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Die Geschichte Jugoslawiens zwischen 1945 teile zu diskreditieren.1 Die Kommunistische stems lehnte sich Jugoslawien in den ersten
und 1991 ist je nach zeitlicher Perspektive Partei und das neue Jugoslawien vertraten Nachkriegsjahren eng an die Sowjetunion an.
zugleich die Chronologie eines Erfolges und nicht mehr ein nationales Partikularinteresse, In einzelnen Bereichen bestanden jedoch be-
jene eines Scheiterns. Bis in die frühen acht- wie dies noch im Königreich, vertreten durch reits vor dem Bruch mit Stalin 1948 wichtige
ziger Jahre galt Jugoslawien als Erfolg. So- das Königshaus Karadjordjević und die Bel- Unterschiede. So blieb die Landwirtschaft
wohl auf internationaler als auch innenpoli- grader Elite, der Fall war. Dies ging einher mit überwiegend in privater Hand. 1949 befand
tischer Ebene schien der Staat die Gründe für der Anerkennung von Mazedoniern und sich 91,4 Prozent des Landes im Besitz von
das Scheitern des ersten Jugoslawiens über- Montenegrinern als eigenständigen Natio- Bauern.5
wunden zu haben. Mit wirtschaftlichem Nie- nen2 und der Gründung von sechs Republi-
dergang, Scheitern einer jugoslawischen De- ken innerhalb Jugoslawiens, die jedoch nach Der Konflikt mit Stalin und
mokratisierung und dem Zerfall Jugoslawi- sowjetischem Vorbild bis in die sechziger der jugoslawische Sonderweg
ens durch extremen Nationalismus wurde Jahren nur wenig faktische Eigenständigkeit Außer Albanien gelang Jugoslawien als einzi-
Jugoslawiens ein Inbegriff für das Versagen besaßen. Die Kommunistische Partei Jugo- gem Land des kommunistischen Osteuropa
eines multinationalen Staates. slawiens (ab 1952 Bund der Kommunisten der Bruch mit der Sowjetunion. Obwohl bis
Die Geschichte Jugoslawiens zwischen Jugoslawiens) war in den ersten Nachkriegs- zum Juni 1948 die Beziehungen zwischen
Zweitem Weltkrieg und Staatszerfall läßt sich jahren von der Möglichkeit überzeugt, eine Jugoslawien und der Sowjetunion insgesamt
in folgende Phasen teilen: jugoslawische nationale Identität zu schaffen, gut waren, finden sich bereits in den ersten
Von Kriegsende bis zum Konflikt mit Stalin, in der die verschiedenen Einzelnationalismen Nachkriegsjahren die Ursachen des späteren
1945–1948 verschmelzen würden. Ob diese Identität die Zerwürfnisses. Da die Partisanen unter Füh-
Der Konflikt mit Stalin und der jugoslawi- Charakteristika eines integralen nationalen rung der Kommunistischen Partei Jugoslawi-
sche Sonderweg, 1948–1968 Bewußtseins annehmen oder lediglich die be- en großteils selbst befreit hatten und auch die
Der kroatische »Frühling« und Liberalisie- stehenden Nationalismen ergänzen und so- anschließende Machtkonsolidierung mit nur
rung, 1968–1972 mit abschwächen sollte (dies war die Sicht geringfügigem Einfluß durch die Sowjetunion
Dezentralisierung und das Ende der Ära von Edvard Kardelj), wurde nie vollends ge- erreicht hatten, besaß die Partei eine Legitimi-
Titos, 1972–1980 klärt.3 Dieses Projekt fußte großteils auf der tät, die bei der Machtübernahme den kommu-
Die Krisen nach Titos Tod, 1980–1987 kommunistischen Sicht der nationalen Frage, nistischen Parteien in den anderen Republi-
Nationalismus und der Zerfall Jugoslawiens, die die Partei aus der UdSSR übernahm: Na- ken nicht gegeben war. Das Selbstbewußtsein
1987–1991 tionalismus als Ausdruck der Bourgeoisie Titos und der Partei stellte indirekt die absolu-
würde durch die Errichtung einer kommuni- te Dominanz Stalins und der Sowjetunion in
Jugoslawien nach Kriegsende stischen Herrschaftsform langsam ver- Frage. Ideologische Unterschiede gewannen
Zwischen dem Ende des Königreich Jugosla- schwinden. Die Anerkennung des Nationa- erst nach dem Bruch an Wichtigkeit.
wien im April 1941 durch die deutsche Beset- lismus als bleibendes Phänomen unter kom- Nach einem Abzug sowjetischer Exper-
zung und anschließende Zerschlagung des munistischer Herrschaft in den sechziger Jah- ten aus Jugoslawien im März 1948 erklärte
Staates und der Ausrufung des Antifaschisti- ren führte jedoch zu einem Wandel in der das Informationsbüro der kommunistischen
schen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens Politik des Bundes der Kommunisten, auf Parteien nach einer Tagung in Bukarest den
(AVNOJ) im November 1942 lagen nur an- den später noch eingegangen wird. Ausschluß der Kommunistischen Partei Ju-
derthalb Jahre. Der Bruch zwischen den bei- In den frühen Jahren kommunistischer goslawiens und verurteilte die Führungsspit-
den Jugoslawien hätte jedoch kaum größer Herrschaft folgte Jugoslawien einem ähnli- ze um Tito. Trotz der Anklage durch die
ausfallen können. Bis zum letztlichen Erfolg chen Entwicklungsweg wie die anderen Staa- Kominform brach die jugoslawische Füh-
der Partisanenverbände und der Bildung ei- ten Mittel- und Osteuropas. Schrittweise rung erst zögerlich mit Stalin – längst nach-
ner Regierung des Demokratischen Föderati- wurden Oppositionsparteien verdrängt und dem Stalin bereits mit ihr gebrochen hatte.
ven Jugoslawien im März 1945 vergingen fast letztlich verboten, bürgerliche Freiheiten Jugoslawien trieb weiterhin die Einführung
vier Jahre Krieg, mit hunderttausenden Op- wurden aufgehoben. Da sich große Teile der eines sozialistischen Wirtschaftsmodells nach
fern, Besatzung und innerjugoslawischem möglichen Opposition durch ihre Unterstüt- sowjetischem Vorbild voran.6 Zugleich be-
Bürgerkrieg. Neben der unerwarteten Wie- zung der Kriegsverlierer diskreditiert hatten gann die Partei die tatsächlichen und ver-
derbelebung Jugoslawiens als Staat, fand der und keine politische Alternative im Rahmen meintlichen Anhänger der Kominform aus
Jugoslawismus als Ideologie durch die Kom- des jugoslawischen Staatswesens formlierten, der Partei auszuschließen und in »Umerzie-
munistische Partei neuen Rückhalt. Dies war konnte die Kommunistische Partei bereits in hungslager« auf der berüchtigten Gefängnis-
umso überraschender, als das erste Jugoslawi- den ersten Monaten nach Kriegsende ihre insel Goli Otok an der kroatischen Küste
en viel dazu beigetragen hatte, die jugoslawi- Dominanz festigen.4 einzuweisen.7
sche Idee in den Augen breiter Bevölkerungs- Im Aufbau eines kommunistischen Sy- Erst nachdem eine Rückkehr in das so-