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© Klaus Rüschhoff, Springer Medizin

Nervenarzt 2013
DOI 10.1007/s00115-013-3805-9
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

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eAkademie
Teilnahmemöglichkeiten
Diese Fortbildungseinheit steht Ihnen
als e.CME und e.Tutorial in der Springer
CME Zertifizierte Fortbildung
Medizin e.Akademie zur Verfügung.
– e.CME: kostenfreie Teilnahme im
Rahmen des jeweiligen Zeitschriften-
abonnements
– e.Tutorial: Teilnahme im Rahmen des P. Fromberger · K. Jordan · J.L. Müller
e.Med-Abonnements Abteilung für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen
Zertifizierung
Diese Fortbildungseinheit ist mit 3 CME-
Punkten zertifiziert von der Landesärzte-
kammer Hessen und der Nordrheinischen
Akademie für Ärztliche Fort- und Weiter-
Pädophilie
bildung und damit auch für andere Ärzte-
kammern anerkennungsfähig.
Ätiologie, Diagnostik und Therapie
Hinweis für Leser aus Österreich
Gemäß dem Diplom-Fortbildungs-Pro-
gramm (DFP) der Österreichischen Ärzte- Zusammenfassung
kammer werden die auf CME.springer.de Sexuelle Übergriffe zum Nachteil eines Kindes zählen zu den schwerwiegendsten negativen
erworbenen CME-Punkte hierfür 1:1 als Ereignissen für dessen gesunde psychische Entwicklung. Die Pädophilie ist nach den aktuel-
fachspezifische Fortbildung anerkannt.
len psychiatrischen Klassifikationssystemen als eine anhaltende oder dominierende sexuelle
Kontakt und weitere Präferenz für präpubertäre Kinder definiert. Nur etwa die Hälfte aller Kindesmissbrauchstä-
Informationen ter erfüllt die diagnostischen Kriterien der Pädophilie. Im vorliegenden Beitrag werden die
Springer-Verlag GmbH
bei der Diagnosestellung und differenzialdiagnostischen Abgrenzung zu anderen Störungen
Springer Medizin Kundenservice
Tel. 0800 77 80 777 zu beachtenden Kriterien erläutert, epidemiologische und ätiologische Erkenntnisse vermit-
E-Mail: kundenservice@springermedizin.de telt. Ätiologisch wird gegenwärtig von multikausalen Wirkmechanismen ausgegangen; hier-
bei sind genetische, lerntheoretische und neurobiologische Faktoren zu diskutieren. Psycho-
therapeutische und medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten werden referiert. Nach ak-
tuellem Kenntnisstand stellen kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze die Methode der
Wahl dar. Metaanalysen zeigen einen positiven Effekt dieser Behandlungsansätze, wobei nicht
eine Veränderung der devianten sexuellen Orientierung, sondern die Verhinderung weite-
rer sexueller Übergriffe das Behandlungsziel darstellt. Abschließend werden wichtige Aspek-
te des Risikomanagements bei Pädophilie ebenso wie zu beachtende Aspekte bei der foren-
sisch-psychiatrischen Begutachtung dargestellt.

Schlüsselwörter
Sexualverhalten · Paraphilien · Sexuelle Abweichungen · Kindesmissbrauch, sexuell · Risiko-
faktoren

Der Nervenarzt 2013 | 1


CME

Lernziele

Nachdem Sie diese Lerneinheit absolviert haben,


F 
haben Sie Kenntnisse zu Diagnostik und Epidemiologie der Pädophilie erworben.
F 
können Sie die ätiologischen Konzepte der Pädophilie beschreiben.
F 
kennen Sie psychotherapeutische und medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten der
Pädophilie.
F wissen Sie, welche Aspekte beim „risk assessment“ der Pädophilie zu beachten sind.
F kennen Sie die Kriterien für eine forensisch relevante Beeinträchtigung der Steuerungs-
fähigkeit bei Pädophilie.

Einleitung

Im Jahr 2011 registrierte die Polizei- Im Jahr 2011 registrierte die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) deutschlandweit 12.444 Tatvorwür-
liche Kriminalstatistik deutschland- fe des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Dies entspricht einer Steigerung um 4,9% im Vergleich
weit 12.444 Tatvorwürfe des sexuel- zum Vorjahr. In Bezug auf den Besitz oder die Verbreitung von Kinderpornografie berichtet die PKS
len Missbrauchs von Kindern sogar von einer Steigerung um 23,3% im Vergleich zum Vorjahr [1]. Diese Zunahme der Tatvorwür-
fe findet jedoch keinen Niederschlag in der Strafverfolgungsstatistik, also der Anzahl an tatsäch-
lich verurteilten Straftätern. Beispielsweise weist die Strafverfolgungsstatistik 2137 verurteilte Kin-
desmissbrauchstäter für 2011 aus; dies ist 1,0% weniger als im Vorjahr [2]. Grundsätzlich ist zu be-
tonen, dass weder der Besitz oder die Verbreitung von Kinderpornografie noch der Tatbestand eines
Nur etwa 30–50% aller Kindesmiss- sexuellen Missbrauchs zum Nachteil eines Kindes mit dem Vorliegen einer Pädophilie gleichzuset-
brauchstäter erfüllen die diagnosti- zen ist. Im Gegenteil, Schätzungen gehen davon aus, dass lediglich 30–50% aller Kindesmissbrauch-
schen Kriterien der Pädophilie stäter auch die diagnostischen Kriterien der Pädophilie erfüllen [3].

Diagnose

Definition

Der Begriff Pädophilie wurde 1886 von Richard von Krafft-Ebbing unter der Bezeichnung „paedo-
philia erotica“ ([4], S. 417) als psychische Störung eingeführt. Das Störungsbild der Pädophilie zählt
heute gemäß der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Ge-
sundheitsprobleme, 10. Ausgabe (ICD-10, F65.4; [5]) zu den Störungen der Sexualpräferenz und ist

Pedophilia · Etiology, diagnostics and therapy


Summary
Child sexual abuse is one of the most destructive events for healthy child development. Following psy-
chiatric classification systems, pedophilia must be distinguished from child sexual abuse. Approxi-
mately only one half of all child abusers fulfill the diagnostic criteria for pedophilia which is defined
as a persistent or dominating sexual preference for prepubescent children characterized by persis-
tent thoughts, fantasies, urges, sexual arousal or behavior. This article describes the diagnostic crite-
ria and potential differential diagnoses as well as epidemiological and etiological findings. From an
etiological point of view multifactorial mechanisms are currently considered to be responsible espe-
cially genetic factors, learning theoretical and neurobiological factors. Psychotherapeutic and phar-
maceutical treatment options will be discussed. According to the current state of knowledge cogni-
tive-behavioral psychotherapy is the method of choice in the treatment of pedophilia and has dem-
onstrated positive treatment effects in meta-analyses regarding relapse prevention. Medicinal treat-
ment of pedophilia is only indicated for severe forms of pedophilia. Important aspects of risk man-
agement in the treatment of pedophilia and aspects which must be considered in the forensic psy-
chiatric assessment are presented.

