf Tafel 30 steht: Die britische Militärbehörde hat Max Traeger zunächst NICHT als
entlastet eingestuft („keine Kategorisierung“). Das geschah viel später in einem von
Deutschen durchgeführten Berufungsverfahren März 1948, in dem er dann als
Kategorie V ‚unbelastet’ wie viele andere, u.a. der Nazi Kurt Holm eingestuft wurde.

Fakt ist:
Benjamin Ortmeyer ist vielfach schon auf seinen Irrtum hingewiesen worden. Er hat
es immer noch nicht verstanden.
Max Traeger ist bereits am 29.8.1945 von der britischen Militärregierung bestätigt
worden. „Keine Kategorisierung“ erfolgte bei von den Nazis Verfolgten,
Antifaschisten und solchen Personen, die unzweifelhaft Opfer des
Nationalsozialismus waren. So wurde mit Bestätigung durch die britische
Militärregierung Max Traeger am 20.9.1945 als Leiter der Hamburger Schulfürsorge
eingestellt und organisierte bis 1952 die Hilfsmaßnahmen für die Not leidende
Schuljugend, wozu vor allem die Hamburger Schulspeisung gehörte. Im späteren
Berufungsverfahren wurde er in die Kategorie V noch einmal als unbelastet
eingestuft. Benjamin Ortmeyer hat jahrelang behauptet, dass Max Traeger im
Entnazifizierungsverfahren als Mitläufer kategorisiert worden ist. Da hilft auch das
Buch von Justus Fürstenau über Entnazifizierung aus dem Jahre 1969 nicht, auf das
er sich bezieht, als hätte es in 51Jahren keine weitere Forschung dazu gegeben.
Im Übrigen trugen Max Traeger und Kurt Zeidler dazu bei, dass der belastete Kurt
Holm bis 1955 nicht wieder in den Schuldienst kam. Dies geschah erst, als der von
der CDU geführte „Hamburg-Block“ Kurt Holm als Lehrer wieder einstellte.
(Siehe Biografie Kurt Holm: Hans-Peter de Lorent: Täterprofile Band 1, Hamburg
2016, S. 701ff.)

15. Behauptung Max Traeger hätte der GEW ein „arisiertes“ Haus einverleibt.
Tafel 32 und 33

Fakt ist:
Die „Gesellschaft der Freunde“/ GEW in Hamburg versuchte nach 1945, das
Vermögen und die Werte zurückzubekommen, insbesondere das Curio-Haus, die ihr
vom NSLB in der NS-Zeit , 1937, entzogen worden waren. Dies wurde von der
britischen Militärregierung als berechtigt anerkannt, weil die Repräsentanten der
„Gesellschaft der Freunde“/GEW erwiesenermaßen Gegner der Nationalsozialisten
gewesen waren, wie an vorderer Stelle Max Traeger.
Das Haus war nicht vom NSLB sondern 1935 von der rechtsfähigen Lehrerhaus
GmbH der „Gesellschaft der Freunde“ (Abteilung Wirtschaft und Recht im NSLB)
erworben worden. Nachdem die Immobilie in der Rothenbaumchaussee 19 in der
wirtschaftlich angespannten Zeit und in dem erheblich renovierungsbedürftigen
Zustand im offenen Angebot keine Käufer fand, wandte sich der Makler der jüdischen
Erbengemeinschaft an die Besitzer des Nachbargebäudes und bot es diesen für
50.000 Reichsmark an. Auch die Verantwortlichen der Lehrervereinshaus GmbH
hatten ursprünglich keine Neigung, dieses Haus zu erwerben. Tatsächlich erwies
sich später, dass der zusätzliche Aufwand der Instandsetzung des Gebäudes etwa
dem Kaufpreis entsprach. Am Ende kauften sie die Immobilie für 40.000 Reichsmark,
plus 5.200 Reichsmark für Steuern und Gebühren. Bei der Bewertung aller
Umstände kann durchaus bestritten werden, dass es sich hierbei um eine
„verbrecherische Arisierung“ handelte. Die jüdische Erbengemeinschaft und ihre
Nachkommen haben nach 1945 für Vermögensverluste in anderen Bereichen
erfolgreich Wiedergutmachungsanträge gestellt, sie waren juristisch gut beraten. Sie
erreichten auch in einem Antrag bei einer anderen Immobilie im selben Stadtteil, die
Angehörige der jüdischen Erbengemeinschaft vor ihrer Auswanderung verkauft
hatten, vor der Wiedergutmachungskammer Hamburg eine Rückerstattung,
allerdings lediglich für Einrichtungsgegenstände. Gutachten vor dem Landgericht
Hamburg hatten belegt, dass der Kaufpreis für diese Villa, die Ro 19 vergleichbar
war, mit 36.500 RM in den 1930er Jahren „angemessen“ war.
Die Angehörigen der jüdischen Erbengemeinschaft verzichteten darauf, auch das
Haus in der Rothenbaumchaussee 19 in diese Wiedergutmachungsanträge
einzubeziehen. Das kann man als Hinweis werten, dass es sich bei dem Verkauf des
Hauses auch im Bewusstsein der Erbengemeinschaft um den Verkauf einer damals
unrentablen Immobilie gehandelt hat.

