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Der Austrofaschistische Putsch: Mit Christus gegen Marx

Kompromissbereitschaft gilt als der wichtigste Grundpfeiler parlamentarischer Parteien.


Der Austrofaschistische Putsch zeigt, wohin diese Idee führt, wenn sie von der Linken
übernommen wird. Während die Sozialdemokratie (SDAP) in der österreichischen
Revolution darauf drängte, Unternehmer und Arbeiter_innen zu versöhnen, arbeitete die
Christlichsoziale Partei (heutige ÖVP) von der ersten Minute auf einen Putsch hin.
Nicht einmal zwei Jahre nachdem Arbeiter_innen und Soldaten die Monarchie gestürzt hatten
und dank der Sozialdemokratie keine sozialistische Räteregierung, sondern eine
parlamentarische Demokratie aufgebaut wurde, arbeiteten Heimwehrverbände an Putschplänen.
Nach der Niederschlagung der Bayrischen Räterepublik 1919 und der Zerstörung der
Ungarischen Räterepublik, planten militante Konservative den antiparlamentarischen Putsch in
Österreich. Das deutsche Freikorps „Organisation Escherich“ (Freikorps waren
konterrevolutionäre Soldatenverbände) stellte gemeinsam mit der ungarischen Horthy-Diktatur
auf Bitten der Christlichsozialen Partei eine Putscharmee in der ungarischen Grenzregion
Szalaegerszeg auf. Nach Bekanntwerden der Putschpläne verzichtete die SDAP auf eine
ernstzunehmende Reaktion und begnügte sich mit dem Verfassen einer Protestnote.
Gleichzeitig verließ sie die Koalitionsregierung mit den Christlichsozialen und erfüllte
gewissermaßen freiwillig das Ziel der Putschisten.
Beginn der Tragödie

Die SDAP hätte schon 1920 jedes Recht, rückblickend betrachtet die Pflicht gehabt, mit Streiks
und Waffengewalt gegen die antidemokratischen Umtriebe der Christlichsozialen vorzugehen.
Sie hätte jede militärische Konfrontation gewinnen können. Der führende Theoretiker der SDAP,
Otto Bauer, wusste, dass 1918 alle Macht bei den Arbeiter_innen und Soldatenräten lag. 1920
war diese Macht durch die konterrevolutionären Entwicklungen in Ungarn und Bayern
angeknackst, aber dennoch ungebrochen. Die linke Sozialdemokratin Ilona Duczyńska liefert in
ihrem Meisterwerk Der Demokratische Bolschewiki: Zur Theorie und Praxis der Gewalt eine
beeindruckende Schilderung davon, wie sich nach der Niederschlagung der ungarischen
Räterepublik ausgehend von den Soldatenräten Verteidigungskomitees, sogenannte
Arbeiterwehren, bildeten. In diesen waren an die 50.000 parteilose Arbeiter_innen,
Sozialdemokrat_innen, Kommunist_innen und Anarchist_innen organisiert. Der faschistische
Putschversuch von Mussolini in Italien 1922, demonstrierte die Notwendigkeit einer bewaffneten
Kampforganisation der Arbeiter_innenklasse. Nachdem sich die SDAP vor jeder
Arbeiter_innenorganisation außerhalb ihrer Reihen fürchtete, überführte sie die militanten
Arbeiterwehren in den Schutzbund, welcher primär als Ordnerorganisation bei
sozialdemokratischen Aufmärschen eingesetzt wurde. Die Parteiführung fürchtete sich so sehr
vor einer revolutionären Entwicklung von links, dass sie vergaß, dass der Feind auf der rechten
Seite stand.