Keywords
Sexual behavior · Paraphilias · Sexual deviations · Child abuse, sexual · Risk factors

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CME

Tab. 1  Diagnostische Kriterien für Pädophilie (ICD-10) oder pädophile Störung (DSM-5)
Pädophilie nach ICD-10 (F65.4; [43])
Kriterium A Anhaltende oder dominierende Präferenz (intensive Impulse und/oder Fantasien) für sexu-
elle Handlungen mit einem oder mehreren Kindern vor deren Pubertät
Kriterium B Diese Präferenz besteht seit mindestens 6 Monaten
Kriterium C Der Betroffene handelt entsprechend den Impulsen oder fühlt sich durch sie deutlich beein-
trächtigt
Kriterium D Der Betroffene ist mindestens 16 Jahre alt und mindestens 5 Jahre älter als das Kind oder die
Kinder
Pädophile Störung nach DSM-5 (302.2; [6])
Kriterium A Über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten wiederkehrende intensive sexuell erre-
gende Fantasien, sexuell dranghafte Bedürfnisse oder Verhaltensweisen, die sexuelle Hand-
lungen mit einem präpubertären Kind oder präpubertären Kindern (in der Regel 13 Jahre
oder jünger) beinhalten
Kriterium B Die Person hat das sexuell dranghafte Bedürfnis ausgelebt, oder die sexuell dranghaften
Bedürfnisse oder Fantasien verursachen deutliches Leiden oder zwischenmenschliche
Schwierigkeiten
Kriterium C Die Person ist mindestens 16 Jahre alt und mindestens 5 Jahre älter als das Kind oder die
Kinder nach Kriterium A
Beachte: Spätadoleszente, die sich in einer fortdauernden sexuellen Beziehung mit einem 12- bis 13-jährigen
Partner befinden, sind nicht einzubeziehen
Beachte: Die klinische Diagnose pädophile Störung kann nur vergeben werden, wenn Kriterium A und B erfüllt
sind. Pädophilie liegt dann vor, wenn Kriterium A, nicht aber Kriterium B erfüllt ist
Bestimme ob
– Sexuell orientiert auf Jungen
– Sexuell orientiert auf Mädchen
– Sexuell orientiert auf Jungen und Mädchen
Bestimme ob: beschränkt auf Inzest
Bestimme den Typus
– Ausschließlicher Typus (nur auf Kinder orientiert)
– Nichtausschließlicher Typus
DSM-5 Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th edition, ICD-10 Internationale statistische Klassifikation der
Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Ausgabe.

als eine anhaltende oder dominierende sexuelle Präferenz für eines oder mehrere Kinder vor deren Pädophilie ist definiert als die an-
Pubertät definiert. Unter einer dominierenden Präferenz sind wiederholt auftretende intensive se- haltende oder dominierende se-
xuelle Fantasien oder Impulse zu verstehen. Die deviante sexuelle Präferenz muss mindestens über xuelle Präferenz für eines oder meh-
einen Zeitraum von 6 Monaten bestehen. rere Kinder vor deren Pubertät

Diagnostische Kriterien

Die Diagnose schließt folgende Personen ein:


F solche, die bereits nach dieser devianten sexuellen Präferenz gehandelt haben, und
F solche, die sich durch ihre Fantasien deutlich beeinträchtigt fühlen.

Die diagnostischen Kriterien im Überblick zeigt . Tab. 1.


Die diagnostischen Kriterien des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 5th editi-
on, (DSM-5, 302.2; [6]) unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen der ICD-10, ermöglichen
jedoch eine genauere Einordnung hinsichtlich:
F sexuelle Orientierung (hetero-, homo- oder bisexuell),
F Exklusivität der devianten sexuellen Präferenz (ausschließlich/nichtausschließlich auf Kinder
orientiert) und
F Verwandtschaftsgrad der Opfer (Inzest/kein Inzest).
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger und zur ICD-10 unterscheidet das DSM-5 zwischen Pädophilie und zur ICD-10 unterscheidet das
und einer pädophilen Störung. Die pädophile Störung entspricht hinsichtlich der diagnostischen Kri- DSM-5 zwischen Pädophilie und
terien der Pädophilie der ICD-10. Die Bezeichnung Pädophilie bezieht sich im DSM-5 nur noch auf einer pädophilen Störung
diejenigen Personen, die zwar eine sexuelle Präferenz gegenüber präpubertären Kindern aufweisen

Der Nervenarzt 2013  | 3


CME

(Kriterium A; . Tab. 1), diese jedoch nie ausgelebt haben oder unter ihren devianten sexuellen Fan-
tasien nicht leiden (Kriterium B; . Tab. 1). Entsprechend dem DSM-5 stellt das Vorliegen einer Pä-
dophilie eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für das Vorliegen einer pädophilen Stö-
rung dar und rechtfertigt dementsprechend auch nicht notwendigerweise eine klinische Intervention.
Zudem spezifiziert das DSM-IV das Kindesalter (≤13 Jahre); dagegen berücksichtigt die ICD-10
den zeitlich unterschiedlichen Beginn der Pubertät bei Kindern und sieht keine Altersangaben vor.
Ausdrücklich gilt gemäß ICD-10 der einmalige Missbrauch eines Kindes als keine hinreichende Be-
Wiederholte sexuelle Übergriffe dingung für die Diagnose einer Pädophilie, wohingegen wiederholte sexuelle Übergriffe (unabhän-
sind hinreichend für die Diagnose gig von der Existenz eines Leidensdrucks oder pädophiler Fantasien) nach den aktuellen Klassifika-
der Pädophilie tionssystemen hinreichend für die Diagnose der Pädophilie sind. Im Rahmen der Neuauflage des
DSM-Klassifikationssystems wurde ein quantitatives Kriterium hinsichtlich der Zahl notwendig vor-
liegender sexueller Übergriffe auf Kinder diskutiert, ebenso wie die Einführung einer eigenen no-
sologischen Entität für Hebephilie. Hebephilie ist durch ein sexuelles Interesses an Kindern und Ju-
gendlichen in der Pubertät gekennzeichnet [7]. Diese Überlegungen wurden jedoch nicht im DSM-
5 berücksichtigt

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnostisch gilt es, diejenigen Störungen auszuschließen, die zu sexuellem Missbrauch


führen können. Hierzu zählen in seltenen Fällen u. a. [8]:
F Intelligenzminderungen,
F Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis,
F Persönlichkeitsveränderungen aufgrund eines medizinischen Krankheitsfaktors,
F Substanzintoxikationen und
F manische Episoden.