16. Behauptung:

Max Traeger verwendete 1950 den Begriff „Judengrundstück“ und sprach nicht von
dem „Grundstück der jüdischen Erbengemeinschaft“.
Fakt ist:

Als es nach Ende der Naziherrschaft um die Rückgewinnung des 1937 im Zug einer
reichsweiten Aktion an den NSLB übertragenen Besitzes der Lehrervereinshaus
GmbH und insbesondere des Curio-Hauses ging, gehörte zum Gesamtkomplex auch
das Gebäude Rothenbaumchaussee 19 (Ro 19). In Schriftwechseln mit dem DGB,
dem die Rückerstattung von Gewerkschaftseigentum übertragen worden war, wurde
auch dies jeweils thematisiert. An dieser Stelle sprengt es den Rahmen, darauf im
Detail einzugehen. Gegen Max Traeger wurde in dem Buch
von Nette/Romey (Die Lehrergewerkschaft, und ihr "Arisierungserbe": Die GEW, das
Geld und die Moral, Hamburg 2009) die Durchschrift eines Briefes in seinem Namen
vom 10.10.1950 an die Vermögens- und Treuhandgesellschaft im DGB, Düsseldorf,
faksimiliert wiedergegeben, in der das Gutachten eines von der GEW beauftragten
Wirtschaftsberaters zum Kauf des Grundstückes in der Rothenbaumchaussee 19
mitgeschickt und explizit formuliert wurde: „Nach diesem Gutachten scheint es mir
gar nicht notwendig gewesen zu sein, daß der damalige Treuhänder Dr. Barkowski
das Haus als Judengrundstück angemeldet hat.“ Der Gutachter Dr. Georg Schmidt
war zu dem Ergebnis gekommen: „Es kann demnach nicht davon die Rede sein,
dass bei der Tätigung des Kaufes durch die Lehrervereinshaus GmbH irgendwie eine
Benachteiligung des Verkäufers aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen
erfolgte. Die Verkäufer waren auch in keiner Weise genötigt, das Grundstück an die
Lehrervereinshaus GmbH zu verkaufen und hätten es zweifellos auch nicht getan,
wenn sie von anderer Seite einen höheren Preis hätten erzielen können. Meines
Erachtens unterliegt deshalb das Grundstück nicht den Bestimmungen über die
Wiedergutmachung.“

Aus der Formulierung „Judengrundstück“, statt „Grundstück der jüdischen


Erbengemeinschaft“ haben Benjamin Ortmeyer und andere massive Vorwürfe gegen
Max Traeger abgeleitet.
Nun ging aus dem inkriminierten Schreiben nicht hervor, ob der damalige
Treuhänder, Dr. Barkowski den Begriff „Judengrundstück“ in seinem Schreiben
verwandt hatte, dies somit zitiert wurde. Und es ist auch nicht belegt, dass Max
Traeger dieses Schreiben an den DGB so unterschrieben hatte. Ich habe den noch
vorliegenden damaligen Schriftverkehr zwischen dem Aufsichtsrat (Treuhänder) des
Curio-Hauses und dem DGB, der in einer Handakte der GEW-Hamburg im Jahre
2000 Bernhard Nette zur Einsicht überreicht wurde, von Bernhard Nette 2007 in
Kopie bekommen. Darin enthalten sind einige Durchschriften von Schreiben, die im
Namen von Max Traeger aufgesetzt wurden, von ihm aber in der Durchschrift
korrigiert worden sind. Die tatsächlich abgeschickten Originale liegen nicht vor, da es
damals noch keine Kopiergeräte gab. Auch das inkriminierte Schreiben liegt als
Original nicht vor und ist auch in der Durchschrift nicht von Max Traeger
unterzeichnet oder paraphiert worden.
Vor allem aber kann in Kenntnis der Biografie Max Traegers auch aufgrund dieser
problematischen Formulierung nicht ernsthaft behauptet werden, Max Traeger sei ein
Nazi gewesen oder ein Antisemit oder gar jemand, der den Holocaust befürwortet
habe.

