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Summary
Minority protection in former Yugoslavia has made significant progress in recent years. Not
only the end of authoritarian nationalist regimes in the region, but also new minority laws
have improved the legal protection of minority groups. The danger of violence has also
receded with the exception of Kosovo and Macedonia. Despite these positive developments,
nationalism remains salient and majority-minority relations continue to be tense. This article
examines weaknesses in current international policies of minority protection in the Western
Balkans. First, the existing international instruments of minority protection have often been
weak and are only partly implemented. Second, existing policies often neglect the protection
of state-majorities who might find themselves in minority, constituting a source of tension.
Third, policies have emphasised the political representation of minorities alone, often
neglecting concrete rights. Finally, minority protection continues to be guided by conflicts,
often to the disadvantage of smaller minorities. These problems suggest the need for the
development of a more coherent EU minority rights policy towards the Western Balkans, in
particular in the light of the Stabilization and Association Process.
Internationale Minderheitenpolitik im
westlichen Balkan
1 Dejan Joviç, Fear of Becoming Minority as a Motivator of Conflict in the Former Yugoslavia,
Balkanologie, Jg. 5, Nr. 1 & 2 (2001), S. 21-36.
2 Zitiert nach Susan Woodward, Balkan Tragedy (Washington 1995), S. 108.
3 Siehe Florian Bieber, Minderheitenschutz in Serbien nach Milo‰eviçs Sturz, Südosteuropa, Jg. 52,
Nr. 1-3 (2003), S. 50-65.
4 OSCE Mission in Croatia, Background Study, Implementation of the Constitutional Law on the Rights
of National Minorities and Related Legislation, 12.5.2003.
5 Dieses Gesetz bezieht sich nicht auf die drei sogenannten konstitutiven Nationen (Bosniaken, Serben,
Kroaten). Siehe: BiH dobila zakon o za‰titi prava manjina, »Nezavisne Novine«, 2.4.2003.
6 Dies ist insbesondere in Westeuropa von Bedeutung, wo die staatlichen Definitionen meist neue
Minderheiten (d.h. Einwanderer) ausschließen. Von den Ländern des ehemaligen sozialistischen
Jugoslawiens haben lediglich Slowenien und Mazedonien den Anwendungsbereich auf bestimmte
Minderheiten eingeschränkt. Im Fall Mazedoniens sind dies die wichtigsten Minderheiten (Albaner,
Türken, Walachen, Roma, Serben). In Slowenien sind von staatlicher Seite nur Italiener und Magyaren
genannt, während die weitaus größeren Minderheiten aus dem ehemaligen Jugoslawien ausgeschlos-
sen bleiben. Vgl. List of declarations made with respect to treaty no. 157, Framework Convention for
the Protection of National Minorities, http://conventions.coe.int/Treaty/EN/DeclareList.asp?NT=157
[Stand: 9.10.2003].
7 Allan Philips, The Framework Convention for the Protection of National Minorities: From Analysis to
Action. Minority Rights Group International (London) 2002.
8 Federal Ministry of National and Ethnic Communities, The First Report by the Federal Republic of
Yugoslavia on the Implementation of the Framework Convention for the Protection of National
Minorities, Belgrade, 22.10.2002.
9 Framework Convention for the Protection of National Minorities, Proposal regarding the
commencement of the monitoring of the Framework Convention without a state report,
CM/Del/Dec(2003)832/4.2, 3.9.2003.
10 Alle Vertragsparteien müssen ein Jahr nach Inkrafttreten des Übereinkommens einen Bericht
anfertigen, der über die Umsetzung des Rahmenübereinkommens Rechenschaft ablegt. Diese
Berichte bilden die Grundlage für die weitere Arbeit des beratenden Ausschusses und des
Ministerkomitees des Europarates. Siehe A. Philips, The Framework Convention ... (Fußnote 7); eine
Liste über den Umsetzungsstand des Übereinkommens gibt es unter:
http://www.greekhelsinki.gr/bhr/english/special_issues/fcnm_guide.html.
11 James Hughes, Gwendolyn Sasse, Monitoring the Monitors: EU Enlargement Conditionality and
Minority Protection in the CEECs, Journal of Ethnopolitics and Minority Issues in Europe,
no. 1 (2003), p. 1-36.
12 „The general situation in terms of respect for human rights and protection of minorities has
progressed but there is a need for further improvement in a number of countries as regards for
example implementation of legislation, equality before the law, missing persons and the right to
property.“ Commission of the European Communities, Report from the Commission: The
Stabilisation and Association Process for South East Europe, Second Annual Report, COM (2003)
139 final, Brussels, 26.3.2003, p. 8.
13 Dies war besonders ein Problem in den 1990er Jahren, als durch den Zerfall Jugoslawiens in der
Region „neue“ Minderheiten entstanden (z.B. Bosniaken in Kroatien, Mazedonier in Slowenien, etc.).