Psychoorganische Beeinträchti- Auch im Zusammenhang mit psychoorganischen Beeinträchtigungen oder bösartigen Neubildungen
gungen können zu sexuellen Über- des Gehirns berichten Einzelfallstudien von sexuellen Übergriffen und sexuellen Fantasien gegen-
griffen und sexuellen Fantasien ge- über präpubertären Kindern [9, 10]. Differenzialdiagnostisch sind zudem andere Störungen der Se-
genüber präpubertären Kindern xualpräferenz (z. B. Exhibitionismus, Sadismus) zu berücksichtigen.
führen
Vorgehensweise
Nur bei einer offenen Darstellung Nur bei einer offenen Darstellung des sexuellen Erlebens und Verhaltens seitens des Patienten ist eine
seitens des Patienten ist die aus- Diagnosestellung basierend auf einer ausführlichen Sexualanamnese unproblematisch. Im forensi-
führliche Sexualanamnese valide schen Kontext sind zusätzlich ein gründliches Aktenstudium und eine detaillierte Tathergangsana-
lyse unumgänglich, da hier Selbstauskünfte der Betroffenen oftmals nur unzureichend valide sind
[11]. Ein möglicher Ausweg für diese Problematik liegt in der Verwendung objektiver Verfahren,
Die Penisplethysmographie wird im die vom Probanden nicht willentlich beeinflusst werden können (für einen Überblick: [12]). Die Pe-
englischsprachigen Raum als Gold- nisplethysmographie (PPG) wird im englischsprachigen Raum als der Goldstandard angesehen. Je-
standard angesehen doch zeigt die Forschungsliteratur einige Kritikpunkte an der PPG auf, sodass sie im deutschspra-
chigen Raum aufgrund methodischer, ethischer und juristischer Bedenken nicht klinisch eingesetzt
wird [13, 14]. An der PPG müssen u. a. die sehr belastende Durchführung für den Probanden [15],
die hohe Zahl sog. Nonresponder (bis zu 40%; [16]) sowie die umstrittenen psychometrischen Gü-
Aktuelle diagnostische Ansätze re- tekriterien [17] kritisch betrachtet werden. Aktuelle diagnostische Ansätze rekurrieren auf kognitive
kurrieren auf kognitive Aspekte de- Aspekte devianter sexueller Erregung [18]. Beispielsweise konnte die Göttinger Arbeitsgruppe zei-
vianter sexueller Erregung gen, dass pädophile von nichtpädophilen Probanden mit einer Sensitivität von 86,4% bei einer Spe-
zifität von 90% anhand ihrer Augenbewegungen beim Betrachten störungsrelevanter Reize unter-
schieden werden können. Bei dieser Methode werden automatische Aufmerksamkeitsprozesse er-
fasst, die der bewussten Beeinflussbarkeit durch den Probanden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht
zugänglich sind [19, 20]. Neben aufmerksamkeitsbasierten Verfahren wurde mittlerweile auch das
grundlegende Potenzial bildgebender Verfahren bei der diagnostischen Einordnung pädophiler Pa-
tienten demonstriert [21]. Aufgrund noch nicht ausreichend überprüfter psychometrischer Güte-
kriterien können diese Verfahren derzeit nicht als alleinige Methode für die Klärung diagnostischer
Fragestellungen empfohlen werden. Sie bieten jedoch im Zusammenspiel mit den bereits genannten

4 |  Der Nervenarzt 2013


CME

Ausmaß an Fixiertheit (Achse l) Häufigkeit von Kontakten (Achse II)

Hoch (68,9%) Hoch (42,5%)

Niedrige soziale Kompetenz (21,8%) Interpersonelle Kontakte (23,5%)

Hohe soziale Kompetenz (47,1%) Narzisstische Kontakte (15,2%)

Gering (31,1%) Gering (57,6%)

Niedrige soziale Kompetenz (15,1%) Geringe physische Gewalt

Hohe soziale Kompetenz (22,7%) Nichtsadistisch (18,5%)


Sadistisch (28%)

Hohe physische Gewalt


Nichtsadistisch (6,1%)
Sadistisch (3,8%)

Abb. 1 8 Zweiachsensystem zur Typologisierung von Kindesmissbrauchstätern nach Knight u. Prentky [25]. Die
Häufigkeitsangaben basieren auf einer Studie von Looman et al. [62] mit 109 Kindesmissbrauchstätern

Genetische
Faktoren

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Konditionierungs-
Neurobiologische

prozesse
Aspekte

Sexueller
Missbrauch
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Abb. 2 7 Hypothetische ätiologische


ul ale
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Faktoren der Pädophilie. Rot Fakto- Dy mo
E
ren, die ursächlich für die Entstehung
einer pädophilen sexuellen Orien-
tierung angenommen werden, blau
Faktoren des Vierpfadmodells nach Soziale
Ward u. Siegert [38], das das Auftre- Lernprozesse
ten eines sexuellen Übergriffs auf
Kinder zu erklären versucht

klassischen Verfahren (z. B. Sexualanamnese) ein großes Potenzial, insbesondere bei Diagnosestel-
lungen im forensischen Kontext.