17. Behauptung

Ortmeyer kommentiert ein Wahlplakat der FDP, auf dem gefordert wird
„Schlussstrich drunter! Schluss mit Entnazifizierung, Entrechtung, Entmündigung“
und sagt: „Traeger trat nach 1945 rasch in die FDP ein und die FDP hat dies Plakat
gemacht, dass die damalige Atmosphäre wiedergibt.“

Fakt ist:
Max Traeger hat während der Weimarer Republik der linksliberalen Deutschen
Demokratischen Partei (DDP) angehört, für die er in die Hamburgische Bürgerschaft
als Abgeordneter gewählt worden war. Nach 1945 gehörte er der FDP an, ohne
wieder für ein Abgeordnetenmandat zu kandidieren.
Im Gegensatz zu Max Traeger kandidierte die Schulpolitikerin Emmy Beckmann
nach 1945 wieder für die FDP in Hamburg. Sie wurde von den Hamburger
„Antigeschichtsrevisionisten“, wie Ortmeyer sie nennt, im Anti-Traeger-Buch als
Alternative zu Max Traeger für die Namensgebung der GEW-Stiftung ins Spiel
gebracht.
Emmy Beckmann war zweifellos eine respektable Person und wurde in einem von
mir herausgegebenen Buch über das Hamburger Schulwesen in der Weimarer
Republik porträtiert. (de Lorent/Ullrich (Hg.): Der Traum von der freien Schule,
Hamburg 1988, S. §42 ff.) Vor 1933 war sie eine enge Mitstreiterin von Max Traeger
in der DDP und der Deutschen Staatspartei gewesen und im Unterschied zu Max
Traeger auch nach 1945 Abgeordnete der FDP in Hamburg, auch in der Zeit, als die
FDP im so genannten Hamburg-Block mit der Deutschen Partei und dem so
genannten Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) die Regierung in
Hamburg bildete und die von der SPD mit Unterstützung der GEW eingeführte
sechsjährige Grundschule abwickelte. Emmy Beckmann war 1948 aus Protest
gegen die sechsjährige Grundschule aus der GEW ausgetreten. Auch das
prädestiniert sie nicht gerade als Namensgeberin für eine Stiftung der GEW.

18. Behauptung:
Die Gleichschaltung der Gesellschaft der Freunde mit dem NSLB sei eine „freiwillige
Selbstgleichschaltung“ gewesen. Von „zwangsweiser Eingliederung“ zu sprechen,
sei „eine Geschichtsfälschung“ sagt Ortmeyer bei dem Ausstellungsrundgang.

Fakt ist:
Der Hamburger Historiker Dr. Marcel Bois hat dazu gerade im BeltzJuventa-Verlag
eine Studie vorgelegt, die in der Hamburger GEW ausgewertet wird, um zu prüfen
ob die Tafel am Curio-Haus beibehalten oder verändert werden soll.
Es gibt einige Fakten zu bewerten:

Am 27.4.1933 fand die Hauptversammlung statt im Curio-Haus, auf der die


Gleichschaltung beschlossen wurde.