Mittlerweile sind diese Gruppen weitgehend anerkannt.
14 Hierzu siehe Tim Potier, Regionally Non-Dominant Titular Peoples: The Next Phase in Minority
Rights, Journal of Ethnopolitics and Minority Issues in Europe (July 2001), p. 1-14.
15 Ein klassisches Beispiel ist die Instrumentalisierung der Kosovo-Serben durch das Milo‰eviç-Regime
in den späten 1980er Jahren. Vgl. Mario Brudar, Nada obmana slom. Politiãki Ïivot Srba na Kosovu
i Metohiji 1987-1999 (Beograd 2003), S. 38-53.
16 Siehe Art. 4.1, Constitutional Framework for Provisional Self-Government, UNMIK/REG/2001/9,
15.5.2001.
Mit der Fortentwicklung des Minderheitenrechts seit den frühen 1990er Jahren ist
die Notwendigkeit politischer Partizipation von Minderheiten in den Vordergrund
getreten. Diese beruht auf der Einsicht, dass paternalistisch zugestandene Rechte
ohne Mitwirkung von Minderheiten selbst unzureichend bleiben. Weiterhin bedarf es
oftmals spezieller Mechanismen zur Einbeziehung von Minderheiten in das politi-
sche System, da diese sonst aufgrund ihrer numerischen Unterlegenheit oder auf-
grund eines polarisierten politischen Klimas leicht ausgegrenzt werden. Insbesondere
in Ländern mit nationalistischer Mobilisierung in jüngster Vergangenheit ist es
kaum zu erwarten, dass Bürger bei Wahlen die nationale Identität der Kandidaten
unberücksichtigt lassen oder sogar bewusst für Angehörige von Minderheiten
stimmen. Zudem benachteiligen einige Wahlrechtssysteme Minderheiten: So können
beispielsweise geographisch verstreut lebende Minderheiten bei einem Mehrheits-
wahlrecht nach britischem Vorbild kaum auf Repräsentation hoffen, selbst wenn ihr
Anteil an der Gesamtbevölkerung erheblich ist. Zusätzlich werden in vielen Staaten
Wahlbezirke zuungunsten von Minderheiten gezogen. Aus dieser Erfahrung erwächst
die Erkenntnis, dass konventionelle demokratische Institutionen in multiethnischen
Staaten mit substantiellen Minderheiten nicht ausreichen. 18
Weiterhin ist Stabilität ein Kernargument für die politische Einbeziehung von
Minderheiten. Die Ausgrenzung von Minderheiten kann zum Entstehen von außerin-
17 Wie Jenny Engström zeigt, genießen andere Minderheiten jedoch weniger Rechte und einen
geringeren Grad an politischer Teihabe als Albaner. Jenny Engström, Multiethnicity or
Binationalism? The Framework Agreement and the Future of the Macedonian State, Journal of
Ethnopolitics and Minority Issues in Europe, no. 1 (2002), p. 11-15.
18 Donald L. Horowitz, The Challenge of Ethnic Conflict. Democracy in Divided Societies, Journal of
Democracy, vol. 4, no. 4 (October 1993), p. 18-37; Arend Lijphart, Democracy in Plural Societies.
A Comparative Exploration (New Haven-London 1977), p. 25-52.
19 Dies kann allerdings dazu führen, dass nur diejenigen Minderheiten, die als mögliche Quelle von
Instabilität gelten, staatlich einbezogen werden, während Minderheiten mit geringer Größe oder
mangelnder Kohärenz von politischer Repräsentation ausgeschlossen bleiben.
20 Die Unterscheidung zwischen Repräsentation und Kooperation verbindet sich mit den zwei
wichtigsten Theorien des „power-sharing“, Vgl. dazu Timothy D. Sisk, Power Sharing and
International Mediation in Ethnic Conflicts (Washington 1996), p. 34-45.
21 Art. 1/1, Lund-Empfehlungen über die wirksame Beteiligung nationaler Minderheiten am
öffentlichen Leben (Den Haag: Foundation on Inter-Ethnic Relations, 1999).
22 Die Formulierung ist hier jedoch sehr allgemein gehalten, vgl. Art. 15.
23 Tibor Varady, Minorities, Majorities, Law, and Ethnicity: Reflections of the Yugoslav Case, Human
Rights Quarterly, vol. 19 (1997). EU Accession Monitoring Program, Monitoring Minority
Protection in the EU Accession Process (Budapest 2002).