Komorbidität

Hohe komorbide Lebenszeitprävalenzen werden bei pädophilen Patienten insbesondere hinsicht-


lich affektiver Störungen (60–80%), Angststörungen (50–60%), Abhängigkeitserkrankungen (50–
60%), Persönlichkeitsstörungen (70–80%), aber auch anderen Störungen der Sexualpräferenz (50–
70%; [22, 23]) berichtet.
Unabhängig von der psychiatri-
Tätertypologien schen Nomenklatur wurden Täterty-
pologien für Kindesmissbrauchstä-
Unabhängig von der psychiatrischen Nomenklatur wurden Tätertypologien für Kindesmissbrauch- ter erarbeitet
stäter erarbeitet. So unterscheidet beispielsweise Simkins et al. [24] zwischen einem fixierten, einem

Der Nervenarzt 2013  | 5


CME

regressiven und einem soziopathischen Tätertypus. Der fixierte Täter ist durch die Entwicklung eines
pädophilen Interesses bereits in der Adoleszenz, durch eine starke Identifikation mit den Opfern so-
wie eine Vermeidung sexueller Beziehung zu Erwachsenen und Gleichaltrigen gekennzeichnet. Da-
gegen besitzt der regressive Typus eine primäre sexuelle Orientierung gegenüber Erwachsenen und
Der regressive Typus substituiert substituiert konflikthafte Beziehungen zu Erwachsenen durch sexuelle Kontakte mit Kindern. Bei
konflikthafte Beziehungen zu Er- dem soziopathischen Tätertypus zeigen sexuelle Übergriffe auf Kinder oftmals sexuell sadistische
wachsenen durch sexuelle Kontakte Züge und werden zur Bewältigung aggressiver Gefühle genutzt; gegenüber den Opfern werden kei-
mit Kindern nerlei Schuldgefühle wahrgenommen [24]. Knight u. Prentky [25] definierten ein Zweiachsensystem
zur Unterscheidung unterschiedlicher Typen von Kindesmissbrauchstätern. Die Autoren gehen da-
von aus, dass Kindesmissbrauchstäter hinsichtlich ihres Ausmaßes sexuell devianter Fixierung und
der Häufigkeit von Kontakten mit Kindern klassifiziert werden können. (Details und Häufigkeitsan-
gaben finden sich in . Abb. 1.)

Prävalenz

Verlässliche epidemiologische Daten zur Prävalenz von Pädophilie liegen noch nicht vor. Dies kann
sowohl auf das Fehlen epidemiologischer Studien als auch auf eine vermutlich hohe Dunkelziffer
Schätzungen gehen in Deutschland zurückgeführt werden [15]. Schätzungen gehen in Deutschland von einer Prävalenz zwischen 0,23
von einer Prävalenz zwischen 0,23 und 3,80% in der männlichen Bevölkerung aus [26]. In einer Studie von Ahlers et al. [27] gaben 3,8%
und 3,80% in der männlichen Bevöl- von 367 Männern an, bereits sexuelle Handlungen an präpubertären Kindern vorgenommen zu ha-
kerung aus ben, und 9,5% aller Männer berichteten Masturbationsfantasien in Bezug auf präpubertäre Kinder.
Da sich diese Angaben jedoch auf Selbstauskünfte stützen, ist die Validität kritisch zu würdigen. In
einer weiteren populationsbasierten Kohortenstudie mit 3967 männlichen finnischen Zwillingen im
Alter zwischen 21 und 43 Jahren zeigte sich eine 12-Monats-Prävalenz von 0,3% für sexuelle Kon-
takte und von 2,7% für Masturbationsfantasien mit unter 16-jährigen Kindern [28]. Diese Studie be-
schreibt die Prävalenzrate für hebephile und pädophile Männer, ohne diese genauer zu differenzie-
ren. Zudem erlauben die Ergebnisse keine Rückschlüsse auf die Prävalenz bei Männern, die älter als
43 Jahre sind. Epidemiologisch valide Daten zur Prävalenz von Pädophilie bei Frauen liegen bis jetzt
Erste Schätzungen gehen von etwa noch nicht vor [14]. Erste Schätzungen gehen jedoch von etwa 1% weiblicher Tätern innerhalb der
1% weiblicher Tätern innerhalb der Gesamtpopulation von Kindesmissbrauchstätern aus. Die Autoren nehmen jedoch an, dass dieser
Gesamtpopulation von Kindesmiss- Wert die tatsächliche Anzahl von Frauen als Kindesmissbrauchstäterinnen deutlich unterschätzt [22].
brauchstätern aus
Ätiologie

Auch die Ätiologie der Pädophilie ist noch weitgehend ungeklärt. Diskutiert werden Konditionie-
rungsprozesse während der Pubertät, eigene Missbrauchserfahrungen in der Kindheit, genetische
Bis jetzt gibt es keinen empirisch Prädispositionen und neurobiologische Auffälligkeiten [15]. Keiner dieser Erklärungsansätze konn-
ausreichend belegten Erklärungsan- te bis jetzt empirisch ausreichend belegt werden, um ein evidenzbasiertes Ätiologiemodell zu kons-
satz für Pädophilie tituieren. Einen Überblick gibt . Abb. 2.

Genetische Einflüsse

Hinweise auf eine familiäre Häufung von Pädophilie fand eine Studie mit 33 pädophilen und 135 ge-
sunden Kontrollprobanden. Bei 5,0% in der Gruppe der pädophilen Probanden, aber bei keinem der
Kontrollprobanden trat eine pädophile Störung innerhalb Familienangehöriger 1. Grades auf [29].
Eine genetische Komponente hat Alanko et al. [28] zeigten weltweit erstmalig anhand einer finnischen Zwillingsstudie, dass eine ge-
Einfluss auf die Entstehung von se- netische Komponente Einfluss auf die Entstehung von sexuellem Interesse und Masturbationsfanta-
xuellem Interesse sien hat. Die Studie untersuchte insgesamt 3967 Zwillinge im Alter zwischen 21 und 43 Jahren. Ledig-
lich 3% aller Probanden gaben in Selbstberichten sexuelles Interesse an Minderjährigen (<16 Jahre)
an. In dieser Gruppe konnte eine nichtadditive genetische Komponente 14,6% der Gesamtvarianz in
den Daten aufklären. Von den Zwillingen nichtgeteilte Umwelteinflüsse klärten 85,4% der Gesamt-
varianz auf. Aus diesen Ergebnissen schlussfolgern die Autoren, dass sexuelles Interesse an Kindern
und Jugendlichen zu einem gewissen Prozentsatz genetisch vererbbar ist [28]. Die Studie verdeut-
licht aber auch, dass Umweltfaktoren einen bedeutend größeren Einfluss auf die Entstehung des se-
xuellen Interesses an Kindern zu haben scheinen als genetische Determinanten.