 Am 7.4.1933 war das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums


in Kraft getreten. Danach waren nach § 3 „Beamte die nicht arischer
Abstammung sind, in den Ruhestand zu versetzen“.
§ 4 lautete: „Beamte, die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die
Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat
eintreten, können aus dem Dienst entlassen werden. Und § 6 besagte:
„Zur Vereinfachung der Verwaltung können Beamte in den Ruhestand versetzt
werden, auch wenn sie noch nicht dienstunfähig sind.“ Danach wurden 637
Lehrkräfte aus dem Schuldienst entfernt, 555 Personen vorzeitig
pensioniert. 171 Kolleginnen wurden als sogenannte Doppelverdienerinnen
entlassen.
 Nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 erließ Hitler die
Notverordnung „zum Schutz von Volk und Staat“, die der Verfolgung der
Opposition einen legalen Anstrich gab. Der geschäftsführende Hamburger
Senat bekam die Folgen der Verordnung bald zu spüren. Innenminister Frick
verlangte ein auf zwei Wochen befristetes Verbot des sozialdemokratischen
„Hamburger Echos“ wegen „verleumderischer Artikel“ gegen die
Reichsregierung. Eine beabsichtigte Zumutung für die SPD Senatoren.
Abgeordnete der KPD und politisch Verdächtige waren verhaftet worden,
SPD-Abgeordnete verfolgt.
 Der Terror der SA auf der Straße hatte 1933 weiter zugenommen.
 Anfang April gab es die erste große Versetzungsaktion von 202
Lehrerinnen und Lehrer an Hamburger Schulen.
 Am 29. April 1933 waren alle Lehrerinnen und Lehrer dienstverpflichtet
worden, an einer Lehrerversammlung teilzunehmen. Ein Hauptredner war der
neue kommissarische Oberschulrat und NS-Aktivist Walter Behne. Er stellte
klar: „Die Zeit des Wählens ist, wie im Reich, so auch im Bereich des
deutschen Lehrers, vorbei. Wir vom NSLB bekennen: die Geister, die ihr rieft,
wir werden sie schon los. Wir Nationalsozialisten erkennen nur den
Führergedanken an, der Führer ist alleinverantwortlich. Indem wir im NSLB die
Verantwortung von oben nach unten durchführen, gehen wir darin bewusst
den Weg des neuen Staates. Wir sind hier Diener des Staates, wir reden
nicht, wie es unter den Lehrern und den Konferenzen üblich ist,
durcheinander, wir liefern die Arbeit, die Führung von uns verlangt. Als Lehrer
aber gehört er ohne weiteres zum NSLB, weigert er sich, so stellt er sich
damit außerhalb seines Standes, außerhalb seines Staates. Die
Folgerungen hat jeder selbst zu tragen.“ (HLZ 20/1933, S. 281ff.)
 Der Sturm der Gewerkschaftshäuser, der am 2.5.1933 stattfand, auch in
Hamburg, war vorbereitet und angekündigt.
 Zum Sommer wurden 315 neue Schulleitungen eingesetzt, 55 % der
Schulleiter waren ausgetauscht worden. Auch Max Traeger.

Benjamin Ortmeyer behauptet, dass die Gleichschaltung der „Gesellschaft der


Freunde“ und die Übergabe ihres Vermögens „freiwillig“ stattgefunden hätte. Wie
kann man unter diesen Bedingungen behaupten, dass etwas „freiwillig“ stattfand?
Das Problem der Verantwortlichen in der „Gesellschaft der Freunde“ war, dass sie
befürchtete, die sozialen Kassen, die für die Witwen und Waisen über Jahre
aufgebaut worden waren, sowie das Curio-Haus und die Bücherei für die Kollegen zu
verlieren.
Darum war der Vorstand der „Gesellschaft der Freunde“ unter den geschilderten
Bedingungen in Verhandlung mit dem NSLB getreten. Vorher hatte der NSLB-
Obmann, Hinrich von der Lieth schriftlich zugesichert, „dass die Vermögenswerte der
Gesellschaft einschließlich ihrer Kassen und des Curio-Haus dem gegenwärtigen
Mitgliederbestand der Gesellschaft verbleiben werden.“
Daraufhin hatte man einen gemeinsamen Vorstand verabredet, bestehend aus zwölf
Personen des NSLB und neun Personen der alten „Gesellschaft der Freunde“. Max
Traeger gehörte nicht dazu.

Wie in der Bürgerschaft standen im Curio-Haus bei der Hauptversammlung am


27.4.1933 an den Türen SA- Männer und sog. Saalschutz in Uniform.
Auf der Hauptversammlung war von dem Lehrer Rudolf Klug, der für die KPD zum
Reichstag kandidiert hatte, der Antrag gestellt worden auf Aussprache zu diesem
Punkt. Dieses wurde gegen sieben Stimmen abgelehnt. Ich habe mit zwei der sieben
Kollegen, die für diesen Antrag gestimmt hatten, Anfang der 1980er Jahren
gesprochen und erfahren, dass alle sieben in der Folgezeit von der Gestapo verhört
worden waren. Rudolf Klug, der auch einer antifaschistischen Widerstandsgruppe
angehörte, war später von den Nazis ermordet worden. ( Siehe: Hamburg: Schule
unterm Hakenkreuz, Hamburg 1985, S. 239ff.)

Dr. Hans-Peter de Lorent 27.10. 2020


Autor der 3 Bände „Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz und die
Kontinuität bis in die Zeit nach 1945“, Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, 2016, 2017, 2019.

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