Insgesamt lassen sich vier Gründe dafür anführen, dass politische Mitsprache
alleine den Minderheitenschutz nicht ersetzen kann. Erstens beschäftigen sich
Mechanismen der politischen Repräsentation nur sekundär mit der Kooperation
zwischen Gruppen. Es ist weitaus einfacher, politische Repräsentation gesetzlich
festzulegen (z.B. Quoten in Parlament und Regierung), als Anreize zur Zusammen-
arbeit zu schaffen. Nach einem ethnischen Konflikt gilt dies umso mehr. Ohne
Kooperation und Einbeziehung von Minderheiten in Entscheidungsprozesse ist die
Beteiligung von Minderheiten an Institutionen jedoch meist wirkungslos. Zweitens,
wenn die Minderheitenrechte nicht abgesichert sind, werden sie leicht zur
Verhandlungsmasse in politischen Institutionen, statt rechtsstaatliche Mindest-
standards zu sein. Die Verhandelbarkeit von Minderheitenrechten weicht die Grenze
von Rechten und politischen Prozessen auf. Dies kann sich sowohl zum Nachteil der
Minderheit auswirken als auch zu einer „Ethnifizierung“ des politischen Lebens
führen. Letzteres ergibt sich aus dem Mobilisierungspotential von „nationalen“
Fragen. Weiterhin können Politiker ein Interesse daran haben, bestimmte Fragen als
„nationale Belange“ darzustellen, um in den Genuss des Vetorechts zu kommen,
das sich in Bosnien-Herzegowina – und abgeschwächt auch im Kosovo und in
Mazedonien – finden lässt. Dieses Vetorecht erlaubt es Abgeordneten, Entscheidun-
gen der Parlamente zu blockieren, falls diese gegen die „vitalen Interessen“ einer
24 Vgl. Florian Bieber, Power Sharing as Ethnic Representation in Postconflict Societies. The Cases of
Bosnia, Macedonia, and Kosovo, in: Ivan Krastev and Alina Mungiu-Pippidi (eds.), Nationalism
after Communism. Lessons Learned (Budapest 2003), p. 229-246.
Drittens birgt die politische Repräsentation alleine die Gefahr, dass nur größere
Minderheiten die Möglichkeit haben, das politische System mitzugestalten, während
kleinere Minderheiten ausgegrenzt bleiben. Dies zeigt sich deutlich in der
Marginalisierung von kleineren Minderheiten in Mazedonien, Bosnien-Herzegowina
und im Kosovo. Und viertens kann die politische Beteiligung der Minderheiten nicht
sicherstellen, dass die Gruppe insgesamt hierdurch ausreichend repräsentiert wird.
Die politische Vielfalt innerhalb einer Minderheit ist oftmals genauso groß wie
innerhalb einer Mehrheit. Politische Repräsentation, gerade wenn es sich hierbei um
wenige Abgeordnetensitze pro Minderheit im Parlament handelt, 25 kann der
politischen Vielfalt innerhalb der Minderheit kaum Rechnung tragen. – Die politische
Beteiligung von Minderheiten ist somit zwar ein wichtiger Bestandteil des
Minderheitenschutzes, doch wenn die Partizipation einen wirksamen Schutz ersetzen
soll, kann sich dies negativ auf die Gruppe selbst und das politische System
auswirken.
Konfliktorientierter „Minderheitenschutz“
Im vergangenen Jahrzehnt hat sich internationale Intervention meist auf bereits aus-
gebrochene ethnische Konflikte beschränkt. Interethnische Beziehungen mit gerin-
gem oder nur latentem Konfliktpotential blieben weitgehend ausgeklammert, ihnen
wurde keine oder nur unzureichende Aufmerksamkeit von internationalen Akteuren
zuteil. 26 Dies bedeutete jedoch nicht, dass entsprechende Gruppen nicht massiver
Diskriminierung durch Staat und Gesellschaft ausgesetzt waren und sind.
Insbesondere gilt das für Roma als überregionale Minderheit. Gleichermaßen wurden
weitere kleine Minderheiten in der Region vernachlässigt, z.B. die Gorani/Bosniaken
im Kosovo. Diese Minderheiten waren im vergangenen Jahrzehnt oftmals das dop-
pelte Opfer von repressiver Staatspolitik und von nationalistischen Minderheiten.
Eine zweite Folge davon, dass nur konfliktorientiert Minderheitenpolitik betrieben
wird, ist, dass Eskalationen durch Minderheiten oftmals gezielt initiiert werden, um
eine internationale Intervention herbeizuführen – so wie dies unter anderem im
Kosovo und in Mazedonien geschehen ist. 27
Schlussbemerkungen
28 Îarko Papiç, The General Situation in B-H and International Support Policies, in: Îarko Papiç (ed.),
International Support Policies to South-East European Countries. Lessons (Not) Learned in B-H
(Sarajevo 2001), p. 25.
29 Der Erfolg dieses Projekts war eher gering. Siehe International Crisis Group, Preventing Minority
Return in Bosnia-Herzegovina: The Anatomy of Hate and Fear, 2.8.1999, p. 4.