6 |  Der Nervenarzt 2013


CME

Konditionierungsprozesse

Lerntheoretische Überlegungen nehmen an, dass es während erster sexueller Erfahrungen mit gleich-
altrigen Kindern zu einer konditionierten Kopplung zuvor neutraler Reize (beispielsweise ein kind-
liches Körperschema) mit unkonditionierten sexuellen Verstärkerreizen (sexuelle Befriedigung)
kommt und so ein überdauerndes sexuelles Interesse an Kindern entsteht [30]. Die empirischen Empirische Studien zeigen wider-
Studien zeigen jedoch widersprüchliche Ergebnisse [31]. Auch die Tatsache, dass eine Vielzahl von sprüchliche Ergebnisse
Menschen ihre ersten sexuellen Erfahrungen zu Beginn der Pubertät mit Gleichaltrigen sammelt, je-
doch nur ein geringer Prozentsatz ein sexuelles Interesse an Kindern ausbildet, spricht gegen eine
eindimensionale Konditionierungshypothese. Möglicherweise spielt also eine Prädisposition auf-
grund anderer Vorfälle in der Kindheit eine wichtige Rolle, beispielsweise eigene Missbrauchserfah-
rungen [15].

Soziale Lernprozesse: Missbrauchs-Missbraucher-Hypothese

Einige Studien konnten belegen, dass eine überzufällige Häufung eigener Missbrauchserfahrungen Bei Pädophilen ist eine überzufäl-
bei Pädophilen zu finden ist. Eine Metaanalyse zeigte zusammenfassend, dass pädophile Kindesmiss- lige Häufung eigener Missbrauch-
brauchstäter häufiger in der Kindheit missbraucht wurden als nichtpädophile Kindesmissbrauchstä- serfahrungen zu finden
ter (durchschnittliches „odds ratio“: 1,13). Jedoch fand sich nur in einer der in die Metaanalyse aufge-
nommenen Arbeiten ein statistisch signifikanter Unterschied (Odds ratio: 2,43, [32]). In dieser auch
aus methodischen Gründen besonders hervorzuhebenden Studien mit insgesamt 135 Kindesmiss-
brauchstätern, die basierend auf PPG-Befunden in die pädophile oder nichtpädophile Gruppe ein-
geordnet wurden, berichteten 37% aller pädophilen Probanden, aber nur 17% aller nichtpädophilen
Probanden von selbst erlebten sexuellen Übergriffen vor dem 12. Lebensjahr [33]. Andererseits ent-
wickelt nicht jeder Betroffene, der in seiner Kindheit Opfer eines sexuellen Übergriffs wurde, ein se-
xuelles Interesse an Kindern. Der Zusammenhang scheint von einer bisher noch unbekannten drit- Der Zusammenhang scheint von ei-
ten Variablen, beispielsweise der Art und dem sozialen Kontext des erlebten Missbrauchs, moderiert ner bisher noch unbekannten drit-
zu sein. Zieht man die genetischen und lerntheoretischen Befunde in Betracht, dann liegt die Hypo- ten Variablen moderiert zu sein
these einer Gen-Umwelt-Interaktion nahe [15].

Bildgebende Befunde und neuropsychologische Aspekte

Bildgebende Befunde stellen sowohl strukturelle als auch funktionelle neurobiologische Unterschie- Bildgebende Befunde stellen neuro-
de zwischen pädophilen Probanden und nichtpädophilen Probanden dar und weisen zusammenfas- biologische Unterschiede zwischen
send auf strukturelle Veränderungen und veränderte Aktivierungsmuster insbesondere in frontalen pädophilen und nichtpädophilen
und temporalen Arealen hin [34]. Beispielsweise zeigte eine Studie mit 8 heterosexuellen pädophilen Probanden dar
Probanden und 12 heterosexuellen gesunden Kontrollprobanden keine Aktivierung im orbitofron-
talen Kortex bei heterosexuellen pädophilen Probanden verglichen mit der Kontrollgruppe, wenn
die Probanden die jeweils für sie sexuell relevanten Reize betrachteten (Kinderbilder bei den pädo-
philen Probanden, Erwachsenenbilder bei der gesunden Kontrollgruppe, [35]). Schlussfolgerungen
in Bezug auf die Ätiologie der pädophilen Störung sollten aus diesen Studien allerdings nicht gezo-
gen werden, da die Befunde von Studie zu Studie sehr stark variieren, die Studien z. T. bedeutende
methodische Schwächen aufweisen und nicht geeignet sind, Aussagen über die Stabilität der gefun-
denen Unterschiede zu treffen („state“ oder „trait“; [12, 36]). Gleiches gilt für neuropsychologische
Studien, deren Befunde in einer aktuellen Metaanalyse zusammengefasst wurden: Tendenziell schei- Kindesmissbrauchstäter scheinen
nen Kindesmissbrauchstäter geringere Leistungen in Bezug auf höhere kognitive Fähigkeiten aufzu- geringere Leistungen in Bezug auf
weisen als Straftäter, die keinen Kindesmissbrauch begangen hatten [37]. höhere kognitive Fähigkeiten aufzu-
weisen als andere Straftäter
Behandlung

Im Gegensatz zur Ätiologie der Pädophilie sind die Faktoren, die zu einem sexuellen Übergriff auf
Kinder führen, empirisch besser untersucht. Diese wurden in einem Pfadmodell der sexuellen De- Die in der Integrated Theory of Se-
vianz von Ward u. Siegert [38] erstmals zusammengefasst und in der Integrated Theory of Sexual xual Offending beschriebenen
Offending (ITSO, [39]) erneut aufgegriffen. Das Pfadmodell beschreibt 4 psychologische Mechanis- Pfade können zum sexuellen Kin-
men (Pfade), die zu sexuellem Kindesmissbrauch führen können: desmissbrauch führen

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CME

F 
Defizite im intimen Beziehungsverhalten und in sozialen Fertigkeiten,
F 
deviante sexuelle Skripte,
F 
emotionale Dysregulation und
F 
kognitive Verzerrungen.