Strategie des Rückzuges


Auf der einen Seite war das Argument der SDAP, dass eine bewaffnete
Verteidigungsorganisation im Ernstfall über eine klare Befehlskette verfügen müsste, durchaus
vernünftig. Gleichzeitig steckte in der hierarchischen Struktur des Schutzbunds die Gefahr: „daß
er auf Dauer zu einem Mittel zur Einschläferung der Kampfkraft und des Kampfeswillen der zur
Revolution berufenen Massen des Proletariats ist, das sich an den Gedanken gewöhnt, daß der
Schutzbund dazu da sei, um an Stelle der Volksmassen selbst den Barrikadenkampf zu führen“,
wie der Sozialdemokrat Willhelm Ellenbogen prophetisch feststellte. Er und Theodor Körner
wollten den Schutzbund als Guerillaorganisation, welche in Verbindung mit Massenstreiks und
Aufständen kämpfen sollte. Dies wäre die bessere Strategie gewesen, als darauf zu hoffen,
„dass die Berufssoldaten schlechter schießen“, wie Theodor Körner gegen das Konzept des
Schutzbunds polemisierte. Nochmals Duczyńska: „In ihrem Bemühen, den Bürgerkrieg, wenn
nicht zu vermeiden, so doch wenigstens hinauszuschieben, wich sie (die SDAP) Schritt für
Schritt vor den Kräften der Reaktion und des Faschismus zurück.“
Faschisten organisieren sich
Anfangs stützten sich die Hoffnungen der Christlichsozialen auf die Heimwehren und deren
Kooperation mit dem italienischen Faschismus. Doch die Heimwehrbewegung war
organisatorisch und ideologisch zersplittert. Im Schatten des Justizpalastbrandes 1927 und der
beginnenden Weltwirtschaftskrise unternahm der christlichsoziale Heimwehrführer Richard
Steidle den Versuch, diese Zersplitterung zu überwinden. Im „Korneuburger Eid“ verständigten
sich Heimwehrverbände auf ein einheitliches Programm, das sich am italienischen Faschismus
orientierte. „Wir verwerfen den westlichen demokratischen Parlamentarismus! Wir kämpfen
gegen die Zersetzung unseres Volkes durch den marxistischen Klassenkampf und liberal-
kapitalistische Wirtschaftsgestaltung.“ Der „Korneuburger Eid“ kann als ideologische Grundlage
des Austrofaschismus gesehen werden: Gegen die moderne Welt mit Kapitalismus und
Marxismus wurde die Rückbesinnung auf traditionelle Werte Religion, Familie, harte Arbeit
gepredigt. Angelehnt an das Mittelalter wurde die Gesellschaft als Ständesystem verstanden in
dem jeder seinen von Gott gegebenen Platz hat. Ideologische Rückendeckung erhielt diese
äußerst krude Ideologie durch Papst Pius XI. Dieser sah im Faschismus eine Möglichkeit, der
katholischen Kirche wieder gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen und unterstütze Mussolini
genauso wie Dollfuß und später Franco. Die Niederschlagung der Februaraufstände 1934
kommentierte der Pabst: „Es gibt eine Härte, die zur Barmherzigkeit wird“.
Doch auch nach dem „Korneuburger Eid“ blieben die Heimwehren zersplittert. Unter dem
Namen Heimatblock traten Teile der Heimwehren zu den Nationalratswahlen 1930 an und
vollbrachten eine krachende Niederlage mit gerade einmal 6% der Stimmen. Ähnlich desaströs
endete der verzweifelte Putschversuch von Walter Pfrimer am 12. September 1931. In
Anlehnung an Mussolinis Marsch auf Rom, wollte Pfrimer von der Steiermark nach Wien
marschieren. Kampfbereite Arbeiter_innen organisierten Streiks und der Schutzbund errichtete
Straßenblockaden. Um den Bürgerkrieg mit einem potentiellen sozialdemokratischen Sieg zu
verhindern, mobilisierte die Regierung das Bundesheer und der Putschversuch wurde gestoppt.
Anstelle des ruhmreichen Marsches nach Wien folgte der Rückzug aus Amstetten.
Staat rettet Faschisten
Auf sich alleine gestellt wären die Heimwehren zu keinem erfolgreichen Putsch fähig gewesen.
Erst die christlichsoziale Kontrolle des Staatsapparates ermöglichte die Konterrevolution. Direkt
nach dem Austritt der SDAP aus der Regierung brachten die Christlichsozialen das
Heeresministerium unter ihre Kontrolle. Getarnt als „Entpolitisierung“ drängte Minister Vaugoin
sozialdemokratische Vertrauensleute aus allen Ämtern. Schon vor dem Justizpalastbrand
organisierte das Bundesheer Aktionen zur Entwaffnung des Schutzbundes. Gleichzeitig wurde
die ideologische Rückbesinnung auf die militärischen Werte der Kaiserzeit gepredigt.
Am 15. März 1933 beauftragte Bundeskanzler Dollfuß die Polizei, das Zusammentreten des
Parlaments zu verhindern, der Putsch hatte begonnen. Widerstand blieb aus. Angesichts der
Untätigkeit der Parteiführung war die Stimmung innerhalb des Schutzbundes „von einer
Meuterei nicht weit entfernt“, wie in internen SDAP-Dokumenten zu lesen ist. Kurz nach dem
Putsch wurde die Kommunistische Partei verboten, die Todesstrafe eingeführt, im Anhaltelager
Wöllersdorf wurden bis zu 14.000 Oppositionelle eingesperrt und am Katholikentag (12.9.33)
verkündete Dollfuß die Zerschlagung aller Parteien und die Überführung von Heimwehren und
Christlichsozialer Partei in die Vaterländische Front.
Februar 1934
Am 10. Februar 1934 waren die Verhaftungswellen von Schutzbundfunktionären weitestgehend
abgeschlossen, die hypothetisch mächtige Organisation stand ohne Führung da. Auf Anfrage
von Friedrich Adler, weigerte sich Theodor Körner die Führung zu übernehmen, er hielt jede
militärische Konfrontation für aussichtslos. Doch die Basis des Schutzbundes wollte nicht
kampflos kapitulieren und weigerte sich vielerorts die, von der Parteiführung geforderte
Demobilisierung durchzuführen. Gegen den Willen der Parteiführung eröffneten am 12. Februar
Schutzbündler in Linz das Feuer auf Heimwehren und Polizei. Dies war für Schutzbündler in den
Industriezentren das Signal zum Aufstand. Man versammelte sich an den vereinbarten
Treffpunkten, doch oftmals fehlten Waffen, Kommandanten erschienen nicht oder weigerten
sich, ohne klare Befehle die Waffenschränke aufzusperren. Doch es fehlte jede klare
Befehlsstruktur, die Parteiführung flüchtete ins Ausland. Nur in Bruck an der Mur gelang es dem
Schutzbund unter Kolomann Wallisch Heimwehren und Polizei zu entwaffnen, erst das
Bundesheer zerschlug den Widerstand.

Der Februar 34 offenbarte die antidemokratische Gesinnung des österreichischen


Konservatismus. Genauso zeigte er, Faschismus und Konterrevolution lassen sich nicht
beschwichtigen. Kompromissbereitschaft von sozialdemokratischer Seite wurde als Schwäche
interpretiert und stärkte das Rechte Selbstbewusstsein.

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