Diese 4 Pfade treten bei jedem Patienten in eine individuelle Wechselwirkung, sodass der the-
rapeutische Schwerpunkt auf die am stärksten ausgeprägten Pfade abgestimmt werden muss
(. Abb. 1; [8, 40]).
Die Behandlung von bereits strafrechtlich auffällig gewordenen Patienten mit sexuellen Interes-
Die professionelle ambulante Nach- sen an Kindern, sog. Hellfeld, findet in der Regel in institutionalisierten Einrichtungen (Justizvoll-
betreuung nach Entlassung bewirkt zugsanstalt, sozialtherapeutische Anstalten, psychiatrische Maßregelvollzugsklinik) statt. In diesem
eine deutliche Reduktion des Rück- Zusammenhang bestätigen erste Studien, dass durch eine professionelle ambulante Nachbetreuung
fallrisikos der Patienten nach Entlassung eine deutliche Reduktion des Rückfallrisikos im Sinne erneuter se-
xueller Übergriffe erreicht werden kann (z. B. [41]). Erst in den letzten Jahren wurde die Notwen-
Für noch nicht strafrechtlich auffäl- digkeit professioneller ambulanter Behandlungsangebote für noch nicht strafrechtlich auffällig ge-
lig gewordene Personen mit sexuel- wordene Personen mit sexuellen Interessen an Kindern erkannt (sog. Dunkelfeld, [42]). Mittlerwei-
len Interessen an Kindern existieren le existieren auch für diese Klientel in vielen deutschen Städten ambulante Angebote u. a. in Berlin
ambulante Behandlungsangebote und Göttingen [43].

Psychotherapeutische Behandlung

Bei der Behandlung von Pädophilie ist gemäß der Behandlungsleitlinien der Deutschen Gesellschaft
Die Psychotherapie ist die Metho- für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) die Psychotherapie die Methode
de der Wahl der Wahl [44]. Metaanalysen bestätigen positive Behandlungseffekte, gemessen an Rückfallraten. In
einer aus methodischen Gesichtspunkten besonders hervorzuhebenden Metaanalyse waren 19,2%
der unbehandelten Sexualstraftäter, aber nur 10,9% der psychotherapeutisch behandelten Sexual-
straftäter in einem durchschnittlichen Beobachtungszeitraum von 4,7 Jahren nach ihrer Entlassung
Kognitiv-verhaltenstherapeutische wieder einschlägig rückfällig geworden [45]. Kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsansät-
sind anderen psychotherapeu- ze sind anderen psychotherapeutischen Behandlungsansätzen überlegen [46]. Auch sind diejenigen
tischen Behandlungsansätzen über- Behandlungsprogramme am effektivsten, die ausdrücklich dem „Risk-need-responsivity“-Prinzip
legen folgen (RNR-Prinzip, [45]). Das RNR-Prinzip geht davon aus, dass eine Behandlung dann wirksam
ist, wenn [47]:
1. die Intensität der Intervention dem Rückfallrisiko des Straftäters entspricht („Risk“-Prinzip),
2. die kriminogenen Bedürfnisse des Straftäters therapeutisch angesprochen werden („Need“-
Prinzip) und
3. die Behandlung den Fähigkeiten des Straftäters angepasst ist („Responsivity“-Prinzip).

Ziel aktueller Behandlungsprogramme ist nicht die Änderung des bestehenden pädophilen Interesses,
Ziel ist die Verhinderung erneuter sondern die Verhinderung erneuter sexueller Übergriffe auf Kinder durch das Erlernen von Coping-
sexueller Übergriffe auf Kinder Strategien für Risikosituationen basierend auf einer funktionalen Deliktanalyse („relapse preventi-
on“, RP; [48]). Weitere Therapiemodule umfassen u. a. die Steigerung der Opferempathie und Ver-
antwortungsübernahme, kognitive Umstrukturierung und soziales Kompetenztraining [8, 40]. Die
Deutsche strukturierte Behand- in Deutschland am häufigsten eingesetzten strukturierten Behandlungsprogramme stellen deutsch-
lungsprogramme stellen Adaptati- sprachige Adaptationen des Sex Offender Treatment Program (SOTP) dar, so beispielsweise das Be-
onen des Sex Offender Treatment handlungsprogramm für Sexualstraftäter (BPS, [49]). Ein neuerer Ansatz zur Behandlung von Pä-
Program dar dophilie folgt dem Good Lives Model (GLM), das von einer Verhinderung erneuter Straftaten durch
eine Erhöhung der Lebenszufriedenheit unter Anpassung der individuellen Lebensführung an die
spezifischen Bedürfnisse des Einzelnen ausgeht [50]. Empirisch wurde dieser Ansatz bis jetzt noch
nicht überprüft.

Medikamentöse Behandlung
Die medikamentöse Therapie von Die Leitlinien zur Behandlung von Störungen der Sexualpräferenz der DGPPN [44] ebenso wie die
Pädophilie soll die Psychotherapie Leitlinien der World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP, [51]) für die pharma-
lediglich unterstützen kologische Behandlung von Störungen der Sexualpräferenz empfehlen die medikamentöse Thera-

8 |  Der Nervenarzt 2013


CME

Tab. 2  Kriterien für eine forensisch relevante Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit bei Pädophilie
[61]
Forensisch relevante Verminderung der Steuerungsfähigkeit durch Pädophilie, wenn
(1) Konflikthafte Zuspitzung und emotionale Labilisierung in der Zeit vor dem Delikt bei vorbestehender
und länger anhaltender triebdynamischer Ausweglosigkeit
(2) Tatdurchführung auch in sozial stark kontrollierter Situation
(3) Abrupter, impulshafter Tatablauf, wobei jedoch ein paraphil gestaltetes und zuvor (in der Fantasie)
durchgespieltes Szenario kein Ausschlusskriterium für eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit
ist, sofern dieses Szenario der diagnostizierten Pädophilie entspricht und eine zunehmende Progre-
dienz nachweisbar ist
(4) Archaisch-destruktiver Ablauf mit ritualisiert wirkendem Tatablauf und Hinweisen für die Ausblen-
dung von Außenreizen
(5) Konstellative Faktoren (z. B. Alkoholintoxikation, Persönlichkeitsstörung, eingeschränkte Intelligenz),
die u. U. auch kumulativ eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit bedingen können

pie von Pädophilie nur begleitend zu einer Psychotherapie; sie soll die die psychotherapeutische Be-
handlung lediglich unterstützen. Die wichtigsten Substanzklassen umfassen:
F selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer („selective serotonin reuptake inhibitor“, SSRI),
F Cyproteronacetat (CPA) und
F Luteinisierendes-Hormon-Releasing-Hormon-Agonisten (LHRH-Agonisten; z. B. Triptorelin).

Für diese Substanzklassen lieferten Studien z. T. befriedigende Ergebnisse, mehrheitlich basierend
auf Selbstauskünften hinsichtlich der Abnahme der Intensität devianter sexueller Fantasien oder der
Masturbationsfrequenz [52]. Berner u. Briken [40] schlagen einen Behandlungsalgorithmus in Ab-
hängigkeit vom Schweregrad der sexuellen Devianz, der Symptomatologie sowie der unerwünsch-
ten Nebenwirkungen vor und empfehlen den differenzierten Einsatz der genannten Subtanzklassen. Der differenzierte Einsatz der ge-
Eine medikamentöse Behandlung wird nur in den Fällen für sinnvoll erachtet, die psychotherapeu- nannten Subtanzklassen wird emp-
tisch nicht erreicht werden können. Aufgrund zu großer methodischer Mängel der Studien ist aktu- fohlen
ell noch keine eindeutige Aussage über eine signifikante Verringerung des Rückfallrisikos durch me-
dikamentöse Maßnahmen möglich [53].

Risikomanagement

Die Behandlung von pädophilen Patienten nach dem RNR-Prinzip erfordert ein strukturiertes Risi-
komanagement. Die valide Einschätzung des Rückfallrisikos von pädophilen Kindesmissbrauchstä- Zur validen Einschätzung des Rück-
tern umfasst, neben einer ausführlichen funktionalen Tathergangsanalyse, die aktuarische Erfassung fallrisikos werden Risikofaktoren ak-
statischer und dynamischer Risikofaktoren [54]. Übersichtsarbeiten zeigen, dass ein bestehendes se- tuarisch erfasst
xuelles Interesse an Kindern der bedeutendste Risikofaktor hinsichtlich eines erneuten einschlägi-
gen Sexualdelikts bei Kindesmissbrauchstätern darstellt. Weitere statische Risikofaktoren sind u. a.
einschlägige Vordelinquenz, Abbruch früherer Therapien, fremde Opfer oder antisoziale Persönlich-
keitsakzentuierung [55]. Beispiele für Prognoseinstrumente zur Erfassung statischer Risikofaktoren
mit moderater bis guter prognostischer Genauigkeit sind:
F  Static-99 [56] und
F  Sexual Violence Risk-20 (SVR-20, [57]).

Für eine Einschätzung des therapeutischen Fortschritts und kurzfristiger Veränderungen sind die-
se Instrumente jedoch nicht geeignet [58]. Neuere Ansätze versuchen dynamische Risikofaktoren zu Neuere Ansätze berücksichtigen dy-
berücksichtigen, um so auch ein individuelles Fallmanagement zu ermöglichen (z. B. Stable-2007, namische Risikofaktoren
[59]). Dynamische Risikofaktoren umfassen Variablen, die grundsätzlich einer psychotherapeuti-
schen Veränderung zugänglich sind (z. B. das Ausmaß der Therapie- und Veränderungsmotivation).

Forensisch-psychiatrische Beurteilung

Nach dem deutschen Strafrecht kann die Verantwortlichkeit eines Täters bei Begehung der Tat auf-
gehoben (§ 20 StGB) oder erheblich vermindert (§ 21 StGB) sein, wenn die Einsichts- und/oder die
Steuerungsfähigkeit des Täters bei Begehung der Tat aufgehoben oder erheblich vermindert war. Bei

Der Nervenarzt 2013  | 9


CME

Bei Vorliegen einer Pädophilie Vorliegen einer Pädophilie bleibt die Einsichtsfähigkeit in das Unrecht einer Tat in aller Regel erhal-
bleibt die Einsichtsfähigkeit in das ten, auch kommt eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit kaum je in Betracht. Jedoch kann das Vor-
Unrecht einer Tat in der Regel er- liegen einer Pädophilie zu einer Verminderung der Steuerungsfähigkeit führen [60]. Das Vorliegen
halten einer Pädophilie kann das Eingangsmerkmal einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ (SA-
SA) im Sinne des § 20 StGB erfüllen [61], wenn
F  die Sexualstruktur weitestgehend durch die pädophile Neigung determiniert ist,
F  eine Ich-dystone Verarbeitung zur Ausblendung der Pädophilie führt,
F  eine progrediente Zunahme dranghafter pädophiler Impulse vorliegt, wobei mit ausbleiben-
der Befriedigung zunehmend das Erleben des Betroffenen durch diese Impulse beherrscht wird
und die Impulse zur Umsetzung auf Verhaltensebene drängen, oder
F  andere Formen der Befriedigung dem Betroffenen aufgrund von Persönlichkeitsfaktoren oder
sexuellen Funktionsstörungen nicht möglich sind.

Des Weiteren gibt die interdisziplinäre Expertenkommission am Bundesgerichtshof (BGH) kla-


re Richtlinien zur Beurteilung des Schweregrads der SASA und der psychopathologischen Einstu-
fung hinsichtlich der Verminderung der Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt (. Tab. 2; [61]).

Fazit für die Praxis

F 
Entscheidend für die Diagnosestellung einer Pädophilie ist das Vorliegen einer anhaltenden
oder dominierenden Präferenz für sexuelle Fantasien und/oder sexuelle Handlungen mit einem
oder mehreren Kindern vor deren Pubertät. Die diagnostische Einschätzung erfolgt anhand
einer ausführlichen Sexualanamnese, (und falls vorhanden) einem gründlichen Aktenstudium
und einer funktionalen Tathergangsanalyse. Zu beachten ist, dass der alleinige Straftatbestand
eines (einmaligen) sexuellen Missbrauchs von Kindern oder des Konsums von Kinderpornogra-
fie aus diagnostischer Sicht keine hinreichende Voraussetzung für Pädophilie darstellt.
F 
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Ansätze sind die Methode der Wahl bei der Behandlung, in
besonders schweren Fällen unterstützt durch eine medikamentöse Behandlung. Hier empfiehlt
sich eine Orientierung an den Leitlinien zur Behandlung von Störungen der Sexualpräferenz der
DGPPN.
F 
Die psychotherapeutische Behandlung sollte den RNR-Prinzipien folgen, die ein strukturiertes
Risikomanagement unter Berücksichtigung statischer und dynamischer Risikofaktoren erfor-
dert.
F 
Professionelle Ansprechpartner für Niedergelassene und Hilfesuchende sind die Ambulanzen
des Präventionsprojekts Dunkelfeld (PPD) in Berlin und des Therapieprojektes Prävention se-
xuellen Missbrauchs (PSM) in Göttingen.
F 
Einer stationären Behandlung im Maßregelvollzug oder Justizvollzug sollte eine professionelle
ambulante Nachsorge folgen, um die therapeutisch erreichten Veränderungen zu stabilisieren.
F 
Bei der forensisch-psychiatrischen Begutachtung kann das Vorliegen einer Pädophilie nur unter
ganz bestimmten Voraussetzungen zu einer Verminderung der Steuerungsfähigkeit führen: Die
Empfehlungen der Expertenkommission sind bei einer forensisch-psychiatrischen Begutach-
tung zugrunde zu legen.

Korrespondenzadresse

Dr. P. Fromberger
Abteilung für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen
Rosdorfer Weg 70, 37081 Göttingen
peter.fromberger@medizin.uni-goettingen.de

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

10 |  Der Nervenarzt 2013


CME

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Der Nervenarzt 2013  | 11


springermedizin.de/eAkademie

CME-Fragebogen
Bitte beachten Sie:
•  Teilnahme nur online unter: springermedizin.de/eAkademie
•  Die Frage-Antwort-Kombinationen werden online individuell zusammengestellt.
•  Es ist immer nur eine Antwort möglich.

??Wie hoch wird der Anteil pädophiler ??Wie hoch ist der angenommene geneti- ??Welcher der folgenden Wirkstoffe kann
Straftäter in der Gruppe der Kindesmiss- sche Anteil bei der Entstehung sexueller bei der Behandlung von Pädophilie in
brauchstäter geschätzt? Interessen an Kindern unter 16 Jahren besonders schweren Fällen indiziert
100% gemäß der weltweit ersten genetischen sein?
80% Zwillingsstudie zu devianten sexuellen Haloperidol
30–50% Fantasien und Verhaltensweisen? Triptorelin
20% 50,6% Lithium
<5% 80,1% Diazepam
10,5% Olanzapin
??Welche der folgenden Aussagen hin- 5,5%
sichtlich der diagnostischen Kriterien 14,6% ??Welches der folgenden Prinzipien ent-
von Pädophilie ist zutreffend? spricht dem Risiko-Prinzip („Risk“-Prin-
Der einmalige Missbrauch eines Kindes ist ??Einige bildgebende Studien untersuch- zip) des RNR-Ansatzes in der Behand-
eine hinreichende Bedingung für die Dia- ten neurofunktionelle und neurostruktu- lung von Pädophilie?
gnose Pädophilie. relle Unterschiede zwischen Kindesmiss- Die Intensität der Intervention muss dem
Mehrmaliger sexueller Missbrauch eines brauchstätern und gesunden Proban- Rückfallrisiko des Straftäters entsprechen.
Kindes ist eine hinreichende Bedingung den. Mit welcher der folgenden Aussa- Die Intensität der Behandlung muss der
für die Diagnose Pädophilie. gen lässt sich die Mehrheit dieser Befun- Compliance des Straftäters entsprechen.
Mehrmaliger sexueller Missbrauch eines de zusammenfassen? Die Intensität der Behandlung muss der
Kindes ist eine hinreichende und notwen- Bei Kindesmissbrauchstätern zeigten sich Intelligenz des Straftäters entsprechen.
dige Bedingung für die Diagnose Pädo- funktionelle Veränderungen in frontalen Die Intensität der Behandlung muss der
philie. und temporalen Gehirnregionen. Zahl komorbider Störungen des Straftä-
Leidensdruck aufgrund devianter sexuel- Bei Kindesmissbrauchstätern zeigten sich ters entsprechen.
ler Fantasien ist keine hinreichende Bedin- funktionelle Veränderungen in parietalen Die Intensität der Behandlung muss den
gung für die Diagnose Pädophilie. Gehirnregionen. sozialen Kompetenzen des Straftäters ent-
Sexuelle Interessen für Kinder müssen seit Bei Kindesmissbrauchstätern zeigte sich sprechen.
3 Wochen bestehen, um die Diagnose Pä- eine gravierende Aufweitung der Cisterna
dophilie zu erfüllen. magna.
Es zeigten sich keine funktionellen Unter-
??Welches psychiatrische Störungsbild schiede zwischen den beiden Gruppen.
sollte differenzialdiagnostisch bei der Bei Kindesmissbrauchstätern zeigten sich
Abklärung einer Pädophilie berücksich- funktionelle Veränderungen in motori-
tigt werden? schen und prämotorischen Arealen.
Burn-out
Schwere depressive Störungen
Hypochondrische Störung
Spinnenphobie
Manische Episode

D Für Zeitschriftenabonnenten ist die Teilnahme am e.CME kostenfrei


12 |  Der Nervenarzt 2013
CME-Fragebogen

??Welches Ziel verfolgen aktuelle psycho-


therapeutische Behandlungsprogramme
für Pädophilie?
Löschung der erlernten devianten sexuel-
len Orientierung auf Kinder und Erler-
nen gesellschaftlich akzeptierter sexueller
Praktiken.
Psychoedukation mit dem Ziel, einen
freundlichen Umgang mit Kindern zu ver-
mitteln.
Identifizierung der Kindheitserfahrungen,
die einem pädophilen sexuellen Interesse
zwingend zugrunde liegen.
Verhinderung weiterer sexueller Übergrif-
fe.
Abbau devianter sexueller Fantasien
durch vermehrte sexuelle Kontakte zu Er-
wachsenen.

??Welcher psychotherapeutische Ansatz


ist die Methode der Wahl in der Behand-
lung von Pädophilie?
Schematherapie
Dialektisch-behavioraler Therapie
Kognitiv-verhaltenstherapeutischer An-
satz
Psychoanalytische Therapie
Tiefenpsychologisch fundierte Therapie

??Welches Prognoseinstrument eignet sich


zur Erfassung dynamischer Risikofakto-
ren bei Kindesmissbrauchstätern?
Psychopathy Checklist Revised (PCL-R)
SVR-20
Static-99
Stable-2007
Historical, Clinical, Risk Management-20
(HCR-20)

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Der Nervenarzt 2013  | 13

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